Fünf Wörter - eine Geschichte von Khaleesi26 (OS Leser Projekt) ================================================================================ Kapitel 2: Mädchen & Rabauken ----------------------------- „Was man nicht bekommt, das will man haben. Selbst wenn man dabei sein Herz verliert.“ Pohlmann Zwei Monate später war plötzlich alles anders. Tai hatte sich wochenlang den Kopf darüber zermartert, warum er fühlte, was er fühlte. Warum tauchten auf einmal Gedanken auf, die vorher nie da waren? Und warum, verdammt nochmal, konnte er sie nicht einfach wieder abstellen? Sie waren so plötzlich und intensiv gekommen, wie ein Sturm in der Nacht und schlichen sich tief in sein Herz. Dort, wo sie absolut nichts zu suchen hatten. Doch was sollte er dagegen tun? Er wollte sie so sehr und am liebsten wollte er, dass er sie nicht wollte. Während der restlichen Sommerferien hatte Tai sich nicht mehr bei Mimi gemeldet. In der Hoffnung, diese verwirrenden Gefühle hätten sich bis zum Schulbeginn in Luft aufgelöst und das Problem wäre von selbst geklärt. Doch so war es leider nicht. Als er ihr am ersten Schultag wieder gegenüberstand, konnte er nur daran denken, wie sie Takumi geküsst hatte. Dieses Bild wollte einfach nicht aus seinem Kopf. Und als er dann auch noch feststellen musste, dass es alles andere als schlecht zwischen den beiden lief, verpasste es ihm einen Schlag ins Gesicht. Anscheinend hatten sie die restlichen Sommerferien intensiv genutzt, um sich besser kennenzulernen. Inzwischen waren die ersten Schulwochen verstrichen und Tai hatte es akzeptiert. Allerdings nicht, dass Mimi nun in festen Händen war, nein. Das war überhaupt nicht möglich, da sein Herz jedes Mal anfing, wie wild gegen seine Brust zu schlagen, wenn er seine Freundin sah. Diese jedoch schien davon absolut nichts mitzukriegen. „Mimi, erzähl doch mal“, grinste Sora und warf ihrer Freundin einen eindeutigen Blick zu, die jedoch ihre Nase in ein Buch gesteckt hatte. „Was meinst du?“, fragte diese nur desinteressiert und blätterte geduldig die nächste Seite um, während die beiden Mädchen auf der Bank vor dem Sportplatz saßen und die letzten Sonnenstrahlen genossen, die das Jahr hergab. Tai stand vor ihnen und nahm einen großen Schluck aus seiner Trinkflasche, da er sich gerade eine Pause vom Training gönnte. Unauffällig musterte er Mimi und wartete auf ihre Reaktion. Er wusste ganz genau, was Sora meinte. „Na, wie läuft es denn mit dir und Takumi? Seid ihr denn schon weitergegangen?“, platzte es ungewohnt neugierig aus Sora heraus, die anscheinend völlig vergessen hatte, dass Tai anwesend war. „Entschuldigung? Ich bin auch noch da. So viel Info brauche ich nicht“, nörgelte Tai und hätte eigentlich gehen können, doch irgendwie wollte er es doch wissen. Was würde Mimi antworten? Waren sie wirklich schon weiter als Händchenhalten und Küssen? „Also wirklich, Sora“, meinte Mimi jedoch nur nüchtern und klappte ihr Buch zu, um ihrer besten Freundin einen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen. „So was fragt man doch nicht.“ Tolle Antwort. Das half Tai so gar nicht weiter. „Wieso denn nicht?“, hakte Sora beleidigt nach. „Du siehst immerhin ziemlich verändert aus. Also dachte ich, da muss doch was passiert sein.“ Tai sah sich Mimi etwas genauer an. Auch ihm war aufgefallen, dass sie sich alle Mühe gab Takumi zu beeindrucken. Auch, wenn das bedeutete, dass sie sich dafür veränderte. Neuerdings trug sie ihre langen Haare zu einem Dutt gebunden und hatte sogar stets eine gebügelte Schuluniform. Jede Falte ihres Rockes lag perfekt an und Tai fragte sich, ob ihr die Tatsache, dass sie sich für ihn veränderte, überhaupt bewusst war. „Keine Ahnung, was du damit meinst“, sagte Mimi und bestätigte somit Tais Vermutung. Sora warf ihm einen missmutigen Blick zu und deutete dann auf Mimis Outfit. „Du siehst aalglatt aus, Mimi. Sonst warst du doch nie so ordentlich. Nicht eine Strähne hängt aus deinem… was ist das eigentlich? Ein Haarknoten?“, sagte sie und deutete mit dem Finger auf Mimis Frisur. Auch Tai fand, dass ihr der „neue Look“ so gar nicht stand. Er mochte sie schon immer lieber mit offenem Haar. Manchmal wehte der Wind so schön durch ihre Haare und umspielte damit ihr Gesicht. „Jaah“, mischte sich Tai nun ebenfalls ein. „Und du liest“, sagte er trocken, als wäre es eine außergewöhnliche Tatsache, aber er hatte nun mal recht. Sonst war Mimi mit Kopfhörern und lauter Musik im Ohr anzutreffen. Neuerdings sah man sie nur noch mit Büchern durch die Gegend spazieren, was so gar nicht zu der Schülerin passte. „Weißt du überhaupt, was du da eigentlich liest?“, fragte er und nahm ihr das Buch aus der Hand, um sich das Cover genauer anzusehen. „Effektive Mikroorganismen: Eine revolutionäre Technologie geht um die Welt.“ Verständnislos sah er sie an. „Was?“ „Gib das her!“, keifte Mimi ihn an und riss ihm das Buch wieder aus der Hand. Sora schnaufte. „Na ja, solange du glücklich mit ihm bist…“ „Und ob“, meinte Mimi und ihre Augen begannen plötzlich zu leuchten. „Ich träume schon lang davon, einen so tollen Freund wie Takumi zu haben. Er ist einfach so aufmerksam und charmant und trägt mich auf Händen und er macht mir Komplimente und…“ Komplimente? Hatte Tai ihr je Komplimente gemacht? Okay, vielleicht nicht unbedingt. Aber charmant? Charmant konnte er auch sein! „Hach und er ist einfach ganz toll. Eben ein richtiger Prinz“, schwärmte Mimi weiter und Tai erkannte an ihrem Blick, dass sie bereits wieder in ihre rosarote Traumwelt abgetaucht war, die absolut nicht real war. „Wer weiß, vielleicht heiraten wir eines Tages sogar.“ Heiraten? Tai dachte kurz, sein Mittagessen würde in hohem Bogen wieder rauskommen. Auch Sora grinste unsicher. „Na ja, wenn du das sagst. Ich muss jetzt leider nach Hause. Macht’s gut, ihr beiden.“ „Okay, bis morgen dann“, sagte Mimi und widmete sich wieder ihrem Buch. Sora warf Tai noch einen vielsagenden Blick zu, nahm dann ihre Schultasche und ging, während Mimi sitzen blieb, um noch ein bisschen weiter zu lesen. Kurzentschlossen setzte sich Tai neben seine Freundin und legte den Kopf schief. „Meinst du das Ernst?“ „Was denn?“, fragte Mimi, die anscheinend schon wieder voll in ihr Buch vertieft war. „Willst du irgendwann mal heiraten?“ Mimi nickte, schenkte ihm jedoch sonst keine weitere Aufmerksamkeit. Das wollte Tai nicht auf sich sitzen lassen. Sie sollte ihn ansehen. Und zwar so, wie sie Takumi ansah. Vorsichtig legte er einen Arm um sie, um sich mit den Fingern unauffällig ihrer Frisur zu nähern. Schnell und ohne, dass sie es bemerkte, entfernte er die Haarnadel, die Mimis Dutt zusammenhielt, sodass ihre Haare offen über die Schultern fielen. „Hey, was soll das?“, rief Mimi prompt und fasste an die Stelle, wo eben noch ihr Dutt war. Wütend sah sie Tai an, der jedoch nur grinste. „Ich finde, du siehst mit offenen Haaren viel schöner aus.“ „W-Was…?“ Völlig verdattert sah sie den Fußballer an. „Und wenn du wirklich irgendwann mal heiraten willst, solltest du dir lieber einen Jungen suchen, der dich so mag, wie du bist. Und keinen, der versucht, dich zu verändern“, sagte Tai und hoffte innerlich, dass sie diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstand. „So, wie dich?“, entgegnete Mimi und verschränkte die Arme vor der Brust. Nun war es Tai, der sie überrascht ansah. Anscheinend war es kein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen, sondern gleich das ganze Haus. Was er absolut nicht beabsichtigt hatte. „I-Ich meine doch nur, dass du dich für deinen Freund nicht verbiegen solltest“, stammelte Tai. Mimi klappte wütend ihr Buch zu und stand auf. „Du hast doch keine Ahnung! So ist das überhaupt nicht! Ach, was weißt du schon?“ Tai biss sich auf die Lippe und stand ebenfalls auf. Wieso verstand sie es denn nicht? „Ich weiß, dass du es nicht nötig hast, dich für einen Jungen zu verändern. Du bist gut so, wie du bist und wenn Takumi das nicht genügt, dann hat er dich eben nicht verdient.“ „Oh Tai“, stöhnte Mimi laut auf und griff sich mit der Hand an die Stirn, als wäre er völlig begriffsstutzig. „Hör endlich auf solche Dinge zu sagen oder zu tun! Ich kann das so echt nicht mehr!“ Verständnislos sah er sie an. „Was denn für Dinge?“ „Oh, bitte…“, meinte die Brünette ironisch und fuhr sich mit den Fingern durch ihr langes Haar, um es ihm zu demonstrieren, was sie meinte. „Na, DAS hier! Und das, was du eben gesagt hast. Meinst du, ich merke nicht, was hier los ist?“ Tai verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin ganz Ohr.“ „Du stehst auf mich!“ „Bitte? Träum weiter!“ „Jaah, und ob! Du stehst auf mich und fang gar nicht erst an, es zu leugnen. Das glaubt dir eh keiner!“ Anklagend zeigte sie mit dem Finger auf ihn, als wäre er vor Gericht. Wäre dies wirklich eine Gerichtsverhandlung, hätte sie ihn eben eiskalt erwischt. „Das… D-Das ist doch völliger Schwachsinn! Ich stehe überhaupt nicht auf so eine nervige Zicke, wie dich!“, versuchte er wild abzustreiten, während Mimi die Hände in die Hüften stemmte und demonstrativ mit den Augen rollte. „Natürlich. Du hast mir nur immer wieder lang und breit erklärt, warum Takumi und ich nicht zusammenpassen. Du machst peinliche Annäherungsversuche, du flirtest mit mir, du hattest von Anfang an was gegen diese Beziehung!“, fing sie an aufzuzählen und redete sich dabei immer mehr in Rage. „Du bist eifersüchtig, Tai! Und du bist es nur, weil du es nicht erträgst, dass ich plötzlich nicht mehr das kleine Mädchen von nebenan bin, dass sich von dir ärgern lässt. Es stört dich, dass ich mich weiterentwickle und dass sich meine Welt nicht mehr nur um dich oder meine Freunde dreht. Du kommst nicht damit klar, dass ich mich für jemanden interessiere, der sich auch für mich interessiert. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, bin ich für dich doch erst interessant geworden, als DU mich nicht mehr haben konntest.“ Tai war wie erstarrt. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte und tief im Inneren fragte er sich ernsthaft, ob sie recht hatte. Hegte er plötzlich Gefühle für sie, weil sie einen Freund und somit interessant geworden war? War das der einzige Grund? „Das… Das ist doch gar nicht wahr“, brachte er gerade noch so über die Lippen, als Mimi schwermütig ausatmete. „Was auch immer“, sagte sie und strich ihren Rock glatt, um ihn nicht mehr ansehen zu müssen. Dann nahm sie ihr Buch und ihre Schultasche und wollte gehen. Plötzlich fing es an in Tai zu brodeln. Sie hatte ihn nie nach seinen Gefühlen gefragt. Stattdessen stellte sie sich vor ihn hin und behauptete allen Ernstes, seine Gefühle wären eine einzige Lüge. Wütend ballte er die Hände zu Fäusten. „Weißt du, Mimi…“, begann er, richtete den Blick jedoch starr zu Boden, da sie ihn sowieso nicht mehr ansah. „Du hast gerade exakt deine Beziehung zu Takumi beschrieben. Wenn meine Gefühle für dich eine Lüge sind, was sie ja nicht sein können, weil ich ja schließlich keine Gefühle für dich habe…“ Mimi zischte verächtlich. „…dann sind es seine auch. Denn, wenn du dich daran erinnern kannst, hat er dich erst beachtet, als er dachte, ich wäre dein Freund. Also… setz ihm bitte nicht den Heiligenschein auf, den er nicht verdient hat.“ Mimi antwortete nicht mehr und ging, während Tai zurückblieb und absolut keine Ahnung hatte, ob das richtig war, was er eben gesagt hatte oder ob er sie damit endgültig an Takumi verloren hatte. „So eine Scheiße!“, fluchte er, schnappte sich den Fußball von der Bank und kickte ihn mit voller Kraft weg. Es vergingen weitere Tage, in denen sie nicht miteinander redeten. Sie waren eben beide Dickköpfe und keiner wollte den ersten Schritt machen. Tai wusste, dass Mimi nicht einknicken würde. Niemals würde sie klein beigeben und zugeben, dass er recht hatte. Und solang er sich auch nicht bei ihr entschuldigte, herrschte eben absolute Funkstille. Wobei das noch leicht untertrieben war… „Mir ist eiskalt“, sagte Sora, als sie in der Pause auf dem Flur standen und Mimi mit ihren Freundinnen gerade an ihnen vorbeigegangen war und Tai nur eines kurzen Blickes gewürdigt hatte. Ein Blick, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Wieso? Es ist doch noch gar nicht so kalt draußen“, sagte Tai beiläufig und wandte sich dem Fenster zu. „Ich meine auch nicht das Wetter“, antwortete Sora und warf ihm einen eindeutigen Blick zu. „Du und Mimi. Das macht mir Angst. Mal ehrlich… wie lang will sie noch die Eiskönigin spielen?“ „Was weiß ich? Du kennst sie doch!“, entgegnete Tai mit einem Schulterzucken. „Trotzdem! Ihr müsst euch wieder versöhnen, das kann so nicht weitergehen! Euer Eis und Feuer Spiel macht mich echt fertig. Ich verstehe nicht, wie man so dickköpfig sein kann.“ Tai wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Was erwartete sie denn von ihm? Dass er sich bei ihr entschuldigte und Takumi und ihr seinen Segen gab? Auf keinen Fall! „Von mir aus, kann sie das solange durchziehen, wie sie will. Ich werde mich erst dann bei ihr entschuldigen, wenn die Hölle zufriert.“ Sora seufzte. „Was dann wohl bald passieren wird, wenn sie dir noch mal so einen diabolischen Blick zuwirft.“ Tai zischte verächtlich, als würde es ihm nicht das Geringste ausmachen und ging zurück ins Klassenzimmer. Wieso sollte er sich auch dafür entschuldigen, dass er die Wahrheit gesagt hatte? Sollte sie doch bleiben wo der Pfeffer wächst und mit ihrem Takumi glücklich werden! Er brauchte keine Freundin und schon gar nicht so eine Zicke, wie Mimi. Der restliche Schultag verging eher schleppend und die Tatsache, dass Freitagabend war, verbesserte Tais Laune auch nicht unbedingt. Aber wenigstens konnte er sich nun endlich etwas ablenken. Sein Fußballclub schmiss eine Party in der Turnhalle, um ihren letzten Sieg zu feiern. Dort würden allerhand hübsche Mädchen rumlaufen und vielleicht ergab sich ja die ein oder andere Ablenkung. Sie hatte ihm schon die ganze Woche versaut. Diesen Abend würde sie ihm nicht auch noch verderben! „Auf uns, Jungs!“, rief er und stieß mit seinen Mannschaftskollegen an, während die Party schon in vollem Gange war. Alle feierten ausgelassen und hatten Spaß, so wie es sein musste. Und die weiblichen Gäste waren auch nicht zu verachten. Tai nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche und sein Blick schweifte ab, zu einem braunhaarigen Mädchen, dass ihm schon die ganze Zeit eindeutige Blicke zuwarf. Er lächelte sie an und sie lächelte verlegen zurück, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. „Tolles Spiel, Tai! Glückwunsch, nochmal.“ Tai drehte sich um und grinste seinen Freund schief an. „Danke, Izzy. Freut mich, dass du gekommen…“ Seine Stimme brach, als er sie zur Tür reinkommen sah. Verärgert kniff er die Lippen zusammen. „Wer hat die beiden denn eingeladen?“ „Jaah“, meinte Izzy unsicher und warf ebenfalls einen Blick in Mimis und Takumis Richtung. „Ich weiß, du bist momentan nicht so gut auf Mimi zu sprechen. Aber ich schwöre dir – und ich untertreibe nicht, wenn ich sage: sie war diese Woche UNAUSSTEHLICH!“ Tai runzelte die Stirn und sah seinen Freund irritiert an. „Und ich meine nicht ihre gewöhnliche, überdrehte Mimi-Art. An die hab ich mich längst gewöhnt. Ehrlich Tai, es war horrormäßig, wie sie drauf war, richtig gruslig… und irgendwie beängstigend. Manchmal hatte ich echt Angst, sie dreht dem Nächsten, der sie anspricht, den Hals um.“ „Und deswegen schleppst du sie hier an? Meinst du, das macht es besser?“, entgegnete der Fußballer und konnte nicht fassen, dass auch dieser Abend letztendlich ruiniert war. „Ich habe gedacht, wenn ich sie mitbringe, sprecht ihr euch vielleicht aus“, sagte Izzy missmutig, als Tai ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Izzy, mein Freund… Diese Wette verlierst du.“ Verdattert ließ er Izzy stehen und ging geradewegs zu dem Mädchen hinüber, welches schon die ganze Zeit mit ihm geflirtet hatte – natürlich ohne Mimi und Takumi auch nur eines Blickes zu würdigen. „Hey“, sagte er und lächelte sie an. „Ich bin Tai.“ „Ich weiß“, sagte das Mädchen und wandte sich ihm zu. „Du bist der Kapitän der Fußballmannschaft, richtig? Hallo, ich bin Kasumi.“ An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass dieses Mädchen ganz genau wusste, was er wollte. Und, dass sie es auch wollte. Das war viel zu leicht. „Warst du schon mal hier? Wenn du willst, führ ich dich ein bisschen rum“, schlug er vor und setzte ein verschmitztes Grinsen auf. „Du willst mich rumführen?“, kicherte Kasumi. „Was gibt’s denn hier interessantes zu sehen?“ „Das siehst du dann schon“, flüsterte Tai ihr ins Ohr und schoss somit das letzte Stück Zweifel in den Wind. Was Mimi konnte, konnte er schon lange. Kurzentschlossen nahm er das Mädchen bei der Hand und führte es weg von der Menge, nach hinten in die Umkleidekabinen. Natürlich war es hier deutlich dunkler und leiser, die Musik drang nur noch schwach zu ihnen durch. „Und was machen wir jetzt hier?“, fragte Kasumi und grinste ihn an. Tai ging einen großen Schritt auf sie zu und packte sie an den Hüften. „Was möchtest du denn machen?“ Kasumi ging auf die Zehenspitzen und beugte sich ihm entgegen, um ihre Lippen fordernd auf seine zu legen. Augenblicklich schoss ihm ihr Bild durch den Kopf. Kurz ließ er von ihr ab. Was war das? Er durfte jetzt nicht an sie denken! Er musste sie endlich aus seinem Kopf kriegen und vor allem aus seinem Herz. Er musste sich nur etwas mehr anstrengen. Also zog er Kasumi enger an sich, drehte sie um und drückte sie gegen die Wand, um ihren Hals mit Küssen zu übersähen. Sie roch ganz anders, als sie. Ihr Duft war unvergleichlich und nie hätte er gedacht, dass er ihn einmal vermissen würde. Erneut legte er seine Lippen auf die des Mädchens, dass nicht sie war. Noch nie hatte sich ein Kuss so falsch angefühlt. Schwer atmend sah er ihr in die Augen. Es waren nicht ihre Augen. Es ging einfach nicht… Tai wich einen Schritt zurück. Kasumi sah ihn fragend an. „Stimmt was nicht?“ „Ja… Nein… Tut mir leid“, stammelte Tai und fuhr sich nervös durch die Haare. „I-Ich glaube, ich kann das einfach nicht.“ „Oh“, sagte sie und sah beschämt zu Boden. „Verstehe. Du hast eine Freundin.“ „Eine Freundin? Nein! Nein, das ist es nicht“, versuchte Tai die Situation schnell aufzuklären. Es war einfach nicht fair dieses Mädchen zu küssen, während er die ganze Zeit nur sie im Kopf hatte. Und es war nicht fair, dass sie sich weigerte, aus seinem Kopf zu verschwinden. Oder aus seinem Herzen. Doch er konnte es nicht ändern. Mimi war in seinem Herzen und das würde sich auch nicht ändern. Auch nicht, wenn er hundert andere Mädchen küssen würde. „Ich habe keine Freundin“, erklärte Tai ihr frustriert, setzte sich auf die Bank hinter ihm und sah angestrengt zu Boden. „Ich hatte mal eine ganz tolle Freundin. Bis ich gemerkt habe, dass ich mehr für sie fühle, als nur Freundschaft. Vielleicht sind wir inzwischen noch nicht mal mehr Freunde oder können es nicht mehr sein. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie einen festen Freund hat und dass sie glücklich ist. Und dass sie recht hatte, als sie gesagt hat, ich wäre eifersüchtig. Ehrlichgesagt…“, meinte Tai und ein kurzes Lachen entfuhr ihm bei diesen Worten. „Ehrlichgesagt bin ich rasend vor Eifersucht. So sehr, dass ich mich furchtbar mit ihr gestritten habe. Und das alles nur, weil ich nicht akzeptieren konnte, dass ich sie nicht haben kann. Aber das muss ich nun wohl, oder?“ Er war sich nicht sicher, ob Kasumi ihm zuhörte oder ob es sie überhaupt interessierte, was er erzählte. Viel wichtiger war, dass er endlich ehrlich zu sich selbst war. „Eigentlich möchte ich nur, dass sie glücklich ist. Tut mir leid, Kasumi, dass ich dich geküsst habe“, sagte er und sah sie entschuldigend an. „Aber solange ich in sie verliebt bin, wäre es unfair einer anderen etwas vorzumachen. Und dabei ist es egal, ob sie einen Freund hat oder nicht, das spielt keine Rolle. Obwohl sie wirklich launisch ist, und kindisch und naiv und manchmal kann sie auch richtig nerven, aber… sie ist auch unglaublich liebenswert und gütig und selbstbewusst. Irgendwie hat mich das wohl schon immer an ihr beeindruckt. Tja, schade nur, dass ich es zu spät gemerkt habe. Ich bin ein richtiger Idiot, nicht?“ Kasumi sah ihn wortlos an. Wahrscheinlich würde sie ihm gleich mit der flachen Hand ins Gesicht schlagen und er hätte es verdient. Doch stattdessen lächelte sie nur müde. „Ist schon gut, Tai. Ich bin dir nicht böse. Ich verstehe das, sehr gut sogar.“ Tai lächelte schief. „Danke. Es tut mir trotzdem leid.“ Kasumi lachte kurz und winkte ab. „Ich werd dann mal wieder zur Party gehen. Aber ich hoffe sehr für dich, dass du sie irgendwann für dich gewinnen kannst.“ Sie zwinkerte ihm zu und verschwand zur Tür hinaus. Tai blieb sitzen und fragte sich, was da gerade in ihn gefahren war. So etwas passte doch gar nicht zu ihm. Und alles nur wegen ihr… In diesem Moment hörte er, wie die Tür erneut aufging. Wahrscheinlich hatte Kasumi etwas vergessen. Doch als er den Blick hob, stand nicht Kasumi vor ihm. „Mimi?“ Tai wusste nicht, ob es an dem schwachen Licht lag, dass durch die Fenster schien, doch sie sah wie immer wunderschön aus. Wieso hatte er das früher nie bemerkt? Und wieso hatte er es ihr nie gesagt? „Hast du… Hast du etwa alles mit angehört?“, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, als er ihren Blick sah und sie nichts sagte. Sein Herz rutschte in die Hose. Wenn sie wirklich alles gehört haben sollte, was er eben zu Kasumi gesagt hatte, dann… Mimi nickte. „Ja, habe ich.“ Am liebsten hätte er gehabt, wenn sich just in diesem Moment ein Loch vor ihm aufgetan und ihn verschluckt hätte. Dass sie letztendlich so von seinen wahren Gefühlen erfahren würde, war nie geplant gewesen. „Tut mir leid, dass du das mit angehört hast. Am besten ist, du vergisst es gleich wieder“, sagte Tai reumütig, doch Mimi kam nur wortlos auf ihn zu und setzte sich neben ihn. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter. „Und wenn ich es nicht vergessen möchte?“, sagte sie leise. Ihre Stimme hatte irgendwie eine beruhigende Wirkung auf ihn und gleichzeitig löste sie so viele Gefühle auf einmal bei ihm aus, dass es ihm die Sprache verschlug. „Warum kannst du nicht so aufrichtig zu den Menschen sein, die du gern hast, wie du es zu fremden bist, Tai?“, setzte sie fort. „Es ist nicht gut, wenn man Gefühle unterdrückt. Irgendwann gewinnen sie doch immer die Oberhand und führen dir schmerzlich vor Augen, was du wirklich willst. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Was du da eben gesagt hast…“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „…das hat mir gefallen. Es war ehrlich und aufrichtig und es hat mich berührt. Und ich wünschte, du hättest es mir gesagt, bevor…“ „Bevor was?“, hakte Tai nach und Mimi hob ihren Kopf, um ihn anzusehen. Plötzlich nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und legte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Einen kurzen Moment lang wusste er nicht, ob das alles gerade wirklich passierte oder ob es nur ein Traum war, doch dann schloss er ebenfalls die Augen und vergrub seine Finger in ihrem Haar. Es war offen… Überrascht sah er sie an, als Mimi sich schließlich von ihm löste. „Was ist mit Takumi?“, schoss es ihm sofort durch den Kopf, denn, obwohl er diesen Typen nicht mochte, wollte er keinesfalls derjenige sein, der hier gerade eine Beziehung zerstörte. Doch Mimi schüttelte nur mit dem Kopf. „Ich hab mit ihm Schluss gemacht.“ „Aber warum? Und wann…?“ Sein Herz machte einen kleinen Sprung und doch wollte er wissen, was Mimi zu dieser Entscheidung bewegt hatte. „Kurz nach unserem Streit neulich. Du hast mir gezeigt, dass ich eine Beziehung geführt habe, die ich so nie wollte. Ich hatte nie vor, mich für einen anderen Menschen so zu verbiegen oder zu verändern und ich kann es auch nicht länger. Es war anstrengend, immer das Gefühl zu haben, dass die Mimi, die ich bin, ihm nicht ausreicht. Außerdem stimmte es… er hatte sich erst für mich interessiert, als er dachte, ich hätte einen Freund und… wie kann man bei so vielen, erschreckenden Tatsachen überhaupt von Liebe reden? Das war so naiv von mir. Das weiß ich jetzt.“ „Aber…“, stammelte Tai, denn er verstand es immer noch nicht so richtig. „Aber genau das hast du mir auch vorgeworfen.“ „Ich weiß und es tut mir leid“, sagte Mimi und lächelte. „Als ich gehört habe, was du zu diesem Mädchen gesagt hast, ist mir klargeworden, dass du dich nicht für mich interessiert hast, weil ich plötzlich einen Freund hatte. Es war dir egal, ob du mich haben kannst oder nicht. Deine Gefühle waren dieselben.“ Sie lächelte ihr wunderschönes Lächeln und Tai konnte nicht anders, als sie noch einmal zu küssen. Als er sich von ihr löste, grinste er sie schief an. „Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass du uns belauschst“, sagte er und kniff sie in die Seite. „Warum bist du mit Takumi hierhergekommen, wenn ihr doch gar nicht mehr zusammen seid? Und warum hast du mich die letzten Tage über immer wieder mit deinen Blicken getötet? Du wusstest doch, dass ich recht hatte“, sagte er triumphierend, doch Mimi lachte nur und boxte ihm gegen den Arm. „Weil du es verdient hattest! Ich war total sauer auf dich, dass du recht hattest mit dem, was du über ihn und mich gesagt hast. Und ich finde es einfach echt ätzend, wenn du recht hast! Und dass wir heute zusammen hier aufgetaucht sind, war mehr oder weniger Zufall. Izzy hatte mich eingeladen, auch zu kommen und Takumi ist in Izzys Computerkurs und außerdem…“ Ein teuflisches Grinsen huschte ihr über die Lippen. „…hab ich gedacht, wenn er schon mal da ist, kann ich dich auch gleich ein wenig eifersüchtig machen.“ Tai lachte und zog sie dichter an sich. „Na, das hast du ja wieder gut hingekriegt. Du bist wirklich unverbesserlich.“ Er legte seine Stirn an ihre und sah ihr tief in die Augen. „Was wird jetzt aus uns?“ Mimi zuckte mit den Schultern und lächelte. „Lass uns einfach herausfinden, was die Zukunft bringt…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)