Tête-à-Tête von Anxietas ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Beim Aufwachen verspürte Kakashi Hatake ein brennendes Gefühl. Ein brennendes Gefühl in seinem Magen, vom Alkohol. Ein brennendes Gefühl an seinem Rücken – wahrscheinlich, weil er die halbe Nacht darauf gelegen hatte. Und ein leichtes brennen an seinem besten Stück, von seiner nächtlichen Arbeit. Denn Kakashi hatte nach sehr langer Zeit wieder einen One-Night-Stand. Oder auch einfach – Sex.   Er seufzte beim Aufstehen und fuhr sich durchs Haar. Endlich mal keine Kopfschmerzen mehr am Morgen. Kakashi betrachtete sich im großen Kleiderschrankspiegel und sah die Ursache für das brennen an seinem Rücken. Kratzer. Kratzer, die Befriedigung, Lust und Spaß ausdrückten und somit auch den guten Sex den er hatte. Er lächelte zufrieden.   Aber beim Anblick seiner Brust erkannte er Knutschflecke. Für ihn sind Knutschflecke eigentlich ein Teenager-Ding. Aber sein One-Nighter war 25. Ob man in diesem Alter noch auf Knutschflecke steht? Mit seinen 31 Jahren hat Kakashi mittlerweile andere Vorstellungen von Sex. Er schaute an sich herunter. Endlich, endlich kein Ständer am Morgen.   Denn das war es, was ihn so aufgeregt hatte in den letzten Wochen. Sein morgendlicher Ständer, der ihn morgens viel zu oft grüßte und daran erinnerte: „Hallo, ich bin auch noch da, kennst du mich noch? Ich brauche Auslauf! N' Fick! Weißt du noch, wie das geht?” Was schließlich dazu führte, dass er seinen Kollegen zusagte und mit ihnen in eine Bar ging. Erfolgreich.   Und da stand er nun, beglückt, in Unterhose, in einer fremden Wohnung und suchte seine Klamotten zusammen, bemerkte dabei den kleinen Zettel auf dem Nachttisch neben ihm und las ihn durch. Er brauchte etwas länger, um die krakelige Schrift entziffern zu können, die immer länglicher wurde.   Tabletten gegen Übelkeit und Kopfschmerzen sind im Medizinschrank im Badezimmer, du kannst dich duschen und frühstücken, bediene dich, und Danke für die tolle Nacht– S.   „S … S”, flüsterte Kakashi vor sich her. Dann schaute er sich im Zimmer um und ihm gingen die Erinnerungen von letzter Nacht durch den Kopf.   „Achja”, sagte er und blieb stehen.   „Sailor Moon.”   Er erinnerte sich sehr schwach an das Sailor Moon-Tattoo, seiner nächtlichen Eroberung. Der Mondkristall, tattoowiert unterhalb des Bauchnabels und oberhalb der … ufff, diese Erinnerung würde noch den morgendlichen Ständer auslösen, den er gerade nicht brauchte.   Trotzdem. Bediene dich. Sehr unvorsichtig seitens One-Nighters, einem Fremden dessen Wohnung zu ”überlassen” und abzuhauen. Eigentlich läuft das doch andersrum ab: Sexit & Exit. Aufgrund der immer krakeliger werden Schrift kann Kakashi daraus schließen, dass die Person es wohl sehr eilig gehabt hatte. Bestimmt musste sein One-Nighter zur Universität eilen. Und mit seinem One-Nighter – sein Pullover ...   Sein geliebter, teurer, schwarzer Kaschmir Pullover, denn diesen konnte er nicht finden. Nur seine Hose. Was dachte sich nur sein nächtlicher Flirt &Squirt dabei? So in Eile gewesen? Aber wie hieß es doch so schön, nach einem One-Night-Stand … hit & run.   Super.   Kakashi setzte sich wieder aufs Bett und betrachtete sich im Spiegel. Sogar eine leichte Bisswunde hatte er an seinem Oberarm. Eher, an seinem Tattoo. Ihm wurde doch tatsächlich auf sein Tattoo gebissen. Fand er ziemlich unhöflich. Was, wenn er seinem One-Nighter aufs Sailor Moon-Tattoo gebissen hätte? Nicht sehr gentil.   Hach ja, sein Tattoo war aber auch schon etwas älter. Kakashi wuchs nicht gerade im schönsten und friedlichsten Viertel Nagoyas auf. Und generell war Nagoya die Hauptstadt mehrerer Organisationen der Yakuza, der japanischen Mafia. Mit zwölf Jahren hatte er seine Dienste angeboten, als kleiner Informant, und geriet so in diese Kreise. Besonders Kinder waren sehr beliebt, denn keiner verdächtigte sie.   Kakashi war der Spion der ANBU. So hatte die damalige Yakuza geheißt, die sein Viertel terrorisiert hatte. Und um zu überleben, hatte er ihnen Namen, Zahlen und Daten geliefert. Seien es Hausnummern, Familiennamen, Straßennamen oder Geldsummen gewesen, er hatte all das in Kenntnis setzen können.   Kakashi war schlicht und einfach eine Petze gewesen. Doch dafür war sein Wohnbezirk in Ruhe gelassen worden, sowie seine Eltern; er hatte sich Geld dazuverdient und sich so, bis zum Ende seiner Schulzeit, seinen Unterhalt finanzieren können, ohne seine Eltern dabei zu belasten.   Und was hatte ihm das gebracht? Eine hässliche Narbe am Auge, einen toten Freund, eine Strafakte und einen kurzen Aufenthalt im Gefängnis. Bis Kakashi, nach einem Gespräch mit dem Polizeichef seiner Stadt, sich dazu entschlossen hatte, aus dem Nähkästchen zu plaudern.   „...Na dann.”   Kakashi stand auf und holte aus seiner Hosentasche, eine zweite, frische Unterhose heraus. Für solche Fälle war er vorbereitet. Alles eine Frage der Erfahrungen. Und ab jetzt würde er sich merken, auch immer schön einen zweiten Pullover mit einzupacken. Mann kann ja nicht wissen, ob sein nächstes Betthäschen es morgens eilig haben würde.       ◆       Frisch aus der Dusche, mit einem Handtuch bewaffnet, schaute sich Kakashi im Medikamentenschrank um. Nichts Verdächtiges, alles Dinge, die man ohne Probleme in der Apotheke bekommen konnte. Hinter den Medikamenten war noch ein kleiner Spiegel. Und Kakashi rollte mit den Augen.   Sehr hilfreich und diente dabei, Medikamente zu erkennen, die ganz hinten standen, um sie besser zu finden. Aber er war Polizist und kannte solche Tricks. Den Spiegel nahm er raus. Er wusste es. Der harte Stoff wurde entblößt. Alles rezeptpflichtige Schmerzmittel. Wieder, sehr unvorsichtig. Da konnte er nur den Kopf schütteln.   Gleichzeitig klingelten bei Kakashi die Alarmglocken. Er war zwar nicht im Dienst. Aber diese Medikamente konnten bei falscher Dosierung beziehungsweise bei absichtlich erhöhter Dosierung einen Rausch erzeugen und auch abhängig machen.   Die Wohnung war klein, aber fein. Sehr hell und enthielt überwiegend Pastellfarben. Auch viele Kuscheltiere, die überall im Schlafzimmer auf dem Boden verteilt lagen. Kakashi, so sozial und hilfsbereit wie er war, eine gute Seele eben, räumte auf, machte das Bett und packte die Kuscheltiere zurück auf ihre Plätze. Plüsch von Rilakkuma und Hello Kitty. Und welch ein Wunder – Sailor Moon.   K-POP-Poster hingen an den Wänden. BTS, Exo, Block B, Big Bang, SHINee … viel Schminke. Koreanische Schminke. Ein ordentlicher Schreibtisch mit einem MacBook. Er beschloss, sich weiter in der Wohnung umzusehen, und ging ins Wohnzimmer. Sehr ästhetisch eingerichtet. Bilder von Kirschblüten hingen an den Wänden.   Ein großer Fernseher. Und eine Spielkonsole. Nein, zwei. Eine Sega Mega Drive. Die Mega Drive 2. Oh ja, Kakashi konnte sich noch erinnern, wie sie 1988 Ende Oktober herausgekommen war. Da war er vier Jahre alt und das war seine erste Spielkonsole gewesen. Dazu hatte es einen Haufen Spiele von Sonic gegeben. Sein One-Nighter, wie sollte es auch anders sein, hatte Sailor Moon-Spiele. Und eine Playstation 4 stand hier ebenfalls. Kakashi nahm eins der Spiele in die Hand.   „...Ultimate Ninja Storm.”   Ja, das kennt er sogar. Sein Kollege, Gai, hat die Spielreihe davon zuhause.   Auch ein pinker Nintendo DS lag auf der Konsole. Kakashi brauchte gar nicht erst gucken, welches Spiel drinnen steckte … Also ging er weiter und machte Halt beim Bücherregal. Viele Sachbücher. Viel über Medizin. Lebensratgeber. Werke klassischer Literatur. Und Erotikromane. Kakashi stockte er Atem.   „Ohoo.”   Das Flirtpardies. Seine absolutes Lieblingsbücherreihe. Und er kannte den Autor sogar persönlich. Er bekam direkt wieder Lust zum Lesen und öffnete die erste Seite der ersten Ausgabe. Und fand einen Briefumschlag vor.   Einen Briefumschlag mit der Aufschrift ”Semesterbeitrag” und drinnen eine dicke Summe Geld.   Kakashi klappte das Buch zu und runzelte die Stirn.   Nein. Nein, so macht man das nicht. Auch, wenn das eine klassische Variante von Versteck für so viel bares Geld ist – nicht in einem so bekannten Buch mit so … explizitem Inhalt. Da verging ihm auch gleich wieder die Lust am Lesen und er steckte das Buch zurück.   Kakashi erschrak, als er etwas kleines, weißes aus dem Augenwinkel sah, was sich bewegte.   Eine weiße Katze. Nein, Moment … ein weißer Kater, dachte sich Kakashi.   „Und du heißt ganz bestimmt Artemis”, sagte er.   Der Kater reagierte auf seinen Namen und kam langsam auf Kakashi zu, der amüsiert den Kopf schüttelte und schmunzelte. Hmm … wenn sein One-Nighter es so eilig hatte, dann …   „Na komm”, sagte er und ging zum Türrahmen. Aber der Kater folgte ihm nicht.   „...Es gibt Essen. Komm.”   Er klatschte sogar in die Hände. Oh Mann, er kannte sich nur mit Hunden aus. Wie macht man das bei Katzen? Wie ruft man sie? Achja …   „Ksksksks.”   Doch Artemis bewegte sich nicht von der Stelle. Er legte sich hin und leckte sich an seinen Juwelen. Wie sehr würde Kakashi doch mit ihm jetzt tauschen, hach.   Er ging die Küche. Eine kleine, bescheidene Küche, wie alle anderen Räume in dieser Wohnung, kawaii eingerichtet. Und tatsächlich, kein Futter in der Schüssel. Kakashi öffnete den Kühlschrank. Und siehe da, er spürte etwas flauschiges an seinem Bein.   „Meeoow.”   „Jaja, ich weiß.”   Er öffnet eine Dose Katzenfutter und packte es in den Napf. Artemis bekam sein Frühstück und Kakashi erledigte seine Pflicht als guter Bürger und gute Seele.   „Hachja … du musst keine Steuern zahlen”, sagte er und schloss den Kühlschrank, an denmTerminzettelchen hingen, Zeichnungen und Notizen.   Und ein Stundenplan.   S. Haruno.   „S...S...”   Kakashi ging ins Schlafzimmer um sich endlich seine Hose anzuziehen und holte sein Handy aus der Hosentasche heraus. Er gab den Nachnamen bei Facebook ein. So einfach geht das heute.   „Achja … Sakura.”   Ah, Medizinstudentin, genau. Davon hatte sie ihm erzählt in der Bar. Er scrollte ihre Timeline entlang und blieb bei den Pinnwandeinträgen mit den Geburtstagsgratulationen stehen.   ALLES GUTE ZUM 19. GEBURTSTAG SAKURA-CHAN !! dein Narudooo   Kakashi hob eine Augenbraue.   Zum 19ten?   Er ging auf ihre Info und erstarrte. Geburtstag: 28.3.1997.   19.   Sein One-Night-Stand war19 Jahre alt – laut japanischem Gesetz noch minderjährig – und 36 Tage von ihrer Volljährigkeit entfernt.   Kakashi bekam Panik. Sie hatte bei ihrem Alter gelogen. Er hatte ihr Alkohol gekauft, den sie beide zusammen getrunken hatten. Und er hatte Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen gehabt. Er war dort mit seinen Kollegen gewesen, allesamt Polizisten. Und würde man hören, dass Kakashi mit einer Minderjährigen verkehrt hatte, als Beamter, als volljähriger Mann, als Mann des Gesetzes – dann Gute Nacht.   Kakasi wurde wütend, weil man ihn belogen hatte. Und er hasste Lügen. 19 Jahre alt! ... Das erklärte auch nun so einiges. Das konnte er nicht so einfach auf sich sitzen lassen. Er wollte schon gehen, sollte er doch seinem geliebten Kaschmirpullover hinterhertrauern. Aber jetzt nicht mehr, nein. Er würden bleiben, um sie zurechtzuweisen, wenn sie heim kam, und würde mit ihr ein kleines Tête-à-Tête führen.   Dass man nicht lügen sollte, weil man andere damit gefährden konnte.   Dass man seinem One-Night-Stand nicht einfach seine Wohnung überlasst und ihm Zugriff gewehrt auf dessen Sachen.   Dass man keine teuren Kaschmir Pullover klaute, egal wie eilig man es hatte.   Und, dass man nicht auf die Tattoos anderer biss.       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)