Bloody Eternity 2 von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 22: In die Schlangengrube --------------------------------- „Was ist denn mit dir los?“, fragte Kate leise, als Jane zum dritten mal während dieser Vorlesung gedankenverloren seufzte. Die Vampirjägerin setzte sich gerade hin und richtete rasch ihren Blick auf den Dozenten an der Tafel. „Nichts… Ich bin nur müde“, sagte sie, aber das Grinsen ihrer Freundin zeigte, dass sie ihr kein Wort glaubte. „Männerprobleme?“, fragte sie, woraufhin Jane nur schnaubte. „Quatsch.“ Kate hatte ja keine Ahnung. Seit ihrer kleinen Übernachtungsparty hatte sie Aiden zwar wieder öfter gesehen, aber immer nur kurz. Er hatte ihr kleine Aufmerksamkeiten vorbeigebracht – Kaffee, ihr Lieblingsgebäck oder dergleichen – war dann aber immer recht schnell wieder gegangen. Fiora hielt ihn auf Trab. Sie freute sich zwar darüber, aber es genügte ihr einfach nicht mehr. Zwar hätte sie wahrscheinlich mehr Zeit mit ihm verbringen können, wenn sie es verlangt und Fiora die Stirn geboten hätte. Doch da sie wusste, dass eben diese schwanger und aufgrund Umstände ziemlich durch den Wind war und sie selbst ihre Gefühle zügeln wollte, hielt sie sich so gut es ging zurück. Allerdings wurde das auf Dauer ziemlich frustrierend, denn das Wissen, dass sie eben etwas daran ändern könnte war nicht unbedingt von Vorteil. Das einzig Gute war, dass sie Gabriel im Boot hatte. Er versuchte nicht, sie dazu zu bringen, sich von Aiden zu distanzieren oder ihre Zuneigung für diesen zu ändern, sondern sein Bestes, sie abzulenken, indem er regelmäßig bei ihr Zuhause auftauchte. Noch glücklicher wäre Jane gewesen, hätte er neue Anhaltspunkte im Fall Majid mitgebracht. Dass sie in der Sache nicht vom Fleck kamen, frustrierte sie am meisten. Die Videoaufnahmen der Tatorte waren tatsächlich unauffindbar. Einzig ihre Treffen mit Aiden schafften es, sie zumindest zum Teil ein wenig aufzulockern. Entsprechend erfreut war sie, als ihr Handy vibrierte und sie eine Nachricht von Aiden sah. „Können wir nachher vorbeikommen? Es gibt Neuigkeiten im Fall.“ Sie würde ihn sehen und es bestand die Hoffnung, endlich die Suche nach dem verlorenen Lebensgefährten zu beenden. Das waren großartige Nachrichten, sodass sie sich ein zufriedenes Lächeln gestattete. Kate neben ihr kicherte, als sie das bemerkte, doch Jane ignorierte sie würdevoll. Als es später an der Tür klingelte, lief sie rasch hin – nur um überrascht festzustellen, dass Aiden nicht nur Fiora und Theodore mitgebracht hatte, sondern einen fremden Mann. „Ähm, Jane, das ist Adriano – Fioras Bruder“, erklärte Aiden mit einem entschuldigenden Lächeln. Überrumpelt ließ sie die Vampire erstmal ins Haus. Sie hätte nie gedacht, freiwillig drei Blutsauger auf ihrer Couch platznehmen zu lassen, aber die Zeiten änderten sich offensichtlich. „Und ihr alle seid... So eine Art Geheimagenten, die meiner Schwester helfen, ihren Macker zurückzubringen? Klingt ja spannend“, bemerkte Adriano in gebrochenem Englisch. „Er ist nicht mein ‚Macker‘ sondern der Vater deines Neffen oder deiner Nichte“, platzte Fiora hervor, die ihren Bruder unsanft gegen die Schulter schlug. Diesem fiel praktisch die Kinnlade runter, als er das hörte, und seine sonst so große Klappe schien für den Moment besänftigt. Während sie etwas auf Spanisch diskutierten, über das Aiden besorgt die Stirn runzelte, musterte Jane den Neuzugang. Sie konnte durch Gabriel gerademal ein paar Brocken spanisch, doch es genügte, um zu erraten, dass Adriano keine sonderlich Beziehung zu seinem Schwager pflegte. Davon abgesehen, dass er genauso arrogant wirkte wie seine Schwester zu Beginn ihres Aufenthalts. „Darf ich fragen, wann du mit Majid das letzte Mal in Kontakt getreten bist und wie deine Beziehung zu ihm ist?“, wollte die Brünette schließlich wissen – alleine schon, um die Diskussion zu beenden. Adriano musterte sie aus braunen Augen, aus denen genauso viel Geringschätzung sprühte wie aus denen seiner Schwester. Schließlich bequemte er sich doch zu einer Antwort. „Ich kenne ihn nicht besonders gut. Er ist einmal bei uns aufgetaucht, als Vie ihn vorgestellt hat, und dann nie wieder." „Weil ihr nicht besonders nett wart“, fauchte seine Schwester auf Spanisch dazwischen, aber er ignorierte sie. „Viel kann ich also nicht zu ihm sagen. Aber wenn er das Glück hatte, eine Frau wie meine Schwester abzukriegen, und sich dann einfach aus dem Staub macht, muss er ein Idiot sein.“ „Er hat sich nicht aus dem Staub gemacht“, bemerkte Fiora ruhiger als erwartet, wohl, weil er ihr gleichzeitig ein Kompliment gemacht hatte. Jane hatte sich zwar immer ein Geschwisterchen gewünscht, aber wenn das so ablief, war sie mit Gabriel wirklich mehr als zufrieden. Sie wartete, bis sich die Lage ein wenig entspannt hatte und fuhr sich mit einer kurzen Bewegung durch die Haare. Dabei fiel ihr der Blick auf, mit dem Theodore ihren neuen Gast musterte. Irgendetwas stimmte da nicht, und sie brannte darauf, seine Gedanken zu hören. „Darf ich fragen, wo du zur Zeit wohnst? Ansonsten könnte man dich gut bei mir einquartieren. Ich bin mir sicher, dass es dich beruhigen würde, wenn du bei deiner geliebten Schwester bist“, bot der Psychologieprofessor ihm freundlich an. Adrianos Lächeln zeigte seine Zähne, was Jane bei Theodore oder Aiden noch nie gesehen hatte. „Ich wohne in einem Hotel. Danke für das Angebot, aber wir werden sowieso nicht mehr lange bleiben.“ „Ich bleibe, bis ich Majid gefunden habe“, widersprach Fiora, die ablehnte, zu ihrem Bruder umzuziehen. „Ich hoffe, es ist ok, wenn ich noch etwas bei dir bleibe, Theodore. Aber er wird nur versuchen, mich zur Abreise zu überreden." „Natürlich. Du fehlst zu Hause. Besonders in deinem… Zustand solltest du bei der Familie sein.“ Aiden warf ihr einen hilflosen, entschuldigenden Blick zu, auf den hin sie nur die Schultern zuckte. Seine schuld war das nicht. Allerdings entnahm sie seiner Reaktion, dass ihm im Gegensatz zu Theodore und ihr nichts komisch vorkam. Das lag sicher daran, dass er Adriano schon lange kannte und nur das Gute in ihm sehen wollte. Er war schon immer ein bisschen naiv gewesen. Vielleicht war Jane übervorsichtig, aber sie wollte lieber auf Nummer sicher gehen. Die Sache war inzwischen zu nahe an ihre Familie herangekommen, um zu schludern. Außerdem waren eine Schwangere und ihr Baby betroffen, egal, ob es sich bei den beiden um Vampire handelte. „Adriano... Ich würde vorschlagen, dass ihr noch bis Anfang der nächsten Woche bleibt“, meinte Jane. Sie rechnete natürlich sofort mit einer Widerrede von Seiten Fioras, weil das nur noch drei Tage waren, weshalb sie lediglich resolut die Hand hob, um diese zum Schweigen zu bringen, als diese genau dazu ansetzte. „Ich meine... ihr habt den weiten Weg hierhin auf euch genommen und so schnell zu verschwinden, wäre schade. Es gibt so einiges in London zu sehen. Außerdem wäre es mir eine Ehre und Freude, ein weiteres Mitglied dieser bedeutungsvollen Familie ein wenig besser kennen zu lernen“, fuhr sie mit einem Lächeln fort. Sie spürte Aidens Blick auf sich wie Scheinwerfer. Er würde noch alles ruinieren. Allerdings wagte sie es nicht, etwas zu sagen, um die fremden Vampire nicht misstrauisch zu machen. „Wenn eine so hübsche junge Frau darum bittet, ist das ein gutes Argument zu bleiben“, fügte er zwinkernd hinzu. Aiden gab ein hörbares, warnendes Knurren von sich, woraufhin Adriano belustigt die Brauen hochzog. Theodore schien eine Gefahr zu spüren, denn er sagte rasch: „Ich denke nicht, dass es von Vorteil wäre, wenn ihr jetzt völlig überstürzt abreist oder sich zu sehr aufregt. Schließlich ist Fiora schwanger und in einem Zustand, der nicht sehr leicht für sie ist. Sie ist bereits schon einmal zusammengebrochen und wir wollen doch nicht, dass eine übereilte Abreise sie psychisch oder körperlich schwächt, oder?“ Adrianos Gesichtsausdruck wandelte sich völlig, als das sagte. Sofort legte er den Arm um sie und bestürmte sie mit besorgten Fragen, die sie jedoch alle herunterspielend beantwortete. Das Wissen genügte, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Da es sonst keine Neuigkeiten zu ihrem Fall gab, löste die Gruppe sich auf. Sobald Jane die Tür hinter den Vampiren geschlossen hatte, orderte sie Gabriel zu sich nach Hause. Außerdem bat sie Theodore, zurückzukommen, sobald die Luft rein war. Sie hätte Aiden gerne eingeweiht, aber im Moment war ihr Verdacht noch zu schwach, um ihn damit zu belasten. Er würde seinen alten Bekannten nicht verdächtigen wollen, und ein Teil von Jane hoffte, ihn damit nicht belasten zu müssen. Kaum eine Stunde später fand die deutlich verkleinerte Gruppe sich erneut im Wohnzimmer der McCollins-Damen ein. Sie informierten Gabriel über den Neuankömmling, woraufhin er die Nase rümpfte. „Großartig – noch mehr Blutsauger… Nicht persönlich gemeint“, fügte er an Theodore gewandt hinzu. Dieser hob lächelnd die Hände. „Kein Problem. In diesem Fall stimme ich dir sogar zu. Dir ist es also auch aufgefallen?“ Jane nickte. „Irgendwas stimmt nicht mit diesem Adriano. Und so, wie er über seinen zukünftigen Schwager und den Vater seiner Nichte oder seines Neffen redet, müssen wir davon ausgehen, dass er was mit der ganzen Majid-Sache zu tun hat.“ Mit einem Gesicht, als hätte er etwas Fauliges gerochen, und verschränkten Armen warf Gabriel sich zurück in die Couch. „So mit seinen Verwandten umzugehen… Bah!“ „Vampirfamilien funktionieren ein wenig anders als eure Rudel“, sagte Theodore nachsichtig. „Im Normalfall gibt es kein besonders starkes Band – wir sind Einzelgänger. Aber als unsere Zahl sich verringerte, sind manche von uns dazu übergegangen, größere Clans zu bilden. Wie du gesehen hast, Jane, gibt es dabei gewisse Schwierigkeiten.“ So konnte man es wohl nennen. „Ihre Familienquerelen sind mit egal. Ich will nur Majid finden und diese Sache endlich beenden.“ „Dann nehmen wir den alten Blutsauger mal so richtig in die Mangel“, sagte Gabriel und schlug mit der rechten Faust in die linke Handfläche. An Theodore gewandt fügte er hinzu: „Nichts für ungut.“ „Nein, wir müssen vorsichtiger sein“, wandte der Vampir ein. Er stützte einen Ellbogen in die Handfläche und rieb sich das Kinn. Sein Blick begegnete dem von Jane und sie vermutete, dass er ebenfalls an Aidens Gefühle in der ganzen Angelegenheit dachte. „Bisher haben wir nur eine Vermutung. Und wenn wir nicht vorsichtig sind, könnte der Schuldige untertauchen.“ „Schön“, schmollte Gabriel. „Was ist also der Plan?“ „Ich habe schon eine Idee“, sagte Jane mit einem kleinen Lächeln. Der nächste Tag war ein Freitag. Jane und Gabriel hatten bis zum Nachmittag Vorlesungen. Danach waren sie mit dem Rest der Gruppe in Janes Haus verabredet. Angeblich ging es darum, ihre Informationen nochmal zu sammeln und eine neue Strategie zu entwickeln. Doch eigentlich war diese neue Strategie bereits in vollem Gange, als Jane sich auf die Couch neben Adriano setzte. „Habt ihr euch gestern noch ein bisschen die Stadt angesehen?“, fragte sie beiläufig, während sie eine Karte studierten, um Punkte auszumachen, an denen sie noch nicht gesucht hatten. Adriano zuckte die Schultern. „Nicht wirklich.“ „Wie? Du hast noch nie eine Tour durch London gemacht und dir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten angesehen?“, wollte Jane gespielt entsetzt wissen, worauf Gabriel sich beinahe an seinem Getränk verschluckte. Er hustete sofort und klopfte sich auf die Brust, ehe er sich ein wenig wegdrehte, um sein Amüsement über diese schauspielerische Einlage zu verbergen. Der Vampir musterte sie nochmal, bevor er sich zurücklehnte, einen Arm lässig auf der Couchlehne hinter ihr. „Vielleicht überlege ich es mir mit einer süßen Fremdenführerin.“ Jane sah, wie Aiden das Kinn runterfiel, als sie kicherte und sich das Haar hinters Ohr strich. „Na ja… Wir haben sowieso keine neuen Hinweise auf Majid, also… Können wir uns schon ein bisschen umsehen.“ „Jetzt?“, fragten Adriano und Aiden wie aus einem Mund. Der Südländer lachte, stand dann aber auf. „Ich hatte nicht gedacht, dass die Engländer so spontan wären… Gefällt mir“, grinste er und reichte Jane die Hand, um ihr auf die Beine zu helfen. „Ist das euer Ernst?“, fragte Fiora mit gerümpfter Nase. Aiden war aufgestanden, machte einen Schritt hinter ihnen her, bevor er neben dem Couchtisch festzufrieren schien. „Sollten wir nicht zusammen gehen?“ „Bleib du bei Fiora. Immerhin sollte ihr Nichts zustoßen und ihr könnt euch ja mit der Recherche über Majid auseinandersetzen. Ich habe Gabe gestern die neuesten Dokumente gegeben, die ich von Eldric erhalten habe“, wies sie ihn mit einem strengen Unterton an, der keine Widerworte duldete. „Wenn etwas sein sollte, habt ihr ja unsere Telefonnummern“, sagte Jane, die Aidens Blick ganz bewusst mied. Er war offenbar zu baff, um etwas zu sagen, als sie sich von dem anderen Vampir aus dem Wohnzimmer führen ließ. Jane zeigte dem Gast die wichtigsten Attraktionen der Stadt. Sie besuchten den Tower, fuhren mit dem London Eye, besuchten die Westminster Abbey, alles natürlich mit den berühmten Hop-on-Bussen. Zuerst war er zurückhaltend, doch nach und nach ging er auf ihre kleinen Flirts ein. So fand Jane heraus, dass Adriano nicht als einziger in der Familie gegen diese Beziehung war. Zu Beginn hatten die meisten es für einen Scherz gehalten, einen verrückten Fetisch. Sie hatten geglaubt, Fiora würde ihn mit bestimmten Dingen füttern, um sein Blut schmackhafter zu machen. Es gab Menschen, die sich freiwillig als Futter zur Verfügung stellten, wenn sie über die Existenz der Vampire erfuhren. Vielleicht war dieser Majid so einer, hatte Adriano gedacht. Doch dann verging ein Jahr und noch eines. Die beiden wohnten inzwischen zusammen und die Familie musste sich mit der schändlichen Wahrheit abfinden: Ihre Tochter war mit einem Menschen liiert. Die begründete Kritik hatte nur dazu geführt, dass Fiora sich von ihren Verwandten abkapselte. Als sie dann Hals über Kopf nach Europa aufgebrochen war, hatten sie geglaubt, es hätte an dem Menschen gelegen. „Ich bin ehrlich“, sagte Adriano, als sie bei Sonnenuntergang am Hochufer über der Themse entlanggingen. Der Akzent in seinen Worten wog schwer wie die feuchte Luft am Ufer. „Um den Menschen finde ich es nicht schade. Aber Vie zuliebe hoffe ich, er taucht wieder auf.“ „Wir finden den Täter.“ Das Selbstbewusstsein in ihrer Stimme brachte ihn zum Lachen. „Ich schätze, wenn ihn jemand findet, dann du… Teddy hat was davon gesagt, dass du schon Vampire jagst, seit du zehn bist.“ Sie gingen auf eine Brücke zu, unter welcher der Weg schmal und recht niedrig verlief. Zu ihrer Rechten stiegen breite Treppen hoch zur Straße, aber Adriano ging weiter geradeaus. Einer von Janes Schritten war einen Takt langsamer, bevor sie sich wieder dem Vampir anpasste. „Ja“, sagte sie, als der Brückenbau über ihnen zuschnappte. „Das ist wirklich… interessant“, sagte Adriano. Jane spürte die Bewegung, noch bevor er sie ausführte, aber der Vampir war zu schnell. Der Schlag auf ihren Hinterkopf war schnell und hart, wie der Asphalt, auf den sie schlug, als die Welt um sie schwarz wurde. Janes Kopf wollte zerspringen. Leise stöhnend fasste sie sich an die Schläfe, spürte etwas Feuchtes unter den Fingern. Der Boden schwankte, als sie sich auf den Unterarm hoch kämpfte. Sie blinzelte ihre protestierenden Augen auf Linie, bis sie ihr die Umgebung zeigten. Der Raum war schwach beleuchtet und ihr Blickfeld von Eisenstangen zerteilt. Ein Käfig, etwa zwei Meter hoch und breit und drei Meter lang. Endlich erlaubte ihr schmerzender Kopf Jane, sich ein wenig umzusehen, sodass sie erkannte, dass sie nicht die einzige Gefangene war. Mindestens ein Dutzend andere Käfige standen um ihren herum. Dahinter befanden sich hohe Wände, die in einem Wellblechdach endeten. Sie befanden sich in einer Art Lagerhalle, wie es aussah. Sie ließ ihren Blick über die Gesichter schweifen, um zu sehen, ob ihr Vermisster unter ihnen war, doch entdeckte sie ihn nicht. Verdammt... Waren sie hier vielleicht sogar in etwas geraten, was gar nichts mit ihrem Fall zu tun hatte? Ihr ganzer Körper protestierte, als Jane sich aufsetzte. Dass Adriano ihr nicht den Schädel gespalten hatte, schien schon alles an Feinfühligkeit, die er ihr hatte zukommen lassen. Doch den Ring an ihrem Finger hatte er ihr gelassen. Noch am Morgen hatte sie den GPS-Tracker aktiviert, damit ihre Freunde ihren Aufenthaltsort ohne Probleme mit ihrem Laptop aufspüren konnten. Unauffällig rieb sie mit dem Daumen über die glatte Fläche, bis sie eine kleine Kerbe fand, in die sie den Nagel presste. Das Notsignal war abgesetzt. Gabriel und Teddy waren im Bilde. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie kamen. Jane hoffte, dass sie dies schafften, bevor sie kämpfen musste. „Hey, du mit den schwarzen Haaren“, sprach sie die Frau im Käfig neben sich an. Sie sah aus, als wäre sie muskulös gewesen, aber von einer schweren Krankheit ausgelaugt worden. „Wo sind wir hier?“ Eines ihrer dunklen Augen war zugeschwollen, doch das andere konnte misstrauisch genug für beide starren. Ihr Schweigen dauerte lang genug um klar zu machen, dass sie nicht antworten würde. „Ich will euch helfen, aber dafür muss ich wissen, was hier vor sich geht“, drängte Jane ungeduldig. Sture Geiseln waren das Schlimmste an Rettungsaktionen. „Wie willst du irgendjemanden retten, wenn du selbst eingesperrt bist?“, fragte ein Mann aus einem anderen Käfig spöttisch. Er erntete zustimmendes Gemurmel, das Jane die Lippen aufeinanderpressen ließ. „Ich bin Vampirjägerin und auf einer Mission. Ich…“ „Eine schöne ‚Jägerin‘ bist du in deinem Käfig, Kleine.“ Jane knirschte mit den Zähnen, zwang sich aber, durchzuatmen. Sie konnte dem Kerl sowieso keine runterhauen, selbst wenn sie wollte. „Ein Einsatzkommando ist auf dem Weg“, erklärte sie in der Hoffnung, die Gefangenen so zu überzeugen. „In keiner Stunde seid ihr hier draußen. Ich verspreche es.“ Der Mann schnaubte erneut, doch die schwarzhaarige Frau kam in ihrem Käfig näher zu Janes Seite. „Sagst du die Wahrheit?“ Jane sah ihr fest in die Augen. „Ja.“ „Glaub ihr nicht, Kristal. Was, wenn sie eine von denen ist?“ Stumpfe Locken wiegten, als Kristal den Kopf schüttelte. „Das glaube ich nicht“, sagte sie, ohne den Blick von Jane abzuwenden. Sie setzte sich der Vampirjägerin gegenüber auf den Boden und begann zu sprechen. Vielleicht, weil sie die Hoffnung brauchte, um nicht verrückt zu werden. „Wir sind alle die eine oder andere Art mit den Vampiren in Kontakt gekommen, aber angeboten hat man uns allen dasselbe angeboten: unendliches Leben.“ Janes Gesicht verkrampfte sich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand dieses Leben freiwillig wählen würde. Theodore und Aiden waren beide verwandelte Vampire. Sie hatten keine Wahl gehabt. Aiden hatte sogar versucht, sich zu töten, kurz nachdem er sein unsterbliches Leben bekommen hatte. Wie Theodore damit umgegangen war, wusste sie nicht. Er sprach nie über die Vergangenheit. „Ja, wir waren dumm“, gab Kristal zu. „Aber es hat keine Rolle gespielt. Die, die sich geweigert haben, wurden entführt und in diese Käfige gesteckt. Es gibt keine Chance, zu entkommen. Die einzige Gelegenheit, zu der wir hier rauskommen, ist es, wenn wir kämpfen müssen.“ Jane runzelte eine Sekunde die Stirn, bevor die Erkenntnis ihr den Magen verkrampfte. Menschenkämpfe! Diese elenden Bestien entführten Menschen, um sie gegeneinander kämpfen zu lassen. Das erklärte die undefinierbaren Leichen und Majids Blut, welches am dritten Opfer gehaftet hatte: Sie waren gegeneinander angetreten und hatten sich dabei verletzt. Blieb noch die Frage, wo ihr verlorenes Schaf war, da er sich nicht in einem der Käfige befand. Aber das würde sie schon noch herausfinden. „Das hat jetzt ein Ende“, sagte Jane, laut genug, um ihre Stimme bis zum letzten Gefangenen tragen zu lassen. „Mein Team ist auf dem Weg hierher. Ihr seht schon bald eure Familien wieder.“ Ein Rasseln schallte durch den Raum, dann rumpelte eine schwere Tür zur Seite. Der Flur dahinter war ebenso dunkel wie die Lagerhalle, sodass Jane nichts erkannte. Erst als der Neuankömmling eintrat, erkannte sie lange braune Haare in einem ordentlichen, tief sitzenden Pferdeschwanz. „Es ist so weit“, sagte der Mann. Sein Blick glitt über die Menschen und fiel auf die Jägerin. Als sie seinem Blick nicht auswich, enttarnten seine sich zu einem gehässigen Grinsen teilenden Lippen ihn als Vampir. „Aaaah~ Die Jägerin ist wach!“, frohlockte er näherkommend. „Adriano hat diesmal richtig gute Arbeit geleistet! Dich gegen einen anderen Menschen im Kampfring zu sehen, wir bestimmt unterhaltsam. Wenn du Glück hast, kommst du heute Nacht dran, Süße!“ Er öffnete die Käfigtür mit einem altmodischen Schlüssel. Blitzschnell war er an ihrer Seite und ergriff ihre Schulter mit Fingern wie aus Eisen. „Was...?! Lass mich los, du elender Blutsauger!“, zischte sie ungehalten, doch sie wurde lediglich nach vorne gestoßen. Sie zerrte an ihren Handfesseln, doch schaffte sie es nicht, sich zu befreien. Hätte sie doch bloß ihre Waffen bei sich! Sie hatte damit gerechnet, dass man ihr diese abnehmen würde, doch würden sie die Dinge um einiges erleichtern. „Stell ja keinen Mist an, ansonsten bist du schneller tot, als du glaubst“, knurrte der Vampir, während der Dunkelhaarige vorausging. Er führte sie durch einen dunklen, beinahe endlos wirkenden Gang entlang. Am Ende des Flurs befand sich eine Tür, doch anstatt diese zu nehmen, kniete sich der augenscheinlich jüngere Blutsauger auf den Boden und öffnete eine breite Falltür. Während Jane die ersten Stufen herunterstieg, herrschte Stille, doch je tiefer sie nach unten vordrang, desto lautere grölende Stimmen zu hören, Lachen und Pfiffe. Das flackernde Licht der alten Lampen und zeugte davon, dass das Licht der Glühbirnen nicht den Herren dieses Hauses dienten. Sie waren ein Zugeständnis an die Menschen. Nur widerwillig ging Jane weiter, bevor sie nach einigen Metern vor einer offenen Tür ankamen. Der brünette Vampir trat näher, bis seine lange Nase Jane beinahe berührte. Sie wich nicht zurück. Ein flackerndes Grinsen, eine fliegende Bewegung – und die Seile fielen von ihren Handgelenken. „Ich habe das Gefühl, wir sehen uns wieder, Jägerin“, sagte er noch, bevor er sie in den nächsten Raum schupste. Mit einem Ton der Endgültigkeit fiel die Stahltür hinter ihr zu, doch Jane hätte es beinahe nicht gehört. Der Ton ging zwischen den Stimmen der johlenden Vampire um sie herum unter. Die Blutsauger befanden sich auf erhöhten Tribünen, vier, fünf Meter über ihr. Sie selbst befand sich auf dem Boden einer gut ausgeleuchteten, etwa zehnmal zehn Meter großen Grube. Die Wände waren mit dünnen Metallnadeln versehen. Als ob ungefähr dreißig oder vierzig verrückte Vampire nicht genug wären, um Sterbliche daran zu hindern, hier rauszukommen. „Los! Bringt den Gegner rein!“, hörte die Jägerin die Zuschauer rufen, worauf auf der gegenüberliegenden Seite die Tür geöffnet und ein Mann in den Ring gestoßen wurde. Sein schmutziges Hemd flatterte um einen Körper, der in kurzer Zeit an Gewicht verloren zu haben schien. Die dunklen Augen lagen tief in den Höhlen, zusätzlich beschattet von dem struppigen Bart. Und doch hatte Jane sein Bild oft genug gesehen, um ihn zweifellos zu erkennen. „Majid“, flüsterte sie mit geweiteten Augen. Die Schritte ihres Gegenübers stockten. Müde Augen suchten in Janes Gesicht nach etwas, das sie erkannten. Sie ihrerseits registrierte blaue Flecken am Hals und einige Kratzer am Gesicht des Mannes. Das hier war nicht sein erster Kampf. Und die Resignation, mit der er Jane ansah, sagte ihr, dass es nicht das erste Mal war, das man ihn zwang, eine Frau zu schlagen. Nun, immerhin würde sie seiner männlichen Ehre in dieser Hinsicht nicht schaden. „Na los! Fangt an! Oder müssen wir nachhelfen?!“, rief eine ältere Vampirdame schrill lachend. Sie stand auf und schleuderte drei Wurfmesser in den Ring, welche die beiden Menschen nur knapp verfehlten und mit der Spitze im Boden landeten. Zähneknirschend und mit verengten Augen blickte Jane zum weiblichen Blutsauger, ehe ihr Blick Majid wanderte. In ihrem Kopf ratterte es und sie versuchte fieberhaft eine Lösung zu finden, doch aufgrund der fehlenden Waffen und Angesichts der Überzahl an Vampiren fiel ihr nichts ein. Dementsprechend hob sie ihre Fäuste an und ging in Angriffshaltung über. Es musste lächerlich aussehen, so, wie die Menge um sie herum zu johlen begann. „Greif mich an“, verlangte sie, woraufhin Majid sie irritiert beäugte. „Es ist okay. Greif mich an. Los.“ Man sah, dass der Angesprochene Bedenken hatte, doch da es um sein Überleben ging, ging er zum Angriff über. Sein erster Schlag war ein kräftiger Schwinger in Richtung ihrer Körpermitte. Sie blockte mit den Unterarmen, stellte aber genervt fest, dass sie das trotz all ihren Trainings nicht oft aushalten würde. Allerdings ließ sie sich von der Unzufriedenheit nicht lange aufhalten. Sie duckte sich zur Seite und trat nach seinem Oberarm. Mit den Beinen konnte sie seine größere Reichweite ausgleichen und auf Abstand bleiben. Das würde ihnen hoffentlich die Zeit kaufen, die sie brauchten. Dennoch hoffte sie, dass ihre Freunde sich beeilen würden. Denn sie wusste nicht, wie lange die Vampire diese Scharade kaufen würden. Und sie wollte nicht wissen, was passierte, wenn sie das Spiel durchschauten. 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