Bloody Eternity 2 von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 4: Kunst und Krempel ---------------------------- Während den nächsten Tagen nahm Jane nie direkt die Präsenz ihres ehemaligen Mitbewohners und Pseudo-Kommilitonen wahr. Da ihr bester Freund jedoch sehr häufig an ihrer Seite und als Werwolf schärfere Sinne hatte, wurde sie von ihm auf dem Laufenden gehalten. Wie zu erwarten gewesen war, war er nicht begeistert von der Entführung seiner besten Freundin, und es besserte nicht gerade seine Meinung über den Vampir, dass er sich nach wie vor in der Nähe der McCollins-Frauen aufhielt. Doch Jane war bereit, mit der Sache abzuschließen. Nach dem, was Aiden ihr eröffnet hatte, konnte sie seine Aufdringlichkeit irgendwie nachvollziehen. Zwar glaubte sie nicht, dass es zu 100 Prozent seine Schuld war, wenn sein Erschaffer plötzlich hier auftauchen und nach ihrem Leben trachten würde, doch wenn er wusste, dass möglicherweise so eine große Gefahr im Anflug war und ihr nichts gesagt hätte, dann hätte das im Nachhinein deutlich anders aussehen können. Die drastischen Mittel, die er ergriffen hatte, um sie zum Zuhören zu bewegen, hatte sie zwar nicht begrüßt, doch ändern konnte man das nicht mehr. Und sie hatte ihm nicht wirklich eine andere Wahl gelassen, obwohl das nur ein verschwindend kleiner Teil ihrer Selbst zuzugeben bereit war. Er hätte schließlich einen Brief oder eine Mail oder so etwas schicken können. Jedenfalls war sie nicht überrascht, des Öfteren von Gabriel zu hören, dass Aiden sich in der Nähe herumtrieb. Dieses Verhalten kannte sie schließlich von ihm. Solange er ihr nicht unter die Augen kam, war es ihr relativ egal, und wenn sie ehrlich war, hatte sie nach knapp drei Wochen Dauerstress wegen ihres vampirischen Verfolgers einfach keine Lust mehr, sich zu ärgern. Hätte sie zu Beginn seiner Zeit in London ständig in ihrer Nähe herumgelungert, wäre die junge Frau wohl losgestürmt und hätte ihm gesagt, dass er endlich verschwinden sollte. Doch nach dem Gespräch, welches sie vor einigen Tagen geführt hatten, war sie in der Lage, deutlich neutraler und rationaler zu denken. Immerhin hatte Aiden sie über seine Pläne informiert, die eine baldige Abreise beinhalteten. Folglich ging sie einfach davon aus, dass er eine gewisse Vorbereitungszeit für seinen Weggang benötigte. Würde sie allerdings mitbekommen, dass er nach einem Monat noch immer in ihrer Nähe war, würde sie definitiv eingreifen und ihn zur Rede stellen. Auch ihre Freunde bemerkten natürlich, dass Jane wieder entspannter war, und bei einem gemeinsamen Kinobesuch sprach Logan seine Freundin darauf an: „Hat sich alles wieder geklärt?“ Aufmunternd drückte sie seine Hand und lächelte. „Ja, klar… Tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast.“ „Na ja, es wäre schön, wenn ich dir irgendwie hätte helfen können“, erklärte er ein wenig geknickt, und obwohl Jane ihm keinerlei Vorwürfe machte – immerhin lag das Problem alleine bei ihr – verstand sie ihn. In einer Beziehung wollte man schließlich füreinander da sein, doch zu seinem eigenen Schutz konnte Jane ihrem Liebsten nicht von all ihren Problemen erzählen, zumindest, wenn diese mit der Arbeit zu tun hatten. Stattdessen vertraute sie sich Gabriel an, und obwohl Logan nach wie vor nicht eifersüchtig zu sein schien, war es nur natürlich, dass es ihn verletzte. Zu allem Überfluss schrieb der Werwolf ihr genau in dem Moment, in dem Jane ihren Partner aufzubauen versuchte. Besorgt las sie, dass er einen Virus hatte, und obwohl er es nicht ausformulierte, klang es für Jane, als wäre es eine Krankheit, die nur seine Rasse bekommen konnte. Sie wünschte ihm gute Besserung und versprach, ihm alle Unterlagen für die Uni mitzubringen, dann rief Logan sie, um mit ihr in den Kinosaal zu gehen. , An einem Donnerstag ein paar Tage später, als die Vorlesungen am frühen Nachmittag endeten und Jane im Zirkel vorbeigesehen hatte, um einige administrative Dinge zu erledigen, fuhr sie erst gegen 16 Uhr nach Hause. Wie immer war Elizabeth um diese Zeit noch auf der Arbeit, sodass sie niemand empfing, als sie die Tür aufschloss und eintrat. Allerdings kam die Vampirjägerin nicht weit, da sie sofort in ihrer Bewegung innehielt, da ihr ein kalter Wind aus dem Wohnzimmer entgegen blies. Sie eilte in den Raum und ihr ungutes Gefühl wurde bestätigt: Das Fenster und eine Vitrine im hinteren Teil des Raumes standen sperrangelweit offen. Innerhalb von Sekunden hatte sie ihre Waffe aus dem Futteral ihrer Jacke gezogen und sich hinter die nächste Wand geduckt, von wo aus sie vorsichtig umherspähte. Doch als sie sich weiter in die Küche schob, war diese ebenso verlassen wie der erste Stock und der Keller. Wer immer hier eingebrochen war, war bereits verschwunden. Jane kehrte zurück ins Wohnzimmer, um festzustellen, was der Vampir gewollt hatte, der offensichtlich ausschließlich im Wohnbereich und nicht in den Schlafzimmern der Frauen gewesen war. Dabei musste sie nicht ein zweites Mal überlegen, um sich sicher zu sein, dass es sich um einen verdammten Blutsauger handeln musste. Schließlich schaffte es kein normaler Mensch, die Sicherheitsvorkehrungen auf diesem Grundstück und Anwesen zu durchbrechen. In der zerstörten Vitrine befanden sich normalerweise einige Andenken an ihren Vater; Fotos mit Elizabeth, Jane oder ihren Großeltern, Auszeichnungen, Basteleien des Architekten und eine seltene, alte Musikschatulle. Als die Vampirjägerin alles wieder an seinen Platz gestellt hatte, fiel ihr auf, dass die Schatulle verschwunden war. Bei der Erkenntnis stutzte sie, weil es nicht unbedingt normal war, dass ein Vampir in ein Haus einbrach, um eine Musikschatulle mitzunehmen. Die meisten Blutsauger waren so alt und entsprechend wohlhabend, dass sie sich derartige Kleinodien einfach kaufen konnten. Warum also das Risiko aufnehmen, in ein Haus einzubrechen, das so gut gesichert war wie das der McCollins-Frauen, um an einen solchen Gegenstand zu gelangen? Die Verblüffung verpuffte allerdings relativ schnell, da sie der Wut Platz machte - schließlich hatte das Ganze nun einen deutlich persönlicheren Touch angenommen. Es ging hier um ein Erbstück ihres verstorbenen Vaters, ganz davon abgesehen, dass sie es nicht dulden würde, dass ein elender Blutsauger in ihr zu Hause einbrach und sie ausraubte. Nachdem sich die Brünette sicher war, dass sich niemand mehr im Haus befand, rief sie bei ihrer Mutter an, um sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Da dies der Fall war, konnte Jane aufatmen und wählte kurz darauf Eldrics Nummer, damit sie ihn über den Einbruch informieren konnte. Selbstverständlich setzte er wieder einiges in Gang, um übereinstimmende Details herauszusuchen und seinem Schützling wenig später die passenden Dokumente per E-Mail zukommen zu lassen, die sie intensiv studierte. Es war zwar ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um auf die Jagd zu gehen, da Gabriel aufgrund des Virus nach wie vor flach lag, doch wollte Jane nicht warten, sondern so bald wie möglich losziehen. Sie war derart in ihre Vorbereitungen vertieft, dass es sie völlig verblüffte, als gegen 20 Uhr Logan anrief. Erst, als sie seinen Namen auf dem Display sah, fiel ihr wieder ein, dass sie verabredet waren, und sie biss sich schuldbewusst auf die Lippe. Zur Zeit gab sie wirklich keine besonders gute Freundin ab. Kurz erwog sie, ihre Recherchen für heute auf sich beruhen zu lassen und ihr Date mit Logan zu priorisieren. Doch dann entschied sie, es nicht zulassen zu können, dass jemand ungestraft ihr Heim schändete, und sie sagte das Treffen ab. Ihr schlechtes Gewissen verebbte schnell, als sie sich wieder ihren Recherchen zuwandte. Am Abend informierte sie ihre Mutter, die - wie immer - um das Wohl ihrer Tochter besorgt war. Da sie allerdings wusste, dass sie nichts tun konnte, um die Vampirjägerin aufzuhalten, hielt sie sich zurück und ließ es zu, dass die junge Frau alles für die kommende Jagd vorbereitete, zu der sie am kommenden Abend aufbrechen wollte. Am nächsten Tag ging die Wirtschaftsstudentin wie gewohnt in die Vorlesung, war aber unruhig, da sie das Ganze ziemlich beschäftigte und sie den wertvollen Gegenstand endlich wieder bei sich haben wollte. Dementsprechend konnten die Stunden für sie nicht schnell genug vorbeigehen. Auch Logan merkte, dass seine Freundin etwas nervös war und sprach sie nach dem Ende der letzten Vorlesung an. „Jane?“ „Hm?“, machte sie, ein wenig zerstreut und ungeduldig, da sie eigentlich los wollte. „Tut mir leid, ich habe es ein bisschen eilig…“ „Ist etwas passiert? Du wirkst wieder so angespannt.“ Seine Sorge rührte die junge Frau, die ihn liebevoll anlächelte. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, ihm von dem Einbruch zu erzählen – immerhin musste sie nicht erwähnen, dass es etwas mit einem Untoten zu tun hatte. Doch dann sah sie den Rattenschwanz aus Sorgen und Nachfragen, die das nach sich ziehen würde, und erklärte, dass sie lediglich schlecht geschlafen und darum ein wenig komisch gelaunt war. Nachdem sich Jane von ihrem Liebsten verabschiedet hatte, begab sie sich direkt auf den Parkplatz, um ihren Wagen anzusteuern und nach Hause zu fahren. Vor der Villa wurde sie allerdings erneut aufgehalten, und zwar nicht von der willkommenen liebevollen Sorge ihres Freundes, sondern von einem gewissen altbekannten Vampir, der in der Einfahrt stand und offensichtlich auf Jane wartete. Was sollte das denn jetzt? Als ob eine blutsaugende Bestie nicht schon ausreichte; jetzt musste sie sich auch noch mit einer herumschlagen, die es irgendwie als amüsant empfand, ihr nachzustellen oder ihr auf die Pelle zu rücken. Gerade, als sie ziemlich schlecht gelaunt ihren Mund öffnen und etwas sagen wollte, fiel ihr Blick auf Aidens Koffer. Sofort zählte Jane eins und eins zusammen und kam zur Schlussfolgerung, dass er wohl kurz vor der Abreise war und ein paar letzte Worte an sie richten wollte. Nun, damit konnte sie leben. Als sie ihn mit auffordernd hochgezogenen Brauen begrüßte, hob er abwehrend die Hände. "Entschuldige, dass ich schon wieder hier auftauche, aber es scheint, dass sich hier ein anderer Vampir rumtreibt. Ich weiß nicht, ob dein Partner das mitbekommen hat oder ob das sogar ein Gast von dir war...?", schlug Aiden vorsichtig vor, offensichtlich auf der Suche nach einer ungefährlichen Erklärung für seine Entdeckung. Das klang, als wäre der Einbrecher bereits vor seinem Überfall hier gewesen, was Jane dazu veranlasste leise, aber schwer aufseufzen und sich mies gelaunt durch die Haare zu fahren. "Wir hatten tatsächlich 'Besuch' von einem Vampir", erwiderte sie vage und versuchte mit einer abwinkenden Handbewegung die ganze Sache zu relativieren. Schließlich wollte sie nicht, dass er auf irgendwelche unerwünschte Ideen kam oder ihr weiter auf die Pelle rückte. Er sollte einfach abreisen - so, wie es anscheinend geplant war. „Ist alles in Ordnung mit Liz?“, fragte Aiden sofort besorgt, woraufhin Jane nickte. "Es ist nichts Schlimmes passiert. Ich habe alles im Griff", fügte die Vampirjägerin hinzu, wobei sie ihm geflissentlich verschwieg, dass Gabriel seit gut zwei Tagen außer Gefecht war und man noch ein paar weitere Tage damit rechnen konnte, bis er wieder auf den Beinen war. Um Aiden endlich loszuwerden und ihm nicht noch mehr von den Umständen zu erzählen, deutete sie auf den Koffer. "Scheint so, als ob du endlich abreisen möchtest, hm? Du solltest vielleicht nicht zu viel Zeit verlieren. Ansonsten verpasst du noch den Flug", sprach die junge Frau, ohne zu ahnen, dass sie damit regelrecht den Teufel an die Wand malte, und wandte sich dann zur Haustür, um diese aufzuschließen. Aiden teilte die Lippen zu einem schmalen, sarkastischen Lächeln, die Art, die sonst den Herren in Janes Umgebung vorbehalten gewesen war. "Oh, ich habe noch ein paar Stunden Zeit. Danke für deine Sorge", ignorierte er ihre implizierte Bitte zu gehen leichthin. "Wir haben uns vor gut zwei Wochen voneinander verabschiedet. Von daher hättest du nicht extra hierherkommen müssen." Sie hoffte sehr, dass er darauf ansprang und wirklich verschwinden würde. Immerhin wollte sie noch einmal in Ruhe die ganze Planung durchgehen und ihre Ausrüstung kontrollieren und gegebenenfalls aufstocken. Mit verschränkten Armen beobachtete der zweite ungebetene Gast, wie Jane die Haustür aufsperrte. Erneut lächelte er nur und fragte: "Jagst du ihn jetzt sofort? Alleine?“ Es wäre doch viel zu einfach gewesen, wenn er auf ihre Worte eingegangen wäre. Wie hatte die junge Frau bloß hoffen können, dass er Kehrt machen und von ihrem Grundstück verschwinden würde? Auch wenn mittlerweile ein ganzes Jahr vergangen war und sie keinen Kontakt gehabt hatten, so hätte sie doch ahnen müssen, dass dies bei Aiden nicht ziehen würde. Seine Beharrlichkeit war noch immer so groß wie vor seiner Abreise - dies hatte sie vor kurzem selbst erlebt, als er ihr wieder nachgestellt und sogar auf ein abgelegenes Fabrikgebäude verfrachtet hatte. Erneut seufzte die Brünette auf, als sie merkte, dass er sich nicht vom Fleck bewegte. "Gabe ist seit zwei Tagen krank", sprach sie schlicht und trat ins Haus, wobei sie sich nicht die Mühe machte, ihn auszusperren oder davon abzuhalten, reinzukommen. Sie wusste, wie lächerlich ein Versuch sein würde, da er so oder so irgendwie einen Weg nach drinnen finden würde, wenn er es wollte. Dennoch würde sie wohl oder übel irgendeinen Weg finden müssen, um ihn aus dem Weg zu schaffen, wenn er sich weigern würde, sich von ihr fern zu halten oder sich sogar in die bevorstehende Jagd einmischen wollte. Nachdem Jane ihre Tasche auf der Kommode im Eingangsbereich des Hauses abgestellt hatte, drehte sie sich wieder zu Aiden und ihr Blick fiel automatisch auf seinen Hals. Dabei konnte sie einen Teil seines Sonnenschmucks hervor blitzen sehen. Ah... Vielleicht konnte sie diese Sachlage für sich nutzen, wenn es sein musste. Allerdings hoffte sie, dass es nicht soweit kam. Immerhin war es ihr mittlerweile unangenehm, ihre weiblichen Reize für solche Dinge einzusetzen - kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie nun mit Logan zusammen war. Natürlich kamen sich Gabriel und sie körperlich relativ nah, doch war das eine andere Sache und hatte einen deutlich anderen Hintergrund. Es war viel unschuldiger. "Hör zu...", begann die Vampirjägerin dann wieder und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie den unliebsamen Hausgast vor sich ansah. "Ich weiß nicht, weshalb du noch hier und so fixiert darauf bist, was hier geschehen ist, aber wenn es darum geht, dass ich allein jagen gehe, dann kann ich dir nur sagen, dass ich zurechtkomme. Selbst wenn Gabe momentan nicht an meiner Seite ist, weiß ich, was ich tue. Schließlich habe ich lange genug alleine gejagt." Sie hoffte sehr, dass er diese Tatsache in seine Überlegungen miteinbezog, es einsehen und endlich verschwinden würde. "Du weißt, was du tust... Indem du wieder aus einem Fenster springst?", erinnerte er sie staubtrocken, die Hände in den Manteltaschen vergraben. "Ich habe gesehen, wie du reagierst, wenn deine Familie involviert ist... Und wir können uns diese Diskussion sparen, wenn du mir einfach sagst, was du vorhast, und wir loslegen. Du weißt, dass ich sowieso tue, was ich will - und das ist im Moment, dir zu helfen." Natürlich. Wie hätte es bitte schön anders sein können? Es war klar gewesen, dass er sich - trotz ihren einigermaßen gefassten und netten Worten - nicht so schnell abwimmeln lassen würde. Immerhin handelte es sich hier um ihren persönlichen Stalker, der sie vor einem Jahr so verdammt verbissen verfolgt und sich ungefragt, sowie sehr gerissen in ihr Leben eingemischt hatte - nur, weil er irgendwie gedacht hatte, dass es seine Pflicht gewesen war, sie zu beschützen. Wieso sollte eben dieser Verfolger Anbetracht den momentanen Umstände, die wesentlich präsenter und fataler schienen, sich so einfach zurückziehen, wenn sie ihn darum bat. Es hatte schließlich auch nicht mit Gewalt oder lauter Stimme geklappt... Frustriert und mittlerweile ziemlich genervt, verdrehte die Brünette die Augen, wobei sie dem Drang widerstand, ihre Arme dramatisch in die Luft zu werfen. Dass er ihre damalige Aktion ansprach, die sie in der äußerst gestressten Situation begannen hatte, hob ihre Stimmungslage nicht unbedingt an. Vielmehr war das Gegenteil der Fall: Sie näherte sich gefährlich schnell dem Nullpunkt. Dazu trug sicherlich der beabsichtigt provokative Ton bei, den Aiden sich gerade anzugewöhnen schien. Hatte er früher immer mit Ehrerbietung, Zuneigung und Verständnis selbst auf ihre bissigsten Kommentare reagiert, so schien er sich jetzt nichts mehr gefallen lassen zu wollen und ließ deutlich heraushängen, dass er sich Jane überlegen fühlte. Gott, wie es sie ankotzte… "Aus dem ersten Stock zu springen ist für mich kein Problem, wenn ich richtig lande. Im Training absolviert man deutlich Schlimmeres. Von daher war die Handlung von damals nichts Unüberlegtes", entgegnete sie ein wenig bissig, wobei sie nicht umhin kam, mit den Zähnen zu knirschen. Wieso hatte er bloß so ein schlechtes Timing? Hätte er nicht vor drei Tagen oder vielleicht sogar morgen auftauchen können, um sich von ihr zu verabschieden? Dann wäre alles bestimmt viel einfacher von Statten gegangen. Immerhin hatte er vor gut zwei Wochen gezeigt, dass er den Beschützerinstinkt ihr gegenüber schon deutlich abgelegt hatte... "Ich weiß, dass du das kannst. Aber das heißt nicht, dass du hirnlos alles tun musst, wozu du in der Lage bist", erwiderte er ungnädig. Schwer seufzend fuhr sich Jane durch die Haare, als ihr Blick erneut an seinem Sonnenschmuck hängen blieb, der teilweise hervorblitzte. Nun, wie es aussah, blieb ihr wohl oder übel keine andere Wahl, als diesen Weg einzuschlagen. Sie hoffte nur, dass sie mit ihren Mittel nicht allzu sehr übertreiben musste. Immerhin wollte sie nicht, dass ihre Handlungen mit einem ´Fremdgehversuch` gleichkamen. Allerdings brauchte sie ihre Sachen und die waren in ihrem Zimmer, weshalb sie es irgendwie schaffen musste, nach oben zu gelangen. Da Aiden ohnehin schon wusste, dass sie von seinem Verhalten genervt war, seufzte sie leise und tat so, als ob sie nicht weiter mit ihm diskutieren wollte und ging die Treppe hoch, um auf ihr Zimmer zu gehen und ihre Ausrüstung zu holen. "Was immer du sagst, ich werde meine Meinung nicht ändern. Du kommst nicht mit", gab sie von sich, um das ganze realistischer wirken zu lassen. Als sie hörte, wie er ihr zögernd folgte – wahrscheinlich war es ihm unangenehm, in den Privatbereich des Hauses vorzudringen - verschwand sie für eine kurze Zeit seelenruhig in ihrem begehbaren Kleiderschrank, um sich anzuziehen und die Ausrüstung an sich zu befestigen. "Du hast mir nicht zu sagen, was ich tun oder lassen soll", hörte sie Aiden vollkommen gelassen erklären, der klang, als stünde er vor der Zimmertür. Jane verdrehte die Augen, als sie sah, dass er tatsächlich nicht eingetreten war. Er war immer noch so prüde wie vor einem Jahr… Als sie alles hatte, positionierte sie sich absichtlich in der Nähe des Fensters und setzte dann den kurzfristig geplanten Entschluss in die Tat um. Etwas zögerlich und langsam ging die Vampirjägerin auf ihr Gegenüber zu, blieb relativ nahe vor ihm stehen und blickte zu ihm auf, wobei ihr Gesichtsausdruck augenscheinlich die Härte verloren hatte und eher eine Mischung aus leichter Verzweiflung, Trauer und Bitte angenommen hatte. "Ich würde... diese Diskussion ja gerne umgehen, aber versteh doch... das ist alles nicht so einfach", sprach sie leise, beinahe hauchend und in einem fast schon unterwürfigen Ton, als sie ihre Hand vorsichtig anhob und in seinen Nacken legte. Ihr Blick lag noch immer in seinen Augen und mit ihrem Daumen strich sie zärtlich über seine Wange. Ein abweisender, wenn auch verlegener Ausdruck legte sich auf die Züge des Vampirs, der die Arme nach wie vor verschränkt hatte und genau zu wissen schien, was die junge Frau da trieb. Dennoch stieß er sie nicht von sich, wie sie befriedigt realisierte. "Ich meine... ich muss das alleine regeln. Wie sollte das sonst in der Zukunft funktionieren? Du reist schließlich ab, verlässt England und kannst dich nicht ständig einmischen oder mir helfen, wenn ich irgendwelche Probleme mit anderen Vampiren habe." Während die Worte über ihre Lippen gekommen waren, wanderte die junge Frau mit der Hand ein kleines Stückchen runter, bis der kleine Finger das kalte Metall der Kette berührte. Sie hoffte nur, dass er weiterhin für ihre Reize empfänglich war und genug abgelenkt sein würde, um nicht auf seinen Sonnenschmuck zu achten. "In Zukunft hast du ja Gabe", antwortete er herablassend. "Ja, natürlich. Ich habe Gabe, der mich mit seinem Leben beschützt, aber wie du vielleicht weißt, dauert sein Reifeprozess noch ein paar Jahre, so dass es vorkommen kann, dass er ab und zu ausfällt. Folglich wird es unumgänglich sein, alleine auf die Jagd zu gehen", erwiderte sie leise, wobei ihr natürlich der sarkastische Unterton nicht entgangen war. Wie auch? Es war offensichtlich gewesen, dass die beiden sich nicht ausstehen konnten - auch wenn sie sich so gesittet wir möglich verhielten. Immerhin lag dies nicht nur alleine daran, dass sie zwei grundverschiedenen Rassen angehörten, die sich nicht vertrugen und praktisch Erzfeinde waren. "Jane... Ich... Lass das jetzt...", verlangte er in einem ziemlich halbherzigen Versuch, sich von ihr zu lösen. Die Vampirjägerin musste ein kleines Schmunzeln unterdrücken, als sie merkte, wie unmotiviert sein Versuch war, sich ihr zu entziehen. Wie es aussah, war er ihren Reizen noch immer unterlegen. Wahrscheinlich nicht so sehr, wie vor einem Jahr, doch würde es reichen, um ihn von ihrem eigentlichen Plan und Handeln abzulenken. Vorsichtig trat Jane einen weiteren Schritt auf Aiden zu, um ihm näher zu sein und versuchte ihn leicht in die Richtung des Fensters zu drängen, in dem genügend Schatten vorhanden war. Allerdings versuchte sie sich selbst so zu positionieren, dass sie schnell genug aus dem Zimmer springen und er sie nicht verfolgen konnte. Ansonsten würde das Ganze sein gewolltes Ziel vollkommen verfehlen. Als die junge Frau ihn endlich soweit hatte, legte sie die andere Hand an seinen Nacken, zwang ihn, sie anzusehen und strich mit ihren Daumen flüchtig über seine Wange. "Ich komme mit, also kannst du dir genauso gut den Atem sparen... Und jetzt hör auf...", sagte er mit abgewandtem Gesicht, auf dem sich Wiederwillen und Sehnsucht gleichzeitig spiegelten. "Wieso sollte ich das lassen? Du weißt, dass es der Wahrheit entspricht, Aiden", sprach sie weiterhin leise, wobei sie großen Wert darauf legte, seinen Namen möglichst zärtlich auszusprechen. Im richtigen Augenblick, als sie das Gefühl hatte, dass er ihren Berührungen und ihrer Stimme weitgehend verfallen war, löste sie den Verschluss der Kette, streifte sie von seinem Hals ab und sprang unmittelbar danach auf den Fensterrahmen - eine Stelle, die vom Licht der Sonne regelrecht durchflutet wurde und voO n ihm sicher nicht so einfach erreichbar war. Sofort wich der verwirrte, glasige Ausdruck aus seinen Augen, und er sah entsetzt und wütend aus. "Gib sie mir sofort wieder", verlangte er in einer eiskalten Tonlage, die er ihr gegenüber noch nie angeschnitten hatte. Seine Augen glühten vor Zorn, aber als er einen halben Schritt vorwärts machte und das Sonnenlicht sah, das ins Zimmer fiel, blieb er stehen, den Blick auf den Boden gerichtet. "Hättest du auf mich gehört und deinen Weg zum Flughafen direkt fortgesetzt, müsste ich nicht zu solch drastischen Mittel greifen", kam es dann in gewohnt ruhiger und distanzierter Manier über ihre Lippen, wobei kleine Anzeichen für ein Grinsen zu sehen waren. "Sei brav und bleib im Haus. Wir wollen ja nicht, dass du zu Asche wirst, nicht wahr?" Aidens Kopf ruckte nach oben, als ihm klar wurde, was sie vorhatte, und er schüttelte den Kopf. "Jane... Jane!", brüllte er ihr nach, halb verzweifelt, halb rasend vor Wut. Doch ohne noch einmal zu ihm zurückzublicken, sprang Jane aus dem ersten Stock des Anwesens und landete ziemlich leichtfüßig auf dem Rasen, so dass sie gelassen zum Wagen schreiten und anschließend losfahren konnte. Natürlich war seine kalte Tonlage von ihr registriert worden und auch sein wutentbrannter Ruf war ihr nicht entgangen, doch prallten diese zwei Tatsachen an ihr ab. Immerhin hatte sie sich innerlich darauf vorbereitet, als sie den Entschluss gefasst hatte, ihm den Sonnenschmuck abzunehmen. Außerdem war es nicht so, dass er sie damit irgendwie hätte verletzen können. Schließlich war es nicht so, dass sie Freunde oder Ähnliches waren - was sie definitiv geworden wären, wenn ein gewisser Vampir nicht für ein Jahr Reißaus genommen hätte. Dementsprechend hatte die junge Frau keinen weiteren Blick zurück riskiert, als sie sich auf die Jagd gemacht hatte. Ihr Weg führte sie in ein anderes nobles Wohnviertel Londons. Eldric hatte für sie herausgefunden, dass in dieser Gegend des Öfteren Wertgegenstände verstanden, und sie fand es den Versuch wert, sich ein wenig umzusehen und mit den Leuten zu reden. Die ganze Fahrt dauerte gut fünfzehn Minuten, nach denen sie bereits nicht mehr an Aiden dachte, den sie in ihrem Haus eingesperrt hatte. Sie brauchte ein wenig, bis sie einen Parkplatz gefunden hatte, der ihr nah genug vorkam, um sich wenn nötig zurückzuziehen, aber doch weit genug weg, um nicht sofort aufzufallen. Nachdem die Vampirjägerin ein letztes Mal ihre Munition begutachtet hatte, machte sie sich auf die Suche dem Verbrecher. Jane sah sich gerade ein wenig um, als eine Bewegung am Rand ihres Sichtfeldes sie auf eine üppige Villa zu ihrer Rechten aufmerksam machte. Ein normaler Mensch hätte es für eine streunende Katze gehalten, die über das Vordach gehuscht war, doch die geschulte Vampirjägerin wusste es besser. Zorn kochte in ihr hoch, als sie mit einem raschen Blick zu beiden Seiten prüfte, ob sie alleine war, und sich dann über eine dichte Hecke kämpfte, auf deren anderer Seite sie elegant auf dem Rasen landete. Natürlich war das riskant, immerhin war es helllichter Tag, doch die dreiste Bestie schien das ebenso wenig zu kümmern, also blieb ihr nichts anderes übrig. Mit einem Sprung war die Brünette auf dem Vordach, von dem aus sie das Fenster erreichte, durch das ihr Opfer eingestiegen war. Scheinbar verlassen lag der Flur vor ihr, doch sie ließ sich nicht täuschen, sondern zog ihre Messer – auf Handfeuerwaffen wollte sie lieber verzichten, um das Haus nicht zu beschädigen. Sie blickte gerade um eine Ecke, als der Vampir mit einem großen, alten Gemälde aus einem Zimmer schlenderte, den verträumten Blick auf das Diebesgut gerichtet. Der Anblick, den der Vampir bot, hätte einige bestimmt zum Schreien gefunden: Er hatte lange, weiße, zottelige Haare, die ihm ins Gesicht fielen; seine Statur war groß, aber schmächtig und der Geschmack für die Kleidung war ganz offensichtlich nicht vorhanden. Immerhin lief dieser Verrückte in einem blutrot-schwarzen und einem Bademantel ähnlichen Umhang herum, wobei es so aussah, als ob er darunter ... Nichts trug. Man sah seine knöchrigen, nackten Beine und an den Füssen trug er goldene Crocs. Wäre er nicht Janes Jagdbeute gewesen, dann hätte sie wahrscheinlich über die Aufmachung gelacht. Da dies nun aber der Fall war, konnte sie sich nicht über sein Erscheinungsbild amüsieren, sondern musste sich darum kümmern, ihn umzulegen und die Musikschatulle zurückzuerlangen. Um das gewünschte Ergebnis zu erhalten, verfolgte sie ihn zunächst unauffällig und griff ihn, nachdem er vor einer Villa stehen blieb und diese verlassen wollte, an. Jane schaffte es, ihm einen Schnitt an der Wange zu verpassen, doch da wich der Dieb bereits von ihr weg. Vor Schreck ließ der - im ersten Augenblick schusselig wirkende - Vampir seine neueste Errungenschaft zu Boden fallen, doch fasste er sich schnell und holte zum Gegenschlag aus, um die Brünette davonzujagen. Jane wich seinen Krallen aus und versuchte erneut, ihn mit dem Messer zu erwischen, doch trotz seines skurrilen Aussehens erwies der Blutsauger sich als nicht weniger gewandt als seine Artgenossen. Knurrend duckte die Jägerin sich hinter ihre Waffen, während ihr Gegner sie misstrauisch belauerte. Als sein Blick sehnsüchtig zu dem Bild auf dem Boden huschte, stürzte die junge Frau sofort wieder auf ihn und schaffte es, einige seiner weißen Haare abzuschneiden. Das gab wohl den Ausschlag: Der Kunstdieb jaulte wütend auf, machte sich dann aber mit wehendem Bademantel über die Auffahrt davon. Ihm auf dem Fuß folgend, sprang Jane über das Gartentor und folgte ihm über die Straße. Verdammt, sie musste zu ihrem Auto gelangen, sonst würde er ihr entkommen. Sie war gerade dabei, ihn mit gezielten würfen silberner Nadeln in die gewünschte Richtung zu lotsen, als etwas geschah, mit dem keiner von ihnen gerechnet hatte: Ein kleiner Junge kam um die Ecke - offensichtlich war es auf dem Heimweg. Kurz starrte das Kind die beiden verdutzt an, dann nutzte der Verrückte die Gelegenheit, um sich auf das Kind zu stürzen. Natürlich konnte Jane das nicht zulassen, sprang sofort los, packte den Kleinen in ihre Arme und wich mit ihm auf die Seite. Dabei knallte sie mit dem Rücken gegen eine Mauer und erlitt kurz davor, als sie am Boden entlang geschlittert war, einige Schürfwunde am Unterarm und an der rechten Stirnseite. Als sie sich langsam aufsetzte, spürte sie einen stechenden Schmerz am Oberbauch und sie kam nicht umhin zu keuchen. Ihr Blick fiel allerdings sofort auf den Jungen, der vor Schreck und aufgrund des gedämpften Aufpralls ohnmächtig geworden war, ehe sie nach dem Vampir umsah. Dieser lief gerade die Straße entlang zurück zu der Villa, die er überfallen hatte, offensichtlich in der Absicht, sein Diebesgut zurückzuholen. Natürlich überlegte die Brünette einen Moment lang, ihn zu verfolgen, doch aufgrund der zugezogenen Verletzungen, wäre sie nicht schnell genug, um seine Fährte gut aufnehmen zu können. Verdammter Mist aber auch! Zähneknirschend und etwas mitgenommen, lieferte Jane das Kind unauffällig beim nächsten Haus ab und begab sich wieder zu ihrem Wagen, um nach Hause zu fahren. Als sie an ihrem Anwesen ankam, ging die Sonne bereits schon am Horizont unter und läutete die Dämmerung ein, wobei sie erst wieder an Aiden dachte, als sie aus dem Auto stieg. Hatte er nicht etwas von ´ein paar Stunden Zeit bis zu seinem Abflug` gesagt? Nun, die waren sicher vorbei, und bis er beim Flughafen war, würde es noch später sein. Shit. Das hieß also, er hatte wegen ihr mit Sicherheit seinen Flug verpasst... Eine Tatsache, die ihr nicht gefiel. Immerhin hieß das, dass er nun länger hier verweilen musste, als es nötig war. Schwer seufzend und noch immer mies gelaunt, schloss die Brünette die Tür auf. Sie hatte jetzt wirklich keinerlei Lust auf seine Belehrungen, die sie praktisch riechen konnte, als sie ihren ehemaligen Mitbewohner im Wohnzimmer sah. Sie ging auf ihn zu, warf ihm den Sonnenschmuck entgegen und wandte sich einer Kommode zu, in der ein Erste-Hilfe-Kasten war. "Tut mir Leid, dass du den Flug verpasst hast. Es hat länger gedauert, als erwartet", sprach sie schlicht und suchte gleich das Desinfektionsmittel, ein paar Verbände und ein Pflaster für die Stirn aus. Ihre Rippen würde sie wohl oder übel ihrer Mutter zeigen müssen, da sie den Verdacht hatte, diese geprellt oder verstaucht zu haben. "Ich werde versuchen, dich in den nächstmöglichen Flug einzuschleusen und die Kosten natürlich übernehmen", fügte die junge Frau hinzu, als sie die Sachen nahm und Richtung Badezimmer verschwinden wollte. Dabei vermied sie es natürlich zu sagen, dass sie es nicht geschafft hatte, das ersehnte Erbstück ihres Vaters zurückzubekommen. Zum einen ging ihn das überhaupt nichts an, zum anderen hätte es ihre sowieso schon miserable Laune nur noch weiter gesenkt, jetzt dafür zu reden. Allerdings kam sie nicht sonderlich weit bei ihrer Flucht, denn Aiden hielt sie auf. Und dem Blick nach zu urteilen, mit dem er sie bedachte, war der Vampir nicht viel besser gelaunt als Jane selbst. "Für was genau hältst du dich eigentlich? Ich habe dir gesagt, dass du mich brauchen würdest, und dir fällt nichts Besseres ein, als mich verdammt noch mal zu bestehlen? Dir muss doch selbst bewusst gewesen sein, dass mit diesem Einbrecher nicht zu spaßen ist - euer Haus ist besser gesichert als so manches Gefängnis, Herrgott", fuhr er sie an. "Irgendein Plunder ist es doch nicht wert, sich dafür so zurichten zu lassen. Du solltest es eigentlich besser wissen, als deine persönlichen Gefühle deine Professionalität beeinträchtigen zu lassen." Mal wieder schaffte er es, die richtigen Knöpfe zu drücken, sodass sie die Augen verengte und ihn wütend und kalt ansah. Wie konnte er es wagen, eines der wenigen Erbstücke ihres Vaters als Plunder zu bezeichnen?! "Nur weil du dir einbildest, dass ich dich brauchen würde, heißt das nicht, dass es so ist! Ich bin viele Jahre gut ohne dich ausgekommen und auch das vergangene Jahr habe ich hervorragend ohne dich überlebt - trotz meinem Nebenjob als Vampirjägerin!", entgegnete sie dementsprechend gereizt. Entgegen ihres Protestes schnappte Aiden sich den Verbandskoffer aus Janes Hand, um ihr den Kopf zu verarzten. Dabei ging er, trotz seines Ärgers, behutsam vor, obwohl er ihr offensichtlich am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte. Eigentlich wollte die Brünette ihm die Hand wegschlagen, als er damit begann, sie ungefragt zu verarzten. Immerhin war sie der Meinung, dass sie das selbst konnte. Als sie ihn jedoch nicht von seinem Tun abbringen konnte, knirschte sie mit ihren Zähnen und ließ ihn widerwillig gewähren. Um ihr Argument, sie habe ´hervorragend überlebt` zu widerlegen, hob Aiden nur ihren frisch einbandagierten Arm und starrte sie wütend an. "Das sehe ich", zischte er, bevor er sie wieder losließ, da er fertig mit seiner Krankenschwesterarbeit war. "Deine Hilfe mit dem Flug kannst du dir sparen, ich komme sehr gut alleine zurecht“, fügte er trotzig hinzu, was Jane die Augen verdrehten ließ. Sie wusste zwar nicht, wie gut seine Beziehungen waren, doch wenn sie ihre Kontakte spielen lassen würde, würde er bereits morgen früh im ersten Flieger sitzen und dorthin fliegen, wo er hin wollte. "Sieh es nicht als Hilfe, sondern als gegenseitiges Interesse an. Du willst hier weg und ich will meine Ruhe vor dir, also kannst du es ruhig annehmen. Mein Geldbeutel wird dadurch keinen Schaden nehmen", versuchte sie es erneut, da sie ihn ja wirklich relativ schnell aus dem Land vertreiben wollte. "Deine Interessen kümmern mich nicht, Jane", beharrte er darauf, das selbst klären zu müssen. "Fein, dann geh doch bitte deinen anderen Interessen nach, ohne mich dabei mit einzubeziehen, verdammt nochmal!", platzte es ungehalten aus ihr heraus, da die ganze Situation und die Umstände in dem Moment einfach zu viel gewesen waren. Das Fluch-Ventil half, denn kurz darauf atmete sie tief durch und fühlte sich deutlich besser - trotz des pochenden Schmerzes an ihrem Oberbauch. "Tut mir leid, das kann ich nicht. Solange ich in London festsitze, bleibst du nämlich mein Hauptinteresse", erklärte Aiden spöttisch, bevor er das Thema wechselte. „Hast du wenigstens, was dir gestohlen wurde?", fragte er. "Was hat er denn überhaupt mitgenommen?" "Eine Musikschatulle meines Vaters", erklärte sie schlicht, wobei sie es für besser hielt, ihm nicht zu sagen, dass es ein Erbstück war, welches in seiner Familie von einer Generation zur anderen weitergegeben wurde. Es reichte, wenn er wusste, dass es um ein Memento ihres toten Vaters handelte. "Tut mir leid", murmelte er, doch dafür war es zu spät, sodass Jane ihm nur einen wütenden Blick zuwarf, ehe sie sich abwandte. Leise seufzend fuhr sich die Vampirjägerin durch die Haare, zuckte aber sofort zusammen und sog scharf die Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen ein, da sie einen unangenehm stechenden Schmerz im Rippenbereich spürte. Verdammte Scheiße. Vorsichtig und darauf achtend, keine Pein zu provozieren, griff sie nach ihrem Handy, um Eldric per SMS Bescheid zu geben. Kurz darauf erhielt sie eine Nachricht von ihm, in der er sie aufforderte, am nächsten Tag im Zirkel zu erscheinen. Sie ahnte, dass sie sich wohl wieder einiges anhören musste und legte dementsprechend genervt das Smartphone zur Seite, ehe sie sich wieder dem ungebetenen Hausgast zuwandte. "Ich glaube, du hast hier nichts mehr zu tun, oder? Ich wäre froh, wenn du mich jetzt allein lassen könntest. Meine Mutter kommt bestimmt bald nach Hause", meinte die junge Frau und wollte sich die Treppen hochschleppen. Aiden seufzte, als sie ihn rauskomplimentierte. "Lass mich dir doch einfach helfen. Ich meine, wovor hast du Angst? Diesmal weißt du, dass ich gehen werde, oder?", sagte er leise und ein wenig erschöpft von diesem anstrengenden Tag. "Ich habe keine Angst", wiedersprach sie direkt, als der Vampir ihr seine Hilfe anbot und sie womöglich sogar auf das Zimmer tragen wollte. Dabei entsprach das Gesagte nicht unbedingt der Wahrheit, da sie tief in ihrem Innern doch so etwas wie 'Angst' verspürte und es unbewusst sogar mit ihm in Verbindung brachte, da er ihr Vertrauen vor einem Jahr gebrochen und somit auch, alte Wunden aufgerissen hatte. "Und ich weiß... nein, ich hoffe dass du diesmal gehst, aber ich kriege das alleine hin. Es ist eine persönliche Angelegenheit und geht dich nichts an. Ich meine... es ist meine Angelegenheit. Mach es nicht zu deiner", fügte die Vampirjägerin hinzu, wobei durch ihre Worte ersichtlich war, dass sie schon bald wieder losziehen und nach dem Verrückten suchen wollte. Selbstverständlich zog sie Aiden nicht in ihre Pläne mit ein. "Natürlich geht es mich etwas an. Ich kenne dich, und zu sehen, wie du dich selbst als Boxsack anbietest, kann ich nicht zulassen... Immerhin hat dein kleiner Kumpel mir angedroht, mich mit seinem Rudel ´in tausend Stücke zu zerreißen`, wenn dir etwas passieren sollte. Und da er uns im Moment nicht selbst mit seiner Anwesenheit beglücken kann, werde ich das eben in die Hand nehmen." Als sie ihn wegen des sarkastischen Kommentars über Gabriel wütend anstarrte, erwiderte er ihren Blick nur kühl. "Und wenn du nochmal versuchst, mich hier einzusperren oder zu bestehlen, werde ich das nicht mehr so einfach hinnehmen." Während sie sich ein Blickduell lieferten, sickerte langsam eine unangenehme Erkenntnis in Janes Bewusstsein. Er hatte abreisen wollen – sein Koffer war bereits gepackt. Und ihretwegen hatte er nicht in den Flieger steigen können. "Hast du keine Bleibe, weil du den Flug verpasst hast?", wollte sie direkt wissen, als würde sie sich ein Pflaster abreißen. „Nein, habe ich nicht, aber ich finde schon was." Ihre Laune sank - wenn überhaupt möglich - noch tiefer, doch sie konnte ihn schlecht auf die Straße setzen. Sie fing wieder an, die Treppe hochzuhumpeln, während sie sagte: „Du kannst die Nacht in deinem… In dem Zimmer verbringen.“ Sie tat das rein aus Höflichkeit, obwohl es ihr eigentlich gewaltig gegen den Strich ging. Aiden zog leicht die Braue hoch. "Wirklich? Und morgen hab ich kein Messer im Arm?", erkundigte er sich misstrauisch, immerhin hatte sie in letzter Zeit nicht gerade ein positives Bild von sich gezeichnet, angefangen von tätlichen über verbale Angriffe bis hin zu Diebstahl mit implizierter Freiheitsberaubung. "Ja. Wirklich. Ich bin ja nicht ganz unschuldig an der ganzen Sache. Du weißt ja, wo alles ist und kannst das alte Gästezimmer beziehen", meinte sie schlicht und drehte sich um. Jedoch hielt sie für eine Sekunde inne und dachte darüber nach, ob es so eine gute Idee war, ihm das alte Zimmer zu geben, da er so sehen würde, dass dieses noch genauso war, wie er es verlassen hatte und dementsprechend falsche Schlüsse ziehen würde. Allerdings ließ Jane den Gedanken fallen, da sie zu erschöpft war, weiter darüber nachzudenken, und begab sich dann ein wenig schleppend nach oben. In ihrem Bett rieb sie sich die Augen und stöhnte entnervt. Sie konnte es nicht glauben, dass Aiden trotz all ihrer Gegenmaßnahmen es schon wieder geschafft hatte, sich in ihr Leben und sogar in ihr Haus zu schmuggeln! Der einzige Lichtblick bei der Sache war, dass er in absehbarer Zeit in den Flieger steigen und wieder verschwinden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)