Remember Our Love von blackNunSadako ================================================================================ Kapitel 3: Veraltete Bitterkeit der neuen Hoffnung -------------------------------------------------- In deiner Nähe habe ich Zuflucht und Schutz gesucht, in deinen Armen habe ich die Sicherheit gefunden… Angst ist ein menschlicher Urinstinkt, meine Verteidigung bist du...   Ich selbst bin es gewesen, vor dem ich mich gefürchtet habe...   Geblendet von Sorglosigkeit, habe ich einen Fehler begangen, dessen Preis ich nun zahlen muss... Das Spiel mit dem Feuer birgt eine Gefahr... Nicht für mich, vielmehr für uns...   Schützen habe ich dich wollen, dir zurückgeben, was du mir einst hast gegeben... Doch habe ich nicht nur mich selbst hinab in die Tiefe gerissen, sondern auch dich und die Menschen, welche mir ihr Vertrauen gegeben haben...   Alles würde ich geben, um das Geschehene rückgängig zu machen... Es ist längst zu spät... viel zu spät... Jetzt wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass du es bist, der mich vergisst...   Die Zeit mit dir ist rasend schnell vergangen... Jede einzelne Erinnerung an dich habe ich in meinem Herzen versiegelt, bis sie eines Tages durch die Dunkelheit an die Oberfläche gelangen wird...   Rau sind deine roten Lippen gewesen, die mich einst ihre Liebe haben spüren lassen... Glühend wie flüssiges Gold deine Augen, in deren verborgene Welt du mich hast blicken lassen... Beschützerisch deine Handlungen, besitzergreifend deine Berührungen...   Von uns beiden bin ich der egoistische Sturkopf gewesen, nicht du... Habe dich für mich behalten wollen und habe dir letztlich meinen Rücken gekehrt...   Wieso hast du mir nachgesehen, Eustass-ya? Weshalb bist du mir an diesem Tag gefolgt?   Und... warum hast du mir meine Lüge geglaubt...?       ~♡~       „Narkolepsie“, sprach ich emotionslos redend in Richtung des beschrifteten Klemmbretts und drehte mich mit dem Befund in der Hand zu meinem Patienten um. Zeitgleich merkte ich, dass dieser zwischenzeitlich abermals seinen Symptomen erlegen war und friedlich auf der Untersuchungsliege schlief.   Seufzend massierte ich mir mit zwei Fingern meinen Nasenrücken, warf einen letzten Blick auf den schlafenden Jugendlichen und wandte mich dann an seinen jüngeren Bruder, der im Schneidersitz wippend auf dem Holzhocker neben ihm saß. Ruffys dunkle Augen ruhten, trotz seiner sorglos wirkenden Körperhaltung, bedingungslos auf der Erscheinung seines kranken Bruders.   Als ich ihn ansprach, widmete er mir augenblicklich seine vollste Aufmerksamkeit.   „Seine Erkrankung ist überaus selten“, begann ich ihm monoton zu erklären und wählte meine Worte mit Bedacht, sodass selbst der naiv erscheinende Junge sie verstehen konnte. Während er sich seinen Strohhut langsam auf seinen Kopf setzte und seinen trüber gewordenen Blick hinter dem Schirm dieser versteckte, nickte er mir sanft zu, weswegen ich in der selbigen Stimmlage weitersprach.   „Die Krankheit ist nach dem heutigen Stand der Medizin unheilbar... jedoch nicht lebensbedrohlich“, teilte ich ihm die Fakten mit und ging dann langsamen Schrittes auf den Medikamentenschrank meines Behandlungszimmers zu. Mit einer Handbewegung öffnete ich eine der obersten Schubladen und ließ meinen Blick kurz über die darin befindlichen Pharmazeutika schweifen.   Nachdem ich gefunden hatte, wonach ich suchte, nahm ich das gebleichte Behältnis an mich und überbrückte dann die wenigen Meter bis zu dem Strohhut-Jungen, dessen Augen weiterhin hinter dem Schatten seiner Kopfbedeckung verborgen waren. Seinen Kopf hatte er in Richtung des Bodens gesenkt, indessen ich ihm die befüllte Tablettendose hinhielt. Ein kaum merkbares, aufmunterndes Schmunzeln zierte dabei meine Lippen.   „Es ist die Letzte, welche ich in meinem Besitz habe. Die Medikamente sind gesetzlich nicht mehr zugelassen, doch sollten sie ihm helfen können.“   In diesem Augenblick war ich mir vollends bewusst, dass ich dadurch eines der obersten Gesetze der Medizin verletzte und ich meine Lizenz als Mediziner einbüßte, falls dies jemals an die Öffentlichkeit gelangte. Doch war es mir gleichgültig. So sehr ich die beiden sonderbaren Brüder auch als nervtötend empfand, wollte der menschliche Teil in mir sie nicht im Stich lassen.   Das Leuchten der schwarz-Rehbraunen Augen des Jungen, welcher mir im nächsten Moment dankbar um den Hals fiel, war es mir wert gewesen. Er zeigte mir, warum ich meinen Berufszweig einst wählte: Um Leben zu erhalten und Menschen Hoffnung zu geben, die sie längst verloren hatten.   Für die einen war ich ihr Retter, gar ein Held. Für andere lediglich ein gefühlskalter Mörder. Selbst ein Perfektionist, wie ich es war, konnte das unabwendbare Schicksal namens Tod nicht aufhalten. Niemand war dazu imstande.   Die Person, die letztlich die Schuld zugesprochen bekam, war ich; Der Arzt, welcher mit ausdruckslosen Augen dem krebskranken Kind tatenlos beim Sterben zusah. Derjenige, der schuldig war, dass das Spenderherz nicht in der Brust des neuen Besitzers zu schlagen begann... Ich war das Monster, welches diese Leben nicht hatte retten können.   Wenigstens diesen beiden Jungen wollte ich Trost schenken. Redete mir ein, ich handele aus reinem Egoismus. Und hatte meinem dunklen Charakter etwas Licht spenden wollen.   Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht ahnen, dass Ace' Medikamente nicht anschlagen sollten und ich daraufhin abermals eine Entscheidung traf, die ich bis heute bitterlich bereute...       --       Die Smile-Fabrik, Produktionsstätte illegaler Drogen und Arzneimittel, war unser Ziel. Dort gab es äußerst wirkungsvolle Medikamente der fortgeschrittenen Medizin - Ace' einzige Chance auf Heilung. Ich selbst war lange Zeit ein Forscher dieses ominösen Institutes gewesen, daher wusste ich um die Gegebenheiten und den derzeitigen Standort.   Narkolepsie war keine Krankheit, die man seinen Nahestehenden wünschte und höchst gefährlich für das alltägliche Leben des Betroffenen. Des Weiteren konnte sie rapide Verluste der Muskelspannung hervorrufen, sodass der Erkrankte jederzeit der Gefahr eines plötzlichen Schwächeanfalls ausgesetzt war. Selbst der Strohhut erkannte den Ernst der Lage, nur einer nicht: Ace selbst.   „Haha! Jetzt hab dich nicht so, Law, und schau nicht so grimmig aus der Wäsche!“, lachte der rechts neben mir laufende Cowboyhutträger und schlug mir mehrmals mit seiner lockeren Faust auf meine rechte Schulter. Derzeit waren wir auf dem Weg durch die verwinkelten Gassen des seelenlosen Viertels, welches über einen Umweg zu besagter Fabrik führte. „Gib doch einfach zu, dass du bloß mit mir allein sein wolltest. Führst du mich danach zum Essen aus?“   Für seinen makabren Scherz hatte ich nicht einmal ein angehauchtes Schmunzeln übrig, weswegen ich ihn und seine offene Art schlichtweg ignorierte und mich gedanklich auf unser Vorhaben konzentrierte. Seinen energischen und vorschnellen Bruder weihten wir nicht in unseren Plan ein, zu groß war die Gefahr durch sein vorlautes Stimmorgan entdeckt zu werden.   „Ruff ist vorhin auch schon so komisch gewesen... Ihr tut ja beinahe so, als ob jemand sterben würde“, führte Ace erheitert seinen Monolog fort und verzog seine Lippen zu einem resignierenden Lächeln, welches sich über beide seiner sommersprossigen Wangen ausbreitete. „Ich werde niemals sterben… das habe ich meinem kleinen Bruder versprochen.“   Leise seufzend, rückte ich mit einer geübten Handbewegung die Vorderseite meiner gefleckten Mütze über meine gedankenversunkenen Augen und blickte stur auf einen Punkt der betonierten Sackgasse, auf die wir zuliefen. Zurzeit war es tiefste Nacht, welche von einzelnen Regenwolken und leichten Regentropfen untermalt wurde, was meine angespannte Stimmung nicht sonderlich anhob.   „Dies möchte ich nicht hoffen...“, flüsterte ich leise zu mir selbst redend und umklammerte mein Katana etwas fester, welches ich in meiner rechten Hand hielt. Der Gedanke, nach solch langer Zeit an diesen Ort zurückzukehren, behagte mir nicht und löste eine innere Unruhe in mir aus, die mich nicht mehr losließ. Doch war jedweder, sorgenvoller Gedankengang in diesem Augenblick mehr als hinderlich.   Nur unterbewusst nahm ich die schweren Schritte hinter uns wahr, deren Klang ich nur zu gut kannte: Es waren Springerstiefel, deren Auftreten ich unter tausenden wiedererkennen würde. Bevor sie sich uns weiter nähern konnten, betätigte ich den versteckten Knopf an der linken Wandseite der Hintertür eines der betonierten Gebäude und gab mit wenigen Fingerbewegungen routiniert den Schlüsselcode in das erschienene Tastenfeld ein.   Als die schwere Eisentür der Seitengasse sich öffnete, zog ich den staunenden Cowboyhutträger an seinem Unterarm mit mir mit, ehe die Tür hinter uns geräuschvoll zufiel. Damit hatte ich unseren Verfolger abgeschüttelt. In diese Angelegenheit wollte ich ihn nicht hineinziehen und tat es dennoch ohne es zu realisieren. Auch litt meine Konzentration unter der ungeahnten Störung, sodass ich mich, neben dem Gefühl der Reue, zudem mit meinem inneren Gewissenskonflikt auseinandersetzen musste.     Durch den verzweigten Gebäudekomplex gelangten wir auf das unscheinbare Fabrikgelände, welches abseits des ärmeren Stadtviertels lag. Über dem Gelände flog indessen ein einzelner Rabe in kreisenden Bewegungen durch die Luft. Man könnte meinen, dass die Anlage seit Jahrzehnten nicht in Betrieb genommen wurde, so geistlos und Pflanzen-überwuchert wirkte sie augenscheinlich. Jedoch wusste ich es besser: Dies alles gehörte lediglich zur Tarnung.   Ace wirkte äußerst gelangweilt von der grauen und eindruckslosen Kulisse, belächelte sie und gab ihr den Namen `rauchige Grabstätte´, in Bezug auf die vereinsamten Schornsteine, aus welchen ab und an eine einzelne Rauchwolke stieg.   Nach wenigen Minuten hatten wir uns über den Hintereingang unbemerkt in das Hauptgebäude geschlichen. Ich wusste genau, welchen der Räume wir suchten: Ein Labor in einem der oberen Stockwerke, welches wir mit schnellen Schritten ansteuerten.   „Wie langweilig“, seufzte Ace beim Laufen und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf, während er sich desinteressiert in den trostlosen Gängen mit den geschlossenen Metalltüren zu unserer Linken und Rechten umsah. „Bist du dir sicher, dass wir hier richtig s-“   Mitten im Sprechfluss brach er ab, bevor abrupt seine Beine nachgaben und er urplötzlich in sich zusammensackte. Leicht weiteten sich meine Augen, indessen ich mich umdrehte und beobachtete, wie sein erschlaffter Körper in Zeitlupe zu Boden fiel. Ace wäre, mit dem Hinterkopf voraus, direkt auf dem harten Untergrund aufgekommen, hätte ich nicht augenblicklich gehandelt und ihn mit meinem linken Arm abgefangen.   Meinen Unterarm um seinen Rücken geschlungen, blickte ich aufmerksam in seine friedlichen Gesichtszüge, ehe der Moment des Schreckens abklang und ich ihn behutsam auf den Boden legte. Sein Puls und seine Atmung waren stabil, lediglich ein kurzzeitiger Schwächekollaps hatte den Ausfall seiner Muskelfunktionen herbeigerufen. Das Schlimmste konnte ich verhindern, was mich äußerst beruhigt stimmte.   An die kahle Wand des Flures lehnte ich mein Katana, setzte mich selbst auf den rauen Untergrund neben Ace, mit meinem Rücken an die kühle Wandverkleidung lehnend, und seufzte anschließend lautlos. Dass er genau in diesem Augenblick einen seiner narkoleptischen Anfälle erleiden musste, so kurz vor unserem Ziel, war überaus ungünstig. Doch blieb mir nichts anderes übrig, als auf sein Erwachen zu warten und mich innerlich zu verfluchen, da ich kein Riechsalz mitgenommen hatte.   „Warum tue ich dies nur...?“, fragte ich mich leise und zweifelte an meiner unüberlegten Entscheidung, während ich meinen Hinterkopf an der kalten Wand hinter mir ablegte und dabei meine Augen schloss. Das permanente Vibrieren meines stummgeschalteten Handys, welches ich in der Tasche meines schwarzen Plüschmantels bei mir trug, ignorierte ich weiterhin. Ich brauchte keinen Blick auf das Display zu werfen, um zu wissen, wer mich seit geraumer Zeit versuchte anzurufen.   Es gab kein Zurück mehr, dafür war es längst zu spät. Diese Angelegenheit hatte ich für mich entschieden, die Konsequenzen musste ich allein tragen.   Als Ace nach wenigen Momenten wieder zu sich kam, kratzte er sich entschuldigend am Hinterkopf und murmelte ein: „Sorry, bin wohl wieder weggenickt. Haha, ich hab von Marco und Sake geträumt.“   Mit einem erleichterten Schmunzeln reichte ich ihm meine Hand, ehe wir zielgerichtet weitergingen. Nur noch wenige Türen trennten uns nun von unserem Ziel. Es grenzte an ein wahres Wunder, dass wir bisher nicht entdeckt worden waren.     Danach verschleierten meine Erinnerungen. Es waren nur vereinzelte Bruchstück, an die ich mich erinnerte und die wie ein rasantes Zeitraffer-Video durch mein Unterbewusstsein flimmerten... Jedoch reichten diese aus, um einen Kurzschluss in meinem Nervensystem auszulösen.   „Dies sind die Medikamente, welche wir suchen.“   „Wir haben's geschafft, Law!“   „Traffy! Ace! Shishishi!“   „Strohhut...? Bist du uns etwa gefolgt-?“   „Ist da jemand? Was-?! Ihr Drei habt hier nichts zu suchen!“   Keine Sekunde später hallten die schrillen Alarmsirenen durch die Fabrikflure, über welche zeitgleich unzählige Wachmänner in unsere Richtung rannten.   „Verschwinde von hier, Traffy! Wir regeln das!“   „Aber-“   „Hau schon ab, na los, Law! Und… Danke für alles.“   Das Letzte, was ich je von den beiden Brüdern hören sollte, bevor ich sie niemals wiedersah, waren Ruffys verzweifelte Rufe nach seinem angeschossenen Bruder. Augenblicklich brannten sie sich in mein Gedächtnis, ebenso wie seine zerbrochene Stimme, welche ich niemals wieder vergaß. Wo sonst so viel Fröhlichkeit und Frohmut erklang, waren nur noch Melancholie und Traurigkeit. Ruffys Schreie waren markerschütternd, zerrissen von Furcht und Panik.     „Ace...! Ace...! Ace...!“       ~*~       Als ich meine Augen aufschlug, sah ich in das Gesicht des Mannes, dessen goldene Iriden sich augenblicklich aufhellten. In ihnen zeichnete sich ein Funke der Erleichterung wieder, welchen er mit verbissen zusammengezogenen Lippen zu überspielen versuchte. Neben ihm, ebenfalls um mein Krankenbett stehend, erkannte ich den orangehaarigen Pfleger, der kaum hörbar schluchzte, sowie den Arzt, dessen Kappe er sich tief über seine Stirn gezogen hatte. Nahe der Tür, an je einer der Wandseiten von dieser, lehnten der grauhaarige Officer und der langhaarige Blonde. Ihre besorgten Augenpaare waren allesamt auf mich gerichtet, auf eine Reaktion meinerseits wartend.   Wieso... sorgen sich diese Menschen so sehr um mich…? Und warum ergreift mich bei dem Gedanken daran eine solch intensive Wärme?   Ich brauchte einen kurzen Augenblick, um meine Orientierung zu finden, achtete nicht auf die abwartenden Blicke und ließ meinen Eigenen zeitweilig durch den kahlen Aufwachraum der Intensivstation wandern. Nachdem ich realisierte, dass ich mich abermals im Krankenhaus befand, fielen meine sich weitenden Augen auf die Person, die in der hintersten Ecke auf einem Stuhl saß. Seine Körperhaltung war nach vorne gebeugt, sein Gesicht unter seinen Händen begraben, zwischen deren Fingern er verkrampft seinen Cowboyhut hielt.   Wie von selbst formten meine Lippen leise meine nächsten Worte.   „Ace... Du lebst“, erkannte ich ehrfürchtig flüsternd und wurde mir meiner Erkenntnis erst nach dem Aussprechen bewusst. Zeitgleich hob der Angesprochene seinen Kopf, sah mich mit schuldbewusster Mimik an und formte dabei seinen Mund zu einem sanften Lächeln. Ihm schien eine getragene Last von seinen Schultern zu fallen, als er meinen Wachzustand bemerkte.   Mit einer Handbewegung setzte er sich seinen Cowboyhut auf, dabei langsam von dem Holzstuhl aufstehend, und öffnete seinen Mund, als ob er etwas hätte sagen wollen. Doch war es nicht seine Stimme, welche nun das stille Zimmer füllte, sondern das dröhnende Geräusch der zuschlagenden Tür, deren Lautstärke das Wasserglas auf dem Beistelltisch stark zum Vibrieren brachte.   Alle Augen richteten sich auf die Krankenzimmertür, durch die der Hüne wortlos den Raum verlassen hatte. Mehrmals blinzelnd, wirkte mein Blick überaus irritiert. Zeitgleich bildete ich mir ein, dass die Raumtemperatur um einige Grade kälter geworden war, ohne den hitzeausstrahlenden Mann an meiner Seite.   Neben den sich entfernenden Schritten seiner Stiefel, hörte ich das leiser werdende Knurren, welches über die Flure des Krankenhauses hallte.   „Fuck! Ich hab die ganze Scheiße sowas von satt!“     Bleib hier!, wehrte sich Alles in mir dagegen, ihn gehen zu lassen. Alles schien nichtig, so unbedeutend, gegen meinen inneren Drang, ihm nachzugehen.   Mein Kopf blendete sämtliche, äußeren Einflüsse aus, während meine Augen wie erstarrt auf die geschlossene Tür blickten. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie sich der blonde Palituchträger in Bewegung setzte, seine rechte Hand rasch nach der Türklinke greifend. Gleichzeitig traf mein Unterbewusstsein eine Entscheidung, für die ich nicht nachzudenken brauchte.   Fest und sicher klang meine Stimme, mit der ich ihn zum Anhalten brachte, sodass sein mit blonden Strähnen überdecktes Gesicht sich augenblicklich zu mir drehte.   „Hol ihn zurück und entsende ihn auf das Dach“, befahl ich ihm mit autoritärem Ton und wandte mich nach einem zustimmenden Nicken seinerseits an Penguin, der an meiner rechten Bettseite stand. „Hast du nicht dafür sorgen wollen, dass niemand in mein Zimmer kommt? Bring mir augenblicklich einen Rollstuhl“, teilte ich ihm meinen Entschluss mit, duzte ihn unwillkürlich und ignorierte die verwunderten Gesichter gekonnt, da sie mir vollkommen gleichgültig waren.   Selbst Ace, dessen gesundheitlicher Zustand mich innerlich erleichterte, wollte ich nicht sehen. Nein, für mich gab es nur einen Menschen, den ich nun in meiner Nähe haben wollte: Eustass Kid, der Mann, welcher eine solche Macht über meinen Körper und meinen Geist besaß, die gleichermaßen Zerstreutheit und Entschlossenheit in mir hervorrief.   Die Anwesenden mussten meine Entscheidung akzeptieren und verließen nacheinander den Raum, ein jeder von ihnen mir einen letzten Blick zuwerfend. Penguin, der als Letzter durch die Tür schritt, fragte mich beim Gehen noch nach meinem Wohlbefinden, welches mit jeder Minute besser wurde. Sowie mein Verstand klarer, denn je war. Ich wusste, was ich wollte, und setzte meine Meinung nachdrücklich durch. Es fühlte sich überaus richtig an, die Kontrolle über meine Sinne zurückzuerlangen.   Finde ich womöglich langsam zu meinem alten Selbst wieder?, fragte ich mich, Meinen psychischen und physischen Prozess spüre ich zweifellos...   Als Penguin mit dem Rollstuhl wiederkehrte, zeichnete sich ein Schmunzeln auf meinen Zügen ab. Jedoch blieb die Frage, ob ich aus eigener Kraft den Weg zu unserem Treffpunkt bewältigen konnte. Unwillkürlich erinnerte ich mich an den turbulenten Ausflug der gestrigen Nacht.   Kid… Irgendetwas möchte mir dieser Name sagen…   In meinem Innersten fühlte ich, dass ich diesem Mann Unzähliges schuldete. Dass er mir so Vieles gab, dessen Bedeutung ich noch nicht wusste, doch alsbald in Erfahrung bringen sollte.   Du hast lange auf mich gewartet, Eustass Kid. Nun bin ich es, der auf dich warten wird…           ###           Fuck! Fuck! Fuck!   Ich tobte, wütete und fluchte. Meinen angestauten Frust ließ ich an Smokers Polizeikarre aus, deren Nummernschild: `SM 143´ - mit perverser Namenskürzung und Geburtsdatum – mir mächtig gegen den Piss ging, wie so ziemlich alles in diesem Moment.   Der Windschutzscheibe verpasste ich einen kostenlosen Anstrich mit meinem roten Lippenstift, den ich immer in der Tasche meiner gefleckten Hose dabeihatte. Grob und wild zog ich den Stift über das Glas, in Begleitung meiner abfälligen Knurr- und Brummlaute, die über den leeren Klinik-Parkplatz grollten.   Wären der dampfende Bulldozer und Ace nicht hier aufgetaucht, wäre die ganze Scheiße nie passiert! Ace... An ihn erinnert Trafalgar sich natürlich, an mich nicht! Ich könnt kotzen, im Strahl!   Nachdem ich mit meiner Lackierung fertig war, schnaufte ich frustriert und atmete mehrere Male ein und aus, meine Schultern sich dabei hebend und senkend. Erst dann bemerkte ich, dass ich eine große, rote Faust, inklusive zeigendem Mittelfinger auf die Scheibe gepinselt hatte, mit den drunter geschriebenen Worten: `Fuck off´   Hey, immerhin hab ich das Teil nicht beschädigt... Bloß verschönert... Als Mechaniker und gelernter Karosseriebauer würd‘ ich dafür eigentlich Kohle verl-   Aus meinen Gedanken gerissen zuckte ich stark zusammen, als ich die Hand auf meiner Schulter spürte. Zeitgleich drehte ich mich pissig knurrend um und wollte meine vorschnellende Faust fliegen lassen... Aber stoppte meine geballte Hand einen knappen Zentimeter vor der Nase, die hinter einem violetten Tuch versteckt war. Stattdessen rollte ich genervt meine Augen und verschränkte meine Arme vor meiner Brust.   „Was ist?!“, fragte ich Killer unzufrieden und warf ihm einen meiner tödlichsten Blicke zu, den er gekonnt über sich ergehen ließ. Stumm betrachtete er sich mein Kunstwerk und belächelte es, der Stoff des Tuchs über seinen Lippen sich dabei leicht verziehend.   „Du hast es immer noch drauf, Kid“, lobte er mich mit einem anerkennenden Nicken und spielte auf unsere Zeit als Graffiti-Sprayer an, in der wir als Jugendliche nachts besoffen die Häuserwände unseres Viertel dekorierten.   Als ich nochmals einen Blick auf mein Werk warf, fiel mir sogar meine Unterschrift auf, mit der ich in Rage unterschrieben hatte. Die roten Buchstaben befanden sich in der unteren, rechten Ecke der Scheibe und zeigten den Schriftzug: `Captain´   Meine Lippen formten ein stolzes Grinsen, als ich meinen selbsternannten Titel las, während sich meine Schultern leicht entspannten und meine Laune sich um eine Spur hob. Das Gesicht, wenn die Hülse des Gesetzes meine freundlichen Grüße sah, durfte ich echt nicht verpassen. Für das Bild würde ich sogar einen Speicherplatz meines Handys opfern.   Noch immer angepisst, doch ein Ticken ruhiger, drehte ich mich wieder zu meinem besten Freund um und wiederholte meine Frage.   „Was willst du?“, zog ich beim Sprechen eine meiner nicht vorhandenen Augenbrauen nach oben und musterte Killers übermüdete Erscheinung. Seine blonden Haare sahen zerstreut und mitgenommen aus. Sein hinter Pony und Tuch verstecktes Gesicht brauchte ich nicht zu sehen, um zu wissen, dass er genauso fertig von der schlaflosen Nacht war, wie ich.   Mit einem lockeren Schulterzucken schob Killer lässig seine Hände in die Hosentaschen seiner gefransten Hose, „Nach dir sehen“, antwortete er mir beiläufig. Woraufhin ich ihm ein: „Jetzt hast’e mich ja gesehen, also kannst’e wieder abziehen“, entgegen brummte.   „Eigentlich“, begann er nochmals zu sprechen, das Schmunzeln deutlich in seiner Stimme zu hören, während er sich von mir wegdrehte, Richtung Klinikeingang schlendernd. „Bin nicht ich es, der etwas von dir will… sondern Trafalgar.“   Das machte mich hörig. Sofort bewegten sich meine Beine, die zu Killer aufholten. Zusammen gingen wir dann durch den gläsernen Eingang der weißen Anstalt. Von der Seite warf ich ihm beim Laufen einen fragenden, sowie abwartenden Blick zu, der genervter nicht hätte sein können. Killers unnötiges Hinauszögern hielt für mich eine halbe Ewigkeit an, ehe er endlich mit der Sprache rausrückte.   „Das Dach-“, weitere Infos brauchte ich nicht, um loszurennen.   Trafalgar will mich also auf dem Dach treffen?, dachte ich mir grinsend und nahm mit Highspeed die ersten Stufen des Treppenhauses nach oben, zwei auf einmal bei jedem festen Schritt. Wird auch Zeit, dass er endlich kapiert, wie sehr er mich vermisst hat…   Dann fiel mir ein, dass ich ja immer noch stinksauer war, weswegen ich meine rennende Bewegung verlangsamte und stattdessen mit einem nachdrücklichen Stampfen die nächsten Treppen einzeln nahm. Das unbeleuchtete, hallende Treppenhaus untermalte meine schlechte Laune deutlich.   Als ich nach einem endlosen Treppenmarsch vor der geschlossenen Tür zum Dach angekommen war, wischte ich mir mit meinem Handrücken die einzelnen Schweißtropfen grob von meiner Stirn. Fucking acht Stockwerke hatte ich zurückgelegt und fragte mich, wozu es einen beschissenen Aufzug gab, wenn ich ihn nicht benutzte.   Scheiße passiert… Meist mir, aber juckt’s mich nicht die Bohne… Der einfachste Weg ist halt nicht mein Stil. Ich brauch die Herausforderung…   Nach einem tiefen Atemzug, ließ ich meine Schultern einmal kreisend knacken und griff dann nach dem runden Türknauf, den ich in der gleichen Bewegung rechtsdrehend öffnete. Ein starker Luftzug wehte durch die von mir aufgerissene Tür, weswegen ich meine Augen kurz zukniff, während ich ins Freie trat. Zuerst fielen meine Augen auf Trafalgar, der mit seinem Rücken zu mir gedreht im Rollstuhl saß... Dann auf die Person, die neben ihm am Geländer lehnend stand.   Dein scheiß Ernst jetzt?! Ich glaub ich seh‘ nicht richtig!     Eine einzelne Rauchwolke blies Smoker in Richtung des Nachthimmels, ehe er sich lässig von der schmalen Brüstung abstieß. Er ging einen Schritt auf Law zu und legte seine fucking Hand auf seinem tätowierten Unterarm ab, der locker auf der Lehne des Rollstuhls lag. Ungläubig verfolgte ich Smokers Bewegung, die sich vor meinen wutentbrannten Augen zeitlupenartig abspielte. Langsam beugte er sich nach unten, zu Trafalgars linkem Ohr, um ihm irgendwas zu sagen, woraufhin der sonst so ausdruckslose Chirurg doch allen Ernstes leise lachte.   Mein unkontrollierter Puls schlug mir bis zum Hals, meine beiden Fäuste sich währenddessen fest ballend, sodass sich meine roten Nägel tief in meine Handflächen bohrten. Zeitgleich stürmte ich aus tiefster Brust knurrend auf Smoker zu.   Ich sah rot. Blutrot, als der verfickte Penner es wagte, seine dreckigen Griffel an meinen Besitz zu legen.   Law gehört MIR! Scheiße, ich bring den Bastard um!   Ohne anzuhalten und ohne bemerkt zu werden, erreichte ich den Kotzbrocken… bevor meine harte Rechte nach vorne schnellte und mitten in den Kiefer seiner schmierigen Visage krachte. Gleichzeitig spürte ich ein merkbares Knochenknacken unter meinen weiß hervorstehenden Knöcheln. Seine Zigarren prügelte ich ihm dabei aus der Fresse, woraufhin er die glühenden Stängel zu Boden spuckte.   Mein animalisches Brüllen, welches im selben Atemzug über das totenstille Dach donnerte, ließ meinen gesamten Körper vor Wut beben.   „Ich brech‘ dir jeden verfickten Knochen!“, nahm meine Stimme einen gefährlich aggressiven und tödlich reißerischen Ton an, während meine Augen vor Raserei und Tobsucht dunkel aufblitzten. „Ich prügle dir die Scheiße aus dem Leib, Wichser!“   Den geschockten Blick, den Trafalgar mir von der Seite zuwarf, bemerkte ich nicht, zu sehr war ich meinem Wutrausch verfallen. Für ihn musste ich einen absolut angsteinflößenden Anblick abgeben, der ihn mit geweiteten Augen ausweichend im Sitzpolster zurückrutschen ließ. Mit meinem Rücken stellte ich mich zur selben Zeit vor ihn, meinen Standpunkt verdeutlichend.   Meins!   Nachdem Smokers Körper den Schmerz durch seine Glieder schickte, knurrte er kurz schmerzverzerrt auf, ehe er sich mit seiner rechten Hand seinen stoppelbärtigen Kiefer richtete. Seine hinter den getönten Gläsern verdeckten, unbeeindruckten Augen fanden dann die ungezähmten Meinigen. Mit einer protzenden Bewegung knackte er seine Fäuste, baute sich dabei vor mir auf und zog einen seiner Mundwinkel spottend nach oben.   „Der Biss eines bellenden Streuners ist ungefährlich. Du legst es wirklich auf die harte Tour an, was? Durch die Hand des Gesetzes werde ich dir Disziplin beibringen, Bursche“, hörte ich seinem Rotz nicht einmal ansatzweise zu, meine Antwort sollte ihm stattdessen meine Faust geben. Knurrend stieß ich ihn mit meiner stählernen Schulter nach Hinten, direkt mit seinem Rücken gegen das schmale Geländer - möglichst weit weg von Trafalgar.   Keinen Atemzug später flogen im Sekundentakt unsere Fäuste, ähnlich einem donnernden Kanonenfeuer. Treffer um Treffer steckten wir beide taumelnd weg; einer traf mich in meine Rippen, ein anderer traf ihn mit voller Wucht in seine Magengrube. Mehrmals tauschten wir die Plätze, sodass er es jetzt war, der meinen Rücken weit gegen die hüfthohe Brüstung rammte, die Metallstangen sich dabei tief in meine Haut bohrend.   Mit einem ordentlichen Schlag schmetterte ich ihm seine verdunkelte Brille aus seiner Visage, die Gläser klirrend im Flug zu Boden splitternd. Gleichzeitig griff er erbarmungslos nach meinem Handgelenk und drehte es in einem schmerzvollen Winkel nach außen. Sicher hätte er es mir gebrochen, wenn ich ihn nicht mit meinem rechten Stahlkappenstiefel gegen seine Kniescheibe getreten hätte.   Als er nach Unten sackte, packte ich ihn an seinen grauen Haaren und starrte ihn von oben herab vernichtend an. Doch reagierte er sofort, sodass ich die glühende Zigarre, die er zu fassen bekam, im nächsten Moment durch den abbrennenden Stoff meiner gefleckten Hose auf meiner Wade spürte. In Begleitung eines unterdrückten Knurrlauts ließ ich aus Reflex seine Zotteln los und zog mein Bein weg, welches er mir genauso schnell wegriss.   Wir boxten uns auf dem Boden rollend weiter. Keiner von uns wurde schwächer, jeder deutliche Flecken über den ganzen Körper des anderen verteilend. Die einzigen Geräusche, die uns umgaben, waren unser Knurren und Fluchen, sowie der Aufprall der Schläge und der rangelnden Muskelmassen auf der betonierten Dachverkleidung, die mit einzelnen Blutflecken der aufgeplatzten Hautpartien verziert wurde. Alles war mir scheißegal, solange meine stahlharte Rechte ihr Ziel traf.     Trafalgars geweitete Augen starrten mit blankem Horror auf uns, unterbewusst spürte ich seine Blicke, doch drangen sie nicht zu meinem vor Raserei geblendeten Verstand durch. Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung, die ebenso im wütenden Schleier meiner verdunkelten Augen unterging. Auf wackeligen Beinen versuchte er von dem Rollstuhl aufzustehen, aber ließ sein geschwächter Körper ihn wieder in das Polster zurückfallen.   Leise fluchend, versuchte er es immer und immer wieder, ehe er einen halbwegs festen Stand fand, sich mit seinen Händen an den Griffen des losen Stuhls abstützend. Genau in dem selben Augenblick wuchtete ich Smoker kniend mit meinem Ellenbogen in seine Richtung, sodass Trafalgar sein Gleichgewicht komplett verlor. Der Rollstuhl, an dem er sich weiterhin krampfhaft festhielt, rollte unmittelbar in rasender Geschwindigkeit auf das unsichere Geländer zu.   Während Smoker grollend auf dem Boden aufkam, stürzte Law, mitsamt dem sich überschlagenden Rollstuhl über die Brüstung.   Acht Stockwerke tiefer knallte der Stuhl dröhnend auf dem Bordsteinpflaster auf. Immer lauter hallte das ohrenzerreißende Geräusch in meinen tauben Ohren wieder, bis ich aus meiner Wuttrance rausgerissen wurde und ein intensiver Schock mich wachrüttelte.   F-Fuck… Was habe ich-?   „FUCK!“, fluchte ich in Panik mit kratziger und atemloser Stimme, handelte sofort und rappelte mich schwerfällig auf. Ich hatte die allergrößte Scheiße gebaut.   Keine Sekunde später rannte auf das Geländer zu, um mich drüber zu lehnen, meine bebenden Hände sich fest um die Metallstangen klammernd. Mein erbitterter Blick suchte fieberhaft nach seiner Figur, während mir kalte Schweißtropfen meinen Nacken herabliefen, kein Wort brachte meine trockene Kehle heraus.   Das Erste, was ich sah, war der verbogene und zertrümmerte Rollstuhl, dessen Räder sich wild ausdrehten. Das Zweite, die leere Straße… in der ich Law nirgends entdecken konnte. Vor meinem inneren Auge formte sich ein Bild des absoluten Entsetzens: Zerschmetterte Knochen, eine große Blutlache und ausgerenkte, tätowierte Gliedmaßen.   Vergebens versuchte ich den Kloß in meinem zugeschnürten Hals zu schlucken, schüttelte heftig meinen Kopf und verdrängte damit die abstoßende Illusion, die es mir eiskalt den Rücken runterlaufen ließ. Der Blick vor meinen Augen wurde schwummrig, mir war kotzübel, zu keinem Atemzug war ich fähig. Alles drehte sich, alles zog sich in mir zusammen, als ich Law nach mehreren Augenblicken immer noch nicht fand.   In Eustass Kids Wortschatz gibt es das Wort `Angst´ nicht, aber-   Erst dann bemerkte ich die schmalen Finger, deren Knöchel Buchstaben zierten und sich zwei Meter weiter krampfhaft zitternd an der glatten Brüstung festhielten. Den unmenschlichen Kraftaufwand, den sein geschwächter Körper dafür aufbrachte, konnte ich nicht im Entferntesten erahnen.   In einem Bruchteil eines Augenblicks, während mein Verstand mit meinem verschwommenen Blick aufholte, rutschte Trafalgars linke Hand ab, sodass seine Rechte jetzt sein gesamtes Gewicht tragen musste.   Zum Aufatmen blieb mir keine Zeit. Jetzt zählte jede verfickte Sekunde. Als ich Trafalgar mit zwei großen Schritten erreichte, lehnte ich mich mit meinem Oberkörper weit über das Geländer, streckte meine rechte Hand in seine Richtung und sah zu ihm herunter, in sein vor Schreck und Anstrengung verzerrtes Gesicht.   …Doch nahm er meine Hand nicht.   Mit Zweifel und Misstrauen getränkten Augen sah Law zu mir rauf, das Silber seiner Iriden leicht glitzernd, da sein Blick, des Schmerzes seines rechten Armes wegen, wässrig wurde. `Ich vertraue dir nicht´, sagte mir sein Ausdruck, der mich zur selben Zeit tief kränkte.   Es geht hier verfickt nochmal nicht um Vertrauen, sondern dein Leben!, wollte ich ihm entgegenbrüllen, aber bewegten sich meine gekränkt verzogenen Lippen nicht. Warum muss er sich gerade jetzt so verdammt stur stellen?!   Zwei seiner Finger glitten währenddessen von dem rutschigen Geländer. Law biss sich angestrengt auf seine Unterlippe und keuchte verbissen auf. Unsere Blicke blieben aneinander gekettet, seiner wirkte betrübt, während der Meinige kaum merkbar sanfter wurde, was ihn zu überraschen schien.   „Nimm sie“, flüsterte ich ihm leise mit rauer Stimme zu und bewegte meine ausgestreckte Hand auffordernd einige Zentimeter weiter zu ihm runter. Meine roten Lippen formten dabei ein ermutigendes Schmunzeln. „Lebe, Traf… Wenn nicht mit mir, dann wenigstens für mich.“     Meine Worte lösten etwas in ihm aus, sodass er nun seine linke Hand langsam zu Meiner hoch streckte… Aber rutschte seine Rechte gleichzeitig ab, weil sie ihn nicht mehr halten konnte. Wie in Zeitlupe beobachtete ich, wie Trafalgar seine Augen aufriss und sein Körper haltlos Millimeter für Millimeter in Richtung Tiefe stürzte, seine ins Leere greifende Hand weiterhin zu mir nach oben reckend.   Bevor ich merkte, was ich tat, sprang ich ohne zu zögern über das Geländer.   Als ich Laws Unterarm im Flug zu greifen bekam, zog ich ihn mit einem kräftigen Ruck zu mir, drückte ihn unerbittlich, doch rücksichtsvoll gegen meine Brustmuskeln und legte meinen anderen Arm dabei um seinen unterkühlten Rücken. Seine von dem dünnen Kittel bedeckte, kühle Haut traf auf die erhitzte Meinige meines freien Oberkörpers. Meine freie Hand legte ich schützend auf den schwarzen Haaren seines Hinterkopfs ab, ihn damit näher an mich ziehend.   Zeitgleich merkte ich den abrupten Griff um meine Waden, der unseren Sturz sofort abbremste.   Mit meinen Schulterblättern knallte ich gemeinsam mit Trafalgar in meinen Armen kopfüber gegen das betonierte Gemäuer der Klinik. Eisern hielt ich ihn fest und sah dann mit zusammengekniffenen Augen nach oben, an meinen Beinen rauf. Smoker hielt meine Waden in einem klammernden Griff fixiert, somit unser beides Gewicht haltend, während er sein blau-grün angehauchtes Gesicht angestrengt verzog. Lange konnte er unsere Masse unmöglich tragen.   Ich schaltete sofort. Mein Blick schweifte jetzt selbstsicher auf den schwarzen Hinterkopf, der sich an meine linke Schulter lehnte. Laws Finger bohrten sich beharrlich in meine Brust und suchten Halt an mir.   „Hey“, sprach ich ihn behutsam an und schmiedete zeitgleich unseren Rettungsplan: Er musste an mir hochklettern, eine andere Möglichkeit gab es nicht. „Klettre hoch. Ich weiß, dass du‘s schaffen kannst, Law.“   Trafalgar hatte Höhenangst, davon wusste ich schon seit längerem. Aber kannte ich auch seinen unbesiegbaren Kampfeswillen… den er mir im nächsten Moment zeigte und mich echt stolz machte.   Nach einem leichten Nicken, half ich Trafalgar sich an mir abzustützen, sodass er mit meinem ihn haltenden Griff an meinen Beinen emporklettern konnte. Als er mit einiger Mühe oben angelangt war, zog mich Smoker mit einem letzten Kraftakt über die arschkalte Brüstung, die mir dabei in meinen Magen drückte.   Fucking… Also das nenn ich: Dem Tod arschknapp von der Schippe gesprungen… ‘Ne pure Adrenalindröhnung…   Alle Drei saßen wir jetzt auf dem Boden des Dachs, waren komplett mit den Nerven am Ende und holten mehrere Male schwer Luft. Ich merkte, wie das angesammelte Blut in meinem Kopf langsam wieder seine richtigen Bahnen einschlug und das Essen in meinen Magen dablieb, wo es hingehörte.   Was für ‘ne beschissene Nacht..., dachte ich mir und schaute teils fertig, teils erleichtert auf Trafalgar, der sich mit seinen Händen auf dem Untergrund abstützte und hustend nach Luft rang. Dann fuhr ich mir mit einer Hand geschlagen durch meine rote Mähne und warf Smoker einen skeptischen Blick zu. Meine Feindlichkeit ihm gegenüber war keinesfalls verflogen, leiden konnte ich ihn immer noch nicht im Geringsten, aber hatte er uns den Arsch gerettet, wofür ich jetzt wohl und übel in seiner Schuld stand. Shit… Wie ich das hasse…   Doch bin ich ein Mann mit Stolz und begleiche Ehrenschulden immer…, verzog ich meine Lippen zu einem verbissenen Ausdruck, winkelte mein Bein im Sitzen an, auf das ich meinen Unterarm locker ablegte, und blickte mit zusammengekniffenen Augen auf einen unbestimmten Punkt neben Smoker… Bevor ich ihm wiederwillig meine Hand hinhielt. Ehre dem, dem Ehre gebührt…   Worte wollte ich keine loswerden, die Geste reichte völlig. Die Dampflog schlug kurz darauf auch ein… Aber lieferten wir uns keine Sekunde später ein stummes Kräftemessen, wer fester die Griffel des anderen drücken konnte, während wir uns beide mit Blicken erdolchten.   Manche Dinge ändern sich halt nie…     Der Erste, der schließlich seine Stimme erhob, war Trafalgar. Seine Worte trafen mich völlig unvorbereitet.   „Bring mich weg von hier, Eustass“, sagte er mit befehlerischem Unterton und überrumpelte mich mit seinen Worten, sodass ich den Druck meiner Hand komplett einstellte. Das Duell gegen die Raucherlunge verlor ich deswegen, aber ging mir das so ziemlich am Arsch vorbei.   Baff blinzelte ich ihn mit offenem Mund an, dachte ich hätte mich verhört und kniff mich einmal fest in meinen Unterarm.   Nope, das ist definitiv keiner meiner feuchten Träume, in denen ich Law-   „Unverzüglich“, riss Trafalgar mich mit scharfer Stimme aus meinen Gedanken, sein Ton ließ keinen Spielraum für Wiederworte. Das dreckige Grinsen, das sich durch meinen Tagtraum auf meinen roten Lippen gebildet hatte, quittierte er mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Zuerst brauche ich jedoch meine Entlassungspapiere. Ich werde mich heute selbst entlassen.“   Daraufhin lachte ich rau auf.   „Alles klar“, grinste ich selbstsicher.  Meine Freude verbarg ich in keinster Weise.   „Wir gehen jetzt Nachhause, Law.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)