Bloody Eternity 2 von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 2: Stalking für Fortgeschrittene ---------------------------------------- Bereits in dem geschlossenen Gang, der sie von der Flugzeugkabine zum Terminal bringen sollte, schlug Jane Londons verhältnismäßig frische Luft entgegen. Fröstelnd wickelte sie sich enger in ihren Strickcardigan. Doch die Freude über ihre Heimkehr konnte ein wenig Kälte nicht dämpfen, und während sie am Band auf ihr Gepäck wartete, schrieb sie ihrer Mutter, dass sie angekommen war und das Gate bald verlassen würde. Wenig später hatte sie unbehelligt die Passkontrolle hinter sich gelassen und begab sich mit ihrem großen Koffer bewaffnet in den Eingangsbereich des Flughafens. Dort lachte sie erstmal überrascht auf, denn anstatt nur ihrer Mutter, standen dort zudem Logan, Gabriel und Cynthia, und alle vier schlossen sie fest in die Arme. Man entschuldigte Kate und Benjamin, die verhindert gewesen waren, doch das störte Jane gar nicht. Viel zu glücklich war sie, im Kreise ihrer Liebsten, mit Logan an der Hand, zurück nach Hause zu fahren. Im Auto musste sie natürlich alles erzählen, und das sollte nur der Auftakt eines ganzen Geschichtenmarathons werden, den sie in den folgenden Tagen abhalten musste. Am Abend ihrer Ankunft ließ man sie entspannen und erstmal ankommen, sodass sie lediglich mit ihrem Freund und ihrer Mutter zu Abend aß, bevor das Paar ins Bett ging. Doch am nächsten Tag hatten ihre Freunde eine Willkommensparty für sie organisiert, und irgendwann während der Feier, als sie mit Gabriel auf dem Sofa saß und ihm leise von der Jagd in Rom erzählte – ohne den zweiten involvierten Vampir zu erwähnen, an den sie gar nicht mehr denken wollte – wurde ihr bewusst, wie sehr sie all die Leute in diesem Raum vermisst hatte. Es mochte die nachwirkende Erschöpfung der Reise sein, jedenfalls traten ihr ein, zwei Tränen in die Augen, und sie ließ sich fest von ihrem besten Freund in den Arm nehmen, bevor sie sich einen Moment wieder gefangen und ihre gute Laune zurückgefunden hatte. Nachdem Jane in London angekommen war, hatte sie fast zwei Wochen bis zum Beginn ihres Masterstudiums gehabt, sodass sie sich gut darauf einstellen konnte. Nach der langen Abwesenheit fand sie in ihren londoner Alltag zurück und freute sich, ihre Ausbildung voranzutreiben – vor allem, da Gabriel ebenfalls das Kings-College besuchte. Zwar studierte er etwas anderes, doch es war schön, ihn in Freistunden gelegentlich zu sehen oder nach den Seminaren gemeinsam etwas zu unternehmen, wenn sie zufällig zur selben Zeit aus hatten. In ihrem Freundeskreis war der Spanier schnell aufgenommen worden, und nicht selten unternahm Jane etwas mit ihm und Logan. „Eifersucht kennst du nicht, oder?“, zog Gabriel Logan einmal auf, als dieser ins Haus der McCollins schneite, während seine Freundin gerade mit dem Kopf im Schoß ihres besten Freundes lag und einen Film sah. Jane, die aufgestanden war, um Logan zu begrüßen, warf dem Spanier einen bösen Blick zu, doch ihr Liebster legte nur lachend den Arm um ihre Schulter. „Wieso sollte ich? Wenn sie etwas von dir wollte, wäre sie mit dir zusammen, oder?“ Und damit hatte er scheinbar alles zu diesem Thema gesagt. Ohne böse Vorahnungen begab Jane sich also am ersten Tag an die Universität und freute sich darauf, in einen einigermaßen geregelten Alltag zurückkehren zu können. Natürlich war ihre Weltreise umwerfend gewesen, und sie wollte die Erfahrung um nichts missen, doch genauso gerne war sie zu Hause, zumal dort ihre Familie und ihr Job war. Vor allem letzterer ließ ihr keine Zeit, ewig die Weltenbummlerin zu spielen, schließlich hatte sie ein Ziel vor Augen. Obwohl sie diesem im letzten Jahr, zugegeben, nicht unbedingt näher gekommen war. Jane war also trotz der frühen Stunde guter Laune, als sie über den Parkplatz in Richtung des Universitätsgebäudes schlenderte. Nie im Leben hätte sie mit dem gerechnet, was an diesem Morgen passieren sollte, sodass sie fast an ihm vorbeigelaufen wäre, ohne ihn zu bemerken. Doch dann riss es sie praktisch, sie wirbelte blitzschnell herum und musste feststellen, dass ihre Augen sie nicht getäuscht hatten. Da stand tatsächlich Aiden mitten auf dem Parkplatz der Uni, als wäre er nicht vor einem Jahr wortlos abgehauen, und als hätte Jane ihm in Rom nicht mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass er von ihr aus abgehauen bleiben konnte. Für einen kurzen Moment blickte sie ihn mit geweiteten Augen an, und er starrte aus seinen dummen, verständnislosen Hundeaugen an. (Wie konnten blaue Augen Hundeaugen sein? Sie hatte es nie verstanden, doch dieser verdammte Blutsauger brachte dieses Kunststück zusammen) Ganz offensichtlich wusste er selbst nicht, was er ihr sagen sollte, nachdem er sie mal wieder gestalkt hatte, und alleine dieser Gedanke ließ in Jane heiße Wut aufkochen. Hätte sie den Dolch nur nicht aus seinem Arm gezogen… Oder ihn danach zumindest gleich in sein Herz gestochen! Doch fing sie sich relativ schnell wieder, als sie ihren Liebsten erblickte, der hinter dem Vampir auftauchte. Sofort zauberte sich ein zartes Lächeln auf ihre Lippen, während ihr Gesichtsausdruck voller Liebe und Zuneigung erstrahlte. Praktisch unmittelbar nachdem sie Logan entdeckt hatte, setzte sich die junge Frau in Bewegung und ging zielstrebig auf ihn zu - nur, um gleich vor ihm stehen zu bleiben und seine Hände zu nehmen. Auch der junge Mann lächelte, ehe er ihre Hände zaghaft drückte und sich zu ihr runterbeugte, um sie kurz, aber innig zu küssen. "Na? Gut aus den Federn gekommen?", wollte der Braunhaarige schmunzelnd wissen und schlang einen Arm um ihre Schultern, um sie an sich zu drücken und anschließend mit ihr Richtung Universitätsgebäude zu schlendern. Dabei war es offensichtlich, dass er den ehemaligen Kommilitonen (noch) nicht entdeckt hatte. "Es ist ja nicht sonderlich früh. Von daher gab es diesbezüglich keine allzu große Probleme", erwiderte die Angesprochene leicht grinsend, während sie sich ein wenig an ihn schmiegte und den Hörsaal ansteuerte, in dem die erste Vorlesung des Semesters stattfinden würde. An den fünfhundert Jahre alten Vampir dachte sie bereits nicht mehr. Dieser gab allerdings, ganz, wie es eben seine Art war, nicht so leicht auf. "Jane! Logan", rief er ihnen zu, wobei sein Blick sehr ernst war, als er die junge Frau ansah. Als Aiden ihren Freund miteinbezog und dessen Namen nannte, wurde Jane allerdings dazu gezwungen, innezuhalten. Immerhin hatte der junge Mann an ihrer Seite keinen Streit und keine Probleme mit dem unliebsamen Vampir. Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass Logan mit Jane im Arm stehen blieb und sich an den alten Neuzugang wandte, um ihn freundlich lächelnd zu begrüßen. „Aiden! Wie lange ist das denn her?“, fragte er überrascht. „Wie geht’s dir?“ Ihrem Freund nickte Aiden kurz zu – „Gut, danke, und dir?“ - dann war er für den Blutsauger offensichtlich uninteressant. "Ich muss mit dir sprechen. Es ist wirklich dringend. Bitte", wandte Aiden sich eindringlich an Jane. Dabei waren ihm Logans verständlichen Fragen völlig egal. Um nicht allzu unhöflich vor ihrem Liebsten dazustehen und ihm nicht zu zeigen, wie angespannt die Beziehung zwischen ihr und ihrem Gegenüber war, entschied sie sich, zumindest kurz auf seine Bitte einzugehen und ihn etwas neutraler anzusehen. "Tut mir Leid. Ich hab Wichtigeres zu tun. Die erste Stunde fängt gleich an“, kam es über ihre Lippen, wobei sie den schneidenden Unterton in ihrer Stimme nicht zurückhalten konnte. Schließlich missfiel es ihr sichtlich, ihm ihre Aufmerksamkeit schenken zu müssen, obwohl sie sich vorgenommen hatte, ihn nicht einmal anzusehen. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie sich in Italien klar genug ausgedrückt und er verstanden hatte, dass sie ihn nicht mehr wiedersehen wollte. Nun, wenn er dachte, dass sie sich freiwillig mit ihm unterhalten würde, nur weil er wieder an der Universität auftauchte, hatte er sich geschnitten. Ihre Entscheidung, ihn zu ignorieren und seine Existenz komplett aus ihren Gedanken und Erinnerungen auszulöschen, war noch immer resolut, trotz dieser kleinen Unterbrechung. Es war der pure Segen gewesen, dass nach der Begegnung auf dem Petersplatz keine weiteren Treffen mit dem unliebsamen Vampir stattgefunden hatten. Schließlich war die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in Italiens Hauptstadt wiedersehen würden, relativ groß - vor allem, wenn man Aidens Stalker-Natur betrachtete und an die erste gemeinsame Zeit in London dachte. Jane hatte entsprechend gehofft, dass er es unterlassen würde, sich ihr wie damals aufzudrängen, und aufgrund ihres Verhaltens begriffen hatte, dass sie seine Anwesenheit keineswegs begrüßte, sondern vielmehr verabscheute. Als es bis zum Abend nach der Jagd zu keinem weiteren Zusammentreffen mit dem Vampir gekommen, hatte sich die Anspannung aus ihrem Körper gelöst, sodass sie den Urlaub ruhig ausklingen lassen konnte. Sie hatte die Begegnung mit ihrem ehemaligen Jagdpartner verdrängt, das warme Wetter genossen, war einmal sogar an den Strand gefahren, um sich dem sommerlichen Gefühl hinzugeben und hatte sich am zwanglosen Lifestyle und vorzüglichen Essen der Südländer erfreut. Natürlich war die junge Frau ab und an Abends ausgegangen, um sich den einen oder anderen Drink in einer Bar zu genehmigen, doch zu mehr als einem Schwätzchen mit einem Italiener kam es nicht. Schließlich gehörte sie nicht zu der Sorte Mensch, die in Liebesangelegenheiten gerne mit dem Feuer spielte oder auf interessante Avancen einging, wenn der Liebste nicht anwesend war. Außerdem war sie viel zu sehr in Logan vernarrt, als dass irgendein anderer Mann für sie als potentieller Partner überhaupt in Frage kam. Dementsprechend war es während ihres Aufenthalts in Rom nicht zu Ereignissen gekommen, für die sich Jane hätte schämen oder schlecht fühlen musste - außer, dass sie sich das eine oder andere Mal hatte über das Ohr hauen lassen. Jedoch spielte das keine große Rolle, wenn man wusste, über wie viel Geld sie verfügte. Die Entspannung dieser Tage würde sie nicht vor Semesterbeginn schon aufgeben, besonders nicht für diesen lästigen Blutsauger. So wandte Jane sich lächelnd an den sichtlich verwirrten Logan und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung in die Richtung des Hörsaals, um mit ihm den Weg dorthin fortzusetzen. Dabei zog sie ihn regelrecht mit, damit er nicht noch weiter von Aiden in ein Gespräch verwickelt werden konnte. „Bis dann“, rief Logan ihrem ehemaligen Cliquenmitglied zu, bevor er seine Freundin fragend ansah. „Mit dem hätte ich nicht mehr gerechnet!“ „Ich auch nicht…“, knurrte sie in einer Tonlage, bei der klar wurde, dass sie sich dieses Wiedersehen nicht gewünscht hatte. Der junge Mann zog die Brauen hoch. „Hattest du nicht gesagt, Aiden hätte das Land verlassen?“ „Scheinbar ist er zurückgekommen“, erklärte Jane in einem Tonfall, der Logan deutlich machte, dass er besser nicht weiterfragte. Sofort bereute sie ihre Gereiztheit und drückte entschuldigend seine Hand, doch ihr Freund kannte ihr Temperament und lächelte sie nur verständnisvoll an. Zumindest hatte er also keinen Unfrieden zwischen dem Paar gestiftet, was Aidens Glück war, denn sonst wäre Jane richtig wütend auf ihn gewesen. Die junge Frau konnte nur schwer hoffen, dass er sich nicht wieder als Student eingeschrieben hatte und ihr erneut auf die Pelle rücken würde. Immerhin wusste sie nicht, wie lange sie ihn nur ignorieren konnte, ohne mit einem Messer oder der Pumpgun auf ihn loszugehen. Verdient hätte er es jedenfalls. Im Vorlesungssaal angekommen, ließ sich die Wirtschaftsstudentin wie gewohnt mit ihrem Partner an einem geeigneten Platz nieder, ehe ihre Freunde dazu stießen und kurz darauf der erste Vorlesungstag des Semesters begann. Einige Stunden später verließ sie alleine das Gebäude, da Logan noch einen Kurs hatte. Auf dem Weg zu ihrem Wagen sah sie ihren Stalker auf einer Bank hocken, doch sie ignorierte ihn. Er hatte zwar irgendetwas von ´dringend` geredet, doch Jane stempelte seine Worte als eines seiner Hirngespinste ab. Wahrscheinlich war das nur eine Masche, um wieder mit ihr in Kontakt zu kommen - so, wie er es vor gut einem Jahr getan hatte. Darauf würde sie nicht noch einmal reinfallen. Schließlich hatte die Brünette aus dem Fehler gelernt und würde es nicht erneut zulassen, dass er sie irgendwie um den Finger wickeln konnte. Dementsprechend ignorierte sie den Vampir auf dem Parkplatz vollständig, als sie zu ihrem Wagen schlenderte und nach Hause fuhr. Sollte er doch warten, bis er schwarz wurde. Sie würde unter keinen Umständen nachgeben. Jane hatte gerade ihr Mittagessen beendet, als eine Nachricht von Gabriel sie in dessen Wohnung einlud, die nicht sehr weit von ihrem Anwesen entfernt lag. Daher lümmelte die junge Frau bereits kurze Zeit später auf der Couch ihres besten Freundes. Eigentlich hatte sie etwas für die Uni tun wollen, doch der Spanier hielt sie mit den Worten: „Es ist der erste Semestertag- Entspann dich!“, davon ab. Also sahen sie seine Lieblingsserie, eine spanische Sitcom, obwohl er sich ständig beschwerte, dass die Übersetzung schrecklich sei, aber Jane konnte eben kein Spanisch. „Sag mal, warst du jagen?“, fragte der Werwolf, der es sich größtenteils auf ihrem Schoss bequem machte. Auf Außenstehende mochte das wahrscheinlich falsch wirken, doch war es unter den beiden Kindheitsfreunden normal, so liebevoll (und vor allem körpernah) miteinander umzugehen. Schließlich waren sie für den jeweils anderen eine sehr enge Bezugsperson und so etwas wie ein Geschwisterteil, welches sie in der Familie nie gehabt hatten. Sofort war Jane klar, dass seine feine Nase den Vampirgeruch, der von ihr ausging, wahrgenommen hatte, und sie erschauderte ein wenig, als sie daran dachte, wie schnell Aidens Gestank auf sie übergegangen sein musste. Lange hatten sie sich immerhin nicht unterhalten, und berührt hatte er sie schon gar nicht. „Neeein…“, erklärte sie gedehnt, ohne ihren besten Freund anzusehen. Dieser zog, überrascht von der fehlenden Erklärung, die dichten Augenbrauen hoch. „Nich? Hm, dann ist dir der Mief wohl schon in den Klamotten hängengeblieben“, grinste er, woraufhin sie nur gekünstelt lächelte. „Du wirkst genervt“, stellte Gabe fest, da Jane sonst besser auf seine Witze reagierte. „Was ist los, Janie?“ Seufzend fuhr sie sich durch die Haare und lehnte sich zurück. Sie hatte Gabriel zwar von ihrer Bekanntschaft mit Aiden vor einem Jahr erzählt – sehr zum Entsetzen des Werwolfs – doch nicht berichtet, dass sie den Blutsauger auf ihrer Weltreise wiedergetroffen hatte. Bisher war sie davon ausgegangen, das wäre nicht nötig. Und im Moment hatte sie wirklich keine Lust, darüber zu reden. Am liebsten wollte sie den vergangenen Tag einfach vergessen und glauben, dass ihr Stalker wieder verschwinden würde, immerhin hatte sie ihm ihre Meinung sehr deutlich mitgeteilt. Doch ein Teil von ihr glaubte nicht, dass Aiden so vernünftig war. „Ich… Habe dir doch von diesem Vampir erzählt, mit dem ich vor einer Weile zusammengearbeitet habe“, fing sie an, woraufhin er angewidert das Gesicht verzog, jedoch nichts sagte, damit sie weitersprach. „Nun, ich habe ihn wiedergetroffen.“ „Hier?!“, fragte Gabriel, sich entsetzt aufsetzend. „Nein… Das, heißt, doch. Aber ursprünglich sind wir uns ins Rom über den Weg gelaufen, kurz bevor ich nach Hause gekommen bin. Wollte sich in meine Jagd einmischen und ist mir dabei vors Messer gelaufen.“ „Du hättest ihn genauso umlegen sollen wie den anderen“, fand Gabe, was Jane kurz aus dem Konzept brachte. Sicher, sie hasste Aiden dafür, dass er einfach so kommentarlos verschwunden war, doch deswegen würde sie ihn nicht töten. Genauso wenig, wie sie Emilia Jankes ermorden würde, mit der sie in der Schule auf Kriegsfuß gestanden hatte. Nur, weil man jemanden nicht ausstehen konnte, brachte man diesen doch nicht um. Doch, wie ihr rasch klar wurde, sah Gabriel das in Bezug zu Vampiren anders, und wenn sie ehrlich war, hätte sie es vor ihrer Bekanntschaft mit Aiden ähnlich handgehabt. Nicht, dass sie es freiwillig zugelassen hätte, ´Bekanntschaft` mit einem Blutsauger zu schließen; Aiden hatte sich ihr damals schließlich aufgedrängt. „Wahrscheinlich…“, murmelte sie etwas abwesend. Scheinbar entsetzt von ihrer Ruhe starrte der junge Spanier seine beste Freundin an. „Was soll das heißen, ´wahrscheinlich`? Irgend so ein Blutsauger lauert dir hier auf, und du sitzt gemütlich im Wohnzimmer und siehst fern! Was, wenn er Jagd auf dich macht? Was, wenn er Liz was antut?“ Erschöpft rieb Jane sich über die Augen. Sie hatte keine Lust, Gabriel ihre komplizierten Gefühle gegenüber Aiden zu erklären, wo sie nicht mal darüber nachdenken wollte, dass er sich wieder in London rumtrieb, scheinbar ganz erpicht darauf, sich erneut in ihr Leben zu drängen. Doch so nervig sie diese Tatsache fand, so sicher war sie, dass nach wie vor keine Gefahr von ihrem Stalker ausging. Dafür hatte er sich zu offensichtlich Sorgen um sie gemacht… Obwohl er das bestimmt nur erzählt hatte, um wieder an sie ranzukommen. Sie kannte diese Tricks und würde nicht wieder darauf hereinfallen! „Das ist… Kompliziert“, erklärte Jane ihrem empörten Freund recht lahm. „Aber von ihm haben wir nichts zu befürchten.“ „Aber…“ „Können wir über was anderes reden?“, unterbrach sie Gabriel. „Das ganze nervt mich schon genug.“ Er sah sie an, als könne er nicht fassen, all das aus dem Mund der Vampirjägerin zu hören, nickte jedoch folgsam, da er keine Lust hatte, sich mit ihr zu streiten. So verbrachten sie einige lustige Stunden miteinander, bevor Jane sich mit deutlich besserer Laune wieder nach Hause begab. Ihre von Gabriel aufgehellte Stimmung fiel allerdings rasch wieder ins Bodenlose, als sie bereits in der Einfahrt eine Gestalt erblickte, bei der sie wusste, dass gleich etwas Unangenehmes folgen würde. Als sie ausstieg und Aiden erkannte, wäre sie am liebsten wieder in den Wagen gestiegen, um Vollgas zu geben und ihn zu überfahren. Da ihr Auto das wahrscheinlich nicht unbeschadet überstehen und so ein 'Unfall' zu viel Aufsehen erregen würde, unterließ sie es. Stattdessen seufzte die Brünette auf und ging auf das Haus zu. Jedoch versperrte Aiden ihr den Weg zur Tür, weshalb sie wohl oder übel vorerst innehalten und seinen Worten unfreiwillig Gehör schenkte. "Ich weiß, dass du nicht mit mir sprechen möchtest, und ich verstehe jetzt, wieso. Es tut mir wirklich leid, dass ich einfach gegangen bin, aber ich… Ich hatte meine Gründe… Und jetzt hab ich auch einen Grund, weshalb ich dich nicht einfach in Ruhe lassen kann. Bitte, hör mir nur fünf Minuten zu, dann lasse ich dich ein für alle Mal in Ruhe", versprach er, schon fast verzweifelt, wobei er sich aber resolut zwischen sie und die Haustür stellte. Die junge Frau hörte zwar seine Entschuldigung, doch prallte diese einfach an ihr ab. Dafür war es wirklich zu spät. Außerdem sah sie nicht ein, weshalb sie diese annehmen sollte. Die Tatsache, dass Aiden sie in Rom darauf angesprochen und bis vor kurzem wahrscheinlich nicht einmal gewusst hatte, warum sie so wütend gewesen war beziehungsweise ihn ignoriert hatte, zeigte doch, dass er sich in der langen Zeit nicht einmal Gedanken darüber gemacht hatte. Er hatte doch gut ein Jahr mit seiner Ignoranz leben können - sollte er es doch weiter tun! Bestimmt zeigte der Vampir momentan nur Reue, weil es zu seinem Plan gehörte oder er irgendetwas von ihr benötigte. Möglicherweise war es auch sein Ego, das ihn dazu trieb. Egal, welcher Grund dahintersteckte - sie wollte ihm nicht verzeihen und den Gefallen tun, seine Entschuldigung anzunehmen. "Verpiss dich und steck dir deine Worte sonst wohin", zischte Jane dementsprechend gehässig und wollte sich ihren Weg an ihm vorbei bahnen, als er sich wieder vor sie stellte. "Ich…", fing er wieder an, doch Jane ließ ihn nicht weitersprechen. Deutlich genervt knirschte die Vampirjägerin mit den Zähnen, zückte dann ohne jegliche Erklärungen zwei ihrer speziellen Messer und warf sie in Aidens Richtung. Dabei merkte man schnell, dass sie ihn damit nicht nur einschüchtern wollte. Sie wollte ihn wirklich treffen und verletzen - und dabei zuckte sie nicht einmal mit den Wimpern, sondern blickte ihn kühl an. Er dagegen wirkte ganz und gar nicht beherrscht, man merkte ihm an, dass ihm der Schmerz noch deutlich in Erinnerung war, den diese Klingen in Rom bei ihm hervorrufen hatte, und er war ganz und gar nicht scharf darauf, diese Erfahrung zu wiederholen. Da er allerdings stark und flink war, schaffte er es auszuweichen, und die Messer blieben neben der jetzt freigeräumten Haustür stecken. Na also! Ohne den Vampir eines weiteren Blickes zu würdigen, zog die Brünette die Wurfgeschosse aus der Hauswand und verschwand im Anwesen. Drinnen angekommen, begab sich sie in ihr Zimmer, um für die Universität zu arbeiten, wobei es allerdings eine ganze Weile dauerte, bis sie ihre Anspannung betreffend des Vampirs gänzlich loswerden konnte. So sehr sie ihn ignorieren wollte - ganz kalt ließ sie sein plötzliches Erscheinen nicht. Vielleicht sollte sie doch auf Gabes Rat hören und ihn einfach eliminieren. Selbst nach mehreren Wochen ballte Janes rechte Hand sich zur Faust vor Wut, als sie sich an seine dumme Frage in der italienischen Hauptstadt erinnerte. “Kannst du mir bitte erklären, was ich getan habe?“ Was er getan hatte? Er wusste tatsächlich nicht, was er getan hatte?! Nach all den Dingen, die zwischen ihnen vorgefallen waren und nach all dem Wissen über sie, welches er während der gemeinsamen Zeit in Erfahrung gebracht hatte, wusste er nicht, was er mit seinem plötzlichen und kommentarlosen Abgang angerichtet hatte? Die Tatsache, dass ihr unliebsamer Verfolger augenscheinlich wirklich nicht gewusst hatte, weshalb sie alles andere als gut auf ihn zu sprechen gewesen war, war Jane unbegreiflich erschienen. Schließlich, so fand sie, war es doch klar gewesen, dass sie sich ihm vor einem Jahr geöffnet und somit in ihr Leben gelassen hatte. Ihr Verhalten gegenüber Eldric, als dieser damals mal wieder den Eid angeschnitten hatte, hatte doch Bände gesprochen. Aiden war es doch selbst gewesen, der die Analyse diesbezüglich angestellt und das Ganze mit den Worten 'Wir ziehen es in Betracht' korrekt interpretiert hatte. Wie also konnte er nicht sehen, was - in ihren Augen - so verdammt offensichtlich war? Aber sie war selbst schuld, schalt sie sich grimmig, immerhin hatte sie den Blutsauger wider besseren Wissens in ihr Leben gelassen. Diesen Fehler würde sie nicht noch einmal begehen. Irgendwann schaffte sie es, ihren Stalker in die hinterste Ecke ihrer Gedanken zu verbannen und sich gänzlich den Vorbereitungen und Revisionen der Vorlesungen zu konzentrieren. Zwei Stunden später beschloss Jane, genug gearbeitet zu haben. Sie schaltete den PC ab und nahm sich ein Buch, dann machte sie es sich in ihrem Bett gemütlich. Ihre Lektüre schon aufgeschlagen, las sie eine Nachricht von Logan, die sie zum Lächeln brachte. Doch sie hatte kaum eine halbe Stunde gelesen, als es an der Haustür sturmklingelte. Da Elizabeth ausgegangen war, schwang ihre Tochter sich ziemlich genervt aus dem Bett und öffnete, wobei sie mehr als nur ein bisschen überrascht war, plötzlich vor Gabriel zu stehen. Oder besser hinter ihm, denn er hatte ihr den Rücken zugewandt und streckte schützend den Arm aus, als er merkte, dass seine beste Freundin hinter ihm aufgetaucht war. Kurz war sie verwirrt, doch als sie unter seinem Arm durchspähte, sah sie, was den Werwolf so aufgeregt hatte, und seufzte. Aiden – Wer sonst? Sobald sie den Störenfried geortet hatte, fiel ihr Blick wieder auf Gabriel, und ihr stockte der Atem. Er sah ganz so aus, als hätte jemand versucht, ihn in Stücke zu reißen. Seine Arme und sein Nacken waren voller Kratzer, und ein gehetzter Ausdruck lag in seinen dunklen Augen. "Oh Gott, Gabe! Was ist denn mit dir passiert?!", kam es bestürzt über Janes Lippen, nachdem sie die anfängliche Verblüffung überwunden hatte. Sie packte ihn am Arm, worauf der Wolf kurz schmerzhaft aufstöhnte und besah sich die hässlichen Wunden. Ihr Blick fiel dann auf Aiden, der ebenfalls verletzt schien, wenn auch nicht so stark wie der Werwolf. Daraus ließ sich leicht erschließen, was wohl geschehen war. "Pass auf, Jane! Diese ekelhafte Bestie hat gerade eben eine junge Frau angegriffen und hat es wohl auf dich abgesehen!", sprach Gabriel, ohne sich von der Stelle wegzubewegen. Unwillkürlich lachte Aiden auf. "Wer von uns ist denn gerade als blutgetränkte Promenadenmischung durchs Gebüsch gekrochen?", erinnerte er ihn, obwohl er selbst nicht gerade aussah wie das blühende Leben. Zuerst hatte er genauso angespannt gewirkt wie Gabriel, doch als er merkte, dass dieser Jane nicht angriff, entspannte er sich. Dabei lag allerdings ein überheblicher, kühler Ausdruck auf seinem Gesicht, den Jane so noch nie gesehen hatte, der aber ein wenig an sein Verhalten gegenüber Lucas erinnerte. Ein leises Seufzen entwich Janes Lippen, ehe sie den Kopf schüttelte. Na toll. Da war ihr ehemaliger Mitbewohner kaum wieder da, schon schaffte er es, ein verdammtes Chaos anzurichten und ihren besten Freund zu malträtieren. Die Tatsache, dass er ebenfalls verletzt war, ignorierte sie - mal wieder - gekonnt. "Vergiss es, Gabe. Komm lieber rein. Wir müssen deine Wunden versorgen." Anstatt auf die Worte der Vampirjägerin einzugehen, trat der Schwarzhaarige einen Schritt auf Aiden zu und blickte ihn mit verengten Augen an. "Wenn du es wagst, ihr nur ein Haar zu krümmen, dann werden mein Rudel und ich dich in tausend Einzelstücke reißen!", drohte der angehende Alpha-Wolf seinem Gegenüber, "Jetzt hab ich aber Angst", spottete der Untote. "Aber keine Angst, ich bin aus demselben Grund hier wie du. Ich habe mir Sorgen um Jane gemacht", sagte er dann etwas milder, wobei er sich einen Seitenblick auf die Dame erlaubte. Knurrend machte Gabriel einen Schritt nach vorne, wobei er jedoch einen Ruck nach hinten spürte. Jane hatte ihn am Arm gepackt und zurückgezogen. "Vergiss ihn und komm endlich rein!", sagte die Brünette mit Nachdruck, worauf der Angesprochene nur verständnislos die Stirn runzeln und sie ebenso irritiert ansehen konnte. "Wie, ich soll rein?! Jane! Vor deiner Haustüre steht ein verdammter Vampir, der nach dir riecht! Es ist offensichtlich, dass er dich wohl schon seit einiger Zeit verfolgt! Wir müssen ihn umlegen!" Verdammt nochmal. Mittlerweile überlegte sich die Wirtschaftsstudentin wirklich, ob es nicht besser gewesen wäre, dem fünfhundert Jahre alten Vampir zuzuhören. Vielleicht wäre er dann ja verschwunden. Da ihr nun aber keine andere Wahl blieb, als mit der Sprache herauszurücken, fuhr sie sich durch die Haare. "Wir müssen ihn nicht umlegen - noch nicht. Er ist ... Er ist der, den ich kenne, okay? Und jetzt komm endlich rein, Gabe!", kam es etwas säuerlich und zähneknirschend über Janes Lippen, bevor sie einen Schritt zurück und an die Tür trat, damit ihr bester Freund ins Haus kommen konnte. Natürlich würde sie es Aiden niemals erlauben, ebenfalls reinzukommen. Der Vampir nutzte die Sturheit des anderen übermenschlichen Wesens, das immer noch versuchte, sich auf ihn zu stürzen, um Jane anzusprechen, wobei er die Drohungen und Beleidigungen Gabriels einfach ignorierte: "Jane, kann ich dir bitte einfach sagen, wieso ich hier bin? Jetzt, wo ich sehe, dass du mit... Solchen Kreaturen verkehrst, ist es umso dringender." Er sah Gabriel nicht an, aber seine Geringschätzung war überdeutlich zu hören. Seine Worte ließen sie sogar für einen kurzen Moment aufhorchen, sodass sie es sich durch den Kopf gehen ließ. Allerdings hielt sie das für einen unangemessenen Zeitpunkt und für den falschen Ort. Außerdem war sie viel zu sauer darüber, dass der Vampir den Werwolf so übel zugerichtet hatte, als dass sie ihm ruhig hätte zuhören können. Zudem stand ihr der immense Stolz noch immer im Weg. Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass die junge Frau schlussendlich kein Wort zu ihrem ehemaligen Mitbewohner sagte, und sich mit dem Spanier ins Haus zurückzog, wo sie sich gleich um seine Wunden kümmerte. Dabei nutzte ihr Kindheitsfreund natürlich die Chance, sie über den Aiden auszufragen. Schließlich war es ungewöhnlich, dass sie als Vampirjägerin und ein Mensch, der den Vater an einen dieser Blutsauger verloren hatte, ihn einfach so hatte davonkommen lassen. So verbissen, wie Jane sonst immer auf der Jagd gewesen war, war diese 'lockere' Einstellung ziemlich widersprüchlich gewesen. Er hatte sowieso nie verstanden, wie es zu dieser ´Bekanntschaft` gekommen war, von der Jane berichtet hatte. Er würde sich nie mit einem Blutsauger bekanntmachen. "Es ist... eine lange und eher kompliziertere Geschichte...", Erklärte Jane zögerlich und eher widerwillig, da sie eigentlich nicht darüber reden wollte und es - obwohl sie es nicht zugeben wollte - gewisse Wunden in ihr aufriss, die sie am liebsten begraben hätte. Dennoch wollte sie ihrem besten Freund diese Erlebnisse nicht vorenthalten, da er als möglicher Partner und als wichtige Bezugsperson irgendwie ein Anrecht darauf besaß, davon zu erfahren. Als er merkte, wie sehr ihr diese Geschichte zu schaffen machte, wurden Gabriels Züge etwas weicher und er legte die Hand auf Janes. „Hör mal, du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Ich weiß ja so ungefähr, was los war…“ „Nein… Doch… Ich will ja“, murmelte die Brünette ungewöhnlich konfus. Sie fuhr sich durchs Haar, sah aus dem Fenster und holte tief Luft, bevor sie ihrem besten Freund die Details ihrer Zeit mit Aiden darlegte. Zwar verringerte die Kenntnis über das Vergangene keineswegs Gabriels Abneigung gegenüber dem fünfhundert Jahre alten Vampir, doch brachte es ihn auf den neuesten Stand und er konnte dadurch das Ganze auch eher aus einer anderen, neutraleren Perspektive betrachten. Es war nicht so, dass er die Anwesenheit des unliebsamen Nachstellers guthieß, doch konnte er es nicht verhindern, dass er ihm einen klitzekleinen Bonuspunkt dafür gab, dass er auf die Brünette aufgepasst hatte und um ihr Wohl besorgt war. „Und ihr?“, fragte Jane, nachdem sie mit Aidens unangekündigter Flucht geendet und die Freunde eine Weile nachdenklich geschwiegen hatten. „Wie ist es zu dieser Prügelei gekommen?“ Das Verständnis für den Vampir, das er kurz gezeigt hatte, verschwand so schnell, wie es gekommen war, und Gabriel rieb sich missmutig den inzwischen bandagierten Arm. „Ich hab im Wald eine Kontrollrunde gedreht, als ich gemerkt hab, dass ein Blutsauger da zugange war. Ich hab ihn angegriffen und versucht, von dem Mädchen wegzukriegen, aber er war… Nun, ziemlich kräftig“, gab der junge Mann widerwillig zu, was Jane nicht überraschte. Immerhin war der Werwolf noch nicht ausgewachsen, während der Vampir fast 500 Jahre alt und entsprechend stark war. Es wunderte sie eher, dass Aiden Gabriel nicht in Stücke zerlegt hatte, doch die Erklärung dafür bekam sie in der weiteren Erzählung des Spaniers: „Er schien aber gar nicht so richtig kämpfen zu wollen – faselte ständig was davon, dass ich einfach gehen sollte, er würde die Frau schon nicht töten… Als hätte ich ihm das geglaubt!“ Jane hatte keine Lust, Gabriel zu erzählen, dass der betreffende Blutsauger seiner Opfer tatsächlich nicht tötete. Erstens konnte sie nicht wissen, ob er sich immer noch an diese Restriktion hielt – immerhin war ihre Zusammenarbeit fast ein Jahr her, und er hatte sich nur ihr zuliebe derart beschränkt. Und zweitens lag ihr nichts daran, Aiden in einem besseren Licht dastehen zu lassen, das hatte er gar nicht verdient. „Dann hab ich mich auf ihn gestürzt und irgendwas an ihm… Hat sich verändert“, fuhr Gabriel fort, der jetzt die Stirn runzelte. „Vorher wollte er nicht wirklich kämpfen, aber als wir so nah waren, ist er plötzlich richtig aggressiv geworden… Zu dem Zeitpunkt hab ich übrigens dich an ihm gerochen, deswegen bin ich hergekommen. Ich hatte Angst, dass er dich angreifen würde.“ Wahrscheinlich war es Aiden ähnlich ergangen: Er hatte Janes Duft an Gabriel gewittert und war ausgetickt. Sie kannte diese Reaktion von ihm von gemeinsamen Jagden; er war immer ruhig und legte es nicht auf Gewalt an, es sei denn, er sah sie in Gefahr. Dass sie all das noch so genau wusste, ärgerte die Vampirjägerin. Sie hatte doch fast ein Jahr daran gearbeitet, es zu verdrängen. Trotzdem blieb ihr nicht anderes übrig, als weiter darüber zu reden, denn Gabriel wollte ein paar Antworten. „Wie gesagt, ich halte ihn nicht für gefährlich… Allerdings sollten wir ihn im Auge behalten.“ „Das werde ich, ganz sicher!“, knurrte der Spanier. „Er ist immerhin ein verdammter Stalker, und noch dazu gefährlich – egal, ob er sich dir gegenüber als friedfertig getarnt hat“, fügte er hinzu, als Jane den Mund öffnete. „Danke, Gabe“, lächelte Jane, ehe sie das Thema wechselte. Eine Weile später brach der Werwolf dann auf, immerhin war es bereits spät. Die Vampirjägerin ging zu Bett, musste allerdings feststellen, dass ihre Gedanken hartnäckig um die Vergangenheit kreisten. Sie konnte nicht fassen, dass sie beinahe einen bindenden Packt mit diesem verräterischen Untoten eingegangen wäre. Denn er konnte erzählen, was er wollte, ihm musste bewusst gewesen sein, wie sehr er sie – und ihre Mutter, mit der er doch so gut befreundet gewesen war! – verletzen würde. Ein kleiner Teil von ihr redete ihr ein, dass er es eben doch nicht gewusst hatte, dass er vor ihrer Bekanntschaft so lange alleine gewesen war, dass er es einfach nicht verstanden hatte. Doch der weit größere Teil von ihr ergötzte sich lieber am eigenen Zorn. Dieser schlug sich in unangenehmen Träumen nieder. Sie erlebte nochmal ihre gemeinsamen Jagden, doch seltsam verzerrt. Statt hilfreich und schützend, zeigte der Traum-Aiden sich verschlagen, kriecherisch und jammernd. Obwohl sie sich bei weitem nicht an alles erinnern konnte, erwachte sie am nächsten Morgen unausgeruht und nervös. Trotzdem freute sie sich, als sie später im Vorlesungsaal Logan, Benjamin, Cynthia und Kate traf. Gabriel war ebenfalls da, und die anderen waren recht überrascht über das ramponierte Aussehen des Werwolfes. Zwar war das Meiste aufgrund seines Wolfblutes bereits verheilt, doch waren einige Flecken an seinen unbedeckten Armen noch deutlich zu sehen. Selbst seine Nase - die zum Glück nicht gebrochen war - hatte einiges abbekommen, sodass er nicht umhin gekommen war, einen speziellen Verband darüber zu kleben. Jedoch würde es keine zwei Tage dauern, bis er wieder wie neu aussehen würde. „Hättest du nicht lieber zu Hause bleiben sollen?“, fragte Jane leise, während alle ihre Sachen auf die Tische legten. Den Freunden hatte der Spanier erzählt, er hätte sich beim Sport verletzt, und sie schienen sich mit dieser Erklärung zufrieden zu geben. „Und du?“, fragte Logan, als das Gespräch sich von dem ramponierten Spanier abgewandt hatte und die anderen miteinander plauderten oder auf ihre Handys sahen. „Du siehst angespannt aus“, fügte er auf Janes überraschten (und ertappten) Blick hinzu und ergriff ihre Hand. Sie biss sich auf die Unterlippe und sah wo anders hin. Es fiel ihr nicht leicht, ihren Freund zu belügen, doch zu seinem eigenen Schutz war es besser so. Allerdings kam sie nach kurzem Nachdenken zu dem Schluss, über Aiden unabhängig von seiner Rasse sprechen zu können. „Es ist, weil Aiden wieder hier aufgetaucht ist und scheinbar Kontakt aufnehmen will“, erklärte sie vage. „Ich… Hatte einfach nicht damit gerechnet.“ Logan, dem sie damals – so wie ihren anderen Freunden – eine Ausrede für das Verschwinden ihres damaligen Mitbewohners aufgetischt hatte, runzelte die Stirn. Sie hatte ihre Freunde nicht angeschwindelt, um den Vampir zu schützen, sicher nicht. Sondern weil sie sich nicht damit hatte auseinandersetzen wollen, wie schwer sein Weggang sie getroffen hatte. So wusste aber weder ihr Liebster, noch der Rest der Clique, warum Jane so schlecht auf Aiden zu sprechen war. Allerdings hielt Logan sich mit Fragen zurück, sondern lächelte seine Freundin nur aufmunternd an. „Es wird sich alles klären. Und wenn du jemanden zum Reden brauchst, bin ich für dich da.“ Eine Welle von Dankbarkeit, Schuldbewusstsein und Zuneigung überschwappte Jane, die sich nicht anders auszudrücken wusste, als sich vorzulehnen und ihm einen zärtlichen Kuss zu geben. Dieser wurde allerdings von Gabriel unterbrochen, der sie sacht in die Seite stupste. "Er ist hier", erklärte der Südländer, der zwar ein wenig demoliert aussah, aber noch immer hervorragend riechen konnte, wodurch er den Vampir gewittert hatte, bevor ihn jemand anderes entdeckte. Jane seufzte tief und verfolgte mit den Blicken, wie Aiden sich einige Reihen von ihrer Clique entfernt niederließ. Ihre Freunde schienen ihn nicht erkannt zu haben. Jane ahnte wohl, dass ihr Verfolger auf altbekannte Mittel zurückgreifen wollte und sich sehr wahrscheinlich erneut als Student eingeschrieben hatte. Dabei fragte sich die junge Frau gar nicht, wie er es geschafft hatte, einfach in einen Masterstudiengang reinzukommen. Immerhin gab es heutzutage mehr als genug Mittel und Wege, Papiere und Dokumente zu fälschen. Da die Vorlesung ziemlich direkt nach seinem Eintreffen im Hörsaal begann, hatte sie Glück und musste sich nicht weiter mit dem Vampir auseinandersetzen, sondern konzentrierte sich auf den Stoff, der unterrichtet wurde. Als die Stunden gegen Mittag beendet waren, verabschiedete sich die Brünette von Logan und ihren Freunden, da alle - aufgrund des Stundenplanes - etwas Anderes vorhatten. „Soll ich mich um den kümmern?“, fragte Gabriel halblaut, wobei er in Richtung des Vampirs nickte, der sich noch in der Nähe herumdrückte, sich der Gruppe allerdings nicht näherte. Jane schoss dem Untoten einen vernichtenden Blick zu, schüttelte an ihren besten Freund gewandt jedoch den Kopf. „Ich krieg das schon hin. Bis dann.“ Als sich am Eingang des Universitätsgebäudes die Wege trennten, begab sich Jane zu ihrem Wagen, wobei sie natürlich bemerkte, wie Aiden ihr folgte. Zwar hielt sie vor dem Einsteigen kurz inne, weil sie den Drang verspürte ihn anzufahren, doch entschied sie sich dazu, ihn einfach wieder zu ignorieren und direkt nach Hause zu fahren. Sie wollte nicht, dass ihr Leben aus dem Ruder lief oder seinen gewohnten Gang verlor, weil er wieder aufgetaucht war - auch wenn sie insgeheim wusste, dass dies wohl früher oder später geschehen würde... Es war überaus erleichternd für die Vampirjägerin, im Rückspiegel zu sehen, dass der Vampir ihr nicht folgte und auf dem Parkplatz stehen blieb, als sie losgefahren war. Schließlich hätte er sich - wenn er verrückt genug gewesen wäre - schnell genug vor ihren Wagen stellen oder die Tür aufreißen und sich auf dem Beifahrersitz niederlassen können. Sie meinte zwar, in seinem kleiner werdenden Gesicht einen angespannten – fast schon genervten – Zug zu erkennen, den sie von seinem ihr gegenüber immer freundlichen Antlitz nicht gewohnt war, doch es war ihr gleich. Umso besser, wenn sie ihn nervte, vielleicht würde er dann endlich das Weite suchen. Das zumindest redete die junge Frau sich auf dem Heimweg ein, wobei sie den nagenden Verdacht, dass es nicht so einfach werden würde, ihren Stalker loszuwerden, unterdrückte. Selbst, als ihre Mutter nach ein paar Stunden anrief und sagte, sie würde zum Abendessen ausgehen, war sie zwar überrascht, ahnte jedoch noch nichts Böses. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)