Bloody Eternity 2 von RedRidingHoodie ================================================================================ Prolog: Auf zu neuen Ufern -------------------------- „Es war eine Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wir würden uns freuen, wenn wir bis zum Ende Ihres Studiums weiter in Kontakt bleiben würden.“ „Sehr gerne.“ Jane schüttelte dem älteren Herren im teuren Anzug die Hand, dann seinen Kollegen, welche sie ähnlich freundlich verabschiedeten. Es war der letzte Tag ihres halbjährigen Praktikums in einer renommierten Firma, und ihre Kollegen hatten sich versammelt, um die junge Frau zu verabschieden. In ihrem Zeugnis stand, wie sehr man ihr Engagement und ihre Zielstrebigkeit zu schätzen wusste, und man hatte ihr einen Job als studentische Hilfskraft angeboten. Jane hätte sicherlich angenommen, hätte sie nicht bereits einen anderen Nebenjob. Dieser veranlasste sie im Moment allerdings nicht dazu, immer mal wieder auf die Armbanduhr zu blicken, welche ihre Mutter ihr zum bestandenen Bachelor-Studium geschenkt hatte. Das lag viel eher daran, dass ihre Familie das Ende ihrer Arbeit feiern wollte, bevor die junge Frau für mehrere Monate das Land verließ, um Australien, Vietnam, China und Japan zu bereisen. Sie musste noch nach Hause, um sich umzuziehen, denn sie wollte nur ungerne zu spät in dem teuren Restaurant erscheinen. Etwa eine halbe Stunde später schaffte sie es, sich loszueisen, indem sie von ihrer Verabredung erzählte. Man wünschte ihr eine gute Reise, dann war Jane endlich auf der Straße und konnte in ihren Audi steigen, um nach Hause zu fahren. Dort angekommen, checkte sie kurz ihre Mails, bevor sie unter die Dusche sprang und sich umzog. Gerade, als sie ihre Lieblingsohrringe aus Weißgold anlegte, klopfte es an der Tür und ihre Mutter, gekleidet in einen mitternachtsblauen Anzug und eine weiße Bluse mit Schluppe am Kragen, trat ein. „Bist du so weit, Liebes?“, fragte die Ärztin, indem sie näher an den Spiegel trat. „Sofort.“ Als Jane den Schmuck im Ohr hatte, blickte sie auf und sah, dass ihre Mutter – nicht zum ersten Mal – Tränen in den Augen hatte. „Ach, Mom…“, hauchte sie, stand auf und umarmte die ältere Frau. Diese zwang sich zu einem tapferen Lächeln. „Nein, schon gut… I-ich bin nur so stolz auf dich. Du hast deinen Bachelor hervorragend gemeistert, und dieses wichtige Praktikum machen können, und jetzt fährst du drei Monate durch die ganze Welt… Dein Vater wäre sicher genauso stolz.“ Jetzt wurden Janes Augen ebenfalls feucht, und das, wo sie noch über zwölf Stunden vom Abflug trennten. Sie musste Elizabeth versprechen, sofort zu schreiben, sobald sie gelandet war, und sie stets auf dem Laufenden zu halten, was die junge Frau natürlich tat. Während sie über alles Mögliche redeten – Nathaniel, Janes Praktikum, die Reise, ihr Masterstudium und vieles mehr – richteten die Frauen ihr Make-up, sodass beide fertig waren, als es etwa eine halbe Stunde später an der Tür klingelte. Jane besah im Spiegel nochmal ihre Gestalt in dem cremefarbenen Kleid, dann eilte sie die Treppe hinunter, um die Tür zu öffnen. Davor stand, wie erwartet, Logan, und strahlte, als er sie erblickte. „Hallo… Du siehst umwerfend aus“, begrüßte er seine Freundin, die sich lächelnd auf die Zehenspitzen stellte, um ihn zu küssen. Er legte die Hand in ihre Taille und erwiderte, bis ein leises Räuspern sie trennte. Elizabeth beobachtete von der Treppe aus das junge Paar wohlwollend, obwohl sie scherzte: „Du hast sie jetzt drei Monate lang für dich, Logan. Lass mir meine Tochter für diesen Abend noch.“ „Mom…“, seufzte Jane, während ihr Freund ging, um seine Schwiegermutter in Spe mit einem Kuss auf die Wange zu begrüßen. Gemeinsam verließen die drei das Haus, um in den Wagen von Logans Eltern zu steigen, die ebenfalls an der Feier in Janes Lieblingsrestaurant, natürlich ein Italiener, teilnehmen würden. Seine kleine Schwester lebte nicht in London und hatte es leider nicht geschafft, nach Hause zu kommen, doch sie hatte Logan per Skype alles Gute gewünscht. Im Restaurant saßen bereits Cynthia und Benjamin, und wenig später trudelte Kate mit ihrem Freund und einem gigantischen Blumenstrauß ein. Jane ersparte es sich, darauf hinzuweisen, dass sie auf der bevorstehenden Reise keine Blumen gebrauchen konnte. Ihre Mutter würde sich über das Bouquet sicher freuen. Sie beorderten schon mal Getränke, obwohl ihre Runde noch nicht komplett war, und plauderten über die verschiedenen Reiseziele des jungen Paares. Als Logan auf dem Tisch ihre Hand ergriff, blickte Jane zu ihm auf, nicht zum ersten Mal erstaunt – und überaus glücklich! – darüber, wie das mit ihnen nach all der Zeit noch funktioniert hatte. Es war Anfang Dezember des letzten Jahres gewesen, als ihre Clique gemeinsam feiern gegangen war, eine der letzten Gelegenheiten, bevor ihre Bachelorarbeiten ihre gesamte Freizeit verschlungen hatte. An diesem Abend hatte Jane zu tief ins Glas geschaut, sie hatte verdrängt, wieso. Unter Alkoholeinfluss hatte sie Logan vorgeworfen, dass früher oder später alle Männer verschwanden, ohne ein Wort zu sagen. Dieser hatte nicht verstanden, was sie gemeint hatte, und beteuert, er würde sie nie alleine lassen. Als sie daraufhin zu weinen begonnen hatte, hatte er sie nach Hause gebracht, und in der Auffahrt der Villa hatten sie sich zum ersten Mal geküsst. Natürlich schämte die Brünette sich inzwischen unglaublich für dieses Verhalten, wusste sie doch ganz genau, wem sie damals wirklich vorgeworfen hatte, einfach so gegangen zu sein. Dass der Alkohol bei dem Kuss eine entscheidende Rolle gespielt hatte, war kurz darauf allerdings nicht weiter von Belang, da bei einem anschließenden Gespräch Gefühle offenbart wurden, die dazu führten, dass sie zu einem Paar wurden. Die Beziehung der beiden war beständig und man merkte relativ bald, dass sie untereinander sehr gut harmonisierten und es von beiden Seiten her ernst war. Jetzt waren sie bereits seit neun Monaten ein Paar, und es funktionierte so gut, dass sie beschlossen hatten, eine Weltreise zu unternehmen, die eben am nächsten Tag beginnen sollte. Dabei würden sie drei Monate zusammen unterwegs sein, sich jedoch in Japan trennen, da Logan aufgrund eines Praktikums frühzeitig nach London zurückkehren musste. Jane selbst würde noch zwei Monate alleine durch Indien, Saudi-Arabien, Griechenland und Italien reisen. Es würde nicht Janes erste längere Reise sein, doch irgendwie war Elizabeth an diesem Abend sehr nostalgisch, vielleicht, weil abzusehen war, dass Jane und Logan in absehbarer Zeit zusammenziehen würden und sie dann alleine in dem riesigen Haus wäre. Sie erzählte alte Geschichten über ihre Tochter, und alle amüsierten sich bereits hervorragend, als endlich der Rest ihrer Gruppe eintraf. Dabei handelte es sich um zwei Männer, recht offensichtlich Vater und Sohn, obwohl der Jüngere ein wenig schlaksig war, während der Ältere ein breites Kreuz und wildes, kantiges Gesicht hatte. Beide hatten dunkle Locken und Augen und offenbarten sich durch ihren gebräunten Teint als Südländer, Spanier, um genauer zu sein. Erfreut stand Jane auf, um beide zu begrüßen. „Schön, dass ihr es geschafft habt“, sagte sie ehrlich, während sie sich von dem Vater einen Kuss auf die Wange hauchen ließ. „Für dich doch immer“, knurrte Diego Ramos gutmütig, dann wandte er sich Elizabeth zu, welche ebenfalls aufgestanden war. „So leicht entkommst du uns eben nicht Janie“, scherzte sein Sohn und drückte die junge Frau an sich. „Obwohl es schon ein guter Versuch ist, so kurz nach unserer Ankunft erstmal ein halbes Jahr zu verreisen.“ „Das war schon geplant, bevor ich wusste, dass ihr wieder nach London kommt“, verteidigte Jane sich schmunzelnd, obwohl sie wusste, dass Gabriel nur Witze machte. Der Spanier schüttelte Logan die Hand und winkte in die Runde, dann ließ er sich neben seinem Vater und Kate nieder, mit der er recht schnell ein Gespräch begann. Die Jägerin war wirklich froh, dass die beiden hier sein konnten, denn wie der Spanier bereits angedeutet hatte, war seine Familie noch nicht lange wieder in London, erst seit ungefähr vier Monaten. In ihrer Kindheit waren die Familien McCollins und Ramos gut miteinander befreundet gewesen. Ihr Nachwuchs war praktisch wie Geschwister aufgewachsen. Dann hatte Diego vor fünf Jahren beruflich zurück in seine Heimat gemusst, und seither hatten sie nur sporadisch Kontakt per E-Mails gehalten. Zu Beginn hatten sie noch regelmäßig geschrieben, doch dann hatte ihr jeweiliges Leben sich in andere Richtungen entwickelt. Dennoch hatte Jane sich sofort gefreut, als sie die Nachricht erhielt, dass Gabriel wieder nach England ziehen würde, weil der Beruf seines Vaters dies verlangte. Bereits kurz nach dessen Ankunft waren sie sich wieder so nahe wie in ihrer Kindheit, und Jane bezeichnete ihn nach ihrer Mutter und ihrem Freund als engste Bezugsperson. Dies hatte jedoch noch einen anderen Grund, und Jane schmunzelte, als sie an besagte Nacht dachte, als sie und ihr bester Freund die wohlgehütetsten Geheimnisse des jeweils anderen herausgefunden hatten. Gar nicht so lange nach der Rückkehr ihres besten Freundes, war Jane auf eine Jagd gegangen, die sie bereits lange geplant hatte. Der gesuchte Vampir schien sich in den Kopf gesetzt zu haben, die Existenz seiner Rasse publik zu machen. Natürlich hielten seine Opfer ihn für einen Spinner – bis er tatsächlich ihr Blut saugte und ihnen seine übermenschlichen Kräfte zeigte. Um eine Panik zu vermeiden, hielt die Regierung es für besser, die Öffentlichkeit über ihre unsterblichen Mitbewohner in Unkenntnis zu lassen, weshalb der Jägerzirkel auf den Betreffenden angesetzt wurde. Zu Janes Ärger wurde mit der Begründung, der Untote würde ´sich nicht unangemessen ernähren` darauf bestanden, den Vampir am Leben zu lassen. Dass sie nicht lachte! Was war bitte angemessen daran, Menschen auszusaugen? Doch sie beschloss, sich an die Vorgaben zu halten und den Fall anzunehmen, was durch ihren im letzten Jahr um eine Stufe gestiegenen Jägerrang kein Problem war. Nach einigem Hin und Her führte der Auftrag Jane in ein Industriegebiet, durch welches sie den Flüchtigen verfolgte. Sie hatte sich bereits durch eine Reihe von Frauen und Männern kämpfen müssen, die der Vampir sich gefügig gemacht hatte und die ihn daher verteidigen wollten, sodass sie denkbar schlecht gelaunt war auf ihrem Weg zwischen den großen Lagerhallen. Ein paar Mal feuerte sie ihre Waffe ab, nur, um Frust abzubauen. Doch gerade, als sie sich hinter einem Container duckte, nahm sie eine flüchtige Bewegung wahr, die sie innehalten ließ. Es war zu schnell für einen Mensch gewesen – hieß das, der Blutsauger hatte zusätzlich zu seinen menschlichen Gehilfen seinesgleichen beschwatzen können? Das würde den Job erheblich erschweren. Doch als Jane erneut um die Ecke spähte, sah sie keine menschenähnliche Gestalt über den Platz rennen, sondern die eines riesigen, fast mannshohen Wolfes, und ihr stockte der Atem. Natürlich hatte die Jägerin gewusst, dass Untote nicht die einzige humanoide, aber eben nicht menschliche Spezies auf der Welt waren – es gehörte zur Jägerausbildung, Wesen wie Hexen, Nachtmahre und die verschiedenen Elementargeister zu erkennen – Doch die junge Frau hatte noch nie einen Werwolf aus nächster Nähe gesehen. Dieses Exemplar war schwarz wie die Nacht um ihn herum und schien irgendwie dünner als die Tierwesen, die Jane in den Lehrbüchern gesehen hatte. Daraus schloss sie, dass er noch nicht ausgewachsen, der betreffende Mensch also noch nicht 25 war. Bedrohlich genug klang sein Knurren, mit dem er über den Platz auf das Versteck des Vampirs zu hetzte, allemal. Fasziniert sah sie zu, wie das Tier mit einem Jaulen in der nächsten Seitengasse verschwand und kurz darauf mit dem Arm des Blutsaugers im Maul wieder auftauchte. Dieser fauchte so laut, dass es bis zu Jane zu hören war, und schlug nach der anderen Kreatur, welche jedoch gerade noch zurückweichen konnte. Eine Millisekunde standen die Kontrahenten sich gegenüber, dann trafen ihre Leiber mit Wucht aufeinander, und Jane konnte nur mit Mühe dem Kampf folgen. Gefesselt vom Geschehen, vergaß sie für einen Moment sogar, selbst einzugreifen, doch dann verstärkte sich ihr Griff um die Osmium Messer und sie stürmte auf die übernatürlichen Kreaturen zu. Beide witterten sie und sprangen voneinander weg, um den neuen Teilnehmer ihres Kampfes einschätzen zu können. In ihrem instinktiven Hass gegen Vampire ging Jane automatisch davon aus, dass der Werwolf der Ungefährlichere der beiden war – immerhin war er tagsüber ein Mensch, und er ernährte sich nicht von Menschenblut. Außerdem hatte der Gestaltwandler offenbar vor, den Untoten zu eliminieren, was ihrem Auftrag zugutekäme, und die Jägerin war für alles offen, was sie weiterbrachte. Zur Not konnte sie sich später noch um den übergroßen Fifi kümmern. Dieser stieß ein fast überrascht klingendes Jaulen aus, als er sie erblickte, und zog damit wieder die Aufmerksamkeit des Vampirs auf sich. Blitzschnell packte der Blutsauger das Fell seines Feindes und schleuderte ihn gegen die nächste Containerreihe, welche polternd über dem Werwolf zusammensackte. Herabstürzende Blechtrümmer trennten Jane von ihrem Jagdopfer, welcher die Gelegenheit nutzte, um seinen jetzt zwei Gegnern zu entkommen. Fluchend musste die Jägerin sich zurückziehen. Wenn dieser verdammte Köter sich nicht eingemischt hätte, hätte sie den Verrückten dingfest gemacht! Trotzdem war er (irgendwie) ein Mensch, und sie konnte ihn nicht einfach dort liegen lassen. Darüber, dass er sich ernsthaft hätte verletzten können, machte Jane sich dabei keine Gedanken, während sie ihn ausgrub. Es hieß schließlich nicht umsonst ´übernatürlich`. Ihr Glauben, alles sei in Ordnung mit dem Werwolf, bestätigte sich wenig später, als sie eine große Platte beiseite zog und darunter Geräusche hörte. Allerdings überwog der Ärger darüber, das Chaos beseitigen zu müssen, bei weitem die Erleichterung über ihren Fund. Trotzdem zog Jane schließlich eine letzte Kiste beiseite und sah darunter zu ihrem Schrecken eine unbehaarte, soll heißen menschliche Schulter. „Geht es dir gut?“, fragte die Jägerin und zerrte an einen weiteren Stahlteil. Da kam der ganze Schrottberg in Bewegung, weil der Werwolf versuchte, sich freizukämpfen. An der mageren Schulter, welche alles war, was Jane von dem Mann sehen konnte, traten unerwartete Muskeln hervor, ein Ruck ging durch sein Gefängnis, und das Stahlteil, an welchem Jane gerade vergeblich gezerrt hatte, bewegte sich nach oben. Die Jägerin selbst musste auf dem rutschenden Untergrund um ihr Gleichgewicht kämpfen, sodass sie nicht sah, wie der Gestaltwandler sich freikämpfte, bis er laut scheppernd das Metall wegwarf, sodass sie zu ihm aufblickte. Jane erstarrte, als sie sah, wie ein dünner, gebräunter, nackter Leib sich ins Mondlicht kämpfte und schwarze Locken sich im Wind krausten. Nie im Leben hätte sie damit gerechnet, ihn hier zu sehen, doch vor ihr stand ganz eindeutig… „Gabriel…?“ „Jane!“, rief der Werwolf, wobei in seiner Stimme eher Besorgnis als Unglaube zu hören war. Kein Wunder, er hatte Jane bereits während des Kampfes erkannt. „Geht es dir gut?“ „Ich… Gabriel…!?“, war alles, was sie fassungslos erwidern konnte, als er vor ihr stand. „Was machst du hier?“, fragten die Freunde wie aus einem Munde. „Ich jage diesen Blutsauger…“, erklärte Jane und seufzte, als sie sich auf dem verlassenen, verwüsteten Gelände umblickte. „Aber der scheint das Weite gesucht zu haben. Viel wichtiger bist du! Du bist… Warum hast du nie… Ich kann nicht fassen…“ „Warum ich es nie gesagt habe?“ Grinsend kratzte Gabriel sich am Hinterkopf, wobei er scheinbar nicht mal bemerkte, dass er nackt war. Allerdings interessierte Jane dieser Umstand gerade am allerwenigsten. „Ich hätte ja nicht wissen können, dass du mir glauben würdest! Du bist eine Jägerin?“ „Ja…“ Sie sahen sich abwägend an, beide nicht sicher, wie sie auf die neuen Informationen reagieren sollten. Doch dann lächelte Jane zaghaft. „Ich schätze, wir haben uns noch mehr zu erzählen als angenommen…“ Obwohl beide natürlich anfangs geschockt gewesen waren, vertieften diese neuen Erkenntnisse die Beziehung der Kindheitsfreunde nur. So es kam sogar gelegentlich vor, dass Gabriel Jane auf ihren 'nächtlichen Spaziergängen' begleitete und unterstützte. Dass sie so gute Freunde waren erleichterte es die Zusammenarbeit ungemein - so sehr, dass die Vampirjägerin mit den Gedanken spielte, Gabriel unter Eid zu nehmen. Da sie jedoch nichts überstürzen wollte, ließ sie sich Zeit damit und verriet nur Eldric von ihrer Freundschaft mit einem Werwolf. Während ihrer Reise mit Logan würde sie sicher weiter darüber nachdenken, und anschließend wohl mit ihrem besten Freund über diese Möglichkeit sprechen. Heute Abend stand allerdings alles im Zeichen ihrer Abreise. Jane genoss die letzten Stunden mit ihren Lieben, denen sie natürlich allen hoch und heilig versprechen musste, sich regelmäßig zu melden und sie mit Fotos auf dem Laufenden zu halten. Es wurde gelacht, gegessen und getrunken, und am Schluss mussten Logan und Gabriel eine recht angeheiterte Elizabeth zum Auto führen, welches ihr Schwiegersohn dann nach Hause fuhr, während seine Freundin auf dem Rücksitz die Hand ihrer Mutter hielt. Alles in allem war es ein ereignisreicher Abend, und Jane wusste am nächsten Tag schon auf dem Flughafen, dass sie solche Momente vermissen würde. Trotzdem hatte sie angenehmes Herzklopfen, als sie die Passkontrolle passierte und durch die hohen Fenstergläser zusah, wie ein Flugzeug in die Lüfte stieg. Was immer das nächste halbe Jahr bereithalten würde, es würde spannend werden. Und, dachte sie, als sie lächelnd zu Logan sah, welcher neben sie getreten war und ihre Hand genommen hatte, es würde ein neuer Schritt in ihrer Beziehung sein. Kapitel 1: Neue Gasse, gleicher Vampir -------------------------------------- In dem Café an einer von Roms großen Piazze herrschte wie immer Hochbetrieb. Die Sonne fiel in bewegten Flecken durch die Zweige der Pinien auf die Gesichter von Einheimischen und Touristen gleichermaßen, die sich angeregt unterhielten, arbeiteten oder einfach ihren Kaffee genossen. Sonnenbrillen waren trotz des Halbschattens keine Seltenheit – nur bei dem dunkelblonden Kellner wirkte sie irgendwie fehl am Platze. „Ich wünschte, er würde das Ding abnehmen“, flüsterte eine junge Frau ihrer Freundin zu, beide in dem Glauben, ihr Gesprächsgegenstand könne sie nicht hören. „Ich glaube, der ist echt süß.“ „Das sieht man doch auch mit Sonnenbrille!“, kicherte ihre blonde Begleiterin und strich sich kokett das Haar hinters Ohr, als besagte Bedienung sich lächelnd näherte. Beide erröteten ganz hinreißend, doch seine Aufmerksamkeit war auf die Dunkelhaarige gerichtet, die mit den grau-grünen Augen. Sein Blick schien sie beinahe zu verschlingen, und ihr Herz schien plötzlich in ihrem Hals zu pochen, wo es seinen Dienst jedoch nur noch unregelmäßig verrichten wollte. So bekam sie jedenfalls auf sein: „Darf es noch etwas für die Damen sein?“, nicht mehr als ein würgendes Quietschen heraus. Ihre Freundin versuchte, einen Lachkrampf zu überspielen, und schüttelte den Kopf, wobei sie ihn lieber nicht ansah – nicht, dass es ihr so ging wie der anderen! „Gut. Dann hole ich die Rechnung“, verkündete der Kellner, der sich vom Tisch entfernte. Dabei schien er ganz ruhig zu gehen, war jedoch innerhalb von Sekunden schon im klimatisierten Inneren des Cafés verschwunden, sodass die Frauen den Anblick seiner Kehrseite nicht lange genießen konnten. Amüsiert über ihr Getuschel gab er ihre Bestellung in den Computer ein. Fast wäre er versucht gewesen, der Schwarzhaarigen seine Nummer zukommen zu lassen – aber eben nur fast. Er hatte vor einer Weile schon mal gegen seine ´Diät` verstoßen, und die Gewissensbisse plagten ihn noch immer. „Aiden!“, rief eine Stimme aus einem Hinterzimmer ihn lauter als nötig. Hinter einem Perlenvorhang trat ein kleiner, korpulenter Italiener mit beeindruckendem Bart hervor. „Die Lieferung ist gekommen. Kannst du alles reinholen?“ „Natürlich. Ich kassiere nur noch kurz zwei Kunden ab.“ Aidens Chef nickte und verschwand dahin, woher er gekommen war, vermutlich ins Büro. Er hatte sich angewöhnt, sich auf seinen Angestellten zu verlassen, obwohl dieser erst seit wenigen Monaten im Team war. Doch der Vampir bracht einige Vorteile mit sich, war er doch schnell und konnte alleine mit seinem Blick vor allem Kundinnen ruhigstellen. Zudem war Aiden, unabhängig von seiner Rasse, umgänglich und nicht aus der Ruhe zu bringen, also bestens geeignet auch für stressige Tage. Dies waren die Gründe, die für seinen Arbeitgeber ausschlaggebend waren, dem scheinbar jungen Mann die Sache mit der Sonnenbrille durchgehen zu lassen, immerhin wusste der Cafébesitzer nicht, dass es sich bei seinem Angestellten um eine Kreatur der Nacht handelte. Stattdessen glaubte er, Aiden hätte lichtempfindliche Augen – womit er ja nicht mal so falsch lag. Aufgrund der stechenden Sonne und langen Tage lebten nicht viele seiner Artgenossen in südlichen Gefilden. Das grelle Licht schmerzte selbst die wenigen unter ihnen, die wie Aiden dank besonderer Schmuckstücke am Tag ausgehen konnten. Und die, die es doch taten, galten als überreizt, nervös und verschroben. Bestes Beispiel war der Vampir, der seit Wochen die Menschenzeitungen damit in Atem hielt, Kinder und Jugendliche zu jagen. Natürlich stand in den Tagesblättern nur etwas von ´Blutleeren Kinderleichen im Tiber` und dergleichen, doch Aiden konnte eins und eins zusammenzählen. Nun gab es nicht gerade ein ´Standardmenü` in der Ernährung von Blutsaugern, doch die meisten von ihnen fanden es unschicklich, sich an Heranwachsenden zu vergreifen. Allerdings würde Aiden sich sicher nicht einmischen, wenn dieser spezielle Artgenosse das anders sah. Seine Tage als Vampirjäger waren gezählt. Auch seine Tage in der italienischen Hauptstadt neigten sich wohl dem Ende entgegen, obwohl Rom ihm ausgesprochen gut gefiel. Die Stadt war alt, was man ihr an vielen Stellen auch ansah, was er – nicht ohne eine gewisse Selbstironie wegen seines Alters – heimelig fand. Dennoch waren ihm die Tage zu lang und zu heiß. Und letztlich hielt ihn nichts dort. Die Vampire dort waren, wie gesagt, recht speziell, außerdem neigte seine Art einfach nicht zur Rudelbildung. Das machte sich auf der Jagd nicht gut. Zumal Aiden, seit er das Töten aufgegeben hatte, als Kuriosität galt unter denen, die von seiner ungewöhnlichen Selbstrestriktion erfuhren. Vampire verstanden einfach nicht, wieso er Rücksicht auf Menschen nahm oder ihr Leben schützte. Es gab genug von ihnen, ganz ähnlich wie Ameisen. Und war es nicht schon genug der Zurückhaltung, dass sie ein zurückgezogenes Leben führten, wo sie doch ganz eindeutig die überlegene Rasse waren? Für die meisten von ihnen, die noch nie länger mit einem Sterblichen gesprochen hatten, als nötig war, um diesen in eine einsame Gasse zu locken – Und das dauerte selten länger als ein paar Sätze – waren Menschen stumpfsinnige, dumme Masttiere, nichts weiter. In ihren kurzen Leben konnten sie kaum etwas Wichtiges erreichen oder auch nur verstehen, wie ihre eigene Rasse geschweige denn ihre Welt funktionierte. Auch Aiden hatte eine ganze Weile so gedacht, obwohl er den Menschen ihr Unverständnis im Gegensatz zu seinen Artgenossen nie vorgeworfen hatte – er war schließlich einmal genauso gewesen, obwohl er sich kaum noch daran erinnern konnte. Doch seit er in einer sozialen Gruppe von Sterblichen gelebt hatte, dachte er anders. Sie konnten nichts für ihre Kurzlebigkeit, und die meisten machten das Beste aus der Zeit, die ihnen gegeben war. Dasselbe plante Aiden, weshalb er mit dem Gedanken spielte, seine momentane Heimat zu verlassen. Es war zwar nett hier, doch das Leben als Bedienung füllte ihn nicht aus, und diese Sinnlosigkeit hatte ihn während der letzten Monate rastlos durch Europa getrieben. Ja, bald schon würde er auch aus Italien aufbrechen, das spürte er deutlich, als er im Hinterhof des Restaurants drei schwere Lebensmittelkisten auf einmal auf den Arm hob. Der Wind hatte sich gedreht. Zwei Wochen nach diesem beschaulichen Tag war Aiden noch immer in Rom. So wenig ihn hier hielt, so wenig trieb ihn fort. Er war ungebunden, in jeder Hinsicht, und wenn ihm spontan eine Eingebung kam, wohin er als nächstes wollte, würde er sich in den Flieger setzen und dorthin reisen. So ähnlich hatte er es auch in seiner Zeit vor Rom handgehabt, und als er in der italienischen Hauptstadt eintraf, war er noch nicht sicher, was er mit sich anfangen sollte, aber bereits nach einer Woche hatte er den Aushilfsjob in dem kleinen Café gefunden. Dem hatte er nachgehen wollen, bis er etwas Besseres gefunden hatte, doch aus Trägheit trug er jetzt bereits seit fast zwei Monaten Kaffee durch die Gegend. Er hätte es schlechter treffen können, das wusste Aiden, und doch wurde er zunehmend rastloser, als wüsste er, dass das Schicksal ihn bald aus Rom fortlocken würde. „Wir gehen noch was trinken – Kommst du mit?“, fragte einer seiner Kollegen, mit dem er sich ab und zu außerhalb der Arbeitszeit an einem Abend traf, während sie die Stühle des Cafés absperrten. Eigentlich hatte er jagen gehen wollen, doch das könnte noch eine Nacht warten, sodass er nicht lange zögerte und zustimmte. ´Wir`, das waren die Freunde des Menschenjungen, ein fröhlicher, lauter Haufen, der nicht lange gebraucht hatte, sich für den Vampir zu erwärmen. Gemeinsam waren sie auf dem Weg durch den lauen Sommerabend, als Aiden ein nur allzu vertrauter Duft hauchzart entgegenschlug und er abrupt stehen blieb. Das konnte doch nicht sein... „Was ist los? Hast du was vergessen?“, fragte sein Kollege und er nickte, obwohl er wohl eher etwas gefunden hatte. „Ich… Muss schnell nach Hause. Tut mir leid“, stammelte er und wandte sich von der verwirrten Gruppe ab, um in die entgegengesetzte Richtung zu laufen, immer diesem Duft nach, den er in 500 Jahren nicht vergessen hatte – und in den letzten neun auch nicht. Als er die Witterung wie ferngesteuert durch enge, verwitterte Gassen verfolgte, wurde er sich immer sicherer, dass sie tatsächlich hier war: Jane. Jane war in Rom. Die Sehnsucht machte sich als ein leichtes Ziehen in seiner Brust bemerkbar, das Aiden hätte ignorieren können. Es war fast ein Jahr her, dass sie sich gesehen hatten, sie hatte den unglücklichen Umstand ihre Begegnung sicher schon wieder vergessen. Ob sie sich überhaupt daran erinnerte, dass er für kurze Zeit ein Teil ihres Lebens gewesen war? Ein winziger Anflug der heftigen Melancholie, die er bei seinem Abgang empfunden hatte, machte sich in Aiden breit, als er sein besseres Wissen ignorierte und dem Geruch bis zu seiner Quelle folgte. Er führte ihn zu einem hübschen, sicher teuren Hotel im Stadtkern. Aiden machte es sich in einem nahegelegenen Café gemütlich und beobachtete den Eingang, nicht sicher, was er tun würde, wenn Jane tatsächlich auftauchen sollte. Was hätte er ihr nach seinem heimlichen Abgang schon groß zu sagen? Vielleicht hätte er fragen können, ob sie tatsächlich eine Party geschmissen hatte, wie sie so oft angekündigt hatte. Gott, er hatte fast vergessen, wie süß sie roch... Er verlor sich in Erinnerungen an das vergangene Jahr und bemerkte kaum, wie langsam die Nacht das goldrote Licht von den Häusern um ihn herum absaugte. Erst, als der Cafébesitzer ihn verscheuchte, stand der Vampir auf und schlenderte ziellos ein wenig herum, bis eine warme Abendbrise erneut den so vertrauten Geruch zu ihm trug, stärker diesmal, weil er direkt von Jane kam und nicht nur eine verblasste Fährte war. Ohne nachzudenken drückte er sich in den Schatten eines Hauses, lugte vorsichtig um die Ecke - und tatsächlich, da war sie. Sie sah allerdings nicht aus, als würde sie sich ins italienische Nachtleben stürzen, sondern vielmehr so, wie er sie in Gefahrensituationen gesehen hatte; schwarze Funktionshosen, die, wie er wusste, hitze- und kälteresistent waren, ein schwarzes Top und, verborgen unter ihrer Lederjacke, Messer und eine Kanone. Sie war auf der Jagd. Bei der Vorstellung, dass sie hier war, um zu arbeiten, runzelte er leicht die Stirn, doch dann konnte er den alten Impuls nicht unterdrücken und folgte ihr in die laue Nacht. Sicher wäre es klüger gewesen, bis zum nächsten Morgen zu warten und sich erstmal zu überlegen, was er zu ihr sagen sollte, anstatt sie mitten in der Nacht zu verfolgen, doch er konnte nicht anders. Wenn sie sich in Gefahr begab, musste er mitkommen – zumal er eine recht genaue Ahnung hatte, wen sie suchte. Sie passierten belebte Gässchen und Touristengebiete, bis sie in einen heruntergekommeneren, älteren Teil der Stadt gelangten. Aiden hielt sich bewusst ein Stück hinter ihr, er musste ja nicht befürchten, sie zu verlieren. Da blieb die junge Frau abrupt stehen und wandte sich nach ihm um. Gerade noch konnte ihr Verfolger sich in den Schatten eines Gartens retten, wo er ausharrte, bis sie weiterging. Jetzt hatte sie allerdings einen größeren Vorsprung, sodass er seine Schritte ein wenig beschleunigte. Sie bog um eine Ecke, er folgte ihr unbedacht... Und musste sofort wieder ein paar Schritte zurück weichen, als Jane mit ihren Messern auf ihn losging. Offensichtlich hatte sie direkt hinter der Abbiegung auf ihn gewartet und war jetzt fest entschlossen, ihn in Stücke zu hacken. Zuerst konnte Aiden sich nur ducken, doch dann sprang er einfach über sie hinweg, landete mit Leichtigkeit fünf Meter von ihr entfernt und hob abwehrend die Hände. "Jane! Beruhige dich, ich will dir nichts tun. Ich bin´s nur", sagte er und trat langsam in den Schein einer Straßenlaterne. Als er ihren Namen nannte, hatte sie aufgehört, ihn zu attackieren, was ihn auf verzerrte Art an ihre erste Begegnung erinnerte. "Aiden... Erinnerst du dich? Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe." Jane hörte zwar auf, ihn anzugreifen - aber entgegen seiner Erwartungen sagte sie rein gar nichts zu seiner Anwesenheit. Die Brünette starrte ihr Gegenüber nur kurz mit geweiteten Augen an, ehe sie sich ohne mit der Wimper zu zucken von ihm abwandte, um das Messer von der Hauswand zu lösen und ihren Weg unbeirrt fortzusetzen. Völlig perplex sah Aiden Jane dabei zu, wie sie wieder in der Nacht verschwand. Ein ziemlich verdatterter Vampir blieb zurück. Aiden hatte erwartet, dass sie genervt reagieren würde, ihm schon wieder zu begegnen, vielleicht sauer, weil er ihre Jagd unterbrochen hatte und ihr gefolgt war. Aber ihr völliges Desinteresse überrumpelte ihn. Außerdem verstand er nicht, wieso sie sich so verhielt. Erkannt hatte sie ihn auf jeden Fall, das hatte ihr überraschter Blick deutlich gemacht. Aber warum dann dieser... Ja, fast schon beleidigte Abgang? Er hatte damals doch genau das getan, was sie ihm drei Monate llang dringlichst empfohlen hatte: sie in Ruhe gelassen. Sie hatten sich davor zwar ein wenig angeknurrt, aber ihn jetzt wie einen Fremden zu behandeln, war das sicher nicht wert. Eigentlich hätte man meinen können, Aiden hätte sein Leben im letzten Jahr so weit auf die Reihe gekriegt, dass er ihr nicht mehr folgen musste. Er hatte einen Job, er hatte neue Freunde, eine feste Unterkunft, zumindest so lange er in Rom verweilte. Sein Leben verlief in so geregelten Bahnen wie seit über hundert Jahren nicht mehr und doch war er wieder in sein altes Verhalten, ihr hinterherzurennen, verfallen, sobald er Jane gesehen hatte. Er könnte das jetzt beenden. Offensichtlich hatte sie nicht das Bedürfnis, mit ihm zu sprechen, und wie er schon zuvor festgestellt hatte, was hätte er selbst ihr groß zu sagen gehabt? Und doch konnte er nicht anders, als Jane zu folgen, die in Richtung Stadtgrenze davongelaufen war. Die von ihr eingeschlagene Richtung bestätigte seinen Verdacht, hinter wem sie da her war. Es war wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Zirkel jemanden auf den Kindermörder ansetzte. Jedoch hätte Aiden nicht mit einer englischen Jägerin gerechnet, immerhin war die Jägerorganisation international tätig. Er fragte sich, ob die junge Frau nur für die Jagd hier war, oder ob sie bei einem Besuch in Rom zufällig von den Morden gehört und beschlossen hatte, sich der Sache anzunehmen. So, wie er sie kannte, war letzteres wahrscheinlicher. Eigentlich sah er es, wie schon erwähnt, nicht als seine Aufgabe, seinen etwas zu kinderfreundlichen Artgenossen zur Raison zu rufen. Wenn die Eltern nicht auf ihre Sprösslinge aufpassen konnten, war das ihre Schuld, und Aufmerksamkeit hatte Aiden im letzten Herbst wirklich genug gehabt, da würde er sich nicht noch in seiner neuen Heimat als freischaffender Vampirjäger betätigen. Aber wenn Jane in den Fall involviert war, war die Sachlage wohl eine andere. Ohne Probleme folgte er ihrer Spur durch die Stadt und in einen Park, der hauptsächlich von Halbwüchsigen frequentiert wurde. Die Jägerin ignorierte die Anwesenden, und ihr Verfolger tat es ihr gleich, indem er sich auf den anderen Vampir konzentrierte, den er bereits von aus einiger Entfernung wittern konnte. Gerade, als am anderen Ende der Anlage und in der Nähe des Flusses Tiber angekommen war, konnten sie einen in schwarz gehüllten Mann erblicken, der ein junges, ohnmächtiges Mädchen an den Oberarmen festhielt. Er beugte sich zu ihr runter und war kurz davor, die Zähne in ihren Hals zu bohren, als Jane sich bereits vom Boden abgestoßen und ein Messer nach ihm geworfen hatte, sodass er sein Opfer instinktiv fallen ließ, um dem Angriff auszuweichen. Aidens Schritte beschleunigten sich ebenfalls, sodass er sehen konnte, wie der Kindermörder und seine Gegnerin sich einen Schlagabtausch lieferten. Sie war besser geworden, schoss es dem Vampir durch den Kopf, dann schüttelte er diesen und näherte sich vorsichtig der Kampfszene. Dabei hatte er eher im Sinn, das ohnmächtige Mädchen aus der Schussbahn zu bringen, aber noch bevor er die Kleine erreicht hatte, hatte ihr Entführer Aiden bemerkt. Brüllend vor Zorn vergaß er vollkommen Jane, sondern stürzte sich auf seinen Artgenossen, der sofort vor dem Kind stand und sich leise fauchend duckte. Er war bereit, sich dem Vampir entgegenzustellen, als ihn urplötzlich ein schneidender Schmerz durchfuhr, der wie Wellen von seinem Arm durch den ganzen Körper pulsierte. Stöhnend fasste er sich an den Arm, in dem eines von Janes Silbermessern steckte, doch bevor er es entfernen konnte, war sein Gegner über ihm. Es war, als würde das Silber und die spezielle Tinktur jede Kraft aus ihm saugen, als er den Fuß in den Boden stemmte und versuchte, den Italiener über die Schulter zu werfen. Was sonst kein Problem für ihn gewesen wäre, stellte sich jetzt als beinahe zu viel heraus, sodass die beiden Männer einfach nach hinten weg kippten. Es entstand ein kurzes Gerangel, dann saß der Vampir auf Aiden, ein irres Grinsen auf seiner Fratze. Aber statt ihm sofort den Kopf abzureißen, packte er das sicher auch für ihn schmerzhafte Silber, bohrte es tiefer in das Fleisch und drehte die Klinge ein Mal um sich selbst, um seinen Feind zu quälen. Aidens Schrei hatte nichts mehr viel Menschliches an sich. Es war schlimmer als sterben, er wollte einfach nur, dass der Schmerz aufhörte, sofort, und wenn er sich den Dolch selbst durchs Herz stechen musste. Vor Schmerz halb blind, sah Aiden nichts als das grinsende Gesicht seines Peinigers, und er wünschte sich nichts, außer dass dieser Sadist ihm endlich den verdammen Kopf von den Schultern reißen möge. Weißes Licht pulste durch sein Sichtfeld, wenn die Klinge sich bewegte, und in genau so einem Aussetzer verwandelte sich das höhnische Gesicht über ihm in einen blutigen Krater. Aiden stöhnte auf, als der Körper in seinem vollem Gewicht auf ihn sackte, aber es war ihm egal, dass er mit Blut und Gehirn besudelt war. Wenn er nur die Kraft gehabt hätte, diese verdammte Klinge aus seinem Arm zu ziehen... Er hatte nicht gehört, wie der Schuss gefallen war, aber die federnden Schritte, die sich ihm jetzt näherten, bemerkte er wohl. Den Kopf bewegen konnte er nicht, aber sein Blick folgten Janes Stiefeln, als diese in sein Sichtfeld kamen und vor ihm stehen blieben. Er sah zu ihr auf, und wenn nicht sein Artgenosse mit seinem vollen Gewicht auf ihm gelegen hätte, wäre Aiden sicherlich vor der Verachtung in ihren Augen weggezuckt. Genauso kalt zog sie den Dolch aus seinem Arm, trotzdem empfand er es als unendliche Erlösung, nur endlich das Silber los zu sein. In diesem Moment war es ihm sogar egal, wenn sie ihn hasste, Hauptsache, sie schaffte nur diese verwunschene Waffe von ihm weg. Er unterdrückte ein befreites Stöhnen, schloss nur die Augen und atmete pfeifend aus. Mit der Verletzung selbst konnte er leben, obwohl sie ein zehn Zentimeter tiefes, pulsierendes Loch war, aber die Essenz, mit der die Klinge bestrichen wurde, sorgte dafür, dass sein ganzer Arm sich taub anfühlte. So brauchte er noch einen Moment, bevor er es schaffte, die Leiche von sich zu rollen und sich aufzusetzen. Vor Schmerz hatte er jede Faser seines Körpers angespannt, sodass sich seine verausgabten Muskeln jetzt mit heftigem Zittern beschwerten. Aiden brauchte zwei Versuche, bis er sich auf die Beine gebracht hatte. In der Zwischenzeit hatte Jane bereits das Kind versorgt, den Toten beseitigt und wollte sich aus dem Staub machen. Angestrengt schaffte der Vampir es, ihr zu folgen und sie am Arm zu fassen, wobei er jedoch schnell zurück zuckte, als er sich an die abscheuliche Waffe in ihrem Halfter erinnerte. Auf seinen Zügen stand nicht mal der Schmerz der Verletzung, sondern pures Unverständnis für ihr Verhalten. Wahrscheinlich hätte er trinken gehen sollen, aber er wollte einfach wissen, was er schreckliches verbrochen hatte, um ihre Verachtung schon wieder zu verdienen. Allerdings kontrastierte die Tatsache, dass sie ihn nicht wie den anderen Vampir einfach in die Luft gejagt hatte ihren Hass, sodass Aiden sie noch weniger verstand. "Kannst du bitte mit mir reden und mir erklären, was ich getan habe?", fragte er mit rauer Stimme. "Du findest es bestimmt offensichtlich, aber ich weiß es einfach nicht..." Das letzte Mal, als es ihm ähnlich schlecht gegangen war, hatte sie ich ihm ihr Blut gegeben. Der Gedanke war einfach so da, und obwohl er natürlich nicht erwartet geschweige denn wollte, dass sie dasselbe tat, machten der Duft ihres Blutes und seine Schwäche es nicht einfacher, es wieder zu vergessen. Der Schmerz, als würde er von einer stumpfen Klinge aus Eis durchbohrt, ließ langsam nach, doch Aidens Arm pulsierte noch immer, wo Janes Waffe ihn getroffen hatte. Als sie innehielt, glaubte Aiden schon, endlich etwas in Jane angerührt zu haben, doch erneut kam kein Wort an ihn über ihre Lippen. Stattdessen zog sie ihr Telefon aus der Tasche und Aiden, der geschwächt zurückblieb, hörte sie sagen: "Eldric? Ja. Alles in Ordnung. Der Auftrag ist erledigt und es gab keine ungewöhnlichen Zwischenfälle. Mhm. Ja, du kriegst den Report bis morgen Abend", erklärte sie knapp, als ihr Mentor abgenommen hatte. Aidens Kiefer spannte sich leicht an, als er dem Gespräch mit dem Zirkeloberhaupt lauschte. Seinen alten Mitbewohner, Partner und - Wenn er so dreist sein durfte, das zu behaupten - Freund wieder zu sehen, und ihn fast mit einem Messer zu erstechen, war also kein ungewöhnliches Ereignis? Nach einer kurzen Verabschiedung legte die Vampirjägerin wieder auf und steckte das Handy weg. Dann, als spürte sie den Blick ihres ehemaligen Mitbewohners im Nacken, wandte sie sich nochmal um. „Lass mich endlich in Frieden!", spie sie ihm förmlich entgegen und knirschte mit den Zähnen, bevor sie endgültig in der Nacht verschwand. Sie sah ihn an wie ein besonders ekelerregendes Insekt, stapfte weiter über die Kieswege und ließ ihn im Dunklen des Parks und im Dunkeln über ihre Motive. Damit zwang sie den völlig schockierten und nach wie vor schmerzgeplagten Aiden natürlich, selbst darüber nachzudenken, aber im Moment war sein Gehirn viel zu verklebt von Müdigkeit, Durst und Erschöpfung, um zu einem Ergebnis zu kommen. Er wollte nur duschen und ins Bett. Davor würde er aber noch etwas trinken müssen. Auf der Suche nach geeigneter Beute entfernte Aiden sich so weit wie möglich von dem Ort, an dem Jane ihn zurückgelassen hatte, um ja nicht in Versuchung zu geraten, ihr nachzustellen. Nach der Jagd, als er wieder klarer bei Sinnen war, überkam den Vampir starke Beunruhigung, dass ihm hier ein ganz essentieller Zusammenhang entging. Sicher, seine ehemalige Mitbewohnerin war kompliziert und aufbrausend und sie hasste Vampire, somit also auch Aiden, aber bevor er gegangen war, hatten sie sich doch gut verstanden, er hätte sich selbst sogar als ihren Freund bezeichnet. Und jetzt, nach einer Zeitspanne, in der er rein gar nichts getan haben konnte, das sie verärgerte, behandelte sie ihn wie einen Aussätzigen. Vor einem Jahr hätte er sich wahrscheinlich die ganze Nacht das Hirn über Janes merkwürdiges Betragen zermartert, aber jetzt schlief er, ob es nun an Erschöpfung oder Distanzierung lag, bereits nach ein paar Minuten ein, sobald er in seinem Bett lag. Am nächsten Tag konnte Aiden das ganze schon klarer betrachten, und er schämte sich dafür, Jane schon wieder so zugesetzt zu haben. Seufzend rieb er sich übers Gesicht, bevor er sich für den Tag fertig machte. Gott, er hatte fast vergessen, wie süß sie roch, doch das war natürlich noch lange kein Grund, ihr mitten in der Nacht nachzustellen. Manchmal war er einfach unmöglich... Und trotzdem beschloss Aiden, zumindest noch einmal einen Versuch zu wagen, mit Jane zu sprechen. Vielleicht könnte er ihr ja doch eine Erklärung entlocken und alles regeln, denn obwohl er nicht vorhatte, ihr wieder nachzulaufen, wäre es ihm überaus unangenehm, sie in einer solchen Stimmung zum letzten Mal gesehen zu haben. Dabei kam ihm wieder die Frage, was sie überhaupt in diese besagte Stimmung versetzt hatte. Er hatte gedacht, dass sie ihn nervig fand, als er gegangen war, nicht, dass sie ihm gegenüber blanken Hass empfand. Anders konnte man ihr Auftreten der letzten Nacht jedoch nicht beschreiben. Hatte er sie wirklich so grundlegend falsch verstanden? Nun, er würde es nie herausfinden, wenn er sie nicht fragte, also nahm er sich vor, Jane nach seiner Arbeit erneut zu suchen. Während des Tages kam ihm ihre Begegnung immer wieder in den Sinn, und der Vampir versuchte, sich einen Reim auf das Verhalten der Brünetten zu machen. Dabei kam Aiden nicht mal in den Sinn, dass sie wütend sein könnte, weil er damals ohne ein Wort gegangen war. Ihm erschien es immer noch vollkommen logisch, dass er sich vor einem Jahr zurückgezogen hatte. Er hatte sich in ihr Leben und in das ihrer Mutter eingeschlichen und sie dadurch in Gefahr gebracht, aber auch sich selbst, indem er so lange an einem Ort verweilt hatte. Außerdem hatte er angefangen, das Mädchen ein bisschen zu sehr zu mögen, obwohl sie ihn als Belastung empfunden hatte. Eigentlich sollte sie froh sein, dass er sich von ihr zurückgezogen hatte. Jane hatte sich zwar wohl an ihn gewöhnt gehabt, aber das hieß ja nicht, dass sie ihn gerne bei sich gehabt hatte. Er war und blieb ein Vampir, und dass sie diese immer noch hasste, hatte ihre Kaltblütigkeit in der letzten Nacht gezeigt. Und doch hatte sie sich anders verhalten, ihre Abneigung durch Nichtachtung gezeigt, statt durch den zum Scheitern verurteilten Versuch, ihn zu töten. Alleine das zeigte schon, dass sie ihn noch kannte… Und, dass sich ihre Abneigung inzwischen ganz persönlich gegen ihn richtete. Für einen Moment schnürte sich ihm die Kehle zu, als er darüber nachdachte, ob Jane herausgefunden hatte, dass er ihren Vater getötet hatte. Aber nein, wenn sie das wüsste, hätte sie es sicher nicht bei einem halbherzigen Messerwurf belassen. Trotzdem beunruhigte ihn der Gedanke sehr, als er sich auf den Weg machte, um Jane zur Rede zu stellen. Während er ihrer Fährte durch die Stadt folgte, dachte er weiter darüber nach, wie ihr Verhältnis gewesen war, bevor er gegangen war, besonders vor dem ungünstigen Zwischenfall mit der Säule. Sie hatte sich wohl notgedrungen mit seiner Anwesenheit abgefunden gehabt, es vielleicht sogar hingenommen, weil er ihr nützlich gewesen war. Ihre Zusammenarbeit hatte immerhin ziemlich gut funktioniert, wenn er so darüber nachdachte. Aiden war der Spur seiner ehemaligen Partnerin bis in die Nähe des Vatikans gefolgt und seufzte leise, als er die vielen Menschen sah, die sich auf dem Petersplatz tummelten. Hier würde es schwierig werden, sie zu finden. Trotzdem stürzte er sich ins Getümmel, und nach einer Weile machte er Jane aus. Er zögerte, nicht sicher, wie er diesmal an sie herantreten sollte, beschloss dann aber, es einfach nochmal direkt anzugehen. "Jane?", sprach er sie vorsichtig an, wobei er sofort mit einem eisigen Blick gestraft wurde. "Können wir nicht einfach darüber reden? Ich will nur verstehen, was los ist. Danach musst du mich nie wieder sehen", versprach Aiden, der es auch wirklich so meinte. Er wollte sich, wenn er es für nötig hielt, einfach nur entschuldigen und sie dann ihrer Wege ziehen lassen. Doch wie bereits am Vorabend zog Jane es vor, ihn mit einem geringschätzigen Blick stehen zu lassen. Seufzend sah Aiden ihr nach, wie sie zwischen den vielen Touristen verschwand. Offensichtlich hatte er ihrer Meinung nach etwas so Grundlegendes falsch gemacht, dass er es nicht mal mehr wert war, dieses Fehlverhalten an den Kopf geklatscht zu bekommen. Wenn er nur darauf gekommen wäre, was das gewesen sein sollte. Er würde sich wohl damit abfinden müssen, dass sie ihn verabscheute, denn nachlaufen würde Aiden ihr nicht mehr. Noch kurz sah er auf die Stelle, an der die Menschenmenge sie verschluckt hatte, dann wandte er sich kopfschüttelnd ab... Und erstarrte mitten in der Bewegung, als er zwischen den Vatikan-Besuchern ein Gesicht sah, das zu vergessen er in fünfhundert Jahren nicht geschafft hatte. Sein Erschaffer stand mitten in der Menge der unwissenden Menschen und beobachtete ihn, wie lange schon, war nicht zu sagen. Aiden, schon fast in der Erwartung, sofort angegriffen zu werden, machte einen halben Schritt zurück, aber Vincent bewegte sich nicht. Er ließ nur den Blick über seine Schöpfung gleiten, das schmale, kantige Gesicht eine perfekte Maske unter glattem, blonden Haar. Dann wandte der andere Untote sich ohne eine weitere Regung ab und verschwand, wie zuvor schon Jane in der Menge. Jane! Panik stieg in seinem Magen auf, als Aiden klar wurde, dass Vincent ihn mit dem Mädchen gesehen haben musste. Er hatte schon da gestanden, als Aiden sich umgedreht hatte, und so lange war es nicht her, dass die Jägerin gegangen war. Vor Schreck hätte er fast vergessen, eine menschliche Geschwindigkeit anzuschlagen, als er sich auf dem Absatz umdrehte und seiner ehemaligen Partnerin hinterher rannte. Auch so befand er sich ungefähr auf Olympia-Sieger-Niveau, während er durch die verwinkelten Straßen der alten Stadt eilte, bis er Jane sah, die gerade mit einigen Tüten aus einem Laden schlenderte. Aiden blieb stehen, ohne, dass sie ihn sah, behielt sie aber im Auge. Vincent hatte sie zusammen gesehen und so, wie Aiden sie angebettelt hatte, mit ihm zu sprechen, musste dem alten Vampir klar sein, dass dieser Mensch wichtig war für ihn. Dass er Aiden selbst nicht sofort angegriffen hatte, mochte an den vielen Menschen auf dem Platz liegen, aber die Möglichkeit, dass er es noch tun würde, war nicht gering, und die, dass er seine Pläne auf Jane ausweiten könnte, war ebenfalls zu bedenken. Schließlich hatte er sie gerochen und könnte sie somit überall finden. Der fünfhundert Jahre alte Vampir war den ganzen Tag nervös und hielt sich in der Nähe seiner früheren Mitbewohnerin auf, aber der passierte nichts schlimmeres, als ein wenig von einem Budenbesitzer übers Ohr gehauen zu werden, was der wohlhabenden Alleinerbin wohl kaum etwas ausmachen dürfte. Ungesehen von ihr brachte er Jane nach Hause, und auch in den nächsten Tagen verbrachte er jede freie Minute in ihrer Nähe. Ein paar Mal glaubte er, sie hätte ihn bemerkt, aber er konnte sich stets noch im letzten Moment verbergen. Sie hätte es sicher nicht geschätzt, zu wissen, dass er ihr folgte, jetzt, wo sie ihn aus irgendeinem Grund persönlich hasste. Trotz seiner Sorge um die junge Frau machte er sich darüber weiter Gedanken, was sie zu dieser Abneigung gebracht hatte. Er hatte sich zwar vorgenommen, es ruhen zu lassen, aber jetzt, wo er mal wieder ungebeten als ihr Bodyguard fungierte, kam Aiden nicht umhin, über sie nachzudenken. Dabei erinnerte er sich immer öfter an die schönen und entspannten Momente mit ihr, und das Bild, das er sich selbst von ihrem Zusammenleben zusammengesponnen hatte, geriet immer mehr ins Wanken. Noch war er aber nicht bereit, sich einzugestehen, was er mit seinem Verschwinden angerichtet hatte, sodass seine Überlegungen zwar um den Kern von Janes Wut kreisten, diesen aber nie wirklich berühren konnten. So vergingen einige Tage, bis Aiden merkte, dass Jane sich zur Abreise bereit machte. Er war versucht, nochmal auf sie zuzutreten, aber ihre letzte Abfuhr saß noch zu tief; sie würde ihm ja doch nicht zuhören. Und selbst wenn, wie sollte er ihr glaubhaft erklären, dass sie womöglich in Gefahr war, obwohl besagte Gefahr sich während der letzten vier Tage nicht hatte blicken lassen? Hätte das alles mit Elizabeth zu tun, hätte der Vampir sie vielleicht überzeugen können, doch ihr zu erklären, wie gefährlich sein Erschaffer war, wenn Jane diesen noch nicht mal zu Gesicht bekommen hatte, wäre unmöglich. Schließlich hielt sie sich für unbezwingbar und wusste nicht, wie perfide Vincent vorzugehen pflegte, um seine Ziele zu erreichen. Aiden dagegen lebte nun bereits seit fast einem halben Jahrtausend in Angst vor diesem Mann, und einige Male war er ihm nur knapp entkommen. Dabei war der ältere Vampir jemand, der oft am Rand der Geschichte auftauchte und deren Geschicke stets in die Richtung zu lenken wusste, welche ihm persönlich den größten Nutzen brachte. Aiden selbst hatte einst eine Rolle in diesen Ränken spielen sollen, doch er hatte entkommen können. Und er war sicher, dass sein Artgenosse dies weder vergessen, noch verziehen hatte, egal, wie lange es bereits her war. Daher wäre es nur verständlich, wenn Jane Aiden eher noch mehr verabscheut hätte, weil er sie in diese Gefahr gebracht hatte, wenn er ihr erzählte, dass Vincent wegen ihm auf sie aufmerksam geworden war. Sie würde zwar sicher darauf bestehen, auf sich selbst aufpassen zu können und zur Not unter Eldrics Schutz zu stehen, doch im Moment wusste sie ja noch nicht mal etwas von der potentiellen Gefahr, und ihr ehemaliger Jagdpartner war zu feige, um sie erneut anzusprechen. Die Verachtung in Janes Blick schreckte ihn instinktiv ab. Er wollte nicht, dass sie ihn je wieder so ansah. Also sah er schließlich unentschlossen zu, wie sie in ein Taxi zum Flughafen stieg und wieder aus seinem Leben verschwand, im Gepäck die Möglichkeit, in die terroristischen Machenschaften eines uralten Vampirs verwickelt zu sein. Kapitel 2: Stalking für Fortgeschrittene ---------------------------------------- Bereits in dem geschlossenen Gang, der sie von der Flugzeugkabine zum Terminal bringen sollte, schlug Jane Londons verhältnismäßig frische Luft entgegen. Fröstelnd wickelte sie sich enger in ihren Strickcardigan. Doch die Freude über ihre Heimkehr konnte ein wenig Kälte nicht dämpfen, und während sie am Band auf ihr Gepäck wartete, schrieb sie ihrer Mutter, dass sie angekommen war und das Gate bald verlassen würde. Wenig später hatte sie unbehelligt die Passkontrolle hinter sich gelassen und begab sich mit ihrem großen Koffer bewaffnet in den Eingangsbereich des Flughafens. Dort lachte sie erstmal überrascht auf, denn anstatt nur ihrer Mutter, standen dort zudem Logan, Gabriel und Cynthia, und alle vier schlossen sie fest in die Arme. Man entschuldigte Kate und Benjamin, die verhindert gewesen waren, doch das störte Jane gar nicht. Viel zu glücklich war sie, im Kreise ihrer Liebsten, mit Logan an der Hand, zurück nach Hause zu fahren. Im Auto musste sie natürlich alles erzählen, und das sollte nur der Auftakt eines ganzen Geschichtenmarathons werden, den sie in den folgenden Tagen abhalten musste. Am Abend ihrer Ankunft ließ man sie entspannen und erstmal ankommen, sodass sie lediglich mit ihrem Freund und ihrer Mutter zu Abend aß, bevor das Paar ins Bett ging. Doch am nächsten Tag hatten ihre Freunde eine Willkommensparty für sie organisiert, und irgendwann während der Feier, als sie mit Gabriel auf dem Sofa saß und ihm leise von der Jagd in Rom erzählte – ohne den zweiten involvierten Vampir zu erwähnen, an den sie gar nicht mehr denken wollte – wurde ihr bewusst, wie sehr sie all die Leute in diesem Raum vermisst hatte. Es mochte die nachwirkende Erschöpfung der Reise sein, jedenfalls traten ihr ein, zwei Tränen in die Augen, und sie ließ sich fest von ihrem besten Freund in den Arm nehmen, bevor sie sich einen Moment wieder gefangen und ihre gute Laune zurückgefunden hatte. Nachdem Jane in London angekommen war, hatte sie fast zwei Wochen bis zum Beginn ihres Masterstudiums gehabt, sodass sie sich gut darauf einstellen konnte. Nach der langen Abwesenheit fand sie in ihren londoner Alltag zurück und freute sich, ihre Ausbildung voranzutreiben – vor allem, da Gabriel ebenfalls das Kings-College besuchte. Zwar studierte er etwas anderes, doch es war schön, ihn in Freistunden gelegentlich zu sehen oder nach den Seminaren gemeinsam etwas zu unternehmen, wenn sie zufällig zur selben Zeit aus hatten. In ihrem Freundeskreis war der Spanier schnell aufgenommen worden, und nicht selten unternahm Jane etwas mit ihm und Logan. „Eifersucht kennst du nicht, oder?“, zog Gabriel Logan einmal auf, als dieser ins Haus der McCollins schneite, während seine Freundin gerade mit dem Kopf im Schoß ihres besten Freundes lag und einen Film sah. Jane, die aufgestanden war, um Logan zu begrüßen, warf dem Spanier einen bösen Blick zu, doch ihr Liebster legte nur lachend den Arm um ihre Schulter. „Wieso sollte ich? Wenn sie etwas von dir wollte, wäre sie mit dir zusammen, oder?“ Und damit hatte er scheinbar alles zu diesem Thema gesagt. Ohne böse Vorahnungen begab Jane sich also am ersten Tag an die Universität und freute sich darauf, in einen einigermaßen geregelten Alltag zurückkehren zu können. Natürlich war ihre Weltreise umwerfend gewesen, und sie wollte die Erfahrung um nichts missen, doch genauso gerne war sie zu Hause, zumal dort ihre Familie und ihr Job war. Vor allem letzterer ließ ihr keine Zeit, ewig die Weltenbummlerin zu spielen, schließlich hatte sie ein Ziel vor Augen. Obwohl sie diesem im letzten Jahr, zugegeben, nicht unbedingt näher gekommen war. Jane war also trotz der frühen Stunde guter Laune, als sie über den Parkplatz in Richtung des Universitätsgebäudes schlenderte. Nie im Leben hätte sie mit dem gerechnet, was an diesem Morgen passieren sollte, sodass sie fast an ihm vorbeigelaufen wäre, ohne ihn zu bemerken. Doch dann riss es sie praktisch, sie wirbelte blitzschnell herum und musste feststellen, dass ihre Augen sie nicht getäuscht hatten. Da stand tatsächlich Aiden mitten auf dem Parkplatz der Uni, als wäre er nicht vor einem Jahr wortlos abgehauen, und als hätte Jane ihm in Rom nicht mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass er von ihr aus abgehauen bleiben konnte. Für einen kurzen Moment blickte sie ihn mit geweiteten Augen an, und er starrte aus seinen dummen, verständnislosen Hundeaugen an. (Wie konnten blaue Augen Hundeaugen sein? Sie hatte es nie verstanden, doch dieser verdammte Blutsauger brachte dieses Kunststück zusammen) Ganz offensichtlich wusste er selbst nicht, was er ihr sagen sollte, nachdem er sie mal wieder gestalkt hatte, und alleine dieser Gedanke ließ in Jane heiße Wut aufkochen. Hätte sie den Dolch nur nicht aus seinem Arm gezogen… Oder ihn danach zumindest gleich in sein Herz gestochen! Doch fing sie sich relativ schnell wieder, als sie ihren Liebsten erblickte, der hinter dem Vampir auftauchte. Sofort zauberte sich ein zartes Lächeln auf ihre Lippen, während ihr Gesichtsausdruck voller Liebe und Zuneigung erstrahlte. Praktisch unmittelbar nachdem sie Logan entdeckt hatte, setzte sich die junge Frau in Bewegung und ging zielstrebig auf ihn zu - nur, um gleich vor ihm stehen zu bleiben und seine Hände zu nehmen. Auch der junge Mann lächelte, ehe er ihre Hände zaghaft drückte und sich zu ihr runterbeugte, um sie kurz, aber innig zu küssen. "Na? Gut aus den Federn gekommen?", wollte der Braunhaarige schmunzelnd wissen und schlang einen Arm um ihre Schultern, um sie an sich zu drücken und anschließend mit ihr Richtung Universitätsgebäude zu schlendern. Dabei war es offensichtlich, dass er den ehemaligen Kommilitonen (noch) nicht entdeckt hatte. "Es ist ja nicht sonderlich früh. Von daher gab es diesbezüglich keine allzu große Probleme", erwiderte die Angesprochene leicht grinsend, während sie sich ein wenig an ihn schmiegte und den Hörsaal ansteuerte, in dem die erste Vorlesung des Semesters stattfinden würde. An den fünfhundert Jahre alten Vampir dachte sie bereits nicht mehr. Dieser gab allerdings, ganz, wie es eben seine Art war, nicht so leicht auf. "Jane! Logan", rief er ihnen zu, wobei sein Blick sehr ernst war, als er die junge Frau ansah. Als Aiden ihren Freund miteinbezog und dessen Namen nannte, wurde Jane allerdings dazu gezwungen, innezuhalten. Immerhin hatte der junge Mann an ihrer Seite keinen Streit und keine Probleme mit dem unliebsamen Vampir. Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass Logan mit Jane im Arm stehen blieb und sich an den alten Neuzugang wandte, um ihn freundlich lächelnd zu begrüßen. „Aiden! Wie lange ist das denn her?“, fragte er überrascht. „Wie geht’s dir?“ Ihrem Freund nickte Aiden kurz zu – „Gut, danke, und dir?“ - dann war er für den Blutsauger offensichtlich uninteressant. "Ich muss mit dir sprechen. Es ist wirklich dringend. Bitte", wandte Aiden sich eindringlich an Jane. Dabei waren ihm Logans verständlichen Fragen völlig egal. Um nicht allzu unhöflich vor ihrem Liebsten dazustehen und ihm nicht zu zeigen, wie angespannt die Beziehung zwischen ihr und ihrem Gegenüber war, entschied sie sich, zumindest kurz auf seine Bitte einzugehen und ihn etwas neutraler anzusehen. "Tut mir Leid. Ich hab Wichtigeres zu tun. Die erste Stunde fängt gleich an“, kam es über ihre Lippen, wobei sie den schneidenden Unterton in ihrer Stimme nicht zurückhalten konnte. Schließlich missfiel es ihr sichtlich, ihm ihre Aufmerksamkeit schenken zu müssen, obwohl sie sich vorgenommen hatte, ihn nicht einmal anzusehen. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie sich in Italien klar genug ausgedrückt und er verstanden hatte, dass sie ihn nicht mehr wiedersehen wollte. Nun, wenn er dachte, dass sie sich freiwillig mit ihm unterhalten würde, nur weil er wieder an der Universität auftauchte, hatte er sich geschnitten. Ihre Entscheidung, ihn zu ignorieren und seine Existenz komplett aus ihren Gedanken und Erinnerungen auszulöschen, war noch immer resolut, trotz dieser kleinen Unterbrechung. Es war der pure Segen gewesen, dass nach der Begegnung auf dem Petersplatz keine weiteren Treffen mit dem unliebsamen Vampir stattgefunden hatten. Schließlich war die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in Italiens Hauptstadt wiedersehen würden, relativ groß - vor allem, wenn man Aidens Stalker-Natur betrachtete und an die erste gemeinsame Zeit in London dachte. Jane hatte entsprechend gehofft, dass er es unterlassen würde, sich ihr wie damals aufzudrängen, und aufgrund ihres Verhaltens begriffen hatte, dass sie seine Anwesenheit keineswegs begrüßte, sondern vielmehr verabscheute. Als es bis zum Abend nach der Jagd zu keinem weiteren Zusammentreffen mit dem Vampir gekommen, hatte sich die Anspannung aus ihrem Körper gelöst, sodass sie den Urlaub ruhig ausklingen lassen konnte. Sie hatte die Begegnung mit ihrem ehemaligen Jagdpartner verdrängt, das warme Wetter genossen, war einmal sogar an den Strand gefahren, um sich dem sommerlichen Gefühl hinzugeben und hatte sich am zwanglosen Lifestyle und vorzüglichen Essen der Südländer erfreut. Natürlich war die junge Frau ab und an Abends ausgegangen, um sich den einen oder anderen Drink in einer Bar zu genehmigen, doch zu mehr als einem Schwätzchen mit einem Italiener kam es nicht. Schließlich gehörte sie nicht zu der Sorte Mensch, die in Liebesangelegenheiten gerne mit dem Feuer spielte oder auf interessante Avancen einging, wenn der Liebste nicht anwesend war. Außerdem war sie viel zu sehr in Logan vernarrt, als dass irgendein anderer Mann für sie als potentieller Partner überhaupt in Frage kam. Dementsprechend war es während ihres Aufenthalts in Rom nicht zu Ereignissen gekommen, für die sich Jane hätte schämen oder schlecht fühlen musste - außer, dass sie sich das eine oder andere Mal hatte über das Ohr hauen lassen. Jedoch spielte das keine große Rolle, wenn man wusste, über wie viel Geld sie verfügte. Die Entspannung dieser Tage würde sie nicht vor Semesterbeginn schon aufgeben, besonders nicht für diesen lästigen Blutsauger. So wandte Jane sich lächelnd an den sichtlich verwirrten Logan und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung in die Richtung des Hörsaals, um mit ihm den Weg dorthin fortzusetzen. Dabei zog sie ihn regelrecht mit, damit er nicht noch weiter von Aiden in ein Gespräch verwickelt werden konnte. „Bis dann“, rief Logan ihrem ehemaligen Cliquenmitglied zu, bevor er seine Freundin fragend ansah. „Mit dem hätte ich nicht mehr gerechnet!“ „Ich auch nicht…“, knurrte sie in einer Tonlage, bei der klar wurde, dass sie sich dieses Wiedersehen nicht gewünscht hatte. Der junge Mann zog die Brauen hoch. „Hattest du nicht gesagt, Aiden hätte das Land verlassen?“ „Scheinbar ist er zurückgekommen“, erklärte Jane in einem Tonfall, der Logan deutlich machte, dass er besser nicht weiterfragte. Sofort bereute sie ihre Gereiztheit und drückte entschuldigend seine Hand, doch ihr Freund kannte ihr Temperament und lächelte sie nur verständnisvoll an. Zumindest hatte er also keinen Unfrieden zwischen dem Paar gestiftet, was Aidens Glück war, denn sonst wäre Jane richtig wütend auf ihn gewesen. Die junge Frau konnte nur schwer hoffen, dass er sich nicht wieder als Student eingeschrieben hatte und ihr erneut auf die Pelle rücken würde. Immerhin wusste sie nicht, wie lange sie ihn nur ignorieren konnte, ohne mit einem Messer oder der Pumpgun auf ihn loszugehen. Verdient hätte er es jedenfalls. Im Vorlesungssaal angekommen, ließ sich die Wirtschaftsstudentin wie gewohnt mit ihrem Partner an einem geeigneten Platz nieder, ehe ihre Freunde dazu stießen und kurz darauf der erste Vorlesungstag des Semesters begann. Einige Stunden später verließ sie alleine das Gebäude, da Logan noch einen Kurs hatte. Auf dem Weg zu ihrem Wagen sah sie ihren Stalker auf einer Bank hocken, doch sie ignorierte ihn. Er hatte zwar irgendetwas von ´dringend` geredet, doch Jane stempelte seine Worte als eines seiner Hirngespinste ab. Wahrscheinlich war das nur eine Masche, um wieder mit ihr in Kontakt zu kommen - so, wie er es vor gut einem Jahr getan hatte. Darauf würde sie nicht noch einmal reinfallen. Schließlich hatte die Brünette aus dem Fehler gelernt und würde es nicht erneut zulassen, dass er sie irgendwie um den Finger wickeln konnte. Dementsprechend ignorierte sie den Vampir auf dem Parkplatz vollständig, als sie zu ihrem Wagen schlenderte und nach Hause fuhr. Sollte er doch warten, bis er schwarz wurde. Sie würde unter keinen Umständen nachgeben. Jane hatte gerade ihr Mittagessen beendet, als eine Nachricht von Gabriel sie in dessen Wohnung einlud, die nicht sehr weit von ihrem Anwesen entfernt lag. Daher lümmelte die junge Frau bereits kurze Zeit später auf der Couch ihres besten Freundes. Eigentlich hatte sie etwas für die Uni tun wollen, doch der Spanier hielt sie mit den Worten: „Es ist der erste Semestertag- Entspann dich!“, davon ab. Also sahen sie seine Lieblingsserie, eine spanische Sitcom, obwohl er sich ständig beschwerte, dass die Übersetzung schrecklich sei, aber Jane konnte eben kein Spanisch. „Sag mal, warst du jagen?“, fragte der Werwolf, der es sich größtenteils auf ihrem Schoss bequem machte. Auf Außenstehende mochte das wahrscheinlich falsch wirken, doch war es unter den beiden Kindheitsfreunden normal, so liebevoll (und vor allem körpernah) miteinander umzugehen. Schließlich waren sie für den jeweils anderen eine sehr enge Bezugsperson und so etwas wie ein Geschwisterteil, welches sie in der Familie nie gehabt hatten. Sofort war Jane klar, dass seine feine Nase den Vampirgeruch, der von ihr ausging, wahrgenommen hatte, und sie erschauderte ein wenig, als sie daran dachte, wie schnell Aidens Gestank auf sie übergegangen sein musste. Lange hatten sie sich immerhin nicht unterhalten, und berührt hatte er sie schon gar nicht. „Neeein…“, erklärte sie gedehnt, ohne ihren besten Freund anzusehen. Dieser zog, überrascht von der fehlenden Erklärung, die dichten Augenbrauen hoch. „Nich? Hm, dann ist dir der Mief wohl schon in den Klamotten hängengeblieben“, grinste er, woraufhin sie nur gekünstelt lächelte. „Du wirkst genervt“, stellte Gabe fest, da Jane sonst besser auf seine Witze reagierte. „Was ist los, Janie?“ Seufzend fuhr sie sich durch die Haare und lehnte sich zurück. Sie hatte Gabriel zwar von ihrer Bekanntschaft mit Aiden vor einem Jahr erzählt – sehr zum Entsetzen des Werwolfs – doch nicht berichtet, dass sie den Blutsauger auf ihrer Weltreise wiedergetroffen hatte. Bisher war sie davon ausgegangen, das wäre nicht nötig. Und im Moment hatte sie wirklich keine Lust, darüber zu reden. Am liebsten wollte sie den vergangenen Tag einfach vergessen und glauben, dass ihr Stalker wieder verschwinden würde, immerhin hatte sie ihm ihre Meinung sehr deutlich mitgeteilt. Doch ein Teil von ihr glaubte nicht, dass Aiden so vernünftig war. „Ich… Habe dir doch von diesem Vampir erzählt, mit dem ich vor einer Weile zusammengearbeitet habe“, fing sie an, woraufhin er angewidert das Gesicht verzog, jedoch nichts sagte, damit sie weitersprach. „Nun, ich habe ihn wiedergetroffen.“ „Hier?!“, fragte Gabriel, sich entsetzt aufsetzend. „Nein… Das, heißt, doch. Aber ursprünglich sind wir uns ins Rom über den Weg gelaufen, kurz bevor ich nach Hause gekommen bin. Wollte sich in meine Jagd einmischen und ist mir dabei vors Messer gelaufen.“ „Du hättest ihn genauso umlegen sollen wie den anderen“, fand Gabe, was Jane kurz aus dem Konzept brachte. Sicher, sie hasste Aiden dafür, dass er einfach so kommentarlos verschwunden war, doch deswegen würde sie ihn nicht töten. Genauso wenig, wie sie Emilia Jankes ermorden würde, mit der sie in der Schule auf Kriegsfuß gestanden hatte. Nur, weil man jemanden nicht ausstehen konnte, brachte man diesen doch nicht um. Doch, wie ihr rasch klar wurde, sah Gabriel das in Bezug zu Vampiren anders, und wenn sie ehrlich war, hätte sie es vor ihrer Bekanntschaft mit Aiden ähnlich handgehabt. Nicht, dass sie es freiwillig zugelassen hätte, ´Bekanntschaft` mit einem Blutsauger zu schließen; Aiden hatte sich ihr damals schließlich aufgedrängt. „Wahrscheinlich…“, murmelte sie etwas abwesend. Scheinbar entsetzt von ihrer Ruhe starrte der junge Spanier seine beste Freundin an. „Was soll das heißen, ´wahrscheinlich`? Irgend so ein Blutsauger lauert dir hier auf, und du sitzt gemütlich im Wohnzimmer und siehst fern! Was, wenn er Jagd auf dich macht? Was, wenn er Liz was antut?“ Erschöpft rieb Jane sich über die Augen. Sie hatte keine Lust, Gabriel ihre komplizierten Gefühle gegenüber Aiden zu erklären, wo sie nicht mal darüber nachdenken wollte, dass er sich wieder in London rumtrieb, scheinbar ganz erpicht darauf, sich erneut in ihr Leben zu drängen. Doch so nervig sie diese Tatsache fand, so sicher war sie, dass nach wie vor keine Gefahr von ihrem Stalker ausging. Dafür hatte er sich zu offensichtlich Sorgen um sie gemacht… Obwohl er das bestimmt nur erzählt hatte, um wieder an sie ranzukommen. Sie kannte diese Tricks und würde nicht wieder darauf hereinfallen! „Das ist… Kompliziert“, erklärte Jane ihrem empörten Freund recht lahm. „Aber von ihm haben wir nichts zu befürchten.“ „Aber…“ „Können wir über was anderes reden?“, unterbrach sie Gabriel. „Das ganze nervt mich schon genug.“ Er sah sie an, als könne er nicht fassen, all das aus dem Mund der Vampirjägerin zu hören, nickte jedoch folgsam, da er keine Lust hatte, sich mit ihr zu streiten. So verbrachten sie einige lustige Stunden miteinander, bevor Jane sich mit deutlich besserer Laune wieder nach Hause begab. Ihre von Gabriel aufgehellte Stimmung fiel allerdings rasch wieder ins Bodenlose, als sie bereits in der Einfahrt eine Gestalt erblickte, bei der sie wusste, dass gleich etwas Unangenehmes folgen würde. Als sie ausstieg und Aiden erkannte, wäre sie am liebsten wieder in den Wagen gestiegen, um Vollgas zu geben und ihn zu überfahren. Da ihr Auto das wahrscheinlich nicht unbeschadet überstehen und so ein 'Unfall' zu viel Aufsehen erregen würde, unterließ sie es. Stattdessen seufzte die Brünette auf und ging auf das Haus zu. Jedoch versperrte Aiden ihr den Weg zur Tür, weshalb sie wohl oder übel vorerst innehalten und seinen Worten unfreiwillig Gehör schenkte. "Ich weiß, dass du nicht mit mir sprechen möchtest, und ich verstehe jetzt, wieso. Es tut mir wirklich leid, dass ich einfach gegangen bin, aber ich… Ich hatte meine Gründe… Und jetzt hab ich auch einen Grund, weshalb ich dich nicht einfach in Ruhe lassen kann. Bitte, hör mir nur fünf Minuten zu, dann lasse ich dich ein für alle Mal in Ruhe", versprach er, schon fast verzweifelt, wobei er sich aber resolut zwischen sie und die Haustür stellte. Die junge Frau hörte zwar seine Entschuldigung, doch prallte diese einfach an ihr ab. Dafür war es wirklich zu spät. Außerdem sah sie nicht ein, weshalb sie diese annehmen sollte. Die Tatsache, dass Aiden sie in Rom darauf angesprochen und bis vor kurzem wahrscheinlich nicht einmal gewusst hatte, warum sie so wütend gewesen war beziehungsweise ihn ignoriert hatte, zeigte doch, dass er sich in der langen Zeit nicht einmal Gedanken darüber gemacht hatte. Er hatte doch gut ein Jahr mit seiner Ignoranz leben können - sollte er es doch weiter tun! Bestimmt zeigte der Vampir momentan nur Reue, weil es zu seinem Plan gehörte oder er irgendetwas von ihr benötigte. Möglicherweise war es auch sein Ego, das ihn dazu trieb. Egal, welcher Grund dahintersteckte - sie wollte ihm nicht verzeihen und den Gefallen tun, seine Entschuldigung anzunehmen. "Verpiss dich und steck dir deine Worte sonst wohin", zischte Jane dementsprechend gehässig und wollte sich ihren Weg an ihm vorbei bahnen, als er sich wieder vor sie stellte. "Ich…", fing er wieder an, doch Jane ließ ihn nicht weitersprechen. Deutlich genervt knirschte die Vampirjägerin mit den Zähnen, zückte dann ohne jegliche Erklärungen zwei ihrer speziellen Messer und warf sie in Aidens Richtung. Dabei merkte man schnell, dass sie ihn damit nicht nur einschüchtern wollte. Sie wollte ihn wirklich treffen und verletzen - und dabei zuckte sie nicht einmal mit den Wimpern, sondern blickte ihn kühl an. Er dagegen wirkte ganz und gar nicht beherrscht, man merkte ihm an, dass ihm der Schmerz noch deutlich in Erinnerung war, den diese Klingen in Rom bei ihm hervorrufen hatte, und er war ganz und gar nicht scharf darauf, diese Erfahrung zu wiederholen. Da er allerdings stark und flink war, schaffte er es auszuweichen, und die Messer blieben neben der jetzt freigeräumten Haustür stecken. Na also! Ohne den Vampir eines weiteren Blickes zu würdigen, zog die Brünette die Wurfgeschosse aus der Hauswand und verschwand im Anwesen. Drinnen angekommen, begab sich sie in ihr Zimmer, um für die Universität zu arbeiten, wobei es allerdings eine ganze Weile dauerte, bis sie ihre Anspannung betreffend des Vampirs gänzlich loswerden konnte. So sehr sie ihn ignorieren wollte - ganz kalt ließ sie sein plötzliches Erscheinen nicht. Vielleicht sollte sie doch auf Gabes Rat hören und ihn einfach eliminieren. Selbst nach mehreren Wochen ballte Janes rechte Hand sich zur Faust vor Wut, als sie sich an seine dumme Frage in der italienischen Hauptstadt erinnerte. “Kannst du mir bitte erklären, was ich getan habe?“ Was er getan hatte? Er wusste tatsächlich nicht, was er getan hatte?! Nach all den Dingen, die zwischen ihnen vorgefallen waren und nach all dem Wissen über sie, welches er während der gemeinsamen Zeit in Erfahrung gebracht hatte, wusste er nicht, was er mit seinem plötzlichen und kommentarlosen Abgang angerichtet hatte? Die Tatsache, dass ihr unliebsamer Verfolger augenscheinlich wirklich nicht gewusst hatte, weshalb sie alles andere als gut auf ihn zu sprechen gewesen war, war Jane unbegreiflich erschienen. Schließlich, so fand sie, war es doch klar gewesen, dass sie sich ihm vor einem Jahr geöffnet und somit in ihr Leben gelassen hatte. Ihr Verhalten gegenüber Eldric, als dieser damals mal wieder den Eid angeschnitten hatte, hatte doch Bände gesprochen. Aiden war es doch selbst gewesen, der die Analyse diesbezüglich angestellt und das Ganze mit den Worten 'Wir ziehen es in Betracht' korrekt interpretiert hatte. Wie also konnte er nicht sehen, was - in ihren Augen - so verdammt offensichtlich war? Aber sie war selbst schuld, schalt sie sich grimmig, immerhin hatte sie den Blutsauger wider besseren Wissens in ihr Leben gelassen. Diesen Fehler würde sie nicht noch einmal begehen. Irgendwann schaffte sie es, ihren Stalker in die hinterste Ecke ihrer Gedanken zu verbannen und sich gänzlich den Vorbereitungen und Revisionen der Vorlesungen zu konzentrieren. Zwei Stunden später beschloss Jane, genug gearbeitet zu haben. Sie schaltete den PC ab und nahm sich ein Buch, dann machte sie es sich in ihrem Bett gemütlich. Ihre Lektüre schon aufgeschlagen, las sie eine Nachricht von Logan, die sie zum Lächeln brachte. Doch sie hatte kaum eine halbe Stunde gelesen, als es an der Haustür sturmklingelte. Da Elizabeth ausgegangen war, schwang ihre Tochter sich ziemlich genervt aus dem Bett und öffnete, wobei sie mehr als nur ein bisschen überrascht war, plötzlich vor Gabriel zu stehen. Oder besser hinter ihm, denn er hatte ihr den Rücken zugewandt und streckte schützend den Arm aus, als er merkte, dass seine beste Freundin hinter ihm aufgetaucht war. Kurz war sie verwirrt, doch als sie unter seinem Arm durchspähte, sah sie, was den Werwolf so aufgeregt hatte, und seufzte. Aiden – Wer sonst? Sobald sie den Störenfried geortet hatte, fiel ihr Blick wieder auf Gabriel, und ihr stockte der Atem. Er sah ganz so aus, als hätte jemand versucht, ihn in Stücke zu reißen. Seine Arme und sein Nacken waren voller Kratzer, und ein gehetzter Ausdruck lag in seinen dunklen Augen. "Oh Gott, Gabe! Was ist denn mit dir passiert?!", kam es bestürzt über Janes Lippen, nachdem sie die anfängliche Verblüffung überwunden hatte. Sie packte ihn am Arm, worauf der Wolf kurz schmerzhaft aufstöhnte und besah sich die hässlichen Wunden. Ihr Blick fiel dann auf Aiden, der ebenfalls verletzt schien, wenn auch nicht so stark wie der Werwolf. Daraus ließ sich leicht erschließen, was wohl geschehen war. "Pass auf, Jane! Diese ekelhafte Bestie hat gerade eben eine junge Frau angegriffen und hat es wohl auf dich abgesehen!", sprach Gabriel, ohne sich von der Stelle wegzubewegen. Unwillkürlich lachte Aiden auf. "Wer von uns ist denn gerade als blutgetränkte Promenadenmischung durchs Gebüsch gekrochen?", erinnerte er ihn, obwohl er selbst nicht gerade aussah wie das blühende Leben. Zuerst hatte er genauso angespannt gewirkt wie Gabriel, doch als er merkte, dass dieser Jane nicht angriff, entspannte er sich. Dabei lag allerdings ein überheblicher, kühler Ausdruck auf seinem Gesicht, den Jane so noch nie gesehen hatte, der aber ein wenig an sein Verhalten gegenüber Lucas erinnerte. Ein leises Seufzen entwich Janes Lippen, ehe sie den Kopf schüttelte. Na toll. Da war ihr ehemaliger Mitbewohner kaum wieder da, schon schaffte er es, ein verdammtes Chaos anzurichten und ihren besten Freund zu malträtieren. Die Tatsache, dass er ebenfalls verletzt war, ignorierte sie - mal wieder - gekonnt. "Vergiss es, Gabe. Komm lieber rein. Wir müssen deine Wunden versorgen." Anstatt auf die Worte der Vampirjägerin einzugehen, trat der Schwarzhaarige einen Schritt auf Aiden zu und blickte ihn mit verengten Augen an. "Wenn du es wagst, ihr nur ein Haar zu krümmen, dann werden mein Rudel und ich dich in tausend Einzelstücke reißen!", drohte der angehende Alpha-Wolf seinem Gegenüber, "Jetzt hab ich aber Angst", spottete der Untote. "Aber keine Angst, ich bin aus demselben Grund hier wie du. Ich habe mir Sorgen um Jane gemacht", sagte er dann etwas milder, wobei er sich einen Seitenblick auf die Dame erlaubte. Knurrend machte Gabriel einen Schritt nach vorne, wobei er jedoch einen Ruck nach hinten spürte. Jane hatte ihn am Arm gepackt und zurückgezogen. "Vergiss ihn und komm endlich rein!", sagte die Brünette mit Nachdruck, worauf der Angesprochene nur verständnislos die Stirn runzeln und sie ebenso irritiert ansehen konnte. "Wie, ich soll rein?! Jane! Vor deiner Haustüre steht ein verdammter Vampir, der nach dir riecht! Es ist offensichtlich, dass er dich wohl schon seit einiger Zeit verfolgt! Wir müssen ihn umlegen!" Verdammt nochmal. Mittlerweile überlegte sich die Wirtschaftsstudentin wirklich, ob es nicht besser gewesen wäre, dem fünfhundert Jahre alten Vampir zuzuhören. Vielleicht wäre er dann ja verschwunden. Da ihr nun aber keine andere Wahl blieb, als mit der Sprache herauszurücken, fuhr sie sich durch die Haare. "Wir müssen ihn nicht umlegen - noch nicht. Er ist ... Er ist der, den ich kenne, okay? Und jetzt komm endlich rein, Gabe!", kam es etwas säuerlich und zähneknirschend über Janes Lippen, bevor sie einen Schritt zurück und an die Tür trat, damit ihr bester Freund ins Haus kommen konnte. Natürlich würde sie es Aiden niemals erlauben, ebenfalls reinzukommen. Der Vampir nutzte die Sturheit des anderen übermenschlichen Wesens, das immer noch versuchte, sich auf ihn zu stürzen, um Jane anzusprechen, wobei er die Drohungen und Beleidigungen Gabriels einfach ignorierte: "Jane, kann ich dir bitte einfach sagen, wieso ich hier bin? Jetzt, wo ich sehe, dass du mit... Solchen Kreaturen verkehrst, ist es umso dringender." Er sah Gabriel nicht an, aber seine Geringschätzung war überdeutlich zu hören. Seine Worte ließen sie sogar für einen kurzen Moment aufhorchen, sodass sie es sich durch den Kopf gehen ließ. Allerdings hielt sie das für einen unangemessenen Zeitpunkt und für den falschen Ort. Außerdem war sie viel zu sauer darüber, dass der Vampir den Werwolf so übel zugerichtet hatte, als dass sie ihm ruhig hätte zuhören können. Zudem stand ihr der immense Stolz noch immer im Weg. Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass die junge Frau schlussendlich kein Wort zu ihrem ehemaligen Mitbewohner sagte, und sich mit dem Spanier ins Haus zurückzog, wo sie sich gleich um seine Wunden kümmerte. Dabei nutzte ihr Kindheitsfreund natürlich die Chance, sie über den Aiden auszufragen. Schließlich war es ungewöhnlich, dass sie als Vampirjägerin und ein Mensch, der den Vater an einen dieser Blutsauger verloren hatte, ihn einfach so hatte davonkommen lassen. So verbissen, wie Jane sonst immer auf der Jagd gewesen war, war diese 'lockere' Einstellung ziemlich widersprüchlich gewesen. Er hatte sowieso nie verstanden, wie es zu dieser ´Bekanntschaft` gekommen war, von der Jane berichtet hatte. Er würde sich nie mit einem Blutsauger bekanntmachen. "Es ist... eine lange und eher kompliziertere Geschichte...", Erklärte Jane zögerlich und eher widerwillig, da sie eigentlich nicht darüber reden wollte und es - obwohl sie es nicht zugeben wollte - gewisse Wunden in ihr aufriss, die sie am liebsten begraben hätte. Dennoch wollte sie ihrem besten Freund diese Erlebnisse nicht vorenthalten, da er als möglicher Partner und als wichtige Bezugsperson irgendwie ein Anrecht darauf besaß, davon zu erfahren. Als er merkte, wie sehr ihr diese Geschichte zu schaffen machte, wurden Gabriels Züge etwas weicher und er legte die Hand auf Janes. „Hör mal, du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Ich weiß ja so ungefähr, was los war…“ „Nein… Doch… Ich will ja“, murmelte die Brünette ungewöhnlich konfus. Sie fuhr sich durchs Haar, sah aus dem Fenster und holte tief Luft, bevor sie ihrem besten Freund die Details ihrer Zeit mit Aiden darlegte. Zwar verringerte die Kenntnis über das Vergangene keineswegs Gabriels Abneigung gegenüber dem fünfhundert Jahre alten Vampir, doch brachte es ihn auf den neuesten Stand und er konnte dadurch das Ganze auch eher aus einer anderen, neutraleren Perspektive betrachten. Es war nicht so, dass er die Anwesenheit des unliebsamen Nachstellers guthieß, doch konnte er es nicht verhindern, dass er ihm einen klitzekleinen Bonuspunkt dafür gab, dass er auf die Brünette aufgepasst hatte und um ihr Wohl besorgt war. „Und ihr?“, fragte Jane, nachdem sie mit Aidens unangekündigter Flucht geendet und die Freunde eine Weile nachdenklich geschwiegen hatten. „Wie ist es zu dieser Prügelei gekommen?“ Das Verständnis für den Vampir, das er kurz gezeigt hatte, verschwand so schnell, wie es gekommen war, und Gabriel rieb sich missmutig den inzwischen bandagierten Arm. „Ich hab im Wald eine Kontrollrunde gedreht, als ich gemerkt hab, dass ein Blutsauger da zugange war. Ich hab ihn angegriffen und versucht, von dem Mädchen wegzukriegen, aber er war… Nun, ziemlich kräftig“, gab der junge Mann widerwillig zu, was Jane nicht überraschte. Immerhin war der Werwolf noch nicht ausgewachsen, während der Vampir fast 500 Jahre alt und entsprechend stark war. Es wunderte sie eher, dass Aiden Gabriel nicht in Stücke zerlegt hatte, doch die Erklärung dafür bekam sie in der weiteren Erzählung des Spaniers: „Er schien aber gar nicht so richtig kämpfen zu wollen – faselte ständig was davon, dass ich einfach gehen sollte, er würde die Frau schon nicht töten… Als hätte ich ihm das geglaubt!“ Jane hatte keine Lust, Gabriel zu erzählen, dass der betreffende Blutsauger seiner Opfer tatsächlich nicht tötete. Erstens konnte sie nicht wissen, ob er sich immer noch an diese Restriktion hielt – immerhin war ihre Zusammenarbeit fast ein Jahr her, und er hatte sich nur ihr zuliebe derart beschränkt. Und zweitens lag ihr nichts daran, Aiden in einem besseren Licht dastehen zu lassen, das hatte er gar nicht verdient. „Dann hab ich mich auf ihn gestürzt und irgendwas an ihm… Hat sich verändert“, fuhr Gabriel fort, der jetzt die Stirn runzelte. „Vorher wollte er nicht wirklich kämpfen, aber als wir so nah waren, ist er plötzlich richtig aggressiv geworden… Zu dem Zeitpunkt hab ich übrigens dich an ihm gerochen, deswegen bin ich hergekommen. Ich hatte Angst, dass er dich angreifen würde.“ Wahrscheinlich war es Aiden ähnlich ergangen: Er hatte Janes Duft an Gabriel gewittert und war ausgetickt. Sie kannte diese Reaktion von ihm von gemeinsamen Jagden; er war immer ruhig und legte es nicht auf Gewalt an, es sei denn, er sah sie in Gefahr. Dass sie all das noch so genau wusste, ärgerte die Vampirjägerin. Sie hatte doch fast ein Jahr daran gearbeitet, es zu verdrängen. Trotzdem blieb ihr nicht anderes übrig, als weiter darüber zu reden, denn Gabriel wollte ein paar Antworten. „Wie gesagt, ich halte ihn nicht für gefährlich… Allerdings sollten wir ihn im Auge behalten.“ „Das werde ich, ganz sicher!“, knurrte der Spanier. „Er ist immerhin ein verdammter Stalker, und noch dazu gefährlich – egal, ob er sich dir gegenüber als friedfertig getarnt hat“, fügte er hinzu, als Jane den Mund öffnete. „Danke, Gabe“, lächelte Jane, ehe sie das Thema wechselte. Eine Weile später brach der Werwolf dann auf, immerhin war es bereits spät. Die Vampirjägerin ging zu Bett, musste allerdings feststellen, dass ihre Gedanken hartnäckig um die Vergangenheit kreisten. Sie konnte nicht fassen, dass sie beinahe einen bindenden Packt mit diesem verräterischen Untoten eingegangen wäre. Denn er konnte erzählen, was er wollte, ihm musste bewusst gewesen sein, wie sehr er sie – und ihre Mutter, mit der er doch so gut befreundet gewesen war! – verletzen würde. Ein kleiner Teil von ihr redete ihr ein, dass er es eben doch nicht gewusst hatte, dass er vor ihrer Bekanntschaft so lange alleine gewesen war, dass er es einfach nicht verstanden hatte. Doch der weit größere Teil von ihr ergötzte sich lieber am eigenen Zorn. Dieser schlug sich in unangenehmen Träumen nieder. Sie erlebte nochmal ihre gemeinsamen Jagden, doch seltsam verzerrt. Statt hilfreich und schützend, zeigte der Traum-Aiden sich verschlagen, kriecherisch und jammernd. Obwohl sie sich bei weitem nicht an alles erinnern konnte, erwachte sie am nächsten Morgen unausgeruht und nervös. Trotzdem freute sie sich, als sie später im Vorlesungsaal Logan, Benjamin, Cynthia und Kate traf. Gabriel war ebenfalls da, und die anderen waren recht überrascht über das ramponierte Aussehen des Werwolfes. Zwar war das Meiste aufgrund seines Wolfblutes bereits verheilt, doch waren einige Flecken an seinen unbedeckten Armen noch deutlich zu sehen. Selbst seine Nase - die zum Glück nicht gebrochen war - hatte einiges abbekommen, sodass er nicht umhin gekommen war, einen speziellen Verband darüber zu kleben. Jedoch würde es keine zwei Tage dauern, bis er wieder wie neu aussehen würde. „Hättest du nicht lieber zu Hause bleiben sollen?“, fragte Jane leise, während alle ihre Sachen auf die Tische legten. Den Freunden hatte der Spanier erzählt, er hätte sich beim Sport verletzt, und sie schienen sich mit dieser Erklärung zufrieden zu geben. „Und du?“, fragte Logan, als das Gespräch sich von dem ramponierten Spanier abgewandt hatte und die anderen miteinander plauderten oder auf ihre Handys sahen. „Du siehst angespannt aus“, fügte er auf Janes überraschten (und ertappten) Blick hinzu und ergriff ihre Hand. Sie biss sich auf die Unterlippe und sah wo anders hin. Es fiel ihr nicht leicht, ihren Freund zu belügen, doch zu seinem eigenen Schutz war es besser so. Allerdings kam sie nach kurzem Nachdenken zu dem Schluss, über Aiden unabhängig von seiner Rasse sprechen zu können. „Es ist, weil Aiden wieder hier aufgetaucht ist und scheinbar Kontakt aufnehmen will“, erklärte sie vage. „Ich… Hatte einfach nicht damit gerechnet.“ Logan, dem sie damals – so wie ihren anderen Freunden – eine Ausrede für das Verschwinden ihres damaligen Mitbewohners aufgetischt hatte, runzelte die Stirn. Sie hatte ihre Freunde nicht angeschwindelt, um den Vampir zu schützen, sicher nicht. Sondern weil sie sich nicht damit hatte auseinandersetzen wollen, wie schwer sein Weggang sie getroffen hatte. So wusste aber weder ihr Liebster, noch der Rest der Clique, warum Jane so schlecht auf Aiden zu sprechen war. Allerdings hielt Logan sich mit Fragen zurück, sondern lächelte seine Freundin nur aufmunternd an. „Es wird sich alles klären. Und wenn du jemanden zum Reden brauchst, bin ich für dich da.“ Eine Welle von Dankbarkeit, Schuldbewusstsein und Zuneigung überschwappte Jane, die sich nicht anders auszudrücken wusste, als sich vorzulehnen und ihm einen zärtlichen Kuss zu geben. Dieser wurde allerdings von Gabriel unterbrochen, der sie sacht in die Seite stupste. "Er ist hier", erklärte der Südländer, der zwar ein wenig demoliert aussah, aber noch immer hervorragend riechen konnte, wodurch er den Vampir gewittert hatte, bevor ihn jemand anderes entdeckte. Jane seufzte tief und verfolgte mit den Blicken, wie Aiden sich einige Reihen von ihrer Clique entfernt niederließ. Ihre Freunde schienen ihn nicht erkannt zu haben. Jane ahnte wohl, dass ihr Verfolger auf altbekannte Mittel zurückgreifen wollte und sich sehr wahrscheinlich erneut als Student eingeschrieben hatte. Dabei fragte sich die junge Frau gar nicht, wie er es geschafft hatte, einfach in einen Masterstudiengang reinzukommen. Immerhin gab es heutzutage mehr als genug Mittel und Wege, Papiere und Dokumente zu fälschen. Da die Vorlesung ziemlich direkt nach seinem Eintreffen im Hörsaal begann, hatte sie Glück und musste sich nicht weiter mit dem Vampir auseinandersetzen, sondern konzentrierte sich auf den Stoff, der unterrichtet wurde. Als die Stunden gegen Mittag beendet waren, verabschiedete sich die Brünette von Logan und ihren Freunden, da alle - aufgrund des Stundenplanes - etwas Anderes vorhatten. „Soll ich mich um den kümmern?“, fragte Gabriel halblaut, wobei er in Richtung des Vampirs nickte, der sich noch in der Nähe herumdrückte, sich der Gruppe allerdings nicht näherte. Jane schoss dem Untoten einen vernichtenden Blick zu, schüttelte an ihren besten Freund gewandt jedoch den Kopf. „Ich krieg das schon hin. Bis dann.“ Als sich am Eingang des Universitätsgebäudes die Wege trennten, begab sich Jane zu ihrem Wagen, wobei sie natürlich bemerkte, wie Aiden ihr folgte. Zwar hielt sie vor dem Einsteigen kurz inne, weil sie den Drang verspürte ihn anzufahren, doch entschied sie sich dazu, ihn einfach wieder zu ignorieren und direkt nach Hause zu fahren. Sie wollte nicht, dass ihr Leben aus dem Ruder lief oder seinen gewohnten Gang verlor, weil er wieder aufgetaucht war - auch wenn sie insgeheim wusste, dass dies wohl früher oder später geschehen würde... Es war überaus erleichternd für die Vampirjägerin, im Rückspiegel zu sehen, dass der Vampir ihr nicht folgte und auf dem Parkplatz stehen blieb, als sie losgefahren war. Schließlich hätte er sich - wenn er verrückt genug gewesen wäre - schnell genug vor ihren Wagen stellen oder die Tür aufreißen und sich auf dem Beifahrersitz niederlassen können. Sie meinte zwar, in seinem kleiner werdenden Gesicht einen angespannten – fast schon genervten – Zug zu erkennen, den sie von seinem ihr gegenüber immer freundlichen Antlitz nicht gewohnt war, doch es war ihr gleich. Umso besser, wenn sie ihn nervte, vielleicht würde er dann endlich das Weite suchen. Das zumindest redete die junge Frau sich auf dem Heimweg ein, wobei sie den nagenden Verdacht, dass es nicht so einfach werden würde, ihren Stalker loszuwerden, unterdrückte. Selbst, als ihre Mutter nach ein paar Stunden anrief und sagte, sie würde zum Abendessen ausgehen, war sie zwar überrascht, ahnte jedoch noch nichts Böses. Kapitel 3: Endstation --------------------- Es hatte länger gedauert, als Aiden hätte zugeben wollen, bis ihm klargeworden war, wieso Jane so sauer auf ihn war. Doch nach seiner Ankunft in London und ihren unangenehmen Begegnungen hatte es ihm langsam gedämmert. Als er gegangen war, hatte er sich eingeredet, dass sie ihn nur in ihrer Nähe akzeptiert hatte, weil er ihr nützlich gewesen war. Doch in Wahrheit hätte sie ihn dafür nicht bei sich wohnen lassen müssen. Sie hätte ihn dafür nicht in ihren Freundeskreis integrieren müssen, Zeit mit ihm verbringen müssen. Und vor allem hätte sie ihn nicht von ihrem Blut trinken lassen müssen. Er hatte sie deswegen zwar gescholten, aber eigentlich musste Jane doch ganz genau gewusst haben, in was für eine Gefahr sie sich begab, wenn sie ihm ihr Blut gab, sie lernte seit mehr als zehn Jahren über seine Spezies. Und doch hatte sie an jenem Halloween-Abend, der so lange her zu sein schien, nicht gezögert, sondern sogar darauf bestanden. Sie hatte ihm also vertraut und ihn in ihrem Leben akzeptiert. Sie hatte ihm vertraut, obwohl er das nicht wert gewesen war, und dann hatte er sie einfach stehen gelassen. Aiden hatte nicht mal den Mut aufgebracht, ihr Auf Wiedersehen zu sagen, nachdem sie ihren Stolz und ihre Vorurteile für ihn überwunden hatte. Plötzlich, nach zwei Wochen unangenehmer Ahnungen, verstand er endlich, warum sie ihn hasste, und weiß Gott, sie hatte Recht damit. Er war so ein Feigling… Schon in Rom hatte er es wieder nicht gewagt, ihr noch mal unter die Augen zu treten und ihr einfach zu erklären, was vorgefallen war. Jane hatte es ertragen, dass er ihre Gefühle verletzt hatte, aber er wollte das nicht nochmal tun. Aus Angst vor ihrer begründeten Verachtung hatte er sich lieber in ihrem Schatten herumgetrieben und darauf gewartet, dass irgendetwas passieren würde. Und jetzt in London schaffte er es nicht mal, zwei Worte mit ihr zu wechseln, ohne, dass sie mit Waffen auf ihn losging. Stattdessen hatte er sich mit diesem südländisch aussehenden Jungen geprügelt, den sie scheinbar persönlich kannte. Er wusste zwar nicht, was es mit diesem Welpen auf sich hatte - Und er bezweifelte, dass der Bursche eine Gefahr für Jane gewesen wäre - Aber im Zusammenhang mit Vincents Auftauchen änderte ein Werwolf in Janes Bekanntenkreis, noch dazu ein Alpha, einfach alles. Sie war in noch größerer Gefahr, als er angenommen hatte. Andererseits machte der Junge sich offensichtlich Sorgen um sie, sodass Aiden vielleicht mit ihm sprechen könnte. Nun, wenn er sich diese Möglichkeit durch sein ungewöhnlich impulsives Angreifen nicht verbaut hatte. Doch er musste es versuchen, denn die Vampirjägerin würde sie sich wohl kaum davon überzeugen lassen, den Kontakt mit ´Gabe` abzubrechen. Da könnte er ihr genauso gut raten, sich von Logan zu trennen. Inzwischen war Aiden seit einer Woche in seiner Heimat, wesentlich länger als eigentlich geplant. Sein schlechtes Gewissen nagte zwar nach wie vor schmerzhaft an seinem Magen, doch zu dem Zeitpunkt kam ihm die Idee, Jane mit Gewalt festzunageln, bis sie wusste, was sie wissen musste, schon gar nicht mehr so abwegig vor. Jedenfalls konnte sie es vergessen, dass er sie einfach so wieder in Ruhe ließ. Egal, wie sehr er es verdient hatte, von ihr gehasst zu werden, sie nervte Aiden gerade wahnsinnig, und er hatte nicht vor, das auf sich sitzen zu lassen. Würden sie doch mal sehen, wer am Ende den längeren Atem hatte - Und sie sollte nur bedenken, dass er eine Ewigkeit Zeit hatte, zu warten. Jedenfalls konnte sie vergessen, dass er so einfach aufgab, und solange sie in Gefahr war, würde er sich sicherlich nicht von ihr fernhalten. Als er am nächsten Morgen an der Uni auftauchte, war sie schon da gewesen, aber er hatte sich mit Absicht ein wenig entfernt von ihr hingesetzt. Er wollte sie nur im Auge behalten und sie nicht kennenlernen, so wie im letzten Herbst. Dabei musste er sich zwar mit dem Anblick von Logan an ihrer Seite auseinandersetzen, aber das fiel ihm leichter, als er selbst erwartet hatte. Sie sah glücklich aus, das freute ihn, und er wollte nicht, dass dieses Glück gestört wurde. Wenn er ihr dafür wieder auf die Pelle rücken musste, würde er das eben notgedrungen tun. Er schlenderte ihr hinterher zum Parkplatz und sah zu, wie Jane davon fuhr. Er hatte versucht, auf normalem Wege mit ihr zu sprechen, und nichts erreicht. Dann musste er eben eindringlicher werden. Und er hatte schon eine genaue Vorstellung, wie das ablaufen würde. So leicht, wie Aiden sich das vorgestellt hatte, war sein Plan dann aber doch nicht umzusetzen. So lungerte er eine Weile nervös vor einer gewissen Arztpraxis herum, nicht sicher, wie er es angehen sollte. Immerhin gab es einen Grund, warum er sich nicht direkt an Elizabeth gewandt hatte. Zwar glaubte er nicht, dass die Ärztin genauso wütend auf ihn war wie ihre Tochter, aber wie ihre Tochter hatte er sie einfach sitzen gelassen, nachdem sie so großzügig und offen ihm gegenüber gewesen war. Die beiden hatten sich verstanden, waren sogar Freunde geworden. Er könnte es also verstehen, wenn sie ihn ebenso wenig sprechen wollte wie Jane. Ursprünglich hatte er überlegt, die Praxis zu betreten, aber er wollte nicht ihre Arbeitszeit, die ihren Patienten vorbehalten war, mit einem Gespräch verschwenden. Also wartete Aiden, bis die Ärztin ihre Praxis verließ, und trat dann auf sie zu. "Frau Doktor…?", sprach er sie unsicher an. "Ja?", lächelte sie, während sie sich umdrehte, wobei sie allerdings kurz stockte, als sie ihren ehemaligen Untermieter erkannte. "Oh." "Tut mir leid, dass ich Sie so plötzlich anspreche…", erklärte er, wieder in die Höflichkeitsform verfallend, weil sie sich lange nicht gesehen hatten und wohl auch irgendwie, um seine ursprüngliche Unhöflichkeit ein wenig zu revidieren. "Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?" „Ich… Nun… Gut“, stimmte die Ärztin ein wenig überfahren zu. Aiden lächelte sie strahlend an. „Vielen Dank... Lassen Sie mich Sie zum Essen einladen, dann können wir reden.“ Dieser Vorschlag zeigte, dass dem Vampir ein längeres Gespräch vorschwebte. Elizabeth runzelte erst ein wenig die Stirn, bedeutete ihm dann aber mit einem Seufzen (das Aiden sehr an ihre Tochter erinnerte) ihr in ein nahegelegenes Restaurant zu folgen, in dem sie öfter ihre Pausen verbrachte. Unterwegs rief sie Jane an, um ihr mitzuteilen, dass sie später nach Hause kommen würde und auswärts aß. Wenig später saß das ungewöhnliche Gespann an einem gemütlichen Tisch und beäugte sich abschätzend. Nervös hatte Aiden die Hände um sein Glas gelegt und drehte es hin und her. Wo sollte er nur anfangen. „Mrs McCollins, ich…“ „Du darfst mich ruhig weiter Liz nennen, Aiden“, unterbrach Elizabeth freundlich. Dem Vampir schnürte sich der Magen zu, hatte er so viel Nettigkeit doch wirklich nicht verdient. Aber er nickte und fuhr fort: „Liz, ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut, was ich letztes Jahr gemacht habe. Ich weiß nicht, ob Jane dir das erzählt hat, aber sie wäre damals beim Training im Zirkel fast erschlagen worden und ich…“ Aiden zögerte, ihr zu erklären, dass er Jane ´Mylady` genannt und ihr somit offenbart hatte, wie sehr er Lady Jane Greys und ihre Person noch miteinander vermischte. Inzwischen fiel es ihm leichter, die beiden Frauen auseinanderzuhalten. Er hatte Zeit gehabt, seine Erinnerungen und Gefühle zu sortieren, und überhaupt zu verarbeiten, dem Ebenbild der Liebe seines Lebens zu begegnen, obwohl diese doch seit über 400 Jahren tot war. Diese Erkenntnisse hatte er Jane noch nicht mitteilen können, da sie ihn ja nicht zu sprechen wünschte, und es ihrer Mutter zu sagen, brachte er nicht über sich. Er mochte Elizabeth, doch das waren sehr intime Vorgänge in ihm. Also fuhr er knapp fort: „Ich habe etwas sehr Dummes gesagt, und wir haben uns gestritten. Danach… Ich weiß selbst nicht mehr, was ich gedacht habe, es war alles… So konfus.“ Zögernd sah er zu seinem Gegenüber, die ihn aufmunternd anblickte. Aiden bekam etwas Bedenkzeit durch den Kellner, der das Essen der Ärztin brachte, dann erzählte er weiter: „Ich habe mir eingeredet, es wäre besser, wenn ich ginge. Dass Jane will, dass ich gehe… Und bevor ich richtig überlegt hatte, saß ich schon im Flieger. Es tut mir so leid, dass ich mich nicht mal verabschiedet habe, wirklich.“ „Ich verstehe“, sagte Elizabeth leise, die sich mit ihrem nächsten Bissen Zeit nahm, um über das Gehörte nachzudenken. Dann sah sie Aiden offen an und erklärte: „Nun, ich kann nicht behaupten, dass ich es gut heiße, was du getan hast. Du hast Jane mehr wehgetan, als sie sich selbst eingestehen möchte, weißt du?“ Traurig senkte der Vampir den Blick. „Ja, das ist mir inzwischen klargeworden – zu spät, fürchte ich.“ „Na ja, ich glaube, ich verstehe dich jetzt ein wenig besser und glaube, du hattest deine Gründe. Nur glaube ich nicht, dass Jane sich davon so leicht überzeugen lassen wird. Und wegen ihr bist du wieder hier, nehme ich an?“ Ein wenig verlegten nickte Aiden. „Ich muss ihr etwas wirklich Wichtiges sagen. Es geht um euer beider Sicherheit.“ „Was ist passiert?“, fragte Elizabeth sofort alarmiert. „Nichts konkretes“, wehrte der scheinbar so junge Mann ab. Er hatte sie nicht beunruhigen wollen! „Es ist… Mehr ein Verdacht, aber ich will, dass sie gewarnt ist.“ Die Ärztin schien etwas verwirrt, nickte schließlich jedoch langsam. „Gut. Ich werde versuchen, mit ihr zu reden.“ „Danke, Liz. Ich weiß das wirklich zu schätzen“, lächelte Aiden und griff unwillkürlich über den Tisch nach ihrer Hand. Ebenfalls mit einem Lächeln drückte sie seine Finger, ehe sie sich wieder ihrer Pasta widmete. „Natürlich… Aber jetzt erzähl mir erstmal, was du im letzten Jahr gemacht hast.“ Das tat er, und so verging der restliche Abend vergnüglicher als der Anfang. Ein paar Stunden später stieg Elizabeth in ihren Wagen, um nach Hause zu fahren. Verabschiedend hob er die Hand, dann kehrte er für eine Weile in sein Zimmer zurück. Es wäre ihm lieber gewesen, anderweitig unterkommen zu können, aber da er nicht in London bleiben würde, wenn er die Sache mit Jane geklärt hatte, wäre das sinnlos. Nun, viel Zeit verbrachte er sowieso nicht im Hostel. Auch jetzt machte er sich wieder auf den Weg, um in der Nähe des Anwesens Wache zu halten. Aiden war bereits eine Weile dort, als er hörte, wie die Gartentür sich öffnete. Natürlich roch er sofort, welche der Damen sich für einen abendlichen Spaziergang entschlossen hatte... Oder auch nicht. „Komm raus! Ich weiß, dass du hier bist!", rief die Brünette laut, da sie wohl ahnte, dass der fünfhundert Jahre alte Vampir irgendwo in der Nähe herumlungerte - so, wie er es damals schon immer getan hatte. Jane klang ziemlich wütend, und Aiden seufzte leise. Sein Gespräch mit ihrer Mutter hatte wohl den erwarteten, nicht aber den gewünschten Effekt gehabt. Nun, immerhin konnte er so mit ihr sprechen, sodass er ihrem Ruf tatsächlich folgte und sich ihr, mit einem gewissen Sicherheitsabstand, näherte. An ihren hasserfüllten Blick hatte er sich inzwischen gewöhnt, angenehmer machte ihn das aber auch nicht. "Du... Wie kannst du es wagen, meine Mutter da hineinzuziehen?!", herrschte sie ihn ungehalten an, wobei sie bedrohlich dicht an ihn herantrat. "Wenn du mir endlich zuhören würdest, wüsstest du, dass das, was ich dir zu sagen habe, auch deine Mutter etwas angeht", erwiderte Aiden mindestens genauso schneidend wie sie. Er hatte Elizabeth bereits gebeten, gut auf sich aufzupassen und, wenn möglich, die Kette zu tragen, die sie vor einem Jahr erhalten hatte, als die Vampir-Mutter es auf sie alle abgesehen hatte. „Meine Mutter braucht von einem wie dir ganz sicher keinen Schutz!“ Ihre Worte machten ihn, obwohl er wusste, dass er nicht das Recht dazu hatte, wütend. Aber dass Jane tat, als wäre er gefährlich, war nach all den Beleidigungen, dem Ignorieren und dem Messer in der Schulter, die er geduldig ertragen hatte, einfach zu viel. Er hatte während ihrer Bekanntschaft alle fünf Minuten ihren sturen, verwöhnten Hintern gerettet, verdammt nochmal. Sie musste ihm nicht vertrauen, aber sie konnte doch nicht verdrängen, dass er bereit gewesen war, für sie zu sterben. Aiden gönnte es ihr allemal, sich wie eine beleidigte Leberwurst aufzuführen, aber das reichte ihr nicht, oh nein, Jane musste ihn wieder in ihr bequemes Bild der gefährlichen Bestie drängen. "Du kannst so ein verbohrtes kleines Kind sein, Jane", blaffte er zurück, womit er natürlich die Zeit verschwendete, die er eigentlich hätte nutzen können, um ihr ganz einfach zu sagen, was Sache war. "Was ich zu sagen habe, betrifft nicht nur dich, sondern auch Liz und deinen kleinen Schoßhund, vielleicht sogar Logan. Es tut mir leid, dass ich deine Gefühle verletzt habe, aber hör jetzt auf, dich in eine Sache hinein zu steigern, die du nicht verstehst, und hör mir endlich zu." Noch bevor er ausgesprochen hatte, wusste er, dass er gerade einen Fehler gemacht hatte, aber die Worte waren einfach immer weiter gekommen. Ihm war klar, dass sie nicht zugeben wollte, dass er sie verletzt hatte - was wusste er, was sie sich schon wieder einredete. Und dann noch ihre engsten Bezugspersonen in die Sache hineinzuziehen, gefolgt von der Aussage, dass sie übertrieb, war eindeutig gefährlich. Verdammt, warum schaffte sie es so leicht, ihn auf die Palme zu bringen? Zumindest das hatte sich im letzten Jahr nicht verändert. "Ich soll mich nicht in eine Sache hinein steigern, die ich nicht verstehe?!", fuhr sie ihn erwartungsgemäß laut an, wobei ihr ganzer Körper unter der aufkommenden Wut erzitterte. "Du bist vor einem Jahr verschwunden und du hast alles wieder auf den Kopf gestellt! Ich war es aber, die alles wieder richten und mit dem Chaos klarkommen musste! Und ich soll diejenige sein, die sich in eine Sache hinein steigert, die sie nicht versteht?! Dabei war ich diejenige, die ...-!" Sie brach ab, als sie merkte, dass sie zu viel gesagt hatte, und wandte sich von ihm weg. "Ganz genau“, nutzte Aiden ihre Atempause, um zurück zu feuern. „Du verstehst nicht wieso ich gegangen bin, weil du nur an dich denkst. Ist dir überhaupt klar, wie viel du mir zu diesem Zeitpunkt bedeutet hast?", fuhr er ohne nachzudenken fort, was er bereute. Immerhin hatte ihn die Erkenntnis seiner eigenen Gefühle teilweise zu der kurzschlussartigen Flucht bewegt, und er hatte keine Gelegenheit gehabt, sie Jane auseinander zu setzen. Das war jetzt zwar nicht mehr relevant, aber sie musste ja trotzdem gemerkt haben, wie wichtig sie ihm gewesen war, immerhin war er ihr kaum von der Seite gewichen. Er hatte es zwar nie ausgesprochen, aber sie war der Mittelpunkt seiner Welt gewesen, und der war in der Nacht, als er gegangen war, unter seinen Füßen zerbröckelt. Entsprechend wollte er nichts mehr von ihrem Selbstmitleid hören, es reichte einfach. Ihm fiel allerdings auf, wie heftig sie sogar körperlich auf seine Anfeindungen reagierte, sodass er sich etwas zu beruhigen versuchte. Ihr jetzt die Schuld für seine Panikattacke zuzuschieben, war eindeutig nicht der richtige Weg, und sie hatte ihn ja nie gebeten, seine gesamte Existenz auf sie auszurichten. Mit einer raschen, sowie auch fahrigen Bewegung strich Jane sich durch die Haare, ehe sie einen Schritt zurückwich und ihren Blick von ihm abwandte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell, sodass sie gehetzt klang, als sie erklärte: "Was immer es ist, von dem du mir berichten willst - Ich will es nicht wissen. Ich brauche deine Hilfe nicht und komme gut allein klar. Lass mich, meine Familie und meine Freunde einfach in Frieden." Sie sah ihn nochmal kalt an, bevor sie sie sich von ihm abwandte und wieder Richtung Haustür schritt. Bevor sie nur einen Schritt getan hatte, packte Aiden sie vollkommen unüberlegt am Arm und hielt sie fest. Selbst von dieser Handlung und dem sie begleitenden resoluten: "Nein", überrascht, sah er von seiner Hand an Janes Handgelenk in ihr Gesicht. Sie sah ihn für den Moment nur völlig verblüfft an, denn in den seltenen Fällen, in denen er sie bisher berührt hatte, war er nichts als zärtlich und vorsichtig gewesen, keineswegs fordernd, fast schon übergriffig, wie jetzt gerade. Das Erstaunen auf seinen Zügen wurde jedoch recht schnell zu etwas Härterem, als er sich entschloss, dass dieses Katz und Maus Spiel hier und jetzt ein Ende finden würde. "Du wirst mir zuhören", sagte er mit einem leisen Knurren in der Stimme, und bevor sie noch irgendetwas tun oder sagen konnte, hatte er sie sich geschnappt, wie ein erlegtes Reh über die Schultern gelegt und war losgelaufen. "Was zum... ?! Lass mich sofort runter!", forderte die Vampirjägerin ihren Kidnapper sofort auf, während er loslief und sie ihre Hände gegen ihn stemmte, um sich von ihm wegstoßen. „Nein“, war alles, was Aiden ruhig erwiderte, und auf ihr weiteres Gezeter reagierte er gar nicht. Zuerst wusste er selbst nicht so recht, wo er überhaupt hin wollte, und ihr Schimpfen machte das nicht gerade einfacher, aber schließlich erreichten sie ein Fabrikgebäude, vor dem er kurz abschätzend stehenblieb. „Wag es ja nicht…! Aiden! Aiden!“, keifte Jane, doch da hatte der Vampir schon begonnen, die steile Wand emporzuklettern. Mit einer Hand war das etwas umständlich, doch schließlich setzte er sie auf dem Dach eines des Fabrikgebäude ab. Da es Nacht war, war die einzige Tür hierher verschlossen, und selbst Jane würde es nicht unbeschadet überstehen, sich sieben Stockwerke in die Tiefe zu stürzen. Aiden setzte sein Mitbringsel ab, zog sich rasch einige Meter von ihr zurück, wobei er sie wachsam im Auge behielt. Hier musste sie ihm zuhören, aber jetzt war er sich nicht mal mehr so sicher, wo er überhaupt anfangen sollte. Schließlich siegte sein schlechtes Gewissen über die Wut er fing mit dem Wichtigsten. "Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, Jane", wiederholte er, diesmal einfach aufrichtig und tieftraurig. Zwar ließ diese Janes Wut und Enttäuschung nicht gänzlich verpuffen, doch nahm es ihr zumindest temporär die Luft aus den Segeln, sodass sie den passenden Zeitpunkt für einen Einwand versäumte. Schwer seufzend, aber noch immer sichtlich genervt, verschränkte Jane die Arme vor der Brust, während sie es zuließ, dass ihr Gegenüber vorerst ungestört weitersprach. "Alles, ich... Es tut mir leid, dass ich mich in dein Leben eingemischt habe, und es tut mir leid, dass ich einfach so wieder daraus verschwunden bin und dir ein Chaos hinterlassen habe. Ich verstehe, was es für dich bedeutet hat, mich so nah an dich ranzulassen, und ich verlange nicht, dass du mir verzeihst. Aber ich musste mein eigenes Chaos lichten, und in diesem habe ich nicht mal gesehen, wie sehr ich dich verletzen würde. Ich kann nur sagen, wie egoistisch das von mir war und wie sehr ich es bereue." Das war doch schon mal ein Anfang, und jetzt, wo er begonnen hatte, zu sprechen, fiel es ihm immer leichter. Trotzdem wanderte er unruhig auf und ab, immer mit einem leichten Augenmerk auf Jane, falls diese spontan eines ihrer Wurfmesser auspackte. Zwar täte er das nicht gerne, aber wenn sie ihn angriff, würde er ihr wohl oder übel ihre Waffen abnehmen müssen. "Ich erwarte nicht von dir, dass du mir verzeihst oder mir nochmal so vertraust... Vor allem nicht, nachdem ich dich in noch größere Gefahr gebracht habe. Verstehst du, ich würde nicht hier sein, wenn es nicht wirklich wichtig wäre." Er hielt in seiner Wanderung inne, um sie beinahe verzweifelt anzusehen. "Es tut mir leid, dass ich so viel rede, und ziemlich ausholen muss, aber vielleicht verstehst du es so ja eher... Also hab bitte ein paar Minuten Geduld mit mir." Er biss sich auf die Unterlippe, dann fing er an, zu erzählen: "Verstehst du, das ganze Problem hat schon angefangen, als ich mein neues Leben bekam. Ich hatte dir ja bereits gesagt, dass ich mich verwandeln ließ, um deine Vorfahrin zu retten... Aber das war vergeblich, wie du ebenfalls bereits weißt", fasste er zusammen, was er ihr schon erzählt hatte. "Nachdem also mein Versuch, Lady Jane Grey zu retten, scheiterte, wäre ich ihr am liebsten gefolgt, aber ich konnte nicht. Eine Verpflichtung, die ich eingegangen war, um überhaupt die Möglichkeit zu erhalten, meine Geliebte zu befreien, hielt mich ab... Der Mann, der mich verwandelt hat, war in meiner Heimat bekannt, es gab viele Gerüchte über ihn und darüber, dass er dunkle Kräfte hätte. Als Jane eingesperrt wurde, habe ich ihn aufgesucht, ihn um Hilfe angefleht, und bin nicht eher von seiner Schwelle verschwunden, als dass er mich eingelassen hat. In seinem Haus hat er mich eingehend gemustert und gefragt, was ich bereit sei, für seine Hilfe zu bezahlen. Ich bot ihm alles Gold meiner Familie, aber er lächelte nur und sagte, er bräuchte nur eine kleine Gefälligkeit von mir. Ohne zu hören, was er verlangte, stimmte ich zu, drängte ihn, sein Wunder zu tun. Er trat auf mich zu, beugte sich über mich... Und dann kann ich mich nur noch an brennenden Schmerz erinnern. Ich weiß nicht mehr, wie lange es gedauert hat, bis das Gift seine Wirkung getan hat, aber ich weiß noch, dass ich sterben wollte wie niemals sonst in meinem Leben. Ich fürchte, ich habe um meinen Tod gebettelt. Und als ich wieder zu mir kam, war die Welt eine andere. Nachdem ich nach London zurückgekehrt war, so schnell ich konnte - Und das war sehr, fast schon berauschend schnell - Suchte ich sofort den Palast auf, beseelt von dem Wunsch, meine Geliebte in meine Arme zu holen. Aber ich kam zu spät. Sie war bereits tot.“ Seine Stimme brach weg und er brauchte einen Moment, um sich zu fassen, doch Jane ließ ihm die Zeit. Schließlich fuhr er fort: „Wie schon gesagt, ich wäre mit ihr gestorben, aber zum einen ist es, wie du aus Erfahrung weißt, nicht so leicht, jemanden wie mich zu töten ohne das richtige Werkzeug. Und zum anderen war mein Erschaffer mir gefolgt und verhinderte, dass ich Hand an mich legte. Er sagte, mein Leben liege jetzt in seiner Hand, er sei mein Herr. Aber er würde mir den Gefallen tun, mich zu töten, wenn ich eingelöst hätte, was ich ihm versprochen hatte." Angesichts ihrer persönlichen Verbindungen zu den Werwölfen geriert er ins Stocken, doch es hatte keinen Sinn. Er musste es ihr erklären, denn nur so bestand, wenn überhaupt, die Chance, dass sie verstand, in was für einer Gefahr sie sich befand. "Zu der Zeit waren die Verhältnisse zwischen Werwölfen und Vampiren nicht so gesichert, wie sie es heute sind - Obwohl der Umgang immer noch angespannt ist", gab er mit einem schmalen Lächeln zu. "Aber die Ältesten beider Rassen sahen, dass sie sich nur der Vernichtung preisgeben würden, wenn sie sich weiter bekriegen würden. Daher wurde ein Friedensabkommen beschlossen. Jedoch waren nicht alle für diese Verträge, weder aufseiten der Vampire, noch auf der der Wölfe. Mein Erschaffer gehörte auch zu dieser Fraktion, bloß hatte er beschlossen, nicht nur hinter vorgehaltener Hand zu lästern, sondern die Dinge in die Hand zu nehmen - Oder besser, in meine Hand zu legen. Ich bin einen Pakt mit dem Teufel eingegangen für Jane... Er verlangte von mir, die fünfjährige Tochter des Wortführers der Werwölfe zu entführen, sie häuten zu lassen und ihren Pelz als Weste verarbeitet an ihren Vater zu schicken.“ Ihn selbst schockierte die Drastik dieser Aufforderung noch immer, sodass er es Jane nicht verübelte, die kurz aufkeuchte. „Ja… Daran siehst du, was für ein Monster mein Erschaffer ist… Die Auswirkungen, die der Mord auf die Friedensverhandlungen gehabt hätte, kannst du dir vorstellen. Und doch... Hab ich das Haus dieses Wolfs aufgesucht. Ich war im Zimmer seiner Tochter. Ich habe sogar schon die Hand gehoben... Aber als ich sie im Schlaf in ihrer Unschuld liegen sah, konnte ich es nicht. Ich musste an meine Schwestern denken, und ich konnte es nicht...“ Er schämte sich seit über vierhundert Jahren dafür, dass er nicht aus eigener Moralvorstellung nein gesagt hatte, sondern nur, weil er eine Art ´persönlicher Verbindung` zu seinem Opfer gesehen hatte. Wäre das Kind ein Junge gewesen oder hätte es schwarze Haare gehabt statt flachsblonder, wie seine Schwester, hätte Aiden es getan, da war er sich recht sicher. Jane war die Erste, der er von dieser Schande erzählte, und er wagte es nicht, sie anzusehen und das Urteil in ihren Augen zu lesen. „Also bin ich geflohen. Zuerst ans andere Ende von England, dann nach Irland und Schottland und irgendwann aufs Festland. Und von dort aus immer weiter. Ich bin mein Leben lang vor meinem Erschaffer geflohen, aus Angst vor seiner Rache, weil ich seine Pläne durchkreuzt habe. Vielleicht verstehst du jetzt eher, warum ich vor einem Jahr gegangen bin. Ich... Ich hatte Angst, dass genau das passieren würde, was jetzt trotzdem eingetreten ist..." Natürlich fehlten bei dieser Erklärung einige Details, aber er musste ihr ja nicht sofort alle seine wirren, düsteren Gedankengänge aus der Nacht, in der er geflohen war, offenlegen. Er hatte ihr gerade schon genug eklige Seiten seines Charakters offenbart. "Ich wünschte, ich müsste es nicht sagen, vielleicht deswegen die lange Vorgeschichte... Aber mein Erschaffer hat uns zusammen gesehen, in Rom, als ich mit dir sprechen wollte. Ich weiß nicht, wieso er sich entschieden hat, in diesem Moment nichts zu tun, wahrscheinlich gab es zu viele Zeugen. Aber er weiß jetzt, dass ich etwas mit dir zu tun habe, und er kann dich finden, mach dir keine falschen Hoffnungen. Und vergiss in deinem Stolz nicht Liz. Vincent hat nie aufgehört, zu versuchen, die Beziehung unserer Rassen zu verpesten, und er hat eine Ewigkeit, sich zu überlegen, wie du ihm nützlich sein könntest – oder sogar Gabriel. Er ist ein Werwolf, noch dazu ein Alpha. Er könnte für die Pläne dieses Verrückten genau der richtige sein, und ich... Ich möchte einfach, dass du Bescheid weißt und auf der Hut bist." Er endete, holte tief Luft und beendete seine unruhige Wanderung über das Hausdach mit einem verzweifelten Blick auf Jane. "Verzeih mir... Verzeih mir, dass ich dich in mein Chaos mit hineingezogen habe. Um dich genau davor zu schützen, bin ich vor einem Jahr gegangen, aber ich habe wieder versagt. Es tut mir so leid, so leid..." Seine Stimme wurde immer schwächer, verhallte schließlich an allem, was Jane noch nicht gesagt hatte, ihm aber mit gutem Recht vorwerfen könnte. Jane fuhr sich mit einer kurzen Bewegung durch die Haare. Allerdings hielt sie kurz in der Bewegung inne, als ihr Handy klingelte und sie in ihre Hosentasche griff, um es hervorzuholen, beschloss jedoch scheinbar nach einem kurzen Blick, jetzt nicht hinzugehen. "Gut, deine Warnung ist angekommen", erwiderte die junge Frau schließlich überraschend ruhig und mit nur einem kleinen Hauch von Kälte. Darauf konnte schloss Aiden hoffnungsvoll, dass seine Entschuldigung sie irgendwie erreicht hatte. "Jedoch vergisst du, dass ich als Vampirjägerin ständig irgendwie wachsam bin und dass ich mittlerweile Gabe an meiner Seite habe." Dabei kam Aiden in den Sinn, dass sie überlegt hatte, ihn selbst zu ihrem Partner zu machen. Zwar war er damals nicht davon ausgegangen, dass sie sich zeitnah dazu durchringen könnte, aber wenn er es aus jetziger Sicht betrachtete, hatte er ihre diesbezüglichen Ansichten wohl falsch interpretiert. Nun, wie es aussah, hatte sie ja einen Ersatz gefunden - von der Qualität desselbigen wollte er jetzt aber nicht anfangen. Immerhin hatte seine eigene Auseinandersetzung mit Gabriel gezeigt, dass der Junge es mit ihm kaum aufnehmen konnte. Sollte Vincent sich tatsächlich dazu entschließen, Jane anzugreifen, wäre er jedenfalls keine Herausforderung für den noch älteren Vampir. Aiden unterdrückte aber die Frage, ob die beiden bereits einen dauerhaften Pakt miteinander hatten. Er war nicht hier, um sich über ihre neuen Lebensumstände zu informieren. "Wenn sonst nicht noch etwas ansteht, würde ich gerne wissen, was du nun tun willst? Jetzt, wo du das losgeworden bist, was du sagen wolltest, besteht immerhin kein Grund mehr für dich, mir weiterhin auf die Pelle zu rücken, oder?", wollte die Brünette wissen. Fast hätte er gelächelt, als sie ´Wenn sonst nichts mehr ansteht` sagte, eine Redewendung, die sie schon früher immer benutzt hatte, wenn sie ihn eigentlich loswerden beziehungsweise das Gespräch beenden wollte. Auch war diese Redensart wesentlich höflicher als: ´Verpiss dich aus meinem Leben`, um ihre Worte frei zu zitieren. "Nein, ich habe keinen Grund mehr dazu. Und das hättest du schon viel früher haben können", erinnerte er sie, wobei er sich ihr vorsichtig wieder näherte. Es war nicht so, dass er Angst vor ihr hatte, aber seit sie ihm aus Versehen ihr Messer in die Schulter gerammt hatte, hatte er zumindest vor der Waffe selbst mehr Respekt. Ihre Augen verengten sich ein klein wenig, als er sie indirekt daran erinnerte, was für ein Sturkopf sie war und wie verbissen sie sein konnte, allerdings sagte sie nichts dazu. "Du hast keine Verpflichtungen mir gegenüber und ich erwarte nicht, dass du irgendwie bleibst, nur weil du möglicherweise deinen Erschaffer auf meine Fährte gelockt hast", offenbarte Jane ihm stattdessen ihren Gedankengang. "Ich weiß, dass ich dir nichts schuldig bin, und damit das so bleibt, wollte ich dich trotzdem warnen." Immerhin wäre es sehr wohl seine Schuld, wenn ihr oder einem Mitglied ihrer Familie etwas passierte, nur, weil sie nicht informiert waren. "Was meine Pläne angeht... Ich werde London wieder verlassen. Wenn Vincent mir folgt, hat er dann keinen Grund, in deine Nähe zu kommen. Aber erst mal sollte ich dich nach Hause bringen... Tut mir leid wegen der… hm, Entführung", fügte er ein wenig zerknirscht hinzu, als ihm kein besseres Wort dafür einfiel. Immerhin war es doch sehr drastisch, jemanden von den Füßen zu reißen und auf ein Hausdach zu verschleppen. Allerdings kam Aiden gar nicht dazu, Janes Lokation wieder zu ändern, denn in dem Moment hob er den Kopf und runzelte leicht die Stirn. "Du hast wohl ein Abholkommando...", murmelte er, als wenige Sekunden später schon der dunkle Haarschopf eines gewissen Werwolfs über der Balustrade auftauchte. "Guten Abend", begrüßte Aiden Gabriel gleichzeitig höflich und ein wenig sarkastisch, bevor er wieder Jane ansah. "Ich nehme an, dein Partner wird dich nach Hause bringen. Danke, dass du mir doch zugehört hast." Jane!", rief dieser hörbar außer Atem, da es offensichtlich war, dass er sich Sorgen gemacht und nach ihr gesucht hatte. Gabriels Blick schweifte zu Aiden, der ihn begrüßte. Für einen kurzen Moment blickte er sein Gegenüber mit verengten Augen an, nickte ihm aber nur kurz zu, bevor er sich an die junge Frau wandte und sich nach ihrem Befinden erkundigte. "Keine Sorge. Es ist alles in Ordnung, Gabe", beruhigte sie ihn mit einem kleinen Lächeln, ehe sie an ihn trat und bat, sie nach Hause zu bringen. Natürlich hatte der Werwolf keinerlei Einwände, ging leicht in die Hocke, damit er die Brünette Huckepack nehmen konnte. Aiden sah zu, wie Jane auf Gabriels Rücken kletterte, und hoffte Anbetracht dessen, weshalb er hier war, sie nie wieder sehen zu müssen. Wenn seine Befürchtung nämlich eintrat und sein Erschaffer seine Schwäche für dieses Mädchen ausnutzte, um sich zu rächen, würde Aiden kommen und sie zu beschützen versuchen, egal, wie viel Angst er hatte. Der Vampir hoffte einfach, dass er sich mal wieder in eine Sache hinein gesteigert hatte. Im Prinzip war seine Schuld an Vincent immerhin schon ein halbes Jahrtausend her und hätte als verjährt angesehen werden können. Nur wusste Aiden, dass seinesgleichen so nicht dachte. Der junge Werwolf war gerade im Begriff, loszuspringen, als Jane ihn bat, kurz zu warten und sie blickte noch einmal kurz zum Vampir. Sie haderte kurz mit sich selbst, wusste nicht, ob sie das sagen sollte, was ihr gerade durch den Kopf ging und wie sie es genau äußern sollte. "Leb wohl... Aiden", sprach sie schließlich zögerlich und kaum hörbar, dann, ohne noch einmal in seine Richtung zu blicken, wandte sie sich an Gabriel, gab ihm ihr Einverständnis zu springen und verschwand mit ihm in der Dunkelheit der Nacht. Ein sanftes Lächeln stahl sich auf seine Lippen und er nickte leicht. "Alles Gute, Jane", erwiderte er, nicht sicher, ob sie ihn noch gehört hatte. In den folgenden Tagen hielt Aiden sich von Jane fern, weil er seine Abreise plante - außerdem war zwischen ihnen wohl alles gesagt, was es zu sagen gegeben hatte. Trotzdem hielt er sich gelegentlich weiterhin in der Nähe der Universität oder des Anwesens auf, teils aus Gewohnheit, teils, um ein Auge auf seinen unfreiwilligen Schützling zu haben. Insgesamt war er von einer Ruhe erfasst, die der Abschluss einer unangenehmen Angelegenheit so mit sich brachte. Der Ausgang des ganzen war wohl so positiv, wie er es sich hatte wünschen können, immerhin schien sich Janes purer Hass zumindest abgekühlt zu haben. Mit der Vorstellung, sie nie wieder zu sehen, hatte er sich schon vor einem Jahr auseinandergesetzt, und jetzt, wo sie nicht gerade angenehme drei Wochen ´miteinander` verbrach hatten, fiel ihm der Gedanke wesentlich leichter. Jedenfalls war er fest entschlossen und bereit, seine Heimat wieder zu verlassen, als er am Tag vor dem gebuchten Flug noch ein letztes Mal routinemäßig bei den McCollins vorbei sah. Dabei geriet er ein wenig ins Stocken, als er bemerkte, dass noch ein anderer Vampir zeitnah in der Nähe gewesen war. Nachdem Jane sich neuerdings mit Werwölfen herumtrieb, schien es durchaus möglich, dass sie auch eine engere Bekanntschaft mit einem weiteren Vampir geschlossen hatte, aber so, wie sie gesprochen hatte, glaubte Aiden das eigentlich weniger. Aus purer Gewohnheit und wohl aus Neugierde folgte er den Spuren, die sich um das ganze Gebäude zogen und sogar auf das Grundstück führten, jedoch wagte er nicht, dieses ohne die Erlaubnis der Bewohnerinnen zu betreten. Er war ganz und gar nicht sicher, was er mit dieser Information jetzt anfangen sollte. Gabriel hatte sicher längst bemerkt, dass sich jemand in der Nähe herumtrieb, und schon wieder Jane anzusprechen und sie vor irgendwelchen "Geschehnissen" zu warnen, hätte wohl ziemlich verzweifelt und klammernd gewirkt. Außerdem hatten sie sich voneinander verabschiedet - eigentlich endgültig. Sollte er sich also wirklich schon wieder in ihr Leben einmischen...? Hätte er mehr Zeit gehabt, hätte er die Sache wohl einfach eine Weile im Auge behalten und dann entschieden, da aber sein Flug am nächsten Tag am frühen Nachmittag gehen würde, hatte er dafür keine Gelegenheit. Trotzdem entschied er sich, am nächsten Tag nochmal vorbei zu sehen und Jane, wenn nötig, bescheid zu sagen, bevor er abreiste. Kapitel 4: Kunst und Krempel ---------------------------- Während den nächsten Tagen nahm Jane nie direkt die Präsenz ihres ehemaligen Mitbewohners und Pseudo-Kommilitonen wahr. Da ihr bester Freund jedoch sehr häufig an ihrer Seite und als Werwolf schärfere Sinne hatte, wurde sie von ihm auf dem Laufenden gehalten. Wie zu erwarten gewesen war, war er nicht begeistert von der Entführung seiner besten Freundin, und es besserte nicht gerade seine Meinung über den Vampir, dass er sich nach wie vor in der Nähe der McCollins-Frauen aufhielt. Doch Jane war bereit, mit der Sache abzuschließen. Nach dem, was Aiden ihr eröffnet hatte, konnte sie seine Aufdringlichkeit irgendwie nachvollziehen. Zwar glaubte sie nicht, dass es zu 100 Prozent seine Schuld war, wenn sein Erschaffer plötzlich hier auftauchen und nach ihrem Leben trachten würde, doch wenn er wusste, dass möglicherweise so eine große Gefahr im Anflug war und ihr nichts gesagt hätte, dann hätte das im Nachhinein deutlich anders aussehen können. Die drastischen Mittel, die er ergriffen hatte, um sie zum Zuhören zu bewegen, hatte sie zwar nicht begrüßt, doch ändern konnte man das nicht mehr. Und sie hatte ihm nicht wirklich eine andere Wahl gelassen, obwohl das nur ein verschwindend kleiner Teil ihrer Selbst zuzugeben bereit war. Er hätte schließlich einen Brief oder eine Mail oder so etwas schicken können. Jedenfalls war sie nicht überrascht, des Öfteren von Gabriel zu hören, dass Aiden sich in der Nähe herumtrieb. Dieses Verhalten kannte sie schließlich von ihm. Solange er ihr nicht unter die Augen kam, war es ihr relativ egal, und wenn sie ehrlich war, hatte sie nach knapp drei Wochen Dauerstress wegen ihres vampirischen Verfolgers einfach keine Lust mehr, sich zu ärgern. Hätte sie zu Beginn seiner Zeit in London ständig in ihrer Nähe herumgelungert, wäre die junge Frau wohl losgestürmt und hätte ihm gesagt, dass er endlich verschwinden sollte. Doch nach dem Gespräch, welches sie vor einigen Tagen geführt hatten, war sie in der Lage, deutlich neutraler und rationaler zu denken. Immerhin hatte Aiden sie über seine Pläne informiert, die eine baldige Abreise beinhalteten. Folglich ging sie einfach davon aus, dass er eine gewisse Vorbereitungszeit für seinen Weggang benötigte. Würde sie allerdings mitbekommen, dass er nach einem Monat noch immer in ihrer Nähe war, würde sie definitiv eingreifen und ihn zur Rede stellen. Auch ihre Freunde bemerkten natürlich, dass Jane wieder entspannter war, und bei einem gemeinsamen Kinobesuch sprach Logan seine Freundin darauf an: „Hat sich alles wieder geklärt?“ Aufmunternd drückte sie seine Hand und lächelte. „Ja, klar… Tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast.“ „Na ja, es wäre schön, wenn ich dir irgendwie hätte helfen können“, erklärte er ein wenig geknickt, und obwohl Jane ihm keinerlei Vorwürfe machte – immerhin lag das Problem alleine bei ihr – verstand sie ihn. In einer Beziehung wollte man schließlich füreinander da sein, doch zu seinem eigenen Schutz konnte Jane ihrem Liebsten nicht von all ihren Problemen erzählen, zumindest, wenn diese mit der Arbeit zu tun hatten. Stattdessen vertraute sie sich Gabriel an, und obwohl Logan nach wie vor nicht eifersüchtig zu sein schien, war es nur natürlich, dass es ihn verletzte. Zu allem Überfluss schrieb der Werwolf ihr genau in dem Moment, in dem Jane ihren Partner aufzubauen versuchte. Besorgt las sie, dass er einen Virus hatte, und obwohl er es nicht ausformulierte, klang es für Jane, als wäre es eine Krankheit, die nur seine Rasse bekommen konnte. Sie wünschte ihm gute Besserung und versprach, ihm alle Unterlagen für die Uni mitzubringen, dann rief Logan sie, um mit ihr in den Kinosaal zu gehen. , An einem Donnerstag ein paar Tage später, als die Vorlesungen am frühen Nachmittag endeten und Jane im Zirkel vorbeigesehen hatte, um einige administrative Dinge zu erledigen, fuhr sie erst gegen 16 Uhr nach Hause. Wie immer war Elizabeth um diese Zeit noch auf der Arbeit, sodass sie niemand empfing, als sie die Tür aufschloss und eintrat. Allerdings kam die Vampirjägerin nicht weit, da sie sofort in ihrer Bewegung innehielt, da ihr ein kalter Wind aus dem Wohnzimmer entgegen blies. Sie eilte in den Raum und ihr ungutes Gefühl wurde bestätigt: Das Fenster und eine Vitrine im hinteren Teil des Raumes standen sperrangelweit offen. Innerhalb von Sekunden hatte sie ihre Waffe aus dem Futteral ihrer Jacke gezogen und sich hinter die nächste Wand geduckt, von wo aus sie vorsichtig umherspähte. Doch als sie sich weiter in die Küche schob, war diese ebenso verlassen wie der erste Stock und der Keller. Wer immer hier eingebrochen war, war bereits verschwunden. Jane kehrte zurück ins Wohnzimmer, um festzustellen, was der Vampir gewollt hatte, der offensichtlich ausschließlich im Wohnbereich und nicht in den Schlafzimmern der Frauen gewesen war. Dabei musste sie nicht ein zweites Mal überlegen, um sich sicher zu sein, dass es sich um einen verdammten Blutsauger handeln musste. Schließlich schaffte es kein normaler Mensch, die Sicherheitsvorkehrungen auf diesem Grundstück und Anwesen zu durchbrechen. In der zerstörten Vitrine befanden sich normalerweise einige Andenken an ihren Vater; Fotos mit Elizabeth, Jane oder ihren Großeltern, Auszeichnungen, Basteleien des Architekten und eine seltene, alte Musikschatulle. Als die Vampirjägerin alles wieder an seinen Platz gestellt hatte, fiel ihr auf, dass die Schatulle verschwunden war. Bei der Erkenntnis stutzte sie, weil es nicht unbedingt normal war, dass ein Vampir in ein Haus einbrach, um eine Musikschatulle mitzunehmen. Die meisten Blutsauger waren so alt und entsprechend wohlhabend, dass sie sich derartige Kleinodien einfach kaufen konnten. Warum also das Risiko aufnehmen, in ein Haus einzubrechen, das so gut gesichert war wie das der McCollins-Frauen, um an einen solchen Gegenstand zu gelangen? Die Verblüffung verpuffte allerdings relativ schnell, da sie der Wut Platz machte - schließlich hatte das Ganze nun einen deutlich persönlicheren Touch angenommen. Es ging hier um ein Erbstück ihres verstorbenen Vaters, ganz davon abgesehen, dass sie es nicht dulden würde, dass ein elender Blutsauger in ihr zu Hause einbrach und sie ausraubte. Nachdem sich die Brünette sicher war, dass sich niemand mehr im Haus befand, rief sie bei ihrer Mutter an, um sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Da dies der Fall war, konnte Jane aufatmen und wählte kurz darauf Eldrics Nummer, damit sie ihn über den Einbruch informieren konnte. Selbstverständlich setzte er wieder einiges in Gang, um übereinstimmende Details herauszusuchen und seinem Schützling wenig später die passenden Dokumente per E-Mail zukommen zu lassen, die sie intensiv studierte. Es war zwar ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um auf die Jagd zu gehen, da Gabriel aufgrund des Virus nach wie vor flach lag, doch wollte Jane nicht warten, sondern so bald wie möglich losziehen. Sie war derart in ihre Vorbereitungen vertieft, dass es sie völlig verblüffte, als gegen 20 Uhr Logan anrief. Erst, als sie seinen Namen auf dem Display sah, fiel ihr wieder ein, dass sie verabredet waren, und sie biss sich schuldbewusst auf die Lippe. Zur Zeit gab sie wirklich keine besonders gute Freundin ab. Kurz erwog sie, ihre Recherchen für heute auf sich beruhen zu lassen und ihr Date mit Logan zu priorisieren. Doch dann entschied sie, es nicht zulassen zu können, dass jemand ungestraft ihr Heim schändete, und sie sagte das Treffen ab. Ihr schlechtes Gewissen verebbte schnell, als sie sich wieder ihren Recherchen zuwandte. Am Abend informierte sie ihre Mutter, die - wie immer - um das Wohl ihrer Tochter besorgt war. Da sie allerdings wusste, dass sie nichts tun konnte, um die Vampirjägerin aufzuhalten, hielt sie sich zurück und ließ es zu, dass die junge Frau alles für die kommende Jagd vorbereitete, zu der sie am kommenden Abend aufbrechen wollte. Am nächsten Tag ging die Wirtschaftsstudentin wie gewohnt in die Vorlesung, war aber unruhig, da sie das Ganze ziemlich beschäftigte und sie den wertvollen Gegenstand endlich wieder bei sich haben wollte. Dementsprechend konnten die Stunden für sie nicht schnell genug vorbeigehen. Auch Logan merkte, dass seine Freundin etwas nervös war und sprach sie nach dem Ende der letzten Vorlesung an. „Jane?“ „Hm?“, machte sie, ein wenig zerstreut und ungeduldig, da sie eigentlich los wollte. „Tut mir leid, ich habe es ein bisschen eilig…“ „Ist etwas passiert? Du wirkst wieder so angespannt.“ Seine Sorge rührte die junge Frau, die ihn liebevoll anlächelte. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, ihm von dem Einbruch zu erzählen – immerhin musste sie nicht erwähnen, dass es etwas mit einem Untoten zu tun hatte. Doch dann sah sie den Rattenschwanz aus Sorgen und Nachfragen, die das nach sich ziehen würde, und erklärte, dass sie lediglich schlecht geschlafen und darum ein wenig komisch gelaunt war. Nachdem sich Jane von ihrem Liebsten verabschiedet hatte, begab sie sich direkt auf den Parkplatz, um ihren Wagen anzusteuern und nach Hause zu fahren. Vor der Villa wurde sie allerdings erneut aufgehalten, und zwar nicht von der willkommenen liebevollen Sorge ihres Freundes, sondern von einem gewissen altbekannten Vampir, der in der Einfahrt stand und offensichtlich auf Jane wartete. Was sollte das denn jetzt? Als ob eine blutsaugende Bestie nicht schon ausreichte; jetzt musste sie sich auch noch mit einer herumschlagen, die es irgendwie als amüsant empfand, ihr nachzustellen oder ihr auf die Pelle zu rücken. Gerade, als sie ziemlich schlecht gelaunt ihren Mund öffnen und etwas sagen wollte, fiel ihr Blick auf Aidens Koffer. Sofort zählte Jane eins und eins zusammen und kam zur Schlussfolgerung, dass er wohl kurz vor der Abreise war und ein paar letzte Worte an sie richten wollte. Nun, damit konnte sie leben. Als sie ihn mit auffordernd hochgezogenen Brauen begrüßte, hob er abwehrend die Hände. "Entschuldige, dass ich schon wieder hier auftauche, aber es scheint, dass sich hier ein anderer Vampir rumtreibt. Ich weiß nicht, ob dein Partner das mitbekommen hat oder ob das sogar ein Gast von dir war...?", schlug Aiden vorsichtig vor, offensichtlich auf der Suche nach einer ungefährlichen Erklärung für seine Entdeckung. Das klang, als wäre der Einbrecher bereits vor seinem Überfall hier gewesen, was Jane dazu veranlasste leise, aber schwer aufseufzen und sich mies gelaunt durch die Haare zu fahren. "Wir hatten tatsächlich 'Besuch' von einem Vampir", erwiderte sie vage und versuchte mit einer abwinkenden Handbewegung die ganze Sache zu relativieren. Schließlich wollte sie nicht, dass er auf irgendwelche unerwünschte Ideen kam oder ihr weiter auf die Pelle rückte. Er sollte einfach abreisen - so, wie es anscheinend geplant war. „Ist alles in Ordnung mit Liz?“, fragte Aiden sofort besorgt, woraufhin Jane nickte. "Es ist nichts Schlimmes passiert. Ich habe alles im Griff", fügte die Vampirjägerin hinzu, wobei sie ihm geflissentlich verschwieg, dass Gabriel seit gut zwei Tagen außer Gefecht war und man noch ein paar weitere Tage damit rechnen konnte, bis er wieder auf den Beinen war. Um Aiden endlich loszuwerden und ihm nicht noch mehr von den Umständen zu erzählen, deutete sie auf den Koffer. "Scheint so, als ob du endlich abreisen möchtest, hm? Du solltest vielleicht nicht zu viel Zeit verlieren. Ansonsten verpasst du noch den Flug", sprach die junge Frau, ohne zu ahnen, dass sie damit regelrecht den Teufel an die Wand malte, und wandte sich dann zur Haustür, um diese aufzuschließen. Aiden teilte die Lippen zu einem schmalen, sarkastischen Lächeln, die Art, die sonst den Herren in Janes Umgebung vorbehalten gewesen war. "Oh, ich habe noch ein paar Stunden Zeit. Danke für deine Sorge", ignorierte er ihre implizierte Bitte zu gehen leichthin. "Wir haben uns vor gut zwei Wochen voneinander verabschiedet. Von daher hättest du nicht extra hierherkommen müssen." Sie hoffte sehr, dass er darauf ansprang und wirklich verschwinden würde. Immerhin wollte sie noch einmal in Ruhe die ganze Planung durchgehen und ihre Ausrüstung kontrollieren und gegebenenfalls aufstocken. Mit verschränkten Armen beobachtete der zweite ungebetene Gast, wie Jane die Haustür aufsperrte. Erneut lächelte er nur und fragte: "Jagst du ihn jetzt sofort? Alleine?“ Es wäre doch viel zu einfach gewesen, wenn er auf ihre Worte eingegangen wäre. Wie hatte die junge Frau bloß hoffen können, dass er Kehrt machen und von ihrem Grundstück verschwinden würde? Auch wenn mittlerweile ein ganzes Jahr vergangen war und sie keinen Kontakt gehabt hatten, so hätte sie doch ahnen müssen, dass dies bei Aiden nicht ziehen würde. Seine Beharrlichkeit war noch immer so groß wie vor seiner Abreise - dies hatte sie vor kurzem selbst erlebt, als er ihr wieder nachgestellt und sogar auf ein abgelegenes Fabrikgebäude verfrachtet hatte. Erneut seufzte die Brünette auf, als sie merkte, dass er sich nicht vom Fleck bewegte. "Gabe ist seit zwei Tagen krank", sprach sie schlicht und trat ins Haus, wobei sie sich nicht die Mühe machte, ihn auszusperren oder davon abzuhalten, reinzukommen. Sie wusste, wie lächerlich ein Versuch sein würde, da er so oder so irgendwie einen Weg nach drinnen finden würde, wenn er es wollte. Dennoch würde sie wohl oder übel irgendeinen Weg finden müssen, um ihn aus dem Weg zu schaffen, wenn er sich weigern würde, sich von ihr fern zu halten oder sich sogar in die bevorstehende Jagd einmischen wollte. Nachdem Jane ihre Tasche auf der Kommode im Eingangsbereich des Hauses abgestellt hatte, drehte sie sich wieder zu Aiden und ihr Blick fiel automatisch auf seinen Hals. Dabei konnte sie einen Teil seines Sonnenschmucks hervor blitzen sehen. Ah... Vielleicht konnte sie diese Sachlage für sich nutzen, wenn es sein musste. Allerdings hoffte sie, dass es nicht soweit kam. Immerhin war es ihr mittlerweile unangenehm, ihre weiblichen Reize für solche Dinge einzusetzen - kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie nun mit Logan zusammen war. Natürlich kamen sich Gabriel und sie körperlich relativ nah, doch war das eine andere Sache und hatte einen deutlich anderen Hintergrund. Es war viel unschuldiger. "Hör zu...", begann die Vampirjägerin dann wieder und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie den unliebsamen Hausgast vor sich ansah. "Ich weiß nicht, weshalb du noch hier und so fixiert darauf bist, was hier geschehen ist, aber wenn es darum geht, dass ich allein jagen gehe, dann kann ich dir nur sagen, dass ich zurechtkomme. Selbst wenn Gabe momentan nicht an meiner Seite ist, weiß ich, was ich tue. Schließlich habe ich lange genug alleine gejagt." Sie hoffte sehr, dass er diese Tatsache in seine Überlegungen miteinbezog, es einsehen und endlich verschwinden würde. "Du weißt, was du tust... Indem du wieder aus einem Fenster springst?", erinnerte er sie staubtrocken, die Hände in den Manteltaschen vergraben. "Ich habe gesehen, wie du reagierst, wenn deine Familie involviert ist... Und wir können uns diese Diskussion sparen, wenn du mir einfach sagst, was du vorhast, und wir loslegen. Du weißt, dass ich sowieso tue, was ich will - und das ist im Moment, dir zu helfen." Natürlich. Wie hätte es bitte schön anders sein können? Es war klar gewesen, dass er sich - trotz ihren einigermaßen gefassten und netten Worten - nicht so schnell abwimmeln lassen würde. Immerhin handelte es sich hier um ihren persönlichen Stalker, der sie vor einem Jahr so verdammt verbissen verfolgt und sich ungefragt, sowie sehr gerissen in ihr Leben eingemischt hatte - nur, weil er irgendwie gedacht hatte, dass es seine Pflicht gewesen war, sie zu beschützen. Wieso sollte eben dieser Verfolger Anbetracht den momentanen Umstände, die wesentlich präsenter und fataler schienen, sich so einfach zurückziehen, wenn sie ihn darum bat. Es hatte schließlich auch nicht mit Gewalt oder lauter Stimme geklappt... Frustriert und mittlerweile ziemlich genervt, verdrehte die Brünette die Augen, wobei sie dem Drang widerstand, ihre Arme dramatisch in die Luft zu werfen. Dass er ihre damalige Aktion ansprach, die sie in der äußerst gestressten Situation begannen hatte, hob ihre Stimmungslage nicht unbedingt an. Vielmehr war das Gegenteil der Fall: Sie näherte sich gefährlich schnell dem Nullpunkt. Dazu trug sicherlich der beabsichtigt provokative Ton bei, den Aiden sich gerade anzugewöhnen schien. Hatte er früher immer mit Ehrerbietung, Zuneigung und Verständnis selbst auf ihre bissigsten Kommentare reagiert, so schien er sich jetzt nichts mehr gefallen lassen zu wollen und ließ deutlich heraushängen, dass er sich Jane überlegen fühlte. Gott, wie es sie ankotzte… "Aus dem ersten Stock zu springen ist für mich kein Problem, wenn ich richtig lande. Im Training absolviert man deutlich Schlimmeres. Von daher war die Handlung von damals nichts Unüberlegtes", entgegnete sie ein wenig bissig, wobei sie nicht umhin kam, mit den Zähnen zu knirschen. Wieso hatte er bloß so ein schlechtes Timing? Hätte er nicht vor drei Tagen oder vielleicht sogar morgen auftauchen können, um sich von ihr zu verabschieden? Dann wäre alles bestimmt viel einfacher von Statten gegangen. Immerhin hatte er vor gut zwei Wochen gezeigt, dass er den Beschützerinstinkt ihr gegenüber schon deutlich abgelegt hatte... "Ich weiß, dass du das kannst. Aber das heißt nicht, dass du hirnlos alles tun musst, wozu du in der Lage bist", erwiderte er ungnädig. Schwer seufzend fuhr sich Jane durch die Haare, als ihr Blick erneut an seinem Sonnenschmuck hängen blieb, der teilweise hervorblitzte. Nun, wie es aussah, blieb ihr wohl oder übel keine andere Wahl, als diesen Weg einzuschlagen. Sie hoffte nur, dass sie mit ihren Mittel nicht allzu sehr übertreiben musste. Immerhin wollte sie nicht, dass ihre Handlungen mit einem ´Fremdgehversuch` gleichkamen. Allerdings brauchte sie ihre Sachen und die waren in ihrem Zimmer, weshalb sie es irgendwie schaffen musste, nach oben zu gelangen. Da Aiden ohnehin schon wusste, dass sie von seinem Verhalten genervt war, seufzte sie leise und tat so, als ob sie nicht weiter mit ihm diskutieren wollte und ging die Treppe hoch, um auf ihr Zimmer zu gehen und ihre Ausrüstung zu holen. "Was immer du sagst, ich werde meine Meinung nicht ändern. Du kommst nicht mit", gab sie von sich, um das ganze realistischer wirken zu lassen. Als sie hörte, wie er ihr zögernd folgte – wahrscheinlich war es ihm unangenehm, in den Privatbereich des Hauses vorzudringen - verschwand sie für eine kurze Zeit seelenruhig in ihrem begehbaren Kleiderschrank, um sich anzuziehen und die Ausrüstung an sich zu befestigen. "Du hast mir nicht zu sagen, was ich tun oder lassen soll", hörte sie Aiden vollkommen gelassen erklären, der klang, als stünde er vor der Zimmertür. Jane verdrehte die Augen, als sie sah, dass er tatsächlich nicht eingetreten war. Er war immer noch so prüde wie vor einem Jahr… Als sie alles hatte, positionierte sie sich absichtlich in der Nähe des Fensters und setzte dann den kurzfristig geplanten Entschluss in die Tat um. Etwas zögerlich und langsam ging die Vampirjägerin auf ihr Gegenüber zu, blieb relativ nahe vor ihm stehen und blickte zu ihm auf, wobei ihr Gesichtsausdruck augenscheinlich die Härte verloren hatte und eher eine Mischung aus leichter Verzweiflung, Trauer und Bitte angenommen hatte. "Ich würde... diese Diskussion ja gerne umgehen, aber versteh doch... das ist alles nicht so einfach", sprach sie leise, beinahe hauchend und in einem fast schon unterwürfigen Ton, als sie ihre Hand vorsichtig anhob und in seinen Nacken legte. Ihr Blick lag noch immer in seinen Augen und mit ihrem Daumen strich sie zärtlich über seine Wange. Ein abweisender, wenn auch verlegener Ausdruck legte sich auf die Züge des Vampirs, der die Arme nach wie vor verschränkt hatte und genau zu wissen schien, was die junge Frau da trieb. Dennoch stieß er sie nicht von sich, wie sie befriedigt realisierte. "Ich meine... ich muss das alleine regeln. Wie sollte das sonst in der Zukunft funktionieren? Du reist schließlich ab, verlässt England und kannst dich nicht ständig einmischen oder mir helfen, wenn ich irgendwelche Probleme mit anderen Vampiren habe." Während die Worte über ihre Lippen gekommen waren, wanderte die junge Frau mit der Hand ein kleines Stückchen runter, bis der kleine Finger das kalte Metall der Kette berührte. Sie hoffte nur, dass er weiterhin für ihre Reize empfänglich war und genug abgelenkt sein würde, um nicht auf seinen Sonnenschmuck zu achten. "In Zukunft hast du ja Gabe", antwortete er herablassend. "Ja, natürlich. Ich habe Gabe, der mich mit seinem Leben beschützt, aber wie du vielleicht weißt, dauert sein Reifeprozess noch ein paar Jahre, so dass es vorkommen kann, dass er ab und zu ausfällt. Folglich wird es unumgänglich sein, alleine auf die Jagd zu gehen", erwiderte sie leise, wobei ihr natürlich der sarkastische Unterton nicht entgangen war. Wie auch? Es war offensichtlich gewesen, dass die beiden sich nicht ausstehen konnten - auch wenn sie sich so gesittet wir möglich verhielten. Immerhin lag dies nicht nur alleine daran, dass sie zwei grundverschiedenen Rassen angehörten, die sich nicht vertrugen und praktisch Erzfeinde waren. "Jane... Ich... Lass das jetzt...", verlangte er in einem ziemlich halbherzigen Versuch, sich von ihr zu lösen. Die Vampirjägerin musste ein kleines Schmunzeln unterdrücken, als sie merkte, wie unmotiviert sein Versuch war, sich ihr zu entziehen. Wie es aussah, war er ihren Reizen noch immer unterlegen. Wahrscheinlich nicht so sehr, wie vor einem Jahr, doch würde es reichen, um ihn von ihrem eigentlichen Plan und Handeln abzulenken. Vorsichtig trat Jane einen weiteren Schritt auf Aiden zu, um ihm näher zu sein und versuchte ihn leicht in die Richtung des Fensters zu drängen, in dem genügend Schatten vorhanden war. Allerdings versuchte sie sich selbst so zu positionieren, dass sie schnell genug aus dem Zimmer springen und er sie nicht verfolgen konnte. Ansonsten würde das Ganze sein gewolltes Ziel vollkommen verfehlen. Als die junge Frau ihn endlich soweit hatte, legte sie die andere Hand an seinen Nacken, zwang ihn, sie anzusehen und strich mit ihren Daumen flüchtig über seine Wange. "Ich komme mit, also kannst du dir genauso gut den Atem sparen... Und jetzt hör auf...", sagte er mit abgewandtem Gesicht, auf dem sich Wiederwillen und Sehnsucht gleichzeitig spiegelten. "Wieso sollte ich das lassen? Du weißt, dass es der Wahrheit entspricht, Aiden", sprach sie weiterhin leise, wobei sie großen Wert darauf legte, seinen Namen möglichst zärtlich auszusprechen. Im richtigen Augenblick, als sie das Gefühl hatte, dass er ihren Berührungen und ihrer Stimme weitgehend verfallen war, löste sie den Verschluss der Kette, streifte sie von seinem Hals ab und sprang unmittelbar danach auf den Fensterrahmen - eine Stelle, die vom Licht der Sonne regelrecht durchflutet wurde und voO n ihm sicher nicht so einfach erreichbar war. Sofort wich der verwirrte, glasige Ausdruck aus seinen Augen, und er sah entsetzt und wütend aus. "Gib sie mir sofort wieder", verlangte er in einer eiskalten Tonlage, die er ihr gegenüber noch nie angeschnitten hatte. Seine Augen glühten vor Zorn, aber als er einen halben Schritt vorwärts machte und das Sonnenlicht sah, das ins Zimmer fiel, blieb er stehen, den Blick auf den Boden gerichtet. "Hättest du auf mich gehört und deinen Weg zum Flughafen direkt fortgesetzt, müsste ich nicht zu solch drastischen Mittel greifen", kam es dann in gewohnt ruhiger und distanzierter Manier über ihre Lippen, wobei kleine Anzeichen für ein Grinsen zu sehen waren. "Sei brav und bleib im Haus. Wir wollen ja nicht, dass du zu Asche wirst, nicht wahr?" Aidens Kopf ruckte nach oben, als ihm klar wurde, was sie vorhatte, und er schüttelte den Kopf. "Jane... Jane!", brüllte er ihr nach, halb verzweifelt, halb rasend vor Wut. Doch ohne noch einmal zu ihm zurückzublicken, sprang Jane aus dem ersten Stock des Anwesens und landete ziemlich leichtfüßig auf dem Rasen, so dass sie gelassen zum Wagen schreiten und anschließend losfahren konnte. Natürlich war seine kalte Tonlage von ihr registriert worden und auch sein wutentbrannter Ruf war ihr nicht entgangen, doch prallten diese zwei Tatsachen an ihr ab. Immerhin hatte sie sich innerlich darauf vorbereitet, als sie den Entschluss gefasst hatte, ihm den Sonnenschmuck abzunehmen. Außerdem war es nicht so, dass er sie damit irgendwie hätte verletzen können. Schließlich war es nicht so, dass sie Freunde oder Ähnliches waren - was sie definitiv geworden wären, wenn ein gewisser Vampir nicht für ein Jahr Reißaus genommen hätte. Dementsprechend hatte die junge Frau keinen weiteren Blick zurück riskiert, als sie sich auf die Jagd gemacht hatte. Ihr Weg führte sie in ein anderes nobles Wohnviertel Londons. Eldric hatte für sie herausgefunden, dass in dieser Gegend des Öfteren Wertgegenstände verstanden, und sie fand es den Versuch wert, sich ein wenig umzusehen und mit den Leuten zu reden. Die ganze Fahrt dauerte gut fünfzehn Minuten, nach denen sie bereits nicht mehr an Aiden dachte, den sie in ihrem Haus eingesperrt hatte. Sie brauchte ein wenig, bis sie einen Parkplatz gefunden hatte, der ihr nah genug vorkam, um sich wenn nötig zurückzuziehen, aber doch weit genug weg, um nicht sofort aufzufallen. Nachdem die Vampirjägerin ein letztes Mal ihre Munition begutachtet hatte, machte sie sich auf die Suche dem Verbrecher. Jane sah sich gerade ein wenig um, als eine Bewegung am Rand ihres Sichtfeldes sie auf eine üppige Villa zu ihrer Rechten aufmerksam machte. Ein normaler Mensch hätte es für eine streunende Katze gehalten, die über das Vordach gehuscht war, doch die geschulte Vampirjägerin wusste es besser. Zorn kochte in ihr hoch, als sie mit einem raschen Blick zu beiden Seiten prüfte, ob sie alleine war, und sich dann über eine dichte Hecke kämpfte, auf deren anderer Seite sie elegant auf dem Rasen landete. Natürlich war das riskant, immerhin war es helllichter Tag, doch die dreiste Bestie schien das ebenso wenig zu kümmern, also blieb ihr nichts anderes übrig. Mit einem Sprung war die Brünette auf dem Vordach, von dem aus sie das Fenster erreichte, durch das ihr Opfer eingestiegen war. Scheinbar verlassen lag der Flur vor ihr, doch sie ließ sich nicht täuschen, sondern zog ihre Messer – auf Handfeuerwaffen wollte sie lieber verzichten, um das Haus nicht zu beschädigen. Sie blickte gerade um eine Ecke, als der Vampir mit einem großen, alten Gemälde aus einem Zimmer schlenderte, den verträumten Blick auf das Diebesgut gerichtet. Der Anblick, den der Vampir bot, hätte einige bestimmt zum Schreien gefunden: Er hatte lange, weiße, zottelige Haare, die ihm ins Gesicht fielen; seine Statur war groß, aber schmächtig und der Geschmack für die Kleidung war ganz offensichtlich nicht vorhanden. Immerhin lief dieser Verrückte in einem blutrot-schwarzen und einem Bademantel ähnlichen Umhang herum, wobei es so aussah, als ob er darunter ... Nichts trug. Man sah seine knöchrigen, nackten Beine und an den Füssen trug er goldene Crocs. Wäre er nicht Janes Jagdbeute gewesen, dann hätte sie wahrscheinlich über die Aufmachung gelacht. Da dies nun aber der Fall war, konnte sie sich nicht über sein Erscheinungsbild amüsieren, sondern musste sich darum kümmern, ihn umzulegen und die Musikschatulle zurückzuerlangen. Um das gewünschte Ergebnis zu erhalten, verfolgte sie ihn zunächst unauffällig und griff ihn, nachdem er vor einer Villa stehen blieb und diese verlassen wollte, an. Jane schaffte es, ihm einen Schnitt an der Wange zu verpassen, doch da wich der Dieb bereits von ihr weg. Vor Schreck ließ der - im ersten Augenblick schusselig wirkende - Vampir seine neueste Errungenschaft zu Boden fallen, doch fasste er sich schnell und holte zum Gegenschlag aus, um die Brünette davonzujagen. Jane wich seinen Krallen aus und versuchte erneut, ihn mit dem Messer zu erwischen, doch trotz seines skurrilen Aussehens erwies der Blutsauger sich als nicht weniger gewandt als seine Artgenossen. Knurrend duckte die Jägerin sich hinter ihre Waffen, während ihr Gegner sie misstrauisch belauerte. Als sein Blick sehnsüchtig zu dem Bild auf dem Boden huschte, stürzte die junge Frau sofort wieder auf ihn und schaffte es, einige seiner weißen Haare abzuschneiden. Das gab wohl den Ausschlag: Der Kunstdieb jaulte wütend auf, machte sich dann aber mit wehendem Bademantel über die Auffahrt davon. Ihm auf dem Fuß folgend, sprang Jane über das Gartentor und folgte ihm über die Straße. Verdammt, sie musste zu ihrem Auto gelangen, sonst würde er ihr entkommen. Sie war gerade dabei, ihn mit gezielten würfen silberner Nadeln in die gewünschte Richtung zu lotsen, als etwas geschah, mit dem keiner von ihnen gerechnet hatte: Ein kleiner Junge kam um die Ecke - offensichtlich war es auf dem Heimweg. Kurz starrte das Kind die beiden verdutzt an, dann nutzte der Verrückte die Gelegenheit, um sich auf das Kind zu stürzen. Natürlich konnte Jane das nicht zulassen, sprang sofort los, packte den Kleinen in ihre Arme und wich mit ihm auf die Seite. Dabei knallte sie mit dem Rücken gegen eine Mauer und erlitt kurz davor, als sie am Boden entlang geschlittert war, einige Schürfwunde am Unterarm und an der rechten Stirnseite. Als sie sich langsam aufsetzte, spürte sie einen stechenden Schmerz am Oberbauch und sie kam nicht umhin zu keuchen. Ihr Blick fiel allerdings sofort auf den Jungen, der vor Schreck und aufgrund des gedämpften Aufpralls ohnmächtig geworden war, ehe sie nach dem Vampir umsah. Dieser lief gerade die Straße entlang zurück zu der Villa, die er überfallen hatte, offensichtlich in der Absicht, sein Diebesgut zurückzuholen. Natürlich überlegte die Brünette einen Moment lang, ihn zu verfolgen, doch aufgrund der zugezogenen Verletzungen, wäre sie nicht schnell genug, um seine Fährte gut aufnehmen zu können. Verdammter Mist aber auch! Zähneknirschend und etwas mitgenommen, lieferte Jane das Kind unauffällig beim nächsten Haus ab und begab sich wieder zu ihrem Wagen, um nach Hause zu fahren. Als sie an ihrem Anwesen ankam, ging die Sonne bereits schon am Horizont unter und läutete die Dämmerung ein, wobei sie erst wieder an Aiden dachte, als sie aus dem Auto stieg. Hatte er nicht etwas von ´ein paar Stunden Zeit bis zu seinem Abflug` gesagt? Nun, die waren sicher vorbei, und bis er beim Flughafen war, würde es noch später sein. Shit. Das hieß also, er hatte wegen ihr mit Sicherheit seinen Flug verpasst... Eine Tatsache, die ihr nicht gefiel. Immerhin hieß das, dass er nun länger hier verweilen musste, als es nötig war. Schwer seufzend und noch immer mies gelaunt, schloss die Brünette die Tür auf. Sie hatte jetzt wirklich keinerlei Lust auf seine Belehrungen, die sie praktisch riechen konnte, als sie ihren ehemaligen Mitbewohner im Wohnzimmer sah. Sie ging auf ihn zu, warf ihm den Sonnenschmuck entgegen und wandte sich einer Kommode zu, in der ein Erste-Hilfe-Kasten war. "Tut mir Leid, dass du den Flug verpasst hast. Es hat länger gedauert, als erwartet", sprach sie schlicht und suchte gleich das Desinfektionsmittel, ein paar Verbände und ein Pflaster für die Stirn aus. Ihre Rippen würde sie wohl oder übel ihrer Mutter zeigen müssen, da sie den Verdacht hatte, diese geprellt oder verstaucht zu haben. "Ich werde versuchen, dich in den nächstmöglichen Flug einzuschleusen und die Kosten natürlich übernehmen", fügte die junge Frau hinzu, als sie die Sachen nahm und Richtung Badezimmer verschwinden wollte. Dabei vermied sie es natürlich zu sagen, dass sie es nicht geschafft hatte, das ersehnte Erbstück ihres Vaters zurückzubekommen. Zum einen ging ihn das überhaupt nichts an, zum anderen hätte es ihre sowieso schon miserable Laune nur noch weiter gesenkt, jetzt dafür zu reden. Allerdings kam sie nicht sonderlich weit bei ihrer Flucht, denn Aiden hielt sie auf. Und dem Blick nach zu urteilen, mit dem er sie bedachte, war der Vampir nicht viel besser gelaunt als Jane selbst. "Für was genau hältst du dich eigentlich? Ich habe dir gesagt, dass du mich brauchen würdest, und dir fällt nichts Besseres ein, als mich verdammt noch mal zu bestehlen? Dir muss doch selbst bewusst gewesen sein, dass mit diesem Einbrecher nicht zu spaßen ist - euer Haus ist besser gesichert als so manches Gefängnis, Herrgott", fuhr er sie an. "Irgendein Plunder ist es doch nicht wert, sich dafür so zurichten zu lassen. Du solltest es eigentlich besser wissen, als deine persönlichen Gefühle deine Professionalität beeinträchtigen zu lassen." Mal wieder schaffte er es, die richtigen Knöpfe zu drücken, sodass sie die Augen verengte und ihn wütend und kalt ansah. Wie konnte er es wagen, eines der wenigen Erbstücke ihres Vaters als Plunder zu bezeichnen?! "Nur weil du dir einbildest, dass ich dich brauchen würde, heißt das nicht, dass es so ist! Ich bin viele Jahre gut ohne dich ausgekommen und auch das vergangene Jahr habe ich hervorragend ohne dich überlebt - trotz meinem Nebenjob als Vampirjägerin!", entgegnete sie dementsprechend gereizt. Entgegen ihres Protestes schnappte Aiden sich den Verbandskoffer aus Janes Hand, um ihr den Kopf zu verarzten. Dabei ging er, trotz seines Ärgers, behutsam vor, obwohl er ihr offensichtlich am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte. Eigentlich wollte die Brünette ihm die Hand wegschlagen, als er damit begann, sie ungefragt zu verarzten. Immerhin war sie der Meinung, dass sie das selbst konnte. Als sie ihn jedoch nicht von seinem Tun abbringen konnte, knirschte sie mit ihren Zähnen und ließ ihn widerwillig gewähren. Um ihr Argument, sie habe ´hervorragend überlebt` zu widerlegen, hob Aiden nur ihren frisch einbandagierten Arm und starrte sie wütend an. "Das sehe ich", zischte er, bevor er sie wieder losließ, da er fertig mit seiner Krankenschwesterarbeit war. "Deine Hilfe mit dem Flug kannst du dir sparen, ich komme sehr gut alleine zurecht“, fügte er trotzig hinzu, was Jane die Augen verdrehten ließ. Sie wusste zwar nicht, wie gut seine Beziehungen waren, doch wenn sie ihre Kontakte spielen lassen würde, würde er bereits morgen früh im ersten Flieger sitzen und dorthin fliegen, wo er hin wollte. "Sieh es nicht als Hilfe, sondern als gegenseitiges Interesse an. Du willst hier weg und ich will meine Ruhe vor dir, also kannst du es ruhig annehmen. Mein Geldbeutel wird dadurch keinen Schaden nehmen", versuchte sie es erneut, da sie ihn ja wirklich relativ schnell aus dem Land vertreiben wollte. "Deine Interessen kümmern mich nicht, Jane", beharrte er darauf, das selbst klären zu müssen. "Fein, dann geh doch bitte deinen anderen Interessen nach, ohne mich dabei mit einzubeziehen, verdammt nochmal!", platzte es ungehalten aus ihr heraus, da die ganze Situation und die Umstände in dem Moment einfach zu viel gewesen waren. Das Fluch-Ventil half, denn kurz darauf atmete sie tief durch und fühlte sich deutlich besser - trotz des pochenden Schmerzes an ihrem Oberbauch. "Tut mir leid, das kann ich nicht. Solange ich in London festsitze, bleibst du nämlich mein Hauptinteresse", erklärte Aiden spöttisch, bevor er das Thema wechselte. „Hast du wenigstens, was dir gestohlen wurde?", fragte er. "Was hat er denn überhaupt mitgenommen?" "Eine Musikschatulle meines Vaters", erklärte sie schlicht, wobei sie es für besser hielt, ihm nicht zu sagen, dass es ein Erbstück war, welches in seiner Familie von einer Generation zur anderen weitergegeben wurde. Es reichte, wenn er wusste, dass es um ein Memento ihres toten Vaters handelte. "Tut mir leid", murmelte er, doch dafür war es zu spät, sodass Jane ihm nur einen wütenden Blick zuwarf, ehe sie sich abwandte. Leise seufzend fuhr sich die Vampirjägerin durch die Haare, zuckte aber sofort zusammen und sog scharf die Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen ein, da sie einen unangenehm stechenden Schmerz im Rippenbereich spürte. Verdammte Scheiße. Vorsichtig und darauf achtend, keine Pein zu provozieren, griff sie nach ihrem Handy, um Eldric per SMS Bescheid zu geben. Kurz darauf erhielt sie eine Nachricht von ihm, in der er sie aufforderte, am nächsten Tag im Zirkel zu erscheinen. Sie ahnte, dass sie sich wohl wieder einiges anhören musste und legte dementsprechend genervt das Smartphone zur Seite, ehe sie sich wieder dem ungebetenen Hausgast zuwandte. "Ich glaube, du hast hier nichts mehr zu tun, oder? Ich wäre froh, wenn du mich jetzt allein lassen könntest. Meine Mutter kommt bestimmt bald nach Hause", meinte die junge Frau und wollte sich die Treppen hochschleppen. Aiden seufzte, als sie ihn rauskomplimentierte. "Lass mich dir doch einfach helfen. Ich meine, wovor hast du Angst? Diesmal weißt du, dass ich gehen werde, oder?", sagte er leise und ein wenig erschöpft von diesem anstrengenden Tag. "Ich habe keine Angst", wiedersprach sie direkt, als der Vampir ihr seine Hilfe anbot und sie womöglich sogar auf das Zimmer tragen wollte. Dabei entsprach das Gesagte nicht unbedingt der Wahrheit, da sie tief in ihrem Innern doch so etwas wie 'Angst' verspürte und es unbewusst sogar mit ihm in Verbindung brachte, da er ihr Vertrauen vor einem Jahr gebrochen und somit auch, alte Wunden aufgerissen hatte. "Und ich weiß... nein, ich hoffe dass du diesmal gehst, aber ich kriege das alleine hin. Es ist eine persönliche Angelegenheit und geht dich nichts an. Ich meine... es ist meine Angelegenheit. Mach es nicht zu deiner", fügte die Vampirjägerin hinzu, wobei durch ihre Worte ersichtlich war, dass sie schon bald wieder losziehen und nach dem Verrückten suchen wollte. Selbstverständlich zog sie Aiden nicht in ihre Pläne mit ein. "Natürlich geht es mich etwas an. Ich kenne dich, und zu sehen, wie du dich selbst als Boxsack anbietest, kann ich nicht zulassen... Immerhin hat dein kleiner Kumpel mir angedroht, mich mit seinem Rudel ´in tausend Stücke zu zerreißen`, wenn dir etwas passieren sollte. Und da er uns im Moment nicht selbst mit seiner Anwesenheit beglücken kann, werde ich das eben in die Hand nehmen." Als sie ihn wegen des sarkastischen Kommentars über Gabriel wütend anstarrte, erwiderte er ihren Blick nur kühl. "Und wenn du nochmal versuchst, mich hier einzusperren oder zu bestehlen, werde ich das nicht mehr so einfach hinnehmen." Während sie sich ein Blickduell lieferten, sickerte langsam eine unangenehme Erkenntnis in Janes Bewusstsein. Er hatte abreisen wollen – sein Koffer war bereits gepackt. Und ihretwegen hatte er nicht in den Flieger steigen können. "Hast du keine Bleibe, weil du den Flug verpasst hast?", wollte sie direkt wissen, als würde sie sich ein Pflaster abreißen. „Nein, habe ich nicht, aber ich finde schon was." Ihre Laune sank - wenn überhaupt möglich - noch tiefer, doch sie konnte ihn schlecht auf die Straße setzen. Sie fing wieder an, die Treppe hochzuhumpeln, während sie sagte: „Du kannst die Nacht in deinem… In dem Zimmer verbringen.“ Sie tat das rein aus Höflichkeit, obwohl es ihr eigentlich gewaltig gegen den Strich ging. Aiden zog leicht die Braue hoch. "Wirklich? Und morgen hab ich kein Messer im Arm?", erkundigte er sich misstrauisch, immerhin hatte sie in letzter Zeit nicht gerade ein positives Bild von sich gezeichnet, angefangen von tätlichen über verbale Angriffe bis hin zu Diebstahl mit implizierter Freiheitsberaubung. "Ja. Wirklich. Ich bin ja nicht ganz unschuldig an der ganzen Sache. Du weißt ja, wo alles ist und kannst das alte Gästezimmer beziehen", meinte sie schlicht und drehte sich um. Jedoch hielt sie für eine Sekunde inne und dachte darüber nach, ob es so eine gute Idee war, ihm das alte Zimmer zu geben, da er so sehen würde, dass dieses noch genauso war, wie er es verlassen hatte und dementsprechend falsche Schlüsse ziehen würde. Allerdings ließ Jane den Gedanken fallen, da sie zu erschöpft war, weiter darüber nachzudenken, und begab sich dann ein wenig schleppend nach oben. In ihrem Bett rieb sie sich die Augen und stöhnte entnervt. Sie konnte es nicht glauben, dass Aiden trotz all ihrer Gegenmaßnahmen es schon wieder geschafft hatte, sich in ihr Leben und sogar in ihr Haus zu schmuggeln! Der einzige Lichtblick bei der Sache war, dass er in absehbarer Zeit in den Flieger steigen und wieder verschwinden würde. Kapitel 5: Versuchung Nr. 1 --------------------------- Noch immer völlig verblüfft von Janes Angebot, kurzfristig wieder hier einzuziehen, starrte Aiden ihr nach, wie sie humpelnd die Treppe hochpolterte. Sie schien in ihrer Entscheidung unschlüssig, und Aiden wartete, ob sie es sich nicht doch nochmal anders überlegen würde. Jedoch tat sie das nicht, sondern warf nur etwas lauter als nötig ihre Zimmertür ins Schloss. Beklommen sah er sich auf dem Flur um und erinnerte sich daran, wie seltsam die erste Zeit ihm vorgekommen war, während der er hier gewohnt hatte – und damals hatte er keine drei Wochen heftiger Streits mit Jane hinter sich gehabt, sondern sich im Gegenteil gut mit ihr verstanden. Dennoch zog er es vor, im McCollins-Haus zu schlafen statt auf der Straße. Er gab Jane genug Zeit, sich bettfertig zu machen und zurückzuziehen, bevor er mit seinem Koffer, den er in der Zwischenzeit hereingeholt hatte, nach oben ging. Wäre es nicht ihre Schuld gewesen, dass er noch bleiben musste, hätte er ihr Angebot wohl nicht so einfach angenommen. So aber stellte er seine Sachen vor den Schrank und sah sich zum zweiten Mal in dem Raum um, den er zumindest für kurze Zeit wieder beziehen würde. Es war ein seltsames Gefühl. Schock und Frustration über Janes Verrat ließen ihn keine Ruhe finden, als er später zu Bett ging. Wie hatte er nur so unsagbar dumm sein können? Und wie konnte sie so ein hinterhältiges kleines Miststück sein? Er hatte gewusst, dass sie eine Show abzog, und es war wahnsinnig erniedrigend, wie er trotzdem darauf angesprungen war. Noch dazu hatte sie ihn, ob wissentlich oder nicht, wirklich in Gefahr gebracht. Wäre er ihr gedankenlos nachgelaufen - immerhin war er seit zweihundert Jahren daran gewöhnt problemlos in der Sonne zu wandeln - wäre er jetzt tot. Ganz davon abgesehen, dass diese Kette der einzige seiner Besitztümer war, an denen ihm etwas lag, weil er ihm eine gewisse Freiheit von seiner Blutbürde bescherte. Aber nicht nur, dass er jetzt im Haus festgesessen hatte, er fühlte sich ohne den schützenden Schmuck von der Sonne geschwächt, davon, dass sie ihn hintergangen hatte, ganz zu schweigen. Während er gewartet hatte, war er eine Weile unruhig durch Janes Zimmer getigert, in der vagen Hoffnung, sie würde zurückkommen. Schließlich hatte er aufgegeben und war rausgegangen. Eigentlich hatte er sich ins Wohnzimmer setzten wollen, doch als er vor der Tür stand, hinter der er gewohnt hatte, hatte er gezögert und sie schließlich geöffnet. Aiden hatte während seiner Anwesenheit nicht viel verändert, aber soweit er erkennen konnte, war noch alles so, wie bei seiner Abreise. Sogar der Stuhl, auf dem er in dieser letzten, durchwachten Nacht einige Stunden nach draußen gestarrt hatte, stand noch vor dem Fenster. Und, auffälliger als das, das Bild mit ihm und seinem Vater hing an der Wand. Der schlaflose Vampir drehte sich um und starrte durch die Dunkelheit zu dem Gemälde und betrachtete die kleinen Figuren. Wenn Joshua das mitbekommen hätte: sein Sohn, eingesperrt von einem kleinen Mädchen... Seine Wut verrauchte langsam und wurde von Verlegenheit abgelöst. Er war so ein Trottel. Und nur deswegen hatte er seinen Flug nach Dubai verpasst, von wo aus es nach Sydney hätte weitergehen sollen. Da er sowieso nicht schlafen konnte, gab Aiden sich redliche Mühe mit seiner Internetrecherche bezüglich der Flüge, aber irgendwann gab er auf und legte sich wieder hin. Es war einfach zu frustrierend, und er beschloss, ganz altmodisch ein Reisebüro aufzusuchen, die sich dann um alles weitere für ihn kümmern sollten. Natürlich hätte er auf Janes Angebot, das für ihn zu regeln, zurückkommen können, doch das ließ sein Stolz nicht zu. Zumal sie dafür gesorgt hatte, dass er länger als geplant in London festsaß. Jetzt sollte sie mit den Konsequenzen leben, dachte er gehässig, während er endlich in den Schlaf abdriftete. Am nächsten Morgen war Aiden zuerst ein wenig verwirrt, wo er sich überhaupt befand, doch schnell nahm er den eindeutigen Geruch wahr und erinnerte sich an alles, was passiert war. Ärger kochte erneut in ihm hoch, doch nicht so intensiv und dauerhaft, wie es vielleicht angemessen gewesen wäre. Oder wie es angemessen gewesen wäre, wenn er selbst Jane nicht so sehr verletzt hätte. Der Vampir redete sich zwar ein, dass mit seiner Entschuldigung und ihrem Einlenken alles zu seinem Abgang gesagt war, doch eigentlich hatte er nach wie vor ein schlechtes Gewissen. Ja, ein Teil von Aiden gönnte es Jane, sauer auf ihn zu sein und sogar so etwas dreistes wie den Diebstahl seines Sonnenschmucks. Da das jedoch genau der von Selbsthass getränkte Teil von ihm war, der ihn damals zur Flucht getrieben hatte, wollte er eigentlich lieber nicht auf ihn hören. Deshalb gab er Jane jetzt Kontra, sparte nicht mit bissigen Kommentaren und ließ sich ihren (eigentlich verdienten) Zorn nicht gefallen. Während er aufstand, versuchte Aiden, diese Gefühle zu sortieren. So war er ein wenig ruhiger, als er in die Küche ging, wo bereits Elizabeth frühstückte. „Oh, ähm, guten Morgen“, stammelte er ein wenig verwirrt. Er hatte nicht mit der Ärztin gerechnet, obwohl dies natürlich ihr Haus war. „Tut mir leid, dass ich hier so reinplatze…“ Doch die Hausherrin lächelte nur und bot ihm mit einer einladenden Geste einen Platz neben sich. „Jane hat mir schon erzählt, was passiert ist. Mir tut es leid, dass sie dich aufgehalten hat.“ „Ah, das macht doch nichts. Ich schätze, ich hab´s verdient.“ Immerhin hatte er sich ungefragt in die Angelegenheiten der Vampirjägerin eingemischt, und wenn er an den Dolch dachte, den sie ihm in Rom in den Arm gerammt hatte, hatte er es mit der temporären Freiheitsberaubung noch gut getroffen. „Womit hattest du es denn verdient?“, fragte Elizabeth scharfsinnig, woraufhin ihr Hausgast leicht gequält lächelte. „Ich wollte ihr helfen, diese Schatulle zurück zu bekommen, obwohl es mich nichts angeht.“ „Oh, aber das ist doch nett von dir.“ Missbilligend runzelte die Mutter die Stirn, dann seufzte sie. „Nun, ein paar Tage länger in London zu bleiben, ist für dich ja keine große Sache, nicht wahr? Immerhin steht dir unendlich viel Zeit zur Verfügung.“ Sie lachten beide, dann fragte Elizabeth Aiden über dessen Reisen aus. Er hatte fast vergessen, wie angenehm es war, dass die Ärztin sogar Witze über seine Rasse machte und den Umgang keineswegs zu scheuen schien. Allerdings weckte diese Offenheit wieder das schlechte Gewissen bei dem Vampir, denn er erinnerte sich daran, was er ihr und ihrer Tochter angetan hatte. Nein, er konnte es sich wirklich nicht erlauben, wieder Teil des Lebens dieser beiden Frauen zu werden…. In dem Moment erschien die Tochter des Hauses für ein stippvisitenhaftes Frühstück in der Küche. „Ich muss in den Zirkel, Mom. Bin wahrscheinlich gegen Mittag wieder da.“ Dabei dachte sie natürlich nicht im Geringsten daran, Aiden mitzunehmen, wie sie es früher ständig getan hatte. Folglich schnappte sie ihre Sachen, grüßte den Hausgast schlicht und wollte schon aus der Küche verschwinden. Aiden stand ebenfalls auf, da er selbst das Haus verlassen wollte. Erstens hatte Elizabeth ihm erzählt, dass sie später noch verabredet war, und er wollte nicht alleine in der Villa sein. Und zweitens wollte er, wie gesagt, einen Flug buchen. Als Jane ihn finster anstarrte, beschwichtigte er sofort: „Keine Angst, ich gedenke nicht, dir zu folgen. Ich kümmere mich um meine Abreise.“ Also verließen sie gemeinsam das Haus, doch während Jane in ihren Wagen stieg, lief Aiden wie versprochen genau in die entgegengesetzte Richtung. Er fragte sich, was Eldric von seinem Schützling wollte, doch eigentlich ging es ihn nichts an. Wahrscheinlich hatte er irgendwelche Informationen über den Schatullen-Dieb. Ein paar Stunden später kehrte Aiden mit der Erkenntnis, dass seine Abreise so, wie sie am letzten Tag geplant gewesen war, erst in einer Woche wieder möglich wäre. Natürlich hätte er zwischendurch einen Flug aufs Festland buchen können, aber irgendwie sah er nicht ein, sich einzuschränken, nachdem Jane ihn aufgehalten hatte. Die Vorstellung, sich zu rächen, indem er sie noch ein paar Tage nervte, war sogar relativ verlockend, und das einzige, das ihn davon abgehalten hätte, war die Tatsache, dass er ihrer Mutter mit seinem Besuch nicht zu nahe treten wollte. Er hatte sich beide Angebote mitgeben lassen und wollte erst mal Elizabeths Stimmung abschätzen, bevor er entschied. Sie hatte sich für den Diebstahl ihrer Tochter entschuldigt, aber das hieß ja nicht, dass er ihr für sieben Tage willkommen war, immerhin hatte er auch sie einfach sitzen gelassen. Als er wieder am Anwesen ankam, bemerkte er, dass er keinen Schlüssel hatte. Irgendwie hatte er das wohl mit dem letzten Jahr durcheinandergebracht. Jedenfalls musste er klingeln, und er bemerkte sofort, dass Jane schlechte Laune hatte, als sie humpelnd an die Tür kam und ihn einließ. "Ist alles in Ordnung?", fragte er überflüssigerweise. Das war es natürlich nicht, aber er stellte sie bewusst vor die Wahl, ob sie es ihm sagen wollte oder eben nicht - wobei er hoffte, dass sie ihn mit Details verschonte, wenn es um ihren Freund ging, das wollte er wirklich nicht wissen. "Ja. Alles in bester Ordnung", zischte sie ungehalten sarkastisch und verdrehte die Augen. Aus ihrem Ton schloss Aiden, dass ihn ihr Problem nichts anging, also zuckte er nur die Schultern, murmelte: "Wie schön für dich", und wollte sich auf sein Zimmer begeben. Doch da ging sie an eine Kommode, auf der eine weiße Schatulle stand, griff hinein und warf ihrem Gegenüber einen Ersatz-Hausschlüssel in die Hände. Sie vermied es, dazu etwas zu sagen oder ihn anzusehen, und Aiden ersparte ihnen beiden unnötige Kommentare. Er spielte etwas mit dem Schlüssel, beschloss aber, ihn vorerst anzunehmen. Es wäre wirklich unpraktisch, die halbe Nacht draußen verbringen zu müssen, wenn er spät von der Jagd kam und die Damen bereits im Bett waren. Wenn er heraushörte, dass Elizabeth sich von seiner Anwesenheit zu gestört fühlte, konnte er ihn ja immer noch zurückgeben. "Ich darf mich nicht mehr auf die Jagd begeben, bis meine Verletzungen verheilt sind. Jedoch bin ich vom Fall nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern darf einen gewissen Schreibtischdienst zu diesem verdammten Vampir führen", erklärte Jane angesäuert, wobei es klar war, dass sie - so sehr es sie nervte - dieser Aufgabe nachkommen würde. Mit verschränkten Armen hörte er sich diese - Sehr vernünftige, wie er fand - Order von Eldric an, doch als Jane fertig war, kam er nicht umhin, leise aufzulachen. "Eldric bestraft dich?", wiederholt er, ohne sein Amüsement zu verbergen. Kein Wunder, dass sie grantig war, immerhin war sie eine Spezialbehandlung gewohnt. Und dann auch noch Schreibtischdienst, wo sie so schlecht die Füße stillhalten konnte - Herrlich! "Da es bis zur Heilung dauern wird, kann man davon ausgehen, dass Gabe bis dahin wieder putzmunter sein und mir unter die Arme greifen wird. Dementsprechend ist deine weitere Anwesenheit in London überflüssig", fügte sie hinzu, nachdem sie die Augen über seine Belustigung verdreht hatte. "Und du willst wirklich bis in drei, vier Wochen den Vampir nicht mehr jagen?", fragte er skeptisch. Eigentlich hätte er nicht mal geglaubt, dass sie sich an die Befehle ihres Mentors halten würde. Eldric hatte eine Delight-Strafe gewählt, indem er seinen Schützling trotzdem noch an dem begehrten Fall arbeiten ließ, das war wohl doch schon wieder eine Sonderbehandlung. "Er hat gesagt, dass ich ihn nicht jagen darf. Allerdings hat er kein Verbot gegenüber eigenen Recherchen ausgesprochen, die außerhalb des Schreibtischdienstes stattfinden können", erwiderte die Brünette. Ihre spitzfindige Auslegung des Befehls amüsierte ihn nur noch mehr, obwohl Aiden sich fragte, ob Eldric überhaupt bewusst war, was für ein besserwisserisches, starrköpfiges ´Monster` er mit dieser Behandlung erschaffen hatte. Sicher war der alte Vampir nicht alleine schuld daran, dass Jane so drauf war, aber geholfen hatten diese Extrawürste sicher nicht. "Die Frage ist nur, ob du ihn jemand anderem überlassen könntest, wenn du einmal herausgefunden hast, wo der Dieb sich befindet", überlegte er mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen. Immerhin hatte dieser Vampir es schon geschafft, sie zu verletzen, als sie noch auf der Höhe war, in einem geschwächten Zustand würde ihm noch leichter fallen. "Eine berechtigte Frage", erwiderte die Brünette schlicht und zuckte dabei mit den Schultern. Offensichtlich wusste sie nicht, ob sie in der Lage wäre, die Jagd einem Kollegen zu überlassen. "Bis dahin könnte der Dieb schon längst mit der Schatulle deines Vaters über alle Berge sein. Er weiß jetzt immerhin, dass er gejagt wird. Ich muss sowieso bis nächste Woche warten..." - Das hatte er soeben beschlossen... - "Also kann ich dir genauso gut suchen helfen, oder? Und wenn Gabe wieder auf den Beinen ist, übernimmt er einfach. Dabei hast du nichts zu verlieren - außer einem Erbstück deines Vaters, wenn du zu lange zögerst." Letzteres betonte der Vampir mit Absicht, da er wusste, dass ihre Familie das stärkste Argument war, das man Jane gegenüber anschlagen konnte. Er wusste, dass sie seine Hilfe nicht annehmen wollte, aber vielleicht würde sie dafür ihren Stolz runterschlucken. Sie musste ja nicht mal ´Bitte`, sondern einfach ´Ja` sagen, dann würde er - nach wie vor - alles für sie tun, egal, wie aufsässig er sich im Moment ihr gegenüber benahm. Für einen kleinen Moment blickte sie ihn an, knirschte dann aber mit den Zähnen und strich sich leise fluchend durch die Haare. Abwartend erwiderte Aiden Janes finsteren Blick, als sie überlegte, wie sie gegen seine Hilfe argumentieren sollte. Er konnte es richtig hinter ihren Augen rattern sehen und sein Grinsen wurde breiter, als ihm klar wurde, dass er bekommen würde, was er wollte. Er hatte ihr doch gesagt, dass er sowieso immer kriegte, was er wollte, und da hatte sie den Beweis~ Dass sie dafür ihren Stolz überwinden musste, sah er einfach als Ausgleich dafür, dass sie ihn hier eingesperrt hatte. "Okay. Meinetwegen", kam es trotz allem etwas gepresst und ziemlich knapp über Janes Lippen, nachdem sie sich das Ganze durch den Kopf hatte gehen lassen. Sie ging auf die Treppen zu, deutete ihm mit einer kleinen Geste an, ihr zu folgen und begab sich auf ihr Zimmer, wo sie eine Akte mit den bisherigen Informationen des Vampirs hervorkramte und ihm in die Hand drückte. Äußerst zufrieden mit sich selbst folgte er seiner unfreiwilligen Gastgeberin in den ersten Stock und in ihr Zimmer. Die neueste Erinnerung aus diesem Raum war nicht gerade angenehm, aber er dachte nicht weiter darüber nach, während er sich in die Akte einlas. Darin waren detaillierte Beschreibungen zu seinem Äußeren und bisherigen Einbrüchen zu lesen. Zu seiner Herkunft, sowie zu seinem Namen und Alter konnte man allerdings nicht wirklich etwas Eindeutiges sagen. Diverse Einbrüche in Kunstgalerien, Museen, aber auch Privathäuser, nicht nur in London und sogar vermutete Zusammenhänge im Ausland. Der Herr schien ja ganz wild auf Sammlerstücke aller Art zu sein. "Hier stehen die wichtigsten Sachen drin. Ich gehe davon aus, dass du dir sein Geruch bekannt vorkommen wird, wenn du ihm irgendwie über den Weg läufst?", meinte die Brünette. Immerhin hatte Aiden ja gesagt, dass er ihn gerochen hatte. "Wenn du weitere Anhaltspunkte brauchst: Sag Bescheid. Ich werde dafür sorgen, dass man die irgendwo auftreiben kann." "Mhm, klar…", murmelte er Aiden, weil er noch mit lesen beschäftigt war, da die Liste der Diebesgüter echt lang war. „So eine große Sammlung muss doch auffindbar sein. Es ist ja nicht so, als könnte man eine 500 Jahre alte Holzskulptur oder dergleichen in einem windigen Schuppen unterbringen", überlegte er, als er fertig war und den Bericht zuklappte. "Wo hast du ihn denn gestellt gehabt? Vielleicht finde ich dort ja ein paar Hinweise. Wohin er verschwunden ist oder dergleichen… Und hat er gestern auch wieder etwas gestohlen?", plante er sofort das weitere Vorgehen, immerhin hatte er nur eine Woche Zeit, etwas zu erreichen. Vielleicht würde in der Zwischenzeit der Welpe wieder gesund, aber eigentlich könnte er auf dessen Unterstützung getrost verzichten. Der Ausschlag, den er von seinen Bissen bekommen hatte, war Aiden noch sehr genau in Erinnerung und er hoffte nur, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. "Als ich ihn gesehen habe, kam er gerade aus einer Villa in der Gegend des Westends und hatte wohl ein riesiges Gemälde entwendet", erklärte ihm die Vampirjägerin. "Bevor ich ihn angegriffen habe, war er augenscheinlich im Begriff einen weiteren Einbruch zu begehen - und das, nur zwei Straßen weiter. Es wäre gut möglich, dass er es bald wieder versuchen wird, weil sich dort etwas befindet, was er haben möchte." "Gut, dann sollten wir die Gegend auf jeden Fall im Auge behalten." Er verwendete bewusst eine Redensform, die sie mit einbezog, immerhin waren das hier nach wie vor Janes Fall und ihre Ermittlungen. Er stellte sich nur als ausführendes Organ zu Verfügung. Sie ließ sich dann auf dem Stuhl an ihrem Schreibtisch nieder und verschränkte die Arme vor der Brust. "Das Problem ist... dass es keinen wirklichen roten Faden gibt. Seine Diebstähle sind ziemlich zusammenhangslos und es scheint, als ob er einfach das stiehlt, was ihm gefällt." Und wie es aussah, hatte er eine relativ große Spannweite, wenn es um den Geschmack ging - etwas, was man ja sogar an seinem Äußeren erkennen konnte. Tatsächlich hatten die Kunstgegenstände, die im Bericht erwähnt wurden, keinen epochalen oder lokalen Zusammenhang, obwohl eher ältere Dinge entwendet worden waren. Er selbst vermutete einen Zusammenhang mit dem Alter des Vampirs, da doch mehr Reliquien aus dem Zeitraum Mitte das neunzehnte Jahrhundert gestohlen worden waren und er vielleicht zu diesem Zeitpunkt erschaffen beziehungsweise geboren worden war, aber das waren natürlich nur Spekulationen. Weiter half ihnen diese Erkenntnis nicht, weshalb er nichts dazu sagte. "Hast du schon mal mit solchen Vampiren zu tun gehabt?", wollte die junge Frau mit einer hochgezogenen Augenbraue von ihm wissen. Aiden zuckte die Schultern. "Nicht direkt, nein. Aber ich schätze, er leidet unter einer Mischung aus Kleptomanie und Größenwahn... Ist ein Reinblütiger, nehme ich an?" Als sie bejahte, lächelte er, als würde das alles erklären. Tatsächlich neigten gebürtige Vampire oftmals zu Arroganz und Herrscherkomplexen – was man ja schon an seiner kleinen Geschichte über Aidens Erschaffer heraushören konnte: ´Du gehörst mir` und dergleichen. Da es wohl nichts mehr zu sagen gab, machte Aiden sich auf den Weg zur Tür. "Ich werde mich jetzt im Westend umsehen und versuchen, eine Spur zu finden. Bis morgen." Zum ersten Mal seit ihrem Gespräch auf dem Dach lächelte er sie an, dann drehte er sich um und verließ das Haus. Einige Zeit später fand der Vampir sich am Tatort ein, wo er rasch die verblassende Fährte der Verfolgungsjagd aufspürte. Er konnte den Geruch von Janes Blut riechen an der Wand, gegen die sie geknallt wurde. Ein leises Knurren rollte über Aidens Lippen. Jetzt schon wusste er, dass der Einbrecher es bereuen würde, dass er sich das Haus der McCollins ausgesucht hatte, wenn er ihn in die Finger bekommen sollte. War er wütend auf Jane gewesen, weil sie unvorsichtig gewesen war, so war das nichts verglichen mit seinem Groll gegen den Mann, der sie verletzt hatte. Er wandte sich ab, um die schwache Spur zu untersuchen, die in den Wald führte. Dabei wurde schnell klar, dass der Dieb im Zickzack gelaufen war, um eventuelle Verfolger abzuschütteln. Es dauerte Stunden, bis Aiden am anderen Ende des Waldes wieder herauskam, und als er der Fährte weiter folgte, verlor diese sich schließlich an einer viel befahrenen Straße. Sogar während er verfolgt wurde hatte der Einbrecher also die Geistesgegenwart besessen, eine Spuren gekonnt zu verwischen. Nachdem er seine Suche aufgeben musste, kehrte Aiden zurück zu dem letzten Tatort, also dem Haus, in das er wegen Jane nicht mehr hatte einbrechen können. Die Villa war inzwischen zusätzlich gesichert, sodass er sie nicht ohne weiteres hätte betreten können, aber da niemand wusste, dass es hier zu einem weiteren Überfall hätte kommen sollen, konnte er sich in Ruhe umsehen. Wenn sie nur gewusst hätten, was genau ihr Zielobjekt hatte mitgehen lassen wollen. Um ein paar Stunden zu schlafen, kehrte Aiden nach Hause zurück, jedoch stand er auf, bevor seine beiden Gastgeberinnen wieder wach waren. Er wollte eine Idee verfolgen, die er in der letzten Nacht gehabt hatte. Dafür besuchte er eine Kunstausstellung und unterhielt sich ein wenig mit den Sicherheitsleuten. Dabei erfuhr er, dass die Galerie zur Zeit wohl vom Unglück gebeutelt wurde, denn abgesehen von einem Diebstahl, der sich vor etwa einem Monat ereignet hatte, war der Kurator vor wenigen Wochen tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Überaus neugierig erkundigte Aiden sich weiter zu diesen Umständen, bis die Wachmänner misstrauisch wurden und er sich zurückziehen musste. Mit diesem Stand der Informationen kehrte er zu Jane zurück, die jedoch nur enttäuscht schien, dass er ihr nicht das gewünschte Kleinod präsentierte. Ein Gefühl von Unzulänglichkeit wallte in ihm auf, das er jedoch sofort unterdrückte. Er würde ihr diese verdammte Schatulle schon noch bringen, da brauchte sie sich keine Sorgen machen... „Na gut… Danke“, sagte die Jägerin dennoch überraschend, als sie aufstand und die Zeitung zusammenfaltete, die sie gerade gelesen hatte. „Ich werde jetzt in den Zirkel gehen. Schreibtischarbeit.“ Sie verdrehte die Augen und Aiden lächelte. Dann machte Jane sich schon auf den Weg zum Auto und er folgte ihr, um ihr von dem mysteriösen Tod des Ausstellungsleiters zu erzählen. Er wusste selbst nicht, wieso ihn das so verwunderte, aber irgendwie kam es ihm zu spanisch vor, um ein einfacher Zufall zu sein. Eigentlich hätte er Jane gerne begleitet, aber dann hatte er wiederum nichts mehr im Zirkel zu suchen, also fragte er sie nicht. Sie wollte ja sowieso nur, dass er ihr brachte, was er versprochen hatte, und dann verschwand. Die folgenden Tage verbrachte Aiden mit einer Mischung aus Reisevorbereitungen und Ermittlungen, wobei Erstere mit der Zeit immer halbherziger wurden. Das lag wohl daran, dass er sich zusehends mit dem Fall identifizierte und Jane ihr Erbstück zurückbringen wollte. Natürlich sagte er ihr nichts von diesen persönlichen Ambitionen, die sie sicher nicht gerne gehört hätte. Sie ging ja davon aus, dass er sich Ende der Woche verabschieden würde. Für immer... Er gestand es sich zwar nicht gerne ein, aber wieder mehr Zeit mit Jane zu verbringen, ließ ihm die Vorstellung, sie nie wieder zu sehen, ziemlich bitter erscheinen. Egal, wie unfreundlich sie war (Und er schenkte ihr da weiterhin rein gar nichts, sondern behandelte sie genauso kühl wie sie ihn), irgendetwas war an ihr, das ihn anzog. Zwar versuchte er, sich einzureden, dass das an Lady Jane lag und er darüber hinwegkommen würde, aber eigentlich wusste er es besser. Für diese irrationalen Gedankengänge hätte er sich regelmäßig ohrfeigen können. Sie behandelte ihn wie einen verdammten Aussätzigen, duldete ihn nur, weil er für sie Botenjunge spielte, und er lag ihr praktisch schon wieder zu Füßen – Obwohl er ihr das nicht zeigte, ganz im Gegensatz zu früher. Er hatte es ja schon gesagt, als sie ihn eingesperrt hatte: Er war ein verdammter Trottel. Als jedoch der Tag bevorstand, an dem Jane zur Kunstausstellung wollte, stand Gabriel vor der Tür, der sich - im Gegensatz zu ihr - praktisch gänzlich erholt hatte. Kurz weihte sie ihren Kindheitsfreund in die Sache ein, ehe sie sich an den 500 Jahre alten Vampir wandte, der eigentlich als Begleitung geplant war. "Nun, da Gabe wieder gesund ist, besteht für dich kein Grund mehr, mitzukommen, oder?", meinte die Brünette direkt und schritt anschließend ohne zu zögern mit dem Spanier zu ihrem Wagen, um einzusteigen und zur Galerie zu fahren. Aiden fühlte sich ziemlich vor den Kopf gestoßen. Nur, weil der Welpe wieder vor der Tür stand, wollte sie ihn einfach absägen. Sie hatten das hier zusammen geplant, er hatte ihr mehr oder weniger sämtliche Informationen zu Füßen gelegt, und jetzt ersetzte sie ihn durch jemanden, der verdammt nochmal unqualifizierter war als er selbst. Das konnte sie ja wohl vergessen. Kurzentschlossen folgte er den Partnern und ließ sich auf den Rücksitz von Janes Wagen fallen. Als sie ihn beide anschauten wie Ufos, zuckte er unbeeindruckt die Schultern und sah kühl aus dem Fenster. "Ich habe jetzt die ganze Zeit für dich gearbeitet, also will ich wissen, wie es weiter geht", erklärte er gelassener, als er sich fühlte. Gabriel protestierte zwar, und er warf ihm einen geringschätzigen Blick zu, aber dann sah er nur noch Jane an, der wohl klar sein dürfte, dass sie A) nicht mehr aus dem Auto bekommen würde und er B), wenn sie es doch schaffen sollte, einfach hinterher laufen würde. Er tat, was sie wollte - Unter der Prämisse, dass es ihm selbst in den Kram passte. Schwer seufzend startete die Brünette den Motor und fuhr dann, als der eher unliebsame Begleiter nicht aussteigen wollte, in die entsprechende Richtung. Gabriel schnaubte daraufhin zwar missmutig, worauf sie ihn nur schwach anlächelte. "Sicher, dass du dadurch nicht deine wertvolle Zeit zum Packen verschwendest?", wollte Jane schließlich wissen, als sie an einer roten Ampel hielten und sie kurz über den Rückspiegel zum Vampir blickte. Aiden hörte mit Sicherheit nicht schlechter, als der andere Mann im Auto, aber er zog es vor, so zu tun, als hätte er Janes gehässigen Kommentar nicht mitbekommen und starrte nur weiter aus dem Fenster. In Erwartung, nicht lange zu bleiben - Und weil er sich nicht zu häuslich hatte einrichten wollen - Hatte er gar nicht erst ausgepackt, aber darum brauchte sie sich ja keine Sorgen machen. Viel beunruhigender hätte sie wahrscheinlich seine neuen Abwägungen gefunden, hier zu bleiben. Vielleicht nur ein paar Wochen. Nur, bis er sicher war, dass die Sache mit dem Einbrecher geklärt war und nichts mit Vincent zu tun hatte… Tief in diese Überlegungen versunken, schwieg das Dritte Rad am Wagen während der Autofahrt und auch, als sie die Galerie betraten. Es war nicht dieselbe, in der er schon gewesen war, jedoch war hier eine ganz ähnliche Geschichte zu hören, die sein ungutes Gefühl, was den Tod des anderen Kurators anging, hervorrief. Die beiden Wachhunde hatten ihre Lady zu beiden Seiten flankiert, als sie die Ausstellung betreten hatten, ließen sie aber alleine, sobald sie sich umschauen ging. "Bist du sicher, dass du wieder gesund bist? Vielleicht hättest du noch ein paar Tage im Bett bleiben sollen", bemerkte er an Gabriel gewandt. "Ich bin gesund genug, um Janie allein beschützen zu können. Wieso bist du noch hier? Hast du nicht einen Flieger zu erwischen?", konterte der Werwolf mit einem spöttischen Unterton in seiner Stimme. Doch wenn Aiden schon nicht auf Janes Bemerkungen bezüglich seiner Abreise einging, so würde er das erst recht nicht bei Gabriel tun. Mit einem überheblichen Lächeln ließ er diesen stehen ließ, um in eine andere Richtung zu schlendern. Trotzdem hatten seine Worte ihn ein wenig aufmerken lassen. Janie… Das hatte er ja noch nie gehört, wobei das wohl daran lag, dass der Werwolf in den letzten Tagen außer Gefecht gesetzt gewesen war. Dass die zwei sich nahe standen, hatte er schon gewusst, aber das überraschte ihn doch. Irgendwie hatte die junge Frau auf ihn nie wie jemand gewirkt, dem man einen Spitznamen gab. Vielleicht war er voreingenommen, aber er fand nicht, dass diese Verniedlichung zu ihr passte. Natürlich ging ihn das, wie so vieles, rein gar nichts an, aber ein wenig Neugierde, woher die beiden sich kannten, konnte er sich nicht erwehren. Immerhin hatte Gabriel vor einem Jahr noch keine Rolle in ihrem Leben gespielt, und jetzt klebte er an ihr wie Kaugummi an einem Schuh. Nervig. Scheinbar ziellos schlenderte Aiden umher, wobei er jedoch nie zu weit von Jane entfernt blieb. Wie geplant ging die Brünette direkt zu der Stelle, an dem das gestohlene Kunstwerk gestanden hatte und sah sich ein wenig um. Allerdings war - wie erwartet - nichts Auffälliges zu finden, da einfach zu viel Zeit vergangen war und man mittlerweile aufgeräumt hatte. Ihr Blick schweifte über die Galerie, blieb teilweise an gewissen Kunstwerken hängen, wobei sie einen Sicherheitswachmann erblickte, auf den sie zuging, um ihn ein wenig auszufragen. Von seinem Standpunkt aus konnte der Vampir genau hören, wie sich die Brünette als Kunstliebhaberin ausgab und wissen wollte, was mit dem Bild geschehen war, welches gestohlen wurde. Im Gespräch setzte sie ihren Charme ein, indem sie ihren Kopf leicht zur Seite neigte und den Mann lieblich anlächelte, um mehr Informationen aus ihm herauszupressen. Selbst ihre Tonlage wählte sie ein wenig höher, damit sie überzeugender wirkte und strich sich zweimal mit einer kleinen Handbewegung das Haar hinters Ohr. Da Aiden selbst vor kurzem in dieser Situation gewesen war, tat ihm der Mann leid, aber immerhin wusste Aiden jetzt, dass er nicht der einzige Volltrottel war, der auf diese offensichtlichen Flirtversuche hereinfiel. Als hätte so ein alter Sack irgendeine Chance bei einer Frau wie Jane… Die Erkenntnis, dass er selbst ein noch älterer Sack war, ignorierte er dabei gekonnt. Der arme Wachmann fiel darauf rein, erzählte ihr von den Gerüchten, die besagten, dass man mit dem Kunstwerk auf dem Schwarzmarkt handelte und womöglich der Kurator selbst Interesse daran gehabt hatte. "Hmm... wirklich ein Jammer und ein tragischer Vorfall", sprach Jane leise seufzend, ehe sie sich mit einem weiteren Lächeln bei ihm bedankte. Er wurde abgelenkt, als zwei Frauen mittleren Alters auf ihn zutraten und mit ihm über das Gemälde plaudern wollten, dass er augenscheinlich seit zehn Minuten studierte. Höflich lächelnd unterhielt er sich ein wenig mit ihnen, aber als er sah, dass Jane sich von ihrem Opfer löste und auf Gabriel zutrat, verließ er die Damen ziemlich abrupt. Er hörte sie etwas sehr Unfreundliches über seine Mitbewohnerin sagen, als sie diese mit den zwei attraktiven Männern sahen, lächelte die beiden eisig an, bevor er über Janes Frage nachdachte. "Ziemlich eigenartig", murmelte Gabriel gerade, als Aiden zu seinen beiden Begleitern trat. "Stimmt. Ich höre zum ersten Mal davon, dass sich Vampire angeblich mit Kunstwerken auf dem Schwarzmarkt rumtreiben", meinte die junge Frau leise "Ich schaue mich mal ein bisschen draußen um", meinte Gabriel, der den Blutsauger in ihrer Mitte bisher geflissentlich ignoriert hatte. Die Vampirjägerin runzelte kurz die Stirn. Allerdings verstand sie sofort, als er auf die Sicherheitstür deutete und nickte leicht, so dass er sich an die Arbeit machte und die Galerie verließ, um in der unmittelbaren Nähe des Gebäude herumzuschnüffeln. Jane dagegen blickte zu Aiden. "Hast du in deinen Kreisen mal irgendwie etwas in die Richtung vernommen?" "Nun, Kunstinteresse ist wohl nichts Ungewöhnliches. Viele der älteren, reinblütigen Familien haben das Geld, um sich derartiges zu leisten. Und ich schätze, wo wertvolle Gegenstände sind, wird es immer einen Schwarzmarkt dafür geben." "Hm... dann müssen wir wohl herausfinden, wo dieser Schwarzmarkt ist oder jemand finden, der diesen regelmässig aufsucht...", murmelte die Brünette nachdenklich. "Kennst du solche Schwarzmärkte?", wollte sie vom 500 Jahre alten Vampir wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. Aiden sah seine Begleitung amüsiert an, als sie von einem Schwarzmarkt sprach, als würde so etwas tatsächlich in einer Einkaufshalle stattfinden. Wahrscheinlich konnte er froh sein, dass sie gerade verwirrt die grantigen Frauen ansah, die sie immer noch beobachteten, denn als sie sich abwandte und sie gemeinsam in den ersten Stock gingen, hatte er sein Gesicht bereits wieder unter Kontrolle. "Du scheinst gewissen Frauen mal wieder den Kopf verdreht zu haben", sprach sie beiläufig das Verhalten der Galerie-Besucherinnen an, mit denen Aiden zuvor gesprochen hatte. Doch Aiden schätzte er es nicht besonders, abfällige Kommentare über Personen zu hören, an denen ihm etwas lag, weshalb er einen gewissen Widerwillen gegen die beiden entwickelt hatte. Obwohl die zwei ja nicht wissen konnten, dass er ihr Gespräch belauscht hatte. An Jane gewandt zuckte er jedenfalls nur die Schultern. "Wer nicht viel im Kopf hat, lässt ihn sich wohl leicht verdrehen." Jane mochte nur ein gelangweiltes Geräusch, ohne auf den Scherz einzugehen. Sein Liebesleben interessierte sie einfach nicht. "Ich persönlich kann jedenfalls mit Kunst aus rein praktischen Gründen nichts anfangen, wenn du dich erinnerst", setzte er das Gespräch fort, als wären sie nie unterbrochen worden. Immerhin hatte er deshalb abgelehnt, das Bild seines Vaters mitzunehmen, das sie ihm angeboten hatte. "Also nein, ich kenne mich nicht mit Orten illegalen Verkaufs aus. Aber vielleicht kann ich etwas herausfinden, wenn ich mich ein bisschen umhöre. Könnte halt etwas dauern", merkte er beiläufig an, als sie schon auf der zweiten Etage angelangten. "Mein Gedanke war, dass wir uns nach dem Schwarzmarkt oder dessen Besucher zu erkundigen. So kommen wir vielleicht an wichtige Daten ran - wie zum Beispiel sein Name und Wohnort. Immerhin tappen wir hier praktisch im Dunkeln“, erklärte Jane ruhig, während sie sich mit verschränkten Armen vor einer roten Statue stellte, die aussah, wie das Klettergerüst eines naheliegenden Spielplatzes. Die Tatsache, dass sie sich hier in einer Galerie aufhielten, trug wahrscheinlich dazu bei, dass sie ihre Stimme und ihr Gemüt ein wenig dämpfte. Schließlich wollte sie nicht, dass sie auffielen. "Findest du?", fragte er. "Wir haben zwei augenscheinlich zusammenhängende Morde, nach nicht mal einer Woche… Und wenn du noch ein bisschen weiter mit ihm geflirtet hättest, hätten wir zumindest die Adresse dieses Sicherheitsmannes", konnte Aiden sich zu sagen nicht verkneifen. "Unnötig, wenn man bedenkt, dass wir den Namen des Ermordeten haben und so auch seine Adresse herausfinden können", entgegnete die Brünette leicht augenverdrehend, ohne auf seinen scherzhaften Ton einzugehen. Stattdessen wandte sie sich ganz praktisch wieder dem Fall zu: " Nun, es wäre gut, wenn du dich ein wenig erkundigen könntest. Allerdings nur soweit es dir möglich ist. Wenn du nicht fertig wirst, bevor du weiterreist, ist es nicht weiter schlimm. Bis dahin werde ich wohl wieder gesund genug sein, um aktiver zu werden und Gabe ist mittlerweile ja auch wieder auf den Beinen", fügte sie leise hinzu, wobei es natürlich offensichtlich war, dass sie ihn mit ihren Worten wieder dezent auf die baldige Abreise hinweisen wollte. "Wie großzügig, dass ich nur im Rahmen meiner Möglichkeiten arbeiten darf", pampte Aiden sie unwillkürlich an. Er fuhr nicht mit den beiden nach Hause, sondern machte sich auf die Suche nach weiteren Spuren oder seinem Hirn, das er wohl in den letzten Tagen irgendwo verloren hatte. Er wusste doch ganz genau, dass sie ihn am liebsten in einem Flugzeug sehen würde, wieso traf es ihn dann jedes Mal wieder so sehr, sie diesen Wunsch aussprechen zu hören? Genervt von sich selbst ging er erstmal jagen, bevor er sich wieder an die Ermittlungsarbeiten machte, wobei diese recht lustlos ausfielen und schließlich auf der Millennium Bridge ein Ende fanden. Er musste sich Ende der Woche in diesen bescheuerten Flieger setzen, denn er konnte nicht erwarten, dass sie ihm verzieh, geschweige denn, für seine aufgezwungene Hilfe dankte. Und dabei war er noch nicht mal wirklich eine Hilfe. Ein altbekannter Druck auf der Brust, der eine aufkeimende Panik begleitete, zeichnete sich ab, aber er schloss die Augen und holte tief Luft, um ruhig zu bleiben. Er fing schon wieder an, sich viel zu sehr auf Jane zu fixieren. Das war nicht gesund, und er musste aufpassen. Aber jetzt war er schon mal hier, hatte ihr seine Hilfe angeboten, und er würde sich nicht erlauben, schon wieder einfach die Flucht zu ergreifen - Auch, wenn sie es diesmal wohl tatsächlich begrüßen würde. Außerdem, dachte er, und der Trotz, der ihn in letzter Zeit so oft begleitet hatte, meldete sich zurück, hatte dieses Mädchen nicht zu bestimmen, wo er sich aufhalten durfte. Und wenn er in London bleiben wollte, würde er das eben tun, egal, ob es ihr passte oder nicht. "Ein paar Spuren weisen auf ein Viertel in der Nähe des Hafens", erklärte er Jane nach einer knappen Begrüßung, als sie am nächsten Morgen in die Küche kam. Er hatte, während er auf die junge Frau gewartet hatte, schon Elizabeth Kaffee gemacht, und stellte jetzt auch deren Tochter ungefragt eine Tasse hin. Ihre Mundwinkel zuckten verräterisch, nachdem sie den ersten Schluck getrunken und gemerkt hatte, dass er noch wusste, dass sie ihren Kaffee schwarz und mit zwei Löffeln Zucker trank. Allerdings verschwand das ansatzweise Lächeln schnell wieder, als sie hörte, was er zu sagen hatte. "Gehst du heute in den Zirkel? Ich würde gerne ein paar Dinge nachsehen… Wenn ich darf", fügte er hinzu, denn sie hatte ihn nach wie vor nicht in den Untergrund mitgenommen. "Ja, ich hatte vor da vorbeizuschauen", sprach die Vampirjägerin leise, ehe sie zögerte und offenbar darüber nachdachte, ob es eine gute Idee war, ihn mitzunehmen. "Also gut. Wir treffen uns nach den Vorlesungen auf dem Parkplatz", meinte sie schließlich schlicht, bevor sie sich daran machte, zu frühstücken. Sobald er ihr widerwilliges Gesicht gesehen hatte, hatte Aiden bereut, sie gefragt zu haben. Er hatte auch sofort zurück gerudert, dass es nicht unbedingt sein müsse, aber da hatte sie bereits zugestimmt. Und jetzt wartete er seit einer halben Stunde unruhig auf dem Universitätsparkplatz auf Jane. Er machte sich nämlich, vor allem, was ihren Mentor anging. Allerdings befürchtete er eher, dass Eldric wütend auf ihn sein könnte, da er seinen Schützling ´im Stich gelassen` hatte. Jedenfalls wäre es ihm sehr lieb, wenn er das Zirkeloberhaupt bei seinem Besuch nicht sehen müsste. Seine Reue, was diesen Vorschlag anbelangte, nahm noch zu, als er Jane mit ihrem Freund auf sich zukommen sah. Bisher war es ihm ganz gut gelungen, dem Jungen aus dem Weg zu gehen, aber jetzt nickte Aiden Logan notgedrungen zu, ehe er das Gesicht wegdrehte, um den Abschiedskuss des Paares nicht sehen zu müssen. Es war nicht so, als hätte er etwas gegen die Beziehung. Sie schien Jane glücklich zu machen, und Logan liebte sie offensichtlich abgöttisch. Aber direkt bei ihren Turteleien zuzusehen, löste in ihm Gefühle aus, die er lieber nicht gehabt hätte. Jedenfalls war der Vampir froh, als er mit Jane im Wagen saß und sie sich wie in alten Zeiten gemeinsam auf den Weg zum Zirkel machten. Kurz setzte er dazu an, sie nach ihrer Beziehung zu fragen, ließ es dann aber doch bleiben. "Was genau willst du eigentlich nachschauen?", wollte die Brünette wissen, als Aiden, eingestiegen war und sie losgefahren war - diesmal ohne Gabriel, da dieser noch bis zum späten Nachmittag Vorlesungen hatte. Aiden sah mal wieder aus dem Fenster, während er antwortete: "Ich hab gerüchteweise gehört, dass eine Gruppe Vampire Verschiedenes aus einigen Lagern am Pier vor der Polizei der Menschen in Sicherheit bringen sollte - Darunter diverse Kunstgegenstände. Ich möchte nachsehen, ob ihr jemanden gelistet habt, der auf die Beschreibungen passt, oder jemanden, der in der Gegend wohnhaft ist." Sie schwieg verbissen, und Aiden konnte sich denken, dass es ihr gewaltig gegen den Strich ging, nicht selbst mit den Ermittlungen fortfahren zu können. Doch natürlich erörterte Jane diese Gefühlslage nicht mit ihm, sondern parkte den Wagen und machte sich auf den Weg zum versteckten Aufzug, den sie mit ihrem Ring entriegelte und der sie wenig später unter die Erde beförderte. Zum ersten Mal seit fast einem Jahr begab er sich unter Tage, und es gefiel ihm noch genauso wenig wie damals. Mit verschränkten Armen wartete der Vampir, bis die Aufzugtüren sich öffneten, dann folgte er der Jägerin durch die Straßen. "Seid ihr eigentlich schon länger ein Team? Du und Gabriel, meine ich." Seit er den vollen Namen des Werwolfs kannte, nannte er ihn nicht mehr bei seinem Spitznamen, immerhin kannte er ihn weder gut, noch konnte er ihn besonders leiden. Trotzdem war er neugierig, weil es ja auch Janes Schutz etwas anbelangte. Mit einer leicht hochgezogenen Augenbraue blickte die Vampirjägerin zu ihrer Begleitung, ehe sie erklärte: "Wenn ich mich richtig erinnere, arbeiten wir aber jetzt schon seit gut 8 Monaten zusammen. Wir sind allerdings noch nicht offiziell ein Team. Wie du wahrscheinlich weißt, dauert der Reifeprozess eines Werwolfes bis zu seinem 25. Lebensjahr an, weshalb wir noch mit dem Pakt warten Ihm fiel auf, dass sie langsam anfing, wieder längere Antworten zu geben und nicht mehr nur über den Auftrag sprach. Das hatte sie schon vor einem Jahr getan, und diese Tatsache munterte ihn enorm auf. In dem Moment war auch schon ein leises 'Pling!' zu vernehmen war, welches signalisierte, dass sie unten angekommen waren. Ohne zu zögern trat die junge Frau nach draußen und begab sich in die Richtung eines mehrstöckigen Gebäudes, wo das Büro lag, in dem sie den temporären Schreibtischdienst verrichtete. Auf dem Weg gab es natürlich ein paar Gaffer, die Aiden bereits schon vor einem Jahr regelmäßig ein- und ausgehen gesehen hatten, doch ignorierte Jane diese gekonnt und ging zielstrebig weiter. Dennoch kam sie nicht umhin, irgendwo im Hintergrund einen Mann zu vernehmen, der irgendetwas wie 'neue, alte Partnerschaft?!' rief. Das Gebäude, in das sie jetzt gingen, hatte der Vampir noch nie betreten, sodass er sich interessiert umsah. Die Lästereien, insbesondere den Kommentar von Janes Bekanntem - Lue, Ludwig, oder wie der geheißen hatte - ignorierte Aiden genauso wie seine Begleiterin. Damit war zu rechnen gewesen, und er hatte es sich fast schon schlimmer vorgestellt. Außerdem waren sie mit einem Ziel hier. "Stimmt, das könnte recht unpraktisch sein... Und was ist mit seinem Rudel? Wenn er so weit ist, wird er ihnen gegenüber doch die größere Verantwortung haben, nicht?", setzte er ihr Gespräch fort, denn seine Kritik an Gabriel als ihrem Partner war durchaus nicht ausschließlich (aber schon größtenteils) persönlicher Natur. "Das stimmt wohl. Jedoch scheint es im Rudel bisher keine Einwände diesbezüglich zu geben und ich verstehe mich sehr gut mit ihnen, weshalb ich mir sicher bin, dass wir eine passende Lösung finden werden, wenn es mal zu einem Problem kommt. Außerdem verfolgen sie unter anderem auch das Ziel, auffallende und gefährdende Blutsauger aus dem Weg zu schaffen", erwiderte sie, als sie im Gebäude angekommen waren und sie die ältere Empfangsdame begrüßt hatte. Die Wölfe hatten also kein Problem damit, ihren künftigen Anführer zu teilen? Nun, er als Mitglied einer recht einzelgängerischen Rasse musste dieses Gemeinschaftsgefühl wohl nicht nachvollziehen können. Außerdem wäre da noch die Tatsache, dass er Jane, wäre sie seine Partnerin geworden, als Seins betrachtet hätte und sie garantiert nicht an jemand anderen abgetreten hätte. Dieses Gefühl hatte er ja jetzt schon, obwohl er stark dagegen ankämpfte. Sie war ja eben nicht seine Partnerin, also konnte sie arbeiten, mit wem sie wollte... Rein theoretisch. "Hm... Und darf ich fragen, wie du ihn überhaupt kennengelernt hast? Du hast nie von ihm..." Er brach ab, weil es ziemlich dünnes Eis war, von ihrer alten Bekanntschaft zu sprechen. Bisher hatten sie das geflissentlich vermieden, und wahrscheinlich war das besser so. Außerdem sollte das kein Vorwurf sein und er hoffte, dass sie es nicht so auffasste sondern einfach auf die Frage antwortete. "Unsere Eltern kennen sich seit ihrer Jugend", antwortete die Brünette schlichter als vor wenigen Augenblicken, was Aidens Verdacht bestätigte, dass dies kein gutes Thema war. Während sie in den hinteren Teil des dritten Stocks gingen, überlegte Aiden, wie er sie wieder in sicheres Fahrwasser bringen konnte, und fragte schließlich: "Und er studiert auch BWL?" "Nein, er studiert Biologie. Er hat nur im Nebenfach BWL und folglich nur einige Vorlesungen mit mir", antwortete die Brünette nach einem kurzen Zögern, da sie nicht umhin gekommen war die Stirn zu runzeln. Sie betraten einen größeren Raum in dem sich drei weitere Personen befanden, die sich um die Dokumenten, Akten und Informationen kümmerten. Jedoch waren diese, im Gegensatz zu Jane, Festangestellte und kümmerten sich um die verschiedensten Aufträge, wie die Vampirjägerin ihrem Begleiter auf dessen geflüsterte Nachfrage hin erklärte. Kurz grüßte die Brünette ihre Kollegen, ehe sie weiterging und vor einer Tür stehen blieb, die sie mit einem Schlüssel aufschloss. Es handelte sich um ein kleines, abgeschottetes, mit Glaswänden versehenes Zimmer. Auch hier konnte man deutlich erkennen, dass der jungen Frau so etwas wie eine Sonderbehandlung zukam. Sie ließ sich auf dem Sessel nieder, fuhr den Computer hoch und blickte zu Aiden. "Interessante Mischung. Aber wie sieht es bei dir aus? Du warst doch ziemlich am Ende des Bachelor-Studiums, oder? Wie ist es gelaufen? Machst du den Master auch in BWL?" Ein paar Details hatte ihm Elizabeth zwar erzählt, ihm dann aber geraten, doch lieber selbst mit ihrer Tochter zu sprechen. Bisher hatte er erstens nicht die Gelegenheit gehabt und zweitens nicht erwartet, dass Jane antworten würde, aber jetzt schien sie in einer leichten Plauderlaune zu sein, in der er seiner Neugierde bezüglich ihr ein kleines Bisschen nachgab. "Ganz gut. Ich habe zwar nicht ganz die Bestnoten erreicht, aber es muss gereicht haben, da ich relativ schnell ein Praktikum erhalten habe", erwiderte die junge Frau, während sie wartete, bis der Rechner geladen hatte. „Und ja, nachdem ich im Managementbereich tätig war, denk ich, dass ich nun weiß, dass ich vorerst in die Richtung gehen will.“ Endlich war der PC betriebsbereit, und bevor Aiden weitere persönliche Fragen stellen konnte, verlangte Jane: "Beschreib mir mal die Leute, die am Pier tätig waren.", sprach Jane, als sie mit dem Tippen begann und bereits, die Personen herausfilterte, die in der angesprochenen Gegend wohnhaft waren. Als ihr Gegenüber mit den Details zu den Verdächtigen begann, gab sie diese in den Computer ein und druckte die passenden Informationen heraus, um ihm diese gleich in die Hände zu drücken. Jedoch blickte sie anschließend selbst wieder auf den Bildschirm und besah sich die Treffer, die dabei herausgekommen waren. Es waren nicht unbedingt viele und wenn man schnell handeln würde, würde man bestimmt rasch herausfinden, welche Parteien dort tätig gewesen waren. "Hmmm... der hier würde doch ins Bild passen: Randal Carter. Zu Lebzeiten war er ein Schmuggler, spezialisiert auf Kunstfälschungen", meinte sie und las die weiteren Informationen durch, die weiterhin aussagten, dass es sich hierbei um jemanden handelte, der sein Handwerk verstand, da er - neben seinem Job als Schmuggler - als Restaurator beschäftigt gewesen war. Als sie auf einen der Verdächtigen zu sprechen kam, blätterte er seine Zettelwirtschaft durch, bis er Randal gefunden hatte. "Ja, aber seit er verwandelt wurde, scheint er sich ruhig verhalten zu haben... Meinst du, er hat sein altes Hobby wieder aufgenommen?", fragte Aiden, der die weiteren Angaben zu der Person durchsah. Nun, ein Gespräch würde sicher nicht schaden. "Es wäre nicht verwunderlich, oder? Ich meine, für so etwas braucht man erfahrene Leute und wenn man ihm eine entsprechende Entlohnung bietet, würde er sicher nicht nein sagen", meinte Jane etwas nachdenklich als sie wieder auf den Computer blickte. "Sag mal... Ich komm mir blöd vor, erst jetzt zu fragen, aber was genau für eine Schatulle ist das eigentlich? Wie genau sieht sie aussieht, habt ihr mir ja auf dem Foto gezeigt, aber weißt du, wo dein Vater sie herhatte? Und von wem?" Es ist eine uralte Musikschatulle. Sie wird seit Jahrhunderten in der Familie meines Vaters von Generation zu Generation weitergegeben und von daher von fast unmessbarem Wert für mich...", erklärte sie leise. In ihrem Blick war so etwas wie Trübsinn zu sehen, während sie sprach. Neugierig geworden horchte er auf, als Jane meinte, die Musikbox sei ein Erbstück der Familie Väterlicherseits. Das hieß, dass sie aus dem Geschlecht der Greys stammte... Und jemand wagte es, ihr Andenken mit seinen dreckigen, gierigen Fingern zu besudeln... Er war zuvor schon nicht gut auf den Einbrecher zu sprechen gewesen, weil er Jane verletzt hatte, aber jetzt würde er ihn mit Sicherheit nicht davonkommen lassen. Dabei spielte der traurige Blick, der sich in die Augen der jungen Frau geschlichen hatte, eine tragende Rolle. "...außerdem befindet sich noch was anderes darin, was ich gerne zurückhaben würde", fügte sie leise hinzu. „Wir finden sie. Bestimmt", versicherte er ihr mit einem aufmunternden Lächeln, wie er es schon so oft getan hatte. Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als Janes Telefon klingelte. Bei ihrer Reaktion zog Aiden zunächst die Brauen hoch, bevor er schwach lächelte. So reagierte sie eigentlich nur auf ihn selbst - Und auf den ´anderen Vampir in ihrem Leben`, wenn man es so bezeichnen wollte: Eldric hatte wohl davon gehört, dass sein Schützling im Hause war. "Ja? Mhm... Was zum...-?! Wieso sollte es mir nicht gut gehen?! Wenn du nur deswegen angerufen hast, dann kannst du dir das sparen! Ich hab Besseres zu tun!", schnauzte die Brünette sofort in den Hörer, bevor sie auflegte. „Was wollte er denn?", fragte Aiden vorsichtig nach. Er konnte sich zwar denken, dass Jane die unwichtige Neuigkeit seiner Rückkehr noch nicht weiter erzählt hatte (In Italien hatte sie das ja auch nicht getan), aber inzwischen war er immerhin fast einen Monat hier, da hätte sie ja zumindest Mal erwähnen können, dass er sich in London aufhielt. Ein Nebensatz hätte schon genügt. Aber das zeigte wohl, wie wenig sie sich darauf einlassen wollte, wieder mit ihm zu tun zu haben. "Nichts. Er hat herausgefunden, dass du wieder in London bist, weil es sich sofort wie ein Lauffeuer verbreitet hat, als du den ersten Fuß in den Zirkel gesetzt hast", grummelte die Vampirjägerin genervt. Fast ein wenig nervös sah er über die Schulter zur Tür, aber natürlich würde Eldric nicht plötzlich hier auftauchen, immerhin hatte er genug zu tun. Als das geklärt war, konnte er sich auf Janes Worte konzentrieren, die wohl implizierten, dass Jane zu Beginn nicht nur sauer auf ihn gewesen war, sondern tatsächlich verletzt. Er hatte sich das schon gedacht, aber zu erfahren, dass es so offensichtlich gewesen war, traf ihn noch mal zusätzlich. Am liebsten hätte er sich erneut entschuldigt, aber sie wollte sicher nicht, dass er sie auf ihre Gefühle ihm gegenüber ansprach, also hielt er die Klappe. "Wenn es zu große Umstände macht, kann ich wieder gehen", schlug er vor, obwohl er nicht glaubte, dass ihr Gegrummel diesmal explizit ihn meinte. "Ich habe jetzt sowieso alles, was ich vorerst brauche." "Umstände macht es keine. Dazu ist es jetzt ohnehin schon zu spät. Allerdings halte ich dich nicht auf, wenn du weiter Pläne hast und losziehen willst", erwiderte die Brünette leise seufzend, bevor sie in der Bewegung innehielt und ihn ansah. „Du hast wahrscheinlich sowieso zu tun. Hast du den Flug eigentlich definitiv gebucht?", wollte die junge Frau beiläufig wissen, als sie sich wieder an ihren Computer gewandt und angefangen hatte, ein paar Dinge in die Tastatur zu tippen. Für einen kleinen Moment schwieg sie, doch hing sie noch zwei weitere Fragen an: "Weißt du eigentlich, wohin du willst oder fliegst du einfach mal los und entscheidest dich spontan?" Aiden zuckte leicht zusammen, obwohl Jane ganz sachlich sprach. Warum musste sie das auch ausgerechnet hier ansprechen, wo er ihr nicht ausweichen konnte? Aiden beschloss, ihre erste Frage zu ignorieren und die zweite zu beantworten, die ihm sehr gelegen kam: "Erst nach Dubai und von da aus nach Australien. Langstreckenflüge sind spontan eher schwierig zu gestalten, immerhin muss ich zwischendrin was trinken." Sie war intelligent, sie würde mit Sicherheit merken, dass er sich herauswinden wollte, aber wie hätte er ihr einfach sagen können, dass er noch keinen Flug gebucht hatte und stark mit dem Gedanken spielte, noch zu bleiben? Obwohl das potentiell eine größere Gefahr für sie bedeutete... "Du hast den Flug definitiv gebucht, nicht wahr?", wiederholte Jane ihre Frage dementsprechend direkt, wobei sie sich in ihrem Sessel zurücklehnte und die Arme vor der Brust verschränkte. Dabei ließ sie ihn nicht aus dem Blick. Zuerst sah er etwas verlegen auf den Boden, doch dann blickte der Vampir seinem Gegenüber trotzig in die Augen. "Bisher noch nicht", antwortete er, mürrisch den Wutanfall herausfordernd, der mit Sicherheit kommen würde. "Liegt es daran, dass du dich so sehr auf den Fall fixiert hast und besorgt bist, dass irgendetwas schief geht? Ich habe dir doch gesagt, dass wir das wieder im Griff haben. Du kannst deine Reise nach Down Under wirklich antreten. Wenn du willst, kann ich dir nach dem Abschluss auch eine Nachricht zukommen lassen, damit du dann auch weißt, wie es ausgegangen ist“, sprach die junge Frau überraschend ruhig. "Ihr habt es im Griff, aber ich habe die meisten Recherchen gemacht und kenne mich am besten aus. Außerdem kannst du nach wie vor nicht jagen, sodass ich das dem… Dass ich das Gabriel überlassen müsste, und das… Widerstrebt mir", drückte er seine Aversion sehr milde aus. "Oder liegt es daran, dass du das technisch nicht hinkriegst?", wollte die sie wissen, ehe sie sich wieder an den Computerbildschirm wandte. Schließlich war es kein Geheimnis, dass der 500 Jahre alte Vampir nicht gut mit dem modernen Schnickschnack zurechtkam. Immerhin hatte er damals schon riesige Probleme mit dem neuen Smartphone gehabt, welches sie ihm während der kleinen Shoppingtour besorgt hatte. Aiden hatte schon fest mit einem Messer gerechnet, das in seine Richtung fliegen würde, als er ihr sagte, dass er noch nicht für seine Abreise gesorgt hatte. Immerhin war er es gewesen, der ihr versprochen hatte, zu gehen. Ganz davon abgesehen, dass er sie durch seine Anwesenheit möglicherweise in Gefahr brachte. Ungeachtet dieser Punkte wurde sein Wunsch, zu bleiben, immer größer, was wohl an der irrationalen Hoffnung lag, dass Jane ihn irgendwann wieder akzeptieren könnte. Sie hatte es schon mal geschafft. Jetzt würde sie aber nicht nur generelle Vorurteile überwinden müssen, sondern eine ganz persönliche Abneigung beziehungsweise Vorbehalte gegen ihn, und er sah ein, dass das äußerst schwer würde. Jane jedenfalls schien seine eigentlichen, egoistischen Motive nicht mal in Betracht zu ziehen. Unbehaglich rieb Aiden sich über den Nacken, nicht sicher, ob und wie er sie aufklären sollte. Eigentlich war ihre Erklärung sogar ziemlich praktisch, zumindest so lange, bis er ihr gestehen musste, dass er nicht gehen würde. Sie wollte sich sogar die Mühe machen, ihn zu kontaktieren, aber das reichte ihm eben nicht. Als sie auch noch meinte, er würde nicht mit der Buchung zurechtkommen, lachte er und fuhr sich durch die Haare. "Ich habe schon Flüge, Schiffe und Züge gebucht, bevor du geboren wurdest, Jane. Ich komme zurecht", lächelte er schmal. Wahrscheinlich war es aber besser, das Pflaster gleich abzureißen, als damit zu warten, sodass er murmelte: "Daran liegt es nicht... Jedenfalls nicht nur." Sobald Jane ihn jedoch wieder ansah, wurde Aiden unruhig und machte einen Rückzieher. "Vergiss es einfach, ich… Sollte jetzt wieder los, diesen Randal suchen. Je schneller ich deine Schatulle finde, desto besser, oder?", beendete er das Gespräch mit einem Argument, das sie wohl kaum widerlegen konnte. Jane schien ihn jedoch nicht gehört zu haben, denn sie hatte gerade etwas gedruckt und war aufgestanden. Fragend runzelte sie kurz die Stirn, doch er wiederholte es nicht. "Was auch immer“, wiegelte Jane den kurzen Zwischenfall als für sie belanglos ab. „Sag Bescheid, wenn du noch etwas brauchst. Außerdem würde Gabe dich sicher gerne begleiten, wenn du den Aufenthaltsort des klauenden Blutsaugers ausfindig gemacht hast", meinte Jane, ihre Aufmerksamkeit mittlerweile mehr auf dem Dokument lag, welches sie ausgedruckt hatte. "Ich werde schnell unten anrufen, damit dich jemand zum Lift begleitet und diesen für die entriegelt." Mit diesen Worten setzte sie sich wieder an den Schreibtisch, um mit ihren Arbeiten fortzufahren. Aiden warf ihr einen letzten, schuldbewussten Blick zu, dann verdrückte er sich möglichst schnell aus dem Büro. Oh, sie würde toben, wenn sie herausfand, was er vorhatte… Kapitel 6: Wie Hund und Katz ---------------------------- In den folgenden Tagen hatte Aiden immer wieder in Angriff genommen, einen Platz in einem Flieger zu buchen. Unter irgendwelchen Ausflüchten hatte er es doch nie getan, und dann war wieder Freitag und es war zu spät. Es tat ihm leid, dass er sein Wort brach und Jane schon wieder enttäuschte, aber irgendwie hatte er es einfach nicht über sich gebracht. Eigentlich hatte er, als er am frühen Nachmittag in ihrem Haus auftauchte, unauffällig in sein Zimmer huschen wollen, damit die Vampirjägerin nicht merkte, dass ihr Hausgast keine Anstalten machte, seine Sachen zu packen. Doch das Schicksal hatte etwas anderes vor, und als Aiden noch kurz in die Küche ging, um die Morgenzeitung zu holen, in der er nach Wohnungen suchen wollte, stand er plötzlich Jane gegenüber. Während der letzten Tage hatten sie sich verhältnismäßig gut vertragen, doch als ihr unliebsamer Mitbewohner noch immer in der Küche stand - ohne Gepäck – wollte sie gereizt wissen: "Wieso bist du noch hier? Müsstest du nicht auf dem Weg zum Flughafen sein?“ Trotz seiner Unentschlossenheit war er in den letzten Tagen aber nicht untätig gewesen, sodass er sich rechtfertigte: „Ich habe diesen Randal ausfindig gemacht und ihn ´überreden` können, mir den Lagerplatz der illegalen Kunstgegenstände zu verraten, wo er für unseren Kunstsammler immer seine Ware holt. Ich bin so kurz davor, diese Schatulle zu finden, Jane, wirklich! Heute Abend sehe ich mich da mal um, in Ordnung?“ Dafür hatte er dem anderen Vampir zwei, drei Finger abreißen müssen, aber als Aiden sich daran gemacht hatte, den Arm um entfernen, war der andere Vampir plötzlich sehr gesprächig geworden. Diese Details ersparte er Jane bei seiner Erklärung, obwohl er natürlich wusste, dass sie alles andere als zimperlich war, gerade, was seine Artgenossen anging. Sie starrte ihn aus glühend grünen Augen finster an, grummelte leise und fuhr sich schnaubend durch die Haare. "Fein! Meinetwegen! Du nimmst aber den Flug nächste Woche nach Australien, und wenn ich dich persönlich in den Flieger befördern muss!", kam es zähneknirschend über ihre Lippen, bevor sie ihr Smartphone zückte. Er unterdrückte ein Schmunzeln bei der Vorstellung, wie Jane versuchte, ihn in einen Flieger zu drängen, und nickte schicksalsergeben. Für den Moment schien sie besänftigt, worüber Aiden erleichtert aufatmete. Er wäre zwar so oder so geblieben, aber streiten wollte er sich deswegen nicht. Wahrscheinlich war ein Disput unvermeidlich, aber jetzt hatte er das Ganze schon so lange rausgezögert, dass er gar nicht mehr wusste, was er überhaupt sagen sollte. Sie würden ja sehen, was die nächste Woche noch so bringen würde. Jedenfalls lag in seinem Zimmer kein Prospekt einer Reisefirma, sondern Wohnungsanzeigen, und wenn sie die gesehen hätte, wäre sie sicher an die Decke gegangen. Da er das jetzt aber nicht gebrauchen konnte, verschob er das unvermeidliche Gespräch mal wieder nach hinten. Janes Stimme, die gerade: „Gabe, es gibt Neuigkeiten wegen der Schatulle“, in ihren Telefonhörer sagte, ließ ihn aufblicken und wischte das Lächeln von seinen Lippen. „Wir haben Hinweise auf einen möglichen Lagerplatz.“ „´Wir`?“, hörte Aiden den Werwolf skeptisch sagen. Mit einer unwirschen Handbewegung, die ihr Gesprächspartner natürlich nicht sehen konnte, wischte sie die Frage beiseite. „Ja, wir. Wenn du heute Abend Zeit hast, könntet ihr euch am Hafen umsehen.“ „Was?“, keuchten Gabriel und der Vampir wie aus einem Munde, woraufhin Jane ihrem momentanen Mitbewohner mit einem säuerlichen Blick zu verstehen gab, still zu sein. Natürlich ignorierte Aiden diese stumme Aufforderung. Er konnte den Wolf nicht gebrauchen, er würde nur noch schlimmer stinken als das bracke Kaiwasser. "Ich kriege das alleine hin", sagte er trotzig. "Gabe geht mit, keine Widerrede", bestimmte Jane schlicht, dann verabredete sie ein Rendezvous für die beiden widerwilligen Männer und legte auf. Sie wollte aus der Küche verschwinden, doch Aiden folgte ihr mit verschränkten Armen. „Ich brauche ihn nicht, wie du sehr wohl weißt.“ „Er ist mein bester Freund und weiß, wie viel mir diese Schatulle bedeutet. Deswegen wollte er den Fall unbedingt übernehmen und hat mich gebeten, ihn zu kontaktieren, wenn es darum geht, den Dieb zu stellen und gegen ihn zu kämpfen… Wobei ich gar nicht weiß, wieso ich mich vor dir rechtfertige. Es ist mein Fall, und aus!“, blaffte Jane, bevor sie mit wehendem Haar die Treppe hoch verschwand. Noch immer nicht begeistert, doch von der Erklärung ein wenig besänftigt, fand Aiden sich mit der Tatsache ab, mit Gabriel zusammenarbeiten zu müssen. Aiden war es nicht unangenehm, dass Gabriel wusste, wie viel ihm an Jane lag. Sie war kein Schwachpunkt seinerseits, sondern ganz im Gegenteil seine Antriebskraft. Und wenn jemand ihre menschliche Schwäche doch auszunutzen versuchen sollte, würde er sie eben beschützen, egal, was es ihn kostete. Dass dies in Gabriels Fall nötig sein würde, glaubte er nicht, deshalb akzeptierte er den Werwolf an ihrer Seite. Er war keine Gefahr, sondern einfach nur eine Nervensäge. Die Sonne war bereits eine Weile untergegangen, als die Männer sich vor Janes Haus begegneten, beide mit mürrischen Gesichtern. Die Vampirjägerin ignorierte den Widerwillen ihrer Helfer, indem sie dem Werwolf ihren Autoschlüssel zuwarf. „Ihr könnt nicht wie besessen durch die Stadt rennen – vor allem du nicht, was würden die Leute denken, wenn ein pferdegroßer Wolf durch die Straßen ziehen würde?“, erklärte sie, als Gabriel protestierte. „Schön“, motzte der Spanier, der wohl ein ähnliches Temperament hatte wie seine beste Freundin. Gleich und gleich gesellte sich eben doch gerne. Doch Jane sah besorgt zu ihm auf und meinte: „Pass auf dich auf. Ich will nicht, dass dir meinetwegen was passiert.“ Beutend sanfter als noch Sekunden zuvor grinste Gabriel und wuschelte der jungen Frau durch die Haare. „Aaach, Quatsch! Ich kann schon auf mich aufpassen.“ „Ich mein es ernst…“, murrte sie, während sie sich die Frisur richtete, doch dann lächelte sie. „Viel Erfolg und bis später.“ Sie beobachtete, wie Aiden und Gabriel sich kurz musterten, zunickten und dann ins Auto stiegen. "Hast du nichts Besseres zu tun? Deinen Schwanz jagen oder dergleichen?", fragte der Vampir den Werwolf mürrisch, kaum dass dieser den Motor gestartet hatte und Jane sie nicht mehr hören konnte. „Kreativ, wirklich“, gab der Spanier zurück, obwohl sein bissiger Ton zeigte, dass ihn die Worte doch getroffen hatten. "Und was ist mit dir? Müsstest du dich nicht in einem Flieger nach Australien befinden?“ "Nun, diese Sache hier ist Jane wichtig, also sollte sie ordentlich ausgeführt werden. Immerhin hast du es nicht mal geschafft, die Schatulle zu finden, wieso sollte ich es da dir überlassen, sie ihr zurück zu holen?", entgegnete Aiden, denn Gabriel gegenüber hatte er natürlich kein schlechtes Gewissen, was sein längeres Bleiben anbelangte. Daraufhin knurrte der Junge nur, wusste aber offensichtlich nichts zu sagen, also änderte er die Strategie: "Im Gegensatz zu dir bin ich Janes Partner. Also ist es offiziell meine Aufgabe." Der Vampir zog in geheucheltem Interesse die Brauen. "Du hältst dich für ihren offiziellen Partner? Nun, zu mir hat sie gesagt, sie wolle damit mindestens warten, bis du deine kleinen Hormonschübe unter Kontrolle hast. Vielleicht solltet ihr darüber nochmal reden", schlug er gutmütig vor. Vielleicht konnten sie es auch lassen und der Wolf verzog sich einfach in das Loch, aus dem er gekommen war, ganz, wie ihm beliebte. "Nun, das mag schon stimmen, doch mich hat sie bereits schon offiziell bei Eldric als ihren zukünftigen und längerfristigen Partner vorgestellt - im Gegensatz zu einer gewissen, anderen Person. Es ist also wirklich nur eine Frage der Zeit, bis wir den Pakt ablegen", entgegnete der Werwolf schlicht und selbstgefällig mit einem Grinsen, das wie ein Zähnefletschen aussah. Die Diskussion darüber, wer jetzt Janes Partner war oder sein würde, hielt sie nur auf, sodass Aiden nicht darauf einging. Wäre er nicht ihr Kindheitsfreund, hätte die Jägerin den Wolf wohl genauso wenig in Betracht gezogen. Letztendlich war das aber gleichgültig, solange sie jemanden hatte, der auf sie aufpasste. Dass es dafür mehr oder weniger geeignete Kandidaten unter ihnen gab, war wohl offensichtlich. So lächelte Aiden nur herablassend und sah dann aus dem Fenster, während sie sich dem Hafen näherten. Schon jetzt, bevor sie auch nur den Ort ihrer Recherchen gefunden hatten, zeichnete sich ab, dass ihnen ein anstrengender Abend bevorstand. Er wünschte sich Jane an seine Seite. Sie hatte das hier anberaumt, also mussten die beiden Herren sich wohl darin fügen, gefallen tat es jedoch offensichtlich keinem von ihnen. Während der restlichen Fahrt schwiegen sie, doch es dauerte sowieso nicht lang, bis sie am angestrebten Zielort eintrafen. Gabriel parkte in einer Seitenstraße, sie stiegen aus und mussten noch ein Stück laufen, bevor sie bei dem Gebäude ankamen, von dem Randal erzählt hatte. Während des Weges hatte Gabriel sich immer wieder nervös umgeschaut und irgendwann hatte Aiden ihm gesagt, er solle sich beruhigen, immerhin würden sie beide frühzeitig merken, wenn jemand in der Nähe wäre. Flattriges Nervenkostüm hatte der Welpe also auch noch, ts.... Beim Anblick der riesigen, aber erstaunlich normal wirkenden Lagerhalle runzelte der Spanier die Stirn. "Du bist dir sicher, dass du deine Arbeit sauber gemacht hast und die Musikschatulle, sowie auch der Vampir hier sind?", wollte der Werwolf wissen, als ob er die Kompetenz seines Begleiters in Frage stellte. Aiden schnaubte herablassend wegen des Kommentars seines Begleiters. "Ich dachte, das herauszufinden wäre eigentlich deine offizielle Aufgabe gewesen?", versetzte er geringschätzig, schon auf dem Weg in das Gebäude. Wenn dem Burschen seine Arbeit nicht passte, konnte er ja zu dem Lagerhaus gehen, das Gabriel selbst ausfindig gemacht hatte. Gabriel knurrte, ließ sich allerdings nicht auf das Wortgefecht ein (das er ohnehin verloren hätte), sondern verzog sich - als er sich sicher war, dass sich niemand in der Nähe befand - hinter einem Container, um sich zu verwandeln. Aiden wartete nicht, bis der Welpe sich verwandelt hatte, sondern sah sich bereits nach einem Eingang um. Dieser stellte sich als eine hohe Tür heraus, an der eine schwere Eisenkette hing. Es kam ihm zu einfach vor, diese zu zerreißen und das Tor aufzubrechen. In der Halle selbst befanden sich scheinbar unzählige mit Tüchern abgedeckte Kisten unterschiedlichster Größe. Das würde ewig dauern… In dem Moment gesellte sich ein großer, schwarzer und zähnefletschender Wolf wieder zu ihm, den Aiden mit leicht gerümpfter Nase musterte. Nun, immerhin gut riechen sollte der Köter ja können. "Such nach Janes Geruch", befahl er daher seinem wölfischen Begleiter, der in seiner jetzigen Form schlecht Kisten aufstemmen konnte, dann tat Aiden genau das. Der Segen eines Daumens. Dem Vampir war schon klar, dass es seinem Begleiter nicht passte, Befehle zu erhalten, aber erstens sah Aiden das hier als seinen Fall, immerhin hatte er die ganze Vorarbeit gemacht. Und zweitens konnte der Werwolf in seiner tierischen Gestalt - In der er übrigens noch mehr stank als in der Menschlichen - Wohl kaum widersprechen. Die gelblichen Augen des Wolfes sahen ihn vernichtend an, doch dann tapste Gabriel davon. Mit Mühe unterdrückte Aiden den Impuls, ihm: „Braver Hund“, hinterherzurufen. Er machte sich gerade daran, eine Kiste zu untersuchen, als der Welpe ein erstauntes Geräusch von sich gab, das ein wenig klang, als wäre man ihm auf den Schwanz getreten. Neugierig geworden folgte der Vampir ihm und gab selbst eine Mischung aus Lachen und Keuchen von sich, als er den Inhalt der Kommode sah, deren Schublade Gabriel mittels eines länglichen Griffs aufgezogen hatte. Darin befanden sich unzählige Paare von goldenen Crocs. Was bitte schön sollte das denn? War dieser Dieb nicht verrückt nach Kunstgegenständen? Hätte man da nicht ein gewisses Maß an ästhetischem Grundverständnis erwarten können? Welche Rolle spielten diese Latschen, die regelrecht ein Modemassaker waren und beim einen oder anderen Modekenner wahrscheinlich sogar zur Erblindung führen würden? Wolf und Vampir warfen sich irritierte Blicke zu, dann schloss Aiden umsichtig die Schublade. In beiderseitigem Einverständnis ließen sie das Schuhgrab weit hinter sich und forschten fürs erste alleine weiter. Zufrieden damit, seine Ruhe zu haben, machte der Vampir sich daran, die verschiedenen Kisten zu durchsuchen. Dabei entdeckte er einige interessante Gegenstände, über deren Wiederbeschaffung sich die Justiz sicher freuen würde, aber nicht Janes Schatulle. Er war gerade dabei, eine weitere Kiste aufzuhebeln, als ihn ein leises, kaum wahrnehmbares Geräusch innehalten ließ. Als er jedoch keine Geräusche mehr machte, war der Laut verschwunden. Misstrauisch runzelte der Vampir die Stirn und beschloss, seinen momentanen "Partner" suchen zu gehen. Dieser war mit dem amüsant anzusehenden Versuch beschäftigt, einen Safe zu öffnen. Aiden beobachtete ihn einen Moment belustigt, bis der Wolf sich dazu herabließ, seine Anwesenheit zu bemerken und in auffordernd anzusehen. "Was schaust du denn so? Brauchst du etwa Hilfe?", fragte der Vampir mit großen Augen, dann trat er näher, um sich das Konstrukt genauer anzusehen. Natürlich bemerkte er sofort was Gabriel daran aufgefallen war: Janes Geruch, wenn auch deutlich abgeschwächt durch den dicken Stahl. "Hm... Soll ich es aufzubrechen versuchen oder meinst du, wir finden die Kombination raus?", überlegte er laut, da er ja nicht wirklich eine Antwort erwarten konnte. Er sah zwar nicht hin, konnte aber praktisch riechen, wie der Wolf neben ihm über sein Selbstgespräch die Augen verdrehte. Dann grinste Aiden aber nur und stemmte die Finger zwischen die dünnen Stahlkanten. "Raten ist nicht mein Ding... Ach, und übrigens sind wir nicht alleine", bemerkte er, als erneut das leise, scharrende Geräusch zu hören war. Er spannte die Muskeln an und fing an, die Sicherheitstür aus den Angeln zu reißen, was sogar ihn ein wenig mehr Zeit kostete. "Gehst du ihn holen?" Wieder dürfte es dem Wolf nicht gepasst haben, Aidens Vorgaben zu befolgen, aber er machte sich auf den Weg, ihren Besucher einzufangen. Der Vampir hörte ein Scheppern, Jaulen, und schließlich ein Schleifen, bevor Gabriel mit einem recht unschön zugerichteten Artgenossen im Maul zurückkehrte. Dabei achtete Gabriel darauf, dass er fest genug, aber nicht zu tief biss. Immerhin wollte er sich nicht die nächsten paar Stunden übergeben, nur weil er ein Teil des Vampirgifts abbekam, auf das seinesgleichen höchst allergisch reagierte. In der Zwischenzeit hatte Aiden den Tresor aufbekommen, von dessen Inhalt er allerdings schwer enttäuscht war. Zwar war der Geruch von Jane hier präsent, also war die Schatulle mit Sicherheit hier gelagert worden, aber jetzt befanden sich nur noch ein edelsteinbesetztes Schwert und zwei Bilder in dem Versteck. Aiden zog das Handy aus der Hosentasche und wandte sich den beiden anderen zu. Der Vampir, den Gabriel angeschleppt hatte, war ein Asiate mit langem Zopf und drei lächerlichen Ohrringen. Ohne auf seinen lauten Protest zu achten, zeigte Aiden ihrem Gefangenen ein Foto von Janes Erbstück. "Wir suchen diese Schatulle. Wo habt ihr sie hingebracht?", erkundigte er sich freundlich lächelnd. "Ich hab keine Ahnung. Weißt du, wie viel Scheiße hier lagert?! Und jetzt pfeif den bekloppten Köter zurück! Was treibst du dich überhaupt mit solche Abschaum herum?!" "Ich fürchte, er hört nicht auf mich", seufzte Aiden bedauernd, der Gabriel auffordernd ansah, woraufhin dieser, wie gewünscht, nur noch fester zubiss. Über die Schreie ihrer Beute hinweg sagte Aiden: "Bist du dir sicher, dass du nichts weißt? Ich fürchte nämlich, dass du in dem Fall nutzlos für uns bist." Der andere Vampir weitete die Augen; offensichtlich hatte er die Drohung verstanden. "Scheiß Blutsverräter! Der da ist der Feind, nicht ich!" Er schlug nach Gabriel, aber Aiden fing seine Hand ab und schüttelte missbilligend den Kopf. Ihr Gefangener sah zwischen ihnen hin und her, leckte sich die Lippen und stammelte dann: "I-ist ja gut... Die bringen alles, was vertickt werden soll, in so nen Haus am Stadtrand. Da treffen sich die Auktoren morgen wieder." "Morgen? Hm... Die genaue Adresse, bitte. Dann lässt er dich los. Versprochen." Der Vampir sagte sie ihnen und verlangte dann lautstark, losgelassen zu werden. Aiden nickte seinem ´Gehilfen` zu und zog die Brauen hoch, als dieser nur knurrte. "Er war hilfreich und er scheint nur ein kleines Licht zu sein. Komm schon." Schließlich tat Gabriel widerstrebend, was Aiden wollte, und ihr Gefangener suchte ohne zu zögern, aber mit einigen Flüchen bezüglich des ´Blutsverräters`, das Weite. Bevor er aber auch nur das Tor erreicht hatte, hatte Aiden ihn eingeholt und trennte kurzerhand seinen Kopf von den Schultern - Immerhin hatte er versprochen, dass Gabriel ihn loslassen würde, nicht, dass er mit dem Leben davonkommen würde. Außerdem hatte er, wie auch immer geartet, etwas mit dem Diebstahl von Janes Eigentum zu tun, und das war inakzeptabel. Die Reste verbrannte er seelenruhig an einer abgeschiedenen Stelle. Während die Leiche in Flammen aufging, hatte sich Gabriel zurückverwandelt und angezogen, wobei er die Arme vor der Brust verschränkte und seinen Gegenüber leicht grinsend und fast schon anerkennend ansah. "Du scheinst ja doch was drauf zu haben", meinte er, als die Flammen endlich immer kleiner wurden und vom Toten schlussendlich nicht mehr als Asche übrig war. Als diese dann vom Wind davon getragen wurde und man sicher war, dass nichts mehr zurückgeblieben war, wandte sich der Werwolf ab, um direkt den Weg zur Adresse einzuschlagen, die man ihnen angegeben hatte. "So, wie Janie.. ich meine, Jane erzählt hat, habe ich erwartet dass du in der Hinsicht eher ein Weichei bist und nur auf Druck so agieren kannst", sprach er offen Unbekümmert, aber sicher nicht stolz, sah Aiden zu, wie die Meeresbrise die Reste seines Artgenossen zerstreute. Sicher konnte er töten, wenn es sein musste, und dank seiner Rasse, bei der es sich grob gesagt immerhin um Raubtiere handelte, störte es ihn nicht so sehr wie einen Menschen. Wäre es ihm allerdings jemals auch nur egal, jemanden zu töten, wäre er genau das, was Jane und Gabriel in ihm sehen wollten, nämlich ein Monster. "Ich habe keinen Spaß daran, zu töten", sagte er kühl, als er an Gabriel vorbei den Pier runter ging. "Wenn du das als weich bezeichnest, bin ich das wohl." Janes Meinung war in dieser Hinsicht vorbelastet durch Aidens eigenes Verschulden; er hatte ihr seine tödliche Seite mehr als ein Mal gezeigt. Aber prinzipiell konnte er Leute, die derartig kaltschnäuzig über Mord redeten, nicht verstehen. Sie verließen den Hafen, um die Adresse aufzusuchen, die sie soeben bekommen hatten. In Janes Wagen herrschte angespanntes Schweigen; beide Männer waren darauf konzentriert, möglichst bald das Kleinod der McCollins-Damen zurückzubekommen. Keine halbe Stunde später stiegen sie in einer Gegend aus, deren offensichtlicher Wohlstand Aiden zunächst überraschte, bis er sich bewusst machte, dass ihr Opfer offensichtlich Kunstsammler war – obwohl die Vorbesitzer seiner Schätze sich sicherlich nicht alle freiwillig von ihren Lieblingsstücken getrennt hatten. Sie waren nicht weit vom gewünschten Zielort entfernt, als der Spanier innehielt, da es unangenehm in seiner Nase juckte. Auch Aiden roch den ekelhaft prägnanten Duft, bei dem man das Gefühl hatte, tausend verschiedene Blumensorten einzuatmen. Als ob diese goldenen Crocs nicht schon genug waren, jetzt schien es auch noch so, als ob dieser Verrückte zusätzlich auf so abgefahrene Parfüms zu stand. Nichtsdestotrotz schlichen sie sich an das riesige Anwesen an und er horchte kurz, um zu hören, ob jemand anwesend war. Allerdings konnte er keine Geräusche vernehmen, weshalb er davon ausging, dass sie alleine waren. Gabriel sah sich um, und nickte zu einem halbgeöffneten Fenster im ersten Stock. Die beiden mehr oder weniger jungen Männer kletterten geschickt in das Gebäude, in dem der Gestank bestialisch war. Aiden fragte sich, wie ein Vampir hier allen Ernstes Leben sollte, ohne in Ohnmacht zu fallen, aber scheinbar war es möglich. Im Gegensatz zu vorhin hielt Gabriel es wohl für besser, in seiner menschlichen Form zu bleiben, sodass er den allgegenwärtigen, intensiven Geruch im Haus kommentieren konnte: "Das riecht hier ja schlimmer als eine Horde von Vampiren..." Ausnahmsweise musste Aiden seinem Begleiter Recht geben, obwohl er selbst einen anderen Vergleich gewählt hatte, immerhin war das das Haus eines Vampires, also war es komisch, zu sagen, es würde nicht nach diesem riechen. Sie trennten sich voneinander, um nebeneinanderliegende Räume zu durchsuchen, und wie es aussah, hatte der Werwolf dabei mal wieder mehr Glück als der Vampir, was seine Ausbeute anging. "Was zum Teufel...", hörte Aiden ihn aus dem Nebenraum rufen. Neugierig schloss er sich dem Werwolf an. Leider fand er dabei jedoch nicht wie erhofft die Schatulle, sondern einen äußerst verstörenden Schrank, aus dem ein Regenbogen zu leuchten schien. Eine riesige Ansammlung von farbigen Bademäntel befand sich darin, in direkter Nachbarschaft zu den bekannten, goldenen Crocs in der daneben stehenden Schuhkommode erspähte. "Nun... Was Kunst betrifft, hat er wohl einen besseren Geschmack", kommentierte Aiden schmunzelnd, dann wandte er sich schon wieder ab. Das Haus stand der Lagerhalle in nichts nach, außer vielleicht, dass die gestohlenen Kunstgegenstände ordentlicher und noch dichter gestapelt waren. Aiden sah sich neugierig um, behielt aber ihr Ziel immer im Auge, das jedoch schwer auszumachen sein dürfte zwischen all dem jahrhundertealten Gerümpel. Zumindest schafften sie es nach einiger Zeit, die anscheinend richtige Tür ausfindig zu machen, "Jackpot", meinte der Spanier grinsend, als sie vor der massiven Tür des Untergeschosses standen, die mit einem riesigen Schloss gesichert war. Unbeeindruckt davon, griff Gabriel nach dem Schloss, zog mit etwas mehr Kraft daran, sodass es sich aus der Kette löste und man daraufhin relativ simpel die Tür aus der Angel befreien konnte - zumindest, wenn man kein normaler Mensch war. Kurz darauf standen sie schon in einem großen Raum, in dem allerlei Kunstschnickschnack herumstand. Was sich dahinter befand, unterschied sich zunächst nicht großartig von den oberen Stockwerken - Außer, dass es hier intensiver nach Jane roch. Erleichtert machte der Vampir sich daran, mit seinem temporären Partner die Glaskästen zu durchsuchen, deren seidene Auskleidung wohl noch mit einer extra Portion Parfüm beglückt wurden. Als sie in der Mitte des Raums angelangt waren, erblickte Aiden endlich das ersehnte Stück. "Ich hab sie", sagte er zufrieden und brach den Kasten auf, aus dem im ein Schwall süßen Dufts entgegenschlug, der ihm für einen Moment die Sinne benebelte. Hustend wedelte der Vampir mit der Hand, dann griff er behutsam nach der Schatulle, wickelte sie zu ihrem eigenen Schutz wohl oder übel in ihr seidenes, stinkendes Futter und legte sie sich in die Manteltasche. "Gehen wir lieber. Das ist ja unerträglich." "Was glaubt ihr eigentlich, was ihr da tut?!", keifte eine hohe Stimme, die die beiden Einbrecher herumfahren ließ. Ihre Sinne waren so benebelt gewesen von den Duftschwaden, dass sie nicht mal mitgekriegt hatten, wie der Hausherr zurückkehrte... Zumindest ließen die breiten Schultern und der Adamsapfel darauf schließen, dass es sich um einen Mann handelte, der Rest der Aufmachung eröffnete da mehr Fragen, als er beantwortete. Ganz im Gegensatz zu Jane, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte Aiden seinen Humor nicht verloren, und er lachte unwillkürlich auf. Er musste sich jedoch recht schnell zusammenreißen, als der Vampir auf ihn losging. Aiden wich aus, indem er einen Salto rückwärts über eine der Vitrinen machte, die er dann mit einem kräftigen Fußstoß in Richtung des Angreifers beförderte. Aus dem Wust aus Glas und Holzsplittern war ein bestialisches Brüllen zu hören, das man dem skurrilen Gesellen gar nicht zugetraut hätte: "MEINE SCHÄTZE!" Aiden sah Gabriel kurz irritiert an, zuckte dann die Schultern und nickte in Richtung Tür, zu der sie beide rannten. Sie erreichten diese aber nicht ganz, als Aiden schon einen leichten Aufprall an seinem Kopf spürte, verwirrt aufblickte - Und die Augen weitete, als er sah, dass der noch halb unter Trümmern Begrabene ihn gerade mit seiner rechten Schlappe beworfen hatte. Die Linke traf Gabriel im Kreuz, dann schafften sie es, sich hinter die Tür zu ducken. "Meine Güte... Hoffentlich er nicht den Bademantel als nächstes", konnte Aiden sich nicht zu grinsen verkneifen. Inzwischen hatte sich ihr unfreiwilliger Gastgeber befreit und die beiden Gäste setzten zu einem Sprint die breite Treppe hoch an. Unterwegs flog ihnen scheinbar alles hinterher, das der Verrückte in die Finger bekommen konnte; Gabriel duckte sich unter einem Telefonbuch weg und Aiden wurde von einem Schirmständer schmerzhaft am Knöchel getroffen. Endlich schafften sie es ins Erdgeschoss, wo es Aiden zu viel wurde mit der Flucht. Kurzerhand schnappte er sich eine Vase von einem Sockel und ließ sie lässig in der Hand auf und ab hüpfen. Wie erwartet, blieb ihr Verfolger abrupt stehen, das lange Haar wirr um die Schultern, der Bademantel auf Halbmast hängend. "Dritte Dynastie... Unbezahlbar...!", wimmerte er und streckte beschwichtigend die Hände aus. "Oh...? Das tut mir aber leid!", grinste Aiden, der das gute Stück mit Nachdruck in Richtung ihres Verfolgers pfefferte. Der Sammler schaffte es, die Vase erleichtert aufzufangen, und er sah das Ding an, als wäre es ein Baby, das er soeben aus dem Feuer gerettet hatte. Aber der Preis für diese Rettung war, dass seine zwei Feinde sich jetzt gleichzeitig auf ihn stürzten. Die drei stolperten die frisch erklommene Treppe ein paar Schritte wieder runter, dann gelang es dem Feind zu entkommen, weil Aiden und Gabriel sich ein wenig ins Gehege kamen. "Pass gefälligst besser auf", schnauzte der Vampir seinen Kollegen an, obwohl er nicht alleine schuld gewesen war, dann hing er mit einem Satz am nächsten Treppengeländer und sprang von dort aus in den ersten Stock. Wegen der Parfümschwaden konnte er kaum etwas riechen, weshalb er umso leiser ging, um ja kein Geräusch zu verpassen. Hinter ihm tauchte Gabriel auf und sie bedeuteten einander, sich aufzuteilen. Vorsichtig schlich der Vampir um die Ecke und spähte ins nächste Zimmer, das sich jedoch als Leer herausstellte. Er überlegte gerade, etwas kaputt zu machen, um die Ratte aus dem Nest zu locken, als er hinter sich ein schmerzhaftes Winseln hörte. Sofort war er wieder auf dem Gang und sah, wie Gabriel sich Hände vors Gesicht geschlagen hatte. Er konnte jedoch kein Blut sehen und wollte den Jungen gerade fragen, was los sei, als der nächste Parfüm-Flakon aus dem Badezimmer flog und an der Wand hinter ihnen zerschellte. Offenbar hatte dieser Bekloppte den Werwolf mit seinem Duftwässerchen beworfen wie mit einer Handgranate. "Ich komm schon klar, geh dich kurz irgendwo saubermachen oder so", meinte Aiden, diesmal ernsthaft, immerhin war Gabriels Nase selbst in seiner menschlichen Form überaus empfindlich. Der Werwolf wollte aber nicht und verpestete dadurch zusätzlich die Luft, als sie sich gemeinsam hinter eine Vase ducken mussten, um dem nächsten Geschoss auszuweichen. "Ich kann den ganzen Tag so weiter machen, ihr verfluchten Kunstbanausen! Raus aus meinem Haus! Raus!" Mit diesem Kampfesgeschrei und einem Flakon, der jedes ´raus` begleitete, stürmte der Vampir aus seinem Badezimmer auf die Angreifer zu. Aiden fletschte die Zähne, sprang hinter ihrer Deckung hervor - Und musste sich im nächsten Moment zur Seite hechten, als die eisige Aura von Silber nur Millimeter vor seinem Gesicht vorbei zischte. Der Dolch riss eine antike Rüstung um, die in ein Bild kippte und es teilweise zerriss, aber Aiden beachtete diesen Vandalismus nicht, denn der Verrückte zog irgendwoher immer weitere Messer und bewarf seine Kontrahenten damit. Diese stürmten trotzdem auf ihn los und schafften es, während sie sich unter dem schmerzhaft glühenden Material wegduckten, immer wieder, ihrem Feind Verletzungen beizubringen. Da riss der Vampir ein offensichtlich voll funktionsfähiges Breitschwert von einem Wappenbrett an der Wand und hielt seine Kontrahenten damit auf Abstand, obwohl er offensichtlich nicht mit der Waffe umgehen konnte. "Er will abhauen!", fiel Gabriel auf und tatsächlich, der andere, inzwischen übel zugerichtete Vampir zog sich, geschützt von seinen schmerzhaften Wurfgeschossen, immer weiter in Richtung des Fensters zurück. Die beiden unwilligen Partner versuchten wieder, sich ihm zu nähern, was Aiden mit einem schmerzhaften Schnitt an der Wange bezahlte, als der Kunstsammler das Schwert nach ihm warf. Dann war nur noch lautes Klirren zu hören, als der Dieb aus dem Fenster hechtete, um in der Nacht zu verschwinden. "Vielleicht hat er jetzt keine Messer mehr, komm", befahl Aiden, und zusammen sprangen sie ebenfalls die kurze Distanz aus dem ersten Stock. Jedoch mussten sie bereits nach wenigen Schritten innehalten. Nicht nur, dass der Weg vollkommen getränkt war von dem Parfüm des Verrückten, sie selbst vermischten sich auch noch mit diesem Geruchscocktail und machten es vollkommen unmöglich, der Spur zu folgen. Frustriert versuchten die Männer trotzdem ihr Möglichstes, durchsuchten scheinbar stundenlang die Umgebung. Irgendwann bemerkte Aiden, dass Gabriel leicht grünlich angelaufen war wegen der Dämpfe, und hielt wiederstrebend inne. „Lassen wir es für heute gut sein“, schlug er vor, doch sein Teamkollege knurrte ihn an. „Nein! Wir können den noch finden“, schimpfte der Spanier, der klang, als hätte er einen üblen Schnupfen. „Und wenn wir es nicht tun, bestielt er weiter irgendwelche Leute!“ Der Vampir wollte ebenfalls nicht so leicht aufgeben, immerhin konnten sie jemanden, der ins McCollins-Haus eindrang, nicht einfach ziehen lassen. Doch das Parfüm machte dem Werwolf sichtlich zu schaffen, und Aiden konnte sich nicht vorstellen, dass Jane es gutheißen würde, wenn ihr bester Freund unter seiner Obhut zusammenbrach. „Wir finden ihn so nicht – die Fährte ist verdorben, und das weißt du“, erklärte er ruhig. „Lass uns wiederkommen, wenn sich der Gestank gelegt und deine Nase erholt hat.“ Sie diskutierten noch eine Weile, doch als Aiden schließlich drohte, den Welpen huckepack zu nehmen, lenkte dieser ein. Allerdings wollte er den Vampir nicht ans Steuer lassen, vielleicht, um sich abreagieren zu können, indem er andere Straßenteilnehmer anhupte, über sie schrie und unnötig schnell fuhr. Seinem Beifahrer war es relativ gleichgültig. Natürlich hätte er Jane lieber auch noch den Dieb präsentiert, doch die Schatulle in seiner Manteltasche gab ihm das angenehme Gefühl, etwas erreicht zu haben, das ihn ihr wieder näherbringen würde. Kapitel 7: Planänderung ----------------------- Wie Jane es hasste, untätig alleine zu Hause rumzusitzen! Es war nicht so, als glaubte sie, dass Gabriel und Aiden daran scheitern würden, ihre Schatulle zurück zu erlangen; ihr bester Freund wusste, wie viel ihr dieser Auftrag persönlich bedeutete, und gegen ihren Willen erinnerte sie sich daran, wie zuverlässig der Vampir stets gewesen war, und wie er ihr erst kürzlich eindringlich versichert hatte, ihr Erbstück zurückzuholen. Doch es frustrierte die junge Frau, nicht selbst an der Jagd teilnehmen zu können. Hätte Eldric ihr nicht so deutlich gemacht, dass sie sich bis zu ihrer Genesung zurückhalten sollte, wäre sie mit den Männern losgezogen und nichts hätte sie aufhalten können. So aber saß sie zum Nichtstun verdammt im Wohnzimmer und starrte auf den Fernseher, ohne etwas zu sehen, immer gespannt auf ein Zeichen lauschend, ob ihre beiden Jagdhunde endlich zurückkehren würden. Endlich hörte sie den Motor ihres eigenen Wagens die Auffahrt hochkommen und stand auf, um die beiden zu begrüßen. Sie machte die Haustür auf und sah, wie sich gerade die Nase, als er gemeinsam mit dem Vampir aus dem Audi stieg. Sofort schritt Jane auf die beiden Männer zu, die offensichtlich nicht gut gelaunt waren und setzte zu einer Frage an. Doch da stach ihr eine blumige Nuance in die Nase und ließ sie ein wenig zurückwich und die Stirn runzeln. "Was zum...-?! Habt ihr einen Abstecher in einer Parfümerie gemacht und gleich mal alles über euch gekippt?", wollte sie wissen, als sie auch schon hörte, wie ihr Kindheitsfreund nieste und kurz schniefte. Was um alles in der Welt war geschehen? „Der Sack ist entkommen“, schimpfte Gabriel, der klang, als hielte ihm eine unsichtbare Hand die Nase zu. Dann erzählte er von einer offenbar sehr aufregenden Schlacht, wobei er jedoch nicht erklärte, woher der Parfümduft stammte. Da die Männer so geknickt wirkten, fragte die junge Frau für den Moment nicht weiter, sondern versicherte ihnen, dass es nicht so schlimm war, dass der Kunstdieb entkommen war. Dennoch konnte sie eine leise Enttäuschung nicht unterdrücken. Sie war so fest davon ausgegangen, dass Gabriel – und Aiden, obwohl sie das nicht zugegeben hätte – ihr den gewünschten Gegenstand um jeden Preis zurückbringen würden… Aber bevor man ihr ihre Gemütslage ansehen konnte, wanderte Janes Aufmerksamkeit zu Aiden, der ihr die begehrte Musikschatulle wortlos entgegenstreckte. Ihre Augen weiteten sich und für einen kurzen Augenblick sah sie ihr Gegenüber ungläubig an - fast so, als ob sie nicht glauben könnte, dass es sich hierbei um das Erbstück ihres toten Vaters handelte. Die Gedanken an den entkommenen Dieb waren fürs Erste vergessen. Behutsam und sehr vorsichtig nahm sie das Kleinod entgegen, ehe sie es öffnete und eine leise Melodie erklingen ließ, aus der man schließen konnte, dass der kleine Schatz nicht beschädigt war. Janes Blick fiel allerdings auf das Geheimfach unter den aufklappbaren Deckel, welches sie öffnete. Kurz darauf hielt sie ein altes Foto in den Händen, auf dem ein Mann mittleren Alters und ein kleines Mädchen abgebildet waren - beide lachend, in vertrauter Zweisamkeit und offensichtlich sehr glücklich. Dabei handelte es sich um ein Kindheitsfoto von Jane mit ihrem Vater, die bewegt über das im Lachen erstarrte Gesicht Nathaniels strich. "Danke", sprach die Brünette leise und sichtlich erleichtert, wobei ein sanftes und überaus glückliches Lächeln auf ihren Lippen lag. Man sah ihr nur zu deutlich an, wie sehr sie sich darüber freute und wenn man es nicht besser gewusst hätte, dann hätte man - aufgrund ihren glasigen Augen - beinahe behaupten können, dass sie den Tränen nahe war. "Für dich doch immer, Janie", kam es leicht grinsend, aber mit deutlich verstopfter Nase vom Werwolf, worauf die Angesprochene die Augenbrauen anhob und zwischen den beiden Herren hin- und herzusehen. Aiden stand bereits auf der zweiten Stufe der Treppe und sah sie mit einem seltsam verklärten Ausdruck an, bevor er blinzelte und sich abwandte. In der Annahme, der Vampir wäre, wie der Werwolf, verletzt, wollte sie den Erste-Hilfe-Kasten holen, doch hielt Gabriel sie davon ab, da er es nicht für nötig hielt. Abgesehen von ein paar Kratzern und dem unfreiwilligen Kontakt mit dem grässlichen Inhalt eines Flakons war nichts geschehen, sodass er sich nur noch wünschte, endlich nach Hause zu gehen und sich ausgiebig zu duschen. "Wir sehen uns morgen, okay? Dann schauen wir, wie wir weiter vorgehen", schlug Gabriel vor und wuschelte der jungen Frau kurz durch die Haare, ehe er sich - auch mit einem kleinen Nicken an den Vampir gewandt, welches dieser erwiderte - verabschiedete und sich nach draußen begab, um nach Hause zu gehen. Für einen Moment sah sie ihrem besten Freund hinterher, doch schenkte sie ihre Aufmerksamkeit bald wieder ihrem momentanen Mitbewohner, an dessen Wange sie einen deutlichen Schnitt entdecken konnte. Instinktiv streckte sie ihre Hand nach ihm aus, wollte mit einer kleinen Berührung sein Gesicht zur Seite drehen, doch hielt sie inne und zog sich gleich wieder ein wenig zurück. "Uhm... brauchst du etwas wegen der Verletzung?", fragte sie ihn dann. Immerhin war er in letzter Zeit regelmäßig jagen gewesen und hatte nie nach einer Blutkonserve gefragt. Allerdings lag das wohl daran, dass sie es ihm nie angeboten hatte. Fragend sah er sie an, wobei sein Blick das erste Mal an dem Foto hängen blieb, das auf der inzwischen verstummten Spieluhr lag. Sein Gesichtsausdruck wurde weich, als er das Bild von ihr und ihrem Vater sah. " Du warst wirklich niedlich", meinte er, nachdem er ihre Hilfe kopfschüttelnd abgelehnt hatte. Zwar waren sie momentan 'nur' Mitbewohner und temporäre Partner, doch wäre es Jane lieber gewesen, wenn er ihr Angebot angenommen oder vielleicht um eine Blutkonserve gebeten hätte. Schließlich waren die Wunden indirekt ihr Verschulden, da es ihr persönlicher Auftrag gewesen war und er das Ganze wegen ihr riskiert hatte. Dennoch unterließ sie es, sich ihm aufzudrängen, sondern folgte nur seinem Blick, so dass sie wieder das Foto mit ihrem Vater erspähte. Für einen kleinen Moment wurden ihre Gesichtszüge weich, auf ihren Lippen bildete sich wieder ansatzweise ein Lächeln, weil sie automatisch an die Zeit mit ihrem geliebten Vater zurückdachte. "Nun, die meisten Kinder sind in dem Alter irgendwie... niedlich", meinte Jane leise und strich sich etwas peinlich berührt die Haare hinters Ohr. Um ihn nicht weiter ansehen zu müssen, legte Jane das wertvolle Bild im Geheimfach unter dem Deckel und begab sich dann zur Glasvitrine im Wohnzimmer, wo sie die Musikschatulle normalerweise aufbewahrten. Nachdem die junge Frau das kostbare Erbstück wieder an seinen gewohnten Platz gestellt hatte, wandte sie sich an den Vampir, dessen blumiger Geruch selbst bei einem solch großen Abstand zu riechen war. "Ich schlage vor, du duschst dich mal, damit du nicht noch weiter wie ein wandelnder Blumenstrauß riechst", riet sie ihm, wobei man gut erkennen konnte, dass ihre Mundwinkel verräterisch zuckten und sich zu einem kleinen, frechen Grinsen formen wollten. Das würden Gabriel und Aiden noch eine Weile zu hören bekommen. Selbstverständlich war es ein gefährlicher Auftrag gewesen und normalerweise hätte man nicht darüber gespaßt, doch kam es nicht oft vor, dass ein Fall ein solches Ausmaß annahm. Sie blickte ihrem Mitbewohner hinterher, als er die Treppen hochging, wobei in ihren Augen noch immer Dankbarkeit und Erleichterung lag. Im Gegensatz zum Vorjahr, würde sie ihm jedoch nicht anbieten, weiterhin hier bleiben zu dürfen, weil sie sich nicht wieder an den Gedanken gewöhnen wollte (oder konnte), ihn ständig um sich herum zu haben. Außerdem hatte er ihr sein Wort gegeben, weshalb sie glaubte, dass er gehen wollte. Eine Weile blieb die Brünette unten, lüftete die Zimmer, da noch immer der unangenehme Geruch in der Luft lag, doch als dieser beinahe vollends verschwunden war, begab sie sich nach oben, um sich ins Bett zu legen. Da am nächsten Tag das Wochenende eingeläutet wurde, schlief die schwerreiche Wirtschaftsstudentin auf, was zur Folge hatte, dass sie erst gegen frühen Vormittag aufstand und relativ spät mit ihrer Mutter frühstückte. Dabei erzählte die Jüngere unter ihnen, dass Aiden und Gabe das Erbstück unversehrt nach Hause gebracht hatten - worüber sich Elizabeth natürlich ebenfalls äußerst gefreut hatte. Immerhin war es ein Andenken ihres Mannes und beinhaltete ein ebenso wertvolles Foto, welches mit keinem Geld der Welt zu bezahlen war. Kurz darauf hatten die Frauen das ungewöhnlich Bild eines Vampirs, der stirnrunzelnd an seinem Oberarm schnupperte, als er in die Küche trat. "Ich hoffe, ich rieche nicht mehr wie ein Blumenladen?", fragte Aiden, nachdem er den beiden einen guten Morgen gewünscht hatte. "Ich schätze, wenn ich nicht gerade Kaffee trinken würde, dann würde ich vermuten, dass irgendwo in der Nähe ein Blumenstrauß steht. Allerdings ist es viel besser als gestern", erwiderte die junge Frau, als sie mit einem kleinen Schmunzeln an ihrem Becher nippte und dann wieder in der Zeitung blätterte. In der Zwischenzeit war Elizabeth aufgestanden und drückte Aiden kurz liebevoll die Hand, während sie: „Danke“, für das zurückgebrachte Erbstück sagte. Jane beachtete die Szene kaum; sie wusste ja, dass der Vampir (der wegen der Berührung etwas verlegen geworden war) sich ausgesprochen gut mit ihrer Mutter verstand, und es störte sie nicht. Die Ärztin bestrich gerade ihr Brot und biss davon ab, doch fiel ihr Blick schnell auf Aidens Wange, weshalb sie die Augenbrauen anhob und ihn etwas besorgt ansah. "Hast du dich gestern verletzt?", wollte sie wissen, wobei es offensichtlich war, dass er in den letzten Stunden kein Blut zu sich genommen hatte. Ansonsten wäre der Kratzer bereits verschwunden. "Brauchst du vielleicht ein paar Blutkonserven? Ich muss heute sowieso ins Krankenhaus und könnte dir ein paar vorbeibringen", bot die Kurzhaarige ihm lächelnd an. Aiden lächelte sie jedoch nur unbekümmert an und lehnte ab. "Das geht schon noch bis heute Abend", erklärte er, bevor er stockte und betreten dreinblickte. "Ich meine… Du brauchst dir keine Umstände wegen mir zu machen. Aber danke, ich weiß das Angebot zu schätzen." "Okay. Falls du es dir anders überlegst, sag Bescheid. Ich bin heute sicher bis zum späten Nachmittag im Krankenhaus", erwiderte die Ärztin - genauso wie ihre Tochter - unbeeindruckt von seinen Worten bezüglich der Jagd beziehungsweise seiner Ernährungsweise. Schließlich hatten die beiden genug oft und viel damit zu tun gehabt - zum einen, weil die Jüngere ja eine Vampirjägerin war und das selbst gesehen hatte und zum anderen, weil die Ältere Ärztin war und viel Schlimmeres sah oder gesehen hatte. Doch da Jane wusste, dass Aiden manchmal Komplexe deswegen hatte, wunderte sie sein Zögern nicht; er dachte sicher, sein so unbefangen vorgebrachter Einwurf hätte die Frauen angewidert. Nachdem sie die Beiträge gelesen hatte, die sie interessiert hatten, blickte sie wieder auf und wandte sich Aiden zu, der sich inzwischen gesetzt hat. "Also? Wie ist das gestern genau gelaufen? Ich glaube kaum, dass der elende Blutsauger sich im Eifer des Gefechts dazu entschieden hat, seine Parfümsammlung zu plündern und euch damit zu bewerfen, oder? Seid ihr im Kampf irgendwie gegen einen Schrank voller Düfte gefallen?", wollte Jane wissen, wobei sie natürlich keineswegs ahnte, dass sie mit ihrer ersten Vermutung so ziemlich ins Schwarze traf. Natürlich hatte sie geahnt, dass der Dieb einige Schrauben locker hatte, doch so etwas würde sie ihm nicht einmal in ihren kühnsten Vorstellungen zutrauen. "Na ja, wir sind in das Lagerhaus und haben dort jemanden aufgetrieben, der uns sagen konnte, wo der Dieb lebt. Da ist auch alles gut gelaufen und ich konnte die Spieluhr finden, aber dann ist der Hausbewohner nach Hause gekommen. Und dann ist es irgendwie… Absurd geworden." Er erzählte, was im Anschluss passiert war, musste aber immer wieder Pausen machen, weil die beiden Damen lachten. "Die Bademäntel in allen Farben und nur goldene Crocs?", vergewisserte sich die Brünette dementsprechend ungläubig, ehe sie leise lachend den Kopf schüttelte und weiter aß. Ihre Aufmerksamkeit lag jedoch weiterhin dem Mann vor ihr. Schon bald kam sie - wie ihre Mutter - nicht umhin, immer mehr zu lachen, sich teilweise den Bauch zu halten und die Hand auf die Lippen zu legen, um nicht allzu laut und zu sehr dem Gelächter zu verfallen. Schließlich war der Kampf, so wie der Vampir es erzählte, keine ernsthafte Sache mehr gewesen, sondern vielmehr einer komödiantischen Stunteinlage. Wie hatte es so ein Verrückter bloß geschafft, sie außer Gefecht zu setzen und ins Haus einzudringen? "… Und dann hat er angefangen, uns mit Parfüm zu bewerfen. In dem Gestank haben wir seine Spur verloren, deshalb konnte er abhauen“, beendete Aiden schließlich seinen Bericht. atmete die schwerreiche Wirtschaftsstudentin kurz tief durch und strich sich kurz mit dem Zeigefinger unter den Augen durch, da sie aufgrund der heftigen, humorvollen Erschütterung beinahe getränt hatte. "Nun... womöglich können wir seine Spur ... 'erschnuppern'. Ich meine, so bestialisch wie ihr gestern gerochen habt, könnte uns das einige Vorteile verschaffen...", kam es nur etappenweise über Janes Lippen, da sie es nicht hatte verhindern können, immer mal wieder leise zu schnaufen oder zu kichern. Es war wirklich lange her, seit sie so etwas Amüsantes gehört hatte. "Also, wenn der Einbrecher wieder vor uns steht, würden wir ihn mit Sicherheit erkennen. Dafür sorgt alleine schon seine Garderobe", erwiderte Aiden, selbst noch mit dem Lachen kämpfend. Es war wirklich schwer, die Sache mit dem Gebührenden Ernst zu betrachten. Elizabeths Blick fiel dann auf die Uhr, als ihr auffiel, dass sie bald los musste. Folglich stand sie auf, verabschiedete sich mit einem kleinen Kuss auf der Wange von Jane und begab sich wenig später mit ihrem Wagen zur Arbeit. Nachdem die Dame des Hauses das Anwesen verlassen hatte, stand die Vampirjägerin auf, um sich um das Geschirr zu kümmern und räumte es in die Spülmaschine. Dabei hatte sie sich soweit beruhigt, dass sie wieder ernsthafter über den Antiquitäten-Blutsauger sprechen konnte. "Es war zwar ziemlich mühsam für euch, aber die Tatsache, dass er anscheinend einen so prägnanten Geruch hat, wird uns die Suche deutlich erleichtern. Ich meine... So wird Gabe ihn umso einfacher finden können. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn haben", erläuterte sie ihm ihre Gedanken, wobei es offensichtlich war, dass sie mit 'uns' nur Gabriel und sich selbst meinte und ihren Mitbewohner bewusst ausschloss. Schließlich würde er sich nächste Woche bereits schon im Flieger Richtung Down Under befinden. "Wenn er noch im Lande ist - Er könnte jetzt auch schon abgereist sein", gab Aiden zu bedenken. "Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass er das Land verlassen hat. So wie du mir die Geschichte geschildert hast, gibt es noch einige wertvolle Gegenstände, die er wohl kaum einfach so zurücklassen würde - wenn man bedenkt, wie vernarrt er in diese zu sein scheint", meinte sie nach kurzem Überlegen. Selbst wenn er aber bereits schon das Land verlassen hatte, so würde er bestimmt bald wieder auffallen und zu finden sein. Sobald sich der Verdacht erhärten würde, würde der Zirkel bestimmt eine internationale Fahndung ausschreiben. Solange es jedoch so aussah, als ob der verrückte Blutsauger in London verweilte, würden sich Jane und Gabriel weiterhin darum kümmern und versuchen, seine Spur aufzunehmen. Außerdem hatten sie inzwischen anonym die Polizei informiert, sodass die Schätze wohl gerade wieder ihren Besitzern zugeführt wurden. Aiden sah Jane nachdenklich an. "Das klingt zwar alles ganz amüsant, aber bitte pass auf dich auf. Wenn dir etwas passieren würde... Und er weiß ja immerhin, wo du wohnst", wechselte er leicht das Thema. "Es wäre wahrscheinlich am besten, wenn wir ihn so früh wie möglich schnappen könnten, dann hätte er nicht das Überraschungsmoment auf seiner Seite." "Es geht mir schon deutlich besser und Gabe ist wieder auf den Beinen. Wir können uns gut selbst verteidigen. Du brauchst dir in der Hinsicht wirklich keine Gedanken zu machen", kam es schwer seufzend und ein wenig genervt über ihre Lippen. Sie konnte es noch immer nicht ausstehen, so bemuttert zu werden - vor allem nicht von Außenstehenden. Zudem basierte sein Interesse an ihr lediglich darauf, dass sie Lady Grey ähnlich sah und ihre Nachfahrin war, was sie nach wie vor kränkte. "Weißt du eigentlich, was du in Australien machen willst?", wechselte Jane das Thema, da sie gerade keine Lust hatte, sich zu streiten. Außerdem war sie neugierig, schließlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass er einfach planlos herumschweifen und reisen wollte - ohne Beschäftigung oder ersichtliches Ziel. "Ich bin mir ehrlich gesagt noch nicht ganz sicher, was ich in Zukunft machen möchte", sagte er nach einem kurzen Zögern. "Irgendeine Arbeit würde sich schon finden, aber ich überlege, nochmal zu studieren... Ernsthaft, meine ich", fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu, da er sich Janes Studium ja eigentlich auch angeschlossen hatte. "Du willst studieren? Ernsthaft?", kam es dementsprechend verblüfft über ihre Lippen, da sie es für eine absurde Vorstellung hielt, Aiden fleißig und konzentriert in einem Vorlesungssaal zu sehen und für die Prüfungen zu büffeln oder Arbeiten zu schreiben. Nun, wenn man es allerdings nüchtern betrachtete, war es vielleicht gar keine so schlechte Idee. Er hatte ja allerhand ausprobiert und möglicherweise war es nun Zeit, einen neuen Weg einzuschlagen. Vielleicht würde er dadurch seine Natur als Spielkind ein wenig besser bändigen können. Lächelnd nickte Aiden. "Ich ziehe es in Betracht… Und du weißt doch, dass ich sehr konzentriert sein kann, wenn ich will.“ Scheinbar gedankenverloren fasste er sich an die aufgeschnittene Wange und zuckte leicht zusammen. "Ich denke, es ist besser, sich vor Ort zu informieren. Aber ich hatte überlegt, vielleicht Sportpsychologie oder -Pädagogik zu machen. Ein bisschen Erfahrung in Psychologie habe ich jetzt ja schon", zwinkerte er ihr zu. Tatsächlich hatte ihn dieser Teil von Janes Studium sehr interessiert, wie er ihr schon damals erzählt hatte. Auf seine Erläuterungen bezüglich eines möglichen Studiums nickte sie kurz, wobei sie sich ihn in den genannten Fächern vorstellte. Es war gewöhnungsbedürftig und etwas fremd, doch wenn man mehrmals so darüber nachdachte, konnte es passen. "Schlimmstenfalls kannst du dir ja einen anderen Vampirjäger oder eine andere Vampirjägerin in Australien suchen, dem du auf die Nerven gehen kannst und dort eine Partnerschaft eingehen", meinte sie leicht schmunzelnd, da er sich in dem Bereich sehr gut anstellte und bestimmt eine Bereicherung für die eine oder andere Organisation sein könnte. Das musste sie sich - trotz seines Verrats - einfach eingestehen. Es war fast schon ein Jammer, dass er sie vor einem Jahr ohne jegliches Wort so zurückgelassen hatte. "Ich glaube, in der Hinsicht wirst du meine einzige bleiben", widersprach er sanft, aber entschlossen. Das war in Janes Ohren eine seltsame Wortwahl, doch beließ sie es bei einem misstrauischen Blick und einem Nicken. Sie hatte jetzt keine Lust auf eine Diskussion. Ihre Gedanken schweiften zu seiner Abreise, die noch eine Woche entfernt lag, doch kam sie nicht umhin, daran zu denken, dass sie irgendwie (ein kleines bisschen) Schuld daran war, dass er die letzten Flüge nicht erwischt hatte. Das war etwas, was sie nicht einfach so auf sich sitzen lassen konnte - obwohl er stets betont hatte, dass er ihr hatte helfen wollen. Sie hasste es einfach, jemandem etwas schuldig zu sein. "Sag mal, kann ich irgendetwas für dich tun? Ich meine… benötigst du noch irgendwelche Dinge oder so?", wollte Jane von ihm wissen. Zwar würde sie Aiden nicht anbieten, hier bleiben zu können, doch irgendeine kleine Wiedergutmachung würde bestimmt drin liegen. Aiden sah erstaunt auf, dann verdrehte er die Augen. "Ihr habt mich hier aufgenommen, das ist schon…", fing er an, als ihm scheinbar tatsächlich eine Idee kam. Aiden sah sie wachsam ansah und eröffnete: "Das einzige, das ich mir von dir wünsche, ist, dass du mir verzeihst, Jane." Sprachlos blickte die junge Frau ihr Gegenüber an und presste ihre Lippen zu einer harten Linie zusammen. Was sollte sie darauf bloß antworten? So etwas konnte man nicht erzwingen, und wer wusste schon, wie lange sie benötigen würde, um ihm wirklich zu verzeihen? Jane rang mit den Worten und fuhr sich durch die Haare, ehe sie einmal kurz tief durchatmete und die Arme vor der Brust verschränkte. "Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, dir zu verzeihen", begann sie langsam, aber ehrlich. "... aber ich könnte zumindest versuchen, auf einen Nullpunkt zu kommen und mich dir gegenüber... hm... 'neutraler' zu verhalten." Es war fast schon gespenstisch, welche Parallelen ihre zweite Begegnung mit der Ersten vor über einem Jahr hatte. Schließlich war es vor dem Auftrag mit Richard beinahe genauso zugegangen - nur, dass Aiden damals die Forderungen gestellt hatte. "Damit kann ich leben. Danke", sagte er mit einem offenen, herzlichen Lächeln, das seine Zuneigung für die junge Frau überdeutlich widerspiegelte. "Ach, und Jane... Ich hoffe, du weißt, dass es mir wirklich leidtut", fügte er dann wesentlich ernster hinzu. Jane zuckte nur mit den Schultern. Damit würde sie wohl ebenfalls leben können - zumindest für die nächsten paar Tage, da sie ja nicht länger als bis zur nächsten Woche damit leben musste. Außerdem war es nicht so, dass sie sich täglich schreiben oder miteinander telefonieren würden, wenn sich ihre Wege trennten. Gegen ein kleines Schwätzchen oder einer netten Begrüßung wäre bestimmt nichts einzuwenden, wenn sie sich zufällig einmal begegnen würden. Das wäre, wenn man ihr Wiedersehen in Rom bedachte, sowieso schon eine gewaltige Verbesserung. "Ich weiß. Ansonsten hättest du wohl nicht zu solchen Mitteln gegriffen", murmelte die Angesprochene leise, wobei sie natürlich auf die Entführung auf das alte Fabrikdach ansprach. "Jaa, das tut mir auch leid. Nächstes Mal hörst du am besten einfach gleich zu", grinste er ziemlich verlegen. Ein nächstes Mal würde es in Janes Augen nicht geben. Wenn er sie erneut hintergehen würde, würde er wahrscheinlich auf ihrer persönlichen Abschussliste landen und von ihr ein Messer in die Brust gerammt bekommen. Sie hoffte dementsprechend nur, dass er sie nicht erneut hintergehen und ihr momentanes Vertrauensverhältnis brechen würde. Ihr Blick schweifte zu ihrem Handy, welches auf dem Tisch lag und vibrierte. Sie nahm es an sich, um die erhaltene Nachricht zu lesen, die von Gabriel stammte. Wie erwartet, kündigte er seinen Besuch an, der allerdings etwas später am Nachmittag stattfinden würde, da er noch einige Dinge sein Rudel betreffend erledigen musste. Nachdem sie ihre Antwort gesendet hatte, blickte sie wieder zu ihrem temporären Mitbewohner. "Was steht heute bei dir eigentlich an? Ich schätze, du wirst jagen, oder?", wollte sie wissen und deutete auf die unschöne Wunde an seiner Wange. "Gabe wird später vorbeikommen, dann könnten wir besprechen, wie es vorerst weitergehen soll und welche Anhaltspunkte wir momentan haben." "Ich muss jagen, ja, aber erst heute Nacht. Nachher habe ich noch… Ein paar Dinge zu erledigen", sagte er ausweichend, bevor er mit schlecht verhohlenem Amüsement fragte: "Geht es ihm besser? Das Parfüm hat ihm ja ziemlich zugesetzt, nachdem er es ins Gesicht bekommen hat." "Er hat nichts zu seinem Befinden gesagt. Du kannst ihn ja später selbst fragen - oder hattest du vor, nachmittags jagen zu gehen?", meinte die Vampirjägerin. Tatsächlich musste Aiden nochmal los, bevor ihre „Teambesprechung“ stattfinden sollte. Nachdem der Vampir schließlich das Haus verlassen hatte, kümmerte sich die junge Frau ein wenig um den Haushalt und lernte ein bisschen für die Universität. Als sie am Schreibtisch saß, vibrierte ihr Handy, und in Erwartung einer Nachricht von einem ihrer übermenschlichen Partner griff Jane nach dem Telefon. Doch als sie Logans Namen und seine Frage nach ihrem Tag las, lächelte sie sanft. Er war an diesem Wochenende außerhalb der Stadt, um ein paar Verwandte zu besuchen. » Ich lerne gerade und treffe später noch Gabriel und Aiden. Wie ist es bei dir?« » Ganz ok… Aber ich freue mich schon auf Montag in der Uni.« Schmunzelnd schrieb Jane: » Du Streber!«, obwohl sie schon ahnte, was ihr Freund antworten würde. » Ich meinte wegen dir… Obwohl Controlling 2 natürlich besonders spannend ist. « Lachend tippte die junge Frau eine Antwort und lenkte sich durch den Chat mit ihrem Liebsten recht erfolgreich von der Revision ab. So war sie zwar nicht gerade zufrieden mit ihren Lernerfolgen, aber gut gelaunt, als Gabriel später pünktlich um halb vier klingelte. Den intensiven blumigen Geruch, der noch immer an dem Werwolf hing, konnte Jane bereits beim Öffnen der Tür riechen, da dieser hineingeweht wurde. Zwar war der Duft nicht so stark wie am Vorabend, doch war er ausgeprägt genug, um sie die Nase zu rümpfen zu lassen. Auch der Spanier schien davon nicht begeistert zu sein und näselte dementsprechend ein wenig, da er es möglichst vermeiden wollte, den unausstehlichen Mief zu riechen. Die Kindheitsfreude saßen bereits im Wohnzimmer und unterhielten sich, als Aiden hereinschneite. "Neues Shampoo?", fragte der Vampir, als er sich mit einem gewissen Abstand zu dem Werwolf auf die Couch setzte. Gabriel verengte nur leicht die Augen. Wenn es nicht so mühsam gewesen wäre zu sprechen - da er dadurch den Geruch einatmete - und nicht Wichtigeres angestanden wäre, dann hätte er etwas Bissiges entgegnet. So allerdings, widmete er sich ganz bewusst Jane, die sich neben ihm auf einem Sessel niederließ. "Geht es dir besser?", wollte sie vom Werwolf wissen und strich ihm kurz die Haare aus dem Gesicht, da sie an seiner rechten Stirn ein Pflaster ausmachen konnte. In ihren Augen hatte sich dabei ein kleiner Schleier aus Sorge gelegt. "Mach dir keine Sorgen, das sind nur ein paar Kratzer. In ein paar Tagen bin ich wie neu!", versicherte ihr bester Freund leicht grinsend. Natürlich hatte er auch ein paar unangenehme blaue Flecken, doch auch diese würden mit der Zeit verschwinden und keinen größeren Schaden hinterlassen. Die junge Frau nickte, wandte sich dann aber gleich dem Auftrag zu, da sie ja eigentlich deswegen versammelt waren und besprechen sollten, wie es vorangehen würde. "Da ihr die Polizei verständigt habt, gehe ich davon aus, dass die Lagerhalle am Hafen mittlerweile ausgeräumt wurde. Dort eine Spur zu finden, wird sich also schwierig gestalten. Darum schlage ich vor, dass wir demnächst tagsüber bei dem Anwesen vorbeigehen und uns in den Trümmern nach Hinweisen umschauen, die auf weitere Verstecke oder Komplizen hindeuten, die uns irgendwie weiterhelfen könnten", meinte die Vampirjägerin, wobei sie keinen Hehl daraus machte, dass sie sich selbst in die Höhle des Löwen begeben wollte. Schließlich sprach nichts dagegen, dass der Verrückte wieder zu seinem Haus zurückkehren würde, wenn er dachte, dass die Luft wieder rein war. Außerdem waren noch einige Sammlerstücke darin vorhanden, so dass es sehr wahrscheinlich war, dass er früher oder später dort wieder auftauchen würde. Gerade, als sie weitersprechen wollte, konnte sie den missbilligenden Blick der beiden Herren, die nicht erfreut darüber wirkten, dass sie sich an den Ort begeben wollte, an dem sie gekämpft und in dem der Antiquitätenfreak gehaust hatte. In das Gesicht des Vampirs musste die junge Frau nicht schauen, um zu erahnen, dass es ihm wohl genauso missfiel. "Was denn? Es ist der einfachste und effektivste Weg, um an die weiterführenden Informationen zu kommen", rechtfertigte sie ihren etwas waghalsigen Vorschlag. "Du hast Recht. Wir sollten uns dort auf jeden Fall noch Mal umsehen", sagte Aiden trotzdem. Er ignorierte Janes verblüfften Blick - Sie hatte mit Wiederrede von ihm gerechnet - Und wandte sich an Gabriel. "Willst du dich noch ausruhen oder können wir heute schon los?" "Huh?", kam es schließlich irritiert über Janes Lippen, als ihr Gegenüber sie so offensichtlich ausschloss. Aiden tat, als hätte er sie nicht gehört, und fuhr fort: "Ich würde aber vorschlagen, dass wir die Lagerhalle trotzdem im Auge behalten. Da wir den einzigen, der von unserem dortigen Besuch wusste, ausgeschaltet haben, kann es gut sein, dass jemand dort auftaucht. Vielleicht haben wir Glück und können nochmal etwas in Erfahrung bringen." Zunächst hatte sie ernsthaft geglaubt, dass er es akzeptiert hatte, dass er sich nicht querstellen und es zulassen würde, dass sie ebenfalls mit von der Partie sein würde, doch wurde sie gleich darauf eines Besseren belehrt. Bevor Gabriel überhaupt etwas sagen konnte, mischte sich die Brünette ein: "Ihr zieht ganz bestimmt nicht alleine los. Ich werde mitkommen." Während sie sprach, war sie nicht umhin gekommen, ihre Augen ein wenig zu verengen. Aiden hatte ihr vor wenigen Stunden doch sein Einverständnis gegeben - oder hatte sie sich da etwa verhört? Wohl kaum! "Janie... ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn du mitkommst. Wer weiß, ob er gleich wieder auftaucht. Du willst doch nicht riskieren, einen weiteren Monat oder sogar länger am Schreibtisch zu hocken, oder?", versuchte ihr Kindheitsfreund sie zu beschwichtigen, worauf die Angesprochene leicht mit den Zähnen knirschte. Natürlich wollte die Jägerin das nicht riskieren, doch weiterhin einfach Zuhause rumsitzen und Däumchen drehen war ebenso frustrierend. "Fein! Dann gehe ich eben in die Lagerhalle und ihr schaut euch im Anwesen um", entgegnete die Brünette. Wenn sie schon nicht direkt in die Höhle des Löwen durfte, dann wollte sie zumindest irgendwo anders aktiv recherchieren. Ohne wirklich auf die Einwände der beiden Herren zu warten, fuhr Jane unbeeindruckt an Aiden gewandt fort: "Ich würde vorschlagen, wir warten, bis du getrunken hast. So hat Gabe noch ein wenig Zeit, um sich besser zu erholen." Aus irgendeinem Grund, den sie lieber nicht wissen wollte, lächelte Aiden. "Wenn es unbedingt sein muss... Geh du mit ihr", sagte er zu Gabriel. Die Diskussion... Nein, ganze Situation war beinahe schon zum Mäusemelken! Laut den beiden Männern durfte sie sich nicht im Anwesen umsehen, wo sie gekämpft hatten? Dieser Ort war von essenzieller Wichtigkeit und bedurfte einer genauen Untersuchung! Das war eines der wenigen Dinge, die sie in ihrem momentanen Gesundheitszustand tun konnte und wollte - auch wenn sie sich in der Hinsicht wohl in einer gefährlichen Grauzone befand. Schwer seufzend legte die junge Frau ihre Hand ins Gesicht, ehe sie den Kopf schüttelte. Man konnte Aiden gewiss nicht aufhalten, wenn er vorhatte, allein loszuziehen. Für sie galt das aber auch. Allerdings würde es die ganze Sache erleichtern, wenn sie einfach gemeinsam losziehen und die Arbeit verrichten würden, die sie schneller auf die Spur dieses verdammten Blutsaugers bringen würde. Wieso musste er bloß so stur sein? Da sie wusste, dass es nichts brachte, dagegen zu argumentieren und ihr unfreiwilliger Mitbewohner sich ansonsten einen Plan ausdenken würde, sie irgendwie Schachmatt zu setzen, unterließ sie es zähneknirschend und widerwillig. Wenn es hart auf hart kommen und die Männer keine Anhaltspunkte finden würde, würde sie versuchen, im Geheimen alleine loszuziehen oder eben so lange auszuharren, bis der 500 Jahre alte Vampir aus dem Land war. Sie hatte schließlich bereits gute zwei Wochen die Füße (einigermaßen) stillgehalten; was wäre schon eine weitere Woche? Die meisten Indizien deuteten sowieso darauf hin, dass der Verrückte England nicht so schnell verlassen würde. Janes Blick schweifte zu Gabriel, der ihr aufmunternd zulächelte. Zunächst wollte sie protestieren, da sie meinte, dass sie das alleine hinkriegen würde und genug Wachmänner am Pier vorhanden waren, um sich relativ schnell in Sicherheit bringen zu können. Jedoch fiel ihr das Parfüm und die empfindliche Nase des Werwolfes ein, sodass es für ihn wahrscheinlich nur eine Qual sein würde, erneut das Anwesen zu betreten. Außerdem war Gabriel ein angenehmer Zeitgenosse und jemand, den sie vollends als ihren Partner akzeptierte. "Also morgen?“, fuhr Aiden fort, der Janes Schweigen wohl als Zustimmung sah. „Je nachdem, wie viel Zeit ich habe, werde ich mich heute Nacht vielleicht schon dort umsehen", kündigte er an. Zwar wollte sie am liebsten losziehen und die Lagerhalle inspizieren, doch auch sie kam schnell zum Entschluss, dass es wohl besser wäre, Gabriel ein wenig mehr Zeit zu geben, um wieder richtig zu Kräften zu kommen und den unangenehmen Duft loszuwerden. Folglich unterdrückte die junge Frau die aufkeimende Ungeduld so gut es ging und nickte auf den Vorschlag kurz. "Gut, dann steht unser Plan", seufzte die Brünette schlicht, obwohl man von ihrem Gesichtsausdruck ablesen konnte, dass ihr das Ganze nicht gefiel. Sie stand auf und holte den Erste-Hilfe-Kasten, bevor sie sich neben Gabe niederließ, ihn ans Kinn fasste und sein Gesicht zur Seite drehte, um das Pflaster abzunehmen. Sie wollte sichergehen, dass es nichts Ernsthaftes war und es richtig angegangen wurde. Wenn es um Leute ging, die ihr wichtig waren, kannte sie in der Hinsicht kein Pardon und legte - vor allem, wenn es irgendwie ihre Schuld war - am liebsten selbst Hand an. Da Gabriel dieses Verhalten seiner besten Freundin nur zu kannte und es dazu schon unzählige Unterhaltungen gegeben hatte, verdrehte er nur kurz die Augen und seufzte schwer, während er sie gewähren ließ. Janes Blick fiel dann auf Aidens verletztes Gesicht, sodass sie kurz auf ihre Wange zeigte, aber mit einer kleinen Kopfneigung auf seine deutete. "Du gehst nachher zwar jagen, aber bist du sicher, dass ich das nicht irgendwie desinfizieren oder zumindest kurzzeitig abdecken soll?", wollte sie von ihm wissen. Er gehörte zwar nicht (mehr) zu den Leuten, die ihr viel bedeuteten, doch war die Wunde indirekt ihr Verschulden. "Nein, ich... Also... Schaden würde es wohl nicht. Danke...", murmelte Aiden, der beim Sprechen immer leiser wurde und am Schluss Jane nicht mehr ansah. Eigentlich hatte Jane erwartet, dass er ablehnen würde, schließlich wäre er nach der Jagd so gut wie neu. Außerdem verstand sie seine offensichtliche Verlegenheit nicht wirklich. Dementsprechend sah die junge Frau ihn kurz mit einer hochgezogener Augenbraue an, wandte sich ihm aber direkt zu, als Gabriels Wunden richtig verarztet waren. Dazu setzte sie sich neben ihren Mittbewohner, fasste an sein Kinn und neigte es leicht zur Seite. Aiden ließ es zu, dass sie die Verletzung desinfizierte und verband, wobei er scheinbar nicht wusste, wo er hinsehen sollte. Sein umherwandernder Blick traf kurz den von Gabriel, aber er drehte rasch den Kopf weg, was Janes Arbeit nicht unbedingt erleichterte. "Was machst du denn da? Halt still", schimpfte die Brünette leise, wobei sie sein Unbehagen damit begründete, dass er solche medizinische Behandlungen einfach nicht gewohnt war. "Eigentlich ziemlich unnötig, wenn man bedenkt, dass er wie neu aussieht, wenn er Blut zu sich genommen hat, Janie", meinte der Werwolf, wobei er kurz das Gesicht verzog, als er über die Ernährungsweise der untoten Blutsauger sprach. Immerhin empfand er das als ekelhaft. Zudem war es in seinen Augen wirklich sinnlos, die Wunden eines Vampirs zu verarzten. Seine beste Freundin konnte ihre Zeit für etwas Besseres und Wichtigeres nutzen. "Mag schon sein, aber es ist sicher nicht angenehm und außerdem würden sich die Leute fragen, die ihn so sehen. Bevor dadurch irgendwelche Gerüchte ins Rollen gebracht werden, decke ich das lieber ab", erklärte die Angesprochene ihre Handlung, wobei sie bewusst die 'kleinen' Schuldgefühle diesbezüglich ausließ. "Wenn du ein Problem hast, kannst du mir das auch direkt sagen. Ich sitze neben dir", erinnerte Aiden Gabriel schnippisch. "Ich habe nichts dagegen. Es ist nur unnötig und Materialverschwendung", erwiderte Gabriel unverblümt und frei heraus. Immerhin hatte er nicht wirklich etwas dagegen, sondern dachte lediglich an die Umstände, die seiner besten Freundin dadurch gemacht wurden - zumindest glaubte er das. "Es ist ja nicht gerade so, als ob du dadurch irgendwelche Entzündungen kriegen kannst, oder?", fügte der junge Mann hinzu, wobei er nicht verhindern konnte, dass ein Hauch von Ironie in seiner Stimme mitschwang. "Es ist keine richtige Entzündung, aber die Silbermoleküle, die in der Wunde zurückbleiben, brennen ziemlich. Deswegen ist es angenehmer, wenn es richtig ausgewaschen wird", erklärte der Vampir in dem sachlichen Ton, der anzeigte, dass er ziemlich genervt war. „Hättest du dir nicht einfach das Gesicht waschen können oder so?“ Jane, die bis jetzt schweigend zugehört hatte, kam nicht umhin, die Augen zu verdrehen und griff dann mit Daumen und Zeigefinder frech nach der Nase des Werwolfes. "Genug jetzt. Ich habe seine Wunde verarztet, weil ich es wollte, okay? Sei brav oder ich schütte dir gleich noch eines von meinen Parfüms drüber", ermahnte sie ihren Kindheitsfreund, wobei sie - auch wenn sie mit ihm schimpfte - relativ sanft klang. Man merkte sofort, dass es sich hierbei um eine leere Drohung handelte. Dennoch schien diese zu wirken und der Südländer murrte nur leise, ehe er still wurde und nichts mehr zum Thema Nachdem sie dann das Pflaster an Aidens Wange angeklebt hatte, vergewisserte sie sich, ob er noch andere Wunden davongetragen hatte, die sie verarzten sollte. Als er meinte, dass dies nicht der Fall war, verstaute Jane den Medizinkasten wieder im Schrank. Sie hörte derweil den Spanier niesen, worauf sie die Stirn runzelte und zu ihm ging. Dabei konnte sie sehen, wie er sich die Nase rieb und das Gesicht verzog. Ah... Dieser grauenhafte Geruch. Ohne etwas zu sagen bereitete die junge Frau einen Pfefferminztee vor, um diesen auf den Couchtisch zu stellen. "Trink den oder riech einfach ein wenig daran", wies sie ihn an und setzte sich wieder auf das Sofa. Es wäre besser, als den blumigen Gestank wahrzunehmen und es würde helfen, diesen zu neutralisieren. Der Werwolf atmete etwas erleichtert auf, als er die Pfefferminze riechen konnte, und blickte die Dame des Hauses dankbar an, ehe er sich neben sie setzte. Jedoch blieb es nicht dabei, da er sich aus reiner Gewohnheit zurückfallen ließ. So lag er mit seinem Kopf auf ihrem Schoss, während die Beine über der Armlehne baumelten. Dies störte die Brünette keineswegs und war ziemlich normal für die Beiden. Sie wandte sich gelassen wieder an Aiden, der neben ihr war. "Für die Jagd würde ich dir abraten, dich heute in Stratford aufzuhalten. Soweit ich weiß, läuft da bezüglich des Zirkels etwas, weil sich dort seit längerer Zeit ein Vampir-Paar herumtreibt", riet sie ihm, da sie nicht wollte, dass es irgendwelche Schwierigkeiten gab oder sie ihn womöglich dort halb zerfetzt auflesen musste. "So? Nun, Danke für die Warnung, schätze ich... Machst du dir kein Sorgen, dass ich die Betreffenden warnen könnte?", fragte er schmal lächelnd. Die Vampirjägerin blickte nur mit einer hochgezogene Augenbraue zu ihm. In ihren Augen war es offensichtlich, dass Aiden sie reizen beziehungsweise herausfordern wollte. "Nun... das kann gut sein. Wenn dem so ist, dann werde ich die Konsequenzen im Nachhinein dafür tragen und mich selbst auf die Jagd nach dem Paar machen. Schließlich habe ich dich vor ihnen gewarnt und wenn du durch meine Warnung die Planung des Zirkels auf den Kopf stellst, ist es nur selbstverständlich, dass ich diejenige sein werde, um die beiden Täter umzulegen", erwiderte die junge Frau ebenfalls mit einem kleinen, aber deutlich humorlosen Lächeln. Es war klar, dass sie diese Worte ehrlich meinte. Immerhin war sie sehr pflichtbewusst und stand für ihre Fehler (die sie sich auch eingestanden hatte ) ein. "Aha...", machte er, stand auf und ging ans Fenster. Dabei schob er die Hände in die Hosentaschen und sah nach draußen in den dunkler werdenden Garten. "Ich werde jetzt schon mal gehen. Bis morgen.“ Als Aiden schließlich meinte, dass er auf die Jagd gehen wollte, nickte sie nur und blickte ihm flüchtig hinterher, als er durch die Tür nach draußen verschwand, ehe sie sich wieder Gabriel zuwandte. Wie erwartet half der Pfefferminztee und er trank wenig später zwei Tassen davon, so dass er sich besser fühlte und keine andauernd verstopfte Nase hatte. „Einen komischen Kauz hast du dir da angelacht…“, murmelte er, einige Zeit nachdem die Haustür hinter Aiden zugefallen war. Offensichtlich hatte er darauf gewartet, dass Aiden wirklich außer Hörweite war. „Und so arrogant.“ Jane runzelte ein wenig die Stirn. Unter all den Mängeln, die sie an Aidens Charakter sah – allen voran sein Hang zum Stalking und seine Gluckenmanier – hätte sie ´Arroganz` nicht unbedingt auf die Liste gesetzt. Er war selbstbewusst, ja, doch besaß er die nötigen Fähigkeiten, die ihm das erlaubten. Andererseits betonte er tatsächlich immer wieder, wie viel besser als Gabriel er doch wäre. Sie hatte das auf den Konflikt ihrer Rassen geschoben, doch wo sie jetzt darüber nachdachte, verstand sie, wieso ihr bester Freund Aiden eingebildet nannte. „Ich habe ihn mir nicht 'angelacht'“ erwiderte sie kühl. „Und er wird London bald verlassen, also kein Grund, einen Streit vom Zaun zu brechen.“ Gabriel warf ihr einen mürrischen Blick zu, da er offensichtlich nicht der Meinung war, selbst auch nur ein wenig Schuld an der angespannten Stimmung zwischen sich und dem Vampir zu tragen. „Wie auch immer, reden wir lieber über morgen.“ Das taten sie, wobei sie zwischendrin immer wieder zu private Themen wechselten. Als alles soweit fertig war, machten es sich die beiden Kindheitsfreunde auf der Couch bequem und sahen sich mit einer Tüte Popcorn einen Film an. In der Mitte wurde Gabriel jedoch angerufen, da er beim Rudel benötigt wurde, so dass er dann auch verschwand und Jane damit begann, alles aufzuräumen und das Abendessen zu kochen. Nachdem sie die restliche Zeit bis zum Schlafengehen mit Elizabeth verbracht hatte, zog sich die Brünette in ihrem Zimmer zurück, so dass sie einige Stunden später auch nicht mitbekam, wie sich der ( unfreiwillige ) Mitbewohner regelrecht ins Haus schleppte. Erst, als dieser schon längst auf der Couch eingeschlafen war, erwachte die jüngere Dame des Hauses und begab sich runter in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Dabei ging sie ein wenig im Erdgeschoss herum, so dass sie auch schon den Vampir auf der Couch liegend - teilweise in der ähnlichen Position wie Gabriel - vorfand. "Aiden?", kam es etwas verwirrt über ihre Lippen, bevor sie das Glas auf den Couchtisch stellte und sich über ihn beugte, als er nicht reagierte. Dabei konnte sie erkennen, dass sein Gesichtsausdruck ziemlich angespannt aussah. Mit gerunzelter Stirn und rein instinktiv legte die Brünette ihre Hand auf Aidens Stirn, die sich etwas warm anfühlte. Sie hatte den Vampir wohl noch nie so bewusst berührt wie in diesem Moment, aber warm war er ihr nie erschienen. Konnten Vampire etwa krank werden? Kapitel 8: Ein sterbender Schwan -------------------------------- Es brachte doch nichts, wenn er alle paar Stunden seine Planung über den Haufen warf. Jetzt hatte er sich entschieden, vorerst zu bleiben, und das würde er auch tun. So könnte er zumindest ein Auge auf Jane werfen. Trotz dieses (vorläufigen) Vorsatzes war Aiden noch abgelenkt, als er später in der Nacht endlich zum Jagen kam. Es war eine Erleichterung, endlich wieder zu trinken, aber als er von der Frau abließ, bemerkte er, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie roch komisch und jetzt, wo er nicht mehr nur aufs Trinken fixiert war, bemerkte er, dass er einen seltsamen Geschmack im Mund hatte. Mist. Er hatte ein ungutes Gefühl, als er die Frau auf einer nahegelegenen Parkbank absetzte, wo sie sich ausruhen konnte, ignorierte das aber, um sich auf den Weg zum Anwesen des Antiquitäten-Vampirs zu machen. Schon unterwegs bemerkte er, wie ein zunehmender Kopfschmerz ihm gegen die Schläfen drückte und sich zu einer waschechten Migräne steigerte, bis er beim Anwesen angekommen war. Er verfluchte sich dafür, nicht besser aufgepasst zu haben, sah aber jetzt nicht ein, nach Hause zu gehen. Also ignorierte er die aufkommenden Hals- und Gliederschmerzen und versuchte, im Haus etwas zu entdecken. Er war nicht sicher, hätte aber fast schwören mögen, dass der eine oder andere Kleinkram verschwunden war, seit sie zuletzt hier gewesen waren. Das half ihm aber nicht weiter, sodass er wieder zu der Stelle ging, an der sie den Vampir verloren hatte. Wie erwartet, war der Blumenduft dort noch extrem stark, aber nach ein paar Schritten konnte er ihn nicht mehr wahrnehmen. Seine Nase war vollkommen verstopft. Frustriert versuchte er noch eine Weile, der Fährte zu folgen, aber erneut musste er aufgeben und schließlich sogar einsehen, dass es keinen Sinn mehr hatte, weiter zu suchen. Er brauchte eine gefühlte Ewigkeit zurück zum Anwesen der McCollins. Die Herausforderung, die Treppe zu erklimmen, erschien ihm unendlich mühsam, nachdem er so lange gelaufen war, und er beschloss, sich kurz auf der Couch auszuruhen. Als er saß, nahm er den Geruch von der Stelle wahr, an der Jane vor wenigen Stunden gesessen hatte - Das einzige, das er im Moment wirklich deutlich riechen konnte. Ohne groß nachzudenken, legte sie den Kopf dorthin und schlief kurz darauf schon. Viel zu schnell wurde er jedoch geweckt, als jemand mit einer sehr angenehmen Stimme seinen Namen nannte. Wiederwillig und mühselig öffnete er die Augen und erblickte Jane, die sich besorgt über ihn gebeugt hatte. "Was machst du für Sachen...", seufzte sie leise, wobei sie nicht umhin kam, sich kurz die Schläfe zu massieren. „Kannst du aufstehen?“ Er versuchte es, doch wurde ihm schwummerig, und er ließ sich lieber wieder in die Kissen sinken und schloss die Augen wieder. Jane versuchte noch ein paar Mal, ihn zu wecken, doch Aiden hatte keine Lust, die Augen aufzumachen. Wieso auch, wo es jetzt so angenehm intensiv nach Jane roch? Er hörte noch, wie sie leise fluchend ihr Handy hervorkramte und jemanden – vermutlich Gabriel – anrief, aber während der Wartezeit schlief er wieder tief ein. Erst die unsanfte Behandlung seines Trägers weckte ihn halbwegs. Normalerweise hätte der Vampir nie zugelassen, von dem Werwolf herumgetragen zu werden, aber gerade ließ er einfach willenlos alles mit sich geschehen. Er verstand sowieso nicht so richtig, was vor sich ging, als er plötzlich die Treppe hochgetragen wurde, aber Janes Geruch stieg jetzt direkt vor ihm von Gabriels Nacken auf und Aiden schmiegte sich automatisch an die Wärmequelle vor sich. "Hey! Lass das gefälligst! Das ist ja ekelhaft!", schimpfte der Spanier etwas angewidert und beschleunigte sein Gehtempo. Deren Protest bekam Aiden nicht wirklich mit. Kurz darauf wurde er wieder aus seinem Schlaf gerissen, als plötzlich ein Eisklumpen auf seiner Stirn landete. Er stöhnte unwillig und drehte den Kopf weg, aber es half nichts. Vielleicht musste er wirklich nachsehen, was da vor sich ging. Mühsam öffnete er die Augen und sah für einen Moment zwei verschwommene Gestalten vor sich. Sobald er Jane erkannte, lächelte er unwillkürlich, Eisklotz am Kopf hin oder her. "Jane...", krächzte er, wobei er genauso verschnupft klang wie der Werwolf bei ihrer Rückkehr am letzten Abend. Ihm tat alles weh und sein Kopf fühlte sich seltsam wattig an, sodass er den kurzen Impuls, sich aufzusetzen, sofort wieder aufgab. Nur langsam wurde er der Umgebung gewahr, realisierte, dass sie wohl in seinem Zimmer waren. "Was ist... Was ist los?", fragte er verwirrt und legte sich die Hand an den schmerzenden Kopf. Dabei fasste er in etwas Nasses und erkannte es als Lappen, den er instinktiv wegschieben wollte, aber seine Krankenschwester drückte das Tuch wieder an seinen Platz. „Reden Vampire immer so viel, wenn krank sind?“, fragte Jane mürrisch und seufzte leise und schwer auf. "Wir wissen zwar nicht, wie du dich so plötzlich erkältet hast, aber es sieht nach einer schweren Grippe aus", erklärte sie ihm, wobei ihr Blick zu ihrem Kindheitsfreund schweifte. Aiden sah ebenfalls zu Gabriel, und dessen Anwesenheit gefiel ihm sogar in seinem geschwächten Zustand nicht. „Was macht der hier…?“ Sie runzelte leicht die Stirn und nahm das feuchte Tuch, um es ins kalte Wasser zu tauchen und auszuwringen. Kurz darauf legte es die Hobby-Krankenschwester wieder auf die warme Stirn des Patienten. "Du könntest ruhig Danke sagen. Schließlich habe ich dich ins Bett getragen", schnaubte der Werwolf patzig, wobei er ein kaum hörbares 'obwohl du dich so ekelhaft an mich geschmissen hast' vor sich hin murmelte. Aiden ignorierte ihn, denn da kam ihm wieder in den Sinn, weshalb er überhaupt losgezogen war, und er sah Jane traurig an. "Tut mir leid. Ich hab nichts gefunden. Aber morgen schau ich nochmal, ok? Morgen...", murmelte er, dann fielen ihm die schweren Lieder wieder zu. In der Nacht war Aiden ein paar Mal aufgewacht und unruhig geworden, weil er wirre Träume hatte und ihm abwechselnd heiß und kalt war. Aber er hatte sich jedes Mal relativ schnell beruhigt; das Zimmer war von einem angenehmen Geruch erfüllt, und in seinem fiebrigen Zustand träumte er, Jane schliefe auf einem Sessel neben seinem Bett. Irgendwann in der Nacht war er nah zum Rand des Bettes gerutscht und sein Arm baumelte über die Kante, als er aufwachte. Alles an ihm fühlte sich schwer und wund an, ein Zustand, den er schon lange nicht mehr erlebt hatte und auf den er gerne verzichtet hätte. Wunderbar, jetzt war er auch noch krank. Zuerst sah er nichts, sodass er erst mal den inzwischen warmen Lappen aus seinem Gesicht pflückte, um sich überhaupt zu orientieren. Als er jedoch Jane auf dem Sessel schlafen sah, war er eher noch verwirrter als zuvor. Das war also kein Traum gewesen, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, wie er ins Bett gekommen war oder was er noch zu seinem Abholkommando gesagt hatte. Zumindest schien jedoch das Fieber ein bisschen gesunken zu sein, denn er fühlte sich nicht mehr ganz so belämmert wie in der Nacht. Weh tat ihm aber immer noch alles und als er sich aufsetzte, fing das Zimmer an, sich zu drehen. Der Vampir weigerte sich jedoch, sich von seinem eigenen Körper dazu zwingen zu lassen, sich wieder hinzulegen, und blieb in seinem persönlichen Karussell sitzen. Das würde schon vorübergehen. Vor allem wurde es anstrengend, sodass er nach fünf Minuten den Kampf gegen sich selbst aufgab und sich mit einem genervten, krächzenden Stöhnen wieder ins Bett fallen ließ. Dabei war er wohl zu laut gewesen, denn er sah aus dem Augenwinkel, wie Jane sich rührte. "Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken", lächelte er matt. Ein Blick zu den Vorhängen, durch die das Tageslicht schimmerte, verriet Jane, dass schon der neue Tag angebrochen war. Nur langsam und mit einem kurzzeitig verzogenem Gesicht, setzte sie sich auf, ehe sie sich kurz streckte und die ermüdeten Glieder knacksen ließ. "Schon gut. Wenn ich länger hier geschlafen hätte, würden mich meine Knochen bestimmt umbringen", meinte sie leise und rollte ihren Kopf einmal nach links und rechts. "Tut mir leid, dass du hier geschlafen hast, das wäre wirklich nicht nötig gewesen." Es überraschte ihn, dass sie es getan hatte. Immerhin musste ihr bewusst sein, dass er nicht an einer Grippe sterben würde, und selbst wenn das der Fall gewesen wäre, hätte es ihr eigentlich egal sein können. Aber sie hatte sogar über ihn gewacht und sich, wie er aus dem nassen Lappen auf dem Boden schloss, um ihn gekümmert. Diesen hob er jetzt auf, wobei sich ein bohrender Schmerz durch seinen Schädel presste, als er sich wieder aufrichtete. Kurz verharrte er halb aus dem Bett gebeugt, dann richtete er sich möglichst schnell wieder auf, schmiss das Tuch in den Wasserbehälter auf dem Nachttisch und blieb sitzen. Er wollte nicht, dass Jane ihn da so schwach sah. Es war schon unangenehm genug, dass sie ihn auf der Couch schlafend gefunden hatte. Jetzt hielt sie ihn bestimmt für einen Waschlappen... Obwohl sie auf die ja scheinbar stand, wenn man an Logan dachte. "Bleib liegen", wies sie ihn an und umging dabei offensichtlich seine zweite Entschuldigung. Sie stand auf, als er ihrer Aufforderung nicht nachkam, fasste ihn an die Schultern und drückte ihn vorsichtig, aber bestimmt zurück ins Bett. "Wie fühlst du dich, abgesehen davon, dass dir schlecht wird, wenn du dich aufsetzt und zu abrupt bewegst?", wollte Jane wissen. „Mir ist nicht schlecht, ich hab nur... Das Gleichgewicht verloren", log er, noch immer das angestrengte Lächeln auf den Lippen. "Mir geht es gut. Ich wollte dir wirklich keine Umstände machen..." Als er das sagte fiel ihm wieder auf, dass er ja eigentlich auf der Couch geschlafen hatte und dass Jane ihn unmöglich tragen konnte. Sie war zwar stark für einen Menschen, aber er wog bestimmt doppelt so viel wie sie. Und eine Ameise war sie noch nicht. Bei diesem albernen Gedanken musste er unwillkürlich lachen, was sich jedoch schnell in einen schmerzhaften Husten verwandelte, der seine Behauptung, es ginge ihm gut, zunichtemachte. "Ja, sehr gut. Ich seh' schon", gab sie unbeeindruckt von sich. Geschwächt von diesem Anfall ließ er es einfach zu, dass Jane ihn zurück in die Kissen drückte, und schloss die Augen. Sein verkrampfter Körper entspannte sich ein wenig, als er etwas angenehm Kühles an der Stirn spürte. Fühlte sich an wie Janes Finger, die seine Temperatur zu ertasten versuchten. "Das ist schön", murmelte er leise. Wenn sie ihn dann immer von sich aus berührte, war es vielleicht gar nicht so schlecht, krank zu sein… "Ich kann dir das Tuch wieder auf die Stirn legen, wenn du was Kühles haben willst", bot Jane an, die Aidens Worte wohl missverstanden hatte, und wandte sich der Wasserschüssel zu. Viel zu schnell löste sie sich wieder, und er öffnete die Augen, in denen ein bedauernder Ausdruck lag. "Ich war in dem Haus, aber irgendwie war mir so komisch, deswegen konnte ich nichts feststellen. Entschuldige", wiederholte er, da er ja nicht wusste, dass er das schon gesagt hatte. Im nächsten Moment hatte er sich bereits wieder aufgesetzt und die Beine über den Rand des Bettes geschwungen. "Aber ich bin mir sicher, dass ich der Spur folgen kann. Es war, als hätte er mit dem Parfüm eine Spur gelegt oder so." Er lachte hustend, dann versuchte er, aufzustehen. Das bereute er aber sofort, denn seine Sinne begannen wieder, verrückt zu spielen, und er kippte gegen Jane, die sicher umgefallen wäre, wenn sie nur ein bisschen schwächer gewesen wäre. daran sterben kannst, bist du krank und momentan sehr schwach!", schimpfte die temporäre und selbsternannte Krankenschwester während sie ihn wieder zurück ins Bett verfrachtete. "Und ich weiß, dass du gestern nicht erfolgreich warst. Das hast du mir vor ein paar Stunden berichtet und ich habe dir gesagt, dass es okay ist. Tu mir also den Gefallen und bleib im Bett, bis du einigermaßen wieder Herr deiner Kräfte bist!" Um ihr nicht noch mehr zur Last zu fallen, ließ er sich unter neuerlichen Entschuldigungen zurück ins Bett verfrachten. "Das ist nicht ok", widersprach er trotzdem und gab endlich seinen zuklappenden Augen nach. Schlafen wollte er immer noch nicht, aber so brannten sie nicht mehr so sehr. "Wieso soll das bitte schön nicht okay sein? Es ist schließlich mein Fall und wenn ich sage, dass es so in Ordnung ist, dann ist es so", erwiderte Vampirjägerin schneidend, da ihr der Wiederspruch nicht passte. "Wenn ich dir nicht wenigstens nützlich bin, verzeihst du mir noch weniger…", erklärte Aiden müde. "Hör zu...", begann sie leise, wobei ihre Stimme milder klang als noch vor wenigen Sekunden. "Das eine hat mit dem anderen Nichts zu tun. Selbst wenn du mir jetzt unzählige Informationen oder womöglich den Vampir selbst anschleppst... Das Ganze braucht einfach seine Zeit. Es bringt dir also Nichts, wenn du dir jetzt darüber den Kopf zerbrichst und glaubst, dass du mir irgendwie ... etwas 'schuldig' bist. Konzentrier dich darauf, wieder gesund zu werden." Beim zweiten Teil ihrer Erklärung lächelte er wieder erschöpft und sah zu ihr auf. "Ich weiß, dass es Zeit braucht, und die hast du auch verdient... Tut mir leid, dass ich schon wieder davon anfange." Aber es war so schwer, auf etwas zu warten, das er unbedingt wollte. Das sagte er ihr nicht, um nicht noch weiter auf dem Thema herumzureiten, nur wusste er sich einfach nicht anders zu helfen, als ihr zu Diensten zu sein. Das hatte beim ersten Mal funktioniert und er war einfach davon ausgegangen, dass es wieder klappen würde, was ja scheinbar auch der Fall war. Jane griff nach dem Tuch und wischte ihrem Patienten nochmal den Schweiß weg. "Sag mal...", fiel Aiden auf, wo er gerade life gesehen hatte, dass sie ihn kaum halten, geschweige denn eine Treppe hoch schleifen konnte. "Wie hast du mich überhaupt hier hoch gebracht?" "Ich habe Gabe angerufen und der hat dich dann nach oben getragen. Du warst über seine Anwesenheit sogar ein wenig empört und wolltest wissen, was er hier zu suchen hat", klärte Jane ihn auf, wobei sie sich wieder auf dem Sessel nieder, ihren Kopf in alle erdenklichen Richtungen neigte, ehe sie mit der rechten Hand ein wenig gegen die Halsbeuge drückte und versuchte, sich selbst zu massieren. "Er hat mich angefasst?", fragte er, mindestens genauso angewidert wie der Werwolf es gewesen war. Es war eindeutig, dass seine Dankbarkeit für die Hilfe sich einzig und alleine auf den weiblichen Part des Rettungskommandos beschränkte. Wenn sie ihn einfach geweckt hätte, wäre er schon hoch gelaufen. Er konnte sich ja nicht daran erinnern, dass er teilweise wach gewesen war und das trotzdem nicht auf die Reihe gebracht hatte. "Nein, er hat seinen Zauberstab geschwungen und dich per Schwebezauber hierhin verfrachtet", antwortete sie ironisch und augenverdrehend, ehe sie leise seufzend den Kopf schüttelte. "Natürlich hat er dich angefasst. Er hat dich immerhin Huckepack genommen, nachdem alle Versuche, dich zu wecken und auf die Beine zu bringen, fehlgeschlagen sind." "Ich will baden", schmollte er kindischer Weise, als sie bestätigte, dass der Wolf ihn angefasst hatte. Das war ja ekelhaft. Und lebensgefährlich, immerhin war es nicht sicher, dass der Welpe dazu in der Lage war, ihn zu tragen – sie hätten stürzen und sich die Hälse brechen können. "Jetzt hab dich nicht so. Er hat dich nur Huckepack genommen und dich nicht gleich abgeleckt oder was weiß ich", erwiderte sie auf sein kindisches Gemaule und verdrehte dazu leicht die Augen. "Ihr hättet mich auch einfach unten lassen können...", fuhr er fort, stockte jedoch, als ihm klar wurde, wirklich klar wurde, dass sie es nicht getan hatten, weil sie sich um ihn kümmern wollten. Auch jetzt kümmerte Jane sich um ihn, etwas, dass er nicht gewohnt war, das ihn aber wahnsinnig rührte. Und er hatte nur gemeckert, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte... "Danke. Für alles. Auch Gabriel, schätze ich", fügte er hinzu, wobei er nicht verhindern konnte, ein wenig mürrisch zu klingen. Bevor er die Abneigung gegen den Spanier ablegte, würde es wohl noch etwas dauern. Ihr tadelnder Blick ließ Aiden verstummen, und Jane wechselte das Thema: "Da ich davon ausgehe, dass man keine Infusionen an Vampire anschließen kann“ – immerhin hatten sie keinen Herzschlag – „rate ich dir, dich auszuruhen und zu schlafen, um wieder gesund zu werden. Von mir aus hole ich dir auch ein paar Bücher oder die Fernbedienung, wenn du dich langweilst. Bleib einfach im Bett und beweg dich nicht unnötig viel", wies sie ihn an, bevor sie fragte: "Gibt es vielleicht irgendwelche Möglichkeiten, den Heilungsprozess zu beschleunigen?" Es gefiel Aiden immer noch nicht, ihr gegenüber davon zu sprechen, wie er sich ernährte, aber in diesem Fall musste es wohl sein. Wie gesagt, wenn er nicht trank und seine Natur ignorierte, würde es für alle nur noch unangenehmer enden. "Blut", antwortete er daher leise und drehte den Kopf von ihr Weg. "Wenn Liz mir wieder Konserven mitbringen könnte, wäre das sehr freundlich." Frisches Blut wäre natürlich bedeutend hilfreicher, aber er würde das von keiner der beiden erwarten und wusste auch, dass er das nicht durfte. Im Moment war er ja nicht mal in Lebensgefahr, sondern einfach nur eine Bürde. Er öffnete die Augen nochmal ganz kurz und sah aus dem Fenster, aber das Licht erschien ihm unangenehm grell, sodass er sie wieder zu machte. Zu gerne hätte Aiden Jane gefragt, ob sie bei ihm bleiben würde, wenn er schlief, aber dann würde sie ihn wohl nur wieder so irritiert anschauen, und ganz so benebelt war er dann doch nicht mehr. In dem Moment waren auf dem Flur Geräusche zu hören, und Jane stand auf. "Du bleibst brav im Bett und ruhst dich aus. Ich rede mit meiner Mutter. Sie wird dich nachher untersuchen und dir bestimmt zwei oder drei Konserven besorgen", wies sie ihn streng an, ehe sie aus dem Zimmer verschwand, um mit der Ärztin zu frühstücken. Aiden lächelte seiner Krankenschwester nach, spielte kurz mit dem Gedanken, noch einen Fluchtversuch zu unternehmen, ließ es dann aber bleiben und lehnte sich zurück ins Bett. Keine zwei Minuten später schlief er bereits wieder. Die Rückkehr der Hausdamen weckte ihn wieder, und Aiden wollte sich aus reflexartiger Höflichkeit aufsetzen, wurde aber sofort wieder zurückgepfiffen. Seufzend tat er, was die Ladies wollten und ließ die doch recht peinliche Untersuchung über sich ergehen. Er vertraute vollkommen darauf, dass Elizabeth eine professionelle, kompetente Ärztin war, aber sie war eine Frau, und sich derart von ihr examinieren zu lassen, war einfach peinlich. Er ließ es jedoch mit sich machen - Groß dagegen wehren hätte er sich im Moment sowieso nicht können. „Wie werden Vampire eigentlich krank?“, erkundigte Elizabeth sich voll professioneller Neugierde, und auch Jane trat interessiert einen Schritt näher. Aiden war ganz froh, reden zu können, statt unter der ungeteilten Aufmerksamkeit seiner Gastgeberinnen im Bett zu liegen, obwohl sein Hals beim Sprechen schmerzte. „Im Allgemeinen ist unser Organismus ziemlich resistent.“ Er sah Jane milde an, die angesichts seines momentanen Zustandes ungläubig schnaubte. „Ja, das ist das Trickreiche bei der Sache: Wir werden zwar so gut wie nie krank, aber wenn, dann richtig, weil wir keinerlei körperliche Abwehrfunktionen haben wie beispielsweise ihr Menschen.“ „Und… Wie genau werdet ihr dann krank?“, bohrte die Ärztin nach. „Durch Blut“, antwortete Aiden leicht wiederwillig. Er sprach mit den Frauen wirklich nicht gerne über seine Ernährung. „Normalerweise riechen wir, wenn unsere Beute krank ist, und lassen die Finger von ihr, aber es kommt vor, dass wir abgelenkt sind, oder so durstig, dass wir nicht nachdenken können, oder…“ Er warf Jane einen Blick zu und verstummte. Ein weiterer Grund, aus dem Vampire verunreinigtes Blut zu sich nahmen, war, dass dieses Blut eine besonders starke Wirkung auf sie hatte und sie ihre Prinzipien darüber vergaßen. Doch angesichts der Tatsache, dass er der Vampirjägerin gestanden hatte, dass sie so eine Wirkung auf ihn hatte, wollte Aiden lieber nicht davon anfangen. „Das heißt…“, überlegte Elizabeth, die ihre Utensilien einpackte, da sie scheinbar fertig war. „Das Blut eines Kranken ist so eine Art Gift für euch?“ Als Aiden nickte, sah sie ihn neugierig an. „Wie interessant… Jedenfalls würde ich anhand deiner Symptome darauf schließen, dass dein... Uhm, deine Beute die Grippe hatte. Momentan verschreibe ich dir mindestens für die nächsten vier bis fünf Tage Bettruhe. Da ich aber nicht weiß, welche Auswirkungen das Blut auf deinen Organismus hat, werde ich dich nachher erneut untersuchen müssen, um eine präzisere Prognose machen zu können", sprach Elizabeth und stand auf, während Jane daneben nur schwer seufzte. Immerhin hieß das, dass er den Flug sehr wahrscheinlich wieder verpassen würde – sie wusste ja nicht, dass ihr Patient sowieso nicht vorhatte, London zu verlassen. Während Elizabeth sich bei Aiden erkundigte, ob er noch andere Dinge benötigte, wechselte die Jüngere das Wasser in der Schüssel und das Tuch, welches sie danach wieder angefeuchtet auf die Stirn ihres Mitbewohners legte. Nachdem sie das getan hatte, stellte sie die Fernbedienung und einige Bücher auf seinem Nachttisch ab, die er lesen konnte. Die Sparte reichte von kitschigen Liebesromanen bis hin zu Thriller und Horror - irgendetwas würde er sicher finden. "Das ist wirklich übertrieben. Heute Abend geht es mir bestimmt schon besser", behauptete er, ganz der klassische, sich selbst überschätzende Patient. Die McCollins-Frauen waren davon aber wohl wenig beeindruckt, und Elizabeth machte sich kurz darauf ohne große Diskussionen auf den Weg. Da sah man wohl doch, woher ihre Tochter es hatte... "Brauchst du sonst noch etwas?", wollte die Vampirjägerin schließlich wissen, nachdem ihre Mutter das Zimmer wieder verlassen hatte. "Welches kannst du denn empfehlen?", fragte er, ziemlich sicher, dass er jetzt nicht lesen würde, aber doch dankbar, dass sie daran gedacht hatte. Als sie ein Urteil abgegeben hatte, sah er auf ihre Hände und fragte leise: "Musst du weg...?", was ja indirekt hieß: ´Kannst du nicht bleiben?` Das hätte er unter normalen Umständen nie gefragt, aber ihre Gegenwart beruhigte ihn und gerade war er sich nicht mal bewusst, wie bedürftig er sich eigentlich gab. Ein winziges, mitfühlendes Schmunzeln schlich sich auf Janes Lippen. "Nein. Ich wollte mich heute Zuhause um gewisse Dinge kümmern", erklärte die Hobby-Krankenschwester, ehe sie zur Tür schritt und nach draußen verschwand. Nach gut zwei Minuten tauchte sie aber wieder mit ihrem Laptop und ein paar Mappen auf, die sie auf den Schreibtisch ablegte, welcher wenige Meter vom Bett entfernt stand. Von der Stelle aus konnte sie den kränkelnden Vampir im Auge behalten, sich mit ihm unterhalten und gleichzeitig in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen. "Warst du als ... Vampir schon mal krank?, wollte die junge Frau wissen, als sie den Computer hochfuhr und zu tippen begann. Strahlend kuschelte sich der Patient in die Kissen, als er antwortete: "Drei Mal, ja. Das erste Mal relativ bald, nachdem ich verwandelt wurde, weil ich nicht wusste, dass ich überhaupt krank werden kann.“ „Hatte es irgendwelche Nachwirkungen?" Diese Frage war da schon unangenehmer, und er zögerte eine Weile, bevor er sie beantwortete. "Ich konnte eine Weile nicht jagen, deshalb war es… Recht unschön, als ich wieder getrunken habe", sagte er schließlich leise und mit abgewandtem Kopf. Sie hatte ja vor, ihn zu ´füttern`, also musste man sich in der Hinsicht keine Sorgen machen, aber ihr das verheimlichen wäre ihm falsch vorgekommen. Er blätterte ein wenig durch das Buch, das er zuvor auf seinen Schoß gelegt hatte, ohne wirkliche Intention oder Motivation, etwas zu lesen. Seine Aufmerksamkeit glitt recht schnell wieder ab, als Jane ihn ansprach. "Und warst du damals bereits schon so... bedürftig?", fügte sie mit einem kleinen Schmunzeln hinzu und ohne vom Bildschirm aufzusehen. Verlegen klappte er das Buch zu und legte es wieder weg und fuhr sich über die Stirn, die sich ziemlich klamm anfühlte. "Ich hatte niemanden, der sich meine Bedürfnisse anhören konnte, also nein. Aber tut mir leid, dass ich dich damit jetzt auch noch nerve", murmelte er leise und rutschte tiefer in die Kissen. "Ich... Ich schlaf jetzt ein bisschen", fügte er hinzu, demonstrativ die Augen schließend, damit er sie nicht mehr sehen musste. Wenn er wieder bei Sinnen war, würde er wahrscheinlich so manches bereuen, das er ihr gerade gesagt hatte - Die Bitte zu bleiben auf jeden Fall. Eigentlich hatte er schon zu viel geschlafen für seine Verhältnisse, außerdem dachte er nach wie vor darüber nach, dass sie ihn ´bedürftig` genannt hatte, etwas, mit dem er sich weder identifizieren wollte noch konnte. Er kam sehr gut alleine zurecht und wollte ihr nicht zur Last fallen, und trotzdem hörte er, wie sie beim Arbeiten extra in seiner Nähe blieb, nur, weil er gejammert hatte. Es dauerte eine Weile, bis er wieder schlafen konnte, obwohl er es eigentlich dringend nötig gehabt hätte. Wegen des Fiebers hatte der Vampir einen sehr unruhigen Schlaf und äußerst wirre Träume. Wenn er aufwachte, wusste er nicht mehr, worum es gegangen war, aber es beunruhigte ihn so, dass er irgendwann gar nicht mehr schlafen wollte. Gegen seinen geschwächten Körper hatte er jedoch keine Chance, sodass er einfach mit den seltsamen Visionen leben musste. Dadurch hatte er aber einen leichten Schlaf, aus dem er hochschreckte, als er hörte, wie Jane aufstand. "Wo gehst du hin?", fragte er ungeachtet der Verlegenheit, die seine eigene Bedürftigkeit ihm vorhin noch eingebrockt hatte. Als Jane es ihm erklärte, setzte Aiden sich sofort auf und wollte die Beine aus dem Bett schwingen. "Ich komme mit", sagte er mürrisch, doch sie wies ihn direkt in die Schranken. "Bleib liegen und ruh dich weiter aus. Ich bin in spätestens in zwei Stunden wieder da und es wird Nichts geschehen. Immerhin laufen dort ein paar Dutzend Polizisten herum und Gabe ist mit von der Partie", sprach die Jägerin auf ihn ein, ehe sie wieder zur Tür schritt. Jedoch sah sie ihn noch einmal mit einem strengen Blick an bevor sie gänzlich nach draußen verschwand. Endlich blieb Aiden widerwillig sitzen. Im Moment wäre er wohl sowieso nur eine Belastung für sie, und er wollte auf keinen Fall, dass Gabriel ihn nochmal tragen musste. Igitt. Abgesehen davon störte ihn die Tatsache, dass der Werwolf ihn so schwach gesehen hatte. Vor Jane war ihm das schon unangenehm, aber vor jemanden, den er so wenig leiden konnte in einer derart verletzlichen Position gewesen zu sein, setzte ihm zu. Und jetzt war Jane alleine mit ihm und womöglich in Gefahr. Während sie weg war, wachte der Patienten alle paar Minuten aus unruhigem Schlaf, er las immer wieder dieselbe Stelle seines Buches, ohne sie zu verstehen, und die Begleitgeräusche des Fernsehers konnte er kaum ertragen. Seine Nervosität rührte sicher daher, dass er es nicht gewohnt war, so lange stillzusitzen, und das Fieber trug zu seinen wirren Gedankengängen bei. Alles in Allem führte das dazu, dass er sich Horrorphantasien von seiner Krankenschwester ausmalte, die verwundet in dem Lagerhaus lag und niemand half ihr. Er war erschöpft, als sie nur knapp zwei Stunden später zurückkehrte. Als er hörte, wie sie das Haus betrat, wollte er sofort wieder aufstehen, doch dabei war er zu schnell und ihm wurde schlecht und schwindelig. So kam es, dass er völlig verkrampft an der Kante des Bettes saß, als wenig später seine Krankenschwester das Zimmer betrat. Mit einem Blick registrierte ihr Pflegling, dass sie ok war, und er lächelte sie so erleichtert an, als wäre sie gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden. Kommentarlos drückte sie ihm ein Glas voll Blut in die Hand, das er mit einem leicht verwirrten: "Oh... Danke", annahm. Darin schwamm ein Strohhalm, über den er ein wenig schmunzeln musste, aber weil Jane ihn ihm gegeben hatte, benutzte Aiden die Trinkhilfe. "Soll ich raus?", wollte Jane von ihm wissen, als er schon angefangen hatte zu trinken. "Hn...?", machte Aiden verwirrt, bevor ihm seine üblichen Ressentiments einfielen und er das Glas verlegen sinken ließ. "Entschuldige... Du findest das sicher ekelhaft, oder?", murmelte er, wobei er sich eigentlich mehr auf Gabriels Reaktion und seine eigenen Sorgen bezog als auf sichtbare Ablehnung durch Jane. "Nein. Ich finde es nicht ekelhaft", versicherte sie ihrem Gegenüber ehrlich. "Ich selbst kann mir zwar nicht vorstellen, wie das schmecken soll, aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten - vor allem dann, wenn man nicht Teil der gleichen Rasse ist“, erklärte sie mit einem kleinen, für Aiden überraschenden, Schmunzeln. Es erleichterte ihn, dass sie seine Ernährungsweise nicht widerlich fand, immerhin konnte er nichts daran ändern, selbst, wenn er es gewollt hätte. "Na ja, es schmeckt... Nicht unangenehm, würde ich sagen", meinte er, wobei er tatsächlich ein wenig darüber nachdenken musste. Beim Trinken war es nicht wirklich das Geschmackserlebnis, auf das es ankam. "Aber man tut es nicht aus Genuss, sondern aus der Notwendigkeit heraus... Zumindest ich sehe das so, anderen geht es da vielleicht anders", gab er schulterzuckend zu. Er hatte sogar schon mal davon gehört, dass jemand Menschen speziell fütterte, um ihnen diesen oder jenen Geschmack zu verleihen, aber derartige Experimente hielt er für abstoßend. "Eigentlich ist das ein ziemlicher Verlust. Ich weiß zum Beispiel nicht mal, wie deine Lieblingsspeise schmeckt", fügte er hinzu, da er ja generell nicht wusste, wie menschliche Nahrung schmeckte. Früher hatte ihn das nicht interessiert, und während des letzten Jahres hatte er nicht darüber nachgedacht, doch jetzt keimte wieder Neugierde in ihm auf. "Aber im Moment würde ich wahrscheinlich nicht mal was schmecken", fiel ihm dann auf, immerhin war seine Nase völlig verstopft. "Nicht unangenehm?", wiederholte die junge Frau etwas verwirrt. Da Essen für Menschen im Normalfall sowohl ein Genuss- als auch ein Selbsterhaltungsprozess war, war es für Jane wohl schwer nachzuvollziehen, aber wenn er trank, übernahmen bei ihm die tierischen Instinkte. "Jaa… Na ja, du kannst es dir vielleicht wie bei… Einem Löwen vorstellen. Der frisst die Gazelle ja auch nicht, weil sie ihm besonders gut schmeckt, sondern um überhaupt etwas zu fressen", versuchte er, es zu verdeutlichen, obwohl der Vergleich vielleicht etwas hinkte, weil er ja immerhin ein denkendes Wesen war - Wenn auch beim Trinken deutlich eingeschränkter Weise. "Natürlich riecht ihr anders und schmeckt auch unterschiedlich, aber es ist nicht so, als wären… Asiaten irgendwie… Schmackhafter als Schwarze", erklärte er unbeholfen, weil ihm das Thema immer noch unangenehm war. Jane nickte langsam, meinte dann aber: „Trinkst du jetzt oder soll ich rausgehen?“, woraufhin der Vampir folgsam einen Schluck nahm. Danach fühlte er sich tatsächlich ein wenig besser und fragte, wie Janes Recherchen verlaufen waren. Während sie erzählte, was passiert war, trank Aiden sein Glas leer. "Wie erwartet war nicht wirklich etwas zu finden. Die Ermittlungsarbeiten haben bereits begonnen und dementsprechend konnten wir nur mit den Wachleuten sprechen und einige Kunststücke inspizieren. Gabe wird morgen wahrscheinlich eine kleine Runde im Anwesen drehen", klärte sie ihn sichtlich frustriert auf und lehnte sich seufzend zurück. "Ich denke, im Anwesen ist die Wahrscheinlichkeit, etwas zu finden, größer. Vielleicht kann Gabe der Spur sogar folgen. Ich glaube, der Einbrecher war nochmal dort, um ein paar seiner Schätze zu bergen", erzählte er, während er sorgfältig das Glas wegstellte und sich wieder unter seine Decke legte. "Wie fühlst du dich?", fragte sie Aiden, nachdem sie seinen Vorschlag mit einem Nicken bestätigt hatte. Dabei musterte sie ihn von Kopf bis Fuß und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. "Gut", log er, inzwischen schon mechanisch und mit einem genauso unglaubwürdigen wie breiten Grinsen. "Ich hab auch echt ewig geschlafen.“ "Ach ja? Du siehst aber bei näherer Betrachtung schlimmer aus, als vor gut zwei Stunden. Ist das Fieber vielleicht wieder hochgegangen?", wollte die Hobby-Krankenschwester wissen, die sich anschließend erhob und erneut ihre Hand auf seine Stirn legte. Automatisch zuckte er leicht zurück und das frisch getrunkene Blut stieg ihm sehr deutlich ins Gesicht. "Nach dem Trinken müsste es eigentlich besser sein…", murmelte er, nicht sicher, wo er hinsehen sollte. Er wusste ja nicht, wie er aussah, deswegen konnte er nicht beurteilen, ob es jetzt an der Krankheit selbst oder der damit einhergehenden Übermüdung lag. Wie spät ist es eigentlich?" In seinem Zimmer war keine Uhr - Wieso auch, es war ja normalerweise nicht genutzt - Und sein Handy-Akku hatte inzwischen den Geist aufgegeben, aber er hatte keine Muse dazu gehabt, es zu laden. "Es ist gleich halb sieben. Ich gehe also gleich runter fürs Abendessen. Danach wird dich meine Mutter erneut durchchecken", klärte sie ihn auf. Wie auf Stichwort konnte sie Elizabeths Stimme vernehmen, die nach ihr rief. "Sei brav und bleib liegen. Am besten, du versuchst ein wenig zu schlafen oder zumindest zu dösen“, wies Jane Aiden an, ehe sie durch die Tür verschwand und das Abendessen zu sich nahm. Er war ein wenig enttäuscht, als sie ihn alleine ließ, nickte diesmal aber artig und blieb im Bett. Immerhin war sie nur beim Abendessen, da konnte ihr nichts passieren. Mit diesem beruhigenden Gedanken schlief er tatsächlich wieder ein und wachte erst auf, als Ärztin samt zugehöriger Krankenschwester zurückkehrten. Die ältere der beiden untersuchte den kränkelnden Vampir die Jüngere holte ihre Sachen, um diese wieder in ihr Zimmer zu verfrachten. Da sich sein Zustand in Elizabeths Augen im Moment nur ein klein wenig verbessert hatte, änderte sie ihre Diagnose nicht, sondern ordnete ihm weiterhin Bettruhe an. "Brauchst du noch etwas? Wenn nicht, würde ich mich zurückziehen und dich schlafen lassen. Zur Sicherheit lasse ich aber die Tür über Nacht offen, so dass du rufen kannst, wenn etwas sein sollte", meinte die Jägerin an ihren Mitbewohner gewandt. Zwar wäre es ihm lieber gewesen, wenn Jane noch etwas geblieben wäre, aber er sah ein, dass er sie nicht den ganzen Tag beanspruchen konnte, also lächelte er sie nur an. Dabei fiel sein Blick jedoch auf ihre Armbanduhr und es riss ihn fast, als er sah, wie spät es schon war. Verdammt, an seinen Besichtigungstermin für eine mögliche Wohnung hatte er vorhin, als er sie nach der Uhrzeit gefragt hatte, gar nicht gedacht, und jetzt war es schon fast zu spät! Nach dem Trinken ging es ihm zumindest soweit besser, dass er sich problemlos aufsetzen konnte. "Ich muss weg", erklärte er auf Janes verwirrten und etwas genervten Blick entschuldigend. "Es ist wirklich dringend. Es geht um… Meine Abreise", lenkte er ein, da er gerade wirklich nicht bereit war für die Diskussion, ob er bleiben ´durfte`. Jedoch hatte er mit dem Aufstehen selbst seine Kräfte deutlich überschätzt und ihm wurde wieder schwindelig, sodass er, als er kaum einen Schritt gemacht hatte, neben den Sessel sank, der noch immer an seinem Bett stand. In seinem Kopf war das fixe Bild entstanden, dass er weg musste, aber er schaffte es einfach nicht. "Um Himmelswillen, was ist denn so schlimm daran, etwa vier bis fünf Tage im Bett zu liegen? In der Ewigkeit, die du Zeit hast, müsste das doch machbar und vergleichsweise kaum eine Sekunde sein", schimpfte die Vampirjägerin. "Das hat damit nichts zu tun, und du müsstest es eigentlich verstehen. Immerhin hast du auch kaum Ruhe gegeben, als du dir die Rippe geprellt hast", erinnerte Aiden sie sanft. Er blieb ja im Bett, wie sie es wollte, und dagegen, dass er wegen einer Mischung aus Fieber, Langeweile und gleichzeitiger Erschöpfung etwas überdreht war, konnte er halt nichts ändern. Durch das Blut fühlte er sich tatsächlich schon besser, was wohl dazu beitrug, dass er wie sonst auch den Kasper machte. Dieser Übermut beförderte ihn jedoch nur in eine überaus unangenehme Position, nämlich kauernd zu Janes Füßen, die ihn äußerst grimmig anstarrte. Der Vampir lehnte an dem Stuhl und lächelte zu ihr auf, obwohl sein ganzer Körper von der Anstrengung, die er sich grade zugemutet hatte, zitterte. Er konnte jetzt hier nicht zusammenbrechen, er musste weg. Und wenn er langsam machte, würde er es bestimmt schaffen, obwohl ihm ehrlich gesagt schon vor der Treppe grauste. Und die würde er dann auch wieder hoch müssen, ugh… "Ich habe zwar kaum Ruhe gegeben, doch habe ich mich zumindest zurückgehalten und bin nicht am gleichen Tag wieder Purzelbäume schlagen gegangen", entgegnete die Jägerin augenverdrehend. Ich hab auch eine Purzelbäume geschlagen, sondern ganz brav hier gelegen, wie du es verlangt hast", erwiderte er ganz unschuldig und seine diversen Ausbruchsversuche gekonnt übergehend. "Dein unschuldiger Ton hilft dir auch nicht weiter, Mister. Wenn ich dich noch einmal dabei sehe, wie du versuchst, aufzustehen oder das Bett auf irgendeine Weise zu verlassen, werde ich dich wohl oder übel festketten müssen", sprach sie streng und mit einem drohenden Unterton. Als Aiden artig neben seinem Sessel sitzen blieb und zu ihr auf blinzelte, verdrehte sie genervt die Augen und holte tief Luft. "Hör zu… Ich weiß, ich habe dir Druck gemacht und gesagt, dass ich dich so bald wie möglich aus dem Haus haben möchte, aber ob es nun halt wieder eine Woche später ist als geplant, ist nicht weiter schlimm", versuchte die Brünette ihren Mitbewohner zu beruhigen. "Aber ich bin jetzt eh schon so lange hier. Ich will nicht noch länger stören", erklärte er, da man das ja sowohl auf seinen Auszug als auch auf seine Abreise beziehen konnte. Überrumpelt von ihrer Ansage, mit der er so gar nicht gerechnet hatte, ergriff Aiden Janes Hand, als sie ihn auf die Beine ziehen wollte. Dabei machten sich aber immer noch seine schwachen Beine bemerkbar, mit denen wohl auch die Jägerin nicht gerechnet hatte, und sie kippten gemeinsam um. Automatisch legte Aiden einen Arm um die junge Frau, um ihren Sturz etwas abzufedern, obwohl sie dabei auf dem Bett gelandet waren. "Alles ok? Entschuldige bitte", sagte er sofort, wobei er den Arm immer noch um sie gelegt hatte. "Huh? Oh. Nein, es war mein Fehler. Ich habe die Wucht unterschätzt", erwiderte die Brünette, bevor sie sich vorsichtig und langsam von ihm löste. Erst, als sie sich von seiner Brust löste, an die sie wohl reflexartig das Gesicht gedrückt hatte, und ihm dabei ihr Haar ins Gesicht fiel, bemerkte der Vampir, wie nah sie sich eigentlich waren. Mal wieder fiel ihm auf, wie hübsch sie eigentlich war, und er ließ sie abrupt los, wobei er hastig das Gesicht wegdrehte. Wie unpassend war das denn bitte? Vor allem, dass er ihr auch noch gerne das Haar aus den Augen gestrichen hätte, um sie besser ansehen zu können. Jane rappelte sich hoch und strich ihre Kleider zurecht, ehe sie sagte: "Was auch immer das für Vorbereitungen sind. Mach es, wenn du wieder fit bist. Alles andere wäre fahrlässig und bringt keinem etwas - weder dir, noch mir. Außerdem glaube ich nicht, dass du scharf darauf bist, von Gabe aufgegabelt zu werden, oder?" Aiden senkte den Kopf und sah auf die Füße seiner unfreiwilligen Gastgeberin. Sie hatte ja Recht. Wenn er jetzt Wohnungen ansah und dort zusammenklappte, würde er nur im Krankenhaus landen, und das hätte sicher einige unangenehme Fragen zur Folge. Ihre Erwähnung von Gabrieles kleinem Trageservice hatte noch zusätzlich die gewünschte Wirkung; Der Vampir verzog unwillig das Gesicht. "Na gut", stimmte er schließlich zu und legte sich wieder hin. "Es tut mir leid, dass ich euch noch länger hier belästige. Das war so wirklich nicht geplant…" Janes einzige Reaktion war ein knappes Nicken. Sie wartete noch kurz, bis er wieder brav und richtig im Bett lag, ehe sie dem Vampir die Fernbedienung reichte, ihm eine angenehme Nacht wünschte und sich zurückzog. Nachdem er alleine war, hatte er bei dem Makler angerufen und den Termin abgesagt. Danach rieb er sich entnervt über die Augen. Er hasste es, sich so schwach zu fühlen. Nicht nur, dass er den Frauen zur Last fiel, es störte ihn ganz persönlich, weil er es gewohnt war, dass sein Körper bedingungslos alles tat, was er ihm abverlangte, und jetzt konnte er noch nicht mal zur verdammten Tür gehen. Wiederwillig machte er es sich bequem, und dachte nur noch, dass er Jane bald – sehr bald! - sagen würde, dass er in London bliebe, bevor die Erschöpfung ihn einschlafen ließ. Kapitel 9: Karten auf den Tisch ------------------------------- Am nächsten Tag wurde die Jägerin durch das Klingeln ihres Weckers aus dem Schlaf gerissen, sodass sie sich direkt frisch machte, frühstückte und ihre Sachen zusammenpackte. Bevor sie allerdings zur Vorlesung aufbrach, klopfte sie kurz gegen die offene Tür des Gästezimmers und lehnte sich an den Türrahmen. "Guten Morgen", begrüßte sie Aiden, der noch ungefähr genauso kaputt und benommen aussah, wie am Vortag. "Ich werde jetzt zur Uni gehen. Sollte etwas sein, kannst du mich auf dem Handy erreichen. Ich habe es gestern aufgeladen und es auf den Nachttisch gestellt." "Schönen Tag", wünschte er ihr lächelnd, schon wieder möglichst unschuldig. Mit diesen Worten wandte sich die schwerreiche Studentin ab, um das Haus zu verlassen. Allerdings konnte sie es nicht unterlassen, kurz vor der Haustür stehen zu bleiben und nach oben zu rufen: "Bleib! Im! Bett!" Nachdem dies getan war, fuhr sie wie gewohnt zum King's College, wo Logan und die Clique bereits auf sie warteten. Über den Anblick ihres Liebsten freute sie sich heute ganz besonders, da sie sich das ganze Wochenende über nicht gesehen hatten, weil er nicht in der Stadt gewesen war. Daher fiel der Begrüßungskuss des Paares etwas inniger aus als gewöhnlich, und Jane lächelte ein wenig verlegen, als sie sich voneinander lösten. „Du… Hast mich wohl vermisst, oder…?“, fragte sie kess, was ihn zum Lachen brachte. „Natürlich.“ Hand in Hand machten sie sich auf den Weg zum Vorlesungssaal, wobei Logan von der Familienfeier erzählte, wegen der er die Stadt verlassen hatte. Es hatte sich wohl um eine lustige Gesellschaft gehandelt, und Jane hätte ihren Freund gerne begleitet, doch wollte sie zuerst die Angelegenheit mit dem Kunstdieb abschließen. Dass der Einbrecher trotz ihrer vereinten Kräfte von auf freiem Fuß war, wurmte sie. Sie warf es Aiden zwar nicht vor, dass er krank geworden war, doch war es ein ungünstiger Zeitpunkt, denn er war bei den Ermittlungen – trotz seiner Zankereien mit Gabriel – nützlich gewesen. „Schatz?“, riss Logan Jane aus ihren Überlegungen. Über ihren verdutzten Blick lächelnd strich er ihr über die Wange. „Alles in Ordnung? Du wirkst angespannt.“ Verlegen strich sie sich eine Strähne hinters Ohr. Jane mochte es, wie aufmerksam ihr Liebster war, doch in Angelegenheiten, in die sie ihn nicht einweihen konnte, hätte sie sich etwas weniger Verständigkeit auf seiner Seite gewünscht. Aber man konnte wohl nicht alles haben, dachte sie, und schmiegte sich an seine Seite. „Aiden ist krank und spielt zu Hause den sterbenden Schwan“, erklärte sie und verdrehte die Augen. Logan musterte sie aufmerksam, während Jane so tat, als folge sie dem Vortrag der Dozentin. „Es ist schon seltsam, dass er plötzlich wieder auftaucht, nachdem er ein Jahr lang einfach so verschwunden war…“, bemerkte der Brünette schließlich. „Na ja, du kennst ihn – er ist… Flatterhaft.“ „Mhm“, machte Logan, und Jane sah besorgt zu ihm auf. Doch obwohl er genau zu wissen schien, dass mehr hinter dieser Sache steckte, lächelte er seine Freundin an, anstatt beleidigt zu wirken. Er hauchte ihr sogar einen Kuss auf die Schläfe und flüsterte: „Sag mir nur Bescheid, wenn ich dir irgendwie helfen kann, in Ordnung?“ Und obwohl er ihr nicht helfen konnte, wenn er nicht zufällig einen Crashkurs im Vampirjagen absolvieren würde (was Jane unter keinen Umständen zulassen würde), nickte sie dankbar. Alleine sein Wille, für sie da zu sein, bedeutete der Jägerin viel. „Wenn etwas passiert, bist du der erste, der es erfährt“, versprach sie und küsste Logan. Danach lächelte das Paar sich nochmal an, bevor er sich doch lieber auf das Seminar konzentrierte. Sie verbrachten den Vormittag miteinander, allerdings trennten sich ihre Wege bereits am frühen Nachmittag, weil Jane nach zwei Vorlesungen nach Hause fahren konnte, während ihr Freund noch ein weiteres, einstündiges Seminar besuchte. Zuhause angekommen, verstaute sie zunächst ihre Sachen, ehe sie ins Gästezimmer schritt und sich nach Aiden erkundigte. Der wiegelte ihre Frage nach seinem Befinden jedoch recht schnell ab. Als er danach meinte, dass es ihm besser ging, nickte die Hobby-Krankenschwester und wollte gerade nachfragen, ob er etwas benötigte, als seine Züge diesen übertrieben unbehaglichen Gesichtsausdruck bekamen, den sie immer annahmen, wenn er um etwas bitten musste. Kurz blinzelte sie verblüfft, da sie nicht damit gerechnet hatte, doch nachdem sie kurz darüber nachgedacht hatte, erschien ihr das völlig natürlich und logisch. "Ich denke nicht, dass die Dusche eine gute Idee ist. Du bist sicher noch ziemlich wackelig auf den Beinen.", meinte die Brünette nach kurzem Zögern. "Ich lasse dir ein Bad ein. Bleib bloss liegen. Ich werde dir helfen, sobald die Badewanne voll ist." Mit diesen Worten wandte sie sich von ihm ab und ging direkt ins Badezimmer, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Nach wenigen Minuten war alles bereit, so dass sie wieder zum kränkelnden Vampir gehen konnte, um ihm auf die Beine zu helfen. Vorsichtig stützte sie ihn, indem sie seinen Arm um ihre Schulter und selbst einen Arm um ihn legte. Schließlich räuspere er sich. "Ähm... Könntest du mir ins Bad helfen? Ich hab´s vorhin alleine versucht... Jetzt schau nicht so, es geht mir wirklich besser. Aber der ganze Weg ist noch etwas weit und ich würde wirklich gerne duschen." Immerhin hatte er wegen des Fiebers geschwitzt und auch so konnte man nach zwei Tagen mal eine Dusche vertragen Kurz blinzelte sie verblüfft, da sie nicht damit gerechnet hatte. Über seine Körperpflege hatte sie sich noch nie Gedanken gemacht. Doch nachdem sie kurz darüber nachgedacht hatte, erschien ihr das völlig natürlich und logisch. Immerhin lag er bereits seit zwei Tagen im Bett. "Ich denke nicht, dass die Dusche eine gute Idee ist. Du bist sicher noch ziemlich wackelig auf den Beinen", meinte die Brünette nach kurzem Zögern. "Ich lasse dir ein Bad ein. Bleib bloß liegen. Ich werde dir helfen, sobald die Badewanne voll ist." Mit diesen Worten wandte sie sich von ihm ab und ging ins Badezimmer, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Nach wenigen Minuten war alles bereit, sodass sie wieder zum kränkelnden Vampir gehen konnte, um ihm auf die Beine zu helfen. Vorsichtig stützte sie ihn, indem sie seinen Arm um ihre Schulter und selbst einen Arm um ihn legte. "Sag Bescheid, wenn dir schwindelig wird oder du das Gefühl hast, einzuknicken", wies die junge Frau ihn an und tapste langsam mit ihm ins Badezimmer, aus dem weißer Dunst austrat. Dort angekommen, setzte sie ihn vorerst auf einem Stuhl ab und beugte sich zu ihm runter. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, griff sie nach seinem Hemd, um dieses aufknöpfen zu können. Sofort rutschte er auf seinem Stuhl von ihr weg und fing ihre Hände ein, um sie festzuhalten. "Wa-Was machst du denn...?", fragte er verlegen Seine Proteste machten die Sache nicht unbedingt einfacher, weshalb sie leise schnaubend von ihm abließ und ihn mit verschränkten Armen ansah. "Jetzt hab dich doch nicht so! Ich wollte dir lediglich mit den Knöpfen helfen. So eingeschränkt wie du dich momentan bewegen kannst, wird es eine Ewigkeit dauern, bis du dich ausgezogen hast!", schnaubte Jane. "Das kann ich sehr gut alleine, danke...", nuschelte er auf ihre Erklärung hin. Als sie wieder nach seinem Hemd griff, seufzte er erschöpft. "Jetzt lass doch..." Als sie wieder nach seinem Hemd griff, seufzte er erschöpft: "Jetzt lass doch...", doch es hatte keinen Zweck: Schon war das Hemd aufgeknöpft und es landete im Wäschekorb. Im Gegensatz zu ihrem Patienten hatte die Brünette nun wirklich keine Probleme damit, ihn halbnackt zu sehen und ihm beim Ausziehen zu helfen. Hätte er sich nicht so angestellt, dann hätte sie ihm wahrscheinlich sogar noch bei seiner Hose geholfen. Da dies allerdings zu viel des Guten zu sein schien, unterließ sie es. Dennoch blieb sie im Badezimmer - natürlich mit dem Rücken zu ihm gewandt - und wartete, bis er fertig war. Natürlich konnte sie nachvollziehen, das es für ihn ein bisschen unangenehm war, doch waren beide Parteien erwachsen und wussten von der Anatomie des anderen Geschlechts Bescheid. Demnach hätte es die junge Frau es lediglich aus Stolz nicht zugelassen, sich helfen zu lassen, wenn sie in seiner Situation gewesen wäre. "Die paar Schritte schaffe ich schon. Danke, dass du mir helfen willst", sagte der Vampir diesmal bedeutend sanfter. "Okay. Falls noch was sein sollte: Ich lasse meine Zimmertür offen. Du kannst also jederzeit rufen", teilte sie ihrem Mitbewohner mit, ehe sie verschwand und ihm den privaten Freiraum in der Badewanne gewährte. Während es sich ihr Mitbewohner gemütlich machte, begann Jane mit ihrer täglichen Revision und Vorarbeiten des Unistoffes, wobei sie sich danach wieder ihrem Nebenjob als Vampirjägerin widmete, indem sie die zirkeleigene Homepage besuchte und diese nach weiteren Informationen durchstöberte. Sie blätterte ein wenig in den Akten, notierte sich die wichtigsten Dinge und musste wenig später leider frustriert feststellen, dass sie genauso weit war, wie zu dem Zeitpunkt, als Gabe und Aiden die Musikschatulle zurückgebracht hatten. Wie konnte es sein, dass so ein auffälliger und prägnant riechender Verrückter unentdeckt blieb? Entweder, er wusste sich gut zu verstecken oder aber, er hatte sein Erscheinungsbild und Duftwasser geändert - Letzteres war wirklich zu hoffen. Ihr Blick schweifte nach einer Weile zur Uhr, sodass sie realisierte, dass ihr persönlicher Patient schon ziemlich lange in der Badewanne lag und keinen hörbaren Ton von sich gegeben hatte. Ob er womöglich wieder auf eigene Faust aufgestanden war? Leise seufzend erhob sich die junge Frau von ihrem Schreibtischstuhl und begab sich Richtung Badzimmer. Jedoch fand sie Aiden kurz darauf halbnackt und nur mit einem umgebundenen Handtuch gegen die Flurwand gelehnt. Für einen kurzen Moment hielt sie inne, stutzte und blinzelte ein paar Mal. Immerhin ließ selbst sie so ein Anblick nicht kalt. Wie konnte es auch? Die Konturen seiner Muskeln waren gut (keineswegs aber zu übertrieben) erkennbar, zeugten von Stärke und Männlichkeit und das Wasser, welches teilweise noch in Form von Tropfen an seiner Haut haftete, trugen deutlich zur Attraktivität bei. Nichtsdestotrotz riss sich Jane relativ schnell am Riemen, räusperte sich kurz und blickte ihn streng tadelnd an. "Alles Bestens", versicherte der an die Flurwand gelehnte Hausgast mit einem nicht gerade überzeugenden Lächeln. "Ja. Es sieht ja auch alles bestens aus", merkte sie mit einem ironischen Unterton an, bevor sie auf ihn zuging und ihm wieder in das Gästezimmer half. Dort angekommen wartete sie, bis er sicher auf dem Bett saß und drückte ihm ein paar frische Klamotten in die Hände. Dabei fiel ihr auf, dass es sich um ein paar Kleidungsstücke handelte, die sie vor einem Jahr auf der gemeinsamen Shoppingtour gekauft hatten. Die Erinnerungen führten dazu, dass ihre Mundwinkel leicht zuckten und sie etwas gedankenverloren auf die Garderobe ihres Gegenübers blickte. Erst, als sie seine Stimme – oder besser: sein Gejammer - vernahm, blinzelte die Hobby-Krankenschwester kurz und blickte zu ihm auf, als er jammerte: "Mir ist langweilig hier drinnen. Und ich will nicht mehr im Bett liegen." Seufzend fuhr sie sich durch die Haare. Wieso waren sich in der Hinsicht alle Männer bloß so ähnlich? Wieso konnten sie nicht einfach still und brav das Bett hüten, anstatt zu lamentieren und sich teilweise wie kleine Kinder zu benehmen? "Solange du noch nicht einigermaßen wieder Herr deiner Kräfte bist, musst du wohl oder übel hier ausharren", meinte sie schlicht und wandte sich kurz von ihm ab, damit er sich in Ruhe und unbeobachtet anziehen konnte. "Von mir aus könntest du ein bisschen im Haus herumspazieren, doch die Gefahr, dass die möglicherweise die Treppe runterfällst und dir vielleicht etwas brichst oder verstauchst, ist zu groß. Ich glaube kaum, dass du noch weitere Tage deswegen im Bett verbringen willst, oder?" Kaum hatte die Vampirjägerin die Worte gesprochen, war sie wieder an ihn herangetreten, hatte ihn an den Schultern gepackt und zurück ins Bett gedrückt. Sie schnappte die Bettdecke und zog sie über ihn, ehe sie sich wieder aufrichtete und die Arme vor der Brust verschränkte. "Sei also brav und bleib im Bett. Du kannst ohnehin Nichts daran ändern und ich möchte, ehrlich gesagt, nicht noch länger die Krankenschwester spielen", fuhr sie mit ihrer Belehrung fort und deutete mit einer kurzen Kopfneigung Richtung Nachttisch, auf dem die Bücher, Fernbedienung und das Blut lag. "Du hast ja noch genug Lesestoff und im Fernsehen läuft bestimmt der eine oder andere gute Film, den du dir ansehen könntest. Wenn du dann brav das Blut zu dir nimmst, wird sich deine Aufenthaltsdauer im Bett sicher verkürzen." Der derart Verstaute sah sie erst etwas perplex, dann mit einem zunehmend breiteren Schmunzeln an. "Ist ja gut. Ich habe doch auf dich gewartet, bevor ich aufgestanden bin, oder?", sagte er mit ergeben erhobenen Händen. Nachdem sich die schwerreiche Wirtschaftsstudentin sicher war, dass Aiden nicht erneut einen Versuch wagte, um aufzustehen, ging sie zur Tür, um wieder auf ihr Zimmer zu gehen. Jedoch hielt sie noch einmal kurz inne und drehte sich mit folgenden Worten zu ihm: "Meine Drohung mit dem Festketten steht noch. Allerdings würde ich diesmal sogar so weit gehen und alleine mit Gabe zum Anwesen losziehen, wenn du nicht still hältst." Um den Inhalt und Ernst ihrer Worte zu verdeutlichen, blickte Jane ihn streng und mit leicht verengten Augen an. Ihre Drohung löste seine Belustigung prompt auf und der Vampir setzte sich hin. "Das würde er nicht machen. Zwar hatte ihr persönlicher Patient damit Recht, da ihr bester Freund wahrscheinlich eher widerwillig alleine mit der verletzten Jägerin aufbrechen würde, doch da diese sehr durchsetzungsfähig war und wusste, welche Knöpfe sie bei ihm drücken musste, wäre das Resultat das, welches sie erwähnt hatte: Sie würden losziehen. Da der Vampir sich allerdings in den folgenden Tagen sehr gut schlug und sich wirklich an ihren 'Befehl' hielt, indem er sich hauptsächlich im Bett aufhielt, waren solche drastischen Maßnahmen nicht nötig. Dadurch hatte sich sein Zustand verbessert und wenn er nicht gerade versuchte, die Treppen runterzugehen oder aus Verzweiflung und Langeweile aus dem Fenster zu springen, konnte nichts Schlimmes geschehen. Dementsprechend vergingen die nächsten drei Tage sehr ruhig und die junge Frau konnte sich um die Universität und den Informationen bezüglich des verrückten Antiquitäten-Vampirs kümmern, dessen Spur sie jedoch einfach nicht finden konnte. Das war eigentlich kein Wunder, wenn man bedachte, wie gut er sich wohl im Untergrund und auf der Schwarzmarkt-Szene auskannte. Entsprechend mies gelaunt saß Jane einige Tage später am Tisch und aß ein wenig von ihrem selbstgemachten Nudelauflauf. Mitten in dieser Stimmung erschien ihr Mitbewohner deutlich fitter in der Küche und unterbreitete ihr einen Vorschlag, bei dem sich ihr Gemüt ein bisschen erhellte: "Wir könnten ankündigen, etwas aus dem Anwesen zu stehlen oder zu zerstören - Ich bin sicher, er würde seine Schätze beschützen wollen. Oder wir stehlen es und versuchen, es zu verkaufen, aber das könnte schwierig werden." "Gute Idee", meinte die Brünette und nippte an ihrem Wasserglas, ehe sie sich eine weitere volle Gabel in den Mund führte. Das war zwar mal wieder einer der Vorschläge, den sie Aiden in seiner Brutalität und Hinterlistigkeit nicht zugetraut hätte, doch ihr gefiel der Ansatz. "Ich würde sagen, dass wir einen 'offiziellen' Räumungsauftrag an die Adresse schicken. Darin könnten wir behaupten, dass wir die Güter im Anwesen aufgrund der Beweislage einsammeln und an den Staat oder die entsprechenden Besitzer zurückgeben." Das Ganze klang zwar nach ziemlicher Arbeit und Dokumentenfälschung, doch da die Regierung selbst im Zirkel die Finger im Spiel hatte, wäre das kein Problem. Außerdem existierten genug Computer und Technikfreaks in der unterirdischen Stadt, die einen Räumungsauftrag so gut fälschen konnten, dass selbst gewisse hochrangige Beamte diese nicht von den Originalen unterscheiden konnten. "Ich werde heute nach den Vorlesungen im Zirkel vorbeisehen und den Auftrag für die Papiere einsenden", erläuterte die Wirtschaftsstudentin ihr weiteres Vorgehen, bevor sie aufstand und das Geschirr abräumte. "Bis wir die entsprechenden Dokumente haben, könnte es zwei oder drei Tage dauern - je nachdem, wie viel dort unten ansteht. Wir müssen bis dahin wohl oder übel unsere Füße still halten." Im Normalfall hätte Jane wahrscheinlich einige Hebel in Gang gesetzt, um die Räumungspapiere schneller zu kriegen, doch Anbetracht eines speziell bevorstehenden Tages und Aidens noch nicht hundertprozentiger Genesung, wäre es besser, ein oder zwei Tage länger zu warten. "Willst du den Verrückten nicht mehr schnappen oder wieso legen wir nicht gleich los?", fragte er ein wenig enttäuscht. Irgendwie hatte die junge Frau damit gerechnet, dass ihr Mitbewohner ihr diese Frage stellen würde. Schließlich war sie nicht für ihre Geduld bekannt und hatte in seiner Gegenwart immer deutlich gezeigt, dass sie Vorgänge beschleunigte, wenn sie konnte. Von daher war die Brünette keineswegs überrascht. "Aufgrund gewisser Umstände habe ich... anderweitige Pläne. Wir könnten frühestens Sonntag loslegen", antwortete sie eher etwas ausweichen und ungewohnt unklar. Allerdings war es nicht ihre Art, frei heraus zu sagen, dass sie am Wochenende Geburtstag hatte. Sie empfand so etwas als eher dreist. Zudem wollte Jane nicht, dass er sich womöglich verpflichtet fühlte, ihr etwas zu schenken. Sie erinnerte sich an den Besuch im Freizeitpark von vor einem Jahr, schob den Gedanken aber rasch beiseite. Die momentane Situation war anders als die damalige, und wenn Aiden sich nicht an ihren Ehrentag erinnerte, würde sie es ihm nicht auf die Nase binden. Außerdem würde sie ohnehin mit ihrer Mutter beim Mittagessen feiern und am späteren Abend mit ihren Freunden unterwegs sein und eine von Kates ausgefallenen Partys besuchen. Selbstverständlich konnte sie den Vampir mitnehmen, doch er konnte keine menschliche Nahrung zu sich nehmen und was ihre Beziehung anging... nun, es war nicht unbedingt klar und sie konnte nicht wirklich einschätzen, ob es eine gute Idee war, ihn in ihre Pläne bezüglich ihres Geburtstages miteinzubeziehen. Zwar sah Aiden nicht begeistert aus, doch er akzeptierte die Erklärung mit einem Nicken. Etwas anderes hätte sie sowieso nicht geduldet, immerhin war das ganze ihre Mission. "Übrigens, wie sehen deine Pläne in der nächsten Zeit eigentlich aus?", wollte sie von ihrem Mitbewohner wissen, nachdem sie den Tisch abgewischt hatte und sich daran machte, ihre Tasche zu schultern. Als Aiden auf ihre Frage hin kurz zögerte, runzelte die junge Frau die Stirn. Eigentlich hatte sie nur wissen wollen, was er bis zur Abreise vorhatte und wie er sich bis dahin beschäftigen wollte. Doch Aiden wirkte plötzlich äußerst unbehaglich, straffte die Schultern und sah sie fest an, als er sagte: "Ich habe beschlossen, vorerst in London zu bleiben... Aber keine Angst, nicht in eurem Haus. Ich bin schon dabei, mir eine Wohnung zu suchen... Beziehungsweise hätte ich das getan, wenn ich nicht krank geworden wäre", fügte er reumütig hinzu. Jane konnte für den Moment nichts tun, als ihn verblüfft anzusehen und in ihrer Bewegung inne zu halten. Hatte sie sich verhört? Hatte er gerade wirklich gesagt, dass er vorerst in London bleiben wollte? Für einen Augenblick schwieg die Wirtschaftsstudentin, da sie seine Worte zunächst einmal sacken lassen und realisieren musste, was er da von sich gegeben hatte. Als sie sich ein wenig gefangen hatte, fuhr sie ihn jedoch nicht an, sondern seufzte nur leise und schwer. Wahrscheinlich hatte sie unbewusst geahnt, dass es zu so einem Szenario kommen könnte. Es wäre irgendwie zu schön gewesen, wenn ihr persönlicher Stalker ohne weiteres abgereist wäre und sich am anderen Ende der Welt niedergelassen hätte. Trotzdem konnte Jane nicht verhindern, in ihrem Gesichtsausdruck den Unmut zu zeigen. "Aber... wieso? Ich meine... wolltest du nicht in Australien studieren? Was... was soll das jetzt? Wieso willst du trotzdem hier bleiben?", verlangte sie sichtlich irritiert von ihrem Gegenüber zu wissen, wobei offensichtlich war, dass die Verblüffung in dem Moment überwog und das Entsetzen vorerst dämpfte. "Genau genommen habe ich nur gesagt, dass ich studieren will, nicht wo...", erklärte er ziemlich kleinlaut. "Ist das dein Ernst?", kam es dann auch direkt über ihre Lippen, ehe sie die Arme vor der Brust verschränkte und ihn missmutig ansah. Sie hatte ihn in den letzten Wochen regelmäßig gefragt, ihm regelmäßig die Chance gegeben, mit der Sprache herauszurücken und das war das Einzige, was er ihr dazu sagte? Jane konnte es einfach nicht fassen. "Zum einen möchte ich dich immer noch nicht alleine lassen, wegen meines Erschaffers... Ich weiß, du fühlst dich dadurch nicht bedroht...", unterbrach er sie, als sie bereits den Mund zu einem Protest öffnete. "Aber ich tue es eben, und ich muss meine Empfindungen nicht deinen Wünschen unterordnen - Auch, wenn diese dich betreffen." "Es sind Empfindungen und keine Tatsachen oder Fakten, die darauf hinweisen, dass er es wirklich auf mich oder meine Umgebung abgesehen hat", hielt sie ihm dann ziemlich direkt dagegen. "Außerdem mag es ja stimmen, dass du dich meinen Wünschen nicht unterordnen musst, doch gibt es dir auch nicht gleichzeitig das Recht, dich einfach über meine Wünsche hinweg zu setzen. Ich habe dir doch gesagt, dass ich allein zurechtkomme und dass ich Gabe habe! Im schlimmsten Fall würde ich Eldric und den Zirkel hinzuziehen. Es gibt diesbezüglich also keinen wirklichen Grund für dich, zu bleiben." "Genau genommen habe ich dieses Recht, wenn deine Wünsche beinhalten, über meinen Aufenthaltsort bestimmen zu wollen, Jane. Ich darf leben, wo immer ich es möchte, und du kannst mir sicher nicht verbieten, das in London zu tun, auch, wenn dir meine Gründe nicht passen. Die Stadt gehört nicht dir, Prinzessin", sagte er ein wenig spöttisch, bevor er die Schultern zuckte. "Wie gesagt habe ich nicht vor, euch zu bitten, mich hier noch länger zu beherbergen." Auf ihrer Stirn bildete sich eine Zornesfalte, und allein für die Bezeichnung Prinzessin hätte sie sein Gesicht am liebsten mit ihrer Faust begrüßt. "Ich habe Nichts darüber gesagt, dass ich es nicht in Ordnung finden würde, wenn du in England - oder gar in London bleibst. Es geht mir vielmehr darum, dass du unsere zukünftige Begegnungen bestimmt nicht nur dem Zufall überlassen würdest und mich wahrscheinlich wieder auf die gleiche penetrante Art verfolgen würdest, wie vor gut einem Jahr", entgegnete sie erneut in ihrer unverblümten Art. Dabei entsprachen ihre Worten der Wahrheit. Sie hatte tatsächlich Nichts dagegen, im gleichen Land oder sogar in der gleichen Großstadt zu wohnen. Immerhin wäre unter normalen Umständen die Chance, einander zu begegnen, verhältnismäßig klein. "Und es wäre so schlimm, wenn wir uns ab und zu sehen?", fragte er ruhig. Ja. Es wäre überaus nervig, unangenehm und schrecklich, ihm ständig irgendwo begegnen zu müssen. Zwar redete sie sich ein, dass sie einfach seine Gegenwart nicht ausstehen konnte, doch wusste sie tief in ihrem Innern, dass es Konsequenzen mit sich bringen würde, die sie umgehen wollte - wie zum Beispiel seine automatische Eingliederung in ihr alltägliches Leben. Selbst wenn es ihr bewusst gewesen wäre, hätte sie es ihm sehr wahrscheinlich nicht unter die Nase gerieben, da es ja einem Eingeständnis gleich gekommen wäre und er bestimmt von sich aus die eine oder andere falsche Schlussfolgerung gezogen hätte. Doch das sagte sie ihm nicht, sondern sah stumm zur Seite, und ihr Schweigen bewegte Aiden zu einer weiteren Erklärung: "Ich habe darüber nachgedacht zu gehen. Ich hatte es wirklich vor, zuerst... Aber dann ist mir aufgefallen, dass ich eigentlich gar keinen Grund dazu habe. Ich weiß nicht, was ich in Australien machen sollte. Sicher, ich könnte dort studieren oder arbeiten oder sonst was machen, aber wieso dort und nicht hier? Immerhin ist England meine Heimat, sofern man das nach so langer Zeit noch sagen kann." Noch immer weigerte Jane sich, etwas dazu zu sagen. Stattdessen atmete sie kurz durch, um sich ein wenig zu sammeln. Seine Argumentation bezüglich der Heimat war schlüssig, weshalb sie Nichts darauf erwiderte und ihm in der Hinsicht sogar gedanklich ihre Zustimmung gab. Es sprach ja eigentlich Nichts dagegen. "Zudem habe ich es ernst gemeint, als ich sagte, dass ich mir wünsche, dass wir uns wieder richtig versöhnen. Dazu braucht es aber Zeit, und die möchte ich eben gerne mit dir verbringen, nicht am anderen Ende der Welt." Eigentlich hatte Jane vorgehabt, ihn zusammenzustauchen, zur Vernunft zu bringen und womöglich sogar anzuschreien, doch als sie seine Worte vernahm, kam sie nicht umhin, einen Hauch von Rührung zu verspüren. Sie hatte natürlich gemerkt, wie sehr an ihm nagte, sie so verletzt zu haben. Schließlich hatte er während seiner Grippe-Ära bereits beteuert; jedoch war es ergreifend, dies so erneut zu hören. Einen Augenblick lang legte die junge Frau die Hand ins Gesicht und schloss die Augen, um kurz nachzudenken. Natürlich war es sehr nett (und irgendwie süß) von ihm, ihr bei dem 'Prozess' helfen zu wollen (auch wenn es aus eigennützigen Motiven war), doch konnte... wollte sie das nicht einfach so hinnehmen und akzeptieren. Er hatte sie bereits im Stich gelassen - wer versicherte ihr, dass er es nicht wieder tun und ihr erneut ein paar unangenehme Wunden zufügen würde, wenn er wieder ein einigermaßen fester Bestandteil ihres Lebens wurde? "Und was ich hierbei will, spielt keine Rolle? Was, wenn du es damit nur verschlechterst?", sprach sie leise seufzend, nachdem sie die Hand wieder runtergenommen hatte, um ihn direkt ansehen zu können. "Ich weiß es einfach, Jane", erklärte er ihr sanft, hundertprozentig sicher, Recht zu haben. "Du... weißt rein gar Nichts", sagte sie mürrisch. Jane hätte noch so einiges zu sagen gehabt, als sie bemerkte, wie ihr Gegenüber auf sie zukam und ihre Hand nahm. Etwas irritiert und unwillkürlich zuckte sie zusammen, da es sehr ungewöhnlich für ihn war, sie von sich aus zu berühren. Wenn sie sich richtig erinnerte, dann war das in der Zeit, die sie gemeinsam verbracht hatten, lediglich drei- oder viermal passiert; und meist nur dann, wenn es sein musste oder unumgänglich gewesen war. Für gewöhnlich würde es der jungen Frau nichts ausmachen und sie würde kaum auf diese Berührung reagieren, doch jetzt ... jetzt kam sie tatsächlich nicht umhin, für einen kleinen, kaum merklichen Moment zu erschaudern. Etwas, was ihr ein wenig eigenartig vorkam, aber nicht weiter verfolgte. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass es unüblich war. "Ich werde nicht noch mal den Fehler machen und dich derartig verletzen. Ich war dumm und egoistisch, aber das passiert nie wieder. Ich verstehe natürlich, wenn du das jetzt noch nicht so einfach glauben kannst..." Er ließ sie wieder los, blieb aber so nahe bei ihr stehen und sah sie ernst an. "Aber glaubst du nicht, dass du es bis dahin wenigstens ertragen kannst, auch nur in derselben Stadt wie ich zu leben?" Aus irgendeinem Grund konnte Jane ihm einfach nicht ins Gesicht sehen. Ob es nun daran lag, dass er ihr so nah war oder ihr peinlich war, so etwas zu hören oder darüber zu reden, sollte dahin gestellt sein und spielte keine Rolle. Sie konnte es in dem Moment einfach nicht. Um ihre Unsicherheit - oder wie man das nennen wollte - zu überspielen, fuhr sie sich durch die Haare. "Egal, was ich sage, du wirst ohnehin das tun, was du willst. Deine Frage in der Hinsicht ist also komplett überflüssig", erwiderte sie etwas vorwurfsvoll, aber auch, um das unangenehme Thema zu beenden. Außerdem entsprach es der Wahrheit, so dass dem eigentlich nichts hinzuzufügen wäre. Dementsprechend griff sie daraufhin nur nach ihrem Mantel und zog ihn über. "Wie dem auch sei, ich muss los. Der Plan mit dem verrückten Blutsauger steht und wir werden in zwei oder drei Tagen losziehen", fügte die Wirtschaftsstudentin sehr abrupt hinzu, bevor sie sich von ihrem (Noch-)Mitbewohner abwandte und zur Tür schritt. Zwar hatte sie noch gut eine Stunde Zeit, bis die Vorlesungen begannen, doch hatte sie keine Nerven, sich unter dieser Atmosphäre mit Aiden zu unterhalten. Sie musste erstmal über diese Neuigkeiten nachdenken. Aber sie beschloss, das erst nach ihrem Geburtstag zu tun, an dem sie (Vor allem dank Kates Vorliebe für ausgefallene Partys) schon genug zu tun haben würde. Den Weg zur Universität nutzte Jane, um ein wenig runter und auf andere Gedanken zu kommen. Sie würden ohnehin eine weitere Diskussion diesbezüglich führen müssen, um einen Kompromiss zu finden - ob es ihr nun passte oder nicht. Immerhin war ihr aufgrund persönlicher Erfahrungen klar, dass sie Aidens Pläne nicht ändern konnte, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Wie groß seine Beharrlichkeit sein konnte, hatte er vor gut einem Jahr mit diversen Aktionen deutlich gezeigt. Nichtsdestotrotz schaffte es die junge Frau, sich während den nächsten Stunden hauptsächlich auf die Vorlesungen zu konzentrieren und ihre Freunde über die genauen Pläne am Samstag zu informieren, ehe es anschließend in die unterirdische Stadt ging, wo sie den Auftrag für den gefälschten Dokumente abgab. Wie erwartet, würde das ganze etwa zwei Tage dauern, wobei es wahrscheinlich möglich gewesen wäre, die Dokumente bereits am gleichen Abend in den Händen zu halten, wenn sie Druck ausgeübt hätte. Da sie diesmal jedoch keine Eile hatte, unterließ es die Vampirjägerin und begab sich danach nach Hause. Als sie die Küche betrat, um das Abendessen vorzubereiten, wurde sie von einem ungewöhnlichen Anblick überrascht: Zwei gigantische Blumensträuße schienen durchs Zimmer zu wanken. Erst auf den zweiten Blick entdeckte sie Aiden hinter den Bouquets. "Was soll das?", verlangte sie zu wissen. Ihr Geburtstag war erst am Samstag und sie konnte sich nicht erinnern, Aiden davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Oder hatte er sich doch noch daran erinnert? Ihr Blick fiel auf die wunderschönen, apricotfarbenen Rosen des einen Gesteckes und die bunten, aber stilvollen verschiedenen Blüten, welche das zweite Gebinde zierten. Ein kleines, kaum merkliches Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Egal, was ihn dazu verleitet hatte, ihren Geschmack hatte er getroffen. Aiden verstaute die Rosen in einer Vase, die er ihr hinschob. "Das ist ein Dankeschön dafür, dass ihr beiden euch um mich gekümmert habt, als ich krank war, und dafür, dass ich hier wohnen durfte", erklärte er, während er auch die anderen Blumen ins Wasser stellte. Offensichtlich waren diese für Elizabeth gedacht. "Das war wirklich nicht nötig", erwiderte die Brünette sofort, da die ganze Sache für sie selbstverständlich gewesen war. Natürlich hätte sie ihn einfach in seinem Elend alleine lassen können, doch gehörte sich das in ihren Augen nicht. Außerdem hatte sie ohnehin das Gefühl gehabt, in seiner Schuld zu stehen, sodass sie ein wenig aus Eigennutz gehandelt hatte - ein weiterer Grund, weshalb sie seine Geste als eher unnötig empfand. Da es jedoch unhöflich war, ein Geschenk auszuschlagen, nahm sie den Blumenstrauß dankend an. Er würde bestimmt in ihr Zimmer passen. "Ich finde durchaus, dass es nötig ist. Also: Danke", widersprach er ihr lächelnd. Kurz sah sie ihn an, dann zuckte sie die Schultern und stellte den Strauß vorerst zur Seite, da sie sich jetzt ums Abendessen kümmern wollte. Dass Aiden eine übertriebene Ansicht von Höflichkeit und Etikette hatte, wusste sie ja. Bevor sie jedoch etwas dazu sagen konnte, klingelte es an der Tür. Auf dem Weg dorthin band Jane sich die Haare hoch, da sie gleich mit dem Kochen beginnen würde. Draußen stand Gabriel, über dessen Besuch sie sich freute, obwohl er unangekündigt vorbeigekommen war. „Gibt´s noch nichts zu essen?“, schmollte der Spanier scherzhaft, während sie auf dem Weg zur Küche waren. „Wenn du mithilfst, kriegst du vielleicht auch was“, gab Jane zurück, die alle nötigen Zutaten aus dem Kühlschrank nahm. Die beiden Männer nickten sich zur Begrüßung gewohnt steif zu, jedoch hielt Gabriel inne, als er die Blumen erblickte. "Huh? Verfrühte Geburtstagsgeschenke?", wollte der Werwolf wissen als er sich auf einem Stuhl niederließ und spielerisch an den Rosenblüten rumzupfte - natürlich ohne diese zu beschädigen. "Geburtstag? Wer hat Geburtstag?", fragte Aiden, der beiläufig die Hand des Werwolfs von der Blume wegschnippte. Dann sah er zwischen Jane und ihrem besten Freund hin und her und blieb schließlich an der jungen Frau hängen. "Du? Warum hast du das nichts gesagt?" "Es ist keine große Sache", zuckte die Dame des Hauses mit den Schultern. Zudem wollte sie nicht, dass er sich zu irgendetwas verpflichtet fühlte oder auf schräge Gedanken kam. Sie dachte rein praktisch, da es doch wirklich alles andere als geeignet für den Vampir war, sich mit ihrer Mutter in ein Restaurant zu gehen und nichts zu essen, wo es doch eigentlich genau darum ging. Nicht auszudenken, wie es wohl auch für Außenstehenden aussehen würde. Was die Party mit ihren Freunden anging, so erinnerte sie sich daran, dass Aiden Diskos aufgrund der Lautstärke nicht sonderlich zu schätzen wusste. Entsprechend waren ihre Geburtstagspläne nichts, wozu sie ihn hätte einladen können – selbst, wenn sie gewollt hätte. "Haha, dann hätte ich dir die Blumen vielleicht doch erst später geben sollen. Wann ist es denn so weit?", fragte er leichthin, was Jane bestätigte, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. "Übermorgen, am Samstag", mischte sich Gabriel ins Gespräch ein und streckte sich kurz, bevor er sich ein wenig im Sitz zurücklehnte. Die Aufforderung, beim Kochen zu helfen, ignorierte er gekonnt. Stattdessen schnupperte er neugierig, als Jane begann, das Fleisch anzubraten. "Unsere liebste Janie wird 23. Eine richtige Oma", konnte er sich nicht verkneifen, worauf die Angesprochene leicht schmunzelnd die Augen verdrehte. Selbstverständlich wusste sie, dass er das keineswegs ernst meinte, da er selbst ein Jahr älter war und sich sonst mit der Aussage ja selbst beleidigt hätte. Das Thema wurde jedoch schnell wieder fallen gelassen, da Aiden das Gespräch auf den aktuellen Fall brachte. Die junge Frau brachte ihren Kindheitsfreund auf den neuesten Stand und besprach das weitere Vorgehen, wobei sie es für besser hielt, die umgeänderten Abreisepläne des Vampirs nicht zu erwähnen. Immerhin konnte sie sich gut vorstellen, dass sonst noch mehr Probleme entstehen würden, als es sowieso schon gab. Nach einer Weile kam Elizabeth nach Hause, die wenig später ebenfalls die Blumen erblickte. Sie freute sich sehr darüber, und zeigte ihre Dankbarkeit deutlich offener als ihre Tochter, umarmte den Vampir sogar kurz. Nachdem die beiden Frauen und Gabriel gegessen hatten, erledigte die Ärztin den Abwasch, während die drei 'Kinder' noch einmal die wichtigsten Punkte für das weitere Vorgehen durchgingen. Nachdem die wichtigsten Dinge geklärt waren, zog sich Gabriel zurück, um ein Telefonat zu führen, wobei sich herausstellte, dass man ihn im Rudel brauchte. Folglich verabschiedete er sich von den Anwesenden und verschwand danach in die Nacht hinaus, um seiner Pflicht nachzugehen. Als ihr Gast gegangen war, zog Jane sich auf ihr Zimmer zurück, wobei sie die Rosen mit sich nahm. Sie fanden ihren Platz am gleichen Ort wie der Strauß, den Aiden ihr vor fast einem Jahr geschenkt hatte, und die junge Frau strich nachdenklich über die zarten Blätter. Sie musste sich wohl damit abfinden, dass auch Aiden zukünftig wieder einen Platz in ihrem Leben einnehmen würde. Kapitel 10: Lass Blumen sprechen -------------------------------- Als der Samstag und somit ihr Geburtstag anbrach, wurde Jane bereits am Morgen von ihrer Mutter und vom hauseigenen Vampir begrüßt und beglückwünscht. Sie bedankte sie sich bei den beiden und setzte sich an den Küchentisch, um zu frühstücken. Wie gewohnt setzte Aiden sich zu den Damen, als diese gemeinsam aßen. Als Elizabeth aufstand, um sich eine Tasse Kaffee zu holen, sprach Aiden das Geburtstagskind nochmal an: "Ich weiß, dass das jetzt sehr spontan ist... Aber würdest du mich heute Nachmittag auf einen Ausflug begleiten? Ich habe eine Überraschung für dich vorbereitet. Es ist zwar nichts Besonderes, aber es würde mir viel bedeuten, wenn du das als Geburtstagsgeschenk annehmen könntest." Jane zog kurz die Augenbrauen hoch. Hätte sie es nicht besser gewusst, dann hätte sie wahrscheinlich behauptet, dass er sie zu einem Date ausführen wollte. "Genau deshalb wollte ich dir nichts sagen...", seufzte sie leise und nippte kurz an ihrer Tasse. "Es bringt wahrscheinlich nichts, wenn ich dir sage, dass das nicht nötig gewesen wäre, oder?" Sie musste nicht auf seine Antwort warten, um zu wissen, dass er verneinen würde. Schließlich wusste sie, wie dickköpfig er sein konnte und so, wie sie ihn in der Hinsicht kannte, war alles bereits schon geplant. Wie erwartet lachte er nur, sagte fröhlich: „Natürlich nicht“, und beobachtete sie abwartend. "Nun, da es unhöflich wäre, ein angebotenes Geschenk abzulehnen, nehme ich es an. Danke", fuhr die Vampirjägerin fort, wobei sie ihn sogar kurz anlächelte. Sie beendete das Frühstück, unterhielt sich mit ihrer Mutter, bevor das Geburtstagskind sich um die letzten Vorbereitungen für das abendliche Treffen mit ihren Freunden kümmerte. Die Gruppe würde sich gegen neun am Hafen treffen, denn diesmal hatte Kate Karten für eine elegante Party auf einer Fähre organisiert. Gegen Mittag schneite Logan herein und sie aßen zusammen mit Elizabeth. Als Nachtisch gab es eine üppige Schokotorte und danach Geschenke für das Geburtstagskind. Ihre Mutter überreichte Jane ein wunderschönes Medaillon, in dem sich bereits ein Foto der Ärztin befand. Den zweiten Teil hatte sie absichtlich offen gelassen, sodass die Jüngere selbst entscheiden konnte, wessen Bild sie reinmachen wollte. Gerührt über das Geschenk, bedankte sie sich bei ihrer Mutter und drückte sie liebevoll an sich. „Gut, dass ich keinen Schmuck besorgt habe“, meinte Logan lächelnd, der näher trat, um das Schmuckstück zu betrachten. Er küsste seine Freundin, dann zog er aus der Jackentasche ein kleines Päckchen und hauchte: „Happy birthday, Jane.“ Überrascht und erfreut machte die junge Frau sich daran, das Papier zu lösen. „Du hast doch schon bei der Karte für heute Abend mitgezahlt“, protestierte sie halbherzig. „Ich dachte, ich mache dir unabhängig von den anderen noch eine Freude“, erklärte er und zuckte die Schultern. Schließlich hielt sie eine trichterförmige Schatulle mit antik aussehendem Zahlencode in der Hand, die sie ein wenig hin und her drehte. „Du musst das Rätsel lösen, um an das Geschenk zu kommen“, erklärte Logan und sah amüsiert zu, wie Jane sich im Schneidersitz auf der Couch niederließ, um daran herumzuschrauben. Sie war hochkonzentriert und hatte bereits nach wenigen Minuten den Code geknackt, sodass sie einen Gutschein für einen Escape-Room in Händen hielt. Jane war von dieser Idee begeistert, und das Paar plante bereits einen gemeinsamen Besuch bei einem Veranstalter, als Aiden zögernd ins Wohnzimmer trag. „Ich möchte euch nicht unterbrechen, aber wir müssten los“, erklärte er mit einem Nicken in Logans Richtung. Dieser küsste seine Freundin auf die Schläfe und erhob sich. „Kein Problem. Ich muss sowieso noch ein paar Sachen für später erledigen“, erklärte er und machte sich mit den anderen beiden auf den Weg zur Garderobe. „Schade, dass du nicht mitkommen kannst, Aiden.“ Es war wirklich süß, dass man Logan anhörte, dass er das ernst meinte, und Jane konnte gar nicht anders, als ihm einen Kuss zu geben. Aiden trat schon mal nach draußen, um dem Paar beim Abschied etwas Zweisamkeit zu gönnen, dann schüttelte er Logan die Hand und sah ihm nach, als er davonfuhr. "Verrätst du mir wenigstens, wohin es geht?", wollte Jane wissen, als sie ihm die Autoschlüssel in die Hände drückte und sich auf dem Beifahrersitz ihres Audis niederließ. Sie konnte sich nicht wirklich vorstellen, was er vorhatte. Aiden grinste Jane schief an und gab sich erwartungsgemäß geheimnisvoll. "Das ist ein Teil der Überraschung, also nein", erklärte er, bevor er den Motor startete und losfuhr. Jane lehnte sie sich im Sitz zurück und besah sich die Umgebung, an der sie vorbeifuhren. Doch sie kannte die Gegend, in die es sie verschlug, nicht wirklich und hatte keine Ahnung, was Aiden hier geplant haben könnte. Nach einer Weile hielten sie, und da gerade niemand da war, umschritt Aiden das Auto schnell genug, um Jane die Tür öffnen zu können. Er schloss sie gleich wieder hinter ihr, während das Geburtstagskind sich verwirrt umblickte. Soweit sie erkennen konnte, waren sie am botanischen Garten… Aber was genau hatte Aiden hier vor? Er holte einen ominös aussehenden Korb aus dem Kofferraum, dann führte er sie über den Kiesweg zum Haupteingang des Gartens, der spätherbstlich-verlassen vor ihnen lag. Sie mussten ein wenig laufen, bevor sie zum kuppelförmigen Gewächshaus gelangten. Am Eingang sprach Aiden kurz mit dem Mann im Kartenhäuschen, der Jane ziemlich neugierige Blicke zuwarf. Jane vermutete, dass er ihr etwas in dem Gewächshaus zeigen wollte oder eben einen Spaziergang darin mit ihr machen wollte. Das war ein… Nun, nettes Geschenk. Immerhin hatte er gerade mal vor zwei Tagen erfahren, dass heute ihr Jahrestag war, und sie war immer noch der Meinung, dass er ihr überhaupt nichts hätte schenken müssen. Die beiden Männer unterhielten sich kurz, dann kehrte Aiden zu Jane zurück, der inzwischen in der warmen Gewächshausluft ziemlich warm geworden war. "Bitte warte einen Moment", sagte Aiden, nachdem er ihr die Jacke abgenommen hatte. Der Vampir verschwand nochmal, und während sie wartete, ließ Jane ihren Blick über die Gegend schweifen, wobei ihr auffiel, dass der Mann, mit dem ihr Mitbewohner vorhin geredet hatte, zurück war, diesmal in Begleitung einer Frau. Beide lächelten sie wohlwollend an. Sie nickte ihnen ein wenig verwirrt zu. Was zum Teufel hatte Aiden hier für ein Komplott geschmiedet…? Kurz darauf kam Aiden aus einer anderen Richtung ohne ihre Mäntel zurück, wobei er die junge Frau gut gelaunt, aber ein wenig aufgeregt angrinste. "Gehen wir ein bisschen spazieren?", fragte er dann und bot ihr den Arm zum unterhaken an. Jane kam dem Angebot nach, und das ungleiche Gespann schlenderte los. Immerhin gab es einiges zu sehen und es war nicht viel los, sodass nur wenige kreischende Kinder oder andere drängelnde Gäste ihren Spaziergang störten. "Warst du schon mal hier?", fragte Aiden, während sie gemeinsam durch die liebevoll angerichteten Blumenrabatten schlenderten. Sie schüttelte den Kopf und blieb vor einem mannshohen Busch mit üppigen, blauen Blüten stehen, über die sie vorsichtig strich. "Ich habe schon davon gehört, aber nie die Gelegenheit gehabt, hierhin zu kommen", erklärte sie, wobei sie es ein wenig bereute, noch keinen Besuch hierher unternommen zu haben. Es war ein wundervoller, höchst entspannender Ort und wirklich einen Ausflug wert. "Wie sieht es bei dir aus? Warst du schon mal hier oder war das eher ein spontaner Einfall?", wollte sie von ihm wissen. "Ich war schon ein paar Mal hier, aber meistens eher draußen. Die Anlage ist wirklich schön, wenn sie bepflanzt ist, und es gibt immer mal wieder Gruppen, die verschiedene Sportarten auf den Grünflächen ausprobieren oder Vorführungen zeigen. Im Frühjahr haben sie eine sehr schöne Rosenschau, die solltest du dir unbedingt mal ansehen“, fügte der Vampir hinzu, der ihre Vorliebe für diese Blumenart natürlich kannte. Sie näherten sich einer Treppe an einem künstlichen Wasserfall, die jedoch gesperrt war. Als Aiden das Band ganz nonchalant abmachte und sie durchwinkte, runzelte die Vampirjägerin die Stirn. „Ich glaube nicht, dass wir da hoch sollten.“ „Oh, ach so, das habe ich noch gar nicht gesagt“, fügte Aiden mit einem verlegenen Lachen hinzu, bevor er sich räusperte. „Ich habe den Bereich dort oben gemietet. Wir können drei Stunden lang in Ruhe essen“ – Er hob vielsagend den Korb hoch – „Und uns umsehen, soviel wir wollen.“ Erschrocken und völlig überrumpelt von der ganzen Situation blieb die Vampirjägerin stehen und sah ihn mit geweiteten Augen, sowie auch zunächst komplett sprachlos an. Natürlich war es eine ungeheuer rührende Geste und etwas, was noch nie jemand für sie getan hatte - nicht einmal annähernd. "Was... aber... wie konntest du...? Sag mal, spinnst du?!", kam es vergleichsweise stockend über ihre Lippen, nachdem sie das Ganze einigermaßen verdaut und sacken gelassen hatte. Als wohlhabende, junge Frau und einzige Erbin der McCollins-Familie war sie sich sicherlich einiges gewöhnt, doch das hier, sprengte gerade mächtig den Rahmen, sodass sie derzeit wirklich an seiner psychischen Verfassung zweifelte. "Ähm...", machte er unschlüssig. "Na ja, ich habe gestern hier angerufen und vorbei geschaut, um mit den Leuten zu reden. Die waren zwar ziemlich irritiert, aber ich konnte sie überzeugen." Er lächelte etwas zerknirscht, was darauf hindeutete, dass er seine vampirischen Fähigkeiten eingesetzt hatte, um seine Ziele so kurzfristig umzusetzen. Zwar wusste Jane, dass sie dem Vampir wohl einiges bedeutete, doch wäre sie nicht im Traum darauf gekommen, dass er solche Längen gehen würde. Selbst jetzt, wo sie eigentlich einen handfesten Beweis für seine Zuneigung hatte, waren ihr seine Beweggründe noch immer rätselhaft. Ob es nun unbewusst oder bewusst war, war egal. In der Hinsicht konnte man ihr Verhalten fast schon als ignorant bezeichnen oder von ihr behaupten, dass sie eine Meisterin der Verdrängung war. Im Moment wusste sie jedenfalls wirklich nicht, was sie sagen sollte, und als ihr Schweigen sich immer weiter in die Länge zog, wurde Aiden sichtlich verlegen. "Tut mir leid... Gefällt es dir nicht? Wir... Können auch wieder gehen...", stammelte er peinlich berührt und rieb sich den Nacken. Jane blickte Aiden mit gerunzelter Stirn an. Wie kam er bloß darauf? Welche Frau würde sich denn bitte schön nicht über ein solches Geschenk freuen? Jedoch war sie - in ihren Augen - die falsche Person dafür. So etwas sollte man immerhin der Liebsten schenken und nicht... na ja... einer Bekannten? Einer Mitbewohnerin? Egal, was sie momentan waren, sie hielt die Größe des Geschenks für nicht angemessen. "Nein, also... Wir müssen nicht gehen", erwiderte das Geburtstagskind dann sofort, nachdem sie sich vom anfänglichen Schock erholt hatte, ehe sie sich daran machte, mit ihm weiterzugehen. Sie erreichten eine erhöhte Ebene, von der aus man den Garten überblicken konnte, der sich in bunten Flächen unter ihnen erstreckte. Neben ihnen erstreckte sich ein künstlicher Teich mit großen, runden Blättern. Aiden deutete auf das abseitige Ufer. "Da hinten habe ich ein Picknick vorbereitet. Aber wenn du nicht willst, ist das ok. Ich meine... Das... Ich wollte dir nur eine Freude machen. Entschuldige", sagte er nochmal. Seine unsicheren Worte und sein Gesichtsausdruck ließen in ihr Schuldgefühle aufkeimen, sodass sie kaum merklich seufzte. Er hatte sich solche Mühe gemacht, das alles für sie zu organisieren, und sie hatte vorhin tatsächlich offen seine psychische Verfassung angezweifelt? Zugegeben, es war wirklich alles andere als normal, aber dennoch etwas, in das er Herzblut gesteckt und nur für sie auf die Beine gestellt hatte. "Nein... ich... mir tut es Leid. Du hast dir so viele Gedanken darum gemacht und das alles arrangiert und ich... na ja...", begann sie leise, bevor sie sich die Haare hinters Ohr strich, kurz durchatmete und ihn mit einem kleinen, warmen Lächeln ansah. "Ich würde gerne noch ein bisschen hier bleiben und picknicken." Noch immer unsicher erwiderte er ihr Lächeln, als Jane sich wieder bei ihm unterhakte. Sie ließ sich von ihm zu besagtem Platz bringen und erblickte einen liebevoll hergerichteten Picknickplatz mit allem Drum und Dran. Eine Laube mit Rankengewächsen spannte sich über dem feinsäuberlich ausbereiteten Picknicktuch und war mit Lichterketten hübsch dekoriert worden. Das Licht sah man, weil das Gewächshaus beleuchtet war, nur schwach, sodass es nicht übermäßig ´romantisch` wirkte. Während Jane sich umsah, packte Aiden edel aussehende Dosen mit sorgfältig ausgesuchten Essen aus seinem Korb, zusammen mit einer Flasche Rotwein und einem Glas. Er hatte anscheinend einfach an alles gedacht. "Hast du das hier alles selbst gemacht?", wollte Jane wissen, als sie sich auf dem Stoff niederließ und sich den Inhalt des Korbes begutachtete. "Nein. Ich hatte es überlegt, aber dann hätte ich deine Mutter wohl um Hilfe bitten müssen, und ich wollte ihr keine Umstände machen", erklärte er, als er ihr das Getränk reichte. Er entschuldigte sich, dass sie alleine trinken musste, und wünschte ihr nochmal alles Gute zum Geburtstag. Dann packte er den Rest der Speisen aus. "Das ist vom Lieferdienst eines Restaurants. Ich hoffe, es schmeckt dir." Man sah schon der Verpackung an, dass sie nicht aus der Pizzeria um die Ecke stamme; es handelte sich um hochwertige, schwarze Styropor-Behälter, aus denen Aiden zuerst verschiedene Sorten wunderschön angerichtetes Antipasti als Vorspeise befreite, dann Spinatlasagne als Hauptgang. Noch während er erklärte, erinnerte Jane sich an den Tag vor gut einem Jahr, als sie gemeinsam in der Küche gestanden und gekocht hatten. Dabei fiel ihr ein, dass er ihr damals das Dressing zum Probieren gegeben hatte, weil er es selbst nicht gekonnt hatte. "Du hast in den vergangenen Monaten also nicht ausprobiert, wie ein Mensch zu essen?", wollte Jane von ihm wissen, als sie dann begann, ein wenig vom Essen zu probieren. Natürlich konnte man bei ihr mit der italienischen Küche nicht wirklich etwas falsch machen, doch anhand ihres erhellten Gesichtsausdrucks konnte man sehr schnell erkennen, dass ihr die Gerichte wirklich schmeckten. Na, wenn das so weiterging, würde sie am morgigen Tag bestimmt einige Pfunde mehr auf den Rippen haben... Aiden lehnte an eine Säule der kleinen, überdachten Laube, und sah zu dem gläsernen Dach auf, über dem der weißliche Himmel zu sehen war. "Hm?", machte er, ein wenig aus seinen Betrachtungen gerissen. "Oh. Nein, ich hatte nicht wirklich die Gelegenheit dazu. Und selbst wenn, weiß ich nicht, ob es dazu gereicht hätte, ein angemessenes Essen zusammen zu stellen." „Hm… Dann muss ich dir wohl danken, dass du das Essen hier bestellt hast“ meinte sie und nippte an ihrem Glas. Sie zögerte kurz, lächelte ihn dann aber nochmal an. „Es ist nett von dir, dass du das alles organisiert und dir so viele Gedanken gemacht hast." Aiden setzte sich ein wenig gerader hin und lächelte sie sanft an. "Gern geschehen... Immerhin ist es schon peinlich genug, dass ich mich nicht von selbst an das Datum erinnert habe", fügte er ein wenig leiser hinzu. Jane hielt mit einer Gabel Lasagne im Mund inne. Aidens vorsichtige Worte münzten schließlich offensichtlich auf sein unangekündigtes Verschwinden. Doch sie fing sich schnell wieder und lächelte ihn schwach an. Schließlich wäre es ziemlich unangebracht, sich jetzt an die Gurgel zu gehen und die ganze Atmosphären und das Geschenk zu ruinieren. "Das macht nichts. Schließlich besteht ein Geburtstag - in meinen Augen - nicht nur aus Geschenken und außerdem... ist es lange her. Von daher wäre es wirklich nicht nötig gewesen, so große Geschütze auszufahren", erwiderte sie leise und aß dann weiter von der Lasagne. "Na ja, du hast schon Recht, an Geburtstagen geht es nicht wirklich um die Geschenke. Obwohl die Kette von Liz wirklich hübsch ist", wechselte er dezent das Thema, wobei er auf ihren Hals deutete, an dem das Medaillon baumelte. "Und heute Abend triffst du dich noch mit deinen Freunden, oder? Tut mir leid, dass du jetzt so einen vollen Tag hast" "Du brauchst dich deswegen nicht entschuldigen. Ich habe nachher genug Zeit, um mich ein wenig auszuruhen und für den Abend vorzubereiten. Außerdem hätte ich Zuhause ohnehin nicht wirklich etwas Spezielles gemacht, weshalb das hier viel besser ist", versicherte die Brünette ehrlich. Wahrscheinlich hätte sie nur wieder ein paar Dinge für die Universität erledigt oder sich über Neuigkeiten im Zirkel informiert, bis sie am Abend aufgebrochen wäre. Von daher war der Besuch - wenn auch das ganze Drum und Dran übertrieben war - eine willkommene Abwechslung. Er lächelte, offensichtlich erfreut von ihrer Antwort, dann schwiegen sie eine Weile, während derer Jane ihre Lasagne weiter aß. Wegen des recht üppigen Mittagessens, das sie mit ihrer Mutter und Logan gehabt hatte, schaffte sie es nicht ganz. Allerdings würde sie nichts vom Picknick wegwerfen, sondern feinsäuberlich einpacken und mit nach Hause nehmen, um es am morgigen Tag zu essen. Es sollte schließlich nichts verschwendet werden. Da sie nachher noch ausgehen und vermutlich Alkohol konsumieren würde, war es sowieso ganz gut, dass sie eine Grundlage im Magen hatte. "Erzähl mir, was du letztes Jahr gemacht hast, außer den Abschluss“, griff Aiden nach einer Weile das Gespräch wieder auf. „Warst du nur in Italien? Du hattest mal erwähnt, dass du länger reisen wollen würdest, wenn du deinen Bachelor hast.“ Seine Frage ließ Jane schwach lächeln. Lustigerweise regte sie sich nicht darüber auf, wie sie erwartet hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie über die Hintergründe seiner plötzlichen Abreise in Kenntnis gesetzt worden war und wusste, dass es ihm furchtbar leidtat. Zudem hatten seine (ungebetene) Hilfe und diese Geste mit dem gemieteten Gewächshaus dazu beigetragen, ihr Gemüt ein wenig zu besänftigen. Hätte er diese Frage vor zwei oder drei Wochen gestellt, hätte sie ihm eiskalt gesagt, dass ihn das nichts anginge. Heute aber wollte sie ihm antworten. "Nein, ich war nicht nur in Italien", begann sie zu erzählen und ließ ihren Blick zum Teich schweifen. "Ich habe direkt nach dem Abschluss ein halbjähriges Praktikum als Assistentin eines Managers absolviert, bevor ich dann auf Reisen ging. Zunächst war drei Monate mit Logan in Australien, Vietnam, China und Japan unterwegs, wo wir uns hauptsächlich die bekannten Städte oder bestimmte Sehenswürdigkeiten und Orte angesehen haben, die uns mehr interessierten. In Australien waren wir zum Beispiel im Great Barrier Reef tauchen und in Vietnam haben wir uns mit dem Schiff die Haolong Bucht angesehen. In China waren wir dann natürlich auf der chinesischen Mauer, wo die Straßenverkäufer fleißig versucht haben, uns abzuzocken. In Japan waren wir unter anderem beim goldenen Tempel in Kyoto." Sie hielt kurz inne, dachte über die wundervolle Zeit und Reise nach, wobei sie nicht umhin kam, ein wenig zu lächeln. Es war so befreiend gewesen, an nichts denken zu müssen und einfach nur genießen zu dürfen. "Nachdem wir uns Japan angesehen haben, ist Logan zurück nach London, weil er ein Praktikum absolvieren musste. Ich bin dann zwei weitere Monate alleine gereist und habe mir Indien, Saudi-Arabien und Griechenland angesehen, bevor ich nach Italien kam und dich in Rom getroffen habe", fuhr sie fort, wobei ihr Blick zu ihm wanderte und sie gerade noch so sehen konnte, wie er sich den rechten Arm rieb. Vermutlich erinnerte er sich an den Schmerz, als das silberne Messer sich in seinen Arm gebohrt hatte. Es war... wirklich ein unschöner Zufall gewesen und wahrscheinlich wäre alles anders gekommen, wenn sie sich nicht in einer der alten Gassen der Vatikanstadt begegnet wären. Wenn die Zusammenkunft niemals stattgefunden hätte, dann wäre sie heute bestimmt noch voller Groll und Hass ihm gegenüber gewesen und hätte ihr Leben ganz normal, ohne ihn weitergeführt. "Nach unserem Zusammentreffen war ich dann noch ein bisschen mehr als eine Woche in Rom, ehe ich nach London zurückgekehrt bin und kurz darauf das Masterstudium begann", beendete Jane schließlich ihren persönlichen Reisebericht und strich sich die Haare hinters Ohr. "Du und Logan... Freut mich, dass es bei euch so gut läuft“, meinte Aiden ein wenig vorsichtig. Unwillkürlich legte sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen, als sie an ihren Freund dachte. Sie war glücklich mit ihm, fühlte sich in seiner Nähe geborgen und konnte sich momentan schlichtweg nicht vorstellen, mit jemand anderem zusammen zu sein. Zwar waren die beiden nicht einmal ein Jahr zusammen, doch hatte ihre Beziehung ein solides Fundament, auf dem sie diese weiter aufbauen konnten. Schließlich waren sie seit Jahren sehr gut miteinander befreundet und hatten viel miteinander erlebt. Als Jane nicht böse wurde, wagte der Vampir schmunzelnd hinzuzufügen: „Irgendwie war ich mir nicht sicher, ob er nochmal den Mut aufbringt, dich anzusprechen." Die junge Frau stutzte und sie kam nicht umhin, kurz die Augenbrauen anzuheben. Waren Logans Avancen damals so deutlich und sie so blind gewesen? Offensichtlich schon, denn Aiden war nicht der Erste, der ihr so etwas sagte. "Nun, ich schätze, er hatte seine Gründe, weshalb er gezögert hat. Ich meine... es ist nicht unbedingt leicht und wenn man gut miteinander befreundet ist, geht man in der Hinsicht ein Risiko ein“, meinte sie, ehe sie kurz mit den Schultern zuckte. Egal, was es gewesen war, dass ihren Freund dazu verleitet hatte, zu zögern - es spielte keine Rolle mehr. Sie hatten zusammengefunden und das war im Augenblick das, was wirklich zählte. "Du findest, dass es ein Risiko ist? Ich weiß nicht. Man kann ja auch mit jemandem befreundet sein, obwohl der in einen verliebt ist, und wenn man nichts sagt, verschwendet man doch eher seine Zeit. Und Menschen haben so wenig Zeit...“ "Ich meine Risiko im Sinne von: Was, wenn man eine Beziehung eingeht und es dann nicht klappt? Schließlich führen gescheiterte Beziehung nicht oftmals zu einem Freundschafts- und Kontaktabbruch", erklärte die Brünette die Sichtweise, die sie gesehen hatte. Jedoch hatte sie zum Teil eine Meinung. Allerdings musste jeder selbst wissen, wie er oder sie das handhaben wollte - immerhin gab es gravierende oder unschöne Umstände, die dazu führten, die Gefühle besser nicht zu zeigen oder offen darzulegen. "Wenn man es so sieht, dürfte man aber gar keine Beziehung eingehen, auch keine Freundschaftlichen. Immerhin besteht immer die Gefahr, dass man sich aus den Augen verliert - Ob jetzt durch einen Streit oder einen anderen Lebensweg. Und wenn man nicht bereit ist, dieses Risiko für den anderen einzugehen, weiß ich nicht, ob es wirklich Liebe ist", erläuterte er eine ziemlich alte und steife Vorstellung von Partnerschaft. "Es überrascht mich irgendwie, dass du mit dieser Einstellung noch ... allein unterwegs bist", meinte die Brünette leise und mit einem kleinen Schmunzeln, da dieser Standpunkt ja eigentlich ziemlich direkt war und von Aktivität zeugte. Jedoch fiel ihr unmittelbar nach der Äußerung Lady Grey, seine verstorbene Geliebte, ein. Es wäre irgendwie logisch, wenn sie der Grund war, weshalb er keine Frau an seiner Seite hatte - vor allem, wenn man bedachte, wie er auf sie fixiert war, weil sie deren direkte Nachfahrin war und ihr ähnlich sah. Allerdings erinnerte sich die junge Frau dann an das Gespräch während ihrer Shoppingtour vor gut einem Jahr, als er ihr erzählt hatte, dass es durchaus die eine oder andere feste Freundin nach dem Ableben der Neuntagekönigin gegeben hatte, mit der er für einige Zeit liiert gewesen war. Irgendwie ... widersprüchlich, dachte sie sich. Ein verlegenes Lächeln schlich auf seine Lippen. "Na ja, es mangelt nicht unbedingt an Interessentinnen. Eher an der… Ambition, die Richtige zu finden." "Wenn du bisher keine Ambitionen hattest oder auch jetzt keine hast... wie war das dann mit den Freundinnen, von denen du mir vor etwa einem Jahr erzählt hast?", wollte sie mit einer hochgezogener Augenbraue von ihm wissen. Immerhin erschien er ihr nicht der Typ dafür, einfach aus Lust und Laune oder spontan eine Beziehung einzugehen. Wenn ihm nun die Ambition fehlte, die Richtige zu finden, dann war für sie nicht ersichtlich, weshalb er die Beziehungen mit seinen Ex-Freundinnen eingegangen war. Während die Brünette so darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie ihre Nase wohl zu tief in diese Sache reinsteckte und es erschien ihr ein wenig unhöflich, ihn so zu löchern. "Du musst nicht darauf antworten. Es geht mich ja eigentlich gar nichts an", sagte sie folglich sofort, damit er sich nicht dazu gezwungen fühlte. Zwar interessierte es sie schon, doch hatte sie als Außenstehende kein Recht, ihn darüber auszufragen oder ihn sogar in der Hinsicht zu einem Gespräch zu drängen. Wen er wie liebte und wie er in eine Beziehung geriet, war allein seine Privatsache. "Du kannst alles fragen, was du möchtest. Die meisten ´düsteren Geheimnisse` kennst du sowieso schon." Aiden lachte, als er das sagte, aber Jane hatte das Gefühl, dass er es durchaus ernst meinte. Sie runzelte kurz die Stirn, vermerkte sich diese Aussage jedoch, da sie ihr in der Zukunft womöglich nützlich sein konnte. Aiden überlegte kurz, wo er anfangen sollte, bevor er zu sprechen begann: "Also meine Beziehungen nach Jane... Die erste war ein Vampir, und ich habe sie vielleicht fünfzig, sechzig Jahre nach meiner Verwandlung getroffen. Sie mochte mich ziemlich sofort, aber ich habe sie lange abgewiesen. Wir sind trotzdem eine Weile zusammen gereist und irgendwann ein Paar geworden. Leider ist sie gestorben", sagte er mit einem traurigen Lächeln, wobei er unwillkürlich über seine Kette strich. "Die zweite war ein Mensch, aber ich habe herausgefunden, dass das einfach nicht sein soll." Er stockte bei dieser Aussage kurz, bevor er fortfuhr: "Die letzte ist ein Vampir. Wir haben uns kennengelernt, als sie noch sehr jung war, noch keine siebzig. Wir waren lange nur befreundet, bis ich gemerkt habe, dass ich mich in sie verliebt hatte." Er schmunzelte, offensichtlich in Erinnerung an eine gute Zeit. "In dem Fall hat sie sich ziemlich bitten lassen. Wir waren lange zusammen, aber irgendwann wollten wir andere Dinge von der Beziehung, und wir haben uns getrennt... Das war jetzt recht ausführlich, entschuldige, dass ich dich damit so zutexte", fiel ihm auf, als er schon fertig war, und er kratzte sich lachend am Kopf. Irgendwie ... hatten seine Beziehungen alle den einen oder anderen dramatischen Touch gehabt - wenn nicht sogar einen tragischen. "Das... tut mir Leid zu hören", sprach sie leise, als er schließlich das Ende der dritten Beziehung verkündet hatte, ehe sie auf seine Entschuldigung hin den Kopf schüttelte. Natürlich gab es noch die eine oder andere Frage, die sie ihm gerne gestellt hätte, doch hielt sie es nicht für richtig, dies zu tun - zumal die einzelnen Partnerschaften alle irgendwie zu Bruch gegangen waren. Außerdem waren sie keine wirklich 'guten Freunde', sodass sie in dieser Hinsicht hätte weiterbohren können. Wahrscheinlich wäre Aiden es für okay gewesen, wenn sie nachgehakt hätte, doch sie selbst sah es anders und hielt es für besser, es dabei zu belassen. Immerhin würde Jane es nicht unbedingt für gut heißen, wenn er sie über eine Auseinandersetzung mit Logan ausgefragt hätte - wenn es denn eine gegeben hätte. "Und du?“, beschloss sie stattdessen, das Thema von sich abzulenken. „Warst du das ganze Jahr über in Italien oder bist du ebenfalls gereist?" "Ich war eine Weile auf Thailand und in Südkorea, bevor ich wieder nach Europa gekommen bin. Ein paar Monate hab ich in Spanien gearbeitet, dann bin ich ein bisschen Richtung Norden durch Frankreich gezogen, bis ich in Rom angekommen bin. Bevor wir uns gesehen haben, war ich aber erst... Drei Monaten oder so dort." "Du warst tatsächlich in Südkorea?", kam es schmunzelnd über ihre Lippen, da sie sich noch gut daran erinnern konnte, wie sie sich darüber unterhalten hatten und er sie über ihren Aufenthalt dort ausgefragt hatte. Etwas verlegen lachte er und kratzte sich am Kinn. "Jaaa, nachdem du davon erzählt hast, war ich neugierig. Es war auch wirklich schön, aber ich mag Europa trotzdem lieber. In Thailand hatte ich einen kleinen Kulturschock - Davor war ich nämlich lange nicht in Asien." Ihr Schmunzeln wurde ein wenig breiter, fast schon zu einem Grinsen, als er seine Erfahrungen zu Südkorea und Thailand äußerte. Nur zu gerne hätte sie sein Gesicht und seine Reaktion gesehen, als er dort angekommen und herumgeirrt war. Dabei überraschte es Jane überhaupt nicht, dass er Europa bevorzugte, da er - in ihren Augen - eher der Typ dafür zu sein schien. . Ihr Blick schweifte dann wieder zum Korb und sie konnte ein paar sorgfältig eingepackte mit Schokolade überzogene Erdbeeren erblicken. Überrascht nahm sie die hochwertige Schachtel heraus und blickte dann auch ihren Gegenüber an. "Woher wusstest du, dass ich die mag?", wollte die Brünette von ihm wissen, als sie dann schon eine nahm und aß. Kaum hatte sie einen Bissen genommen, erhellte sich ihr Gesichtsausdruck, da es einfach nur unglaublich lecker war und sie es sichtlich genoss. Natürlich erinnerte sie sich noch an den gemeinsamen Ausflug in den Freizeitpark, doch da hatte sie gemischte Schokofrüchte gegessen und nicht explizit erwähnt, dass sie die Erdbeeren ganz besonders mochte. Dass es sich hierbei um Zufall handelte, bezweifelte sie allerdings. Bei ihrer Frage setzte Aiden sich im Schneidersitz hin, um zu sehen, was für eine Box sie überhaupt hatte. Als er es sah, legte er den Kopf schief und schüttelte diesen. "Das wusste ich nicht. Ich fand es nur interessant, dass so etwas als Nachspeise angeboten wird... Da hatte ich wohl Glück", endete er mit einem breiten, selbstzufriedenen Grinsen. Sie hielt beim Griff nach einer zweiten Erdbeere inne. Eigentlich war sie davon ausgegangen, dass er seine 'Hausaufgaben' als ihr persönlicher Stalker geflissentlich nachgegangen und es irgendwie herausgefunden hatte. Dennoch änderte es nichts an der Tatsache, dass er ihren Geschmack voll getroffen hatte und ihr wohl eines der besten Essen beschert hatte, welches sie seit langem gehabt hatte. Um sich ein wenig die Beine zu vertreten, stand er auf und schlenderte zu dem nahegelegenen Teich, durch dessen kühles Wasser er die Finger gleiten ließ. "Übrigens... Am Montag habe ich eine Wohnungsbesichtigung", bemerkte er beiläufig. "Hm?", kam es leise über ihre Lippen, während sie sich kurz über die Lippen leckte und ihm mit ihrem Blick folgte. Für einen Moment schwieg die Jägerin, da ihr erst jetzt wieder bewusst wurde, dass sie dieses Thema in den letzten zwei Tagen gar nicht wieder aufgenommen hatten, obwohl sie über sein Geständnis ziemlich überrumpelt gewesen war - nicht zuletzt wegen Worten, die eine gewisse Zuneigung ihr gegenüber angedeutet hatten. "Das freut mich zu hören... schätze ich?", meinte die junge Frau, wobei sie sich den letzten Teil nicht hatte verkneifen können, da sie nicht wirklich wusste, was sie wirklich von dem Ganzen halten sollte. Zwar hatte sie nun eine gewisse Zeit gehabt, um darüber nachzudenken oder es zumindest sacken zu lassen, doch war die Meinungsbildung diesbezüglich nicht so einfach. Einerseits war sie froh darüber, dass er ausziehen und nicht mehr mit ihr unter einem Dach leben wollte, doch andererseits missfiel es ihr ziemlich, dass er auszog und wahrscheinlich trotzdem in ihrer unmittelbarer Nähe bleiben und es nicht auf zufällige Begegnungen belassen würde. Er lehnte sich an den Rand des Teichs, um zu Jane zurückblicken zu können und fragte: „Hast du eigentlich Liz gesagt, dass ich ausziehe?" "Nein, ich hatte noch keine Gelegenheit dazu. Außerdem empfand ich es als unhöflich von mir, wenn ich dir das vorweggenommen hätte. Ihr... versteht euch ja so gut", erklärte sie ihm nach einem kurzen Kopfschütteln, wobei es in gewisser Weise daran lag, dass sie tatsächlich nicht daran gedacht hatte. Eine Tatsache, die sie gerade ein wenig irritierte und ihr unmissverständlich aufzeigte, dass sie sich wieder soweit an ihn gewöhnt hatte, dass sie seine Anwesenheit Zuhause als fast schon selbstverständlich ansah. Wäre dies nicht der Fall, dann hätte sie ihn schon längst selbst darauf angesprochen und ihn wohl hochkantig aus dem Haus geschmissen. "Gefällt dir das nicht?", wollte Aiden mit hochgezogenen Brauen wissen. "Das wollte ich damit nicht sagen. Es ist vielmehr... ungewöhnlich, das so zu sehen", gab die junge Frau ehrlich zu. Allerdings war das keineswegs verwunderlich, wenn man die Umstände bedachte: Zum einen wurde ihr Vater, also Elizabeths Ehemann, von einem Vampir umgebracht und zum anderen wiederum hatten sie (laut ihren Erinnerungen) noch nie Kontakt mit einem Blutsauger gehabt, sodass es einfach eigenartig war. Zwar empfand Jane die gute Beziehung zwischen Aiden und ihrer Mutter mittlerweile nicht mehr als so negativ wie zu Beginn, doch war noch immer eine gewisse Skepsis und Vorsicht vorhanden, die dazu führte, das Ganze ein bisschen im Auge behalten zu wollen. "Das stimmt schon... Ich habe mich auch gewundert, dass sie mir gegenüber so offen ist. Sie ist ein sehr gütiger und warmherziger Mensch. Ich bin jedenfalls froh, sie kennen zu dürfen", meinte er, fast schon ein wenig demütig, auf jeden Fall aber ziemlich melancholisch. Über seine Aussage betreffend ihrer Mutter nickte sie leicht, wobei sie die Charakterisierung keineswegs überraschte. Schließlich entsprach es der Wahrheit. Elizabeth war durch und durch warmherzig und gutmütig, so dass sie für viele Wesen - ganz egal ob Vampir oder etwas Anderes - ein leichtes Opfer darstellte und umso besser beschützt werden musste. Was natürlich leichter wäre, wenn kein übermenschlicher Stalker sich in ihrer Heimatstadt herumtreiben würde. "Und du bist dir sicher, dass es London sein muss?", wollte Jane daher wissen, da sie wusste, dass sie kein Recht hatte, ihn dazu zu zwingen, woanders zu leben. Dementsprechend versuchte sie es mit einer normalen Frage und ohne ihn gleich mit bösen Worten anzufahren. Möglicherweise würde er es ja überdenken und an einen anderen Ort ziehen. Schließlich war England groß und es gab viele andere Orte, die genauso schön und faszinierend sein konnten wie die Hauptstadt selbst. "Ja." Aiden lächelte nur mitfühlend und nickte, fast ein wenig bedauernd. Für einen klitzekleinen Moment zog sie sogar einen Umzug in Erwägung, doch da sie aufgrund ihrer Ausbildung, Freunde und ihres Nebenjobs praktisch an London gebunden war, verwarf sie diese Idee wieder. Sie sah auch nicht ein, weshalb sie wegen ihm wegziehen sollte, wo er doch derjenige war, der sich so penetrant in ihr Leben einmischte. Außerdem bezweifelte sie, dass ein Ortswechsel ihr irgendetwas bringen würde. Sie hatte die leise Ahnung, dass er ihr wohl auch in eine andere Stadt folgen würde. "Die Universität hat einen sehr guten Ruf und bietet ein paar Studiengänge an, die mich interessieren könnten. Außerdem mag ich die Stadt einfach." "Sogar die gleiche Universität?", fragte die junge Frau mit einer hochgezogener Augenbraue, als er ihr offenbarte, sich erneut ins King's College einschreiben zu wollen und dort zu studieren. Sie konnte nur hoffen, dass seine neue Bleibe nicht nur zwei oder drei Straßen von ihrem Anwesen entfernt war. Immerhin würde dies dem Ganzen noch das Krönchen aufsetzen. Als Aiden auf ihre Frage hin nur nickte, stand Jane auf, klopfte den Staub von ihren Klamotten und schritt ebenfalls zum Teich, um sich neben ihn zu stellen und ebenfalls mit dem Rücken an den Rand zu lehnen. "Und du bist dir wirklich sicher, dass du in der Hinsicht nicht überstürzt handelst? Ich meine ... es könnte so viel schief gehen. Damit meine ich nicht nur das"- Sie machte eine kurze Handbewegung zwischen sich und ihm, um die noch teilweise 'kaputte' und gestörte Beziehung anzudeuten - "sondern generell. Wer weiß, was du woanders sonst noch erleben könntest." Sie wusste, dass ihre Worte wohl ein wenig verzweifelt klingen mochten, doch vielleicht schaffte sie es ja, ihn damit zumindest ein wenig ins Wanken oder Grübeln zu bringen. "Jane…“ Aiden musterte sie mit einer Zärtlichkeit, die ihr ein wenig unangenehm war, bevor er über das Wasser blickte und seine folgenden Worte eine Weile abwägte. „Ich habe alle Zeit der Welt, um etwas anderes auszuprobieren, wenn es mir hier nicht mehr gefällt, aber ich habe nur dein Leben lang Zeit, dich kennenzulernen. Und ich glaube, ich würde es mehr bereuen, das zu verpassen, als irgendetwas anderes." "Du hast mich doch schon kennengelernt - vor einem Jahr", kam es dann etwas frustriert und fast schon anklagend über ihre Lippen, da ihr zunehmend und deutlich bewusster wurde, dass er sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen würde und sie sich wohl oder übel damit abfinden musste. Dementsprechend konnte sie gar nicht anders als zu seufzen. "Nein, vor einem Jahr habe ich dich getroffen. Ich würde mir nie anmaßen, zu behaupten, dass ich alles über dich weiß. Außerdem ist es bestimmt interessant, dich groß werden zu sehen... Obwohl in der Hinsicht wohl schon alles verloren ist", grinste er schief. "Du hast bei mir gewohnt, praktisch jeden Tag an meiner Seite verbracht und mich genervt. Das war nicht nur ein 'Treffen'. Du hast mich damals sehr wohl 'kennengelernt'", entgegnete die Vampirjägerin sofort, wobei sie leicht die Augen verdrehte, als er meinte, dass er nicht alles über sie wusste. Wieso sollte er denn bitte schön auch? Er hatte keinen ersichtlichen Grund dazu - außer eben, dass sie seiner Verflossenen so ähnlich und ihre Nachfahrin war. Kein wirklich guter, sondern vielmehr ein nerviger Grund, wie sie fand. Na ja, kann schon sein, dass ich dich kennengelernt habe, aber das reicht mir nicht", gab er ganz offen zu. „Und ich weiß wirklich nicht, wieso du nicht verstehst, dass ich dich einfach interessant finde.“ Wahrscheinlich war es eine rein instinktive Abwehrreaktion der Brünetten, die dazu führte, dass sie grundsätzlich so misstrauisch war und nicht wirklich glauben bzw. wahrnehmen konnte, dass man sie für 'interessant' erachtete. Jedoch war das in seinem Fall deutlich prekärer. Zum einen war er ein Vampir und gehörte so der Rasse an, die ihr überaus verhasst war und zum anderen hatte er sie auf der persönlichen Ebene verletzt beziehungsweise sitzen gelassen. Zwar hatte er sich zum Letzteren erklärt, doch war noch immer ein gewisser Zweifel tief in ihr verankert und wollte so schnell nicht mehr weichen. Dementsprechend glaubte die Jägerin immer noch irgendwie daran, dass er das alles nicht nur aus purem und reinem Interesse, sondern womöglich aus anderen, unschöneren Motive tat. "Und wieder übergehst du meine Meinung dazu...", merkte sie leise murmelnd und mit einem vorwurfsvollen Unterton an, als er meinte, dass das Wissen über sie noch nicht reichte. "Fein", gab sie sich schlussendlich geschlagen, weil ihr nichts anderes übrigblieb. "Aber versuch dich ein wenig zurückzuhalten, was das Stalking angeht." Er lachte leise und wuschelte ihr durch die Haare. "Ich tue mein Bestes." Sie wich einen Schritt zurück, als er ihr durch die Haare wuschelte und sah ihn böse an, bevor sie sich daran machte, diese wieder ein wenig zu richten. Schließlich wollte sie nicht wie eine Vogelscheuche herumlaufen. Apropos, herumlaufen ... Ihr Blick schweifte dann wieder über die wunderschöne und friedliche Gegend, die sie gerade umgab und ihr kam in den Sinn, dass die Zeit hier drin nur begrenzt war. "Wie lange hast du den Ort gemietet? Drei Stunden, oder?", wollte sie von ihm wissen, bevor sie zur Uhr sah und bemerkte, dass ihnen nicht mehr allzu viel Zeit blieb. "Da diese bald um sind, würde ich vorschlagen, wir packen den Rest des Picknicks zusammen und schauen uns noch ein wenig um. Es gibt so einige Dinge, die ich mir hier noch gerne ansehen würde." Sie räumten zusammen, bevor sie sich auf den Weg durch den botanischen Garten machten. Dabei blieb sie immer mal wieder stehen, um die exotischen Pflanzen genauer zu betrachten oder über die schönen Blumen zu staunen. Bei dem Spaziergang vermisste Jane ein wenig die Ruhe, die sie in dem abgeschiedenen Bereich gehabt hatten, aber sie war froh, dass Aiden nicht das ganze Gebäude gemietet hatte – was sie ihm inzwischen sogar beinahe zutraute. Als die Zeit schließlich um war, kehrten sie zu Janes Wagen zurück, mit dem sie nach Hause fuhren. Die Sonne näherte sich bereits dem Horizont, aber noch hatte der Feierabendverkehr nicht eingesetzt, sodass sie verhältnismäßig flüssig durch die Stadt kamen. Als er geparkt hatte und sie ins Haus gingen, fragte Aiden leicht besorgt: "Ich hoffe, es hat dir gefallen?" Dabei konnte sie einen leicht besorgten Ausdruck in seinem Gesicht sehen, worauf sie schwach, aber liebevoll lächelte. Ohne etwas zu sagen, winkte sie ihn mit der Hand zu sich und gab ihm so zu verstehen, dass er sich zu ihr runterbeugen sollte. Nachdem er ihrer stillen Aufforderung gefolgt und nah genug war, stellte sie sich ein wenig auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen kleinen Kuss auf die rechte Wange. "Obwohl ich mir gewünscht hätte, dass die Überraschung kleiner ausgefallen wäre, war es ein wirklich schönes und einzigartiges Geschenk", versicherte sie ihm weiterhin lächelnd, bevor ein leises, aber aufrichtiges 'Danke' folgte und sie sich daran machte, ins Haus zu kommen. Immerhin hatte sie noch eine Verabredung mit ihren menschlichen Freunden vor sich. Kapitel 11: Zeichen der Zeit ---------------------------- Während der folgenden Tage kümmerte der Hausgast der McCollins sich wie versprochen um eine neue Bleibe und informierte darüber auch Elizabeth. Trotzdem dauerte es noch ein paar Wochen, bis er umziehen konnte, denn eine geeignete Unterkunft in London zu finden, war nicht so leicht. Schließlich beschloss Aiden, die erstbeste Wohnung zu nehmen, die ihm zugesagt wurde, und von dort aus etwas Passenderes zu suchen. In der Zeit hatte er eine Stelle als Aushilfe in einem Supermarkt gefunden, und suchte gleichzeitig den Antiquitätenvampir. Allerdings machte er nur langsame Fortschritte in dieser Angelegenheit: Ihr Plan, den Dieb durch ihre Ankündigung aus der Reserve zu locken, scheiterte daran, dass der Kunstsammler den Großteil seiner Besitztümer davon geschafft hatte, und danach hatte das Jäger-Trio wenige Ideen, wie sie weiter vorgehen sollten. Die Suche rückte für ein paar Tage in den Hintergrund, als der Tag des Umzugs vor der Tür stand. Bis auf ein paar Kleidungsstücke und sein Waschzeug war bereits alles in der neuen Bleibe untergebracht, als er sich im Flur von seinen beiden Gastgeberinnen verabschiedete. Zuvor hatte er noch zwei Geschenke aus seinem Zimmer geholt, und das erste gab er Elizabeth, nachdem er sie kurz umarmt und ihr für ihre Gastfreundschaft gedankt hatte; auf einer Schachtel Pralinen waren zwei Konzertkaten befestigt. "Ich hoffe, die Musik sagt dir zu", lächelte er etwas verlegen, bevor er sich an Jane wandte. Dabei konnte er bereits im Voraus ein schiefes Grinsen nicht unterdrücken, als er ihr den kleinen Geschenkkorb überreichte, den er ihr vorbereitet hatte. Darin befand sich eine CD mit Walgesängen, ein Entspannungsbad, Duftkerzen, eine Teesorte namens ‚Seelenfrieden‘ und eine Familienpackung Baldriantropfen. Außerdem, ganz am Boden versteckt, ein Massagegutschein, aber wenn sie dieses ernstgemeinte Geschenk gesehen hätte, wäre es wohl kaum noch so lustig (Und sie hätte es, angesichts ihres Geburtstagsgeschenks, wohl kaum angenommen). "Ich hoffe, das hilft dir ein wenig, damit fertig zu werden, dass ich weiterhin in London lebe", erklärte er, wobei er fast über seinen eigenen Witz grinsen musste. "Sehr witzig", kommentierte Jane augenverdrehend und hätte ihm das Geschenk offensichtlich am liebsten gleich gegen seinen Kopf geknallt. "Meine Entspannung und mein Seelenfrieden folgt automatisch mit deinem Auszug. Das wäre also nicht nötig gewesen", meinte die Brünette, wobei sie sich dennoch leise seufzend bei ihm dafür bedankte. Aiden wuschelte ihr liebevoll durchs Haar, woraufhin sie ihn mürrisch anschnauzte. Ihre kleine Kabbelei wurde allerdings von Elizabeth unterbrochen, die erklärte: "Egal, was Jane sagt. Du kannst jederzeit wieder hier einziehen, wenn du erneut eine Bleibe brauchst und nicht weißt, wohin du gehen sollst", worauf Jane nur eine wegwerfende Handbewegung machte. In der Hinsicht konnte Jane wirklich unbesorgt sein; er bedankte sich zwar aufrichtig bei ihrer Mutter, würde aber nie auf das Angebot zurückkommen. Immerhin war das hier kein Hotel, und er hatte ihre Gastfreundschaft wirklich lange genug ausgenutzt. Die recht schroffe Verabschiedung seiner ehemaligen Mitbewohnerin brachte ihn nur zum Schmunzeln, dann wandte er sich ab, um endgültig sein neues Heim zu beziehen. Auch für Aiden war die folgende Zeit sehr ruhig verlaufen. Er hatte Jane ab und zu besucht, sich aber größtenteils in sein neues Leben eingefügt. Dabei musste er zugeben, dass es komisch war, plötzlich auf seine beiden Mitbewohnerinnen verzichten zu müssen. Es hatte ihm, nach all der Zeit, gefallen, nicht immer alleine zu sein, wenn er nach Hause kam, und jetzt musste er sich erst wieder damit arrangieren. Wie zu erwarten gewesen war, schaffte er das aber ziemlich gut - genug Erfahrung hatte er ja. Hin und wieder sah er Jane zwar, ließ sie aber größtenteils in Ruhe, wenn es nicht gerade um Recherchen bezüglich des Einbrechers ging; diesen zu fassen, hatte er nach wie vor fest vor. Ansonsten kam er gut mit seinen neuen Kollegen zurecht und beschäftigte sich viel mit der Überlegung, war er denn nun studieren sollte. Er führte nach wie vor Kontrollgänge bei den McCollins durch, entspannte sich aber mit der Zeit deutlich, als er nichts finden konnte. Anscheinend hatte sich weder der Antiquitäten Vampir noch sonst eine seiner Artgenossen in der Nähe des Anwesens aufgehalten. So vergingen zwei weitere Wochen, bis zu dem Vormittag, an dem Aiden vor dem Haus der beiden Damen stand, ohne die Tür geöffnet zu bekommen. Er war ein wenig verwirrt, weil das, trotz der unfreundlichen Verabschiedung, noch nie passiert war. Elizabeth war nicht da, das sah er an ihrem fehlenden Wagen, aber erstens war Janes Auto da und zweitens konnte er riechen, dass sie sich im Haus aufhielt. Wäre Logan bei ihr gewesen, hätte er ja verstanden, dass sie ihre Zweisamkeit genießen wollte, aber das war scheinbar nicht der Fall. Vielmehr bildete er sich ein, den Geruch ihres Blutes wahrzunehmen - seine Reißzähne, die gegen die Lippen pressten, sprachen sehr für diese Einschätzung. Alarmiert versuchte er, Jane auf dem Handy und am Festnetztelefon zu erreichen, bekam aber auf beiden Wegen keine Antwort. Er zögerte kurz, weil er ihr ja versprochen hatte, "das Stalking herunterzufahren", betrat dann aber den Garten und lief zu der Stelle, an der er ihr Zimmer wusste. Ein kurzer Seitenblick, schon war er die Wand empor geklettert und stand auf der kleinen Terrasse. Ihm war bewusst, dass er hier eigentlich nichts zu suchen hatte, weshalb er etwas zögerte, bevor er näher trat. Der Anblick, der sich ihm bot, schockierte Aiden über alle Maßen. Sie weinte. Jane weinte. Er hatte sie noch nie so gesehen, nicht mal, als sie herausgefunden hatte, dass sie sich in Richards Identität getäuscht hatte. In dem Moment war ihm vollkommen egal, was sie von ihm dachte, er wollte nur zu ihr, sie in den Arm nehmen und trösten. "Jane", rief er und klopfte gegen das Fenster. Sie war natürlich alles andere als begeistert, ihn zu sehen, doch das war ihm gleich. Ihm fielen Aiden Janes Verletzungen im Gesicht und am Rücken auf, und seine Züge verhärteten sich abrupt. "Was ist passiert? Wer hat das getan? Ist Liz ok?", fragte er entsetzt weiter, da das für ihn ein schlüssiger Grund war, warum sie so aufgelöst war. "Bitte...", fügte er leiser hinzu, als sie ihn wegschickte. "Meiner Mutter geht es gut", stellte sie sofort klar und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei vermied sie es, ihn anzusehen und blickte zur Seite, zum Fenster hinaus. "Ich konnte den verrückten Kunstliebhaber ausfindig machen und beseitigen. Der Fall ist somit abgeschlossen und erfordert keine weiteren Recherchen. Du brauchst dich also nicht weiter damit auseinanderzusetzen", fuhr sie in mit monotoner Stimme fort, bevor sie eine schwache, wegwerfende Handbewegung machte. "Dein Besuch heute ist demnach unnötig. Du kannst wieder gehen." Kaum hatte sie die Worte gesprochen, wandte sich wieder von ihm ab und schritt zur Tür, um diese zu öffnen und ihm damit zu verstehen zu geben, dass er gehen sollte. "Komm schon“, drängte Aiden. „Ich habe dir zwei Monate lang geholfen, da habe ich wohl etwas mehr verdient als ein: ´Es ist vorbei`. Vor allem, wenn du hier sitzt und aussiehst wie der Tod selbst." Seine Gefühle waren natürlich Wesentlich liebevoller und besorgter, als er jetzt gerade sprach, aber auf seine Sorge reagierte sie ja nicht. Viel lieber, als sie so unter Druck zu setzen, hätte er sie in den Arm genommen, aber wahrscheinlich hätte er dann einen Schlag in die Magengrube kassiert. Vermutete er zumindest, denn weil er sie noch nie so gesehen hatte, erschien sie ihm gerade unberechenbar. Ihr Blick schien ins Leere gerichtet und fixierte keinen klar ersichtlichen Punkt, was sie noch apathischer wirken ließ. Ein paar Tränen, die ihre Wangen runterrannten, zeugten davon, dass sie momentan tatsächlich trauerte oder Schmerz verspürte. "... Er hat Logan entführt und ich ... bin allein losgezogen, um ihn zur Strecke zu bringen", fuhr Jane leise fort und wandte sich langsam von Aiden ab. "Ich habe ihn in Gefahr gebracht. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte er so etwas nie durchmachen müssen... Nur wegen mir...", sprach sie halb erstickt weiter, wobei sie eine Hand auf ihre Lippen legte und versuchte, den aufkommenden Schluchzer zu unterdrücken. "... ich kann ... ich konnte ihm das nicht weiter antun. Er sollte ein normales Leben führen und nicht eines mit mir - mit ... diesen Gefahren." Nach dieser recht unzusammenhängenden Erzählung verließen sie wohl die Kräfte, denn als sie zum Bett gehen wollte, um sich zu setzen, geriet sie ins Wanken und stürzte. Sofort war Aiden neben ihr, richtete sie ein wenig auf, legte die Hand auf ihren Rücken und ihre andere Hand in seine. Gerade dachte er nicht mal daran, dass sie sich für diese Geste nicht annähernd nahe genug standen, er wollte ihr einfach Halt geben. „Was genau ist passiert, Jane?“, fragte Aiden sanft nach, während er der jungen Frau half, sich auf ihr Bett zu setzen. Es dauerte eine Weile, bis sie es schaffte, sich zu sammeln, doch dann holte sie tief Luft und erzählte die ganze Geschichte. Jane Die Suche nach dem Antiquitäten-Vampir frustrierte Jane zunehmend. Sie war sich sicher gewesen, dass der Plan mit dem Räumungsbescheid brillant war und funktionieren würde, weil alles perfekt ausgetüftelt war. Als sich kurz darauf herausstellte, dass die Sache nicht so einfach war, war die Brünette zunächst natürlich wütend und enttäuscht, doch versuchte sie fieberhaft, eine andere Lösung zu finden, um den Verrückten endlich in die Finger zu kriegen. Dies erwies sich jedoch als sehr schwierig und bedurfte einiges an Zeit, sodass es noch keine neuen Erkenntnisse gab, als sie sich körperlich erholt hatte und offiziell wieder als Jägerin ihren eigentlichen Tätigkeiten nachgehen durfte. Doch selbst im Vollbesitz ihrer Kräfte fand Jane keine heiße Spur, weshalb sie sich dazu entschied, vorerst die Füße still zu halten und sich mit den Informationen vertraut zu machen, die laufend in den Zirkel gespült wurden und sich anschließend auf den Weg zu machen, wenn sich etwas neues ergeben sollte. Doch die ruhige Zeit, die nach dem Auszug ihres unfreiwilligen Mitbewohners angebrochen war, endete jäh an einem Freitagabend. Sie hatte es sich gerade in ihrem Zimmer gemütlich gemacht, um vor dem Schlafengehen noch etwas zu lesen, als ihr Handy klingelte. Lächelnd begrüßte sie den Anrufer: „Hallo, Logan.“ „Hallo, Schatz!“, rief er lauter als nötig. „Was machst du?“ „Ich bin schon im Bett“, erklärte Jane schmunzelnd und lehnte sich zurück. Sie wusste, dass ihr Freund mit seinen Kumpels unterwegs war, und war daher nicht überrascht, dass er angetrunken war. „Wo bist du? Seid ihr schon auf dem Heimweg?“ „Nö, wir wechseln gerade die Bar… Sei still, Toby“, unterbrach er sich, als einer seiner Freunde im Hintergrund etwas anzügliches rief. Schritte waren zu hören, dann wurde es etwas ruhiger um Logan, der sich offenbar von der Gruppe entfernt hatte, bevor er erklärte: „Ich wollt nur deine Stimme hörn.“ Gerührt fuhr Jane sich durch die Haare. „Okay… Das hast du ja jetzt. Du solltest deine Freunde nicht warten lassen.” „Mach ich nich… Was machst du?“ Er zögerte und lachte, als ihm einfiel: „Nein, warte, das hab ich schon gefragt, oder?“ Janes Meinung nach hätte er ihr alles drei Mal erzählen können, denn sie freute sich einfach, dass er betrunken an sie gedacht hatte. Sie plauderten noch ein wenig über Belanglosigkeiten, wobei der jungen Frau auffiel, wie kitschig und anhänglich ihr Freund wurde, wenn er angetrunken war. Dann näherte sich die Gruppe der Partygänger dem nächsten Club und es wurde Zeit, aufzulegen. „Übertreib nicht und pass auf dich auf. Und schreib mir nachher, wenn du zu Hause bist.“ „Mach ich“, versprach Logan, bevor er lauter hinzufügte: „Weißt du eigentlich, dass ich dich liebe?“ Da sie wusste, dass er sich gerade unter einer Horde betrunkener Männer befand, die alkoholbedingt zu Testosteronüberschuss neigten, wusste sie diese Worte besonders zu schätzen. Sanft lächelnd flüsterte Jane: „Was für ein Glück. Ich liebe dich nämlich auch“, bevor sie ihm viel Spaß wünschte und auflegte. Sie kuschelte sich in ihr Bett und schlief mit einem warmen Gefühl in der Magengegend ein. Bereits knapp zwei Stunden später wachte sie von dem Geräusch einer eingehenden Nachricht auf. Stöhnend tastete Jane nach dem Handy und musste ein paar Mal blinzeln, bevor sie den Namen lesen konnte. Er hatte ihr ein Foto geschickt, das sie im Miniaturformat nicht richtig erkennen konnte, sodass sie den Chat öffnete – und erstarrte, als sie ein groteskes Bild erblickte, auf dem Logan ohnmächtig in einem magentafarbenen Bademantel und Sarkophag zu sehen war. Trotz ihres schlaftrunkenen Zustandes brauchte die junge Frau nicht lange zu raten, wer hinter diesem makabren Scherz steckte. Nur ein Feind konnte auf so eine Idee kommen und ihren Freund in eine solch hässliche Garderobe stecken. Zwar sah das Szenario verdammt lächerlich aus, doch überwog die Sorge um ihren Freund und die Wut auf den Dieb so sehr, dass sie sich gar nicht fragte, weshalb der Antiquitäten-Vampir Logan einen Teil seiner Kleidung überlassen hatte. Sie war bereits aus dem Bett gesprungen, während sie Logans Nummer anrief. Wie erwartet, hob der Feind ab. „Fräulein McCollins“, begrüßte sie eine helle Männerstimme. „Was für eine Ehre…“ „Wo ist er?“, knurrte Jane, die nicht vorhatte, sich mit Plänkeleien aufhalten zu lassen. „Ihr persönlicher Schatz, den ich genauso geraubt habe wie Sie den meinen?“ Zuerst hatte er leise gesprochen, doch jetzt wurde seine Stimme mit jedem Wort lauter und höher. „Sie sind eine dreckige, kleine Diebin! Sie sind Schmutz! Sie…“ „Wo. Ist. Er?“, betonte die Vampirjägerin und schlug auf ihren Schreibtisch vor Ungeduld. Der Zorn loderte wie Feuer in ihrer Brust, und sie wollte diesen Verrückten genauso brennen sehen. „Das werde ich Ihnen sagen, sobald ich meine Schätze wiederhabe.“ „Das kann ich nicht“, erklärte Jane, die den Laptop eingeschaltet hatte, um Logans Handy zu orten. Sie starrte auf die Karte Londons und fluchte, als ein Fragezeichen erschien, denn das bedeutete, ihr Freund befand sich an einem unterirdischen oder schallwellengeschützten Ort – und vor allem, dass sie ihn ohne die Hilfe dieses Irren nicht finden konnte. „Das Diebesgut…“ „Es ist kein ´Diebesgut`, sondern mein rechtmäßiger Besitz!“, kreischte der Kunstsammler, doch Jane ignorierte ihn. „Das Diebesgut wurde von der Polizei beschlagnahmt und wird unter hohen Sicherheitsvorkehrungen untersucht. Ich habe keinen Zugriff darauf.“ „Du miese kleine Lügnerin!“ Seine vor Wut noch schrillere Stimme überschlug sich fast und er schlug hörbar auf einen hohlen Gegenstand ein, bevor er kreischte: „Na schön! Dann kannst du dir deinen Liebling wieder abholen – in Stückchen!“ Bevor Jane noch etwas sagen konnte, wurde die Verbindung unterbrochen. Sie brüllte auf und wählte Logans Nummer, doch der Vampir ging nicht hin. Panik kroch in Janes Magen hoch und lähmte sie. Logan war in Gefahr – ihretwegen. Sie hatte so hart gearbeitet, um ihre Familie vor Monstern wie diesem zu beschützen, und doch war es einem von ihnen gelungen, einen der wichtigsten Menschen in ihrem Leben in seine Gewalt zu bekommen, und sie konnte absolut nichts tun… Bevor sie einen Plan zurechtlegen konnte, zeigte das Handy erneut eine SMS an mit dem Link zu einer Google Earth Adresse. Noch während sie die Seite öffnete, bereitete Jane sich für den Kampf vor. Sie hatte gerade den Pyjama abgestreift, als Koordinaten sich öffneten, und hielt mit gerunzelter Stirn inne. Als sie auf die Markierung klickte, stellte sie jedoch fest, dass ihre Augen sich nicht getäuscht hatten: Der Antiquitätenvampir hatte ihr die Adresse des British Museum geschickt. Er hielt Logan allem Anschein nach tatsächlich in der Ausstellung über das Alte Ägypten gefangen Für den Moment verdrängte sie die groteske Vorliebe ihres Widersachers, während sie sich bis an die Zähne bewaffnete. Als sie ihr Zimmer fünf Minuten später verließ, brannten Janes Augen vor Zorn. Trotz ihres langjährigen Trainings war die junge Frau in dem Moment nicht dazu in der Lage, ihre Gefühle zu zügeln. Zwar hatte sie einige Fortschritte gemacht und weniger Unfälle auf der Jagd gebaut, die größere Folgen hatten, doch das lag einerseits an Gabriel, andererseits hatte es seit etwa einem Jahr keinen Angriff auf ihr nahestehende Personen gegeben, sodass es keinen Grund gegeben hatte, die Nerven zu verlieren. Da nun aber Letzteres zutraf und Gabriel nicht da war, raste die Vampirjägerin in einem ungesunden Tempo über die Straßen Londons, um so schnell wie möglich zum Museum zu gelangen. Dabei rief sie bei Eldric an, um ihn über den bevorstehenden Kampf zu informieren - ohne ihm jedoch die genaueren Umstände mit Logan zu erläutern. Stattdessen bat sie ihn, das Sicherheitssystem des Ausstellungsgebäudes lahmzulegen, damit sie ohne Umschweife einbrechen konnte. Sie konnte hören, dass ihr Mentor sich Sorgen machte, der ahnte, dass mehr dahinter steckte, doch bevor er tiefer darauf eingehen konnte, würgte sie ihn ab. Sie hatte jetzt weder Zeit noch Nerven, Fragen zu beantworten. Natürlich konnte sie nicht einfach durch den Haupteingang spazieren, sodass sie sich unterwegs auf ihrem Navigationssystem einen Überblick über die Umgebung des Museums verschaffte. Rasch entdeckte sie den Hintereingang auf der Montague Place Straße, der wie geschaffen für ihre Zwecke schien. Sie parkte ein paar Blocks entfernt, prüfte ihre Waffen ein letztes Mal und machte sich auf den Weg. Gegenüber dem Museum befanden sich Arbeitszimmer einer Bibliothek, denen Jane misstrauische Blicke zuwarf. Allerdings waren alle Fenster zu dieser nächtlichen Stunde dunkel, sodass sie sich dem – immer noch recht auffälligen – Hintereingang des British Museum widmete. In die Backsteinfassade waren Goldlettern eingelassen, welche die junge Frau jedoch ignorierte, denn in dem Moment erhielt sie die Bestätigung von Eldric, dass die Alarmanlage ausgeschaltet war. Ohne zu zögern trat die Brünette auf die wuchtige Tür zu, wobei sie eine portables Gerät aus dem Rucksack zog, welches sie an das Schloss hielt. Innerhalb von Sekunden war ein Klicken zu hören, sodass sie die Tür aufschieben und vorsichtig eintreten konnte. Natürlich war der Eingangsbereich dunkel, da um die Uhrzeit keine Besucher erwartet wurden. Erst aus dem nächsten Ausstellungsraum drang schwaches Licht, welches die Exponate erhellte. Um keinen Nachtwächter auf den Plan zu rufen, unterließ sie es, das Licht einzuschalten und schlich vorsichtig und mit einer kleinen Taschenlampe voran. Außerdem wollte sie ihre Beute nicht früher als nötig auf sich aufmerksam machen. Es reichte schon, wenn er sie wittern konnte. Dank des Sarkophags wusste Jane, dass sie die Abteilung über Ägyptologie suchen musste, allerdings hatte sie keine Ahnung, wo diese sich befand, und während sie suchte, verging für Logan Sekunde um Sekunde in der Hölle. Verdammt, am liebsten hätte sie diesen Bekloppten in eine Pyramide eingemauert und diese über ihm zum Einsturz gebracht. Sie hatte sich gerade durch ein Gewirr an Ausstellungsstücken aus XY vorbeigeschoben, als eine etwas größere Tür sie innehalten ließ. Der Raum dahinter war stärker beleuchtet, und nach kurzer Orientierungslosigkeit wusste sie, dass es sich um das Atrium handelte. Jane zögerte. Dort gab es zwar mit Sicherheit eine Übersichtskarte, doch der Raum war so groß, dass sie beinahe ungeschützt wäre. Andererseits wusste ihr Feind bereits, dass sie hier war, also kam es nicht mehr darauf an, beschloss sie, als sie die Waffe zog und sich in die Haupthalle schlich. Ihr ganzer Körper war angespannt, als sie vorsichtig den Rundbau in der Mitte der gigantischen Halle umkreiste. Sie versuchte, so leise wie möglich zu sein und gleichzeitig auf jedes Geräusch zu achten. Schließlich entdeckte sie die gesuchte Tafel und fluchte leise, denn es gab zwei Bereiche für Ägyptologie, eine im Erdgeschoss, eine im ersten Stock. Gerade, als sie sich dazu entscheiden wollte, ein Stockwerk höher zu gehen, ließ sie ein flackerndes Licht am Ende des Ganges innehalten, welches ihr verdächtigt erschien. Wachsam näherte sich die junge Frau dem Saal, der sich mit ägyptischer Geschichte befasste. Das Gefühl, die schummrig beleuchteten Statuetten würden sie beobachten, ließ die Vampirjägerin nicht los, während sie sich vorsichtig von Exponat zu Exponat schob. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, während sie versuchte, den Sarkophag aus dem Foto wiederzuerkennen. Die meisten Ausstellungsstücke befanden sich in gläsernen Schaukästen, damit die Besucher sie nicht berührten. Selbst einem Vampir wäre es nicht ohne weiteres möglich gewesen, sein Opfer dort hinein zu legen. Doch etwa auf der Hälfte des Raums entdeckte Jane ein erhöhtes Podest, von dem aus man in einen ägyptischen Sarg blicken konnte – einen Sarg, der sich nicht in einer Vitrine befand. Sofort beschleunigten sich ihre Schritte, doch bevor sie ihn aber erreichen konnte, wurde sie umgerissen und landete schmerzhaft mit dem Gesicht voraus auf dem Boden. Ein pochender Schmerz pulsierte von ihrer Schläfe über das ganze Gesicht der Jägerin und ein salziger Eisengeschmack machte sich in ihrem Mund breit. Ihre Lippe war aufgeplatzt und blutete - kein angebrachter Umstand, wenn man die Tatsache betrachtete, dass ein verrückter und bestialisch-blumig stinkender Vampir über ihr stand. Er drückte sie erbarmungslos mit dem Fuß auf den Boden, weshalb ihr die Luft zum Atmen wegblieb. Sie versuchte sich von ihm zu lösen, schaffte es jedoch nur kurz zu ihm aufzublicken, wobei sie sich im Nachhinein wünschte, dies nicht getan zu haben. Aus ihrer Positionen sah sie direkt unter seinen königsblauen Schlafrock und entdeckte schneeweiße Unterhosen. "Dachtest du etwa, dass es so einfach sein wird?! Ihr habt meine geliebte Sammlung zerstört! Meine, jahrelange Arbeit war wegen euch umsonst!", quiekte der Vampir in einem Mix aus schrillem Geheule und Knurren. Der Weißhaarige beugte sich zur ihr runter, legte mehr Gewicht auf sein mit den goldenen Crocs versehenen Fuß, woraufhin Jane nach Luft japste. Verdammt, sie hatte aus Sorge um Logan ihre Umgebung nicht genug im Auge behalten wie eine blutige Anfängerin. Ihr war vollkommen die Kontrolle entglitten, und wenn sie es nicht schaffte, sie zurückzuerlangen, war es nicht nur mit ihr zu Ende, sondern auch mit ihrem Freund – und es wäre ganz alleine ihre Schuld. „Dachtest du im Ernst…?“, wollte der Freak sich seiner Inszenierung weiter hingeben, als Jane die Hand blitzschnell zu ihrem Gürtel schob. Sie ignorierte den Schmerz, als ihr Feind dafür fester auf sie trat, und drückte einen Knopf, der einen Schalter an ihrem Riemen umlegte, sodass ein silberner, im Elixier getränkten Pfeil herausschoss. Der Vampir duckte sich lediglich zur Seite, doch die Gewichtsverlagerung reichte der Jägerin, um sich mit Kraft vom Boden zu stemmen, um ihn von sich zu werfen. Noch während sie sich einige Meter zurückzog, warf sie zwei Messer auf den Angreifer, sodass er ihr nicht gleich nachsetzen konnte. Ein ohrenbetäubender Schrei zerriss die nächtliche Stille des Museums und ließ Jane herumwirbeln. Sie sah gerade noch, wie der Kunstsammler sich den Pfeil aus dem Oberschenkel zog. Der andere war ins Leere gegangen, doch Anbetracht der Tatsache, dass sie nicht wirklich gezielt hatte, schlich sich ein zufriedenes Lächeln auf Janes Lippen. Sie bekam die Situation langsam wieder unter Kontrolle, ausgezeichnet. Ein Griff an die Seitentaschen ihres Rucksacks und sie hatte ihre Messer in der Hand – gerade noch rechtzeitig, um den Vampir abzuwehren, der sich mit einemlautstarker Aufschrei auf sie stürzte. Sie schlug nach seinen Klauen, doch die Bestie wirbelte herum und erwischte sie von hinten. Zum Glück konnte Jane sich gerade noch ducken, sodass ihr Oberteil teilweise zerfetzt wurde, ihr Rücken jedoch lediglich eine Kratzwunde davontrug. Sie ignorierte den Schmerz, denn sie musste bereits den nächsten Angriffen ausweichen. Aufgrund der Wucht stolperte sie und ging zu Boden. Sie schaffte es, sich mit der Hand abzustützen und sich sofort zur Seite zu rollen, um sich vor den weiteren Übergriffen in Sicherheit zu bringen, musste dieses Glück aber mit einem stechenden Schmerz bezahlen, der ihr vom Handgelenk den Arm hochfuhr. Beim Abrollen war sie falsch aufgekommen, und sie konnte nur hoffen, dass der Schmerz lediglich von einer Prellung und nicht von einem Bruch herrührte. So oder so schwächte die Verletzung sie, und Jane wusste, dass sie den Kampf bald beenden wollte, wenn sie eine Chance gegen ihren übermenschlichen Feind haben wollte. Und etwas anderes war nicht denkbar, denn nicht nur ihres, sondern vor allem Logans Leben hing von ihrem Sieg ab. Dieser setzte sich gerade in seinem Sarg auf, wie Jane aus dem Augenwinkel bemerkte. Ihr wäre es lieber gewesen, ihr Freund wäre geduckt geblieben, sodass die Aufmerksamkeit des Antiquitäten-Vampirs nicht auf ihm lag, doch gleichzeitig war sie erleichtert, ihn wach zu sehen. Allerdings konnte sie sich ihrer Freude nicht lange hingeben, denn ihr Feind stürzte sich wieder auf sie. Gerade noch schaffte sie es, sich zur Seite zu drehen, wobei sie jedoch sah, wie seine rasiermesserscharfen Klauen einige ihrer Haare drastisch kürzten. Reflexartig riss sie das Bein hoch und rammte dem Vampir das Knie in den Rücken. Einen Menschen hätte der Tritt bewegungsunfähig gemacht, doch die Kreatur taumelte nur in die nächste Vitrine, an der sie sich abstützen konnte, und fauchte Jane an. "Das wirst du mir büßen, kleine Jägerin!", fuhr der Antiquitäten-Vampir seine Gegnerin an. Unbeeindruckt griff Jane nach einer etwa fünf Zentimeter dicken Scheibe mit einem zehn Zentimeter Durchmesser, welche sie auf ihn schleuderte. Mit Leichtigkeit duckte er sich weg, lachte hämisch und ging wieder zum Angriff über, doch Jane hatte gesehen, wie die Platte an der Wand befestigt hatte und war zufrieden. Jetzt musste sie den Verrückten nur noch im richtigen Winkel zu positionieren. „Versuch´s doch“, sagte sie provokativ und ließ ihre Messer einmal in den Händen wirbeln, bevor sie zum Angriff überging. Zunächst schaffte sie es, den Antiquitätensammler ein paar Schritte zurückzudrängen, doch er erholte sich schnell und stürzte sich seinerseits auf Jane. Die Jägerin wich ein paar Schritte zurück, duckte sich unter den Krallen der Bestie weg und tänzelte zur Seite, immer gefolgt von seinen Angriffen und Flüchen – bis sie es schließlich geschafft hatte, in mit dem Rücken zur entsprechenden Wand zu positionieren. Janes Hand schnellte zu ihrem Gürtel, an dem eine Fernbedienung befestigt war, und drückte einen roten Knopf darauf. Ihr Gegner stürzte sich gerade mit neuem Elan auf die junge Frau, als die Scheibe mehrere silberne, in Elixier getauchte Patronenhülsen abfeuerte, die sich durch den Rücken in ihren Gegner bohrten. Der durchlöcherte Vampir gab einen erstickten Schrei von sich und machte einen kraftlosen Schritt in Janes Richtung, doch seine Muskeln trugen ihn nicht mehr. Zu ihren Füßen ging er in die Knie, versuchte röchelnd, durch seine punktierte Lunge zu atmen, doch jeder Atemzug schien ihm mehr Flüssigkeit aus dem Körper zu ziehen. Obwohl Jane bereits gesehen hatte, wie ein Vampir beinahe vertrocknet war, war es kein schöner Anblick, wie seine Haut schrumpfte und das Gesicht langsam skelettartig wurde. Der Sterbende kroch ein paar Zentimeter auf sie zu, doch als sein flackernder Blick auf die Reliquien um ihn herum fiel, änderte er die Richtung. Er robbte auf eine Vitrine zu, die er fast liebevoll streichelte, bevor er mit einem röchelnden Atemzug zwischen den Schätzen verendete, die er so sehr begehrt hatte. Erleichtert und völlig außer Atem blickte die junge Frau ihn an, ehe sie sich durch die Haare fuhr und sich umsah. Gottseidank war bei dem Kampf nichts kaputtgegangen. Einzig die Scheibe, die sie in die Wand gerammt hatte, hatte kleine Löcher hinterlassen, doch das würde vermutlich niemand auffallen. Mit dem Gerät in der Hand wandte sie sich um, um Logan zu befreien – und sah, dass dieser sie beobachtete und womöglich alles mitangesehen hatte. Für ein paar Sekunden starrte sie ihn mit geweiteten Augen an, versuchte jedoch schnell, ihre Fassung zurückzuerlangen und schritt zu ihm, damit sie die Seile um seine Gelenke durchschneiden konnte. Keiner der beiden wusste, was er sagen sollte, sodass Jane ihrem Freund schweigend aus dem Sarkophag half. „Jane, was… Ich… Was war das?“, brachte der deutlich mitgenommene Logan schließlich hervor, indem er auf die Umgebung, insbesondere die vertrocknete Leiche, deutete. Am liebsten hätte sie: ´Vergiss, was du gesehen hast`, gesagt, doch natürlich wusste sie, dass das nicht möglich war. Sie wandte sich ab und zog mit zitternden Fingern ein Feuerzeug hervor. Fluchend versuchte sie ein paar Mal, es anzumachen, bevor es ihr gelang und sie die Flamme an die Haut des Toten halten konnte. Hinter sich hörte sie Logan halberstickt aufkeuchen, als der Vampir wie trockener Reißig zu brennen begann, doch dann sah er stumm zu, wie sein Entführer sich in ein winziges Häufchen Asche verwandelte. Jane sah sich um, entdeckte aber keine Möglichkeit, die sterblichen Überreste aufzukehren, sodass sie sie mit den Schuhen verteilte, bis sie wie eine besonders dicke Staubschicht aussahen. „Wir sollten gehen“, erklärte sie Logan, ohne diesen anzusehen. Gemeinsam machte das Paar sich auf den Weg. Bevor ihr Begleiter Fragen stellen konnte, zog Jane ihr Handy hervor und rief Eldric an, damit dieser in etwa einer halben Stunde die Alarmanlagen und Videoüberwachung wieder einschalten ließ. „Was ist passiert, Jane?“, wollte ihr Mentor sanft wissen. Mit einem Seitenblick auf Logan murmelte die Jägerin: „Nicht jetzt…“, und legte auf, gerade als das Paar den rückwärtigen Eingang erreicht hatte. Die Luft auf der Straße strich unter Janes erhitztes Gesicht wie kalte Finger. Sie zog ihre Lederjacke zu und bedeutete ihrem Freund, ihr zu folgen – noch immer, ohne ihn anzusehen. Sie hatte das Gefühl, das Unausweichliche hinauszögern zu können, wenn sie die Augen nur fest genug verschloss. Doch als ihr Freund ihren Namen nannte, wusste sie bereits, dass die gemeinsame Zeit mit ihm nun ein Ende finden würde. „Bist du verletzt?“, übertönte sie Logans Stimme mit ihrer eigenen. „Meine Mutter kann dich untersuchen, wenn das in Ordnung für dich ist. Aber ich bringe dich auch ins Krankenhaus, wenn du…“ „Jane“, wiederholte Logan eindringlich und griff nach ihrer Hand. Die zärtliche Geste ließ sie tatsächlich innehalten und zu ihm aufblicken, und plötzlich schien alles in ihr in Flammen zu stehen. Sie hätte es nicht ertragen, wenn ihm etwas zugestoßen wäre, und heute hätte er sterben können – und es wäre ganz alleine ihre Schuld gewesen. Trotz all des Trainings, trotz ihrer Erfahrung hätte sie beinahe wieder einen geliebten Menschen verloren, weil sie schwach war. Als sie das Gesicht abwandte, legte Logan die Hand auf ihre Wange und streichelte sie mit dem Daumen, als er sagte: „Wir müssen darüber reden, Jane.“ „Das würde ich lieber nicht…“, erwiderte sie kleinlaut, und er lachte leise. Dann holte sie tief Luft und nickte. Er musste die Geschichte erfahren, sonst würde er noch verrückt werden. Außerdem hatte sie ihn lange genug angelogen. „In Ordnung… Aber es ist eine verrückte Geschichte.“ „Das habe ich mir schon gedacht, als ein Typ im Bademantel mich entführt hat“, erwiderte Logan trocken. Die beiden sahen sich an, dann kicherten sie vor Anspannung, und für einen Moment glaubte Jane, dass es mit ihnen vielleicht doch funktionieren könnte. Logans Ruhe tat ihr so unendlich gut, und sie wusste nicht, wie sie ihren Alltag ohne ihn überstehen sollte. Doch indem sie sich in den Wagen gesetzt und zur Sicherheit vom Museum entfernten, näherten sie sich der Erkenntnis, dass ihre Beziehung keinen Bestand haben konnte. Diese Einsicht war umso stärker, da mit jedem Wort, das Jane über ihre Vergangenheit erzählte, klarer wurde, wie stark die Gefühle auf beiden Seiten waren. Wenn sie nicht weitersprechen konnte, nahm Logan ihre Hand, wenn er Fragen hatte, stellte er diese behutsam. Und in keiner Sekunde verurteilte er sie für das, was sie getan hatte, seit sie dem Vampirjägerzirkel beigetreten war. Als sie schließlich mit der Erzählung endete, wie sie Logan ins Museum gefolgt war, schwieg dieser lange. Inzwischen waren sie in seiner Wohnung, und nachdem Jane ihn auf mögliche Verletzungen untersucht hatte, hatte er ihnen ein großes Glas Wein eingeschenkt, mit dem sie jetzt auf der Couch saßen. Schließlich sagte er: „Es ist irgendwie schwer zu glauben, dass meine Freundin so eine Art Superheldin ist.“ Jane verzog das Gesicht. „Ich habe keine Superkräfte.“ „Oh doch, wie du mit diesem… Diesem Ding gekämpft hast…“ Sein Blick wurde unscharf, und ihm lief ein Schauer über den Rücken, der Jane beschämt zur Seite blicken ließ. Je länger sie hier mit ihm saß, desto größer war die Gefahr für ihn. „Logan, ich… Das mit uns… Er sah sie mit Augen an, die schon gewusst hatten, zu welcher Entscheidung sie gelangen würde, die diesen Entschluss aber hinnahmen, so sehr es sie verletzte. Es versetzte Jane einen Stich, wie gut ihr Freund sie kannte, und wie verständnisvoll er war, trotz allem, was er heute Abend hatte durchstehen müssen. „Es ist nicht deine Schuld, was heute passiert ist“, erklärte er ruhig und ergriff ihre Hand. „Natürlich bin ich verwirrt von allem – ich meine, Vampire sind real!“ Er unterbrach sich, um ungläubig den Kopf zu schütteln, und es dauerte einen Moment, bis er sich gefangen hatte, um fortzufahren: „Aber das ändert nichts an meinen Gefühlen für dich. Ich möchte mit dir zusammen sein und auch diesen Teil von dir verstehen.“ Logans Verständnis testete Janes Willenskraft, doch sie wusste, dass sie jetzt stark bleiben musste. Die Katastrophe war schon eingetreten, doch vielleicht konnte sie wenigstens die Nachwirkungen abmildern, wenn sie jetzt das richtige tat. Jedes Wort rollte wie ein Stein über ihre Zunge, als sie sagte: „Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir meinetwegen etwas zustoßen würde. Und solange du mein Freund bist, wärst du immer in Gefahr. Und ich kann nicht immer in Angst um dich leben, wenn ich mein Ziel erreichen möchte.“ Sein Nicken zeigte, dass er bereits mit ihren Worten gerechnet hatte und wusste, dass er nichts an Janes Entscheidung ändern konnte. Er kannte sie so gut – und seit heute Abend besser, als sie gewollt hatte. Der Gedanke, sich dem Menschen nicht mehr anvertrauen zu können, der sie besser verstand als alle anderen, brannte ihr in der Kehle und den Augen. „Logan, ich…“, begann sie, ohne zu wissen, was sie sagen wollte. „Schon gut.“ Logan lächelte sie an, mit unendlich verständnisvollen und unendlich traurigen Augen. „Weißt du, als wir zusammengekommen sind, konnte ich mein Glück nicht fassen. Ich war schon so lange in dich verliebt, dass ich dachte, da würde nie was draus werden. Aber dann haben wir uns gefunden und es war besser, als ich es mir je vorgestellt hatte.“ Verstummend senkte er den Blick, dann strich er ihr das Haar hinters Ohr und erklärte: „Ich will nur, dass du glücklich bist, Jane. Und wenn du nicht glaubst, das an meiner Seite sein können, werde ich das akzeptieren und hoffen, dass wir Freunde sein können.“ Unfähig, ihre Trauer und ihren Schmerz in Worte zu fassen, schüttelte Jane den Kopf. Er war alles Glück, das sie im letzten Jahr gehabt hatte, und ihn gehen zu lassen, war wie einen Teil von sich aus der Brust zu reißen. Nur das Wissen, wie viel schmerzhafter es sein würde, ihn durch Gewalt zu verlieren, ließ sie diesen Schritt aushalten. Die Nacht hatte Jane mit Logan verbracht - zum letzten Mal. Am frühen Vormittag kehrte Jane verletzt und psychisch angeschlagen ins Anwesen zurück, wo ihre Mutter sie bereits erwartete. Diese war natürlich über die Aufmachung ihrer Tochter bestürzt und wollte sie tadeln, als Janes Gesichtsausdruck auffiel, der ihr beinahe das Herz brach. Während Elizabeth Jane verarztete, setzte diese sie über die Geschehnisse der Nacht ins Bilde - auch über das aufklärende Gespräch mit Logan und die Entscheidung des Paares, getrennte Wege zu gehen. Zu diesem Entschluss waren sie natürlich nur gekommen, weil die Brünette es für besser hielt und sie ihn aus der Gefahrenzone herausbuxieren konnte. Nichtsdestotrotz konnte sie die Tränen nicht zurückhalten, und Elizabeth nahm sie so fest in den Arm, wie es nur eine Mutter konnte. Doch trotz dieses Trostes, und obwohl sie und Logan sich im Guten getrennt hatten, fühlte sie sich ausgelaugt und hohl. Die Nacht war verhältnismäßig kurz gewesen, da Jane und Logan sich viel zu sagen gehabt hatten. Es hatte sich etwas angefühlt, als würden ihre Wege sich für immer trennen, obwohl beide sich einig waren, ihre Freundschaft erhalten zu wollen. Schließlich waren sie Arm in Arm eingeschlafen, doch die Jägerin schlief nur sehr unruhig und litt unter der frischen Trennung und den Erinnerungen an den vergangen Abend. Elizsabeth bemerkte natürlich Janes Müdigkeit und bot an, bei ihr zu bleiben, doch das lehnte Jane mit einem schwachen Lächeln ab und meinte, dass sie ein wenig Ruhe und Zeit für sich benötigte. Folglich ging die Ältere - wenn auch eher widerwillig - zur Arbeit und ließ ihre Tochter für ein paar Stunden allein. Diese konnte die junge Frau natürlich nicht effektiv nutzen, da die Trauer und ihr gebrochenes Herz allgegenwärtig waren und dazu führten, dass sie sich regelrecht betäubt fühlte und die Umgebung gar nicht wirklich wahrnahm. Unruhig wanderte sie von ihrem Bett zur Couch und las immer wieder die Nachrichten durch, die sie und Logan ausgetauscht hatten. Schließlich schlief sie von Gram gebeutelt in ihrem Bett ein. Von daher hatte sie das Klingeln an der Tür und am Telefon nicht bewusst ignoriert, sondern wirklich nicht bemerkt. Die Geräusche hatten sie dennoch aufgeweckt, und sie blinzelte träge. Jane fragte sich, wieso ihre Augen sich so geschwollen anfühlten –bis ihr wieder einfiel, was am letzten Abend alles passiert war. Tränen brannten ihr in den Augen und sie machte sich nicht die Mühe, sie zurückzuhalten, sondern gab sich den Schluchzern hin, die ihren ganzen Körper erschütterten. Erst ein weiteres Geräusch ließ sie aus ihrem Leid hochfahren und mit geweiteten Augen zum Fenster starren. Davor stand Aiden, der ihren Namen rief und gegen die Fensterscheibe klopfte. Bei seinem Anblick entwich ihr ein leiser, aber schwerer Seufzer, weil er als Vampir nicht wirklich derjenige war, den sie nun brauchen konnte. Trotzdem raffte sie sich auf, wischte sich schnell die Tränen weg und schritt zum Fenster, um dieses zu öffnen und zur Seite zu treten, damit er zumindest kurz eintreten konnte. Gesellschaft – selbst, wenn es seine war - würde sie vielleicht ein wenig von ihrem Leid ablenken. Kapitel 12: Heartbreak Hotel ---------------------------- Es war komisch für Aiden gewesen, plötzlich auf seine beiden Mitbewohnerinnen verzichten zu müssen. Es hatte ihm, nach all der Zeit, gefallen, nicht immer alleine zu sein, wenn er nach Hause kam, und jetzt musste er sich erst wieder damit arrangieren. Wie zu erwarten gewesen war, schaffte er das aber ziemlich gut – genug Erfahrung hatte er ja. Hin und wieder sah er Jane zwar, ließ sie aber größtenteils in Ruhe, wenn es nicht gerade um Recherchen bezüglich des Einbrechers ging; diesen zu fassen, hatte er nach wie vor fest vor. Ansonsten kam er gut mit seinen neuen Kollegen zurecht und beschäftigte sich viel mit der Überlegung, war er denn nun studieren sollte. Er führte Kontrollgänge bei den McCollins durch, entspannte sich aber mit der Zeit deutlich, als er nichts finden konnte. Anscheinend hatte sich weder der Antiquitäten Vampir noch sonst eine seiner Artgenossen in der Nähe des Anwesens aufgehalten. So vergingen zwei weitere Wochen, bis zu dem Vormittag, an dem Aiden vor dem Haus der beiden Damen stand, ohne die Tür geöffnet zu bekommen. Er war ein wenig verwirrt, weil das noch nie passiert war. Elizabeth war nicht da, das sah er an ihrem fehlenden Wagen, aber erstens war Janes Auto da und zweitens konnte er riechen, dass sie sich im Haus aufhielt. Wäre Logan bei ihr gewesen, hätte er ja verstanden, dass sie ihre Zweisamkeit genießen wollte, aber das war scheinbar nicht der Fall. Vielmehr bildete er sich ein, den Geruch ihres Blutes wahrzunehmen – seine Reißzähne, die gegen die Lippen pressten, sprachen sehr für diese Einschätzung. Alarmiert versuchte er, Jane auf dem Handy und am Festnetztelefon zu erreichen, bekam aber auf beiden Wegen keine Antwort. Er zögerte kurz, weil er ihr ja versprochen hatte, ‚das Stalking herunterzufahren‘, betrat dann aber den Garten und lief zu der Stelle, an der er ihr Zimmer wusste. Ein kurzer Seitenblick, schon war er die Wand empor geklettert und stand auf der kleinen Terrasse. Ihm war bewusst, dass er hier eigentlich nichts zu suchen hatte, weshalb er etwas zögerte, bevor er näher trat. Der Anblick, der sich ihm bot, schockierte Aiden über alle Maßen. Sie weinte. Jane weinte. Er hatte sie noch nie so gesehen, nicht mal, als sie herausgefunden hatte, dass sie sich in Richards Identität getäuscht hatte. In dem Moment war ihm vollkommen egal, was sie von ihm dachte, er wollte nur zu ihr, sie in den Arm nehmen und trösten. "Jane", rief er sie und klopfte gegen das Fenster. Sie war natürlich alles andere als begeistert, ihn zu sehen, doch das war ihm gleich. Ihm fielen ihre Verletzungen auf und seine Züge verhärteten sich abrupt. "Was ist passiert? Wer hat das getan? Ist Liz ok?", fragte er entsetzt weiter, da das für ihn ein schlüssiger Grund war, warum sie so aufgelöst war. "Bitte." "Meiner Mutter geht es gut", stellte sie sofort klar und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei vermied sie es, ihn anzusehen und blickte zum Fenster hinaus. "Ich konnte den verrückten Kunstliebhaber ausfindig machen und beseitigen. Der Fall ist somit abgeschlossen und erfordert keine weiteren Recherchen. Du brauchst dich also nicht weiter damit auseinanderzusetzen", fuhr sie in einer ungewöhnlich monotoner Art und Weise fort. Aiden starrte Jane ärgerlich an. Wie hatte sie vergessen können, dass sie gleich zwei Partner hatte, die ihr liebend gerne geholfen hätten, Logan zu befreien? Dass Gabriel nicht bei ihr gewesen war, konnte der Vampir riechen. Jane machte eine schwache, wegwerfende Handbewegung. "Dein Besuch heute ist demnach unnötig. Du kannst wieder gehen." Kaum hatte sie die Worte gesprochen, wandte sich wieder von ihm ab und schritt zur Tür, um ihre Worte zu unterstreichen Wäre sie einfach schlecht gelaunt und hätte ihn angeschnauzt, wäre das viel typischer für sie, aber dieser apathische Gesichtsausdruck, unterstrichen von tiefen Ringen unter den Augen und mangelnder Körperspannung, war ganz und gar nicht die Jane, die er kannte. "Was ist passiert? Und wieso hast du mir nicht Bescheid gesagt? Ich dachte…" Er stockte, weil es ihn ihrer Meinung nach ja immer noch nichts anging, also wechselte er die Taktik. „Du hast nicht mal Gabriel eingeweiht“ – das konnte er riechen – „Er hätte bestimmt verhindern können, dass du so schwer verletzt wurdest. Was war gestern los? Du hast den Dieb doch, oder?" "Ich habe es vergessen", kam es brüchig, beinahe schon hauchend über ihre Lippen. Ihr Blick war dabei weiterhin leer und fixierte keinen klar ersichtlichen Punkt vor sich, was sie apathischer wirken ließ, als sie ohnehin schon aussah. Einzig allein die Tränen, die stumm ihre Wangen runterrannten, zeugten davon, dass sie momentan tatsächlich trauerte oder Schmerz verspürte. Aidens irritiert zusammengezogenen Brauen wanderten erschrocken in die Höhe, als er sah, dass ihre Augen wieder ganz glasig wurden, und sein vorwurfsvoller Kommentar blieb ihm im Halse stecken. Würde sie ihn doch lieber anschreien... Hätte er sie nur nicht derart bedrängt... "... Er hat Logan entführt und ich ... bin allein losgezogen, um ihn zur Strecke zu bringen", fuhr Jane leise fort und wandte sich langsam von ihm ab, um zum Bett zu schreiten und sich hinzusetzen. Allerdings zitterten ihre Beine bereits schon viel zu sehr und waren schwach, so dass sie über ihre eigenen Füße stolperte und auf die Knie fiel. "Ich habe ihn in Gefahr gebracht. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte er so etwas nie durchmachen müssen... Nur wegen mir...", sprach sie halberstickt weiter, wobei sie eine Hand auf ihre Lippen legte und versuchte, den aufkommenden Schluchzer zu unterdrücken. "... ich kann ... ich konnte ihm das nicht weiter antun. Er sollte ein normales Leben führen und nicht eines mit mir - mit ... diesen Gefahren." Mitleid ertränkte seinen anfänglichen Ärger. Er hätte sie gerne beschwichtigt, ihr gesagt, dass das alles nicht stimmte und sie weiterhin mit Logan zusammen sein konnte. Er hätte alles gesagt, alles getan, nur, damit sie nicht mehr weinte. Aber Tatsache war, dass Jane sich diesen Weg ausgesucht hatte, und egal, wer ihn mit ihr gehen würde, wäre immer in Gefahr. Und das alles wegen Aiden selbst. Der Vampir zog die junge Frau in seine Arme und streichelte ihr behutsam über den Kopf. Wäre Jane nicht so sehr vom Schmerz und ihrem Kummer betäubt, hätte sie es niemals zugelassen, das wusste er. Da sie momentan allerdings völlig neben der Spur war, kaum noch etwas richtig registrierte und am Boden zerstört war, akzeptierte sie seine Nähe und Gesten ohne Weiteres. Sie schloss die Augen und ließ die Tränen schweigend über ihre Wange laufen, als er sie in seine Arme schloss. "Es tut mir wirklich leid... Für euch beide", sagte Aiden leise, was Jane jedoch kaum zu hören schien. Er machte sich wahnsinnige Vorwürfe. Nicht nur, weil er Janes Leben in eine Richtung gedrängt hatte, die es für sie praktisch unmöglich machte, eine normale Beziehung zu führen. Sondern vor allem, weil er sie in diesem ganz speziellen Fall nicht vor dem Schmerz hatte beschützen können. Hätte er schneller gehandelt, den Einbrecher schneller gefasst, hätte sie das nicht durchmachen müssen. Dass es wohl nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis etwas Ähnliches passiert wäre, war ihm klar, aber das betäubte seine Schuldgefühle nicht. Er sagte nichts mehr dazu, weil sowieso keine Worte sie trösten konnten. Schweigend drückte er sie einfach fest an sich. Er wusste nicht, wie lange sie dort gesessen hatten, als er spürte, wie sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Jane löste sich von ihm, ohne ihn anzusehen. Aiden strich ihr sanft das Haar aus der Stirn, bevor er den entgangenen Anruf ansah. Seine Arbeit. Verdammter Mist, seine Schicht hatte vor einer halben Stunde begonnen. „Entschuldige, ich muss kurz zurückrufen“, erklärte er, woraufhin sie nickte. Aiden ging auf ihren Balkon und tätigte ein paar Anrufe, in denen er eine familiäre Krise als Grund für seine Verspätung vorschob. Danach rief er widerwillig bei Gabriel an, sagte ihm jedoch nur, dass es Jane schlecht ging, sie nicht alleine sein sollte, und fragte, ob der Spanier kommen könne, weil Aiden andere Verpflichtungen hatte. Sie würde ihrem besten Freund zwar sicher von der Trennung erzählen, aber es war nicht Aidens Aufgabe, ihr das vorweg zu nehmen. „Entschuldige… Ich habe dich aufgehalten“, sagte Jane leise, als er ins Zimmer zurückkehrte. Inzwischen hatte sie sich auf den Rand des Bettes gesetzt. Sie sah so klein und zerbrechlich aus, und Aiden wollte sie nur wieder in den Arm nehmen. „Schon gut“, lächelte er schwach. „Ich muss jetzt gehen, aber ich habe Logan gebeten vorbeizukommen. Ich hoffe, das war in Ordnung.“ Zögernd nickte sie und zupfte an ihrer Schlafanzughose herum. Aiden wollte mehr tun, ihr die Trauer abnehmen, für die er verantwortlich war. Doch er konnte lediglich anbieten, ihr einen Tee zu kochen, und Gabriel einlassen, als er wenig später an der Tür klingelte. „Janie! Janie, was ist passiert?!“, verlangte der Spanier aufgebracht, als er seine beste Freundin sah. „Du musst mir sagen, was passiert ist.“ Schweigend schüttelte sie den Kopf, und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Gabriel drang noch ein bisschen auf sie ein, bevor er grummelnd aufgab. Er zögerte, dann verwandelte er sich kurzerhand in den riesigen schwarzen Wolf. Das Bett knarrte, als er sich darauf schob und den Kopf auf Janes Schoß schob. Er winselte leise, und ein schwaches Lächeln erhellte ihre Züge. Sie fing an, ihn zwischen den Ohren zu kraulen und zögerlich von der letzten Nacht zu erzählen. Aiden hatte das Gefühl, hier nichts zu suchen zu haben, und verließ leise das Zimmer. Ziemlich verspätet kam er schließlich in der Arbeit an, doch war er in Gedanken eigentlich wo anders. Aiden konnte einfach nicht vergessen, wie Jane ihn angesehen hatte. Natürlich war die Trennung noch ganz frisch und er wusste, wie sich so etwas anfühlte. Aber er kam nicht um den Gedanken herum, dass es vielleicht doch besser wäre, wenn sie mit Logan zusammen blieb, wenn die Trennung sie so sehr schmerzte. Er überlegte, mit dem Jungen zu sprechen, verwarf das aber schnell wieder. So verschossen, wie Logan in seine Freundin (oder jetzt: Ex-Freundin) war, war die Trennung wohl kaum von ihm ausgegangen, egal, was vorgefallen war. Aiden konnte sich sehr gut vorstellen, wie das ganze abgelaufen war. Logan hatte gesagt, dass er trotzdem bei ihr bleiben wollte, und Jane hatte darauf beharrt, dass sie besser getrennte Wege gehen sollten. Der Vampir seufzte leise, weil ihm dieses Verhaltensmuster so vertraut erschien. In dem Moment war es ihr wohl egal, was Logan wollte, weil sie sich einbildete, es besser zu wissen. Vielleicht würde Aiden mit ihr darüber sprechen, wenn es ihr wieder besser ging. Andererseits ging es ihn natürlich nichts an, und Jane wusste am besten, was sie brauchte. Im Moment jedenfalls wollte er nur für sie da sein, zumindest, wenn sie das zuließ. Zu diesem Zweck kehrte er direkt nach der Arbeit zurück zum Anwesen der McCollins. Gabriel war noch dort, also blieb Aiden draußen. Als der Werwolf ging, teilte er seiner Ablöse mit, dass Jane schlief und Elizabeth ausgegangen war. Mehr sprachen die beiden Männer nicht. Um sie nicht zu stören, setzte Aiden sich ins Wohnzimmer und las eine dort liegende Zeitschrift, um zumindest etwas zu tun zu haben. Derart beschäftigt, zuckte er heftig zusammen, als plötzlich ein Schrei durchs Haus schallte. Mit einem Sprung war er auf den Beinen, die Treppe hoch und in Janes Zimmer. Schnell war er zu ihrem Bett gegangen, wobei er sich angespannt umsah, aber da war nur die junge Frau, die bleich und erschrocken in ihrem Bett saß und ihn ansah wie ein Gespenst. "Ai...den?", hauchte Jane beinahe stumm und blickte mit angsterfüllten Augen in seine Richtung. „Ja, ich bin hier. Keine Angst.“ Behutsam strich er ihr über den Kopf, dann ging er neben dem Bett in die Knie und nahm ihre Hand. "Ist alles ok? Ich hab dich schreien gehört und dachte… Entschuldige", unterbrach er sich, als ihm auffiel, dass er nachts ungefragt in ihr Zimmer gekommen war. "Nein... Es tut mir leid", entgegnete die Brünette auf seine Entschuldigung hin, da sie ja diejenige gewesen war, die ihn mit dem Schrei wohl erschrocken hatte. "Ich... habe lediglich schlecht geträumt..." Aiden rieb sich den verspannten Nacken. Sie so aufgelöst zu sehen, machte ihn eindeutig nervös. "Es ist alles ok, dir kann nichts passieren", versprach er sanft und drückte ihre Hand, bevor er diese losließ und wieder aufstand. "Versuch, weiter zu schlafen, ok?" Er lächelte sie aufmunternd an, dann wollte er das Zimmer schon wieder verlassen. "A-Aiden...!", hielt sie ihn zurück, doch als der Angesprochene sie ansah, schien sie selbst nicht so genau zu wissen, was sie sagen wollte. Folglich schwieg die Brünette einen Augenblick, ehe sie sich ein wenig an das Bettlacken krallte und ihn erneut mit glasigen Augen ansah. "Kannst du... Bleibst du bei mir...?", fragte die Jägerin den Vampir leise und biss sich daraufhin ein wenig auf die Unterlippe. Mehr als überrascht sah er sie einen Moment an, bevor er nickte. "Ja… Ja, natürlich", sagte er, ging zögerlich zu ihr zurück und setzte er sich zu ihr aufs Bett. Noch immer neben sich stehend betrachtete Aiden das Gesicht der jungen Frau neben sich. Es war nicht so, dass er ihr keine Gesellschaft leisten wollte. Er hätte alles gemacht, um ihr zu helfen. Wenn sie ihn gebeten hätte, Logan zu entführen und hierher zu bringen, hätte er das ohne zu zögern getan. Nur hätte er eben nicht gedacht, dass sie ausgerechnet seine Nähe als hilfreich empfinden oder auch nur bewusst zulassen könnte. Logischer wäre ihm noch erschienen, dass sie ihn bat, ihre Mutter anzurufen. Wahrscheinlich war das Ganze nicht wirklich bewusst, machte er sich klar, als er sich gegen die Rückwand des Bettes lehnte. Sie stand wohl immer noch unter Schock und war im Halbschlaf. Aber genau das machte ihre Reaktion so ehrlich und rührte ihn, obwohl es ihn gleichzeitig traurig machte. Als sie sich in seine Richtung drehte, strich er ihr noch mal sanft das Haar aus der Stirn. Mit einem geflüsterten 'Danke' ließ sie die Augen zufallen. "Für dich immer", erwiderte er leise. Er hätte sie gerne wieder in den Arm genommen, hatte aber das Gefühl, das wäre doch sehr unpassend, wo er sowieso schon mitten in der Nacht in ihrem Bett saß. Sie hatte zwar die Augen geschlossen, aber an ihrer Atmung und ihrer Körperhaltung konnte Aiden erkennen, dass sie nicht einschlief. Beunruhigt biss er sich auf die Unterlippe. Er wusste wirklich nicht, wie weit er im Moment mit dem Versuch, ihr zu helfen und sie zu trösten, gehen konnte, ohne die Grenze zu überschreiten, die sie selbst gezogen hatte. Also beschloss er, ihr die Wahl selbst zu überlassen: "Willst du über deinen Traum reden?" Die junge Frau öffnete langsam wieder ihre Augen und kauerte sich ein bisschen zusammen. "Meine Mutter... wurde von dem Verrückten entführt und von ihm gebissen", begann sie nach einem längeren Zögern zu erzählen, wobei ihre Stimme wie bröckelnder Stein klang. "Ich bin sofort zu ihr gerannt, habe versucht ihr zu helfen, doch es war zu spät..." Das Sprechen fiel ihr sichtlich schwer, ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen und sie hielt den Worten immer wieder inne, um zu schlucken. "Und dann...", fuhr sie leise hauchend fort. "Waren meine Hände voller Blut, bevor sich vor mir eine riesige Blutlache und ein Berg mit den Leichen... Meiner Eltern und Freunden bildete." Sie presste die Lippen aufeinander, ehe sie ihren Oberkörper ein wenig aufrichtete und ihren Gegenüber mit traurig und verzweifelt ansah. Ihr Blick löste in ihm den naiven Wunsch aus, ihr die Augen zuzuhalten. Dieser durchgeknallte Bastard hatte sie gebrochen - Und das war indirekt Aidens Schuld. Aber er zwang sich, sie weiter anzusehen, sie zumindest durch seine Anwesenheit zu unterstützten. Im Zusammenhang mit dem, was passiert war, war dieser Traum nur zu verständlich. Ihre Familie, und dazu hatte Logan auch gezählt, solange er ihr Freund war, war ihr so wahnsinnig wichtig. Aiden hatte ja gesehen, wie sie auf Elizabeths Entführung reagiert hatte. Und jetzt wieder ein Mitglied aus diesem Kreis so direkt in Gefahr zu sehen, musste niederschmetternd sein. "Bin ich egoistisch und naiv, weil ich glaube, dass ich ein normales Leben führen kann - obwohl ich meine Mitmenschen durch meine bloße Anwesenheit in Gefahr bringe?", kam es fragend über ihre Lippen, während die erste Träne bereits über ihre Wange rollte. Jedoch kam sie ihm mit einer Antwort zuvor, in dem sie ein humorloses 'Hah!' von sich gab und sich kopfschüttelnd durch die Haare fuhr. "Was frage ich dich eigentlich...? Natürlich bin ich egoistisch und naiv... Wie kann ich daran zweifeln, wenn es doch so offensichtlich ist? Ich bin... wirklich ein schlechter Mensch." Ihr hartes Schnauben ließ ihn wieder zu ihr Blicken. Als er ihre Worte hörte, verdüsterte Aidens Gesicht sich, obwohl er an ihrer dünnen Stimme hörte, dass sie erneut den Tränen nahe war. "Sag so etwas nie wieder, Jane", verlangte er streng. "Du bist ein ganz wundervoller Mensch und es ist absolut nicht deine Schuld, was passiert ist." ‚Es ist meine Schuld‘, dachte er, aber er brachte es immer noch nicht über sich, das zu sagen, damit sie aufhören konnte, zu jagen und in Frieden leben konnte. Wie so oft siegte schlussendlich jedoch seine Feigheit. Nicht unbedingt die Angst zu sterben, sondern eher der Wiederwillen, Jane noch mehr zu verletzen. Egal, was sie sonst für ihn empfand, gerade vertraute sie ihm, und er wollte ihr das nicht auch noch wegnehmen. "Du verdienst es, glücklich zu sein, mehr als viele andere. Nur ist dein Weg eben schwerer als der von vielen anderen. Aber das war nur ein Traum, es geht ihnen allen gut. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen.“ Als Jane nicht antwortete, fuhr Aiden sanfter fort: „Du hast ein normales Leben verdient und das Recht, es dir zu wünschen. Ich wünschte für dich, es könnte einfacher sein... Aber so, wie die Dinge liegen, wirst du immer hart arbeiten müssen, um deine Liebsten zu beschützen. Aber du bist stark, mutig und intelligent. Du schaffst das. Und du solltest wissen, dass du es nicht alleine versuchen musst. Ich bin immer für dich da, egal, was passiert. Und Liz und Gabriel und Eldric und all deine Freunde. Weil du das Risiko wert bist." Sie senkte langsam den Kopf und schloss die Augen, so dass die letzten Tränen direkt auf das Bettlacken fielen, ehe sie einmal tief durchatmete und sich mit zittrigen Fingern die Haare hinters Ohr strich. "Dass du das alles zu mir sagen kannst, obwohl ich dich immer so - ekelhaft behandelt habe ist wirklich erstaunlich", sprach sie leise, wobei ein dünnes, kaum merkliches und mit Trauer benetztes Lächeln auf ihren Lippen lag. "Ich habe das eigentlich gar nicht verdient." "Du musst es dir nicht verdienen, dass man nett zu dir ist", belehrte er sie, jetzt wieder mit einem kleinen, selbstironischen Lächeln. "Und du hast gute Gründe, mich so zu behandeln." Er erwartete keine Gegenleistung für sein hingebungsvolles Verhalten ihr gegenüber, das hatte Aiden ihr ja schon oft zu erklären versucht. Auch jetzt war er nicht bei ihr, weil er hoffte, dass sie dann wieder netter zu ihm war, sondern einfach, damit es ihr besser ging. Eigentlich wäre es ihm sogar ganz recht, wenn sie ihn am nächsten Morgen gehörig anschnauzte, denn das wäre ein deutliches Indiz dafür, dass sie wieder auf dem Damm war. Statt ihn anzumotzen, legte sich die Brünette langsam wieder hin, wobei sie sich diesmal von Aiden wegdrehte und ein wenig zusammenkauerte. "Denkst du... es wäre besser, wenn ich mit dem Jagen aufhöre?", flüsterte sie leise. Diese Frage traf Aiden unerwartet, und er überlegte eine Weile, bevor er antwortete. "Ich bin nicht begeistert davon, dass du überhaupt Jägerin bist, aber das weißt du ja", fing er behutsam an. "Allerdings denke ich nicht, dass du wegen jemand anderem aufhören solltest, sondern nur, wenn du wirklich deinen Frieden mit... Mit dem Mörder deines Vater geschlossen hast. Sonst würde es dich wohl nur immer weiter verfolgen, meinst du nicht?" "Kann sein", murmelte sie leise gähnend und wollte eigentlich noch zu einem weiteren Satz ansetzen, der jedoch vollends unterging, da sie in den Schlaf abdriftete. Schnell bemerkte Aiden, dass Jane eingeschlafen war, und ein sanftes, erleichtertes Lächeln umspielte seine Lippen. Im Moment war es wirklich das Beste für sie, wenn sie sich erholte und ihre wirren, ungesunden Gedanken sortierte. Kurze Zeit später wich sein Lächeln jedoch, als er merkte, dass er nicht wusste, was er jetzt machen sollte. Sie hatte nicht gesagt, dass er gehen sollte (was sicher auch daran lag, dass sie einfach eingeschlafen war), aber hier bleiben konnte er ja wohl nicht. Oder etwa doch? Das Haus hätte er sowieso nicht verlassen, denn er wollte auf jeden Fall in der Nähe sein, wenn sie wieder schlecht träumte. Eigentlich hatte er aber geplant, auf der Couch oder dreistesten Falls in seinem alten Zimmer zu schlafen, nicht jedoch in Janes Bett. Die Vorstellung behagte ihm nicht wirklich, aber wenn sie Angst hatte, wollte er nicht, dass sie alleine aufwachte, denn Elizabeth war noch nicht nach Hause gekommen. Er wälzte das ganze so lange hin und her, bis Jane ihm einfach die Entscheidung abnahm. Sie murmelte etwas Unverständliches im Schlaf, rutschte näher zu ihm und schmiegte sich an seine Seite. Völlig verdutzt starrte Aiden dieses ziemlich obskure Schauspiel an. Schlief er vielleicht schon, oder kuschelte sich dasselbe Mädchen, das ihn praktisch mit dem Nudelholz aus dem Land hatte jagen wollen, gerade vertrauensvoll an seine Seite? Vorsichtig unternahm der Vampir einen Fluchtversuch, aber sie runzelte die Stirn und hielt sich an seinem Shirt fest, also seufzte er, gab auf und machte es sich leidlich bequem. Dabei legte er, ein wenig gewagt, seiner Meinung nach, die Hand auf ihre Schulter und streichelte diese abwesend. Sie konnte schon wirklich süß sein... Und er dachte das ziemlich oft, fiel Aiden gerade auf. Es dauerte eine Weile, bis Aiden seine Gedanken und seine Nervosität so weit im Griff hatte, dass er selbst schlafen konnte, aber schließlich fielen ihm die Augen zu. Irgendwann in der Nacht musste er sich aus seiner zum Schlafen doch recht unbequemen Sitzposition in eine bequemere Liegestellung begeben haben, sodass er neben Jane aufwachte, als er einige Stunden später die Augen aufschlug. Sie hatte noch immer recht besitzergreifend den Arm um seine Brust geschlungen und er streichelte ihr verschlafen durch das unordentliche Haar. Als sie sich rührte, zuckte er jedoch ertappt zurück. Verdammt, was machte er denn da? "Entschuldige...", murmelte die junge Frau, die sich sofort von ihm löste, als sie bemerkte, wie nah sie beieinander lagen. "M-macht nichts... Tut mir eher leid, dass ich hier geschlafen habe", erwiderte er, offensichtlich deutlich verlegener als die Frau neben sich. Sobald sie ihn losließ, trat er die Flucht aus ihrem Bett an und stand rasch auf. Dabei fuhr er sich durch die wahrscheinlich chaotischen Haare und sah betont von ihr weg. Janes Blick fiel auf die Uhr, wobei sie realisierte, dass es bereits Morgen war. Sie sah Aiden ein wenig verblüfft an. "Wieso bist du noch hier…?", wollte sie wissen. "Warst du etwa die ganze Nacht hier?" "Ja, ich war die ganze Nacht hier. Du hast..." Er machte eine wage Geste von ihr zu seiner Brust, welche sie noch vor wenigen Sekunden umklammert hatte. "Und ich wollte dich nicht aufwecken. Du konntest den Schlaf wirklich gebrauchen." Als er das sagte, musterte er ihr Gesicht. Sie sah nicht mehr so apathisch aus und sprach nicht mehr ganz so wehleidig und gequält wie am letzten Abend, das hielt er schon mal für ein gutes Zeichen. Auch, dass sie ihm gegenüber nicht mehr so anhänglich war (Obwohl ihn das, wenn er ganz ehrlich war, nicht übermäßig gestört hatte), bedeutete wohl, dass sie wieder etwas mehr bei sich war. „Oh. Entschuldige. Du hättest mich wirklich kurz aufwecken und einfach gehen können." Jane entschuldigte sich überraschend oft, was ihn leicht schmunzeln ließ. Ganz so abgebrüht war sie dann wohl doch nicht. "Solange ich dich nicht gestört habe, ist doch alles ok", lächelte er aufmunternd und möglichst unbefangen. "Wie geht es dir?", wollte er trotzdem wissen, bevor er sie alleine ließ, damit sie sich fertig machen konnte. Von ihrem Blick auf die Uhr wusste er, wie spät es war, und dass er noch etwas Zeit hatte, bis er zur Arbeit musste. "Es geht schon", erwiderte sie, bevor sie sich träge erhob. Allerdings überschätzte sie sich ein wenig, weshalb sie leicht ins Schwanken kam und einen kurzen Moment benötigte, um das Gleichgewicht zu finden. Sein Lächeln erstarb sofort, als er sah, wie sie schwankte. Er war schon fast bei ihr, als sie sich fing und nur die Hand an den Kopf legte. "Bist du dir sicher? Du siehst noch blass aus. Soll ich dir was zu essen bringen? Oder zumindest Tee oder Kaffee?" "Ich habe schon genug von deiner Zeit in Anspruch genommen und du hast bestimmt Besseres zu tun, nicht wahr? Ich kriege das schon irgendwie hin. Du brauchst also nicht weiter hier zu bleiben", fuhr sie fort, ohne ihren typisch schroffen Unterton und blickte ihn sogar mit einem Hauch Dankbarkeit an. "Ich habe noch etwas Zeit, bevor ich in die Arbeit muss. Du hast gestern bestimmt nichts gegessen, oder?" Sie musste gar nicht antworten, er konnte es sich lebhaft vorstellen, und kommentierte diese Tatsache mit einem unzufriedenen Blick, obwohl er es auch irgendwie verstand. "Wenn du duschst und dich umziehst, mache ich dir was zu Essen. Nur ein bisschen was, ok?", versprach er sofort, da er sich vorstellen konnte, dass sie gerade keine Lust auf Rührei mit Speck, Würstchen, Bohnen und all dem anderen Zeug hatte, die er ihr am liebsten vorgesetzt hätte. Außerdem wäre er sich nicht sicher, ob er das überhaupt schmackhaft hinbekommen würde. Da sie sowieso keine Wahl hatte und er sie gar nicht erst zur Wiederrede kommen lassen wollte, drehte er sich um und ging in die Küche, wo er ihr einen Tee kochte und Früchte für einen Obstsalat kleinschnitt. Er wusste nicht, ob er es so hinbekommen hatte, wie sie es ihm damals gezeigt hatte, aber immerhin war er fertig, als sie eine Weile später in die Küche kam. Aiden beobachtete Jane misstrauisch, als sie sich an den Tisch setzte. Nach der Dusche war ihr Haar nicht mehr so zerzaust und die gröbsten Spuren der Tränen waren verschwunden, aber sie sah immer noch blass aus und war schwach auf den Beinen. Doch sie lächelte, als sie den Obstsalat sah, und das war den Aufwand schon wert gewesen. Sie griff zur Gabel und stach in ein Stück Apfel, mit der sie dann auf Aiden deutete, während sie sagte: "Du kannst wirklich ohne Bedenken zur Arbeit gehen, Aiden. Außerdem ist meine Mutter Zuhause.“ Dann aß sie den Apfel und legte Gabel auf den Teller, um nach dem Tee zu greifen, den Aiden ihr hingestellt hatte. "Ich werde auch zur Arbeit gehen, aber ich muss noch nicht los", erklärte er, als ihm auffiel, dass sie wohl von seiner ´Stalkermanier` darauf geschlossen hatte, dass er bei ihr bleiben wollte. Grundlegend hatte sie da Recht, aber nachdem er am letzten Tag schon seine Pflichten verletzt hatte und es ihr ein wenig besser zu gehen schien, würde er das heute nicht mehr tun. "Als was arbeitest du denn eigentlich genau?", wollte sie dann von ihm wissen und trank wieder einen kleinen Schluck Tee. "Als Aushilfe in einem Supermarkt. Regale auffüllen, im Lager helfen und so. Heute kommt die Lieferung für morgen, deswegen muss ich hin", erklärte er, immerhin war ja Sonntag. Aiden vermutete, dass sie nicht aus echtem Interesse fragte, sondern um die Stille zu vertreiben und nicht wieder ins Grübeln zu geraten. "Wieso machst du das eigentlich? Ich meine, nach dem Richard-Auftrag müsstest du doch noch genug Geld haben, oder??", wollte sie wissen, was verständlich war, immerhin kannte sie ihn nicht als verschwenderische Person. "Na ja... Was sollte ich sonst den ganzen Tag tun? Du hast klar gemacht, dass du mich nicht den ganzen Tag bespaßen willst, also brauche ich doch eine Beschäftigung", erklärte er in einem vorsichtigen Versuch von Humor. Wenn sie jetzt die Augen verdrehte, würde er das als Fortschritt werten. Dann antwortete er aber ernsthaft: "Erstens sind die Reisen, die ich üblicher Weise unternehme, ziemlich teuer. Außerdem möchte ich möglichst bald eine etwas ansprechendere Unterkunft. Die Wohnung, in der ich gerade bin, ist zwar ok, aber nur eine Übergangslösung. Und London ist eben kostspielig. Aber ich habe die letzten... Sechzig, siebzig Jahre nicht wirklich etwas Nützliches gemacht, und das möchte ich jetzt ändern. Deswegen die Überlegung, zu studieren", klärte er sie auf. "Hast du dich schon für ein Fach an der Universität entschieden?" "Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Vielleicht Sportpädagogik oder Sportpsychologie, mal sehen. Ein bisschen Zeit habe ich ja noch für die Anmeldung." Fast ein wenig missmutig sah Jane ihn an, bevor sie aufstand und begann, den Tisch abzuräumen. Dabei deckte sie den Obstsalat ab und stellte ihn in den Kühlschrank, von dem sie nicht mehr als ein Scheibchen Apfel probiert hatte. Er warf einen Blick auf die Uhr und beschloss gerade, dass es Zeit war, aufzubrechen - Immerhin sollte er wohl auch noch duschen und sich umziehen - Als Jane ihn ansprach. "Übrigens...", begann sie leise, nachdem sie die Tasse in die Spülmaschine gelegt hatte. Sie zögerte einen Moment und wagte es nicht, Aiden anzusehen, da es ihr ein wenig schwer fiel, das Folgende zu sagen. "Danke für gestern und für gerade eben", fügte sie leise hinzu. "Was immer dir hilft", versprach er sanft lächelnd, dann stand er wirklich auf und streckte sich. "So, ich werde dich jetzt auch alleine lassen. Ist es ok, wenn ich nachher nochmal komme?", fragte er aus Höflichkeit. Falls sie das nicht wollte, würde Elizabeth ihn hoffentlich über den Zustand ihrer Tochter auf dem Laufenden halten. "Ich schätze, es ist okay", antwortete Jane überraschenderweise, sodass diese Informationskette nicht nötig sein würde. Die Erlaubnis freute Aiden, sodass er sich erleichtert verabschiedete. An der Tür bat er Jane, noch ein wenig zu essen, dann machte er sich auf den Weg zur Arbeit. Da es ihr schon ein wenig besser zu gehen schien, war Aiden nicht mehr so abgelenkt von seinen Gedanken an Jane. Seine Kollegen waren zwar neugierig, aber er blieb bei der vagen Aussage, die er als Erklärung geliefert hatte, und schließlich akzeptierten das. Inzwischen wussten sie ja, dass er äußerst sparsam mit Informationen über sein Privatleben war, was daran lag, dass es auffallen würde, wenn ein so ´junger` Mann von einem Leben berichtete, das schon viel zu lange dauerte. Da sagte er lieber gar nichts. Nach der Arbeit erledigte er noch ein paar Dinge und kehrte für eine Weile in seine Wohnung zurück, bevor er sich zu seinem ´Krankenbesuch` bei den McCollins aufmachte. Ausnahmsweise war Aiden sogar erleichtert, dass Gabriel da war. Im Moment war es besser für Jane, nicht alleine zu sein. Sie hatte am letzten Abend so seltsame Gedanken gehabt, und er war sich sicher, dass die Anwesenheit ihrer Mutter und ihres besten Freundes sie beruhigte. Wie schon erwartet, öffnete Elizabeth ihm, und er unterhielt sich ein wenig mit der Ärztin, jedoch nur ganz kurz über deren Tochter ("Wie geht es ihr?" - "Etwas Besser, denke ich."). Jedoch merkte sie, trotz seiner Zurückhaltung, natürlich sofort, dass ihr Gast eigentlich nur nach Jane sehen wollte, und sagte ihm, dass sie oben mit Gabriel fernsah. Er lächelte entschuldigend, dann ging er hoch und klopfte an der Tür. Seine Züge erhellten sich sofort, als er sah, dass Jane etwas aß. Vielleicht hätte er ihr lieber ein Glas Nutella oder so zum Frühstück hinstellen sollen. "Wie geht es dir?", fragte er, nachdem er sie herzlich und den Werwolf mit einem knappen, aber nicht unfreundlichen Nicken begrüßt hatte. Solange Gabriel Jane nützlich war, konnte er den Jungen an ihrer Seite akzeptieren. "Ich hab einen Kübel voll mit Eis, eine Flasche Schokoladensauce und eine große Schale voller Erdbeeren neben mir. Was denkst du, wie es mir geht?", erwiderte sie etwas sarkastisch auf Aidens Frage hin und schob sich auch gleich einen weiteren Löffel Eis in den Mund. Ihre sarkastische Antwort ließ Aiden die Brauen hochziehen und dann schief grinsen. "Ich schätze, du stehst kurz vor einem Zuckerschock", erwiderte er gelassen. Er sah ihre sarkastische Erwiderung als gutes Zeichen, waren doch solche Worte wesentlich mehr Janes Ding als dieses Betteln nach Bestätigung und Fürsorge, dass sie am letzten Abend gezeigt hatte. Nicht, dass es ihn gestört hätte, ihr zu geben, was sie gebraucht hatte, aber so war er es eben gewöhnt. "Das, oder ich krieg Diabetes oder Karies", erwiderte die junge Frau unbekümmert, als sie mit einem völlig seriösen Gesichtsausdruck nach der Schokoladensauce griff und einen kräftigen Schuss davon in den Eiskübel spritzte und einen Löffel davon aß. Die Tatsache, dass sie einen Teil ihrer Kaltschnäuzigkeit wiedererlangt hatte, deutete darauf hin, dass sie im Verlauf des Tages erneut einen Fortschritt gemacht hatte. Aiden lächelte sie liebevoll an, die verwirrten Blicke ignorierend, mit welchen Gabriel die Konversation der beiden anderen bedachte. Vertrauter, als er das noch vorgestern gewagt hätte, schlenderte er in das Zimmer, blieb neben dem Bett stehen und sah interessiert auf den Fernseher, auf dem gerade der Mittelteil eines Films zu sehen war. Als Jane sein Interesse bemerkte, deutete sie dem Spanier an, ein wenig rüber zu rutschen und klopfte neben sich aufs Bett, um zu zeigen, dass Aiden sich setzen konnte. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, länger zu bleiben. Aber wenn Jane ihn schon einlud, konnte er es wohl annehmen - Vor allem in Anbetracht des blöden Gesichts, das ihr Schoßhund zog, als er für ihn rüber rücken musste. So setzte er sich auf den Rand des Bettes und sah den Film, den er inzwischen als „Forest Gump“ identifiziert hatte. Während Tom Hanks immer wieder in den Regenwald rannte, um seine Kameraden zu retten, erkundigte Jane sich beiläufig nach Aidens Tag. Während er antwortete, runzelte Gabriel irritiert die Stirn und blickte zwischen den Beiden hin und her, weil ihm das ungewöhnlich vorkam. Es verwirrte ihn sichtlich, sie so 'nett' einem Vampir gegenüber zu sehen – besonders gegenüber diesem speziellen Exemplar, das sie doch so verletzt hatte. Allerdings bestätigte es ihm wiederum, dass ihr momentaner Gemütszustand nicht auf die leichte Schulter genommen werden konnte. Als sie sich dann auch noch für den Obstsalat bedankte, den der Blutsauger ihr am Morgen zubereitet hatte, hielt ihr bester Freund endgültig für geistig nicht zurechnungsfähig. Zuerst saß Aiden etwas da, aber nach einer Weile lehnte er sich ein wenig zurück und gab die Abwehrhaltung auf. Immerhin hatte er die letzte Nacht hier verbracht, also war es jetzt schon zu spät für Galanterie. Wäre das vorher nicht passiert, hätte er sich bei einer ähnlichen Einladung einen Sessel neben das Bett gezogen. Den Rest des Films verfolgte das ungleiche Trio schweigend, bis Gabriels Handy bei der Hälfte der Handlung klingelte. Ihre Gastgeberin hielt den Film an, während der Werwolf auf den Flur ging, um sich in Ruhe zu unterhalten. "Hast du eigentlich nicht noch etwas Anderes oder Wichtigeres vor?", wollte Jane von Aiden wissen, als sie alleine waren. Diese Frage ernüchterte ihn wieder, aber er zuckte nur lächelnd die Schultern. "Nein, ehrlich gesagt habe ich nichts anderes vor. Stört es dich, dass ich gekommen bin?" "Huh? Nein. Ich dachte nur ....", antwortete die Brünette, wobei sie kurz innehielt und scheinbar nachdachte. Im Normalfall wäre ihre Frage ganz offensichtlich ein Versuch gewesen, ihn aus dem Haus zu komplementieren. Doch so, wie sie jetzt dreinschaute, hatte sie scheinbar nicht daran gedacht, sondern tatsächlich nur wissen wollen, ob sie Aiden nicht von irgendetwas abhielt. Die junge Frau kam jedoch nicht dazu, ihre Antwort auszuformulieren, da Gabriel wieder ins Zimmer kam und sich entschuldigte, um anschließend das Anwesen der McCollins zu verlassen. Als der zweite Bett-Besetzter sich dann aus noch aus dem Staub machte, trug das nicht unbedingt zu Aidens Wohlbehagen bei, und er stand ebenfalls auf. Jetzt aber in menschlicher Geschwindigkeit, nicht so rasant wie am Morgen. "Vielleicht sollte ich dann auch gehen. Dir scheint es ja besser zu gehen..." Er wollte sie eigentlich immer noch nicht alleine lassen, aber ihre Mutter war ja da und sie hatte ihn mit ihrer Frage doch sehr verunsichert. Jane sah sie ihn etwas überrascht an und griff, rein instinktiv und unüberlegt, nach seinem Handgelenk - offensichtlich mit dem Ziel, ihn aufzuhalten. Es dauerte einen Augenblick, bis sie realisierte, was sie getan hatte, sodass sie erst blinzelte und dann sofort von ihm abließ und ein wenig zurückwich. "Uhm.. Du brauchst nicht zu gehen, wenn du... nicht willst oder nichts Anderes vorhast oder so...", kam es etwas verlegen und kaum hörbar über ihre Lippen, während sie sich die Haare hinters Ohr strich und wieder zum Fernseher blickte, der jetzt etwa den letzten Viertel des Filmklassikers zeigte. "Aber du kannst natürlich auch gehen. Ich meine... es zwingt dich niemand zu bleiben", fügte sie dann noch schnell hinzu. Es war nicht so, dass er unbedingt gehen wollte. Er war bloß davon ausgegangen, dass ihr aufgefallen war, wie sehr er sie doch nervte, und er wollte sie in ihrem Zustand nicht noch zusätzlich stressen, indem er ihr seine Gesellschaft aufdrängte. Wenn diese ihr aber half, würde er sie ihr sicher nicht entziehen. "Ich würde aber gerne bleiben, wenn ich darf", erwiderte er daher sanft, bevor er fragte, ob er sich wieder auf ihr Bett setzen durfte. Sie fand das wohl albern, aber für ihn war das halt nicht selbstverständlich. Als er wieder Platz genommen hatte, sah er Jane kurz nachdenklich an. Irgendwie... Hätte er sie gerne wieder in den Arm genommen. Da das aber wohl zu viel des Guten gewesen wäre, lehnte er sich einfach zurück und sah den Rest des Films. Jane griff nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszumachen, bevor sie aufstand und nach dem Essen griff, welches sie vorhin zur Seite gelegt hatte. Mit einer Kopfbewegung deutete sie Aiden an, ihr zu folgen. Ohne etwas zu sagen, begab sie sich runter in die Küche, um die Lebensmittel aufzuräumen und nahm dann ein paar Utensilien heraus, die sie auf der Kücheninsel ausbreitete. "Da ich heute das Abendessen vorbereiten will, kann ich dir ja gleich mal zeigen, wie man ein Hauptgericht zubereite", schlug die Jägerin vor, die sich wohl an das spielerische Interesse des Vampirs am Kochen erinnerte. Sie drückte ihm die Zutaten für Club-Sandwiches in die Hände und begann zu erklären und ihm die Arbeitsschritte aufzuzeigen. Aiden war ein wenig überrascht, doch er hielt das für eine Art Beschäftigungstherapie, der sich Jane gerade unterzog, um nicht ständig an die Trennung zu denken, und er hatte nichts dagegen, ihr zu helfen. Das ausgesuchte Rezept schien nicht allzu anspruchsvoll, trotzdem tat der Kochschüler sein Bestes. Während er Eier in Scheiben schnitt, fragte er beiläufig: "Und…? Hast du darüber nachgedacht, ob du das Jagen wirklich aufgeben willst?" Er wusste, dass es gefährlich war, dieses Thema anzusprechen, aber es interessierte ihn, zu welchen Schlüssen sie diesbezüglich kam. Immerhin betraf ihn das direkt selbst, genauso wie ihre gemeinsame Zukunft und Beziehung. "Hm? Oh...", zögerte Jane, während sie nachdenklich auf das Messer in ihrer Hand und die Tomate auf dem Schneidbrett blickte. "Ich schätze… Ich mache weiter. Einerseits wäre die jahrelange Arbeit für Nichts und andererseits, wäre die... Trennung von Logan umsonst." Ihre Antwort überraschte Aiden nicht, obwohl es für ihn vieles einfacher gemacht hätte, wenn sie ihre Arbeit an den Nagel gehängt hätte. Bisher hatten sie noch nicht direkt über Logan geredet, weshalb er sehr vorsichtig war, als er diesen ansprach: "Na ja, aber wenn du aufhören würdest, könntest du doch zu ihm zurückkehren, oder nicht? Und umsonst würde ich deine Arbeit nicht nennen, immerhin hast du vielen Menschen geholfen und gefährliche Vampire unschädlich gemacht." Er wollte sie weder in die eine, noch in die andere Richtung beeinflussen sondern erstens wissen, wieso sie sich für eine gewisse Handlungsart entschied und zweitens, ihr andere Sichtweisen, die ihr in ihrer momentanen Verfassung vielleicht gar nicht in den Sinn kamen, aufzeigen. Ihm war bewusst, dass sie, wenn sie weiter jagte, früher oder später darauf kommen würde, was er getan hatte. Aber selbst in diesem Bewusstsein wollte er sie nicht dazu drängen, mit dem Jagen aufzuhören. Wenn es ihr Seelenfrieden bringen würde, ihn zu töten, sollte es wohl so sein. Er war zwar nicht scharf auf den Tod, aber so hätte es wohl wenigstens einen Sinn, und er könnte seine Schuld zumindest teilweise begleichen. Es ihr selbst sagen, konnte er aber nicht. Er war einfach nicht mutig genug für einen Selbstmord. "Nun, das ist ein weiterer Grund, weshalb ich mich dazu entschieden habe, weiterzumachen. Wenn ich durch meine Arbeit als Jägerin verhindern kann, dass weitere Menschen umkommen oder solche Erfahrungen durchmachen müssen, wie ich es getan habe, dann lohnt es sich, weiterzumachen. Außerdem ist dieser Job ein Teil von mir, den ich nicht einfach so ablegen kann. Dementsprechend ist eine ... 'normale' Liebesbeziehung, also... eine weiterführende Beziehung mit Logan... nicht möglich", erwiderte die Brünette, wobei sie gegen Ende kurz innehielt und immer leiser wurde. Man konnte es praktisch hinter Janes Stirn rattern sehen, und was dabei am Ende rauskam, gefiel Aiden so gar nicht. Zwar war er selbst der Meinung, dass sie sich einen stärkeren Mann suchen musste, aber das hieß nicht, dass sie keine normale Beziehung führen konnte. Auch glaubte er nicht, dass ihre Persönlichkeit zwangsläufig mit dem Dasein als Jägerin verknüpft war. Sicher, es war ein Teil von ihr, aber einer, den sie zurücklassen konnte, wenn sie es denn wollte. Jedoch sah er davon ab, weiter auf dieses Thema einzugehen, als ihm auffiel, wie schwach Janes Stimme geworden war. Er berührte sie kurz an der Schulter und sah sie entschuldigend an. "Tut mir leid, dass ich damit angefangen habe", sagte er leise. Sie war einfach noch nicht so weit, darüber nüchtern zu sprechen, das hätte ihm klar sein müssen. Statt weiter auf dem Thema herumzureiten, stellte Aiden ihr fast schon ungehörig viele Fragen über die Produktion von Club-Sandwiches, bis sie halb lachend, halb genervt verkündete, dass es jetzt reichte, es würde sich ja nicht um eine Wissenschaft handeln. "Das sieht wirklich nicht schlecht aus", lobte sie ihn mit einem schwachen Lächeln, um anzuzeigen, dass sie nicht wütend war, ehe sie ihm die Zutaten für die Sauce in die Hand drückte und ihm die Anweisungen für die Mengen und Zubereitungen gab. "Gefallen dir Filme wie Forrest Gump?", wechselte Aiden das Thema, um das Gespräch nicht einschlafen zu lassen. "Ich schätze schon. Es ist eine willkommene Abwechslung zu den sinnlosen Ballerfilmen oder 'unlustigen' Comedyfilmen", erwiderte die Brünette und strich sich die Haare hinters Ohr. "Und falls du dich wunderst, weil Forrest Gump irgendwie auch eine Romanze ist: Ja, ich mag teilweise kitschige Romanzen." Die Rechtfertigung bezüglich des Romantik-Anteils ließ Aiden schmunzeln, doch anstatt darauf einzugehen, meinte er schlicht: "Ich finde die Beziehung in diesem Film eher tragisch als romantisch." Er war keineswegs überrascht davon, dass sie Romanzen mochte, immerhin war sie ein Mädchen, und er hatte ja gesehen, wie sie sich verhielt, wenn sie verliebt war. In der Hinsicht war sie wohl doch typisch Frau - Immerhin hatte sie soeben aus Liebeskummer ganz klischeemäßig einen Kübel Eis gegessen - Was absolut nichts Schlechtes war. Meistens freute er sich sogar, wenn er derart ´weibliche` Seiten an ihr entdeckte, etwa ihre Vorliebe fürs Kochen oder für Blumen. "Da gebe ich dir Recht. Selbst wenn Forrests IQ unter dem eines normalen Menschen liegt, so hat er ein großes Herz. Auch wenn er durch die Umstände mit Jenny reich wurde und einiges erlebt hat... Sie hat ihn nicht verdient", meinte die Jägerin, wobei Aiden aufmerksam wurde, als Jane ein wenig ins Stocken geriet. Eigentlich führten sie ja nur ein unverfängliches Gespräch über einen Film, sodass ihr trauriger Gesichtsausdruck ihm ganz und gar nicht gefiel. "Man muss es sich auch nicht verdienen, geliebt zu werden", sagte er ihr zum zweiten Mal, diesmal wesentlich strenger. Sie konnte doch jetzt nicht alles Negative, das in ihrer Umgebung passierte, auf sich projizieren, das war ungesund. "Was ich meinte, war viel mehr, dass er sein ganzes Leben lang sie geliebt hat, und als er sie dann endlich hat, wird sie ihm wieder weggenommen. Aber manchmal muss man wohl einfach die Zeit genießen, die einem gegeben ist, weil das Schicksal einem nicht mehr zugestanden hat... Oder so", beendete er seine kleine Ansprache ungeschickt, wobei er über sich selbst lachte und sich durch die Haare fuhr. Eigentlich hatte er das jetzt weder auf Jane, noch auf sich selbst beziehen wollen, aber irgendwie passte es doch auf ihre jeweiligen Situationen; sie musste lernen, die Zeit mit Logan als vergangen anzusehen und als Erinnerung zu genießen (Immerhin hatte sie es ja selbst beendet) und ihm hatte das Schicksal einfach nicht ´mehr` zugestanden. Nach einer Weile hatten die beiden zwei Club-Sandwiches gezaubert und den Tisch gedeckt, bevor Elizabeth runterkam und sich mit ihrer Tochter an den Tisch setzte. Als die Ärztin hörte, dass Aiden beim Kochen geholfen hatte, sah sie ihn überrascht, aber gleich danach dankbar lächelnd an, nachdem sie ihre positive Meinung zum Essen geäußert hatte. Immerhin half er Jane so, sich abzulenken und ein wenig auf andere Gedanken zu kommen. Ihre gemeinsame Mühe hatte sich gelohnt, denn Elizabeth schmeckte es. Aiden grinste die beiden Damen an und rieb sich etwas verlegen den Nacken. "Vielleicht lass ich das mit dem Studium und fange eine Ausbildung als Koch an. Was meinst du?" "Solange ich nicht dauernd als Vorkoster dienen muss", entgegnete Jane, wobei sein Kommentar es sogar schaffte, ihr ein kleines Schmunzeln auf die Lippen zu zaubern. Sie aß nur etwa die Hälfte ihres Sandwiches, doch war es mehr als am Vortag und Morgen, weshalb Elizabeth nichts dazu sagte und die gegessene Menge akzeptierte. Außerdem hatte sie Unmengen an Süßem verdrückt, sodass die Kalorienanzahl gedeckt war. "Wo genau ist denn eigentlich deine neue Bleibe? Hast du dich gut eingelebt?", wollte Elizabeth von Aiden wissen. Er nannte die Adresse in Ealing und lud beide Frauen ein, ihn zu besuchen, obwohl er nicht glaubte, dass sie kommen würden. Jane hätte wohl kaum Lust dazu und die elegante, noble Elizabeth in seiner kleinen Single-Bude... Das war irgendwie eine absurde Vorstellung. "Na ja, es ist nicht besonders groß, also geht das mit dem Einleben schnell. Ich bin nicht oft dort, wenn ich ehrlich bin", erzählte er offen weiter. Das hatte er schon so gehalten, als er noch in dem Hostel gewohnt hatte, die meiste Zeit war er unterwegs. Im Haus der McCollins hatte er sich deutlich öfter aufgehalten, als er noch hier Gast gewesen war, was natürlich an den Bewohnerinnen lag, nicht am Komfort ihres Hauses. Er konnte sich schon denken, dass Elizabeth ihn noch länger beherbergt hätte, hätte e darum gebeten, aber er hatte einfach nicht weiter zur Last fallen wollen. Nach dem Abendessen half Aiden Jane beim Abräumen, während ihre Mutter den Abwasch erledigte. Das hieß für ihn, dass es Zeit wurde zu gehen. Bevor er diesen Ansatz (aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei) in die Tat umsetzen konnte, hielt Jane inne und drehte sich zu ihrem Hausgast um. "Uhm... bleibst du noch oder musst du los?", wollte sie von Aiden, wobei ihre Stimme kaum lauter ein Flüstern war. Sofort erhellten sich seine Züge und er fragte: "Darf ich noch bleiben?", weil er wusste dass es einfacher für Jane war, wenn sie ihn nicht direkt bitten musste, nicht zu gehen. "Ich wollte dir ja ohnehin meine DVD-Sammlung zeigen und wir könnten uns... die Harry Potter Filme ansehen?" Strahlend nickte er seine Zustimmung. Sie verabschiedeten sich von Elizabeth und kehrten in Janes Zimmer zurück. Dort öffnete sie einen seitlich aufschiebbaren, in die Wand eingebauten Schrank, sodass ein großes Regal mit unzähligen, sortierten DVDs zum Vorschein kam. "Such dir ein paar aus, die du dir Zuhause ansehen und mitnehmen willst", meinte Jane und pickte die Harry Potter-Filme heraus. "Hast… Du die wirklich alle gesehen?", fragte Aiden, sobald er die Sprache wieder gefunden hatte. "Huh? Ja, klar. Etwas Anderes würde keinen Sinn machen, oder?", erwiderte die Brünette mit einer hochgezogener Augenbraue. "Kein Wunder, dass du dir da keinen Lieblingsfilm aussuchen kannst." Er grinste sie kurz an, dann zog er neugierig die eine oder andere DVD aus dem Regal, während Jane den ersten Film einlegte. Nach einer Weile hatte Aiden drei Actionfilme und eine Komödie ausgesucht, die er sich ausleihen würde. Das würde für ihn wahrscheinlich ewig und drei Tage reichen. In der Zwischenzeit hatte es Jane sich auf dem Bett gemütlich gemacht, und Aiden setzte sich neben sie, sodass sie den ersten Teil der Saga starten konnten. Während der Pause, in der sie die DVD wechselten, diskutierten sie die eine oder andere Stelle der Filme, und die Stunden schienen zu verfliegen. Als die erste Prüfung des vierten Films anstand, spürte Aiden, wie Janes Kopf an seine Schulter sank. Zuerst dachte er, sie wäre wach, und war entsprechend etwas verwirrt, doch als er merkte, dass sie schlief, lächelte er nur und ließ sie in Ruhe. Irgendwie hatte er sich daran wohl schon ein wenig gewöhnt. So sah er sich die restlichen Prüfungen und Voldemorts Wiedergeburt alleine an. In der Zwischenzeit hatte Jane sich an seine Seite gekuschelt und er hatte den Arm um sie gelegt - nur, damit sie sich besser fühlte, natürlich. Als dann der falsche Moody enttarnt war und alle nach Hause fuhren, angelte Aiden nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten. Jetzt stand er wieder vor der Überlegung, ob er gehen sollte (er könnte ja in seinem alten Zimmer schlafen, falls sie wieder schlecht träumte), oder ob er einfach hier blieb. Letzteres erschien ihm wahnsinnig dreist, aber andererseits... Sie schmiegte sich so vertrauensvoll an ihn... Und sie sah immer noch so erschöpft aus, dass er sie wohl eigentlich nicht aufwecken sollte... Seufzend und mit einem leicht schlechten Gewissen legte er sich zum zweiten Mal zurück, um neben Jane zu schlafen. Zuerst wusste Aiden nicht, was ihn geweckt hatte. Verschlafen murmelnd öffnete er die Augen, doch trotz der Müdigkeit war er sich einen Moment später der Situation wieder halbwegs bewusst. "Tschuldige, dass ich... Hey, was ist?", unterbrach er sich mit rauer Stimme, als er merkte, dass Jane an seiner Seite zitterte. Sie blinzelte ein paar Mal, atmete ein wenig flacher und benötigte einen Moment, um ihre verwirrten Gedanken ein wenig zu besänftigen. Allerdings gelang ihr das nicht wirklich, weshalb sie instinktiv ihren Arm fest um Aiden schlang und ihr Gesicht in seiner Brust vergrub. Seine Hand, die bis dahin auf ihrem Rücken geruht hatte, legte sich jetzt auf ihren Hinterkopf und streichelte diesen. "Wieder ein Traum...? Es ist alles gut. Niemandem passiert etwas. Ich pass auf euch auf, ok?", flüsterte er ihr sanft zu und nahm ihre Hand auf seiner Brust in seine. Ihre Hand, die in seiner lag, übte ein wenig Druck aus und sie flocht ihre Finger zwischen seine, als sie sich noch ein wenig an ihn schmiegte und leicht nickte. Die junge Frau schloss langsam die Augen, während sie keinerlei Anstalten machte, sich von ihm zu entfernen oder ihre Hand aus seiner zu lösen. Vielmehr schmiegte sie sich enger an ihn. Es dauerte nicht lange, bis sich Janes Gesichtszüge entspannt hatten und sie wieder ihren ruhigen Schlaf fand. Voller Mitleid für Janes Zustand senkte Aiden den Kopf, bis er ihr einen Kuss auf ihren Scheitel drückte. "Es wird alles gut", bekräftigte er nochmal leise, den Druck ihrer Finger erwidernd. In diesem Moment schwor Aiden sich, nicht nur sie, sondern auch ihre Liebsten beschützen, solange es in seiner Macht stand. Er wollte sie nie wieder so am Boden zerstört sehen wie vorgestern, egal, was er dafür tun musste. Kapitel 13: All I want for Christmas ------------------------------------ Nur langsam öffnete Jane die Augen, als es draußen langsam heller wurde. Dabei benötigte sie eine gewisse Anstrengung, um sich gegen den Drang zu stellen, sich einfach wieder einzukuscheln und weiterzuschlafen. Dabei benötigte sie wieder eine ganze Weile, bis sie realisierte, dass sie nicht allein im Bett lag. Sie blinzelte ein paar Mal und blickte - ohne sich zu bewegen, weil es sich so angenehm anfühlte - nach oben, wo sie Aidens Gesicht sah. Er schlief noch, und anstatt loszuschreien oder ihn aus dem Bett zu werfen, wanderte ihr Blick langsam zu ihrer Hand, deren Finger mit seinen verflochten waren. Reflexartig zog sie sich aus der Berührung zurück, was den Vampir wohl weckte. Noch im Halbschlaf und mit geschlossenen Augen zog er Jane an der Schulter, auf der seine Hand ruhte, enger zu sich und gab ein zufriedenes Brummen von sich. Einen Moment lang wollte sie schreien, doch dann sagte sie nur zögerlich, leise: „Guten Morgen.“ Aiden riss die Augen auf und den Arm von ihr, aber Jane ließ sich Zeit damit, sich von ihm zu lösen. "Entschuldige... Ich habe dich wohl wieder nicht nach Hause gehen lassen", kam es leise über ihre Lippen. "Ich sollte mich entschuldigen. Ich wollte nämlich gar nicht gehen", sage er, entweder, weil er noch im Halbschlaf war, oder weil ihn ihre Verlegenheit offener machte. Seine Worte ließen sie ihn mit einer leicht hochgezogener Augenbraue ansehen, da sie nicht damit gerechnet hatte - zumindest nicht mit dem zweiten Teil des Satzes. Zwar war er bekannt dafür, relativ offen darüber zu reden, wie er in ihrer Nähe sein wollte, doch das jetzt so zu hören, war dennoch... eigenartig. Das schien der Vampir verspätet selbst zu bemerken, denn er sprang plötzlich in seinem rasanten Tempo aus dem Bett und zupfte nervös an seinem Shirt herum. Auf der Suche nach etwas Unverfänglichem, das er sagen konnte, fiel Aidens Blick auf Janes Wanduhr und er fragte hastig: "Musst du eigentlich nicht zur Universität? Entschuldige, dass ich dich aufgehalten habe." "Nein. Ich sollte mich entschuldigen. Schließlich halte ich dich ständig von deinen alltäglichen Erledigungen ab", erwiderte sie kopfschüttelnd. Aiden runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. "Ich bin gerne bei dir, Jane." Das zu hören, obwohl sie in den letzten Tagen sicherlich nicht die angenehmste Gesellschaft gewesen war, entlockte Jane ein Lächeln. "Jedenfalls… Die Ferien haben am Freitag begonnen. Ich hab bis Mitte Januar keine Vorlesungen mehr", erklärte Jane und stand auf. „Ah, richtig. Sowas vergisst man, wenn man nicht mehr selbst zur Uni geht.“ „Als hättest du das gewusst, als du noch ‚Student‘ warst.“ Beide lachten, dann räusperte Aiden sich. „Ich muss jetzt zur Arbeit. Wäre es okay, wenn ich heute Abend nochmal komme? Ich verspreche auch, nicht wieder einzuschlafen.“ Jane nickte, denn ihr war bewusst, dass er sich bei ihr aufhielt, weil er sich Sorgen um sie machte und ihr Zustand nicht wirklich beruhigend war. Im Erdgeschoss begegneten sie Elizabeth, die ebenfalls auf dem Sprung zur Arbeit war. Jane beobachtete von der Haustür aus, wie ihre Mutter den Vampir noch in der Auffahrt überredete, ihn ein Stück im Auto mitzunehmen. Kopfschüttelnd fragte sie sich, wann dieser Anblick wieder so normal geworden war, und zog die Tür zu. Zeit für das erste Frühstück alleine seit Stunde X. Zugegeben, viel Zeit verbrachte Jane in den folgenden Tagen nicht alleine. Die Albträume waren zu Beginn noch immer sehr präsent, doch nahmen ihre unruhigen Nächte ab, sodass sie sich langsam erholte. Dass Aiden dabei praktisch ihr ständiger Begleiter war und es schaffte, sie zu beruhigen, wurde zur Normalität. Seine Freizeit verbrachte er fast ausschließlich bei McCollins, oder aber, er bewegte Jane dazu, etwas mit ihm (häufig in Gabriels Begleitung) zu unternehmen. Natürlich konnte sich der Werwolf den einen oder anderen stichelnden Kommentar nicht verkneifen. Dabei hielt er sich anfänglich natürlich aufgrund von Janes Kondition eher zurück, da ihr Zustand an erster Stelle stand und er nicht wollte, dass sie sich zusätzlich aufregte. Trotz den Sticheleien und der eigentlichen Abneigung gegenüber dem Vampir war der Spanier ihm dankbar, da er nur zu deutlich bemerkt hatte, dass es seiner besten Freundin durch seine Anwesenheit und Initiative stetig besser ging. Sie wurde langsam wieder zur ‚altbekannten‘ Jane, doch hatte sich in dieser Zeit - bis zu Weihnachten - ihr Verhalten Aiden gegenüber deutlich verändert. Sie jagte ihn nicht mehr (weder direkt noch indirekt) aus dem Haus, akzeptierte seine Anwesenheit freiwillig und behandelte ihn sogar nett, sodass selbst Gabriel sich damit abfinden musste, dass der Vampir wohl oder übel zu so etwas wie ein ‚Freund‘ der Jägerin geworden war - auch wenn diese das nicht offen kommunizierte. Irgendwann in dieser Zeit lud Jane Aiden ein, den zweiten Weihnachtsfeiertag bei ihr zu verbringen. Zwar hätte Jane Nichts dagegen gehabt, wenn Aiden bereits schon an Heiligabend vorbeigekommen wäre, doch da sie nicht genau wusste, wie seine Pläne und Denkweisen diesbezüglich waren, hielt sie es für sicherer, ihn erst zum zweiten Abend einzuladen. Als dieser ein wenig herumgeduckst hatte, bevor er eine klare Antwort gegeben hatte, war sie sich nicht mehr ganz so sicher gewesen, ob es eine gute Idee gewesen war, ihn einzuladen. Es hätte sein können, dass er andere Pläne hatte oder anderen Traditionen nachging – obwohl sie Letzteres für eher unwahrscheinlich hielt. Immerhin schien es so, als ob er keine Verwandten mehr besaß, mit denen er feiern konnte. Dies war auch der Grund, weshalb die Brünette sich darauf freute, wenigstens einen Tag mit ihm feiern zu können. Als Aiden an besagtem Abend beim Anwesen auftauchte, war er merklich nervös, strahlte Jane aber über seinen dicken Schal hinweg an. Jane lächelte zurück an, als sie ihn ins Haus ließ. "Du bist ein wenig früh dran. Meine Mutter hat erst in etwa einer halben Stunde Feierabend", meinte sie und schritt dann Richtung Küche. "Tut mir leid, ich war mir nicht sicher, wie lange ich mit dem Schnee brauchen würde", erklärte er. "Ihr Geschenk sollten wir aber trotzdem schon mal in eine Vase tun", schlug er vor, wobei er einen großen Strauß Blumen anhob. Als dieser verstaut war, legte der Vampir ein kleines, in dunkelgrünes Papier geschlagenes Päckchen darunter, das ebenfalls für Elizabeth war. "Oh, das ist für dich", fiel ihm das zweistöckige, rot und golden verpackte Paket wieder ein, das er noch in der Hand hatte, und er reichte es ihr ein wenig verlegen. "Es ist zwar kein Botanischer Garten, aber ich hoffe, es gefällt dir." "Na, dann bin ich aber erleichtert. Auch wenn es wirklich nicht nötig gewesen wäre... Danke", erwiderte sie lächelnd. „Bis meine Mutter zu Hause ist, können wir es ja noch unter den Baum legen und dann später gemeinsam Bescherung machen. Komm.“ Sie führte Aiden wieder ins Wohnzimmer und platzierte Aidens Päckchen zu den letzten Geschenken, die noch unter dem Baum lagen. Aiden erkundigte sich nach dem Weihnachtsfest der McCollins-Damen, als Elizabeth mit von der Kälte geröteten Wangen ins Wohnzimmer schneite. „Frohe Weihnachten, Aiden“, lächelte sie und umarmte den sichtlich verlegenen Vampir. Jedoch hielt sie inne und hob die Augenbrauen an, als sie sah, was sich über den Beiden befand. "Sagt mal, was steht ihr eigentlich einfach so direkt unter dem Mistelzweig?", wollte die Ärztin wissen. "Huh?", kam es etwas verblüfft über Janes Lippen, bevor ihr Blick nach oben wanderte und sie tatsächlich das traditionsreiche Gewächs erblicken konnte. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie sich direkt darunter befunden hatten. „Na, ich hoffe, ihr würdigt alte Traditionen“, lächelte Elizabeth bevor sie sich in die Küche zurückzog, um nach dem Essen zu schauen. Zurück ließ sie ein verlegenes Schweigen. "Hm, ich schätze es ist ok, wenn wir dem Brauch folgen?", meinte Jane schließlich mit einem kleinen Lächeln und streckte sich etwas, um eben dies zu tun. "Ähm... Gut...", stammelte Aiden, sichtlich verwirrt. Trotzdem beugte er sich folgsam beugte ihr runter und wollte ihr die linke Wange hinhalten. Jane dagegen steuerte die Rechte an, sodass sich ihre Lippen für einen kurzen Moment berührten. Jane wich überrascht und mit leicht geweiteten Augen zurück, wobei sie den Blick abwandte und merkte, wie ihr das Blut von ihrem rasenden Herz in den Kopf gepumpt wurde. Aiden selbst sprang hastig einen Schritt zurück und riss die Hände hoch, als erwarte er, eine gescheuert zu bekommen. "Tut mir leid, ich dachte… Äh... Ich habe es wohl... falsch eingeschätzt...", entschuldigte Jane sich nach einem Räuspern und strich sich peinlich berührt die Haare hinters Ohr. Na, der Abend begann ja schon mal gut... "Mir tut´s leid. Wenn einem eine hübsche Frau so nahe kommt, gibt es schon mal Koordinationsschwierigkeiten", machte Aiden den ziemlich dämlichen Versuch, die Situation durch Humor zu retten, ehe er rasch das Thema wechselte. "Ähm... Sollen wir Liz helfen? Geschenke auspacken machen wir nachher alle zusammen, oder?" "Äh... Ja. Gute Idee. Am besten, wir helfen beim Tischdecken oder so", schlug sie mit einem kleinen Lächeln vor. Anschließend begaben sie sich gemeinsam in die Küche, um der Dame des Hauses unter die Arme zu greifen. Als schließlich alles auf dem Tisch stand, setzten sie sich und begannen zu essen. "Wir hoffen, wir haben dich mit unserer Einladung noch von anderen Plänen aufgehalten?", wollte Elizabeth von ihrem Hausgast wissen, nachdem sie sich für den wunderschönen Blumenstrauß und das Geschenk bedankt hatte. Als Aiden sagte, er würde sich sehr über die Einladung freuen, lächelte Elizabeth ihn herzlich an. "Es ist nämlich wirklich schön, dass du dir die Zeit dazu nehmen konntest, um ein wenig mit uns zu feiern. Wobei... feierst du Weihnachten oder hast du das früher überhaupt gefeiert? Also, ich meine, gehörst du überhaupt der christlichen Religion an?" Im Gegensatz zu ihrer Tochter war die Ärztin in der Hinsicht nicht ganz so bewandert, sondern glaubte teilweise an die alltäglichen Mythen über Vampire. Zwar wusste sie, dass man mit Knoblauch nichts gegen die Blutsauger ausrichten konnte, doch hatte sie sich bisher nie Gedanken darüber gemacht, wie es mit religiösen Gegenständen und dem Glauben allgemein aussah. "Ich wurde protestantisch getauft, als ich geboren wurde. Also ja, wir haben Weihnachten gefeiert. Allerdings würde ich mich inzwischen nicht mehr als Christ bezeichnen." Janes Blick lag zwischenzeitlich immer wieder heimlich auf Aidens Lippen, da sie - auch wenn sie ihre Verlegenheit mittlerweile relativ gut im Griff hatte - es nicht wirklich verhindern konnte, dass ihre Gedanken zum vorherigen Kuss abschweiften. Als Jane etwa das dritte Mal zu ihm schielte, bemerkte sie es und schimpfte innerlich mit sich selbst und versuchte, sich fast schon stur auf das Essen und den Teller vor sich zu konzentrieren. Aiden dagegen schien nichts davon zu bemerken und fuhr fort: "Aber ich finde, man kann Weihnachten einfach als Fest für seine Familie betrachten, um am Ende des Jahres wieder näher zusammen zu kommen. Für Leute, denen Religion wichtig ist, ist das schön und gut, aber man kann es davon unabhängig betrachten." Während Elizabeth und Aiden plauderten, beruhigte Jane sich ein wenig. Nach einer Weile bot sich an, sich um die zwei kleinen Karamell-Nuss-Tartes zu kümmern. So konnte sich die Jägerin zumindest auf eine Tätigkeit konzentrieren und ihre Gedanken einigermaßen in den Griff zu kriegen. Die drei unterhielten sich weiterhin angeregt über verschiedenste Dingen, wie zum Beispiel Aidens momentane Lebensart und seinen Job, Janes baldigen Abschluss und lustige Anekdoten über die vergangenen Weihnachtsfeiern bei den McCollins, sodass Jane zunehmend wieder ihre Fassung erlangte und dem Hausgast nicht mehr aus dem Weg ging. Später waren Jane und Aiden in der Küche, um die Spülmaschine einzuräumen, während Elizabeth im Wohnzimmer einen Kaffee trank. "Entschuldige. Wir haben dich zwar für heute Abend eingeladen, aber du konntest nur neben uns sitzen und dich mit uns unterhalten", meinte die Jägerin, während sie sich von ihm die Teller reichen ließ. Er schüttelte sofort den Kopf. "Ich freue mich wirklich sehr, dass ich hier sein darf. Es ist schön, das Fest mit euch zu verbringen." Jane lächelte erleichtert, dann kehrten sie ins Wohnzimmer zurück, um sich an die Bescherung zu machen. Zuerst war Elizabeth dran, die Aiden ein in rot-gold verpacktes Päckchen überreichte. Darin entdeckte er ein leeres Buch, zu dem die Ärztin erklärte: „Ich dachte, du könntest es als Reisetagebuch benutzen.“ Schließlich konnte sie sich gut daran erinnern, wie er ihr erzählt hatte, wie sehr er das Reisen schätzte und was konnte besser sein, als ein Gegenstand, in dem man seine Erinnerungen aufbewahren konnte, wenn man eine Ewigkeit lebte? Aiden strahlte Elizabeth an, Rührung in den Augen, und verbeugte sich flüchtig. „Vielen, vielen Dank, Liz. Ich… Würdet ihr mir die Ehre erweisen, ein Foto für die erste Seite zu machen?“ „Gewiss, mein Herr“, neckte Jane seinen steifen, altertümlichen Tonfall. Elizabeth lachte und schalt ihre Tochter, während sie die Digicam aus einer Schublade holte. Sie postierte Jane und Aiden vor dem imposanten Baum und eilte zu ihnen, nachdem sie den Selbstauslöser betätigt hatte. Es brauchte zwei, drei Versuche und ein paar Witze über das Vorurteil, dass Vampire nicht fotografiert werden könnten, bevor alle mit dem Bild zufrieden waren. „Die Blumen hast du ja schon gesehen… Aber das ist auch noch für dich“, erklärte Aiden schließlich und reichte Elizabeth ein kleines, in dunkelgrünes Papier geschlagenes Päckchen. Daraus wickelte Elizabeth einen hellblauen Kaschmire-Schal, in welchen die Ärztin ihr Gesicht schmiegte und sich bedankte. Jane war ein wenig erstaunt von diesem modischen Geschenk, da sie Aiden nicht wirklich ein Händchen für so etwas zugetraut hätte. Er selbst sah immer aus, als hätte er das erstbeste Shirt und die nächste Hose übergeworfen, die er in die Hand bekommen hatte. Allerdings glaubte Jane, in diesem Schal eine Burberry-Kollektion der letzten Jahre zu erkennen und erinnerte sich unwillkürlich an ihren Shoppingausflug mit Aiden, nachdem sein Zimmer ausgeraubt worden war. Misstrauisch beäugte sie den Vampir. Er konnte doch nicht ihr Geschenk für ihn erraten haben? Dafür hätte er ihren Schrank durchsuchen müssen, und das würde sie ihm niemals zutrauen. Da Jane ihrer Mutter ihr Geschenk schon gegeben hatte, waren nur noch die Päckchen übrig, die Aiden und Jane füreinander besorgt hatten. Sie machte es sich auf der Couch neben Elizabeth gemütlich, während Aiden mit dem Geschenk auf dem Schoß auf dem Sessel platzgenommen hatte. Jane öffnete das erste Geschenk und erblickte kurz darauf einen roten Pullover mit weißen Herzen darauf – genau den gleichen Pullover, den grauenhafte Pullover, den sie ein Jahr zuvor beim Shoppen gesehen hatten. Lachend ließ sie das gute Stück in ihren Schoß fallen. "Das gibt’s doch nicht… Ich glaube, da hatten wir beide die gleiche Idee", meinte sie grinsend. "Danke dafür. Ich werde ihn an kalten Wintertagen Zuhause tragen.“ Der Vampir stutzte und packte sein Geschenk aus, wobei derselbe Pullover zum Vorschein kam. Lachend zog Aiden sich kurzerhand das neue Geschenk über das Hemd, nachdem er das Etikett entfernt hatte. "Wie, nur zu Hause? Das ist doch viel zu schade dafür", grinste er gut gelaunt, trotz der hässlichen Garderobe. „Ich habe eine richtige Odyssee hinter mich gebracht, bis ich das Ding online gekauft habe.“ „Oho, online? Ich bin beeindruckt!“, stichelte Jane amüsiert und wandte sich dem zweiten Päckchen zu. Darin fand sie ein himbeerfarbenes Kleid mit langen Ärmeln, das in sanften Falten etwa bis zu den Knien fiel. Sie stand auf, um es sich an den Körper zu halten, und betrachtete sich in der Spiegelung der Glastüren zum Garten. "Das ist... wirklich wunderschön. Vielen Dank, Aiden", sprach Jane leise und nach der Walgesänge-CD und dem albernen Pullover wirklich beeindruckt von dieser Auswahl. Verlegen rieb Aiden sich den Nacken und murmelte etwas wie: ‚Gern geschehen…‘, bevor er sich lieber seinem eigenen Geschenk zuwandte. Darin fand er einen schicken, schwarzen Ledergeldbeutel. Kurz sah er das Ding ein wenig erstaunt an, bevor es klick machte und er lachend das Gesicht in die Hand legte. "Den werde ich sicher nicht mehr vergessen!", versprach er lachend, als er sich an ihren Restaurantbesuch erinnerte, bei dem er Jane eigentlich hatte einladen wollen – nur, dass er kein Portemonnaie dabeigehabt hatte. Sie plauderten noch ein wenig über die Zeit vor einem Jahr, aber inzwischen war es spät geworden, und schließlich zog Elizabeth sich zurück. Nachdem Jane ihr einen Kuss gegeben hatte, machte sie es sich auf der Couch gemütlich und griff nach dem Buch, das die Ärztin Aiden geschenkt hatte. „Das ist eine schöne Idee. Du hast ja schon damals gesagt, dass du gerne reist“, meinte Jane und lächelte ihn an. Für ihn war es perfekt, seine Erinnerungen aufbewahren zu können, für die Ewigkeit, die er leben würde. „Es gefällt mir sehr“, stimmte Aiden zu und erinnerte Jane daran, ihm das Foto von ihnen dreien zukommen zu lassen, wenn es ausgedruckt war. „Aber… Ich habe erstmal nicht vor, weg zu gehen.“ Jane musterte ihn ein wenig nachdenklich, bevor sie tief luftholte und sich auf den Rücken rollte, den Kopf auf der Sofalehne abgestützt. „Bei dir hätte ich auch wirklich nichts anderes erwartet!“, beschwerte sie sich mit gespielt nörglerischer Tonlage. "Hast du als Kind eigentlich auf den Weihnachtsmann gewartet?", wechselte er das Thema, und eine Weile unterhielten sie sich darüber, wie Jane schon als kleines Kind herausgefunden hatte, dass ihr Vater sich hinter dem Mann mit Bart versteckte. Es war eigentlich ein leichtes Thema, aber irgendwann merkte Jane, dass Aiden immer stiller wurde. Sie musste den Kopf etwas biegen, um sein Gesicht zu sehen, als sie: „Was ist?“, fragte. „Nichts“, lächelte er, aber da hatte Jane schon den harten Zug um seine Brauen entdeckt, den er hatte, wenn er an etwas Unangenehmes aus seiner Vergangenheit dachte. Er warf einen Blick auf die Uhr und erhob sich. „Es ist spät, und ich halte dich vom Schlafen ab. Bitte verzeih.“ Überrascht merkte Jane, dass es schon halb ein Uhr nachts und sie wirklich erschöpft war. Sie begleitete ihren Gast zur Tür, und sein Schweigen gab ihr das Gefühl, dass sie unbedingt etwas sagen musste. Sie wollte die freundliche Stimmung nicht zerstört wissen, die während der letzten Stunden geherrscht hatte. Bevor er einfach so gehen konnte, hielt sie Aiden auf, indem sie ihn am Ärmel festhielt. "Aiden, ich... habe mich glaube ich noch gar nicht richtig dafür bedankt, dass du in der vergangenen Zeit für mich da warst und... dafür gesorgt hast, dass es mir gut geht. Darum: Danke, Aiden. Ich bin... wirklich froh, dass du da warst", gab sie leise und mit einem kleinen, verlegenen Lächeln zu, bevor sie ihren Griff löste. Zuerst sah er sie fragend an, doch dann lächelte er sie liebevoll an. Diesmal war er es, der Janes Hand nahm und sie an seine Stirn presste, nachdem er den Kopf gesenkt hatte. "Du kannst dich auf mich verlassen, Jane", versprach er leise, ehe er sie losließ und einen Schritt zurücktrat. „Ich danke euch für die Einladung. Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Jane konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er sich verbeugte. Für einen Moment blickte die Brünette ihm hinterher, bevor sie die Tür schloss und sich ebenfalls in ihrem Zimmer zurückzog. Ja, sie konnte sich immer auf ihn verlassen, das wusste sie. Kapitel 14: Blut im Schnee -------------------------- "Wollte von deinen Freundinnen keine mit?" "Hm? Oh... Ich habe sie nicht gefragt. Kate ist nämlich übers Wochenende in einer anderen Stadt bei ihrer Familie und Cynthia hat ein Date mit ihrem Freund", erklärte Jane, während sie aus dem Parkplatz vor Aidens Wohnung fuhr. Den enttäuschten Blick, den Aiden zu Gabriel auf dem Beifahrersitz warf, bemerkte sie nicht. Inzwischen hatte das Semester wieder begonnen, und langsam war die Normalität ins Hause McCollins zurückgekehrt. Jane erholte sich zusehends, was unter anderem sicher daran lag, dass sie und Logan keinen Rosenkrieg oder dergleichen führten. Aiden hatte sich Sorgen gemacht, als Jane ihren Exfreund in der Uni wiedersehen sollte, doch war alles gutgegangen. Zwar war es noch ein wenig eigenartig und würde seine Zeit benötigen, bis es alltäglich werden würde. Aber Jane war zuversichtlich, dass sich alles normalisieren würde und ihr Geheimnis bei Logan sicher war. Heute nutzte das Jägertrio die momentane Ruhe für einen Ausflug. Nach allem, was im letzten Monat passiert war, hatte Jane sich das wirklich verdient. Aiden wäre es zwar lieber gewesen, Zeit alleine mit ihr zu verbringen, doch hatte sie darauf bestanden, Gabriel ins Winter Wonderland im Hyde Park mitzunehmen, sodass er schlecht nein sagen konnte. Die Fahrt dauerte eine knappe halbe Stunde. Vom Parkplatz aus schlenderten sie zu dem winterlich gestalteten Park, bei dessen Anblick Janes Augen aufleuchteten. Aiden hatte gerade noch Zeit, die Aufmachung ziemlich kitschig zu finden, als sie ihn am Arm nach und mit sich zog. Das hatte sie, trotz ihres besseren Verhältnisses, noch nie gemacht, weshalb Aiden ziemlich überrumpelt war. Ihr folgen tat er natürlich trotzdem, und kurz darauf standen sie vor einer Schießbude. "Ich will eine Revanche!", verkündete Jane entschlossen. "Das Ergebnis wird aber wieder dasselbe sein", kündigte er an, obwohl er hoffte, dass diesmal kein Defekt für seinen Sieg sorgen würde. Gabriel runzelte die Stirn und sah zwischen den beiden hin- und her. "Wie? Du hast beim Schießen gegen ihn verloren?", wollte er wissen. "Ich habe ein bisschen mehr Erfahrung. Schon vergessen?", erinnerte er den Werwolf gelassen. „Von wegen Erfahrung, du hattest Glück, dass mein Gerät gestreikt hat“, empörte Jane sich, die sich offensichtlich noch gut an ihren Ausflug mit Aiden in den Thrope Park erinnerte. Sie verlangte drei Waffen, von denen sie zwei ihren Begleitern in die Hände drückte. "Wir spielen alle drei und wer gewinnt, dessen Wunsch wird erfüllt", schlug sie vor. "Du kriegst doch sowieso alles, was du willst. Was könntest du dir wünschen?", neckte Aiden die eindeutig verwöhnte Alleinerbin ein wenig. Ihr Vertrauensverhältnis war mittlerweile so weit fortgeschritten, dass sie es ihm nicht übel nahm, sondern grinste. Immerhin war es die Wahrheit. "Wie, ich krieg alles? Soweit ich weiß, hab ich - egal wie sehr ich mich angestrengt habe - deinen Abgang nicht bekommen", entgegnete die junge Frau genauso neckend. „Oooh, dann müssen wir das ja praktisch spielen, damit die Dame endlich mal zu ihrem Recht kommt“, erwiderte Aiden lachend. Schließlich stimmte auch Gabriel dem kleinen Wettbewerb zu. Sie vereinbarten, dass derjenige gewinnen sollte, der innerhalb von dreißig Sekunden die meisten Ziele erwischte, dann stellten sie den Alarm und es ging los. Wie zu erwarten gewesen war, waren die Jägerin und der Vampir alleine schon durch ihre Übung deutlich besser als der Werwolf. Schlecht stellte der sich zwar nicht an, aber die beiden ehemaligen Mitbewohner führten ziemlich schnell. In den ersten Augenblicken sah es nach einem Unentschieden Aiden und Jane aus, doch schaffte die Vampirjägerin es, das Tempo im letzten Augenblick zu erhöhen, sodass es ihr gelang, das Spiel für sich zu entscheiden. Aiden war ziemlich ernüchtert. Nicht wegen Jane, er wusste ja, dass sie gut war, und im vergangenen Jahr hatte sie sich noch verbessert, was er sehr bewunderte. Es wurmte ihn nur wegen Gabriel. "Hm… Ich schätze, ich bin aus der Übung", sagte er etwas grummelig, als der Budenbesitzer Jane ihr Kuscheltier und den Männern Plastikblumen überreichte, die sie natürlich gleich an die Dame weiterreichten. Das taten sie fast synchron, worüber Jane nur lachen konnte. Das Geräusch half Aiden, seine gute Laune schnell wiederzufinden, und er grinste Jane an. "Wir sollten das öfter spielen, dann würde es anders laufen. Also, was wünschst du dir?" "Nun, ich möchte, dass ihr mal an einem Wochenende vorbeikommt und für mich kocht – gemeinsam", betonte die Brünette, als sie mit ihren Begleitern durch die Menge schlenderte und Richtung Eislaufbahn ging. "Huh? Ist das dein Ernst? Ich meine... dass ich koche ist ja ungefährlich, aber... er?", wollte der Werwolf wissen und blickte seinen biologischen Erzfeind mit einer hochgezogener Augenbraue an. Eigentlich hatte Aiden den Vorschlag, für Jane zu kochen, ganz witzig gefunden, mal abgesehen von dem kleinen Manko, dass er dabei den Welpen ertragen musste. Sein Lächeln erstarb jedoch, als er Gabriels Protest-Gejammer hörte. "Ich stehe neben dir. Wenn du ein Problem hast, sag es ruhig", bot er ruhig an "Es ist nicht unbedingt ein Problem, sondern vielmehr Sorge. Ich meine... wer weiß, ob das, was du kochst, sie nicht irgendwie vergiftet?", entgegnete der Werwolf ehrlich besorgt. „Wird es nicht“, unterbrach Jane die Männer mit der ihr eigenen Selbstverständlichkeit. „Und jetzt hört auf, euch zu zanken, und lasst uns schlittschuhfahren gehen.“ Aiden verwarf seine Gedanken daran, Jane ein schmackhaftes Wolfs-Ragout zu servieren, als sie sich anstellten, um Schlittschuhe auszuleihen, und sich dann auf die Eisbahn zu begeben. Aiden hatte schon ziemlich lang nicht mehr auf Kufen gestanden und tastete sich zunächst langsam voran. Als er merkte, dass er sich recht schnell zurechtfand, sah er sich nach seinen Begleitern um. Man merkte Gabriel an, dass er viele Jahre lang im Süden Europas gelebt hatte, wo Schlittschuhlaufen nicht gerade ein bekannter Volkssport war. Er wackelte wie ein Kuhschwanz, bis Jane ihn an den Händen nahm und einige Male zum Üben mit ihm hin und her fuhr. Sie lachte, als er zwei-, dreimal fast das Gleichgewicht verlor und zog ihn offensichtlich damit auf. Ein bisschen wehmütig sah Aiden dabei zu, wie Jane Gabriel über seine Startschwierigkeiten hinweg half. Vielleicht sollte er sich auch ein bisschen dümmer anstellen. Nach einer Weile hatte Gabriel sich so weit an die Kufen gewöhnt, dass er schneller über die Bahn fahren wollte. Die Gelegenheit nutzte Aiden, um sich zu ihr zu gesellen. „Du solltest eine Eislaufschule eröffnen“, schlug er neckend vor und Jane lachte. „Da können aber höchstens ein paar winterscheue Spanier noch was lernen“, erwiderte sie, während sie sich in Bewegung setzten, um die Bahn zu umrunden. "Warst du früher schon Schlittschuhlaufen?" "Meine letzte Freundin mochte das sehr, und es ist wohl irgendwie ‚Sport‘, also geht es schon", erklärte er schulterzuckend. Als er die Eisbahn in dem romantischen Aufzug gesehen hatte, hatte er vorhin schon an Fiora gedacht und lächelnd festgestellt, dass es ihr hier sicher gefallen hätte. Aiden bemerkte, dass Janes Lächeln erstorben war, und sah sie fragend an. „Alles in Ordnung?“ "Ja, ich… Ja. Ich habe gerade daran gedacht, dass ich als Kind und Teenager praktisch jedes Jahr mit meiner Mutter hier war. Da war Schlittschuhlaufen einfach ein Muss." "Das merkt man dir an. Es sieht so natürlich aus“, erklärte er, und fuhr einen Halbkreis um sie herum, um seine Worte zu untermalen. Sie kicherte über seine Spielerei, und er lächelte. „Ach… Übrigens habe ich mich entschieden, mich im Sommersemester für Sportpsychologie einzuschreiben", erzählte er, weil er bisher noch nicht dazu gekommen war. „Oh, dann werden wir wohl die eine oder andere Vorlesung zusammen haben", stellte Jane in einer Tonlage fest, die deutlich machte, dass sie nichts gegen diese Zeit hätte. Immerhin verbrachten sie inzwischen sogar ihre freien Stunden zusammen. „Na ja, vielleicht, wenn du Tutorium hältst. Ich fange ja erst mit dem Bachelor an.“ Sie unterhielten sich noch eine Weile über das Studium, während sie über das Eis glitten. Gabriel holte nach einer Weile von hinten auf und passte sich an Janes Tempo an. "Ich habe ganz vergessen, wie geil das ist", grinste der Werwolf und nahm die Hand seiner besten Freundin, um sie lachend und mit schnellerem Tempo mit sich zu ziehen. Aiden beobachtete die zwei kurz ein wenig neidisch, kündigte dann aber an, ebenfalls testen zu wollen, wie schnell er fahren konnte. Jane meinte nur, er solle nicht zu sehr angeben, woraufhin er ihr zuzwinkerte ehe er es dem Werwolf nachmachte. Angesichts seiner Reflexe schaffte er es ohne Unfälle ziemlich schnell. Allerdings wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt, als er einen auffälligen Geruch wahrnahm und er sich alarmiert umblickte. Es war aber so viel los, dass Aiden den anderen Vampir momentan nicht ausmachen konnte. Solange er bei Jane war, konnte ihr unmöglich etwas passieren, trotzdem war er ein wenig beunruhigt. Andererseits wollte er nicht wirklich, dass sie jetzt auf die Jagd ging, zumal sein Artgenosse erstens, genauso wie Aiden selbst, nur zum Spaß hier sein konnte, und zweitens jagen durfte, solange er dabei nicht Amok lief. Aiden beschloss, die Sache zwar im Auge zu behalten, doch vorerst auf sich beruhen zu lassen, und zu seinen Freunden zurückzukehren. Unterwegs kam er an einem Getränkestand vorbei und kaufte Jane eine Tasse Punsch. Kurz hatte er überlegt, auch ihrem besten Freund eine mitzubringen, aber der fand ihn ja so eklig, also brauchte er auch keine Getränke von ihm. Es dauerte etwas, bis er sie in der Menge wieder fand, dann hielt er ihr die dampfende Tasse hin. "Es ist ganz schön kalt geworden. Ich hoffe, du magst so was?" "Oh, danke." Sie trank einen Schluck nutzte das Getränk, um ihre Hände ein wenig zu wärmen. Nach etwa der Hälfte gab sie den Becher Gabriel, der sich bei ihr bedankte statt bei Aiden. Dieser bemerkte die Unhöflichkeit jedoch nicht, sondern sah sich weiter um, während der Werwolf den Rest trank. „Was ist los, Aiden?“ Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie ihn beobachtet hatte. Stirnrunzelnd musterte er die Jägerin. Er wollte den Tag in Ruhe verbringen und nicht mit ihr auf die Jagd gehen. Andererseits kam ihm der Geruch dieses Untoten so bekannt vor, dass es ihn selbst reizte, herauszufinden, wer es war. Richtig zuordnen konnte er es nämlich nicht. "Hier ist irgendwo noch ein Vampir. Ich weiß aber nicht, wo", erklärte er schließlich. Sofort verengte Jane die Augen und sah sich um. Schon ihr Gesichtsausdruck machte Aiden klar, dass sie jetzt jagen würden, ob es ihm passte oder nicht. Der Vampir seufzte leise und rieb sich den Nacken. Vielleicht hätte er besser nichts gesagt und alleine nachgesehen, um wen es sich bei dem anderen Blutsauger handelte. Jane konnte nichts Auffälliges entdecken, weshalb sie Aiden andeutete, ihr an den Rand der Arena zu folgen. Auf dem Weg gabelte sie Gabriel auf und zog ihre Schlittschuhe aus, um sich in der Umgebung besser umsehen zu können. "Könnt ihr Blut oder Ähnliches riechen?", wollte die Brünette wissen, als sie schon mit dem Kontrollgang loslegte. Aiden kam nur widerstrebend mit, als die Kinder sich auf die Suche machten. Er hätte es lieber vermieden, einen Artgenossen bei der Jagd zu stören. Wenn es sich überhaupt um eine solche handelte, denn diesen Park fand er als Jagdrevier doch recht eigenartig. Es war Gabriel, der die Fährte von frischem Blutgeruch entdeckte. Wäre Jane nicht dabei, hätte Aiden das Ganze auf sich beruhen lassen. Jane jedoch schob sich hinter Gabriel her durch die Menschen, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als zu folgen. Der Park war größer, als er erwartet hatte. Keiner der Besucher nahm den feinen Duft von Blut wahr, der zwischen ihnen schwebte wie ein Nebel. Vielleicht spürten sie aber unbewusst die Gefahr, denn je näher sie der Quelle kamen, desto weniger Menschen tummelten sich auf den Wegen. Schließlich erreichte das Jägertrio eine abgelegene Stelle zwischen zwei Zelten – und entdeckte dort einen glatzköpfigen Vampir. Die junge Frau in seinem Arm hatte die Augen noch geöffnet und bewegte die Lippen zu einem stummen Hilferuf, doch war sie zu schwach, um ein Geräusch zu produzieren. Aiden reagierte sofort auf den Blutgeruch, ging leicht in die Hocke und knurrte leise, wobei sein Blick jedoch forschend über das Gesicht des Fremden glitt. Er kannte es nicht, obwohl sein Geruch ihm so vertraut vorkam. Sehr seltsam. Jane zückte sofort ihre Messer, um eines davon nach dem Fremden zu werfen. Sie verfehlte das Ziel, da er rechtzeitig auswich, indem er das Opfer achtlos zu Boden fallen ließ und sich leise knurrend weiter hinten in der Gasse verschanzte. Sieh nach der Frau!", wies Gabriel seine beste Freundin an, bevor er sich vom Boden abstieß und den fremden Blutsauger anfiel. Dieser wich allerdings aus und trat den Rückzug an, worauf der Spanier ihn verfolgte. Unterdessen kümmerte sich die Jägerin um das Opfer und kontrollierte, ob dieses noch lebte. Der Vampir hielt sich von dem Blutgeruch der Beute fern, war aber ebenfalls erleichtert, als Jane feststellte, dass sie noch lebte. Als das geklärt war, hätten sie es seiner Meinung nach auch gut sein lassen können. "Er hat sie nicht getötet. Können wir ihn nicht einfach lassen?", fragte Aiden, der nicht eine Sekunde lang glaubte, dass sie diese Jagd jetzt aufgeben würden. Jane ignorierte ihn entweder oder hörte ihn gar nicht, jedenfalls lief sie sofort los, ihrem besten Freund hinterher. Das Opfer hatte sie zwar relativ bequem an eines der Zelte gelehnt, doch geschwächt, wie sie war, würde sie in der winterlichen Kälte nicht lange zurechtkommen. „Hilfe! Hier ist ein Feuer! Feuer!“, brüllte Aiden, so laut er konnte, während er ihr rasch seine Jacke überwarf. Dann folgte er mit einem letzten begehrlichen Blick auf die Frau seinem Team. Janes Duft führte ihn zurück auf die stärker bevölkerten Wege, vorbei an gut besuchten Buden mit Punsch und Süßigkeiten. Bei all den Gerüchen war es nicht so leicht, die beiden wiederzufinden. Wäre er motivierter gewesen, hätte Aiden den anderen Untoten vermutlich einholen können, aber er legte es nur darauf an, Jane im Blick zu behalten. So überraschte es Aiden nicht, sie recht ratlos vor einem Zaun zu entdecken. „Wir haben ihn verloren“, erklärte Jane, und an Gabriels Zähneknirschen konnte Aiden erkennen, dass der Glatzkopf dem jungen Werwolf entwischt war. "Ich glaube nicht, dass er hier vorerst nochmal jagen wird", prognostizierte Aiden, wobei er trotzdem den Blick nachdenklich über die Menge gleiten ließ. "Irgendwie kam mir sein Geruch aber bekannt vor... Aber im Zirkel wird er wohl kaum sein?" Das wäre eine Erklärung, warum er das Gesicht nicht hatte zuordnen können. "Nicht, dass ich wüsste... Aber du weißt ja, dass ich in der Hinsicht nicht die beste Quelle bin", gab Jane zu und seufzte leise auf. Daran, dass sie nicht viel persönlichen Kontakt zu den anderen Zirkelmitgliedern pflegte, erinnerte er sich. Eine der wenigen Interaktionen mit einem anderen Jäger, die er mitbekommen hatte, hatte darin geendet, dass dieser mit einem Schulterwurf zu Boden befördert wurde. Ok, Lucas hatte es darauf angelegt, aber trotzdem. "Ich werde morgen im Zirkel vorbeisehen, um Genaueres herauszufinden. Hier können wir aber wahrscheinlich nichts mehr tun", meinte die Vampirjägerin an ihre Begleiter gewandt, worauf klar wurde, dass sie noch nicht nach Hause gehen wollte. Aiden war froh, dass sie die Jagd an dieser Stelle abbrach und nicht sofort in den Zirkel wollte. Zum einen fand er, dass der Vampir nichts Unrechtes getan hatte - Seiner Meinung nach war es eine persönliche Entscheidung, ob seine Artgenossen töten wollten oder nicht. Zum anderen wollte er ihren Ausflug noch nicht beenden. Während sie sich wieder unter die Besucher mischten, fragte Aiden sich, was Jane wohl über seine Ernährungsweise dachte. Ihr musste bewusst sein, dass er Menschen aussaugte. Ihr zuliebe tötete er nicht mehr, aber er hatte es getan, und selbst jetzt kreisten seine Gedanken noch ziemlich beständig um das süße Blut der jungen Frau, die sie vorhin zurückgelassen hatten. Allerdings würde er sie das nicht fragen, solange Gabriel dabei war. Dass der Werwolf ihn abstoßend fand, war Aiden schon zur Genüge bewusst, er musste nicht den Ekel auf seinem Gesicht sehen. Sie kaufte ein paar Süßigkeiten für Elizabeth und fand dann einen passenden Beanie für sich selbst. Langsam entspannte Aiden sich und setzte Jane eine Kappe mit Katzenohren auf, die sie jedoch seltsamer Weise nicht haben wollte. Nachdem die drei über den ganzen Wintermarkt geschlendert waren, kamen sie gemeinsam beim Riesenrad an – eine Attraktion, die Jane natürlich ausprobieren wollte. "Ich hoffe, keiner von euch hat Höhenangst", neckte sie ihre Begleiter, als sie in einer Kabine nach oben fuhren. Sie ließ sich auf einem Sitz nieder und blickte entspannt nach draußen, während die Umgebung immer kleiner wurde. Gabriel tat es ihr gleich. Auch Aiden genoss den Ausblick, obwohl der Blick über das Gelände deutlich wurde, wie kitschig der Markt wirklich war. "Ich weiß noch, wie du früher immer wolltest, dass wir am höchsten Punkt anhalten und dann Angst bekommen hast, dass wir nicht mehr runterkommen, wenn das tatsächlich der Fall war", gab der Werwolf leicht grinsend von sich und schielte zu seiner besten Freundin, die leicht die Wangen aufplusterte. "Damals war ich ja auch noch ein kleines Kind", konterte die Angesprochene, ohne zu ihm zu blicken. Ein sanftes Lächeln legte sich auf Aidens Lippen, als er sich vorstellte, wie das kleine Mädchen von dem Foto, das er gesehen hatte, aufgeregt am Fenster klebte und nach draußen sah. Schade, dass er das alles nicht erlebt hatte. "Das bist du doch immer noch, so begeistert, wie du gerade bist", neckte er sie und wuschelte ihr liebevoll durch die Haare. "Das sagt gerade der Richtige, du Opa", konterte die junge Frau mit gespielt verengten Augen und strengem Blick, wobei sie diese Fassade nicht allzu lange aufrecht erhalten konnte, bevor sie schmunzeln musste. Ohne darüber nachzudenken, legte Aiden ihr den Arm um die Schulter, aber als er Gabriels Blick bemerkte, zog er ihn rasch wieder zurück. Was hatte er denn heute? Janes Ausgelassenheit wirkte sich wohl negativ auf seine Fähigkeit zur Zurückhaltung aus. "Wie lange kennt ihr beide euch eigentlich schon?", wechselte er rasch das Thema. Bisher hatte seine Abneigung gegen Gabriel die Frage irgendwie immer unter den Tisch fallen lassen. "Wenn ich mich richtig erinnere, dann kennen wir uns seit ich vier war... Also seit fast 19 Jahren", erklärte Jane - im Gegensatz zu damals im Aufzug - breitwillig und ohne ihren Blick vom Ausblick zu nehmen. "Das ist lange“, stellte Aiden nachdenklich fest, ehe er sich an Gabriel wandte. „Und du warst die letzten Jahre in Spanien, oder? Hast du dort auch dein Studium begonnen oder erst, als du zurück warst?" Das interessierte Aiden wirklich, wobei er Jane jedoch einen vorsichtigen Seitenblick zuwarf. Sie reagierte nicht mehr ganz so gereizt auf seine einjährige Abwesenheit, aber sie verärgern und ihr damit den Ausflug verderben wollte er nicht. "Ja, ich war in den letzten fünf Jahren in Spanien", antwortete der Spanier und musterte den Vampir mit einer hochgezogener Augenbraue. "Ich hab meinen Bachelor in Valenzia gemacht, also war es kein Problem, in London mit dem Masterstudium weiterzumachen." Sein Blick schweifte nach draußen, da sie am höchsten Punkt des Riesenrades angekommen und zum Stehen gekommen waren. "Wie sieht es bei dir aus? Denkst du, du hältst es für längere Zeit in London aus? So, wie Jane es erklärt hat, reist du ja ziemlich gerne", wollte der Werwolf von seinem Gegenüber wissen. Die beiden Männer wechselten vermutlich die ersten neutralen Worte miteinander, während die Gondel ihren Weg nach unten fand. Wieder auf dem Boden angekommen, schlenderten die drei noch ein wenig durch den Park. Bevor anschließend nach Hause ging, zerrte Jane ihre Begleiter vor ein glitzerndes Eisschloss, um ein Andenken-Selfie zu dritt zu machen. Aiden und Jane lachten, als Gabriel das Foto musterte und verblüfft feststellte, dass man den Vampir tatsächlich sah. Doch auch der schönste Tag musste irgendwann enden, und schließlich begaben sie sich zum Wagen, um nach Hause zu fahren. Zu dem Zeitpunkt hatte Aiden die Sache mit dem Vampir bereits vergessen, aber da hatte er die Rechnung ohne seine Lieblingsjägerin gemacht. Auf dem Heimweg plante sie bereits einen Besuch im Zirkel mit Gabriel. Aiden plante sie ganz selbstverständlich ein, doch er schwieg, bis sie den Werwolf bei dessen Wohnung abgesetzt hatten. „Wegen dieser Jagd“, fing Aiden an, als sie wenig später vor seiner Unterkunft standen. „Ist dir noch was deswegen eingefallen?“ Jane sah ihn begierig an, und Aiden richtete den Blick auf das Armaturenbrett. „Nicht wirklich. Ich… Willst du ihn wirklich jagen?“, brachte er schließlich hervor. „Was sollen wir denn sonst tun?“ In ihrer Stimme klang die Selbstverständlichkeit nach, mit der sie seinesgleichen als gefährliche Monster identifizierte. Und vielleicht hatte sie damit recht, dachte er, als er sich daran erinnerte, wie seine Zähne gegen seine Lippen gepresst hatten, als er das Blut der jungen Frau gerochen hatte. Er hatte kein Recht, das in Frage zu stellen, was er selbst aus Jane gemacht hatte, also setzte er ein Lächeln auf und schüttelte den Kopf. „Entschuldige, ich war wohl gerade… Also, wir sehen uns morgen“, unterbrach er sich selbst und stieg aus dem Auto. Während er zusah, wie sie davonfuhr, rieb er sich den Nacken. Er konnte nichts tun, um sie von dieser Jagd abzuhalten. Aber vielleicht konnte er den anderen Vampir retten, wenn sie ihn stellen sollten. "Hm… wie es aussieht, gibt es niemanden im Zirkel, der so aussieht." Jane drehte sich in dem Bürostuhl nach Aiden um. "Und du bist dir sicher, dass er dir bekannt vorkam?" "Ja, ich bin mir sicher. Aber das muss ja nichts mit seinem Auftauchen gestern zu tun haben. Vielleicht war es wirklich Zufall", tat er das ganze mit einem Schulterzucken ab. Sie waren zusammen mit Gabriel in den Zirkel gefahren, weil Jane die Sache aus dem Freizeitpark nicht auf sich beruhen lassen konnte. Ihre Recherchen kamen allerdings zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, was Aiden ratlos zurückließ. Natürlich hatte er schon in Betracht gezogen, dass der Vampir ein früherer Bekannter sein könnte, aber dann hätte er sich doch zumindest ein bisschen an dessen Gesicht erinnert. Wenn er nur wüsste, wo er ihn schon mal gerochen hatte. Jane wäre aber nicht Jane, wenn sie es nicht zumindest versucht hätte. So begab die Truppe sich zu den Anschlagbrettern. Jane steuerte auf andere Bildschirme zu als bei ihrem letzten Besuch. Aiden fiel auf, dass jetzt mehr Aufträge darüber flimmerten, und diese gefährlicher er wirkten. Stimmt, Jane hatte erwähnt, dass sie einen Rang aufgestiegen war. Aiden runzelte die Stirn, aber er sagte nichts. Schließlich war er jetzt wieder bei ihr. Und im Notfall wohl auch Gabriel, wenn man den zählen wollte. Mit verschränkten Armen und aufmerksamen Blick besah sich die junge Frau den Bildschirm mit den unzähligen Aufträgen. Es dauerte, bis eine neue Seite aufgetan wurde, da es sich um eine deutlich längere Liste handelte als vor gut einem Jahr. Während sie warteten, unterhielt die Truppe sich über ihr weiteres Vorgehen. Gerade, als sich die Jägerin abwenden und zu einem Schreibtischmitarbeiter begeben wollte, flackerte auf dem Display der markante Glatzkopf auf, nach dem sie suchte. „Jackpot“, murmelte Jane mit einem entschlossenen Leuchten in den Augen. Für Aiden war das wie ein Schlag in den Magen. Er hätte den anderen Vampir doch fangen sollen, dann hätte Jane sich gar nicht erst auf den Weg machen müssen. Denn dass sie den Auftrag annehmen wollte, war ihm klar. Die drei lasen die doch recht ungewöhnlichen Formalien, in denen etwas von einem angekündigten Überfall auf einen wichtigen ausländischen Politiker stand. Der Jäger, der die Sache in Angriff nahm, hatte schon im Vorfeld einer Gala die Aufgabe, Informationen zu sammeln und den Schutz des möglichen Opfers zu koordinieren, vor allem aber, am Abend des geplanten Überfalls als Leibgarde zu fungieren. Dem Vampir der Gruppe erschien das Ganze äußerst suspekt. "Was glaubt ihr, will er damit erreichen? Wenn er es auf einen bestimmten Jäger abgesehen hätte, wäre es doch einfacher, ihn direkt anzugreifen. So kann er ja nicht wissen, wem er letztendlich gegenüber steht." Gabriel rümpfte die Nase. „Vielleicht ist es wieder so ein Spinner, der mit Flakons herumwirft und durch solche Herausforderungen seinen Kick kriegt?" Aiden sah den Werwolf herablassend an. "Ich glaube nicht, dass es jedes Mal so einfach wird." "Vielleicht kommt er aus bestimmten Gründen nicht an den besagten Jäger heran und muss darum auf solche Mittel zurückgreifen?“, warf Jane ein. „Was auch immer seine Motive dazu sind, wir werden es sehr bald wissen." Das Dreiergespann holte am Schalter die Akten des Auftrages und wollte sich zurückziehen, um ihr Vorgehen zu planen. Jedoch wurden sie von einem altbekannten Gesicht aufgehalten. "Wenn das nicht unsere liebste Jane ist. Oh, und Gabe ist auch von der Partie", begrüßte er das Duo, ehe er innehielt und den Vampir erblickte. "Dich habe ich doch letztes Jahr regelmäßig hier gesehen, oder? Wenn ich mich Recht entsinne, habe ich wegen dir einen Schulterwurf kassiert. Ich dachte schon, sie hätte dich umgebracht, weil du plötzlich verschwunden bist. Wie war der Name nochmals? Adrian?" "Aiden", korrigierte die Brünette Lucas leise seufzend und fuhr sich durch die Haare. "Nerv ihn nicht mit deinen alten Geschichten. Er ist Teil meiner Gruppe." Ohne weiter auf das riesige: ‚Wie bitte?‘, in Lucas Augen zu achten, drehte sich die junge Frau um und deutete ihren Begleitern an, ihr zu folgen. Aiden sah sie genauso verblüfft an wie der andere Jäger. Auf dem Weg nach unten wandelte sich seine Verblüffung langsam in ein Lächeln. „Hast du das gerade nur gesagt, damit er die Klappe hält?“ "Wieso?“ Jane schob die schwere Tür des Eingangsbereichs auf und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. “Du bist doch momentan ein Teil meiner Gruppe, oder nicht?" Gabriel öffnete den Mund, schluckte seinen Kommentar aber wieder runter. Als auch Aiden langsam nickte, setzte Jane ihren Weg fort. Jetzt wünschte er umso mehr, er hätte sie vorhin nicht verraten. Kapitel 15: Bodyguard --------------------- "Gaspard also...", murmelte Jane und lehnte sich ein wenig auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer zurück. Sie hielt den Steckbrief des Vampirs in der Hand, während die anderen Unterlagen auf dem Couchtisch verstreut waren. Gabriel machte es sich wie immer neben ihr bequem, während Aiden mit verschränkten Armen stehenblieb. "Wie es aussieht, ist das nicht der erste angekündigte Angriff. Er hat das in den letzten sechs Monaten schon zwei Mal gemacht. Das erste Mal war er auf einer Versteigerung und danach auf einem Klavierkonzert. Beide Male gab es nur Verletzte, aber keine Toten." Sie legte die Kurzzusammenfassung wieder auf den Tisch und griff nach dem Blatt, auf dem der Auftrag stand. Sie las ihn und besah sich das Bild des ausländischen Politikers, dessen Bodyguard sie fungieren sollten. Außerdem lag das Programm des Gala-Dinners dabei, auf dem der Täter erscheinen wollte. "Wir werden am Wochenende wohl auf eine Benefizveranstaltung gehen", meinte die Jägerin und händigte den Männern einen Flyer der Veranstaltung aus. "Ihr solltet also schon mal eure Anzüge rausholen. Wir wollen ja nicht gleich komplett mit dem Zaunpfahl winken." Bei diesen Worten blickte sie zu Aiden, da sie sich nicht sicher war, ob er noch die Garderobe besaß, die sie damals gekauft hatten. Ansonsten würden sie wohl wieder einen kleinen Abstecher in die Stadt machen müssen. Der Vampir hatte im Stehen gelesen, und lehnte sich jetzt etwas vor, um sie direkt angrinsen zu können. "Dann hab ich endlich mal Gelegenheit, den Anzug zu tragen, den du für mich ausgesucht hast.“ Das sparte ihnen einige Zeit, sodass sie nickte. „Hoffen wir nur, dass er noch keinen Motten zum Opfer gefallen ist“, erwiderte sie. „Ich achte darauf wie auf meinen Augapfel.“ Jane öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als Gabriel sich räusperte und mit den Fallakten wedelte. „Ich unterbreche euer Schwelgen in Erinnerungen nur ungern, aber wir jagen hier einen Psycho, falls ihr euch erinnern wollt.“ „Ja. Natürlich“, räusperte Jane sich und fuhr sich durch die Haare, bevor sie nach den nächstbesten Dokumenten griff, die sie bekommen konnte. Sie stellten sich als die Fernsehzeitung heraus, die sie dann doch wieder weglegte. Aiden ignorierte den Fauxpas und verdrehte lediglich die Augen, als hielte er Gabriel für einen Spielverderber. Gabe unterdessen hatte die Unterlagen mit den bisherigen Fällen in der Hand und tippte darauf herum. "Es ist nur merkwürdig, dass man immer noch kein Motiv für diese Anschläge hat. Irgendetwas muss er dabei doch erreichen wollen, sonst würde er sich nicht so direkt an den Zirkel wenden", überlegte er. "Möglicherweise ist es so, wie wir es vorhin besprochen haben. Ich meine, es wäre doch logisch, wenn er einen bestimmten Jäger sucht, aber nicht an ihn rankommt", vermutete Jane und ließ ihren Blick erneut über die Berichte der beiden vergangenen Tatorte schweifen. Dabei stellte sie fest, dass sie sowohl die Versteigerungshalle, als auch das Konzerthaus bereits besucht hatte. Es handelte sich um bekannte Adressen, die für eine breite Masse zugänglich waren. "Vermutlich hast du Recht.“ Aiden kam um das Sofa und nahm den Raumplan vom Couchtisch. „Wir sollten uns vorher auf jeden Fall den Veranstaltungsort ansehen. Und meinst du, wir könnten mit den Überlebenden sprechen? Vielleicht erinnert sich der eine oder andere ja an eine Auffälligkeit oder dergleichen." "Gute Idee", stimmte Jane zu. "Was die Überlebenden angeht... da denke ich nicht, dass es uns etwas bringen wird. Immerhin sind die besten Zeugen dieser Fälle die beauftragten Jäger und diese haben ihr Wissen haargenau in den Akten beigefügt", fuhr sie fort, wobei sie ihren Blick zu Gabriel schweifen ließ, der ebenfalls die Papiere durchging, um sich die wichtigsten Stichpunkte zu merken. „Dann können wir eigentlich loslegen, oder?“, meinte der Spanier. „Sieht so aus“, erwiderte Jane ernst. Das Trio hatte sich auf einen Wochentag geeinigt, an dem sie das angesagte Hotel besichtigen konnten, in dem die Benefizveranstaltung stattfinden würde. Sie vermerkten sich die wichtigsten Dinge, sprachen mit dem Personal und trafen sich am Freitag, also am Tag der Veranstaltung, bei Jane. Natürlich hätten sie sich direkt vor Ort treffen können, doch aufgrund der aufwändigen Garderobe war es einfacher, wenn einer der Männer fuhr und sie genug Zeit hatte, um sich vorzubereiten. Wie immer waren die beiden pünktlich vor der Haustür. Jane öffnete ihnen in einem bordeauxfarbenen, bodenlangen Kleid. Während sie ihren cremefarbenen Mantel überzog musterte sie ihre Begleiter. Kurz stutzte sie, als sie Aiden so schick und im Anzug sah. Es war ein eigenartig, ihn so zu sehen. Sonst trug er immer nur Jeans und ein Shirt. Doch war es ein durchaus ansehnlicher Anblick, den er so bot. "Ihr seht... gut aus", sagte Jane. "Und du siehst absolut umwerfend aus", erwiderte Aiden voller ehrlicher Bewunderung. "Und das Kleid zerreißt beim Laufen nicht. Wie praktisch", fügte er, jetzt leicht grinsend, hinzu. Damit bezog er sich auf den Schlitz, der die Seite des Kleides bis zur Mitte ihres Oberschenkels teilte. Ein Schmunzeln legte sich auf Janes Lippen, als sie an ihre erste, sehr kurze gemeinsame Jagd dachte. Damals hatte sie die unpraktischen Schuhe einfach in eine Ecke gepfeffert. Die darauf folgenden Ereignisse hatten sie tief geprägt. Auch Gabriel kam nicht umhin, anerkennend zu pfeifen, als er seine beste Freundin in dem schicken Aufzug sah. Er grinste sie frech an, worauf die Brünette lachte und ihm sanft in die Schulter boxte. Anschließend wandte sie sich an ihre Mutter, um sich mit einem kleinen Kuss auf die Wange zu verabschieden – natürlich mit den obligatorischen Worten, dass sie gut auf sich aufpassen würde. Vor der Haustüre hielt sie kurz inne, als sie sah, dass Aidens Krawatte etwas verkrümmt war. "Warte mal", wies die junge Frau ihn an, während Gabriel sich bereits auf den Beifahrersitz plumpsen ließ. Mit fragendem Blick blieb Aiden vor Jane stehen, sodass sie seinen Schlips richten konnte. Sie strich seinen Anzug an seiner Schulter glatt und lächelte ihn an, ehe sie ihm mit einer kurzen Kopfbewegung andeutete, ihr ins Auto zu folgen. Da Jane mit ihren Absätzen unmöglich fahren konnte, übernahm Aiden den Taxiservice. Vor dem Hotel ließ er Jane und Gabriel raus, um einen Parkplatz in der Tiefgarage zu suchen. Jane sah sich mit ihrem besten Freund ein wenig um, damit sie sich ein gutes Bild von Örtlichkeiten machen und Auffälligkeiten vermerken konnten. Während die Gäste eintrudelten, geschah allerdings nichts Spannendes. Es waren scheinbar allerlei wichtige Gäste anwesend, nicht nur Politiker, sondern auch Reiche, Prominente und solche, die es gerne wären. Irgendwer drückte ihnen Sektgläser in die Hand, die Jane missmutig betrachtete – sie wollte ihre Hände frei haben – während Gabriel der Meinung war, sie könnten sich ruhig ein paar Schlucke genehmigen. Zwischen den Freunden entstand eine kleine Diskussion, bis Aiden zurückkehrte und fragte: "Habt ihr unseren Schützling gesehen?" "Nein, aber man hat uns gesagt, dass man uns abholen wird." Eine Weile später wurden sie von einem Mann im Anzug geholt, der sie in ein Nebenzimmer führte, in dem sie Instruktionen bekamen und sich mit dem Sicherheitsteam des Politikers absprechen sollten. Der schien jedoch alles andere als angetan von der Aussicht, noch mehr Personal um sich herum zu haben. "Das sind fast noch Kinder", wurde er nicht müde zu betonen. Der mit Sicherheit älteste Anwesende auf dieser Party nahm die Beschwerden mit seinem üblichen Schmunzeln zur Kenntnis. Jane dagegen war nicht amüsiert. "Wir mögen in Ihren Augen zwar Kinder sein, doch wissen wir uns besser zu verteidigen, als Sie sich selbst. Sonst würden Sie unsere Dienste nicht in Anspruch nehmen, nicht wahr?", konnte sich die Jägerin nicht zu sagen verkneifen, wobei ein zuckersüßes Lächeln auf ihren Lippen lag. Gabriel, der direkt hinter ihr stand, räusperte sich kurz, um sein Lachen zu überdecken. Zwar war der Schützling alles andere als begeistert, doch sah er ein, dass die Worte der jungen Frau der Wahrheit entsprachen, sodass er sich ergab und mit seinen Bodyguards auf die Veranstaltung ging. Das Jäger-Team hielt einen gewissem Abstand, damit sie dem Herren nicht auf die Pelle rückten und er den Abend doch irgendwie genießen konnten. Dennoch versuchten sie, alles stets im Auge zu behalten. Um nicht allzu auffällig zu wirken, hakte sich Jane sogar bei Aiden ein, um die Fassade eines Paares abzugeben. Aiden sah kurz zu ihr runter, lächelte dann aber nur und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das nicht Geschehen. "Mit dir sollte man sich wirklich nicht anlegen", flüsterte er amüsiert. „Ich versuche, meinen Job zu machen, und kann solche Kommentare nicht gebrauchen“, erklärte sie schlicht, während ihr Blick über die Köpfe der Gäste schweifte. Sie rümpfte die Nase. Es war offensichtlich, wie ekelhaft und gespielt freundlich alle miteinander umgingen oder wie sie untereinander konkurrierten und mit ihrem Ruhm oder Hab und Gut herumprahlten. "Ich habe völlig vergessen, wie ich den Großteil solcher Veranstaltungen hasse.“ "Und das liegt nicht nur daran, dass dir die Füße in diesen Schuhen weh tun?", fragte er sie neckend. Als sie die Augen verdrehte, lachte er und fuhr fort: "Ich fand so etwas auch immer ziemlich langweilig und hab mich weggeschlichen, sobald ich konnte. Zumindest, als ich noch ein Jugendlicher war." „Was für ein arroganter Sack“, beschwerte Gabriel sich halblaut, als er sich den beiden anschloss. Sein genervter Blick lag auf ihrem Schützling. „Er hat mich gerade gefragt, ob ich morgen nicht zur Schule müsste!“ Jane seufzte genervt die Augen, während Aiden ein Lachen nicht unterdrückte. Die beiden kabbelten sich ein wenig, doch die Vampirjägerin behielt den Politiker im Auge. Gerade, als ihr Schützling sich mit einem älteren Ehepaar unterhielt, konnte die Brünette für einen kurzen Augenblick eine vorbeihuschende Gestalt in der Menschenmenge entdecken. Allerdings hatte keine Glatze erkennen können. Hatte sie sich geirrt oder hatte sich Gaspard in der kurzen Zeit womöglich sogar ein Toupet zugelegt? Was immer es war, sie mussten der Sache nachgehen. "Da war etwas", meinte sie leise. Sie wies sie Gabriel – trotz seiner Widerworte und seines Sträubens – an, näher bei dem Politiker zu bleiben, ehe sie sich von Aiden. Sie durchquerte den weitläufigen Saal, um eine gute Beobachtungsposition zu finden. Allerdings konnte sie keine weiteren verdächtigen Bewegungen ausmachen, weshalb sie neben einem hohen Fenster, stehen blieb und die Arme verschränkte. War es bloß Einbildung gewesen? Nein, wohl kaum. Ihr Blick flog auf der Suche nach Aiden, Gabriel und ihrem Schützling über die Menschenmasse. Am anderen Ende des Raumes entdeckte sie ihn, an Gabriels Seite. Ihr bester Freund bemerkte ihren Blick und nickte ihr zu – als er im nächsten Moment von völliger Dunkelheit verschluckt wurde. Ein Schrei ging durch die Menge, unterbrochen von zerberstendem Glas. Einzelne Rufe nach einem Techniker wurden laut, zusammen mit empörten Kommentaren. Jane gehörte zu den Geistesgegenwärtigen, die ihre Handys hervorzogen, um Licht zu erzeugen. In dem diffusen Licht der Displays schien die Menge vor ihr zu einer Masse aus Angst zu erstarren. Sofort war ihr bewusst, dass es dort kein Durchkommen gab. Fluchend machte sie sich daran, den Saal am Rand zu umrunden. Sie hielt sich nicht mit Entschuldigungen auf, während sie sich durch die Leiber boxte. Wütendes Gemurmel folgte ihr, doch Jane kannte nur ein Ziel: Gabriel und ihr Schützling. Sie hatte gerade die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als die große Treppe zu den oberen Stockwerken in ihr Gesichtsfeld rückte. Eine Gestalt schob sich aus der Menge auf die Stufen, unter dem Absperrband hindurch. Jane hielt die Person für einen Elektriker und schenkte ihr keine Beachtung – bis sie im fahlen Licht der Handys bemerkte, dass sie sie direkt anstierte. Sie stierte zurück in ein Gesicht, das haarloser nicht hätte sein können: Gaspard! Sofort änderte sie ihre Richtung. Der Vampir beobachtete sie einen Moment lang ausdruckslos bei ihrem Kampf gegen die Massen von ängstlichen Menschen. Dann war er mit der flüchtigsten Bewegung die Treppe hinauf verschwunden. Die Stufen mündeten in einen breiten Flur. Gerade noch sah sie die Tür an dessen Ende zufliegen. Sie fluchte über die verdammten Stöckelschuhe, als sie auf ihr Ziel zu rannte. Die Tür war nur angelehnt und sie spähte durch den Spalt in das Zimmer. Doch die Öffnung war zu klein, um wirklich etwas zu sehen. Fluchend sah sie auf den Flur zurück. Wo zur Hölle blieben Aiden und Gabriel? Sie beschloss, keine Zeit damit zu verschwenden, auf ihre Partner zu warten, und stürmte den Raum. Begrüßt wurde sie von einer verschwommenen Bewegung in dem mondbeschienenen Ballsaal. Sie wich Gaspards Krallen durch eine Hechtrolle aus und riss ihre Clutch empor. Direkt aus dem Täschchen bewarf Jane den Glatzkopf mit vier fingerlangen Messern, um ihn auf Abstand zu halten. Er duckte sich vor dem giftigen Silber, und Jane nutzte en Moment, um einen Sicherheitsabstand zu gewinnen. Gleichzeitig zückte sie ihre Pistole, die sie – mit einem weiteren, großen Messer und einer Packung Munition – an ihrem Oberschenkelband befestigt hatte. Mit festem Griff richtete sie ihre Waffe gegen ihren Kontrahenten, um gleich zweimal abzufeuern, doch war er schnell genug, um auszuweichen und direkt neben ihr zu erscheinen. Eine weitere Hechtrolle über den rutschigen Boden bewahrte sie vor Schlimmerem als dem Verlust einiger Haarspitzen. Allerdings fiel ihr so die Pistole aus der Hand und schlitterte einige Meter von ihr weg, direkt vor den wandhohen Fenstern. Fluchend sprintete Jane zu der Waffe. So sah sie gerade noch aus dem Augenwinkel, wie ein Schatten hinter ihr vorbei raste. Erneut ließ sie sich fallen und rollte in Deckung hinter einem Tisch, um die neue Lage zu sondieren. In der Mitte des mondbeschienenen Saals flogen Schatten umher, so schnell, dass sie kaum erkannte, was geschah. Erst, als eine der Gestalten zu Boden gerissen wurde, realisierte sie atemlos und mit geweiteten Augen realisierte sie, dass es sich um Aiden handelte. Die beiden Männer schlitterten über den polierten Boden und knallten gegen die Wand, gaben sich aber keine Verschnaufpause, als sie sich wieder aufrichteten. Ein verschwimmender Schatten, ein wildes, fast tierisches Knurren und die Vampire waren wieder übereinander. Kurz sah Jane sprachlos zu, bevor sie zu sich kam und sich nach ihrer Waffe umblickte. Sie hechtete hinüber und visierte den Glatzkopf an, doch die beiden bewegten sich zu schnell. Sie konnte nicht sicher sein, Aiden nicht zu erwischen. Bevor sie entscheiden konnte, was sie tun sollte, begegnete sie Gaspards Blick. Seine Augen leuchteten rot, und etwas in seiner Körperhaltung schien sich zu verschieben. Mit einem Ruck sprang er über Aiden hinweg auf sie zu – ihre Gelegenheit, ihm den Gar auszumachen! Sie zielte genau auf die Stelle, wo sein totes Herz ruhte und wusste, dass sie ihn erwischen würde. Doch in dem Moment schoss eine Hand hervor, packte Gaspards Fuß und schleuderte ihn kurzerhand durch eines der Fenster nach draußen. „Spinnst du? Ich hätte ihn geha…“ Jane blieben die Worte im Halse stecken, als sie Aidens Blick sah. Seine Augen schienen zu brennen mit allen Feuern der Hölle – doch sah er nicht sie so an, sondern jemanden an der Tür. Sie entdeckte dort einen völlig unbekannten Vampir und hob erneut die Waffe. „Wer sind Sie?“, blaffte sie den Fremden an. Aiden interessierte das nicht. Er ging bereits auf den Fremden los, mit einer Wut, die Jane selten an ihm gesehen hatte. Der Anblick war wie aus einer Parallelwelt, in der sie sich nicht bewegen, nicht eingreifen konnte. "Hör auf damit! Ich will ihr nichts tun!", brüllte der andere Vampir, als er merkte, dass er gegen den viel älteren Aiden keine Chance hatte. Als hätte seine dreiste Lüge sie aus ihrer Trance erweckt, zückte sie das Messer. Sie musste Aiden helfen. Gerade, als sie auf die beiden Blutsauger zustürmen wollte, ließ ein Geräusch hinter ihr sie herumfahren. Für eine Sekunde sah Jane, wie Gaspards Schatten sich über dem zerbrochenen Fenster vor der Dunkelheit des Nachthimmels erhob. Dann machte sie einen Hechtsprung zur Seite, um seiner Attacke auszuweichen. Zu spät sah sie die Scherben, in die sie gesprungen war. Ein stechender Schmerz färbte ihre Welt für eine Sekunde rot, bevor das Adrenalin sie weitertrieb. Sie drehte sich gerade noch zur Seite, als Gaspards Klauen den Boden spalteten, wo ihr Kopf gerade noch gelegen hatte. Keuchend schmiss sie ein Messer nach ihm, schaffte es diesmal sogar ihn am Hals zu kratzen. Fauchend wich er zurück. Der Schnitt auf seiner Haut zischte und sein Blick flog hektisch durch den Raum. Aiden war von seinem zerschundenen Kontrahenten aufgesprungen und rannte auf sie zu. Gabriel tauchte in dem Moment in der Tür auf und stieß ein tiefes Knurren aus, und Jane zückte ihre Messer. Selbst der fremde Vampir rappelte sich schwerfällig auf die Beine. Gaspard fluchte, zögerte noch eine Sekunde… Doch als Aiden mit einem wilden Fauchen auf ihn zustürzte, verschwand er mit einem Windhauch in der Nacht. Ein Knurren und das leiseste Kitzeln von Fell auf ihrer Wange, und Gabriel hatte ihm nachgesetzt. Jane rappelte sich ebenfalls auf, bereit, den übernatürlichen Wesen zu folgen. Der stechende Schmerz, den sie bisher ignoriert hatte, ließ sie zusammenfahren und ihre Hand zu ihrer Seite fliegen. Schnell klebte ihre zittriger Hand vor feuchtem, lauwarmem Blut. In dem Moment war Aiden an ihrer Seite, seine Hand auf ihrem Rücken. "Bist du verletzt? Du siehst... Mein Gott, Jane!", entfuhr es ihm erschrocken, als er ihre roten Finger sah. "Nein, nein. Mir geht es gut. Wie sieht es bei dir aus? Wie geht es Gabe?", antwortete die junge Frau sofort. "Es... geht schon...", kam es mit gepresst über ihre schmerzverzerrten Lippen. Ihr Atem wurde schwerer und als ihr Blick verklärte, sank sie gegen Aiden. Der Vampir fing sie und brachte sie sanft zu Boden. "Jane!" Schwerfällig ordnete sie die Stimme dem zweiten Vampir zu und beobachtete, wie er näher kam. Irgendetwas an seiner Gestalt, seiner Art zu gehen, rührte etwas in ihr an… Doch ehe sie es zuordnen konnte, spürte sie ein kaltes Prickeln auf ihrer Haut und sah auf. Es war Aidens Gesicht, das über ihr schwebte, und doch war etwas darin falsch. Wie eine schlechte Kopie, die sich von Sekunde zu Sekunde zu verhärten schien. Sein sanfter Griff um sie wurde härter. Spinnengleich wanderte seine Hand zu ihrer Wunde, badete die Finger in ihrem Blut. „Aiden…“, hauchte sie, nur Mitleid in der Stimme. Und im nächsten Moment durchschoss sie ein unglaublicher Schmerz, als sie aus Aidens Armen gerissen wurde. Ihr Blick verschwamm im Rot, und sie hörte noch wie aus sehr tiefem Wasser, dass jemand sie wegbringen sollte. Dann tauchte sie ab. Kapitel 16: Wenn alles so einfach wäre -------------------------------------- Ohne eine bewusste Entscheidung dazu getroffen zu haben, war Aiden auf den Beinen und fokussierte den Fremden, der seine Beute auf dem Arm hielt. Er hatte ein längliches Gesicht, über dem sich dunkelblondes Haar wellte, und eine schmale, athletische Statur. Aiden nutzte die Chance, als seine blauen Augen für eine Sekunde zu Jane huschten, und stürzte sich auf den anderen Vampir. Mit Jane auf dem Arm blieb dem Fremden nichts anderes übrig, als zurückzuweichen. „Bitte. Du willst ihr nichts tun. Du wirst es bereuen, Aiden“, flehte sein Artgenosse, der Sich unter Aidens Schlägen wegduckte – bis er schließlich die Wand im Rücken hatte. Der Dieb saß in der Falle, und er würde sich nehmen, was ihm gehörte. Aiden machte sich gerade zum Sprung bereit, als er von den Beinen gerissen wurde. In einem Wust aus schwarzem Fell schleuderte er durch den Saal. Zähne schlugen sich in seinen Arm und hinterließen giftig brennende Spuren. Er schlug seine Klauen in warmes, stinkendes Fleisch und wurde mit einem schmerzlichen Fiepen belohnt. Der Werwolf trabte davon, während Aiden sich aufrappelte. Gabriel baute sich zwischen ihm und dem fremden Vampir auf. Sein Fell sträubte sich, aber sein bedrohliches Knurren brachte Aiden nur zum Lachen. „Mach dich nicht lächerlich, Welpe.“ Aiden ging auf ihn zu, doch diesmal war es der Fremde, der vortrat. "Ich werde ihn aufhalten! Bring du Jane zu Liz! Schnell!“ Mit diesen Worten stürzte er sich auf Aiden, um ihn so weit wie möglich von seiner Beute fernzuhalten. Gabriel schaltete innerhalb von Sekunden. Zurück in seiner menschlichen Form schnappte er sich Jane und nahm die Beine in die Hand, ohne zurückzublicken. Aiden setzte ihm nach, doch der andere Vampir packte ihn am Kragen und riss ihn zu Boden. Das Gewicht des anderen Mannes drückte ihn runter, doch er riss seine Hand los und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Der jüngere Vampir verlor kurz die Balance, was Aiden nutze, um ihn von sich runter und gegen die nächste Wand zu klatschen. Stöhnend sank er in sich zusammen. Seine Versuche, aufzustehen, erinnerten an eine Puppe, deren Fäden sich verheddert hatten. Als Aiden aufstand, blickte er ihn aus hellblauen, traurigen Augen an. "Du hast sie beschützt!", keuchte der Fremde außer Atem. Aiden kam langsam näher, bereit, jeder Zeit zuzuschlagen. "Du hast sie beschützt, und jetzt willst du sie töten? Willst du Jane McCollins wirklich tot sehen?" Wieder blinzelte Aiden, und seine Schritte wurden langsamer. Jane... Das Bild einer lächelnden, wunderschönen jungen Frau, die ihm die Krawatte band schob sich in sein Bewusstsein, gefolgt von einem anderen, viel älteren, in die scheinbar selbe Frau schelmisch lächelnd vor ihm her durch einen dunklen Flur lief und seine Hand hielt. Jane Grey. Jane McCollins. Der Unterschied war wahnsinnig schwer zu greifen, aber er war entscheidend. Er konnte sich nicht noch mehr Schuld aufladen. Es hätte ihn zerbrochen. Seine Atmung kam stoßweise und er musste sich auf den Tisch stützten, als ihm die Knie schwer wurden. Der Durst war immer noch da, riss an seinem Verstand… Aber der Rausch ebbte langsam ab. „Es ist nicht deine Schuld“, sagte der Fremde leise und brachte Aiden damit zum ersten Mal zu, ihn anzusehen. Besorgte blaue Augen sahen ihn aus einem von dunkelblonden Locken umrahmten, schmalen Gesicht an. Er war etwa so groß wie Aiden, aber schlanker. „Verschwinde...", knurrte er angespannt. Der Fremde runzelte die Stirn. Er wich aber zurück, als Aidens Finger sich um den Stuhl verkrampften und das Holz splitternd nachgab. Ihm war egal, wer diese Person war oder was sie von ihm wollte. Er musste sich so sehr konzentrieren, nicht das Monster zu sein, das er in seiner Brust wüten spürte. Er hatte nicht die Kraft, mit irgendjemandem zu sprechen oder sich zu rechtfertigen. Unbewusst musste er die Augen geschlossen haben, denn er hörte nur, wie Schritte sich entfernten. Er wusste nicht, wie lange er dort gestanden hatte, als die Beleuchtung wieder eingeschaltet wurde. Vor dem Gebäude waren Sirenen zu hören, und er wusste, dass es Zeit war zu gehen. Wohin war nur die Frage. Als die Menschen in den Saal strömten, war Aiden schon verschwunden, um rastlos durch die Nacht zu geistern. Eigentlich wollte er gerade nicht jagen, denn er vertraute sich selbst nicht. Doch seine Natur gewann schließlich die Oberhand. Als das ohnmächtige Mädchen zu seinen Füßen lag und er sie anstarrte, traf ihn die Erkenntnis, dass das Jane hätte sein können, wie ein Hammerschlag. Er hätte sie getötet, wenn dieser Fremde sie nicht verteidigt hätte, und er wusste noch nicht mal, wer das überhaupt gewesen war. Sie war potentiell immer in Gefahr, wenn sie bei ihm war, aber das jetzt so direkt zu sehen machte ihm Angst. Was, wenn das nächste Mal kein freundlicher Retter in der Nähe war? Er verbrachte viel Zeit mit Jane alleine. Was, wenn sie sich dabei in den Finger schnitt und er sein eigenes Monster nicht mehr im Griff hatte? Er hatte schon seine erste große Liebe auf dem Gewissen, er wollte nicht auch noch für Janes Tod verantwortlich sein. Und das wäre er, selbst wenn sie bei einem Auftrag unglücklich stürzen und sich den Hals brechen würde, denn er hatte sie überhaupt erst in dieses Leben gedrängt. Seine Haut kribbelte wie von tausend Ameisen. Es trieb ihn, immer weiter, bis er schließlich in seiner Wohnung strandete. Doch er konnte nicht bleiben. Noch bevor er wusste, was er tat, hatte er seine Reisetasche unter dem Bett hervorgezerrt. Er stopfte seine Kleidung hinein, angewidert davon, dass er Jane so sehr in Gefahr gebracht hatte. Minutenlang starrte er gegen ein Stück Wand neben seinem Bett, in Gedanken bei ihrem Gesicht. Jetzt würde es wieder von Abscheu verzerrt sein, wenn sie ihn ansah. Der Gedanke war wie ein Stich in seinem Herzen. Er wollte doch nur... Er wusste selbst nicht, was er von diesem armen Mädchen wollte, dessen Leben er so auf den Kopf gestellt hatte- Sie sollte ihn nur nicht hassen. Das konnte er nicht ertragen. Als am Samstagmorgen die Sonne kalt über London aufstieg, brachte sie für Aiden nur Gedanken an all das Blut auf Janes Körper. Er konnte nicht mal sicher sein, dass sie überhaupt lebte. Er schämte sich für seine Feigheit, doch wagte er es nicht mal, sich von ihrem Wohlbefinden zu überzeugen. Die Angst fraß sich durch seine Eingeweide, während er sein Gepäck wahllos zusammenräumte. Er musste gehen. Seine Gedanken waren ein Limbo, aus dem er keinen Ausweg fand, wenn er bliebe. Er musste… Musste… Als sein Telefon klingelte, starrt er es sekundenlang aus rotgeräderten Augen an. Schließlich streckte er die Hand aus, als würde sie einem anderen gehören. Er sah ihren Namen und für eine Sekunde war er überzeugt, sein Herz hätte noch geschlagen und erst in dieser Sekunde aufgehört. Er musste gehen. Er konnte nicht rangehen und sie weiter in Gefahr bringen. Wieso wanderte sein Finger trotzdem zu der grünen Taste? Wieso drückte er sie? Wieso konnte er sie nicht einfach leben lassen, ohne ihn, in Frieden? "Aiden? Alles in Ordnung?" "Jane..." Andächtig schloss er die Augen, als er endlich ihre Stimme hörte. Es war wie Balsam, der durch die Telefonleitung träufelte und seine heiß gelaufenen Nerven beruhigte. Er stand mitten in seinen halb gepackten Habseligkeiten, aber eigentlich wäre er lieber gerannt, wer weiß, wohin. "Ich... Es tut mir so leid, was passiert ist. Ich konnte nicht... Es war... Bitte, verzeih mir... Wie geht es dir?", beendete er sein sinnloses Gestammel mit einer genauso sinnlosen Frage. Ihre halbe Seite hing in blutigen Fetzen, wie sollte es ihr schon gehen? "Nun.. ich würde sagen, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht. Ich habe mir aber vielmehr Sorgen um dich gemacht, weil du dich bisher nicht gemeldet hast." Sie seufzte leise, und er konnte praktisch sehen, wie sie sich die Haare hinters Ohr strich. Wäre er nicht so angespannt gewesen, hätte er wahrscheinlich gelacht, so aber entrang sich ihm nur ein leises Schnauben. „Wie kannst du dir Sorgen um mich machen… Nach allem…“ „Was? Aiden, beruhige dich. Was ist denn das Problem? Warum entschuldigst du dich?", wollte Jane irritiert wissen. "Es ist meine Schuld. Ich hatte mich einfach nicht unter Kontrolle, und ich... Ich will das nicht noch mal riskieren. Wenn dir etwas passiert wäre..." Seine Kehle schnürte sich zu und er konnte nicht weiter sprechen. "Aber du hast nichts getan! Es ist nichts geschehen und nichts von all dem ist deine Schuld!", entgegnete sie viel zu schnell. Sie musste noch verwirrt sein von den Geschehnissen. Langsam öffnete Aiden die Augen und starrte die Decke seiner Zimmers an. "Das ist dir jetzt wahrscheinlich egal, aber ich wollte dir nur sagen, dass ich dich nicht sehen kann. Mindestens, bis die Wunden verheilt sind. Aber Liz kümmert sich ja sicher wie immer gut um dich. Also... Gute Besserung, Jane", sagte er rau, dann legte er einfach auf. Er konnte sich nicht das Recht herausnehmen, noch weiter mit ihr zu sprechen. Er war es gewesen, der sie in Gefahr gebracht hatte. Er warf sein Handy auf den Nachttisch und rieb sich über die Augen, die aufgrund von Schlafmangel ziemlich gerötet waren, dann ließ er sich zurück ins Bett fallen. Vorhin hatte er sich rastlos gefühlt, jetzt war er nur noch taub. Jane hatte nicht geklungen, als würde sie ihn hassen. Entweder, er hatte sich das eingebildet, oder, sie brauchte ihn noch für irgendwas. Beides unschöne Möglichkeiten, denn wenn sie es zuließ, dass er weiter Teil ihres Lebens war, wäre sie nur Gefahr. Vor lauter Gier hatte er es noch nicht mal geschafft, ihr Gaspard zu bringen. Er war nicht nur eine Gefahr, sondern zudem vollkommen nutzlos. Und jetzt würde sie wahrscheinlich mit dem Welpen alleine losziehen und sich womöglich nochmal verletzen, alles nur, weil er so abgrundtief nutzlos war. Er hätte den Glatzkopf schon bei ihrem Ausflug vor einer Woche fangen können, es aber nicht getan, weil er geglaubt hatte, es besser zu wissen. Dabei war er nur faul, aber nicht nur das, sondern auch noch gefährlich. Ruckartig setzte Aiden sich auf. Wenn er ihn finden könnte, wäre vielleicht wenigstens ein Teil seiner Schuld getilgt. Aber wie sollte er das anstellen? Er hatte absolut keine Anhaltspunkte, was den Wiederholungstäter betraf. Nur, dass er schon zwei Mal in Janes Nähe aufgetaucht war... Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als es an der Tür klingelte. Träge drehte er den Kopf dorthin. Hätte der ungebetene Besuch nicht sturmgeklingelt, wäre er einfach liegengeblieben. Als er sich der Tür näherte, machte ihm schon der Geruch klar, wer da gerade aufgetaucht war. Er stockte kurz, doch als Gabriel auch noch gegen die Tür hämmerte, öffnete er sie lieber, bevor der Werwolf sie einschlagen konnte. Er war zu überrascht, um Gabriel seinen Gast daran zu hindern, seine Wohnung zu betreten. Mit misstrauisch verschränkten Armen beobachtete Aiden den Werwolf in seinem Zimmer. Wenn er hier war, um ihm zu sagen, dass er sich von Jane fernhalten sollte, hätte er sich den Weg sparen können. "Jane will dich sehen", begann er ohne Umschweifen und blickte sein Gegenüber mit leicht verengten Augen an. Der Welpe fungierte also scheinbar als Briefträger für Jane. Nun, dieser Botenjunge steigerte nicht gerade Aidens Lust, ihrem Wunsch nachzukommen. Er drehte das Gesicht weg, als er antwortete: "Ich sie aber nicht“, sagte er mit kalter Stimme. "Seit wann spielt es eine Rolle, was du willst, wenn sie eine Bitte oder einen Wunsch äußert?", entgegnete der Werwolf fast schon patzig und mit einer hochgezogener Augenbraue. „Sie ist verletzt und ich bin schuld daran. Das siehst du doch auch so?“ Er wollte keine Zustimmung hören, wusste aber, dass dem so war. Dumm war Gabriel ja nicht gerade. „Glaub mir, wenn das direkt deine Schuld wäre, wäre ich der erste, der es dir unter die Nase reiben würde“, erklärte Gabriel unverblümt. „Aber Jane hat Recht. Es ist nicht deine Schuld, sondern die von diesem Wenn es wirklich haargenau so gewesen und ihre Verletzung unmittelbar direkt dein Verschulden wäre, würde ich dir das mit Freuden unter die Nase reiben. Allerdings muss ich Jane diesmal Recht geben: Es war nicht deine Schuld, dass sie verletzt wurde, sondern die von diesem blutsaugenden Lackaffen mit glänzend polierter Glatze." Aiden hätte wenigstens von Gabriel Zustimmung erwartet, und sah diesen entsprechend widerwillig an. Warum konnte er ihn nicht blöd anmachen, wenn Aiden das ausnahmsweise wollte und verdient hatte? "Und wessen Schuld war es, dass dieser ‚Lackaffe mit polierter Glatze‘ noch auf freiem Fuß war?", erwiderte er trotzig. Dass er Jane überhaupt erst dazu gebracht hatte, Jägerin zu werden, konnte er unmöglich sagen, vor allem nicht dem Werwolf. Nicht jetzt, wenn er absolut kein Recht hätte, sich zu verteidigen. Wenn jemand ihn aus Gerechtigkeit tötete, sollte es wenigstens Jane selbst sein. "Wenn du auf sein Auftauchen in Winter Wonderland ansprichst, dann fällt die Hälfte der Schuld wohl auf mich. Ich habe seine Fährte ja auch in der Menge verloren", entgegnete Gabriel nüchtern und mit verschränkten Armen vor der Brust. "Aber das ist für mich noch kein Grund, im Selbstmitleid – oder was auch immer – zu versinken und mich von Jane fern zu halten, wo sie mich doch eigentlich braucht." Müde ließ Aiden sich auf den Rand seins Bettes sinken, die Hände im Schoß gefaltet. Schon damals war er absolut nutzlos gewesen – im Gegensatz zu Gabriel. Der Werwolf hatte Jane bei der ersten Jagd auf Gaspard geholfen und jetzt hatte er sie vor Aiden selbst gerettet. Seine eigene Arroganz, mit der er dem Jungen bisher gegenübergetreten war, widerte ihn an. Erschöpft wandte Aiden sich seinem Gast wieder zu. "Danke, dass du sie weggebracht hast. Ohne dich... Weiß ich nicht, was passiert wäre. Aber ich mache deinen Einsatz jetzt nicht wieder zunichte, indem ich zu ihr gehe." "Hör zu...", begann der Südländer ruhiger und mit weniger frechem Unterton in seiner Stimme. "Ich weiß nicht, was das ist oder wie ihr eure Beziehung definieren wollt, aber es ist offensichtlich, dass Jane etwas an dir liegt und sie dich jetzt sehen und mit dir reden möchte. Ich meine... sie hat mich darum gebeten, dich zu ihr zu bringen." "Ich kann nicht", wehrte Aiden ab. Er hatte jetzt nicht die Kraft, auch noch seine Beziehung zu Jane zu hinterfragen. Er fühlte sich schon zerrissen genug von dem Wunsch, bei ihr zu sein, und der Angst, ihr zu schaden. In dem Moment fiel ihm ein seltsamer Geruch auf, der an Gabriels Kleidung hing, und er runzelte die Stirn. "Dieser Vampir von der Gala ist bei ihr?", fragte er, ein wenig verwundert, immerhin hasste sie ja seines Wissens nach alle Vampire außer ihn selbst und Eldric. "Hm? Oh... Ja. Er ist seit dem Vorfall nicht von ihrer Seite gewichen. Er scheint sehr nett zu sein und die beide verstehen sich ziemlich gut", erklärte er schulterzuckend. Aiden nickte langsam, weniger beunruhigt, als er selbst erwartet hätte. Doch der andere Vampir hatte sie gerettet. Also war es schon in Ordnung, wenn ihr Retter bei der Jägerin verweilte. "Kommst du nun oder lässt du es sein?" Gabriel hatte die Wohnungstür geöffnet und sah Aiden abwartend an. Vermutlich hatte der Werwolf Recht. Wenn sie es sogar auf sich nahm, ihren besten Freund zu schicken, weil sie nicht selbst kommen konnte, konnte sie ihn nicht so sehr hassen. Und wenn sie ihn wirklich sehen wollte – wer war er, ihr diese Möglichkeit zu nehmen? Er hatte sich ihr schon mal entzogen und somit ihr Vertrauen missbraucht. Das konnte er unmöglich noch einmal tun, er wollte es auch gar nicht. Zwar war er nach wie vor der Meinung, ihr Vertrauen nicht mehr zu verdienen, weil er sie hatte töten wollen mit jeder Faser seines Körpers. Aber wenn ihr das egal war, konnte er nicht wenigstens so tun, als wäre alles ok? „Es sei denn, du hast noch etwas anderes vor“, fügte Gabriel gehässig hinzu, womit er zum ersten Mal das Gepäck zur Kenntnis nahm, das überall im Zimmer stand. Aiden schluckte und senkte den Blick. Richtig, Jane hatte ihrem besten Freund davon erzählt, wie er vor über einem Jahr einfach aus ihrem Leben verschwunden war. Weil es sie sehr getroffen hatte. Wie hatte er auch nur eine Sekunde darüber nachdenken können, ihr das wieder anzutun? Nach allem, was er ihr versprochen hatte. Gabriel reichte es jetzt wohl. Er schnaubte etwas nicht sehr freundliches auf Spanisch, drehte auf dem Absatz um und verschwand. Die Tür ließ er hinter sich auf, als wüsste er, dass Aiden ihm folgen würde. Er zögerte noch kurz, dann stand er langsam auf und verließ wortlos die Wohnung. Sie wären vermutlich beide schneller zu Fuß gewesen, dennoch nahmen sie Gabriels Auto, um zum Anwesen zu fahren. Obwohl er sich dazu entschieden hatte, hatte Aiden ein unglaublich schlechtes Gefühl, je näher sie dem Haus kamen. Als sie vor der Tür standen, wollte er nichts lieber, als sofort wieder umkehren. Schließlich hatte er jedoch nicht mehr wirklich eine Wahl, und irgendwie fand er sich auf der Treppe zum ersten Stock und in Janes Zimmer wieder. Es war, als habe ein anderer die letzte halbe Stunde seiner Existenz erlebt. Völlig verunsichert sah er kurz zu Gabriel, dann trat er ein und ihm stockte der Atem, als er sie im Bett liegen sah. Sie war zwar nicht mehr so schwach wie nach dem Unfall, aber er roch immer noch deutlich das Blut und es widerte ihn maßlos an, dass es immer noch so anziehend auf ihn wirkte. Mit verschränkten Armen blieb er an der Tür stehen und sah zur Seite. "Du wolltest mich sehen", sagte er, was abweisender klang, als er sich fühlte. Viel lieber hätte er ihre Hand geküsst und sich noch weitere tausend Mal entschuldigt. "Aiden", kam es sofort über die Lippen der Verletzten, ehe sie auf seine Worte hin leicht die Augenbrauen anhob und leise seufzte. Sie schlug die Bettdecke zur Seite, schwang ihre Beine ans seitliche Ende des Bettes und stand vorsichtig auf. Hierbei zuckte sie zusammen, hielt kurz inne und legte ihre Hand an ihre verletzte Seite. "Bleib liegen", befahl er besorgt und machte ein paar Schritte auf sie zu. Allerdings ließ sich die junge Frau nicht beirren, sondern atmete einmal tief durch und ging dann auf ihren Hausgast zu. Er war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, sie einfach wieder ins Bett zu heben, und möglichst viel Abstand zwischen sie beide zu bringen. War ihr denn nicht klar, wie gefährlich er für sie war? Doch dann stand sie bereits vor ihm und ergriff seine Hand. Verwirrt sah er von ihren Fingern auf seinen zu ihrem Gesicht, auf dem nicht die Abscheu stand, die er erwartet hatte. "Es ist okay", sprach sie leise und blickte ihm direkt in die Augen, in denen sich Schmerz und Schuldbewusstsein spiegelten. "Es war nicht deine Schuld, dass ich mich verletzt habe. Du hast mich auch nicht angegriffen, sondern vor Gaspard und anderen potentiellen Gefahren beschützt. Also hör auf, dir diese falschen und unnötigen Sachen einzureden." Er nahm ihre Hände von seinem Gesicht und schob sie von sich. "Aber ich wollte dich angreifen, Jane. Und für mich ist das genauso schlimm", sagte er matt und schob sie sanft zurück in Richtung Bett. Als sie saß, ging er vor ihr in die Hocke, umfasste ihre Hand mit seinen beiden und küsste ihre Finger. "Du bedeutest mir so viel, und ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn dir meinetwegen etwas zustoßen sollte." "Aber du hast es nicht getan", erwiderte sie fest. In ungläubiger Dankbarkeit sah zu ihr auf und merkte erst etwas verspätet, dass er hier gerade kniete, als würde er ihr die Treue geloben. Rasch ließ er sie los und setzte sich im Schneidersitz hin. Er war ihr noch immer gefährlich nahe, besonders, da er ihren Blutgeruch so deutlich wahrnehmen konnte. Doch langsam gewöhnte er sich etwas daran und konnte ihn ausblenden. „Aiden, hör mir zu… Ich möchte nicht, dass du dich deswegen quälst. Siehst du, es geht mir gut. Meine Mutter hat mich direkt verarztet, wie immer. Und wir haben sogar einen Neuzugang“, wechselte sie das Thema mit einem sanften Lächeln, das etwas in Aidens Magengegend flattern ließ. Dennoch runzelte er die Stirn. „Was meinst du?“ "Ich glaube, es wäre besser, wenn er sich dir selbst vorstellt“, erwiderte sie und strich sich die Haare hinters Ohr. Als sie ihren Blick wieder zu Aiden gleiten ließ, glitzerte der Schalk in ihren Augen. „Ich denke nämlich nicht, dass du es mir glauben wirst, wenn ich dir erzähle, wer er genau ist." Er folgte ihrem Blick zu einem Fotoalbum, welches auf ihrem Nachttisch lag. Ihr Gesichtsausdruck wurde weich und ein sanftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Ein seltsames Gefühl machte sich in Aidens Magengegend breit, als Aiden Jane so sah. Sie redete vermutlich von dem fremden Vampir – er konnte dessen Fährte im Haus riechen, und Gabriel hatte gesagt, er wäre öfter hier gewesen. Doch er fragte sich schon, was genau dieser Fremde mit ihr angestellt hatte, dass sie bei dem Gedanken an ihn lächelte. Aiden hatte sie in der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft regelmäßig zu Filet zu verarbeiten versucht. Aiden sah auf, als er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Er erkannte Elizabeths Stimme, verstand aber nicht, was sie sagte. Da das, was die fremde Männerstimme erwiderte, die Hausherrin zum Lachen brachte, ging er jedoch davon aus, dass alles in Ordnung war. Jane sah ihn kurz fragend an, bevor sie lächelte. „Er ist da, oder?“ Bevor er etwas sagen konnte, hörte er Schritte die Treppe raufkommen und sah zur Tür. Diese öffnete sich kurz darauf schon, und herein blickte der Vampir von der Benefizgala. Er hatte honigblondes Haar und blaue Augen, wie Aiden jetzt erst auffiel. Am letzten Tag war er nicht fähig gewesen, seinen Artgenossen genauer zu begutachten. „Ihr seht aus, als hättet ihr auf mich gewartet“, grinste er spielerisch. „Natürlich.“ Jane verdrehte belustigt die Augen und stand auf. „Aiden, das ist Theodore Hunt.“ „Nenn mich Teddy.“ Der andere Vampir lächelte Aiden an, hielt aber Abstand. Ihm war sicherlich nicht entgangen, dass Aiden sich einen halben Schritt zur Seite geschoben hatte, sodass er zwischen dem Fremden und Jane stand. „Schön, dich kennenzulernen, Ur-Großonkelchen.“ Aiden blinzelte und warf Jane einen Blick zu, die seltsamerweise irgendwie bewegt aussah. Dieser Typ war fast so seltsam wie der der Antiquitäten-Vampir. Blieb nur zu hoffen, dass er nicht demnächst seine Parfümsammlung auspackte. Obwohl Gabriel ihn wohl kaum mögen würde, wenn er eine solche Vorliebe gehabt hätte. "Aiden Hunt", erwiderte er der Höflichkeit halber. Schließlich hatte Theodore geholfen, Jane zu beschützen. Als er merkte, dass der ältere Vampir ihn nicht mehr anfallen würdet, trat er richtig ins Zimmer. Er ließ sich auf dem Schreibtischstuhl nieder, von dem aus der Aiden musterte. "Jetzt, wo du nicht gerade im Adrenalinrausch bist und mich nicht als 'potentielle Gefahr' ansiehst, erscheint er dir wohl logisch, wenn ich dir sage, dass ich Jane vor einer Woche beschützen wollte, oder?", erläuterte er seinem Verwandten. "Immerhin kenne ich die Kleine hier, seit sie gehen kann." Aidens ganze Haltung verkrampfte wieder, als Theodore auf ihre Auseinandersetzung zu sprechen kam. Die ganze Arbeit, die Jane vorhin geleistet hatte, um ihn zu beruhigen, fiel in sich zusammen und der ältere Vampir senkte den Blick, als hätte man ihn getreten. "Es tut mir leid", sagte er leise. "Ach, ein paar blaue Flecken und Prellungen haben noch nie einen Vampir ins Grab gebracht. Außerdem wolltest du einfach Jane vor jeglicher Gefahr beschützen. Passt also", gab Theodore ziemlich locker von sich, wobei ein breites Grinsen auf seinen Lippen lag, welches seine strahlend weißen Beißer und Fangzähne entblößte. Doch es war Janes Reaktion, die Aidens Aufmerksamkeit bekam. Hand an und legte diese an seine Wange, um zärtlich mit ihrem Daumen darüber zu streichen - beinahe so, als ob sie ihm ihren Beistand deutlich machen und sagen wollte, dass alles in Ordnung war. Ein eigenartiges Flattern machte sich in seiner Magengegend breit, als Jane ihre Hand auf seine Wange legte. Am liebsten hätte er ihre Hand noch mal geküsst, auf jeden Fall wollte er aber nicht, dass sie sie wegnahm. Ihr Zuspruch hatte wirklich großen Einfluss auf ihn, und auch, wenn er immer noch nicht glaubte, ihn wert zu sein, sah er Jane dankbar an. Er genoss die Berührung, solange sie anhielt, dann rutschte er näher zu ihren Füßen und lehnte sich an das Bett direkt neben ihren Beinen, sodass er diese leicht mit der Schulter berührte. Auf diese legte Jane ihre Hand, und ein kleines Lächeln erhellte Aidens Züge. Er hatte sie nicht verdient, so viel war sicher. Aber er würde einen Teufel tun und nochmal das Glück zurücklassen, das ihm mit ihrem Vertrauen geschenkt wurde. „Teddy war ein guter Freund meines Vaters und jahrelang sein Jagdpartner", klärte Jane Aiden auf, um das Thema zu wechseln. Der ältere Vampir nickte und musterte seinen neuen Artgenossen. Zumindest konnte er jetzt nachvollziehen, woher die beiden sich kannten und wieso sie sich so mochten. Das besänftigte ein wenig seine Beunruhigung, was Janes Zuneigung zu dem anderen Vampir anging. Gleichzeitig warf es in ihm aber nur neue Schuldgefühle auf. Wie viele Personen sollten hier noch auftauchen, denen Aiden irgendeinen wichtigen Menschen genommen hatte? Damit musste er wohl leben, wenn er weiter in Janes Nähe bleiben wollte. „Warte… Wie heißt du mit Nachnamen?“, hakte Aiden ziemlich spät nach. Sein Blick klebte plötzlich an Theodore, dessen dunkelblonden, leicht gewellten Haaren, dessen hellblauen Augen, der massigen Statur… „Ah, ich dachte schon, er merkt es gar nicht mehr“, lachte Theodore an Jane gewandt, die ebenfalls schmunzelte. "Du... Ich... Aber das kann nicht sein", schloss Aiden kategorisch aus, was der andere da implizierte. "Wieso kann das denn nicht sein?", wollte der deutlich jüngere Blutsauger, ohne dabei seine angehobenen Mundwinkel sinken zu lassen. "Du wirst doch wohl nicht deine eigene Schwester vergessen haben, hm? Ich bin der Ur-ur-ur... - ach, keine Ahnung wie viele da angehängt werden müssen, aber ich bin ein direkter Nachfahre deiner Schwester Lucy." "Lucy…", flüsterte er leise. Die Frage, ob er seine Schwester vergessen hatte, tat ein bisschen weh, denn er konnte sich tatsächlich nicht mehr wirklich an ihr Gesicht erinnern, aber er wusste noch, dass sie ein gleichzeitig strenges und liebevolles Mädchen gewesen war. "Aber das… Du bist… So", sagte er, noch immer ziemlich überrumpelt. "Ich bin so was? Jung? Blass? Unsterblich? Bissig? Na ja, das kommt vor", alberte Theodore herum und konnte sich ein breiteres Grinsen nicht verkneifen. "Frech", erwiderte er auf die Aufzählung seines Neffen hin mit einem müden Lächeln. Er hatte tausend Fragen, aber gerade schien keine sich in ausgesprochene Worte fassen lassen zu wollen. Theodore lachte unbeschwert, bevor er von seinem Stuhl aufsprang. Er ging auf Aiden zu und vor ihm in die Hocke, um ihn freundlich anzulächeln. "Jetzt, wo die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt sind und du keinen Grund dazu hast, mich als potentielle Gefahr anzusehen, wäre es bestimmt cool wenn wir... hm... Freunde werden?", schlug der Neuzugang offen vor. "Oder soll ich dich doch Onkelchen Aiden nennen? Ich sehe zwar zehn Jahre älter aus als du, aber wenn du darauf bestehst, lässt sich das sicher einrichten. Aidens Mundwinkel zuckten ein wenig, als der andere das Wort ‚cool‘ in den Mund nahm. Zu größeren Ausbrüchen der Freude war er gerade nicht fähig. "Du hast Jane gerettet. Wir sind also schon Freunde", erwiderte er ziemlich ernst, bevor seine Augen leicht blitzten. "Aber wenn du mich jemals wieder ´Onkelchen` nennst, fürchte ich, dass du dich wieder auf ein paar Prellungen und blaue Flecken einstellen kannst", fügte er hinzu. "Keine Sorge. Dich auf Dauer 'Onkelchen' zu nennen, wäre für mich auch ziemlich komisch. Ich meine... ich bin streng biologisch genommen älter als du", gluckste Teddy, was eine Frage aus dem Wust von Aidens rotierenden Gedanken brachte. „Wie alt bist du denn?“ „So um die 100. Hat für beide Kriege gereicht, leider.“ Sein Lächeln wurde in den Mundwinkeln bitter, und Aiden nickte verständnisvoll schweigend. Darüber konnten sie ein andermal reden, wenn sie sich besser kannten. Und Aiden wollte ihn unbedingt kennenlernen, den ersten Verwandten, den er seit Jahrhunderten getroffen hatte. Sein Blick wanderte zu Jane, und er erwiderte ihr Lächeln überglücklich. „Danke“, war alles, was er leise hervorbrachte. Er hätte nie gedacht, sich jetzt so zu fühlen, nach dem, was ihm heute Morgen noch durch den Kopf gegangen war. Und zu glauben, dass er sie wieder hatte verlassen wollen… Er hatte sie wahrlich nicht verdient. Teddy hatte die kleine Szene beobachtet und räusperte sich jetzt, während er aufstand. „Ich schätze, wir können uns auch unterhalten, wenn sich alles ein bisschen gesetzt hat. Wir sind ja nicht aus der Welt“, meinte er. „Wo willst du jetzt hin?“, fragte Aiden ziemlich verdutzt. Er wollte sich mit seinem Neffen unterhalten, alles über ihn erfahren. Besonders neugierig war er, wie er überhaupt herausgefunden hatte, wer Aiden überhaupt war. „Unsere kleine Prinzessin braucht etwas Ruhe“, erklärte er mit einem Nicken in Janes Richtung. „Falls etwas ist, kannst du ihr sicher besser helfen als ich. Und ich habe mir vorgenommen, mehr über diesen Gaspard herauszufinden“, endete er mit gerunzelter Stirn. Jane verdrehte die Augen, während Aiden zur Seite sah. Der schwere Blutgeruch, der das Zimmer füllte, sagte mehr als genug darüber, wie sehr er ihr half. Sie hatte sich aus irgendeinem Grund dazu entschieden, ihn an ihrer Seite zu akzeptieren, aber dazu hatte er sie mehr oder weniger genötigt. „Wir unterhalten uns in den nächsten Tagen ausführlich miteinander, ja?“, versprach Teddy lächelnd, ehe er das Zimmer ebenso plötzlich verließ, wie er es betreten hatte. Aiden konnte noch immer nicht so richtig fassen, was er gerade gehört hatte. Einen Moment starrte er die geschlossene Tür an, ehe er sich kopfschüttelnd nach Jane umwandte. "Ein... Seltsamer Vogel", kommentierte er vorsichtig. Jane zuckte die Schultern. "Nun... er kann wirklich etwas eigen sein, aber ich mag ihn irgendwie." Da Aiden bereits selbst angefangen hatte, seinen neu entdeckten Verwandten zu mögen, lächelte er über Janes Worte nur. Gut, ihm blieb wohl auch nicht viel übrig, denn wie sagte man so schön? Seine Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen. Aiden hatte aber ziemliches Glück, was das betraf, immerhin hatte er alles andere als einen guten ersten Eindruck gemacht Apropos schlechter Eindruck: "Habt ihr was über den ´glatzköpfigen Lackaffen` herausgefunden?", bemühte er die hübsche Beschreibung, die Gabriel vorhin gebracht hatte, mit einem kleinen Schmunzeln. "Nicht wirklich, nein. Allerdings hat Gabe eine interessante Theorie geäußert", teilte sie ihm mit. "Er meinte, dass ich die Jägerin bin, nach der Gaspard sucht. Allerdings kann ich mir das nicht wirklich vorstellen. Ich meine... es gäbe so viele, bessere Orte und Situationen, in denen man mich umlegen könnte und in denen ich alleine wäre. Wieso sollte er also solche Längen gehen?" Er runzelte die Stirn und fing an, etwas zu erwidern, doch unterbrach sie ihn. „Ich will eigentlich gerade nicht über den Fall reden“, sagte sie und klopfte auf das Bett neben sich. Als er zögerte, verdrehte sie die Augen, nahm seine Hand und zog ihn zu sich. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Dummi. Du hättest verletzt sein können.“ Ihre Worte versetzten ihm einen Stich, doch er hatte es verdient. Er hatte versucht, sie zu töten und sie sorgte sich um ihn. „Ich wollte dir nicht das Gefühl geben, dass ich schon wieder abhauen würde“, sagte er leise, obwohl genau das sein erster Impuls gewesen war. Er schämte sich so sehr dafür, dass er sie beinahe erneut verletzt hätte, weil er so feige war. „Ich will wirklich nicht mehr gehen...“, fuhr er nach einer Pause fort. „Ich hatte das Gefühl, es wäre vielleicht besser für dich, aber das hatte ich auch, als ich vorletztes Jahr gegangen bin, und damit habe ich dir nur wehgetan. Das will ich aber nie wieder tun. Es tut mir leid, dass du dir darüber auch noch Gedanken gemacht hast." "Ich weiß nicht, ob ich das wirklich geglaubt habe“, erwiderte Jane nachdenklich, doch scheinbar ehrlich. "Aiden...", sprach Jane leise und blickte zu ihm hoch. „Was gut und nicht gut für mich ist, habe noch immer ich selbst zu entscheiden. Du brauchst dir wirklich nicht darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn du nicht gehen willst, dann... bleib einfach." Er wünschte wirklich, dass es so einfach sein könnte. Aber jetzt hatte er sein Wort gegeben. Selbst wenn er kein Recht auf Janes Nähe hatte, musste er jetzt bleiben, und das hatte… Irgendwie etwas Beruhigendes. "Danke", sagte er leise und beugte sich vor, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Sie schloss die Arme um ihn und Aiden fragte sich, wie er auch nur hatte erwägen können, sie jemals zurückzulassen. Kapitel 17: Geister ------------------- Ohne eine bewusste Entscheidung dazu getroffen zu haben, war Aiden auf den Beinen und fokussierte den Fremden, der seine Beute auf dem Arm hielt. Er hatte ein längliches Gesicht, über dem sich dunkelblondes Haar wellte, und eine schmale, athletische Statur. Aiden nutzte die Chance, als seine blauen Augen für eine Sekunde zu Jane huschten, und stürzte sich auf den anderen Vampir. Mit Jane auf dem Arm blieb dem Fremden nichts anderes übrig, als zurückzuweichen. „Bitte. Du willst ihr nichts tun. Du wirst es bereuen, Aiden“, flehte sein Artgenosse, der Sich unter Aidens Schlägen wegduckte – bis er schließlich die Wand im Rücken hatte. Der Dieb saß in der Falle, und er würde sich nehmen, was ihm gehörte. Aiden machte sich gerade zum Sprung bereit, als er von den Beinen gerissen wurde. In einem Wust aus schwarzem Fell schleuderte er durch den Saal. Zähne schlugen sich in seinen Arm und hinterließen giftig brennende Spuren. Er schlug seine Klauen in warmes, stinkendes Fleisch und wurde mit einem schmerzlichen Fiepen belohnt. Der Werwolf trabte davon, während Aiden sich aufrappelte. Gabriel baute sich zwischen ihm und dem fremden Vampir auf. Sein Fell sträubte sich, aber sein bedrohliches Knurren brachte Aiden nur zum Lachen. „Mach dich nicht lächerlich, Welpe.“ Aiden ging auf ihn zu, doch diesmal war es der Fremde, der vortrat. "Ich werde ihn aufhalten! Bring du Jane zu Liz! Schnell!“ Mit diesen Worten stürzte er sich auf Aiden, um ihn so weit wie möglich von seiner Beute fernzuhalten. Gabriel schaltete innerhalb von Sekunden. Zurück in seiner menschlichen Form schnappte er sich Jane und nahm die Beine in die Hand, ohne zurückzublicken. Aiden setzte ihm nach, doch der andere Vampir packte ihn am Kragen und riss ihn zu Boden. Das Gewicht des anderen Mannes drückte ihn runter, doch er riss seine Hand los und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Der jüngere Vampir verlor kurz die Balance, was Aiden nutze, um ihn von sich runter und gegen die nächste Wand zu klatschen. Stöhnend sank er in sich zusammen. Seine Versuche, aufzustehen, erinnerten an eine Puppe, deren Fäden sich verheddert hatten. Als Aiden aufstand, blickte er ihn aus hellblauen, traurigen Augen an. "Du hast sie beschützt!", keuchte der Fremde außer Atem. Aiden kam langsam näher, bereit, jeder Zeit zuzuschlagen. "Du hast sie beschützt, und jetzt willst du sie töten? Willst du Jane McCollins wirklich tot sehen?" Wieder blinzelte Aiden, und seine Schritte wurden langsamer. Jane... Das Bild einer lächelnden, wunderschönen jungen Frau, die ihm die Krawatte band schob sich in sein Bewusstsein, gefolgt von einem anderen, viel älteren, in die scheinbar selbe Frau schelmisch lächelnd vor ihm her durch einen dunklen Flur lief und seine Hand hielt. Jane Grey. Jane McCollins. Der Unterschied war wahnsinnig schwer zu greifen, aber er war entscheidend. Er konnte sich nicht noch mehr Schuld aufladen. Es hätte ihn zerbrochen. Seine Atmung kam stoßweise und er musste sich auf den Tisch stützten, als ihm die Knie schwer wurden. Der Durst war immer noch da, riss an seinem Verstand… Aber der Rausch ebbte langsam ab. „Es ist nicht deine Schuld“, sagte der Fremde leise und brachte Aiden damit zum ersten Mal zu, ihn anzusehen. Besorgte blaue Augen sahen ihn aus einem von dunkelblonden Locken umrahmten, schmalen Gesicht an. Er war etwa so groß wie Aiden, aber schlanker. „Verschwinde...", knurrte er angespannt. Der Fremde runzelte die Stirn. Er wich aber zurück, als Aidens Finger sich um den Stuhl verkrampften und das Holz splitternd nachgab. Ihm war egal, wer diese Person war oder was sie von ihm wollte. Er musste sich so sehr konzentrieren, nicht das Monster zu sein, das er in seiner Brust wüten spürte. Er hatte nicht die Kraft, mit irgendjemandem zu sprechen oder sich zu rechtfertigen. Unbewusst musste er die Augen geschlossen haben, denn er hörte nur, wie Schritte sich entfernten. Er wusste nicht, wie lange er dort gestanden hatte, als die Beleuchtung wieder eingeschaltet wurde. Vor dem Gebäude waren Sirenen zu hören, und er wusste, dass es Zeit war zu gehen. Wohin war nur die Frage. Als die Menschen in den Saal strömten, war Aiden schon verschwunden, um rastlos durch die Nacht zu geistern. Eigentlich wollte er gerade nicht jagen, denn er vertraute sich selbst nicht. Doch seine Natur gewann schließlich die Oberhand. Als das ohnmächtige Mädchen zu seinen Füßen lag und er sie anstarrte, traf ihn die Erkenntnis, dass das Jane hätte sein können, wie ein Hammerschlag. Er hätte sie getötet, wenn dieser Fremde sie nicht verteidigt hätte, und er wusste noch nicht mal, wer das überhaupt gewesen war. Sie war potentiell immer in Gefahr, wenn sie bei ihm war, aber das jetzt so direkt zu sehen machte ihm Angst. Was, wenn das nächste Mal kein freundlicher Retter in der Nähe war? Er verbrachte viel Zeit mit Jane alleine. Was, wenn sie sich dabei in den Finger schnitt und er sein eigenes Monster nicht mehr im Griff hatte? Er hatte schon seine erste große Liebe auf dem Gewissen, er wollte nicht auch noch für Janes Tod verantwortlich sein. Und das wäre er, selbst wenn sie bei einem Auftrag unglücklich stürzen und sich den Hals brechen würde, denn er hatte sie überhaupt erst in dieses Leben gedrängt. Seine Haut kribbelte wie von tausend Ameisen. Es trieb ihn, immer weiter, bis er schließlich in seiner Wohnung strandete. Doch er konnte nicht bleiben. Noch bevor er wusste, was er tat, hatte er seine Reisetasche unter dem Bett hervorgezerrt. Er stopfte seine Kleidung hinein, angewidert davon, dass er Jane so sehr in Gefahr gebracht hatte. Minutenlang starrte er gegen ein Stück Wand neben seinem Bett, in Gedanken bei ihrem Gesicht. Jetzt würde es wieder von Abscheu verzerrt sein, wenn sie ihn ansah. Der Gedanke war wie ein Stich in seinem Herzen. Er wollte doch nur... Er wusste selbst nicht, was er von diesem armen Mädchen wollte, dessen Leben er so auf den Kopf gestellt hatte- Sie sollte ihn nur nicht hassen. Das konnte er nicht ertragen. Als am Samstagmorgen die Sonne kalt über London aufstieg, brachte sie für Aiden nur Gedanken an all das Blut auf Janes Körper. Er konnte nicht mal sicher sein, dass sie überhaupt lebte. Er schämte sich für seine Feigheit, doch wagte er es nicht mal, sich von ihrem Wohlbefinden zu überzeugen. Die Angst fraß sich durch seine Eingeweide, während er sein Gepäck wahllos zusammenräumte. Er musste gehen. Seine Gedanken waren ein Limbo, aus dem er keinen Ausweg fand, wenn er bliebe. Er musste… Musste… Als sein Telefon klingelte, starrt er es sekundenlang aus rotgeräderten Augen an. Schließlich streckte er die Hand aus, als würde sie einem anderen gehören. Er sah ihren Namen und für eine Sekunde war er überzeugt, sein Herz hätte noch geschlagen und erst in dieser Sekunde aufgehört. Er musste gehen. Er konnte nicht rangehen und sie weiter in Gefahr bringen. Wieso wanderte sein Finger trotzdem zu der grünen Taste? Wieso drückte er sie? Wieso konnte er sie nicht einfach leben lassen, ohne ihn, in Frieden? "Aiden? Alles in Ordnung?" "Jane..." Andächtig schloss er die Augen, als er endlich ihre Stimme hörte. Es war wie Balsam, der durch die Telefonleitung träufelte und seine heiß gelaufenen Nerven beruhigte. Er stand mitten in seinen halb gepackten Habseligkeiten, aber eigentlich wäre er lieber gerannt, wer weiß, wohin. "Ich... Es tut mir so leid, was passiert ist. Ich konnte nicht... Es war... Bitte, verzeih mir... Wie geht es dir?", beendete er sein sinnloses Gestammel mit einer genauso sinnlosen Frage. Ihre halbe Seite hing in blutigen Fetzen, wie sollte es ihr schon gehen? "Nun.. ich würde sagen, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht. Ich habe mir aber vielmehr Sorgen um dich gemacht, weil du dich bisher nicht gemeldet hast." Sie seufzte leise, und er konnte praktisch sehen, wie sie sich die Haare hinters Ohr strich. Wäre er nicht so angespannt gewesen, hätte er wahrscheinlich gelacht, so aber entrang sich ihm nur ein leises Schnauben. „Wie kannst du dir Sorgen um mich machen… Nach allem…“ „Was? Aiden, beruhige dich. Was ist denn das Problem? Warum entschuldigst du dich?", wollte Jane irritiert wissen. "Es ist meine Schuld. Ich hatte mich einfach nicht unter Kontrolle, und ich... Ich will das nicht noch mal riskieren. Wenn dir etwas passiert wäre..." Seine Kehle schnürte sich zu und er konnte nicht weiter sprechen. "Aber du hast nichts getan! Es ist nichts geschehen und nichts von all dem ist deine Schuld!", entgegnete sie viel zu schnell. Sie musste noch verwirrt sein von den Geschehnissen. Langsam öffnete Aiden die Augen und starrte die Decke seiner Zimmers an. "Das ist dir jetzt wahrscheinlich egal, aber ich wollte dir nur sagen, dass ich dich nicht sehen kann. Mindestens, bis die Wunden verheilt sind. Aber Liz kümmert sich ja sicher wie immer gut um dich. Also... Gute Besserung, Jane", sagte er rau, dann legte er einfach auf. Er konnte sich nicht das Recht herausnehmen, noch weiter mit ihr zu sprechen. Er war es gewesen, der sie in Gefahr gebracht hatte. Er warf sein Handy auf den Nachttisch und rieb sich über die Augen, die aufgrund von Schlafmangel ziemlich gerötet waren, dann ließ er sich zurück ins Bett fallen. Vorhin hatte er sich rastlos gefühlt, jetzt war er nur noch taub. Jane hatte nicht geklungen, als würde sie ihn hassen. Entweder, er hatte sich das eingebildet, oder, sie brauchte ihn noch für irgendwas. Beides unschöne Möglichkeiten, denn wenn sie es zuließ, dass er weiter Teil ihres Lebens war, wäre sie nur Gefahr. Vor lauter Gier hatte er es noch nicht mal geschafft, ihr Gaspard zu bringen. Er war nicht nur eine Gefahr, sondern zudem vollkommen nutzlos. Und jetzt würde sie wahrscheinlich mit dem Welpen alleine losziehen und sich womöglich nochmal verletzen, alles nur, weil er so abgrundtief nutzlos war. Er hätte den Glatzkopf schon bei ihrem Ausflug vor einer Woche fangen können, es aber nicht getan, weil er geglaubt hatte, es besser zu wissen. Dabei war er nur faul, aber nicht nur das, sondern auch noch gefährlich. Ruckartig setzte Aiden sich auf. Wenn er ihn finden könnte, wäre vielleicht wenigstens ein Teil seiner Schuld getilgt. Aber wie sollte er das anstellen? Er hatte absolut keine Anhaltspunkte, was den Wiederholungstäter betraf. Nur, dass er schon zwei Mal in Janes Nähe aufgetaucht war... Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als es an der Tür klingelte. Träge drehte er den Kopf dorthin. Hätte der ungebetene Besuch nicht sturmgeklingelt, wäre er einfach liegengeblieben. Als er sich der Tür näherte, machte ihm schon der Geruch klar, wer da gerade aufgetaucht war. Er stockte kurz, doch als Gabriel auch noch gegen die Tür hämmerte, öffnete er sie lieber, bevor der Werwolf sie einschlagen konnte. Er war zu überrascht, um Gabriel seinen Gast daran zu hindern, seine Wohnung zu betreten. Mit misstrauisch verschränkten Armen beobachtete Aiden den Werwolf in seinem Zimmer. Wenn er hier war, um ihm zu sagen, dass er sich von Jane fernhalten sollte, hätte er sich den Weg sparen können. "Jane will dich sehen", begann er ohne Umschweifen und blickte sein Gegenüber mit leicht verengten Augen an. Der Welpe fungierte also scheinbar als Briefträger für Jane. Nun, dieser Botenjunge steigerte nicht gerade Aidens Lust, ihrem Wunsch nachzukommen. Er drehte das Gesicht weg, als er antwortete: "Ich sie aber nicht“, sagte er mit kalter Stimme. "Seit wann spielt es eine Rolle, was du willst, wenn sie eine Bitte oder einen Wunsch äußert?", entgegnete der Werwolf fast schon patzig und mit einer hochgezogener Augenbraue. „Sie ist verletzt und ich bin schuld daran. Das siehst du doch auch so?“ Er wollte keine Zustimmung hören, wusste aber, dass dem so war. Dumm war Gabriel ja nicht gerade. „Glaub mir, wenn das direkt deine Schuld wäre, wäre ich der erste, der es dir unter die Nase reiben würde“, erklärte Gabriel unverblümt. „Aber Jane hat Recht. Es ist nicht deine Schuld, sondern die von diesem Wenn es wirklich haargenau so gewesen und ihre Verletzung unmittelbar direkt dein Verschulden wäre, würde ich dir das mit Freuden unter die Nase reiben. Allerdings muss ich Jane diesmal Recht geben: Es war nicht deine Schuld, dass sie verletzt wurde, sondern die von diesem blutsaugenden Lackaffen mit glänzend polierter Glatze." Aiden hätte wenigstens von Gabriel Zustimmung erwartet, und sah diesen entsprechend widerwillig an. Warum konnte er ihn nicht blöd anmachen, wenn Aiden das ausnahmsweise wollte und verdient hatte? "Und wessen Schuld war es, dass dieser ‚Lackaffe mit polierter Glatze‘ noch auf freiem Fuß war?", erwiderte er trotzig. Dass er Jane überhaupt erst dazu gebracht hatte, Jägerin zu werden, konnte er unmöglich sagen, vor allem nicht dem Werwolf. Nicht jetzt, wenn er absolut kein Recht hätte, sich zu verteidigen. Wenn jemand ihn aus Gerechtigkeit tötete, sollte es wenigstens Jane selbst sein. "Wenn du auf sein Auftauchen in Winter Wonderland ansprichst, dann fällt die Hälfte der Schuld wohl auf mich. Ich habe seine Fährte ja auch in der Menge verloren", entgegnete Gabriel nüchtern und mit verschränkten Armen vor der Brust. "Aber das ist für mich noch kein Grund, im Selbstmitleid – oder was auch immer – zu versinken und mich von Jane fern zu halten, wo sie mich doch eigentlich braucht." Müde ließ Aiden sich auf den Rand seins Bettes sinken, die Hände im Schoß gefaltet. Schon damals war er absolut nutzlos gewesen – im Gegensatz zu Gabriel. Der Werwolf hatte Jane bei der ersten Jagd auf Gaspard geholfen und jetzt hatte er sie vor Aiden selbst gerettet. Seine eigene Arroganz, mit der er dem Jungen bisher gegenübergetreten war, widerte ihn an. Erschöpft wandte Aiden sich seinem Gast wieder zu. "Danke, dass du sie weggebracht hast. Ohne dich... Weiß ich nicht, was passiert wäre. Aber ich mache deinen Einsatz jetzt nicht wieder zunichte, indem ich zu ihr gehe." "Hör zu...", begann der Südländer ruhiger und mit weniger frechem Unterton in seiner Stimme. "Ich weiß nicht, was das ist oder wie ihr eure Beziehung definieren wollt, aber es ist offensichtlich, dass Jane etwas an dir liegt und sie dich jetzt sehen und mit dir reden möchte. Ich meine... sie hat mich darum gebeten, dich zu ihr zu bringen." "Ich kann nicht", wehrte Aiden ab. Er hatte jetzt nicht die Kraft, auch noch seine Beziehung zu Jane zu hinterfragen. Er fühlte sich schon zerrissen genug von dem Wunsch, bei ihr zu sein, und der Angst, ihr zu schaden. In dem Moment fiel ihm ein seltsamer Geruch auf, der an Gabriels Kleidung hing, und er runzelte die Stirn. "Dieser Vampir von der Gala ist bei ihr?", fragte er, ein wenig verwundert, immerhin hasste sie ja seines Wissens nach alle Vampire außer ihn selbst und Eldric. "Hm? Oh... Ja. Er ist seit dem Vorfall nicht von ihrer Seite gewichen. Er scheint sehr nett zu sein und die beide verstehen sich ziemlich gut", erklärte er schulterzuckend. Aiden nickte langsam, weniger beunruhigt, als er selbst erwartet hätte. Doch der andere Vampir hatte sie gerettet. Also war es schon in Ordnung, wenn ihr Retter bei der Jägerin verweilte. "Kommst du nun oder lässt du es sein?" Gabriel hatte die Wohnungstür geöffnet und sah Aiden abwartend an. Vermutlich hatte der Werwolf Recht. Wenn sie es sogar auf sich nahm, ihren besten Freund zu schicken, weil sie nicht selbst kommen konnte, konnte sie ihn nicht so sehr hassen. Und wenn sie ihn wirklich sehen wollte – wer war er, ihr diese Möglichkeit zu nehmen? Er hatte sich ihr schon mal entzogen und somit ihr Vertrauen missbraucht. Das konnte er unmöglich noch einmal tun, er wollte es auch gar nicht. Zwar war er nach wie vor der Meinung, ihr Vertrauen nicht mehr zu verdienen, weil er sie hatte töten wollen mit jeder Faser seines Körpers. Aber wenn ihr das egal war, konnte er nicht wenigstens so tun, als wäre alles ok? „Es sei denn, du hast noch etwas anderes vor“, fügte Gabriel gehässig hinzu, womit er zum ersten Mal das Gepäck zur Kenntnis nahm, das überall im Zimmer stand. Aiden schluckte und senkte den Blick. Richtig, Jane hatte ihrem besten Freund davon erzählt, wie er vor über einem Jahr einfach aus ihrem Leben verschwunden war. Weil es sie sehr getroffen hatte. Wie hatte er auch nur eine Sekunde darüber nachdenken können, ihr das wieder anzutun? Nach allem, was er ihr versprochen hatte. Gabriel reichte es jetzt wohl. Er schnaubte etwas nicht sehr freundliches auf Spanisch, drehte auf dem Absatz um und verschwand. Die Tür ließ er hinter sich auf, als wüsste er, dass Aiden ihm folgen würde. Er zögerte noch kurz, dann stand er langsam auf und verließ wortlos die Wohnung. Sie wären vermutlich beide schneller zu Fuß gewesen, dennoch nahmen sie Gabriels Auto, um zum Anwesen zu fahren. Obwohl er sich dazu entschieden hatte, hatte Aiden ein unglaublich schlechtes Gefühl, je näher sie dem Haus kamen. Als sie vor der Tür standen, wollte er nichts lieber, als sofort wieder umkehren. Schließlich hatte er jedoch nicht mehr wirklich eine Wahl, und irgendwie fand er sich auf der Treppe zum ersten Stock und in Janes Zimmer wieder. Es war, als habe ein anderer die letzte halbe Stunde seiner Existenz erlebt. Völlig verunsichert sah er kurz zu Gabriel, dann trat er ein und ihm stockte der Atem, als er sie im Bett liegen sah. Sie war zwar nicht mehr so schwach wie nach dem Unfall, aber er roch immer noch deutlich das Blut und es widerte ihn maßlos an, dass es immer noch so anziehend auf ihn wirkte. Mit verschränkten Armen blieb er an der Tür stehen und sah zur Seite. "Du wolltest mich sehen", sagte er, was abweisender klang, als er sich fühlte. Viel lieber hätte er ihre Hand geküsst und sich noch weitere tausend Mal entschuldigt. "Aiden", kam es sofort über die Lippen der Verletzten, ehe sie auf seine Worte hin leicht die Augenbrauen anhob und leise seufzte. Sie schlug die Bettdecke zur Seite, schwang ihre Beine ans seitliche Ende des Bettes und stand vorsichtig auf. Hierbei zuckte sie zusammen, hielt kurz inne und legte ihre Hand an ihre verletzte Seite. "Bleib liegen", befahl er besorgt und machte ein paar Schritte auf sie zu. Allerdings ließ sich die junge Frau nicht beirren, sondern atmete einmal tief durch und ging dann auf ihren Hausgast zu. Er war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, sie einfach wieder ins Bett zu heben, und möglichst viel Abstand zwischen sie beide zu bringen. War ihr denn nicht klar, wie gefährlich er für sie war? Doch dann stand sie bereits vor ihm und ergriff seine Hand. Verwirrt sah er von ihren Fingern auf seinen zu ihrem Gesicht, auf dem nicht die Abscheu stand, die er erwartet hatte. "Es ist okay", sprach sie leise und blickte ihm direkt in die Augen, in denen sich Schmerz und Schuldbewusstsein spiegelten. "Es war nicht deine Schuld, dass ich mich verletzt habe. Du hast mich auch nicht angegriffen, sondern vor Gaspard und anderen potentiellen Gefahren beschützt. Also hör auf, dir diese falschen und unnötigen Sachen einzureden." Er nahm ihre Hände von seinem Gesicht und schob sie von sich. "Aber ich wollte dich angreifen, Jane. Und für mich ist das genauso schlimm", sagte er matt und schob sie sanft zurück in Richtung Bett. Als sie saß, ging er vor ihr in die Hocke, umfasste ihre Hand mit seinen beiden und küsste ihre Finger. "Du bedeutest mir so viel, und ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn dir meinetwegen etwas zustoßen sollte." "Aber du hast es nicht getan", erwiderte sie fest. In ungläubiger Dankbarkeit sah zu ihr auf und merkte erst etwas verspätet, dass er hier gerade kniete, als würde er ihr die Treue geloben. Rasch ließ er sie los und setzte sich im Schneidersitz hin. Er war ihr noch immer gefährlich nahe, besonders, da er ihren Blutgeruch so deutlich wahrnehmen konnte. Doch langsam gewöhnte er sich etwas daran und konnte ihn ausblenden. „Aiden, hör mir zu… Ich möchte nicht, dass du dich deswegen quälst. Siehst du, es geht mir gut. Meine Mutter hat mich direkt verarztet, wie immer. Und wir haben sogar einen Neuzugang“, wechselte sie das Thema mit einem sanften Lächeln, das etwas in Aidens Magengegend flattern ließ. Dennoch runzelte er die Stirn. „Was meinst du?“ "Ich glaube, es wäre besser, wenn er sich dir selbst vorstellt“, erwiderte sie und strich sich die Haare hinters Ohr. Als sie ihren Blick wieder zu Aiden gleiten ließ, glitzerte der Schalk in ihren Augen. „Ich denke nämlich nicht, dass du es mir glauben wirst, wenn ich dir erzähle, wer er genau ist." Er folgte ihrem Blick zu einem Fotoalbum, welches auf ihrem Nachttisch lag. Ihr Gesichtsausdruck wurde weich und ein sanftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Ein seltsames Gefühl machte sich in Aidens Magengegend breit, als Aiden Jane so sah. Sie redete vermutlich von dem fremden Vampir – er konnte dessen Fährte im Haus riechen, und Gabriel hatte gesagt, er wäre öfter hier gewesen. Doch er fragte sich schon, was genau dieser Fremde mit ihr angestellt hatte, dass sie bei dem Gedanken an ihn lächelte. Aiden hatte sie in der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft regelmäßig zu Filet zu verarbeiten versucht. Aiden sah auf, als er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Er erkannte Elizabeths Stimme, verstand aber nicht, was sie sagte. Da das, was die fremde Männerstimme erwiderte, die Hausherrin zum Lachen brachte, ging er jedoch davon aus, dass alles in Ordnung war. Jane sah ihn kurz fragend an, bevor sie lächelte. „Er ist da, oder?“ Bevor er etwas sagen konnte, hörte er Schritte die Treppe raufkommen und sah zur Tür. Diese öffnete sich kurz darauf schon, und herein blickte der Vampir von der Benefizgala. Er hatte honigblondes Haar und blaue Augen, wie Aiden jetzt erst auffiel. Am letzten Tag war er nicht fähig gewesen, seinen Artgenossen genauer zu begutachten. „Ihr seht aus, als hättet ihr auf mich gewartet“, grinste er spielerisch. „Natürlich.“ Jane verdrehte belustigt die Augen und stand auf. „Aiden, das ist Theodore Hunt.“ „Nenn mich Teddy.“ Der andere Vampir lächelte Aiden an, hielt aber Abstand. Ihm war sicherlich nicht entgangen, dass Aiden sich einen halben Schritt zur Seite geschoben hatte, sodass er zwischen dem Fremden und Jane stand. „Schön, dich kennenzulernen, Ur-Großonkelchen.“ Aiden blinzelte und warf Jane einen Blick zu, die seltsamerweise irgendwie bewegt aussah. Dieser Typ war fast so seltsam wie der der Antiquitäten-Vampir. Blieb nur zu hoffen, dass er nicht demnächst seine Parfümsammlung auspackte. Obwohl Gabriel ihn wohl kaum mögen würde, wenn er eine solche Vorliebe gehabt hätte. "Aiden Hunt", erwiderte er der Höflichkeit halber. Schließlich hatte Theodore geholfen, Jane zu beschützen. Als er merkte, dass der ältere Vampir ihn nicht mehr anfallen würdet, trat er richtig ins Zimmer. Er ließ sich auf dem Schreibtischstuhl nieder, von dem aus der Aiden musterte. "Jetzt, wo du nicht gerade im Adrenalinrausch bist und mich nicht als 'potentielle Gefahr' ansiehst, erscheint er dir wohl logisch, wenn ich dir sage, dass ich Jane vor einer Woche beschützen wollte, oder?", erläuterte er seinem Verwandten. "Immerhin kenne ich die Kleine hier, seit sie gehen kann." Aidens ganze Haltung verkrampfte wieder, als Theodore auf ihre Auseinandersetzung zu sprechen kam. Die ganze Arbeit, die Jane vorhin geleistet hatte, um ihn zu beruhigen, fiel in sich zusammen und der ältere Vampir senkte den Blick, als hätte man ihn getreten. "Es tut mir leid", sagte er leise. "Ach, ein paar blaue Flecken und Prellungen haben noch nie einen Vampir ins Grab gebracht. Außerdem wolltest du einfach Jane vor jeglicher Gefahr beschützen. Passt also", gab Theodore ziemlich locker von sich, wobei ein breites Grinsen auf seinen Lippen lag, welches seine strahlend weißen Beißer und Fangzähne entblößte. Doch es war Janes Reaktion, die Aidens Aufmerksamkeit bekam. Hand an und legte diese an seine Wange, um zärtlich mit ihrem Daumen darüber zu streichen - beinahe so, als ob sie ihm ihren Beistand deutlich machen und sagen wollte, dass alles in Ordnung war. Ein eigenartiges Flattern machte sich in seiner Magengegend breit, als Jane ihre Hand auf seine Wange legte. Am liebsten hätte er ihre Hand noch mal geküsst, auf jeden Fall wollte er aber nicht, dass sie sie wegnahm. Ihr Zuspruch hatte wirklich großen Einfluss auf ihn, und auch, wenn er immer noch nicht glaubte, ihn wert zu sein, sah er Jane dankbar an. Er genoss die Berührung, solange sie anhielt, dann rutschte er näher zu ihren Füßen und lehnte sich an das Bett direkt neben ihren Beinen, sodass er diese leicht mit der Schulter berührte. Auf diese legte Jane ihre Hand, und ein kleines Lächeln erhellte Aidens Züge. Er hatte sie nicht verdient, so viel war sicher. Aber er würde einen Teufel tun und nochmal das Glück zurücklassen, das ihm mit ihrem Vertrauen geschenkt wurde. „Teddy war ein guter Freund meines Vaters und jahrelang sein Jagdpartner", klärte Jane Aiden auf, um das Thema zu wechseln. Der ältere Vampir nickte und musterte seinen neuen Artgenossen. Zumindest konnte er jetzt nachvollziehen, woher die beiden sich kannten und wieso sie sich so mochten. Das besänftigte ein wenig seine Beunruhigung, was Janes Zuneigung zu dem anderen Vampir anging. Gleichzeitig warf es in ihm aber nur neue Schuldgefühle auf. Wie viele Personen sollten hier noch auftauchen, denen Aiden irgendeinen wichtigen Menschen genommen hatte? Damit musste er wohl leben, wenn er weiter in Janes Nähe bleiben wollte. „Warte… Wie heißt du mit Nachnamen?“, hakte Aiden ziemlich spät nach. Sein Blick klebte plötzlich an Theodore, dessen dunkelblonden, leicht gewellten Haaren, dessen hellblauen Augen, der massigen Statur… „Ah, ich dachte schon, er merkt es gar nicht mehr“, lachte Theodore an Jane gewandt, die ebenfalls schmunzelte. "Du... Ich... Aber das kann nicht sein", schloss Aiden kategorisch aus, was der andere da implizierte. "Wieso kann das denn nicht sein?", wollte der deutlich jüngere Blutsauger, ohne dabei seine angehobenen Mundwinkel sinken zu lassen. "Du wirst doch wohl nicht deine eigene Schwester vergessen haben, hm? Ich bin der Ur-ur-ur... - ach, keine Ahnung wie viele da angehängt werden müssen, aber ich bin ein direkter Nachfahre deiner Schwester Lucy." "Lucy…", flüsterte er leise. Die Frage, ob er seine Schwester vergessen hatte, tat ein bisschen weh, denn er konnte sich tatsächlich nicht mehr wirklich an ihr Gesicht erinnern, aber er wusste noch, dass sie ein gleichzeitig strenges und liebevolles Mädchen gewesen war. "Aber das… Du bist… So", sagte er, noch immer ziemlich überrumpelt. "Ich bin so was? Jung? Blass? Unsterblich? Bissig? Na ja, das kommt vor", alberte Theodore herum und konnte sich ein breiteres Grinsen nicht verkneifen. "Frech", erwiderte er auf die Aufzählung seines Neffen hin mit einem müden Lächeln. Er hatte tausend Fragen, aber gerade schien keine sich in ausgesprochene Worte fassen lassen zu wollen. Theodore lachte unbeschwert, bevor er von seinem Stuhl aufsprang. Er ging auf Aiden zu und vor ihm in die Hocke, um ihn freundlich anzulächeln. "Jetzt, wo die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt sind und du keinen Grund dazu hast, mich als potentielle Gefahr anzusehen, wäre es bestimmt cool wenn wir... hm... Freunde werden?", schlug der Neuzugang offen vor. "Oder soll ich dich doch Onkelchen Aiden nennen? Ich sehe zwar zehn Jahre älter aus als du, aber wenn du darauf bestehst, lässt sich das sicher einrichten. Aidens Mundwinkel zuckten ein wenig, als der andere das Wort ‚cool‘ in den Mund nahm. Zu größeren Ausbrüchen der Freude war er gerade nicht fähig. "Du hast Jane gerettet. Wir sind also schon Freunde", erwiderte er ziemlich ernst, bevor seine Augen leicht blitzten. "Aber wenn du mich jemals wieder ´Onkelchen` nennst, fürchte ich, dass du dich wieder auf ein paar Prellungen und blaue Flecken einstellen kannst", fügte er hinzu. "Keine Sorge. Dich auf Dauer 'Onkelchen' zu nennen, wäre für mich auch ziemlich komisch. Ich meine... ich bin streng biologisch genommen älter als du", gluckste Teddy, was eine Frage aus dem Wust von Aidens rotierenden Gedanken brachte. „Wie alt bist du denn?“ „So um die 100. Hat für beide Kriege gereicht, leider.“ Sein Lächeln wurde in den Mundwinkeln bitter, und Aiden nickte verständnisvoll schweigend. Darüber konnten sie ein andermal reden, wenn sie sich besser kannten. Und Aiden wollte ihn unbedingt kennenlernen, den ersten Verwandten, den er seit Jahrhunderten getroffen hatte. Sein Blick wanderte zu Jane, und er erwiderte ihr Lächeln überglücklich. „Danke“, war alles, was er leise hervorbrachte. Er hätte nie gedacht, sich jetzt so zu fühlen, nach dem, was ihm heute Morgen noch durch den Kopf gegangen war. Und zu glauben, dass er sie wieder hatte verlassen wollen… Er hatte sie wahrlich nicht verdient. Teddy hatte die kleine Szene beobachtet und räusperte sich jetzt, während er aufstand. „Ich schätze, wir können uns auch unterhalten, wenn sich alles ein bisschen gesetzt hat. Wir sind ja nicht aus der Welt“, meinte er. „Wo willst du jetzt hin?“, fragte Aiden ziemlich verdutzt. Er wollte sich mit seinem Neffen unterhalten, alles über ihn erfahren. Besonders neugierig war er, wie er überhaupt herausgefunden hatte, wer Aiden überhaupt war. „Unsere kleine Prinzessin braucht etwas Ruhe“, erklärte er mit einem Nicken in Janes Richtung. „Falls etwas ist, kannst du ihr sicher besser helfen als ich. Und ich habe mir vorgenommen, mehr über diesen Gaspard herauszufinden“, endete er mit gerunzelter Stirn. Jane verdrehte die Augen, während Aiden zur Seite sah. Der schwere Blutgeruch, der das Zimmer füllte, sagte mehr als genug darüber, wie sehr er ihr half. Sie hatte sich aus irgendeinem Grund dazu entschieden, ihn an ihrer Seite zu akzeptieren, aber dazu hatte er sie mehr oder weniger genötigt. „Wir unterhalten uns in den nächsten Tagen ausführlich miteinander, ja?“, versprach Teddy lächelnd, ehe er das Zimmer ebenso plötzlich verließ, wie er es betreten hatte. Aiden konnte noch immer nicht so richtig fassen, was er gerade gehört hatte. Einen Moment starrte er die geschlossene Tür an, ehe er sich kopfschüttelnd nach Jane umwandte. "Ein... Seltsamer Vogel", kommentierte er vorsichtig. Jane zuckte die Schultern. "Nun... er kann wirklich etwas eigen sein, aber ich mag ihn irgendwie." Da Aiden bereits selbst angefangen hatte, seinen neu entdeckten Verwandten zu mögen, lächelte er über Janes Worte nur. Gut, ihm blieb wohl auch nicht viel übrig, denn wie sagte man so schön? Seine Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen. Aiden hatte aber ziemliches Glück, was das betraf, immerhin hatte er alles andere als einen guten ersten Eindruck gemacht Apropos schlechter Eindruck: "Habt ihr was über den ´glatzköpfigen Lackaffen` herausgefunden?", bemühte er die hübsche Beschreibung, die Gabriel vorhin gebracht hatte, mit einem kleinen Schmunzeln. "Nicht wirklich, nein. Allerdings hat Gabe eine interessante Theorie geäußert", teilte sie ihm mit. "Er meinte, dass ich die Jägerin bin, nach der Gaspard sucht. Allerdings kann ich mir das nicht wirklich vorstellen. Ich meine... es gäbe so viele, bessere Orte und Situationen, in denen man mich umlegen könnte und in denen ich alleine wäre. Wieso sollte er also solche Längen gehen?" Er runzelte die Stirn und fing an, etwas zu erwidern, doch unterbrach sie ihn. „Ich will eigentlich gerade nicht über den Fall reden“, sagte sie und klopfte auf das Bett neben sich. Als er zögerte, verdrehte sie die Augen, nahm seine Hand und zog ihn zu sich. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Dummi. Du hättest verletzt sein können.“ Ihre Worte versetzten ihm einen Stich, doch er hatte es verdient. Er hatte versucht, sie zu töten und sie sorgte sich um ihn. „Ich wollte dir nicht das Gefühl geben, dass ich schon wieder abhauen würde“, sagte er leise, obwohl genau das sein erster Impuls gewesen war. Er schämte sich so sehr dafür, dass er sie beinahe erneut verletzt hätte, weil er so feige war. „Ich will wirklich nicht mehr gehen...“, fuhr er nach einer Pause fort. „Ich hatte das Gefühl, es wäre vielleicht besser für dich, aber das hatte ich auch, als ich vorletztes Jahr gegangen bin, und damit habe ich dir nur wehgetan. Das will ich aber nie wieder tun. Es tut mir leid, dass du dir darüber auch noch Gedanken gemacht hast." "Ich weiß nicht, ob ich das wirklich geglaubt habe“, erwiderte Jane nachdenklich, doch scheinbar ehrlich. "Aiden...", sprach Jane leise und blickte zu ihm hoch. „Was gut und nicht gut für mich ist, habe noch immer ich selbst zu entscheiden. Du brauchst dir wirklich nicht darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn du nicht gehen willst, dann... bleib einfach." Er wünschte wirklich, dass es so einfach sein könnte. Aber jetzt hatte er sein Wort gegeben. Selbst wenn er kein Recht auf Janes Nähe hatte, musste er jetzt bleiben, und das hatte… Irgendwie etwas Beruhigendes. "Danke", sagte er leise und beugte sich vor, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Sie schloss die Arme um ihn und Aiden fragte sich, wie er auch nur hatte erwägen können, sie jemals zurückzulassen. Kapitel 18: Schnaps, das war sein letztes Wort ---------------------------------------------- Als Jane aufwachte, war Aiden verschwunden. Nur sein Duft hing noch schwach in den Laken und ließ sie die Augen wieder schließen. Bei dem Gedanken an ihr Gespräch teilten ihre Lippen sich zu einem Lächeln. Es war spät geworden, und sie hatten ernste Themen umschifft. Darüber hatten sie vorerst genug gesprochen, und sie hatte gespürt, dass Aiden den Kopf davon freibekommen musste. Sie wusste nicht mehr, wann sie eingeschlafen war, doch erinnerte sie sich daran, neben ihm gelegen zu haben, den Kopf auf seinem Oberarm, den Körper ihm zugewandt, seine Hand auf ihrem Rücken, die sie sanft streichelte. Es war so leicht gewesen, nicht über den Fall zu sprechen. Er hatte viele Fragen zu Teddy gehabt, und sie wusste, dass ihm noch mehr auf dem Herzen lagen, die er seinen Verwandten selbst fragen wollte. Wieder lächelte sie unwillkürlich. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, ganz plötzlich nicht mehr alleine zu sein. Natürlich war Aiden das nicht mehr gewesen, seit er Teil ihrer Gruppe war, doch war ein Familienmitglied eine andere Kategorie. Als Jane sich schließlich im Bett aufsetzte, zuckte sie ein wenig zusammen. Ihre Hand wanderte zu der verletzten Seite und sie fluchte leise in sich hinein. So würde Eldric sie nie auf die Jagd gehen lassen, von Aiden ganz zu schweigen. Und jetzt hatte sie auch noch Teddy, der den Wachhund für sie spielen wollte. Seufzend schwang sie sich aus dem Bett. Ihr würde wohl vorerst nichts anderes übrig bleiben, als die Füße stillzuhalten und sich auf die Uni und Recherchen zu beschränken. Das hieß aber nicht, dass sie den Angreifer so leicht davonkommenlassen würde. Sie hatte noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Die folgende Woche verlief ruhig. Aiden war oft bei ihr, wie um seinen Fehler wieder gutzumachen. Oft kamen er und Theodore gemeinsam ins Haus der McCollins, sodass es Jane nicht wunderte, als Aiden erzählte, dass sie viel miteinander unternahmen. Die beiden schienen sich gut zu verstehen, was sie nicht überraschte. Sie waren Spielkinder von ganzem Herzen. Überraschend dagegen war, dass in ihrem Psychologiekurs am Donnerstag nicht der gewohnte Professor am Pult stand, sondern Theodore. Er erklärte etwas von einer spontanen Krankheit seines Kollegen, dessen Kurse er übernehmen würde. Während die meisten Studenten – vor allem die Damen – nichts gegen den vermeintlich jungen Professor hatten, starrte Jane den Vampir empört an. Leider konnte sie ihm nicht wirklich böse sein, war seine Stunde doch sowohl interessant als auch unterhaltsam. So fiel ihre Standpauke am Ende des Vortrags eher kurz aus. Schon am Nachmittag, als alle sich in ihrem Haus trafen, konnte sie darüber lachen, als sie Aiden und Gabriel davon erzählte. „Ich glaube das immer noch nicht“, erklärte Jane später, als sie auf den eigentlichen Grund dieses Treffens zu sprechen kamen. Sie lehnte an der Küchenzeile, ein Bein vor dem anderen angewinkelt, und gestikulierte mit dem Wasserglas in ihrer Hand. „Es gibt einfach keine Hinweise darauf, dass Gaspard mich haben wollen sollte.“ Gabriel hatte diese verrückte Idee geäußert, und jetzt schienen alle drei Männer sich völlig darauf fixiert zu haben. Es war richtig anstrengend. "Dennoch kann man es nicht ausschließen, wenn man seine Handlungsweise auf der Veranstaltung genauer analysiert", warf Theodore ein. Er stand ihr gegenüber an der langen Theke, welche die Küche teilte, und spielte mit ihrer Wasserflasche, indem er sie auf dem Tisch herumdrehte. „Außerdem meinte Aiden, dass das nicht die erste Begegnung mit ihm war. Das kann unmöglich Zufall gewesen sein." „Und wenn du es nur auf die Gala beziehen willst, kann man es doch so betrachten, dass er dort möglichst viel Aufmerksamkeit erreichen konnte. Wenn er dich alleine angegriffen hätte, hätte es genauso gut Zufall sein können - Berufsrisiko sozusagen. So aber wäre sowohl dein Versagen als auch dein Tod direkt auf den Zirkel zurückgefallen", argumentierte Aiden, woraufhin Jane ihm einen finsteren Blick zuwarf. Er sollte bloß nicht wieder mit seiner Glucken-Manier anfangen. "Aber was hätte er bitteschön davon? Er könnte auch einen x-beliebigen Jäger bei so einem Auftrag umlegen, denn auch das würde auf den Zirkel zurückfallen", hielt Jane dagegen und verschränkte die Arme. Natürlich konnte sie die Gedankengänge und Theorien ihrer Kollegen nicht komplett ausschließen, doch erschienen ihr diese einfach nicht ersichtlich. Es hatte keine weiteren Anzeichen gegeben, die dafür sprachen, dass Gaspard es explizit auf sie abgesehen hatte. Dazu war der Zirkus, den er bisher veranstaltet hatte, ein viel zu großer Aufwand. Wenn er dem Zirkel schaden und sie töten wollte, wäre der einfachste Weg eine direkte Konfrontation gewesen – schließlich waren ihre Begleiter nicht immer an ihrer Seite. "Selbst wenn wir nicht wissen, was er davon hat, können wir es nicht ausschließen“, mischte sich auch Gabriel ein. „Wir wissen nicht, was in seinem kranken Kopf vorgeht. Wenn wir diese Möglichkeit deswegen ignorieren, dann ist das fast so, als ob wir einen Alkoholiker mit einem Pack Bier in einen geschlossenen Raum stellen und warten, was dann passiert." Jane verdrehte die Augen und machte eine wegwerfende Handbewegung. Sie wollte noch etwas sagen, als Aiden plötzlich ohne Kommentar die rotierende Wasserflasche aus Theodores Hand nahm. Als sein Verwandter ihn verdutzt ansah, grinste der ältere Vampir. „Oder wolltest du einen Schluck trinken?" Hilfsbereit drehte der Ältere die Flasche auf und hielt sie dem anderen Vampir hin. „Trink doch selbst einen Schluck davon. Sag bloß, du hast es bisher noch nie versucht?", wollte Theodore wissen und hob dazu eine Augenbraue an. "Nein, habe ich noch nicht. Ich hatte nicht das Bedürfnis danach.", erklärte er schulterzuckend. "Was soll schon groß passieren? Probier’s doch aus. Ich meine ... wir sind hier unter uns", bekräftigte Theodore seinen Verwandten. "Hast du es schon mal ausprobiert?", wollte Aiden wissen, was der Professor (Man wollte es kaum glauben!) verneinte. "Hm... Na ja, dann probieren wir es", stimmte er schulterzuckend zu und hob die Flasche an die Lippen, wobei er Janes Blick begegnete. Er grinste schief, dann nahm er einen Schluck Wasser und wartete darauf, dass etwas passieren würde. "Es... Schmeckt nach nichts", erzählte er Theodore ein wenig enttäuscht. Ungläubig trank er noch ein bisschen mehr. Jane runzelte kurz die Stirn, wandte sich dann aber an Gabriel. Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, um sich zu setzen und weiter über den Fall zu sprechen. Sie sah aus dem Augenwinkel, wie Theodore Aiden nach ein paar weiteren Schlucken das Glas abnahm, überließ die beiden Spielkinder aber sich selbst. „Er war sogar auf unserem Halloween-Ball und hat ausgerechnet dich angegriffen, von all den Leuten dort. Und jetzt taucht er wieder auf“, versuchte Gabriel, sie weiter von der Dringlichkeit der Lage zu überzeugen. „Es waren hunderte Studenten auf dieser Party“, verdrehte Jane die Augen. „Aiden hat selbst gesagt, dass er wahrscheinlich einfach von dem frischen Blut angelockt worden ist. Und er konnte unmöglich wissen, dass ich diesen Auftrag annehmen würde. Inzwischen folgten die Vampire ihnen. Aiden ließ sich schwer auf den Platz neben Jane plumpsen, entschuldigte sich aber auf ihren missbilligenden Blick hin sofort. Theodore nahm auf einem der Armsessel Platz und lehnte sich vor, als würde er gespannt auf etwas warten. „Wie dem auch sei“, kam Aiden wieder auf ihr Gespräch zurück. „Selbst wenn er nicht hinter dir her ist, müssen wir ihn schnappen. Zwar ist diesmal kein Zivilist zu Schaden gekommen, aber wir können ja nicht darauf vertrauen, dass Gaps... Gast... Gas-Par-Do einfach aufhört, Leute anzugreifen", fuhr er fort, sichtlich damit kämpfend, den Namen des Angreifers auszusprechen. Jane sah ihn verwirrt an und weitete die Augen, als er völlig unerwartet zu lachen begann. „Tschuldigung. Es ist nur...", kicherte Aiden, der irgendwie gar nicht mehr aufhören konnte. "Es ist nur der Name und die Glatze und dann ist der auch noch ein von... Ich meine ‚Gaspardo von Blatzenstein‘" - Den Namen sprach er mit tiefer gelegter und geschwollener Brust aus, als wäre er besonders bedeutend, dann lachte er wieder. "Und dabei klingt das wie von Glatzenstein. Versteht ihr? Wegen der Glatze!" In dem Moment bemerkte er gar nicht, wie bescheuert sein Kommentar war, sondern legte nur das Gesicht in die Handfläche und lachte über seine eigenen absurden Überlegungen. "Aiden.. Was...?", fing Jane ziemlich irritiert an, bevor sie zu Gabriel blickte. Ihr Kindheitsfreund lachte ebenfalls, mit der Hand vor dem Mund, um sich möglichst zurückzuhalten. Hinter ihm zitterte Teddy vor unterdrücktem Lachen. In der Hand hielt er noch immer die Wasserflasche. Als sie die Augenbrauen zusammenzog, holte er tief Luft und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sich zu ihm zu beugen. Von den anderen unbemerkt erklärte er: "Wenn man Vampiren kohlensäurehaltige Getränke gibt, hat das der gleiche Effekt wie Alkohol bei Menschen." Kurz konnte Jane Theodore nur ungläubig anstarren – bevor sie unkontrolliert losprustete. Diese verdammten Biester hielten so gut wie alles aus, aber mit ein bisschen Kohlensäure konnte man sie völlig aus dem Konzept werfen? Das war doch absurd! Doch Aiden war der Beweis für die Behauptung seines Ur-Großneffen; der ältere Vampir kicherte noch immer und erzählte Gabriel gerade einen grauenhaft unlustigen Witz über einen Glatzkopf in der Bar. Der Spanier lachte, wenn auch weniger über die Pointe als über den Möchtegern-Comedian. "Du solltest viel öfter lachen, Jane", eröffnete Aiden mit einem sehr betrunkenen Lächeln. „Mhm, und du solltest dich ein bisschen hinlegen“, konterte Jane schmunzelnd. „In deinem alten Zimmer wäre noch ein Platz frei.“ "Wieso? Ich bin nicht müde“, protestierte er. „Außerdem müssen den Glatzkopf sofort schnappen. Er ist eine Bedrohung für dich, das sagt sogar der Welpe", beschwerte er sich. Gabriel öffnete den Mund, doch Jane gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass es jetzt nichts brachte zu streiten. Zumal sie sich nicht vorstellen konnte, dass der betrunkene Vampir es böse meinte. "Dein Eifer ist wirklich bewundernswert, aber wir haben keine Spur, die uns zu ihm führt, also können wir auch nicht sofort loslegen. Außerdem ... brauchst du ein wenig Ruhe", erwiderte Jane nachsichtig. Sie stand auf und deutete über ihre Schulter hinweg zur Tür. Folgsam – wenn auch wankend – kämpfte Aiden sich von der Couch hoch. Anstatt jedoch mit ihr das Zimmer zu verlassen, nahm er ihre Hände und lehnte sich gemütlich an den Tisch, um etwas festeren Stand zu haben. "Weißt du eigentlich, wie hübsch du bist?", fragte er schwer seufzend und strich ihr eine Strähne hinter das Ohr. Eine leichte Gänsehaut folgte seiner Berührung über ihre Haut. "Du könntest es ruhig mal ernst nehmen, wenn ich dir das sage… Es stimmt doch. Oder?", fragte er an die beiden anderen anwesenden Herren gewandt. "Ja, unsere kleine Jane ist wirklich hübsch – wie eine richtige Prinzessin!", stimmte Theodore breit grinsend zu und stupste mit dem Ellbogen Gabriel, der eine Augenbraue anhob, aber ergeben nickte. Jane sah den jüngeren Vampir empört an, bevor sie tief durchatmete, um herunterzukommen. „Du solltest dich wirklich ein wenig hinlegen. In dem Zustand wirst du Gaspard nicht schnappen können", wandte sie sich schließlich wieder an Aiden. Sie drückte seine Hand, damit sie ihn mit sich ziehen und Richtung Treppe gehen konnte. Es wäre wohl besser, wenn er sich gleich richtig auf einem Bett ausruhen konnte. Es war zu Beginn wirklich sehr amüsant gewesen, doch nun nahm das Szenario gewisse Züge an, die sie ein wenig unsicher und unruhig werden ließen. Ohne zu Murren folgte er ihr, als sie an seinen Armen zog und ihn Richtung Treppe führte. „Weißt du, es ist eigentlich voll witzig, wie viele Leute hier jetzt rumhängen. Am Anfang hast du dich so angestellt, dass ich dein Partner sein sollte", plapperte Aiden auf der Treppe munter weiter. Er war ja generell schon eine ziemliche Plaudertasche, doch die Menge an Wörtern, die gerade seinen Mund verließen, überstiegen die Norm bei weitem, sodass die junge Frau wirklich ein bisschen Probleme damit hatte, ihm während des Sprechflusses zu folgen. Jane beschränkte sich daher nur auf ein zustimmendes ‚Mhm‘ hier und da. Sie war sowieso vollauf damit beschäftigt, ihn die Treppe nach oben zu bekommen. Offensichtlich hatte Aiden keine Lust, ins Bett zu gehen, sondern blödelte die ganze Zeit herum, indem er irgendwelchen Unsinn erzählte oder Jane zu einem kleinen Tänzchen aufforderte. Er drohte dabei immer wieder, nach hinten zu fallen oder über seine eigenen Füße und Stufen stolpern, doch nach einer gefühlten Ewigkeit befanden sie sich endlich im Gästezimmer. Es brauchte eine Weile, bis sie ihn dazu gebracht hatte, sein Bett zu beziehen, doch dann ließ er sich folgsam ins Bett plumpsen. Jane kam gar nicht dazu, richtig durchzuatmen, als er ihre Hand nahm und sie zu sich zog. Ein leichter Stich ging durch ihre noch angeschlagene Seite und sie zuckte ein wenig zusammen. Er murmelte eine Entschuldigung und legte vorsichtig die Hand auf die Stelle, in die sich vor fast zwei Wochen die Scherbe gebohrt hatte. Es tat nicht weh. Viel mehr breitete sich ein seltsames Kribbeln in ihr aus, das sie nicht so recht zuordnen konnte. "Du hättest es einfach sagen können, wenn ich mich neben dich hätte hinlegen sollen", tadelte die Jägerin ihn leise seufzend, nachdem sie sich wieder gefangen und etwas entspannt hatte. Schließlich war es nicht unbedingt etwas Neues oder Ungewöhnliches, neben ihm im Bett zu liegen. "Manchmal muss ein Mann sich auch einfach nehmen, was er will", erwiderte er schief grinsend. Sie verdrehte die Augen und boxte ihn sacht gegen die Schulter, um ihre Nervosität zu verbergen. Kurz zögerte sie, bevor sie einen Arm um ihn legte und ihre Stirn gegen seine Brust lehnte. Aidens Finger strichen sacht über die Ränder des Pflasters, das er unter ihrem Shirt spürte. "Tut mir leid, dass du eine Narbe behältst. Ich hätte besser auf dich aufpassen sollen", sagte er, plötzlich wieder ernst. "Es ist nicht deine Schuld. Ich habe selbst nicht richtig aufgepasst", erwiderte die junge Frau leise und legte ihre Hand auf seine, die auf ihrer Hüfte lag. "Außerdem hast du mich besser beschützt, als es sonst irgendjemand hätte tun können. Ich meine... weder Teddy, noch Gaspard haben es geschafft, mir zu nah zu kommen, wenn du da warst." Dass es der Glatzkopf geschafft hatte, sie zu überraschen, war ganz allein ihr eigenes Verschulden gewesen. Immerhin hatte sie ihre Aufmerksamkeit abschweifen lassen und gar nicht daran gedacht, dass er von hinten erscheinen könnte. „Jaaha, ich habe dich vor einem Freund deiner Familie ‚beschützt‘, während der Feind dich angegriffen hat. Sehr hilfreich." Er hatte das Gesicht abgewandt, doch sie hörte die Bitterkeit an seiner Stimme. Sie presste die Lippen aufeinander. Wie immer überraschte sein negatives Selbstbild Jane und sie tat sich schwer, mit dieser Seite von ihm umzugehen. Früher war sie ungeduldig geworden angesichts seines Selbstmitleides, doch jetzt… Sie wollte ihm helfen, wusste aber nicht, wie. "Denkst du immer noch, dass es besser für mich wäre, wenn du gehst?", wollte sie dann vorsichtig wissen. Er schwieg lange, bevor er schließlich ausweichend antwortete: "Denkst du das denn nicht? Ich meine, alles, was ich getan habe, seit wir uns kennen, hat dir irgendwie Ärger eingebracht.“ "Das stimmt. Du hast mir wirklich enormen Ärger bereitet", antwortete die Jägerin ihm ehrlich. Jedoch wollte sie ihm damit kein schlechtes Gewissen machen, sondern lediglich aufzeigen, dass ihr Leben durch sein Auftauchen wirklich turbulenter geworden war. Als sie seinen getroffenen Gesichtsausdruck sah, lächelte sie ihn sanft an und legte ihre Hand auf seine Wange, um mit dem Daumen zärtlich darüber zu streichen. Aiden schloss die Augen und schmiegte sich an die Wärme auf seiner Haut. "Aber... im Gegensatz zu den unzähligen Malen, in denen du mir geholfen und mich oder meine Mitmenschen beschützt hast, ist der Ärger nicht wirklich erwähnenswert. Außerdem basieren die Unannehmlichkeiten eher auf persönlicher und emotionaler Ebene, als auf irgendwelchen Handlungen oder wirklichen Gefahren", fügte sie leise hinzu. Wenn sie genauer darüber nachdachte, konnte sie sich nicht wirklich an eine bedrohliche Situation erinnern, in die er sie gebracht hatte. Es hatte höchstens den einen oder anderen Moment gegeben, an denen ihr Blutdruck wegen ihm unnötig hochgeschossen war, doch war das nicht wirklich ‚gefährlich‘ gewesen. Ein erleichtertes Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Du bist großzügig, so darüber zu denken. Ich bin wirklich froh, dich kennengelernt zu haben. Trotz Ärger", fügte er leicht grinsend hinzu. Jane lachte leise auf. Sie hatte stets versucht, ihn zu verletzen, gewaltsam aus ihrem Leben zu befördern oder sogar umzubringen. Er war doch derjenige, der sich ihr gegenüber großzügig benahm. Immerhin rettete er sie dauernd aus irgendwelchen misslichen Lagen, schirmte sie regelrecht vor jeglichen Gefahren ab und fügte sich (fast) immer ihrem Willen und ihren Bedürfnissen. Allerdings äußerte sie diesen Gedanken nicht, weil sie ahnte, dass sie nicht auf einem grünen Zweig landen würden. Außerdem war die momentane Atmosphäre so angenehm, dass sie diese nicht absichtlich zerstören oder kippen lassen wollte. Aidens Züge wurden weich und sie lächelten sich an. Eine Weile herrschte einvernehmliches Schweigen zwischen ihnen. Dabei ließ Aiden seine Finger durch ihr Haar gleiten und von dort zu ihrer Schulter und ihrem Rücken, den er sanft kraulte. Scheinbar hatte er die aufgedrehte Phase des Betrunken-Seins hinter sich gelassen. Allerdings schien er noch nicht schlafen zu wollen. „Darf ich dich was fragen? Aber es geht um Logan", fügte er vorsichtig hinzu. Sie summte zustimmend, sodass er fortfuhr: "Vermisst du ihn nicht?" Mit dieser Frage hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Es war mittlerweile wieder so natürlich geworden, sich in Logans Nähe aufzuhalten, ohne aufkeimende Restgefühle oder Schmerz, sodass ihr diese Frage nicht durch den Kopf gegangen war. Natürlich war der emotionale Abstand zwischen ihnen etwas größer als noch vor der Beziehung, doch war es keineswegs unangenehm oder störend. Dies – und Logans angemessenes Verhalten – war wohl der Grund dafür gewesen, dass es ihr schneller möglich gewesen war, sich von ihm zu lösen. „Nein.... Nein, ich vermisse ihn nicht", erwiderte sie nach einer Pause und einem Zögern, während sie sich noch ein wenig an Aiden schmiegte. Ihren Kopf hatte sie dabei wieder etwas seitlich an seine Brust gelehnt. "Ich meine... ich finde es immer noch schade und unglücklich, wie es zu Ende gegangen und was zwischen uns vorgefallen ist, aber es schmerzt nicht mehr, wenn ich ihn sehe." Sie schwieg einen Moment, selbst überrascht von ihren Gedanken. Schließlich war es erneut Aiden, der das Wort ergriff. „Und du hast ihm doch alles über dein ‚Schatten-Leben‘ erzählt? Auch über mich?", fragte er. „Ja. Er ist nicht der Typ, der das herumerzählt, und ich habe ihm nur das nötigste gesagt“, fügte sie hinzu. „Ich habe ihm lediglich gesagt, dass ich aus persönlichen Gründen Vampire jage und für eine Organisation arbeite, die uns Jäger ausbildet. Allerdings habe ich nicht erwähnt, dass du kein Mensch bist oder was du sonst noch im Hintergrund treibst und wozu du in der Lage bist." Aiden lächelte, dankbar darüber, dass sie seine Identität geschützt hatte. Er hatte sich wohl daran gewöhnt, seine kleinen Geheimnisse zu hüten. Allerdings bezweifelte Jane, dass Logan nicht eins und eins zusammengezählt hatte. Schließlich hatte Aiden einige Verhaltensmuster in dessen Gegenwart aufgezeigt, die deutliche Indizien dafür waren, dass er einer dieser unsterblichen Blutsauger war. Doch der Vampir schien nicht sauer. „Es ist wohl besser, je weniger er weiß beziehungsweise, je weniger er mit deinen Aktivitäten im Zirkel in Verbindung gebracht wird“, stimmte er ihr nachdenklich zu. Er klang müde, aber immerhin konnte er wieder einigermaßen ernst sprechen. „Aber... Wenn so etwas je wieder passiert, wenn er oder ein anderer deiner Freunde in Gefahr geraten sollte, darfst du nicht wieder alleine losziehen. Gabe und Teddy und ich helfen dir, ok?", versicherte er ihr nochmal. Sie seufzte über seine Gluckenmanier, nickte dann aber. Das wusste sie doch. „Hättest du an meiner Stelle eigentlich damals das Gleiche getan...?", fragte Jane schließlich. Immerhin war er, neben Gabriel, zu der Zeit stets an ihrer Seite gewesen und hatte mitbekommen, was geschehen war. So konnte er das Ganze am ehesten aus ihrer Sicht betrachten. Ihre Entscheidung rückgängig zu machen, zog sie aber nicht in Erwägung. Ihre Gefühle auszusprechen, hatte sie bestärkt, und sie wusste, dass es das Richtige gewesen war, so schmerzhaft es damals auch gewesen war. Im Gegensatz zu Jane vorhin brauchte Aiden nicht lange, um zu antworten: „Ja, das hätte ich. Logan ist ein guter Kerl, und ich bin sicher, dass er dich sehr geliebt hat, aber ich glaube nicht, dass er für ein Leben an deiner Seite geeignet wäre." „Ja, das denke ich auch... Jedoch kann man ja nie ausschließen, ob es in der Zukunft nicht doch was wird, oder? Ich meine, man begegnet sich immer zweimal im Leben", erwiderte sie schwach lächelnd. Sie hoffte zwar nicht direkt, wieder mit Logan zusammenzukommen, doch schloss sie diese Möglichkeit nicht kategorisch ab. „Meinst du wirklich?“, fragte Aiden und die plötzliche Schärfe in seiner Stimme überraschte Jane. „Und wenn ihm noch mal etwas passiert, machst du wieder mit ihm Schluss? Und fällst dann wieder in ein emotionales Loch? Ich glaube, das solltest du keinem von euch beiden antun." „Ich meinte nicht damit, dass es so sein wird oder dass ich das so haben möchte.“ Jane schob seine ungewohnte Reaktion auf das Mineralwasser, sonst hätte sie ihm etwas gehustet, so mit ihr zu reden. „Ich wollte nur damit sagen, dass die Möglichkeit besteht, weil man so etwas ja nie ausschließen kann. Und wer weiß? Vielleicht bin ich in einem Jahr oder so keine Jägerin mehr und es besteht keinen Grund zur Sorge", erklärte die Brünette dem Vampir ihre vorherige Aussage. „Allerdings... habe ich es nicht wirklich vor. Wie du schon erwähnt hast, würde ich womöglich wieder in ein Loch fallen und das möchte ich weder mir, noch ihm zumuten." "Ich möchte natürlich nicht, dass das passiert... Aber wenn es dir schlecht geht, bin ich immer für dich da", versicherte er ihr liebevoll und legte ohne groß darüber nachzudenken wieder die Hand auf ihre, um sie leicht zu drücken. Jane erwiderte den Druck lächelnd. In diesem Moment hatte sie das Gefühl, alles durchstehen zu können, solange er an ihrer Seite war. Diese Erkenntnis ließ die junge Frau für einen Augenblick stutzen, da es sie selbst überraschte, wie sie darüber nachdachte und wie viel Bedeutung und welche Wirkung er mittlerweile auf sie und in ihrem Leben hatte. Da sie der weitere Fluss ihrer Gedanken etwas beängstigte, verbot sie sich, weiter darüber nachzudenken und legte stattdessen ihre Hände an seine Schulter, um ihn zurück ins Bett zu drängen. „So. Ich denke, das war genug Gequatsche, oder? Du solltest dich wirklich hinlegen und deinen Rausch – oder wie man es sonst nennen mag – ausschlafen", wies die Jägerin ihr Gegenüber an. Aiden ließ sie gewähren und strich ihr das Haar hinter das Ohr, bevor er sanft ihre Wange berührte. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich jedoch, als er ihre Worte hörte. "Du glaubst, ich habe einen Rausch?", fragte er lachend nach, wobei er bereits die Augen schloss. „Hm... Kann sein." „Das ist ganz sicher so“, kicherte Jane und nahm seine Hand, deren Finger sie mit ihren eigenen verflocht. Aiden gab ein tiefes, schläfriges Lachen von sich. Sein Atem war bereits langsam, als er leise fragte: „Bleibst du?“ „Mhm“, murmelte Jane, doch sie war nicht sicher, ob er es noch gehört hatte. Ihr Kopf lag auf seiner Brust, und sie wäre fast selbst weggedöst, als ihr wie ein Schlag ins Gesicht etwas auffiel, das sie schon lange wusste. Aiden hatte keinen Herzschlag. Ihr eigener beschleunigte sich bei dieser Erkenntnis, doch das war alles, was sie hörte, so lange sie auch an seiner Brust lauschte. Sie war selbst überrascht davon, wie traurig sie dieser Mangel plötzlich machte. Er hatte das größte Herz, das sie kannte. Dass es tot sein sollte, konnte doch nur pure Ironie sein. Als wäre Aiden verletzlicher, weil sie ein neues Bewusstsein für ihn hatte, wagte Jane es nicht, aufzustehen und ihn dadurch womöglich zu wecken. Sie kam sich albern vor und schalt sich, doch sie brachte es nicht über sich. Dazu fühlte es sich auch zu gut an, neben ihm zu liegen. Ab und zu hörte sie unten Gabriels und Theodores Lachen. Später stieß Elizabeths Stimme dazu und mit diesen vertrauten Geräuschen im Ohr nickte Jane schließlich selbst ein. Sie wusste nicht, wann sie eingeschlafen war, oder wie lange sie geschlafen hatte, als eine Bewegung neben ihr sie aufweckte. Sie hörte ein Stöhnen und ein Arm kämpfte sich unter ihr hervor, um Aidens Schläfen zu massieren. Sie beobachtete, wie er blinzelnd die Augen aufschlug, ihr Gesicht neben seinem erblickte und unwillkürlich zurückzuckte. „Äh…", war das erste, was er herausbrachte. „Na, gut geschlafen?", fragte Jane neckend, bevor ihr Ton etwas sanfter wurde. "Wie fühlst du dich?" „Mein Kopf tut weh… Was… Was ist denn passiert?", fragte er leise und rieb sich über die Augen. "Du hast Mineralwasser getrunken", erklärte Jane und richtete sich ein wenig auf, indem sie sich auf die Unterarme stützte. Eher verwirrt als erhellt von ihrer Erklärung starrte der Vampir Jane an. "Wasser…?", wiederholte er, wobei seine Stimme schwer und belegt klang. Als ihr klar wurde, dass er die Symptome eines typischen Katers zeigte, bildete sich auf ihren Lippen auch gleich ein kleines Grinsen. Theodore hatte tatsächlich die Wahrheit gesagt. „Nun.. wie es scheint, wirken kohlensäurehaltige Getränkte auf Vampiren wie Alkohol bei Menschen. Wenn man deine Beschwerden betrachtet, könnte man also sagen, dass du gerade einen... Kater hast", fuhr die Jägerin leise kichernd mit ihrer Erklärung fort. Als er ihr Lachen hörte, nahm er die Handballen von den Augen und grinste sie an. "Lach mich nicht aus. Ich leide.", jammerte er spielerisch und knuffte sie sanft gegen den Arm, auf dem er die Hand dann kurzerhand liegen ließ. Als wäre ihm in dem Moment etwas klargeworden, weiteten sich seine Augen. „Oh Gott, entschuldige. Ich muss dir echt auf die Nerven gegangen sein…", stöhnte er und drehte sich zur Seite, sodass er die Decke ansah. Schmunzelnd schüttelte Jane den Kopf. „Keine Sorge. Es war nicht schlimm. Du warst nur ein wenig gesprächiger und hast mehr gelacht als sonst, aber ansonsten war es... okay.", beruhigte sie Aiden und schwang ihre Beine über die Bettkante, um aufzustehen. „Da ich nicht weiß, wie Vampire ihren Kater am besten überstehen, würde ich Theodore um Rat fragen. Ich denke nämlich nicht, dass ein Aspirin und viel Flüssigkeit bei euch helfen. Oder hast du eine Idee, wie man dir helfen kann?" „Teddy wusste das? Dieser kleine…", knurrte Aiden, der das im Moment wohl so gar nicht lustig fand. Seine Reaktion ließ sie kurz sie Stirn runzeln, doch als sie verstand, dass Theodore seinen Ur-Großonkel wohl reingelegt hatte, konnte sie gar nicht anders, als erneut leise und hinter vorgehaltener Hand zu lachen. Das war so typisch für ihn! "Sei nicht so streng mit ihm nachher. Er wollte dir bestimmt nur helfen, deine Neugierde mit persönlicher Erfahrung zu stillen", nahm sie ihren Ziehvater in Schutz. Er schien jedoch nicht gewillt, das so einfach zu vergessen. Rasch stand Aiden auf, was er jedoch sofort zu bereuen schien. Er fasste sich an den Kopf und gab Jane so die Gelegenheit, ebenfalls aus dem Bett zu klettern und stützend die Hand auf seinen Rücken zu legen. „Kannst du gehen?“, fragte sie, mühsam das Schmunzeln unterdrückend. „Ich schaffe noch was ganz anderes", verkündete er. Als er ihrem amüsierten Blick begegnete, entspannte er sich aber ein wenig und lächelte sogar. „Dich habe ich noch nie betrunken gesehen. Du hast mir was voraus", stellte er fest, als sie aus dem Zimmer gingen. „Manche Leute wissen eben, wie man sich benimmt“, erwiderte sie gespielt hochnäsig und sie ärgerten sich gegenseitig auf dem Weg nach unten. Im Wohnzimmer fanden sie Gabriel, der entspannt eine Orange aß, neben Theodore auf der Couch. Der Vampir hatte die Fernbedienung in der Hand und blickte breit grinsend zu den beiden Neuankömmlingen. „Na? Den Rausch ausgeschlafen?", wollte er wissen. „Wenn du sowas je wieder machst, setzt es was", erwiderte Aiden mit uncharakteristisch scharfer Stimme. Hätte sich die Szene zwischen Aiden und Gabriel abgespielt, wäre Jane in größerer Alarmbereitschaft. So aber machte sie es sich neben ihrem besten Freund bequem und klaute Teddy die Fernbedienung. Theodore schien ebenfalls nicht sonderlich beeindruckt. „Jaja“, sagte er leichthin, woraufhin Aiden genervt schnaubte. "Weißt du wenigstens, was man gegen den Kater tun kann...? Und ich schwöre dir, wenn du wieder Mist erzählst..." Er beließ es bei einem warnenden Blick. „Blut, was denn sonst?“, antwortete Teddy, bevor er ziemlich direkt das Thema wechselte. „An wie viel erinnerst du dich eigentlich?", bohrte er nach, worauf Jane etwas hellhörig wurde und den Angesprochenen ansah. Zwar glaubte sie, dass er sich nicht wirklich an viel erinnern würde; dennoch machte das Thema sie ein wenig unruhig. Aiden lehnte sich zurück, schloss die Augen und runzelte nur leicht die Stirn. „An alles. Wieso?“ Jane weitete die Augen und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Gabriel machte es nicht gerade besser, als er feststellte: „Jane? Alles okay? Dein Herz klopft ein wenig... schnell.“ „Ja... Ja. Alles okay. Ich.. brauche nur etwas zu Trinken", murmelte die Brünette schnell und flüchtete regelrecht aus dem Wohnzimmer, um die Küche anzusteuern. Sie hörte die Männer diskutieren, achtete aber nicht auf ihre Worte, während sie unruhig Runde um Runde durch die Küche drehte. Sie hatte so viel gesagt, sich so sehr geöffnet, war ihm auch körperlich so nahe gekommen... Der Gedanke, dass er all das wusste, machte sie nervös. Sie stürzte ein Glas Wasser herunter und starrte auf einen winzigen Makel in der weißen Küchenanrichte. Vorher war er ihr noch nie aufgefallen, doch jetzt hatte sie das Gefühl, nicht mehr vergessen zu können, dass er da war. Sie wischte darüber, doch die Rille hatte sich in den weißen Kunststoff gefressen, deutlich spürbar und deutlich sichtbar, wenn man nur wusste, wo man hinsehen musste… „Jane?“ Aidens Stimme ließ sie zusammenzucken. Fast hätte sie das Glas fallen lassen, als sie sich nach ihm umwandte. „J-Ja?“ Er runzelte die Stirn, fragte aber nicht weiter nach. „Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich jetzt gehen werde. Ich glaube, ich habe dir heute schon genug Ärger gemacht.“ „Nicht doch.“ Sie trat näher und legte die Hand auf seine Schulter, zog sie allerdings rasch wieder zurück, als hätte sie sich verbrannt. Sie räusperte sich und straffte die Schultern. „Schon gut. Wir waren alle schon betrunken.“ Er lächelte dankbar über die Schuldgefühle in seinen Augen hinweg. Unter diesen lagen dunkle Ringe und sie konnte sich vorstellen, was er jetzt tun würde, fragte jedoch nicht nach. Es wäre ihr immer noch lieber, wenn er zur Blutbank ginge statt zu jagen, doch solange er seine Beute nicht tötete, konnte sie damit leben. Dasselbe galt für Theodore, der seinen Ur-Großonkel begleitete. Es überraschte Jane ein wenig, dass die beiden gemeinsam Jagen gingen. Vampire waren nun nicht gerade Rudeltiere, und sie hatte gesehen, was passierte, wenn einer von ihnen seine Beute in Gefahr sah. Doch das sprach wohl nur für ihre wachsende Beziehung zueinander. Sie verabschiedete sich von den Blutsaugern und kehrte mit Gabriel ins Wohnzimmer zurück, wo sie einen Film einlegten. Sie war froh, nicht alleine zu sein. Sie hatte beschlossen, gewisse Gedanken nicht zuzulassen und das war in Gesellschaft deutlich einfacher. Trotzdem war da diese kleine Kerbe in der Küchentheke, die sie nicht aus dem Kopf bekommen wollte. Kapitel 19: Ein neuer Auftrag ----------------------------- „Also... nur damit ich es wirklich richtig verstehe: Ihr habt bei einem Schießstand gespielt, Jane hat gewonnen und den Wunsch geäußert hat, dass ihr mal gemeinsam für sie kocht?", wollte Theodore breit grinsend wissen. „Wenn du das so lustig findest, kannst du gerne für mich übernehmen", bot Aiden Theodore großzügig an, aber der lehnte natürlich lachend ab. Aiden fragte sich noch auf dem Weg durch die Auffahrt der McCollins, was Jane sich von dieser Aktion erhoffte. Sie ließ die beiden Vampire ein und führte sie in die Küche, in der Gabriel bereits stand. Er sah aus, als hätte er Blähungen und nickte den Neuankömmlingen lediglich knapp zu. Natürlich hatte Jane sich ihr Leibgericht gewünscht, sodass auf der Anrichte neben Gabriel bereits die Zutaten für die geplante Lasagne auf der Theke aufgereiht lagen. „Versucht, die Küche nicht zu zerstören“, bemerkte ihre Gastgeberin trocken. Sie setzte sich an den Küchentisch und klappte ihren Laptop auf, um an einer Arbeit für die Uni zu schreiben. Neugierig beugte Theodore sich vor, um einen Blick auf das Dokument zu werfen, und schon bald waren die beiden in eine intensive Diskussion über das Thema verwickelt. Sie hätte in ihrem Zimmer arbeiten können. Das wäre vermutlich ruhiger gewesen. Aiden ging davon aus, dass sie ihn und seinen Kochpartner im Auge behalten wollte, um Entgleisungen zu verhindern. Er und Gabriel musterten sich, seufzten fast synchron und machten sich notgedrungen an die Arbeit. Obwohl Aiden mit Jane schon ein paar Mal gekocht hatte und eigentlich recht entspannt an die Sache heranging, hatte er diese spezielle Verabredung nicht gerade herbeigesehnt. Er war in den letzten Wochen netter zu dem jüngeren Mann gewesen, weil dieser geholfen hatte, Jane zu retten. Doch jetzt zerrte er an seinen Nerven. "Ugh..! Das hat ja gar kein Geschmack!", beschwerte sich Gabriel, als er die Sauce für die geplante Lasagne probierte und verzog das Gesicht. „Da muss mehr Salz und Pfeffer rein. Ein bisschen Muskat würde auch nicht schaden“, wies er seinen Kochpartner an, während er sich um den Teig kümmerte. „Es wäre auch Sinnvoller, wenn du das Abschmecken und ich das Schneiden übernehmen würde", erklärte er Gabriel betont geduldig. „Und jetzt entspann dich endlich. Es ist nicht so, als würde das Essen giftig, weil ich es berühre." Gabriel schnaubte leise über den Vorschlag. „Es wäre sinnvoller, ja. Aber wenn man davon ausgeht, dass du möglicherweise mal selbst für Janie kochen willst, ist es von Vorteil, wenn du die Saucen und so übernimmst, wenn jemand dabei ist, der als Vorkoster fungieren kann. Schneiden kann ja jeder einigermaßen", gab Gabriel etwas schnippisch zurück. „Hat sie gesagt, dass ich alleine für sie kochen soll?“, fragte er sichtlich irritiert, da dieser Wunsch für ihn keinerlei Sinn ergab. Er warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, denn eigentlich hatte er gedacht, Jane hätte verstanden, dass er das nur machte, weil er gerne Zeit mit ihr verbrachte. Ohne Vorkoster würde es für ihn immer schwierig werden, anständig zu kochen, außerdem wäre er nie auf die Idee gekommen, sich alleine hinter den Herd zu stellen. Wieso auch? Wenn sie das wollte, würde er es natürlich tun, aber ob das Ergebnis so prickelnd wäre, stand auf einem anderen Blatt. „Sie hat nicht gesagt, dass du sollst, aber dass du es vielleicht tun würdest oder möchtest", erwiderte der Werwolf, während er die Teigblätter ins heiße Wasser legte, damit diese später weniger lang im Backofen benötigen würden. „Wenn ich mich richtig erinnere, habt ihr doch vor ein paar Wochen darüber gesprochen, als wir Forrest Gump geschaut haben." Ein wenig überrascht schwieg Aiden, bevor er leise brummte und sich daran machte, die Speisen mehr zu würzen. Ader an seiner Stirn zu pulsieren begann. Zuerst versuchte er, es zu ignorieren, doch dann wandte er sich mit dem Löffel, den er zum Verrühren benutzt hatte, nach Gabriel um und deutete mit dem Besteck auf den Werwolf. „Was genau befürchtest du eigentlich, dass passieren könnte, wenn du mich mal fünf Minuten in Ruhe lässt? Bisher hat sie es immer überlebt, wenn ich mit ihr gekocht habe, also wird das höchstwahrscheinlich auch jetzt der Fall sein", schnauzte er Gabriel an. Der Werwolf schnitt gerade den Käse in Würfel, hielt jedoch inne, als er so angegangen wurde. Hinter ihm blickten Jane und Theodore auf und Aiden wünschte, er hätte den Mund gehalten. Allerdings hatte er nicht vor, sich von diesem Welpen bevormunden zu lassen. Gabriels Mundwinkel zuckten ein wenig wegen dem drohend erhobenen Kochlöffel, doch er unterdrückte zu seinem Glück das Lachen. „Ich möchte nicht, dass sie sich wegen dem Essen übergibt. Einerseits wäre das Verschwendung und andererseits könnte sie das Ganze dann nicht genießen. Immerhin war es ihr Wunsch, dass wir etwas für sie kochen. Wenn wir es schon machen, dann soll es richtig sein, denkst du nicht?", entgegnete der Südländer und wandte sich wieder dem Käse zu. „Warum macht ihr das eigentlich?“, warf Theodore ein, bevor Aiden etwas erwidern konnte. Sein Grinsen ließ nichts Gutes erwarten. „Ihr könntet euch einfach aus dem Weg gehen, aber hier seid ihr und spielt gemeinsam die Küchenchefs – für Jane.“ Aiden hatte die Sache mit dem Wasser noch genau im Kopf und misstraute seinem Verwandten instinktiv. „Es ist eine Wette. Warum sollte ich sonst mit ihm kochen?“ „Ich hätte auch besseres zu tun, als mit diesem verrückten Stalker zu kochen, aber wenn es Janie glücklich macht…“, fügte Gabriel schulterzuckend hinzu. Aiden hätte ihm am liebsten die kaffeegetränkten Biskuitstangen ins Gesicht geklatscht, die er gerade für das Tiramisu in eine Schüssel legte. „Wenn du das hier ihr zuliebe durchziehen willst, kannst du auch ihr zuliebe dein vorlautes Mundwerk zügeln, oder?" Eigentlich wäre er am liebsten gegangen, aber er wollte wenigstens noch seinen Standpunkt klar machen. "Ich weiß genauso wenig wie du, wieso Jane mich akzeptiert, aber sie tut es. Also gewöhn dich dran, weil ich nicht vorhabe, zu verschwinden, egal, wie ätzend du dich verhältst. Und wenn du es nochmal drauf anlegen willst, bitte. Sie päppelt dich sicher wieder auf, wenn ich mit dir fertig bin. Ansonsten wäre es überaus freundlich, wenn du auf Bezeichnungen wie Verrückter, Stalker oder was dir sonst noch so einfällt, verzichten könntest." „Fein. Entschuldige", sprach der Spanier und machte eine kleine, wegwerfende Handbewegung. Aiden war keinesfalls zufrieden, spürte aber Janes besorgten Blick auf ihnen und wandte sich wieder dem Tiramisu zu. Unterdessen ging Gabriel zum Tisch, um Jane etwas von der Soße kosten zu lassen. Spielerisch stupste er mit dem tomatenroten Löffel gegen ihre Nase, woraufhin sie lachte und sacht gegen seinen Bauch schlug. Er versuchte weiter, sich ihr zu nähern, aber sie duckte sich vom Stuhl und flüchtete ans andere Ende der Küche. Lächelnd beobachtete Theodore die beiden bei ihren Spielchen. „Wisst ihr eigentlich, dass ihr ziemlich süß zusammen seid?“, bemerkte er und sah neugierig zwischen den beiden hin und her. „Wie kommt es eigentlich, dass ihr nicht zusammen seid? Also... habt ihr es denn überhaupt jemals miteinander probiert?" Die beiden hielten in ihrem Tun inne und sahen sich mit großen Augen an. „Äh... keine Ahnung?“, meinte Jane schließlich zögernd. „Ich schätze, weil es uns nie in den Sinn gekommen ist und wir eigentlich so etwas wie Bruder und Schwester sind...?" Gabriel nickte und ließ sie in Ruhe, um die Lasagne in den Ofen zu stellen. Trotzdem war es offensichtlich, dass beide in Gedanken versunken waren. Aidens Gesicht fühlte sich seltsam hart an, während er die Creme über das Biskuit strich. Er hatte selbst schon darüber nachgedacht, dass Gabriel für seine beste Freundin als Partner in Frage kommen würde. Er war stark und konnte sich gegen alle Gefahren wehren, die ihr Beruf möglicherweise bereithielt. Er war ihr gegenüber völlig loyal, brachte sie zum Lachen und konnte mit ihrem Temperament umgehen. Und trotzdem schnürte der Gedanke, wie dieser aufgeblasene kleine Köter Jane küsste, Aiden regelrecht die Kehle zu. Seine Wut auf den Werwolf verstärkte diese Reaktion sicher, trotzdem hatte er nicht damit gerechnet. Und dann auch noch dieses gedankenschwere Schweigen, als würden die zwei es wirklich in Betracht ziehen, miteinander auszugehen. Er fuhr sich unruhig durch die Haare, bevor er rasch das Tiramisu in den Kühlschrank stellte. Plötzlich fühlte er sich in der weitläufigen Küche eingeengt, aber ihm fiel keine passende Ausrede ein um zu gehen. „Und was ist mit dir, Teddy? Hat es keine Frau bei dir Quatschkopf ausgehalten?", wechselte er das Thema. „Hm? Nun... Ich war verheiratet, aber das ist auch schon ein Weilchen her", gab Theodore offen und mit einem Lächeln zu, welches seine Augen aber nicht zu erreichen schien. Bei einer Frohnatur wie seinem Ur-Großneffen hatte er nicht mit einer tragischen Liebesgeschichte gerechnet, aber wenn man verwandelt wurde, ließ sich das wohl kaum vermeiden – besonders, wenn eine menschliche Familie im Spiel war. Natürlich war er neugierig, hielt sich mit Fragen jedoch zurück. Sie kannten sich gerade mal ein paar Wochen. Wenn Theodore bereit war, würde er mit ihm sprechen. „Hm... riecht jetzt schon lecker“, war es diesmal der jüngere Vampir, der das Thema wechselte. Das lag wohl in der Familie. „Wenn ich könnte, würde ich sicher ein Stück von der Lasagne probieren.“ „Ach ja? Hast du das auch schon mal ausprobiert?“, fragte Aiden in gespielt vorwurfsvollem Ton, der seinen Verwandten zum Lachen brachte. „Wer weiß? Aber du könntest es ja mal testen“, neckte er ihn zurück und schon bald nahm das Gespräch deutlich angenehmere Bahnen ein. Gabriel und Aiden räumten auf, wobei sie jedoch nicht mehr zusammenarbeiten mussten. Daher verlief der Rest der Vorbereitungen friedlicher. Eine Weile später war die Lasagne fertig und die sterblichen Anwesenden konnten zulangen. Sie unterhielten sich über dies und das, unter anderem den glatzköpfigen Vampir. Irgendwann gesellte sich Elizabeth zu ihnen, die ihre Kochkünste lobte und besonders das Tiramisu zu genießen schien. Während des Essens bemerkte Aiden jedoch, wie Jane und Gabriel sich immer wieder ungewohnt verlegene Blicke zuwarfen. Er sagte sich, dass es ihn nichts anging, doch als die Gäste später die Zelte im McCollins Haushalt abbrachen, war er recht erleichtert. Der Tag war anstrengender gewesen, als er hätte zugeben wollen. Er war noch immer nicht sicher, was Jane überhaupt damit vorgehabt hatte. Funktioniert hatte es jedenfalls nicht. Er und Gabriel kamen einfach nicht miteinander aus. Sie konnten zusammenarbeiten, wenn es um Jane ging, und Aiden würde dem Welpen für immer dankbar sein, dass er sie gerettet hatte. Doch Freunde machte das nicht aus ihnen und das mussten sie wohl oder übel akzeptieren. Am nächsten Tag in der Arbeit dachte er kaum noch an diesen unangenehmen Zwischenfall. Gegen Mittag verabschiedete er sich, um zur Universität zu fahren. Er hatte ein paar Vorbereitungskurse für den Studiengang, den er im Sommersemester beginnen würde. Jane als Masterstudentin würde er zwar in den Kursen nicht sehen, aber das machte nichts. Ihn interessiere der Stoff und es würde ihm gut tun, ein paar andere Menschen kennenzulernen. Er hatte sich lang genug auf Jane fixiert. Und wie könnte er nicht? Sie war wunderschön, klug, stark und liebevoll. Doch das alles war sie nicht für ihn. Aiden wusste wirklich nicht, wie er diese Tatsache so lange hatte übersehen können, aber früher oder später würde sie wieder einen Freund haben. Vielleicht wäre es letztlich sogar Gabriel. Während des Tages ertappte Aiden sich immer wieder dabei, darüber nachzudenken. Er war abgelenkt und froh, endlich nach Hause zu kommen. Doch als er die Tür des Wohnhauses aufschloss, ließ ihn ein ungewöhnlicher Duft innehalten. Was sollte ein anderer Vampir ausgerechnet hier treiben? Außerdem kam ihm der Geruch irgendwie bekannt vor, aber er konnte nicht so recht seinen Finger darauf legen. Vorsichtig schritt er die Treppe hoch, fand seine Tür aber nicht aufgebrochen vor. Der Geruch war allerdings eindeutig: Der fremde Artgenosse befand sich in seiner Wohnung. Noch während er seine Tür öffnete, wurde diese aufgezogen und eine Frau erschien mit hochgezogenen Augenbrauen im Eingang. Sie warf das hüftlange, seidige Haar über die Schulter zurück und musterte den Neuankömmling wie eine lästige Pflichtaufgabe. Ihre braunen Augen schimmerten unter dem akkurat geschnittenen Pony hervor. Sie trug braune Stiefeletten, mit denen sie so groß wie Aiden war. Eine enge, zerrissene Jeans umspielte ihre Beine und über ihr weißes, lockeres Top hatte sie eine rosane Strickjacke gezogen. Hinter ihr stand ein gigantischer Koffer, der seine halbe Wohnung einnahm, doch Aiden war überrascht, dass es nur einer war. „Da bist du ja. Ich habe ewig auf dich gewartet.“ „F... Fiora...?", fragte Aiden verblüfft, der nicht wirklich glauben konnte, was er da sah. Bevor sie noch etwas erwidern konnte, hatte er seine alte Bekannte aber schon in eine feste Umarmung geschlossen und hob sie strahlend ein Stück hoch. „Was machst du hier? Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen. Bestimmt hundert Jahre... Aber komm erst mal rein. Wobei du das ja schon getan hast." Ihr vorher so abgeklärtes Gesicht wurde jetzt von einem feinen Lächeln erhellt, und sie folgte ihrem Gastgeber in dessen Wohn- Schrägstrich Schlafzimmer, wo er ihr nur auf dem Bett einen Platz anbieten konnte. „Dein Hausmeister war sehr kooperativ", erklärte sie, dann warf sie Aiden die geklauten Schlüssel zu. „Das kann ich mir vorstellen. Du siehst toll aus." Sie strich sich durch das dunkle Haar und lächelte. „Schmeichler“, schalt sie ihren Gastgeber halbherzig. „Als würde es dir nicht gefallen“, erwiderte Aiden und die beiden alten Freunde lachten gemeinsam. „Wie ist es dir ergangen?“, wollte er wissen. Er hatte sie seit dem Kriegsende nicht mehr gesehen, nachdem er Südamerika wieder verlassen hatte, um nach Europa zurückzukehren. Sie erzählte von den Geschäften ihrer Familie und dass sie aus deren Haus ausgezogen war. Vor allem ihrem Bruder hatte das nicht gefallen, doch sie war glücklich mit der Entscheidung. Sie fragte nach Aidens Leben, doch ihm fiel auf, dass es nicht viel zu sagen gab zu der Zeit, bevor er Jane kennengelernt hatte. Er hatte einfach existiert. Obwohl das jetzt nicht mehr so war, konnte er Fiora den Grund dafür nicht nennen. Sie kam aus einer sehr konservativen Familie und würde eine Freundschaft mit einem Menschen kaum verstehen – obwohl sie wusste, dass Aiden selbst mal einer gewesen war. Stattdessen erzählte er von seinen Reisen im letzten Jahr und dass er bald ein Studium beginnen wollte. Lange blieben sie sowieso nicht bei solch neuen Themen. Schon bald tauschten sie Anekdoten aus und neckten sich gegenseitig mit Geschichten von damals, als sie noch ein Paar gewesen waren. Aiden hätte noch stundenlang so weitermachen können, doch war ihm der traurige, müde Zug um ihre Augen nicht entgangen. „Aber wirklich, was verschlägt dich nach London?", kam Aiden schließlich auf seine Ausgangsfrage zurück. „Ich dachte immer, dir wäre es hier zu nass.“ Das Lächeln verschwand von den hübschen Zügen und machte einem tristen Ausdruck Platz, den Aiden ihr am liebsten aus den Augen gewischt hätte. Er hatte die Hand auf ihre gelegt, doch sie entzog sich und stand auf. Mit wenigen Schritten war sie am Fenster, von dem aus sie eine wenig befahrene Nebenstraße überblickte. „Ich bin auf der Suche nach jemandem“, begann sie schließlich. „Er ist vor zwei Wochen einfach spurlos verschwunden und ich habe ihn schon überall gesucht, aber... Ich weiß einfach nicht, was ich noch tun soll, Aiden...“, flüsterte sie und ihre Stimme brach ihr weg. Aiden hatte Fiora noch nie als nahe am Wasser gebaut erlebt. Bestürzt setzte er sich neben sie und legte vorsichtig die Hand auf ihre Schulter, woraufhin sie sich an seine Brust warf und hemmungslos zu weinen begann. Verwirrt versuchte er, ihr zu entlocken, was genau geschehen war, doch es war schwer, aus ihrem Schluchzen überhaupt etwas heraus zu hören. „En-Entschuldige...", schniefte die aufgelöste Vampirdame, als sie sich ein wenig beruhigt hatte. Sie löste sich aus Aidens Arm und eilte ins Badezimmer. Dass sie die Tür offen ließ, interpretierte er als Erlaubnis, ihr zu folgen. „Schon in Ordnung“, erwiderte er und beobachtete in respektvollem Abstand von der Tür aus, wie sie versuchte, ihr Aussehen halbwegs wiederherzustellen. „Aber ich weiß nicht, was ich für dich tun könnte." Ihre rotgeweinten Augen im Spiegel fixierten Aiden, der meinte, schon wieder ein verdächtiges Schimmern in ihnen zu sehen. „Ich wusste einfach nicht, an wen ich mich sonst wenden soll...“ Aiden schluckte. Es war nicht so, als würde er ihr nicht helfen wollen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie ausgerechnet er Fiora unterstützen sollte. Die Suche nach einer einzelnen Person in einer Millionenmetropole wie London war regelrecht die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und wenn dieser jemand nicht gefunden werden wollte, könnte er mittlerweile praktisch überall sein. Um seinen Gast jedoch nicht noch weiter aus der Fassung zu bringen, erwähnte Aiden die letzte Überlegung nicht. Aiden hatte eine Weile stumm überlegt und sich unterdessen auf sein Bett zurückgezogen. Als Fiora aus dem Badezimmer auf ihn zukam und vor ihm stehenblieb, legte sie behutsam die Hände auf seine Brust. Ihre dunklen Augen schwammen vor Schmerz. Er konnte sich nicht erinnern, sie zuvor jemals so aufgelöst gesehen zu haben. „Lass mich nicht alleine. Bitte, Aiden...“, flüsterte sie. Und bevor er überhaupt wusste, wie ihm geschah, hatte er schon: „Niemals“, gesagt. Mit einem zittrigen: „Danke“, setzte sie sich zu ihm und er strich ihr beruhigend über das Haar. Während sie sich ein wenig sammelte, fragte Aiden sich, wie er sein hirnloses Versprechen einlösen sollte. „Ich sollte dir vermutlich ein bisschen genauer erzählen, worum es geht“, beschloss Fiora nach einigen Minuten geschäftsmäßig. Sie setzte sich auf und faltete die Hände im Schoß. „Dieser jemand, den ich suche, ist mein Freund. Ich habe ihn zu Hause überall gesucht, aber er ist einfach vom Erdboden verschluckt.“ „Das tut mir leid.“ „Es hat nichts mit dem zu tun, was du damals getan hat“, stellte Fiora sofort klar. „Ich bin nur hier, weil er ursprünglich aus London stammt. Er hat hier noch Familie, aber bisher habe ich noch keine Spur von ihm entdecken können. Ich kenne hier niemanden und niemand will mir helfen, deshalb…“ Der Stolz raubte ihr die Worte, doch mehr musste Aiden nicht hören. „Ich glaube, ich weiß, wer uns helfen kann.“ Fiora sah ihn gespannt an – doch als sie auf dem Weg erfuhr, wohin es gehen sollte, verzog ihr Mund sich zu einem Strich. Während der Fahrt im Taxi schwieg sie, und selbst, als sie am Anwesen ausstiegen, musterte das Haus unbeeindruckt. Aiden dagegen blickte besorgt die Mauer empor. Er hatte sofort an Jane gedacht, obwohl er sich schämte, mit seinen Problemen an ihre Tür zu klopfen. Doch womöglich konnte sie durch ihre Beziehungen im Zirkel irgendetwas erreichen, was sie als Einzelne nicht bewerkstelligen konnten. „Und du meinst, ein Mensch kann uns irgendwie helfen?“, fragte Fiora, als sie neben Aiden die Auffahrt entlangschritt. „Sie ist eine Vampirjägerin mit ziemlich guten Kontakten. Vielleicht bringt es ja was.“ „Es ist nicht sehr beruhigend, dass sie unsereins beruflich tötet“, kommentierte Fiora noch, doch ihr Begleiter ignorierte sie, als er an der Tür klingelte und wartete, bis Jane wenig später öffnete. Er lächelte sie wie üblich an, doch die junge Frau starrte viel mehr irritiert auf die Vampirin in seiner Begleitung und er seufzte leise. Vielleicht hätte er sie vorwarnen sollen, aber seine Ex-Freundin hatte ihn so überrumpelt. „Ähm, Jane, das ist Fiora Álcarez, eine gute alte Freundin von mir. Fiora, das ist Jane McCollins, eine... Nicht ganz so alte Freundin", erklärte er mit einem Lächeln, wobei die Bezeichnung Freundin für beide Damen irgendwie unzureichend erscheinen mochte. „Dürfen wir reinkommen? Fiora hat ein Problem, bei dem du uns womöglich helfen könntest." Jane sah noch viel verwirrter aus, als er vorschlug, dass sie einem Vampir helfen könnte. Ihre guten Manieren siegten jedoch, sodass sie die Besucher ins Haus bat. Gemeinsam begaben sie sich ins Wohnzimmer. Die meisten Leute hätte die luxuriöse Villa beeindruckt, nicht jedoch Fiora. Sie nahm auf der Couch Platz, verschränkte die Arme und starrte aus den hohen Fenstern in den Garten. Es war offensichtlich, dass sie nicht vorhatte, das Wort zu ergreifen. Also seufzte Aiden und übernahm das Erklären für sie. Als er geendet hatte, wog Janes Schweigen schwer. Er räusperte sich und fügte hinzu: „Ich dachte, dass du uns vielleicht bei der Suche helfen könntest." Er hatte Jane noch nie um etwas gebeten und das nicht vorgehabt, aber für Fiora konnte er wohl eine Ausnahme machen. Das Ganze hatte natürlich rein gar nichts mit Jane zu tun, und wenn sie sich einmischte, wäre das eine reine Gefälligkeit Aiden gegenüber. Dieser war nicht sicher ob er das von der Jägerin erwarten durfte. Ihre Beziehung verlief sonst eher andersrum: Sie schaffte an, er machte. Außerdem benahm Fiora sich wirklich nicht wie eine Bittstellerin, sondern wie eine Prinzessin – und das im Palast einer anderen. „Fi hält es für wahrscheinlich, dass ein Vampir was damit zu tun hat und du könntest ja vielleicht deine Beziehungen nutzen, um ein paar Nachforschungen anzustellen. Bitte?" Ein leiser Seufzer entwich ihren Lippen, während sie sich durch die Haare fuhr. „Ich werde sehen, was ich tun kann." Verblüfft starrte Aiden sie an, bevor sich ein Lächeln auf seinen Zügen ausbreitete. „Danke, wir wissen das wirklich zu schätzen", sagte er stellvertretend für seine Begleitung. Er selbst hatte Fiora ja schon versprochen, ihr zur Seite zu stehen, und würde entsprechend nicht mehr aus der Sache herauskommen. Aber er war der festen Überzeugung, dass das ganze mit Janes Hilfe wesentlich zügiger vonstattengehen würde. Theodore würde er auf jeden Fall auch fragen, aber es tat gut, zu wissen, dass er sich auf Jane verlassen konnte. Aiden stupste Fiora gegen die Schulter, die ihre Lippen schürzte. Dann seufzte Fiora und ergriff ihre Handtasche und holte daraus das Foto eines Mannes hervor, das sie auf den Couchtisch legte. Zusammen mit Jane beugte Aiden sich neugierig vor, denn das Bild hatte er selbst noch nicht gesehen. Er hatte dunkle Haare und Augen und einen gepflegten Bartschatten. Auf dem Foto war er neben Fiora zu sehen, welche er trotzt ihrer hohen Schuhe um ein gutes Stück überrage. Unter dem teuren Mantel zeichnete sich ein Körper ab, der eindeutig öfter das Fitnessstudio von innen sah. Aiden musste neidlos anerkennen, dass er ein attraktiver Mann war. „Sein Name ist Majid Nivaan“, erklärte Fiora. „Er ist 32, Immobilienkaufmann, wohnhaft in Barranquilla, Kolumbien… Oh, und er ist ein Mensch", fügte sie hinzu, wobei ihr Blick abschätzig über den anwesenden Stellvertreter dieser Spezies glitt. Dann wandte sie sich wieder an ihren Artgenosse und legte diesem die Hand auf die Schulter. „Können wir bitte einfach los und ihn suchen? Ich halte es nicht aus, hier nur herumzusitzen und Kaffeekränzchen zu halten. Dabei kommt doch nichts heraus.“ Aiden, der nicht schon wieder eine Tränenflut erleben wollte, nahm sie in den Arm und streichelte ihr behutsam über die Schulter. „Zu zweit schaffen wir es kaum, die ganze Stadt zu durchsuchen, wir brauchen Hilfe. Bleib einfach ganz ruhig, wir machen das schon, ok?", versicherte er ihr liebevoll. „Ok… Ich vertraue dir", betonte sie. „Das Problem ist, dass Majid schon in Südamerika verschwunden ist. Meinst du, du kannst etwas darüber herausfinden?", fragte Aiden an Jane gewandt, ohne seine Ex-Freundin loszulassen, die sich ein wenig an ihn schmiegte. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Jane, deren gereizter Ton Aiden nicht überraschte. Fiora benahm sich wie eine Diva, obwohl sie es war, die Hilfe brauchte. Die Vampirjägerin erwiderte seinen entschuldigenden Blick mit einem Seufzen, bevor sie die Lippen schürzte und ihr Handy hervorholte. „Ich werde bei Eldric vorbeischauen und mit ihm die Sache ansehen“, sagte sie zu. „Danke“, sagte Aiden, doch sie erwiderte sein Lächeln nicht. Aiden runzelte die Stirn. Wenn sie das nicht tun wollte, hätte sie einfach nein sagen müssen. Ihr musste doch bewusst sein, dass er das absolut nicht von ihr erwartete. Bevor er jedoch noch etwas dazu sagen konnte, hörte er Eldrics Stimme an Janes Telefon. „Eldric? Jane hier. Ich bin in 30 Minuten da. Sieh zu, dass du Zeit hast", wies sie ihren Mentor schlicht an und legte auf, noch bevor er etwas sagen könnte. Völlig verblüfft sah Aiden seine Partnerin an. Sie klang wie damals, als sie zähneknirschend seine Rückkehr nach London akzeptiert hatte. Unwillkürlich fragte er sich, ob etwas vorgefallen war, bevor er und Fiora gekommen waren. Vielleicht hatten sie einen schlechten Zeitpunkt erwischt. Oder er war zu selbstverständlich davon ausgegangen, dass Jane jetzt kein Problem mehr damit haben würde, einen neuen Vampir in ihrem Bekanntenkreis zu akzeptieren. Er wusste es nicht und es verunsicherte ihn. „Soll ich mitkommen?“, fragte er dennoch. "Du bleibst bei ihr. Ich werde mit Gabe hingehen", meinte sie ziemlich schroff und stapfte zur Tür. „Aber Gabe hat überhaupt nichts damit zu tun. Ich werde…", fing er an, aber als sie ihm einen Todesblick zuwarf, blieb er bei der Couch stehen und sah ihr nur hinterher. Die Vampire hörten, wie Jane ihren Mantel an sich riss, über ihre Stiefel fluchte und wie es an der Tür klingelte. Erneut fluchte die Vampirjägerin, dann schnalzte sie die Tür so schnell auf, dass Aiden sich nicht gewundert hätte, wenn sie sie in der Hand hielte. „Oh! Jane, wohi...- Huh?!", unterbrach der frisch angekommene Theodore sich. Es klang, als hätte Jane die Tür genauso brutal ins Schloss gehauen, wie sie sie zuvor geöffnet hatte. Aiden war verwirrt, doch die Dame neben ihm verhinderte, dass er zu sehr darüber nachdachte. Sie hatte den anderen Vampir gewittert und sich versteift. Leise knurrend stand sie auf, doch Aiden legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Das ist ein Freund… Nein, mehr sogar“, versuchte er zu erklären. Er erntete jedoch zunächst nur verwirrte Blicke, und dann betrat ihr Artgenosse bereits das Wohnzimmer. „Was ist denn mit Janie… Oh, guten Tag“, unterbrach Theodore sich, als er die Dame im Raum entdeckte. Da Fiora den Gruß nicht erwiderte, fühlte Aiden sich befleißigt, die Begrüßung zu übernehmen. „Teddy, das ist Fiora, eine gute Freundin. Fiora, das ist Theodore Hunt, mein Neffe.“ Inzwischen hatten sie ein wenig Zeit gehabt, sich aneinander zu gewöhnen. Dennoch fühlte es sich noch seltsam an, dieses Verwandtschaftsverhältnis zu benennen. Nach kurzem Zögern gab die Dame Theodore die Hand und musterte ihn interessiert. „Ich wusste nicht, dass du verwandelte Verwandte hast… Oder so viele Bekannte", fügte sie hinzu, denn schon während ihrer Beziehung war sie so ziemlich die einzige Bezugsperson gewesen, die er gehabt hatte. Sie hatte ihn in ihren Freundeskreis etabliert, und nachdem Schluss gewesen war, hatte er sich von den meisten völlig distanziert. „Na ja. Um ehrlich zu sein, wusste unser Aiden das bis vor ein Wochen selbst nicht", klärte Theodore die Dunkelhaarige auf. „Ach, nicht?“, fragte Fiora und ließ sich von Theodore die Geschichte ihrer Bekanntschaft berichten. Aiden selbst schwieg. Gedanklich war er Jane gefolgt. Er verstand, wenn ihr Fioras Verhalten nicht gepasst hatte – darüber würde er mit der unsterblichen Latina nochmal sprechen müssen. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, das war nicht alles. Wenn aber sein zweiter Gedanke zutraf und Jane noch immer Vorurteile gegen Vampire hatte, wüsste er nicht, was er darüber denken sollte. Sie waren Freunde und dass sie seinesgleichen insgeheim noch für blutrünstige Monster halten sollte, wäre schwer zu verdauen. „Wo ist denn nun Jane hin?“, fragte Theodore, dem wohl aufgefallen war, dass sein Ur-Großonkel sich aus dem Gespräch ausgeklinkt hatte. „Sie ist in den Zirkel, um etwas zu recherchieren. Um ehrlich zu sein, ist Fiora nämlich nicht auf einem Ausflug hier. Sie braucht Hilfe“, sagte Aiden und erklärte seinem Verwandten, was passiert war. Er sah ein wenig verblüfft aus, als er hörte, dass die reinblütige Vampirdame mit einem Menschen zusammen sein sollte, unterbrach den Bericht aber nicht. „Ich weiß, dass ist viel verlangt“, schloss Aiden schließlich. „Aber könntest du uns vielleicht bei der Suche helfen? Dich vielleicht bei ein paar Leuten umhören oder dergleichen? Je mehr wir sind, desto eher finden wir etwas", fuhr er fort, wobei sein Blick nachdenklich wurde und zur Tür wanderte, aus der Jane gerauscht war. „Ich werde heute Abend versuchen, ein paar Informationen zu finden und mich umzuhören. Allerdings kann ich Nichts versprechen", gab er ehrlich zu. Aiden und Fiora dankten ihm trotzdem. Die Südamerikanerin zeigte Theodore das Foto ihres Verlobten. Zum Leidwesen der Anwesenden kannte er ihn nicht, doch er glaubte, wenn man alle Verbindungen und Kontakte miteinander verknüpfte, würden sie früher oder später bestimmt etwas herausfinden. Immerhin arbeitete der Vampirjäger Zirkel international und würde bestimmt den einen oder anderen Hinweis herausfiltern können. „Wo wohnt sie denn momentan?“, fragte Theodore nach einer Weile. „Es wäre gut möglich, dass der Entführer auch nach ihr sucht und wahrscheinlich sogar zu gegebener Zeit in ihrer Nähe auftaucht.“ Über die Frage der Unterbringung hatte er sich bisher noch gar keine Gedanken gemacht, sodass er Fiora fragend ansah, die das Haar über die Schulter warf. „Na, bei dir, dachte ich?", meinte sie, als sei das vollkommen klar. „Natürlich", seufzte er und machte sich gedanklich schon darauf gefasst, die nächste Zeit auf einer Luftmatratze zu verbringen. „Nun... da Aidens Wohnung viel zu klein für zwei Personen ist, würde ich vorschlagen, dass du vorerst bei mir wohnst? So könnte ich die Umgebung auch besser im Blick behalten", bot der Jüngste unter den Dreien der Vampirdame an. An diese Möglichkeit hatte Aiden überhaupt nicht gedacht. Er war ziemlich verblüfft, als Fiora mit: „Hm… Von mir aus“, stimmte sie zu, nachdem sie ihren künftigen Gastgeber gemustert und für angemessen befunden hatte. „Allerdings müsst ihr euch um mich keine Sorgen machen - Ich kann auf mich aufpassen. Ich brauche nur Hilfe dabei, meinen Mann zu finden", betonte sie ihre Ansprüche noch einmal. „Solange wir nicht wissen, wer dahinter steckt, ist es besser die Sache im Auge zu behalten", beharrte Aiden, der sich plötzlich Sorgen um Jane machte. Sie hatte schon genug Probleme am Hals, etwa mit Gaspard, da hätte er sie nicht in diese Sache mit hineinziehen müssen. Für Reue war es jetzt aber zu spät. Die drei Vampire machten sich daran, Fiora durch Theodores Wohnung zu führen. „Tut mir leid, dass es noch unordentlich ist. Ich wohne erst seit Semesterbeginn in London“, entschuldigte Theodore sich, während er einige Umzugskartons zur Seite schaffte. „Es ist bezaubernd“, lobte Fiora lächelnd. „Aber es fehlt ein weiblicher Touch. Hast du keine Gefährtin?“ „Nicht, seit ihr verwandelt wurde.“ Aiden fiel ein Kratzer im Lächeln seines Neffen auf, doch Fiora übersah ihn. „Ach, du bist auch verwandelt? Das liegt wohl bei euch in der Familie.“ Sie lachten und setzten ihre Führung fort. Der Flur war nur einen Meter lang und öffnete sich in das Wohnzimmer, an das eine offene Wohnküche anschloss. Badezimmer, Büro und Schlafzimmer schlossen zur Rechten an. Später quartierten sie Fiora im Schlafzimmer ein, während Theodore sich ein Lager auf der Couch einrichtete. Als die Dame sich später im Bad frisch machte, wandte Aiden sich an seinen Verwandten. „Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass er abgehauen ist und sie nicht wieder sehen will. Sie hat gemeint, sie hätte ihm erst vor kurzem gesagt, dass sie ein Vampir ist, das könnte ihn geschockt haben. Aber sag ihr das bitte nicht, es würde sie nur aufregen.“ „Vermutlich“, stimmte Theodore zu und rieb sich den Nacken. „Im Moment können wir nur für sie da sein und suchen helfen.“ „Ich schätze, du hast Recht…“ Aiden ließ sich auf die Couch fallen, den Kopf auf die Rückenlehne gestützt, den Blick auf die frischgestrichene Decke gerichtet. „Glaubst du, Jane und Gabe haben schon etwas rausgefunden?“ Lächelnd klopfte Theodore ihm auf die Schulter. „Sie beruhigt sich schon wieder. Mach dir keinen Kopf.“ Aiden wollte etwas erwidern, doch in dem Moment rief Fiora ihn. Folgsam begab er sich an ihre Seite und hoffte insgeheim, dass sein Ur-Großneffe Rechthaben würde. Kapitel 20: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung ------------------------------------------------------------ „Und wieso genau ist das jetzt unsere Aufgabe?“ Gabriel klang so genervt, wie Jane sich fühlte. "Weil sie eine alte Freundin von Aiden ist", erwiderte die Jägerin dennoch schlicht und begab sich auf dem direktesten Weg Richtung Justizgebäude des unterirdischen Vampirjägerzirkels. Dabei erwartete sie gar nicht, dass ihr Mentor keine Zeit hatte, sondern ging frech davon aus, dass er sich für die Zeit nehmen würde – egal wie. „Eine Freundin oder eine .... na ja, du weißt schon... 'Freundin'?", fragte Gabriel neugierig nach. Jane blieb abrupt stehen, sah ihn irritiert an und weitete die Augen ein wenig. Bis zu dem Zeitpunkt war ihr nicht in den Sinn gekommen, ihre Beziehung so zu sehen. Jedoch erschien ihr das im Nachhinein ziemlich logisch. Schließlich hatte ihr persönliche Schoßhund stets beteuert, dass er kaum Kontakt mit Außenstehenden hatte. Lediglich seine Ex-Freundinnen hatte er genauer erwähnt, wenn es darum ging, von seinen Bekannten zu reden. Diese Erkenntnis traf die Jägerin wie ein Schlag und sie hatte das Gefühl, dass sich ihr Magen umdrehte und sich in ihrer Brust ein einengender Knoten bildete. Gleichzeitig ratterte es in ihrem Kopf und es machten sich Gedanken breit, die ihr zunehmend Angst einjagten und unangenehm waren. Wieso hatte sie so genervt über ihr Verhalten reagiert? Es ging sie nichts an, ob er wieder mit einer möglichen Ex-Freundin anbändeln wollte oder ob diese vielleicht nur unter einem Vorwand an seine Seite zurückgekehrt war, um die alte Beziehung wieder aufleben zu lassen. Erst, als ihr Kindheitsfreund sie besorgt ansprach, schaffte sie es, diese Gedanken zu verdrängen und sich auf den Fall zu konzentrieren, den man ihr aufgetragen hatte. Dementsprechend lächelte sie Gabriel nur an, meinte: „Ich habe keine Ahnung“, und setzte ihren Weg zu Eldric fort. Dieser erwartete sie bereits, da er sich tatsächlich Zeit genommen hatte, damit sie sich in Ruhe unterhalten konnten. „Jane, Liebes. Wie geht es dir?“, fragte er und begrüßte auch Gabriel herzlich. Er bot ihnen einen Platz auf den bequemen Ohrensesseln vor seinem Schreibtisch an. „Nun, was kann ich für euch tun?“ Jane erklärte widerstrebend die Situation der unsterblichen Latina. Eldric machte weder einen Hehl aus seiner Überraschung, noch aus seiner Freude darüber, dass sein Schützling sich dazu entschlossen hatte, einem Vampir zu helfen. „Ich glaube, das wird eine wundervolle Lernphase für dich, Liebes. Natürlich unterstütze ich dich, wo ich kann“, lächelte der alte Vampir. Jane schnaubte und verschränkte die Arme. Sie konnte es selbst kaum glauben. Bisher hatte sie immer nur Aufträge angenommen, die sie der Suche nach dem Mörder ihres Vaters näherbrachten oder ihr persönliches Moralempfinden anstachelte. Nun, jetzt tat sie es eben für Aiden. „Es wäre gut, wenn wir eine Fahndung rausgeben“, ignorierte Jane die neugierigen Blicke ihres Mentors. „Ich lasse alle Daten Evelyn zukommen.“ „Wenn unsere Recherchen etwas ergeben, informiere ich dich sofort“, versicherte Eldric und bat sie auf dem Weg nach draußen noch, auf sich aufzupassen. Obwohl sie die Augen verdrehte, war sie ein wenig ruhiger, als sie das prunkvolle Gebäude mit Gabriel verließ. „Was hältst du von Shopping?“, fragte sie, woraufhin er grinste. „Typisch Mädchen“, neckte er sie, obwohl er genau wusste, dass sie nicht auf die Suche nach einem hübschen Kleid gehen würde. Zumindest nicht hier. Sie besorgte sich Munition und ein Set neuer Wurfmesser, um ihr Lager aufzustocken. Als dies erledigt war, verließ das Duo den Zirkel und trennte sich. Jane schrieb Theodore, dass sie sich am nächsten Abend treffen würden, um sich abzusprechen. Als sie den Chat mit Aiden öffnete, zögerte sie jedoch. Sie tippte die Nachricht ein paar Mal neu, bevor sie schnaubte und einfach: „Morgen um acht bei mir“, schrieb. Dann stopfte sie das Handy in die Hosentasche und fuhr viel zu schnell nach Hause. Sie nahm sich fest vor, sich zusammenzureißen, als ihr Team und die ‚Klientin‘ am nächsten Abend bei ihr auftauchten. Es war ein Glück, dass das Wohnzimmer der McCollins so groß war, denn sonst würde das scheinbar ständig wachsende Grüppchen langsam den Rahmen sprengen. Drei Vampire und zwei Sterbliche fanden sich auf der Couch ein und Fiora wurde auch Gabriel vorgestellt. „Freut mich, dich kennenzulernen“, sagte die Latina zu dem Werwolf, der etwas verblüfft nickte. „Klar.“ „Du bist ein Alpha, oder?“, lächelte sie Gabriel an, wobei sie mit ihrem Haar spielte und sich ein wenig zu ihm lehnte. „Sieht man sofort. Wie groß ist denn dein Rudel? ... Tut mir leid, wenn ich zu neugierig bin, ich habe noch nie wirklich mit einem Werwolf geredet", erklärte sie mit einem zurückhaltenden, aber doch neugierigen Lächeln. „Äh... Ja. Ich bin der Alpha", kam es mit einer hochgezogener Augenbraue über Gabriels Lippen, als er ein wenig zurückwich und zu seiner Kindheitsfreundin rüber rutschte. Er war kein sonderlicher Fan von Vampiren. Auf so eine Nähe konnte er verzichten. Trotzdem blieb er höflich und antwortete: „Wir sind momentan elf Wölfe, wenn man die Kinder nicht dazurechnet." „Ist das ein großes Rudel? Tut mir leid, ich kenne mich da nicht aus“, lachte Fiora glockenhell. „Na ja, für eine europäische Großstadt schon“, erklärte Gabriel, der sich stolz ein wenig aufrichtete. „Größere Rudel gibt es sonst eher in weniger dicht besiedelten Gebieten.“ „Wie aufregend! Und…“, fuhr die Vampirin mit einer Flut von Fragen fort, die dem Werwolf offensichtlich das Gefühl gaben, die wichtigste Person im Raum zu sein. Jane beobachtete das Geschehen misstrauisch. Nachdem Fiora gestern so ein Biest zu ihr gewesen war, hatte sie mit diesem Verhalten nicht gerechnet. Sie fragte sich, ob die Vampirin etwas gegen sie hatte, weil Jane eine Frau war und ihr die Aufmerksamkeit der Männer wegnehmen konnte oder ob sie schlichtweg die menschliche Rasse nicht mochte. Was immer es war, es war in ihren Augen anstrengend. Allerdings fiel ihr auf, dass sie nicht so genervt war wie gestern. Sie zuckte ein wenig zusammen, als Aiden sie genau in dem Moment ansprach. „Du musst das nicht tun, wenn dir das zu viel ist. Es ist wirklich nicht dein Problem.“ „Das ist es nicht“, fauchte Jane zurück, schaltete den Fernseher aus und stand auf. „Es nervt mich nur, dass ihr euch dauernd bei mir einquartieren müsst.“ Sie schmiss die Fernbedienung achtlos auf die Couch, woraufhin selbst Gabriel ein wenig zusammenzuckte. „Geht das nicht irgendwo anders? Teddys Wohnung wäre doch groß genug.“ Ohne auf Reaktionen zu warten, ging die Jägerin Richtung Küche. Sie schnappte sich ihren Laptop, der auf der Bartheke lag und massierte sich leise seufzend die Schläfe, um ein wenig runterzukommen. Es war nicht ihr Plan gewesen, diese gereizten Worte von sich zu geben, doch hatte sie sich nicht zurückhalten können. „Ich schätze... wir sollten für heute gehen. Sie wird uns sicher informieren, wenn es Neuigkeiten aus dem Zirkel gibt und sie ist bestimmt gestresst, wegen ihren Examen und schriftlichen Arbeiten“, hörte sie Theodores Stimme aus dem Wohnzimmer. Raschelnd setzte sich die ganze Entourage in Bewegung. Gabriel steckte den Kopf rein, um sich zu verabschieden, doch Jane wies ihn an, zu bleiben. Sie wollte jetzt nicht alleine sein. „Ich versteh ja, dass du die nich hier haben willst“, meinte Gabriel und kratzte sich am Kinn. „Aber… Du hast sie hierher eingeladen, schon vergessen?“ Jane wurde rot, kam aber nicht zu einer Antwort, da sie in dem Moment Aiden sagen hörte: „Geht schon mal vor.“ Kurz darauf stand er in der Küche, diesen unglücklichen Ausdruck eines getretenen Hundes in den Augen, den er immer bekam, wenn sie wütend auf ihn war. Ihr war noch nie aufgefallen, dass er sie tatsächlich ein wenig besänftigte. Sein Blick fiel auf Gabriel, der die stumme Aufforderung zu gehen jedoch ignorierte. Seufzend wandte Aiden sich also an Jane. „Ich weiß zwar nicht, was ich falsch gemacht habe, aber was auch immer es ist, es tut mir leid", erklärte er ihr so direkt wie immer, was er dachte. „Wenn du mir sagen würdest, was ich getan habe, wäre es aber bedeutend einfacher etwas zu ändern", fügte er mit einem kleinen, hoffnungsvollen Lächeln hinzu. Seine Worte versetzten ihr einen schuldbewussten Stich. Schließlich war ihr bewusst, dass er eigentlich nichts für ihre schlechte Laune konnte, es größtenteils ihr eigenes Problem war und es nicht die feine englische Art war, wie sie sich ihren Gefährten gegenüber verhielt. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist alles in Ordnung“, behauptete die junge Frau, wobei sie es nicht übers Herz brachte, ihn anzusehen, sondern hatte ihren Blick etwas von ihm abgewendet. Die Enttäuschung in seiner Stimme konnte sie trotzdem hören, als er: „In Ordnung“, antwortete. „Einen schönen Abend noch.“ Sie sah erst auf, als sie die Tür hinter ihm ins Schloss fallen hörte. Tief seufzend rieb sie sich über die Augen. Sie konnte gar nicht erwarten, dass diese Latina abreiste und alles wieder normal werden würde. Gabriel, der sich die ganze Zeit über ruhig verhalten und geschwiegen hatte, blickte besorgt zu seiner besten Freundin. Vorsichtig nahm der Spanier ihre Hand, um diese zärtlich zu drücken und ihr so zu zeigen, dass er an ihrer Seite war - wie immer eigentlich. „Janie... Was ist los?“, wollte er wissen. Jane wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, weshalb sie sich so ekelhaft ihren Freunden gegenüber benahm und wieso sie sich so frustriert, wütend und enttäuscht zugleich fühlte. Sie konnte Gabriel nur in unbestimmtem Leid ansehen – doch er verstand sie. Der Werwolf legte seine Hand auf ihren Kopf und strich zärtlich darüber. „Wenn du reden willst, sag Bescheid. Ich höre dir zu, okay?“ Jane lächelte schwach und ließ sich in eine feste Bärenumarmung ziehen, nach der es ihr tatsächlich besser ging. Sie hatte allerdings keine Lust, weiter darüber zu reden, weshalb sie das Thema wechselte und vorschlug, gemeinsam zu kochen. Während sie den Eintopf vorbereiteten, redeten sie über die Uni und ihre Freunde – alles, nur nicht die Unsterblichen, die gerade sonst wo unterwegs waren. Während des Essens mit Elizabeth musste Jane sich zusammenreißen, nicht von Aiden zu phantasieren, der mit einer in ein hautenges Kleid gehüllten Fiora tanzte. Sie suchten nur diesen Majid, damit sie so schnell wie möglich wieder verschwinden könnte. Dabei half Jane doch gerne. Es vergingen zwei Tage, an denen die Gruppe keine Anhaltspunkte für Majids Verschwinden aufkamen. Dabei war es für Jane ein Segen, dass es sich in der Zeit um Wochentage handelte und sie Vorlesungen hatte, sodass sie sich mit Fiora und ihren unnötigen Annäherungen gegenüber ihren Freunden nicht ständig herumschlagen musste. Sie vermied es, ihre Aufmerksamkeit zu sehr auf Aiden zu richten und verbrachte ihre Freizeit eher mit Theodore, Gabriel und ihren menschlichen Freunden. Die drei Vampire hielten ihre eigenen Treffen Theodores Wohnung ab. An einem Dienstagvormittag, als die Jägerin in einer Vorlesung saß, erhielt sie eine Nachricht von Eldric, der ihr einige auffällige Dokumente per E-Mail gesendet hatte. Sie informierte Theodore, damit sich alle Beteiligten gegen Abend bei ihr versammeln konnten. „Laut Eldric sind in den letzten zwei Wochen zwei blutleere Leichen in London entdeckt worden", erläuterte die Brünette den ganzen Sachverhalt und legte die ausgedruckten Dokumente auf den Couchtisch ab. „Willst du damit sagen…?“, fragte Fiora, die merklich blässer geworden war und sich mit zitternden Händen die Dokumente schnappte. „Nein, die Namen der Toten sind hier vermerkt. Seiner ist nicht dabei, siehst du? Wir finden ihn schon, keine Sorge“, versprach ihr Ex-Freund mit einem aufbauenden Lächeln, das jedoch so schnell verblasste, wie es aufgeblitzt war. Sein Blick begegnete dem von Jane, welche jedoch schnell zu Theodore blickte. „Wir sind wegen der Nationalität der Toten auf einen Zusammenhang gekommen“, erklärte sie. Sie hatten nicht die britische Staatsbürgerschaft, lebten nicht einmal in London und stammten jeweils aus Südamerika und Afrika", fuhr sie fort. Man musste nicht zweimal überlegen, worauf sie hinauswollte. Es wäre nicht unwahrscheinlich, wenn die Mörder dieser Menschen hinter der Entführung Majids steckten. „Wieso stand davon bisher nichts in den Zeitungen? Soweit ich weiß, war davon nichts in den Nachrichten zu hören?“, wollte Theodore wissen, als er die Papiere studierte, um sich das Wichtigste zu merken. „Der Zirkel war vor der Polizei und vor den Passanten zur Stelle und konnte die Leichen wegschaffen", erklärte die junge Frau und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihren Blick hatte sie stur auf Theodore oder Gabriel gerichtet. Ihr Blick schweifte für einen Moment zu Fiora, um zu sehen, wie Aiden sie im Arm hielt und beruhigend auf sie einredete. Seufzend fuhr sie sich durchs Haare. Sie hätte das Ganze wohl sensibler vortragen können. „Ich würde vorschlagen, dass wir die beiden Orte aufsuchen und untersuchen, an denen die Leichen gefunden wurden. Am besten teilen wir uns in zwei Gruppen auf, damit wir schneller vorankommen. Gabe und ich sehen uns in Hammersmith um und ihr drei übernehmt die Gegend in Camberwell“, verkündete Jane und stand auf, bevor jemand sich dazu äußern konnte. „Ihr könnt schon losziehen. Gabe und ich werden uns in wenigen Minuten auf den Weg machen“, erklärte sie mit einem Tonfall, der zeigte, dass sie keinen Widerspruch dulden wollte. Während die Männer ziemlich baff von dem Rausschmiss aussahen, funkelte Fiora sie an. Sie erhob sich auf die langen Rehbeine, schwang ihr hüftlanges Seidenhaar herum und stolzierte zur Tür. Ihre Artgenossen erhoben sich ebenfalls. „Passt auf euch auf…“, murmelte Aiden noch, bevor er seinem Ur-Großneffen zur Tür hinaus folgte. Ein kurzer Schmerz flammte in ihrer linken Brusthälfte auf. Sie murmelte: „Ihr auch“, so leise, dass es vermutlich nicht mal der Vampir noch hören konnte. Dann stand sie auf und ging nach oben, um sich für die Suchaktion fertig zu machen. Vielleicht eine Stunde später befanden sie sich an ihrem Zielort, einer verlassenen Lagerhalle unweit der Hammersmith Bridge. Das Team sah sich akribisch um, wobei ihnen Gabriels hervorragende Nase zu Hilfe kam. Obwohl sich die junge Frau so sehr auf den Fundort fixierte, schaffte sie es nicht wirklich, Aiden gänzlich aus ihren Gedanken zu verbannen. Ständig flackerten vor ihrem inneren Auge die Erinnerungen daran auf, wie er und seine Ex-Freundin sich unterhielten und wie sie sich gegenüber benahmen – und bei jeder einzelnen hatte sie das Gefühl, dass man ihr die Kehle zuschnürte oder das Herz schmerzhaft zusammendrückte. Ihr Blick schweifte du Gabriel, der vorbildlich seine Aufgaben erledigte und herumschnüffelte, sodass er gar nicht merkte, wie er angesehen wurde. Noch während er sich am Hinterausgang einer anderen, größeren Lagerhalle umsah, dachte seine Begleitung an den Tag zurück, an dem die unsterbliche Latina sich an ihn gewandt und ihm ein wenig auf die Pelle gerückt war. Im Vergleich zu den Erinnerungen mit Aiden, verspürte sie diesmal keine heftigeren Emotionen, sondern vielmehr ein ungutes bzw. komisches Gefühl. Woran das wohl lag? „Janie. Hier. Ich rieche Blut, aber nur hauchdünn“, klärte Gabriel seine beste Freundin auf, nachdem er an der Stufe gerochen hatte, die sich unterhalb der Hintertür befand. Da das Blut kaum noch zu riechen war, konnte man darauf schließen, dass bereits einige Zeit seit dem Vergießen zurücklag oder dass jemand seine Arbeit ziemlich sauber gemacht hatte. Zwar registrierte die Jägerin die Tatsache mit dem Blut, doch hing sie mit ihren Gedanken weiterhin beim Vergleich zwischen ihrem besten Freund und dessen biologischen Erzfeind fest, weshalb sie eher nachdenklich wirkte, als sie mit ihrer Begleitung nach Hause fuhr. Dabei kam sie nicht umhin, an Theodores zu denken, als dieser seine Verwunderung über die Beziehung zwischen den beiden Kindheitsfreunden geäußert hatte. „Sag mal... Was hältst du davon, wenn wir mal ausgehen?", schlug Jane vorsichtig vor, worauf der Angesprochene die Stirn runzelte sie überrascht ansah. Offensichtlich konnte er nicht glauben, was er hier gerade hörte. Selbstverständlich entging ihr seine Verwunderung nicht, weshalb sie erklärte: „Ich ... würde gerne etwas herausfinden, wenn das für dich in Ordnung ist? Ich meine, du musst nicht, wenn es dir unangenehm ist, aber es würde mir wahrscheinlich helfen." Noch während die junge Frau gesprochen hatte, hatte sich ein kleines, verlegenes Grinsen auf den Lippen des Alphas gebildet, wobei er sich etwas unbeholfen am Hinterkopf kratzte. „Nein. Es ist in Ordnung. Um ehrlich zu sein, habe ich auch ein wenig darüber nachgedacht, nachdem Teddy damit angefangen hat", gab er zu, worauf sein Gegenüber gar nicht anders konnte, als leise zu lachen. „Okay… Wir besprechen dann, wann und wo?“, fragte Jane, da sie in dem Moment auf die Einfahrt des Anwesens einbogen. Beide waren ein bisschen fahrig und übermäßig höflich, als sie das Haus betraten. Jane merkte selbst, wie schrill ihr Lachen plötzlich klang, als sie mit Gabriel auf der Couch ihres Hauses redete. Es war ein Wunder, dass der Werwolf trotzdem noch den Kopf in Richtung Haustür heben konnte, als er draußen etwas hörte. „Was ist?“, fragte Jane alarmiert. Ihre Hand wanderte zu dem Messer an ihrem Oberschenkel, doch Gabriel hob abwehrend die Hand. „Es ist die Vampirin. Sie… Flucht ganz schön“, sagte er verblüfft, bevor er lachen musste. „Nicht schlecht!“ Inzwischen hörte selbst Jane die wütende Latina und dann die Klingel. Sie stand auf und trat zur Seite, als eine Welle langen, seidigen Haares an ihr vorbeirauschte. Verblüfft sah sie Fiora nach und dann zu Aiden und Theodore. Ersterer wirkte ziemlich unbehaglich, während letzterer breit grinste. „Was ist denn los?“, fragte sie perplex und ließ die beiden rein. „Oh, mein lieber Onkel hatte die grandiose Idee, Fiora mit der Möglichkeit zu konfrontieren, dass Majid sie verlassen haben könnte“, erklärte Theodore belustigt, während er die Schuhe abstreifte. Jane sah ihren ehemaligen Mitbewohner vorwurfsvoll an, der immerhin den Anstand besaß, geknickt auszusehen. „Es ist eben möglich“, rechtfertigte er sich kleinlaut. „Ich kann euch hören!“, rief die Latina aus dem Wohnzimmer. Aiden zuckte zusammen, während Theodore sichtlich ein Lachen unterdrücken musste. Jane seufzte und brachte sie ins Wohnzimmer. Für so einen Klotz hatte sie den ältesten der Vampire ehrlich gesagt gar nicht gehalten. Sie schämte sich ein wenig, als sie sich neben Gabriel auf der Couch niederließ, denn ihre Laune war bedeutend besser als am Vormittag. Entsprechend motiviert war sie, mit ihrem Bericht loszulegen. „Wir konnten bis auf den hauchdünnen Geruch von Blut am Hinterausgang einer Lagerhalle nichts Auffälliges finden“, erläuterte der Werwolf den kleinen Fund in Hammersmith. „Es gab keine Berichte über einen Überfall in der Gegend in den Nachrichten, also glauben wir, dass es eine Verbindung geben könnte. Natürlich könnte es sein, dass beim Aussaugen ein bisschen Blut getropft ist, doch Angesicht der Umstände sollten wir uns nicht nur auf das Offensichtliche konzentrieren“, fuhr Jane mit den Überlegungen fort, während sie nachdenklich auf die Dokumente blickte, die sie in den Händen hielt. „Was meint ihr, woher das Blut stammen könnte, wenn man sich nicht nur auf das ‚Offensichtliche‘ konzentriert?", fragte Aiden. „Es könnte auch geflossen sein, wenn der Mensch sich gewehrt hat und der Vampir Gewalt anwenden musste. Oder es hatte gar nichts mit der ganzen Sache zu tun und stammt von einem Unbeteiligten, der sich dort eben zufällig verletzt hat.“ „Es wäre gut möglich, dass dort mehrere Leute beteiligt waren, bevor man das Opfer getötet hat. Dies könnte wiederum bedeuten, dass das Blut von einem anderen stammt - was nicht wirklich unlogisch wäre, wenn man bedenkt, dass zwei Leichen gefunden wurden, die ähnliche Wunden aufweisen und während nahen Zeitpunkten in London gefunden wurden“, meinte die junge Frau leise und lehnte sich ein wenig zurück. „Wir sollten selbst dorthin fahren und uns umsehen“, verlangte Fiora an Aiden gewandt, der nickte. Jane unterdrückte ein wütendes Schnauben. Warum hatte die Latina sie überhaupt gefragt, wenn sie ihr nicht vertraute und sich selbst am Tatort umsehen wollte? Aber wenn sie das unbedingt tun wollte, bitte. Solange sie ihr nicht sonst irgendwie in die Quere kam oder an anderen Dingen hinderte, wäre es einigermaßen tolerabel. „Ich möchte mit den Angehörigen der Toten sprechen“, verlangte Fiora mit ihrem hauchzarten Akzent, der die Silben rollend enden ließ. „Wenn sie, genau wie Majid, entführt wurden, wissen ihre Verwandten vielleicht etwas von ungewöhnlichen Personen, die sich um sie herumgetrieben haben.“ Dass sie extra nochmal betonte, dass ihr Freund sicher entführt worden war, bezog sich natürlich auf Aidens vorige Worte, obwohl sie es immer noch wie Jane hielt und ihn nicht beachtete. Gerade, als die Brünette mit ihren Vermutungen fortfahren und über das weitere Vorgehen sprechen wollte, vernahm sie die Worte der zweiten Frau im Raum, worauf sie innehielt und die Stirn runzelte. Ihr Blick wanderte instinktiv zu Aiden und für einen kurzen Moment zog sich in ihrem Innern alles unangenehm zusammen, da sie wusste, dass er Fiora bis zum Abschluss des Falls zur Seite stehen würde und es in ihren Augen nur logisch erschien, dass man ins Ausland verreisen musste, wenn man mit den Angehörigen der Toten sprechen wollte. Immerhin stammten die Opfer von anderen Kontinenten und hatten weder eine britische Aufenthaltsbewilligung, noch die Bürgerschaft. Der Gedanke, dass sie den 500 Jahre alten Vampir über längere Zeit nicht mehr sehen, ihn praktisch wieder verlieren würde, jagte ihr unglaubliche Angst ein, die man in ihrem Gesicht für eine Millisekunde ansah. Allerdings fasste sie sich schnell wieder, schluckte einmal hart und fuhr sich mit einer kurzen fahrigen Bewegung durch die Haare. „Dann würde ich dir... euch anraten, den nächsten Flieger zu nehmen, um sobald wie möglich nach Alaska und Thailand zu kommen. Wer weiß, ob die Täter es nicht auf ihre nächsten Angehörigen abgesehen haben und sie töten, um sie zum Schweigen zu bringen“, konnte Jane sich einen gereizten Kommentar nicht verkneifen. Sie stand auf, nachdem sie den Fernseher ausgeschalten hatte und ging Richtung Eingangsbereich. Irgendwie verspürte die Jägerin einen leichten Anflug von Panik und glaubte, womöglich zu ersticken, wenn sie sich länger im gleichen Raum wie die anderen befinden würde. Sie schritt in die Küche, um sich etwas zu trinken zu genehmigen. Sie nutzte diese Gelegenheit, um ein paar Mal tief durchzuatmen und ihre Gedanken ein wenig zu ordnen und runterzukommen. Als die Brünette das Gefühl hatte, dies erreicht zu haben, begab sie sich wieder zur Gruppe und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand, ehe sie in die Runde sah. Dabei vermied sie es, Aiden direkt anzusehen. „Wie lautet die Entscheidung? Willst du oder... wollt ihr ins Ausland? Wenn dem so ist, werden wir die Planung umändern müssen“, wollte sie von der Gruppe wissen, wobei sie versuchte, so ruhig und professionell wie möglich zu klingen. In ihrem Augenwinkel konnte sie Theodore erblicken, dessen Gesichtsausdruck etwas besorgt zu sein schien. Bevor Fiora irgendetwas sagen konnte, war Aiden aufgestanden. „Ich gehe nirgendwo hin“, erklärte er mit einem harten Blick, den Jane kaum je an ihm gesehen hatte. Jane blinzelte und öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, mischte Fiora sich ein. „Was sollen wir dort auch?“, fragte Fiora ziemlich ungnädig. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Majid dort ist, ist verschwindend gering, und für mich sind diese Menschen vollkommen gleichgültig. Es wird genügen, ihre Verwandten per E-Mail oder dergleichen zu kontaktieren. Auf Facebook dürften sie nicht schwer ausfindig zu machen sein.“ „Nun, denkst du wirklich, dass sich die Angehörigen irgendwelchen fremden Leuten anvertrauen werden, die explizit etwas über das Verschwinden der Toten wissen möchten, wenn diese sie per E-Mail oder Facebook kontaktieren? Würdest du keinen Verdacht schöpfen, wenn eine wildfremde Person dich plötzlich auf das Verschwinden Majids ansprechen würde? Und außerdem wissen wir nicht, wie lange wir auf eine Antwort in der Hinsicht warten müssen, weshalb ein persönliches Treffen bestimmt wirkungsvoller und effektiver wäre", erklärte die Jägerin die Sicht ihrer Dinge, ehe sie sich von der Wand abstieß und mit den Schultern zuckte. „Ich denke, auf ein Mail zu warten, dauert nicht so lange, wie drei Mal um die halbe Welt zu fliegen“, erwiderte Fiora und warf das lange Haar selbstbewusst über die Schulter. Es war das erste Mal, dass sie Janes Anwesenheit aktiv zur Kenntnis nahm. Die Jägerin hätte darauf verzichten können. „Immerhin müssen wir wahrscheinlich zurückkommen. Es könnte natürlich sein, dass die Informationen uns wo anders hinführen würden, und dann wären wir völlig umsonst herumgereist.“ „Nun, da die Leichen in London aufgetaucht sind und es einige Hinweise gibt, dass Majid sich möglicherweise in der Nähe aufhalten könnte, würde ich vorschlagen, dass wir es doch mal per E-Mail oder Facebook probieren, aber uns hauptsächlich auf die Tatorte und die Blutspuren konzentrieren“, schlug Theodore vor, der Jane mit seinem Blick fixierte. Sie sah betont in die andere Richtung. „Gut, dann würde ich vorschlagen, dass ihr noch heute den Tatort in Hammersmith untersucht, da der Blutgeruch laut Gabe ja ziemlich verdünnt ist“, sprach die Jägerin ein wenig gleichgültiger, da es ihr mittlerweile egal war, ob Fiora ihre Arbeit als nicht geflissentlich und unsauber erachtete. „Unterdessen werde ich versuchen, die Kontaktdaten der nächsten Angehörigen der Toten zu organisieren, sodass man möglicherweise mit ihnen telefonieren oder sogar per Videochat sprechen kann." „Ich helfe dir", meldete sich Gabriel sofort zu Wort und blickte seine beste Freundin an, worauf diese kurz die Augenbrauen anhob und nicht umhin kam, ihn daraufhin dankbar und schwach (aber dennoch sanft) anzulächeln. "Gut, dann wäre das geklärt. Sobald wir mehr wissen oder ich weitere Informationen vom Zirkel erhalte, gebe ich Bescheid", fuhr Jane fort und beendete somit das Treffen. Da niemand etwas dagegen zu haben schien, erhob sich Theodore und ging zur Tür. Allerdings hielt er schnell bei ihr inne und beugte sich zu ihr runter, um ihr folgende Worte ins Ohr zu flüstern: „Wenn du reden willst – egal über war – weißt du ja, wo du mich findest." Er wandte sich um und schritt nach draußen, wobei die junge Frau nicht anders konnte, als ihm irritiert hinterherzusehen. Was war bloß los, dass er ihr nun ein offenes Ohr schenken wollte? War es wirklich so offensichtlich gewesen, dass sie etwas bedrückte? Nachdem die Gruppe ihr Haus verlassen hatte, begann sie mit den Recherchen, wobei sie mit Gabriel per Telefon und SMS in Kontakt stand, da dieser ja angeboten hatte, ihr zu helfen. Zwar hätte Jane dies unter normalen Umständen ziemlich schnell hinbekommen, doch da ihre Gedanken immer wieder zu Aiden abdrifteten und sie dauernd mit den aufkeimenden Gefühlen konfrontiert wurde, zog sich die Beschaffung der Kontaktdaten um einige Stunden in die Länge. Erst, als es auf Mitternacht zuging, hatte die Jägerin es geschafft, die Nachrichten zu verfassen und zu versenden, ehe sie sich zu Bett begab. Nach dem anstrengenden und aufwühlenden Tag hätte man eigentlich erwarten können, dass sie nicht lange wach bleiben würde, doch wälzte sie sich eine ganze Weile lang herum, weil sie einfach nicht aufhören konnte, über die Umstände betreffend des 500 Jahre alten Vampirs nachzudenken. Tief in ihrem Innern ahnte sie wohl schon, in welche Richtungen ihre Emotionen gingen, doch versuchte sie - auch jetzt, wo er eigentlich den größten Teil ihrer Gedanken einnahm - diese so gut es ging zu unterdrücken. Sie schloss die Augen und sah unmittelbar vor sich, wie er mit seiner Ex-Freundin das Land verließ und nie mehr zurückkam. Sofort schnürte sich alles in ihr zu und sie hatte das Gefühl, erneut schwer atmen zu können, während sich jede Faser ihres Körpers anspannte und ein unangenehmer Schauer über ihren Rücken lief. Sie mochte es nicht. Sie mochte den Gedanken nicht, dass Aiden womöglich wieder verschwinden und sie allein und unwissend zurücklassen würde. Es beängstigte sie und bedrückte sie so sehr, dass sie beinahe wieder einen Anflug von leichter Panik verspürte und merkte, wie ihre Augen brannten. Bevor allerdings irgendwelche Tränen über ihre Wangen rollen konnten, siegte die Müdigkeit über ihren Körper und sie schlief mit einem traumlosen Schlaf ein. Die nächsten Tage verliefen relativ ruhig und ohne weiteres Zusammentreffen der Gruppe, da die schwerreiche Wirtschaftsstudentin hauptsächlich mit ihren letzten Examen beschäftigt war und es keine neuen Hinweise gab, die ihnen im Fall des verschwundenen Liebhabers weiterhelfen konnten. Allein Gabriel war es, der regelmäßig und offen bei seiner besten Freundin vorbei sah (neben Theodore, den sie allerdings nur in der Vorlesung zu sehen bekam), um nach dem Rechten zu sehen. So kam es dann auch, dass sich die beiden Kindheitsfreunde darauf einigten, am Wochenende das besagte Date durchzuführen. Als der Samstag anbrach, erhielt die Jägerin dann auch signifikante Informationen über einen der Toten und die Nachricht, dass ein weiterer Leichnam gefunden wurde, der aus Afrika stammte. Feinsäuberlich hatte die junge Frau dann auch die Papiere ausgedruckt und zusammengeheftet, weil sie plante, bei Theodore vorbeizusehen und diese abzugeben. Natürlich hätte sie die Gruppe anrufen und zu sich nach Hause bestellen können, doch da sie an dem Tag mit dem Werwolf ausgehen wollte, war der Zeitplan knapp. Außerdem hatte Fiora in der kurzen Zeit schon sehr oft betont, wie sie ihren eigenen Kopf durchsetzen wollte, weshalb es bestimmt keinen Unterschied machen würde, wenn sie ihr die Informationen einfach übergab und sie machen ließ. Sie überlegte eine Weile, was sie für das Date tragen sollte. Sie wollte nicht übertreiben. Es war Gabriel, für den musste sie nicht die Beauty Queen spielen. Er kannte sie sowieso zu gut. Aber sie wollte zeigen, dass sie das ganze ernst nahm. Schließlich entschied sie sich für einen kurzen, schwarzen Faltenrock und einen weinroten Pulli, unter dessen Kragen ein weißer Hemdskragen hervorblitzte. Sie zog den Scheitel ihrer Haare etwas tiefer und legte ein wenig Make-Up auf. Dann schnappte sie die Dokumente und verließ sie das Haus. Weit kam sie aber nicht, denn vor der Tür erblickte sie ihren ehemaligen Mitbewohner. Sie blinzelte ein paar Mal verwirrt, da sie nicht damit gerechnet hatte, ihn in der nächsten Zeit allein zu sehen. „Oh... Aiden“, sagte sie entsprechend verblüfft und strich sich die Haare hinters Ohr, bevor sie einige Schritte auf ihn zuging und sich ein wenig umsah – fast, als ob sie sich vergewissern musste, dass er wirklich alleine war. „Ich wollte gerade zu Teddy und Fiora, um die neuesten Informationen abzugeben. Wenn du schon hier bist, kann ich sie dir gleich mitgeben? Ich habe heute nicht unbedingt viel Zeit.“ Zum ersten Mal seit dem Auftauchen seiner Ex-Freundin, lächelte sie ihn schwach, aber dankbar an, als sie ihm den Umschlag mit den Papieren überreichte, weil sie sich ausnahmsweise nicht angespannt fühlte. Er winkte ihren Dank ab, doch seine Augen sahen ein wenig dunkler aus, während er sie musterte. „Du siehst sehr hübsch aus. Hast du was Bestimmtes vor, oder hattest du einfach Lust, dich schick zu machen?“ „Hm? Oh.. na ja“, begann Jane. „Ich treffe mich mit Gabe. Wir wollten heute mal... zusammen ausgehen. Kino und danach essen gehen oder so.“ Sie wusste nicht wieso, doch während sie sprach, beschleunigte sich ihr Puls ein wenig und eine gewisse Unbehaglichkeit machte sich in ihr breit. Sie runzelte die Stirn, als er einen Moment mit der Antwort brauchte. Doch dann räusperte er sich und straffte die Schultern. „Schön für euch. Ich wünsche euch viel Spaß.“ Sie lächelte dieses falsche Gefühl weg und strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Und was machst du hier? Wolltest du irgendetwas Bestimmtes von mir?“, wollte sie von ihm wissen, weil sie nicht glaubte, dass er zufällig vorbeigekommen war. Außerdem hatte sie das Thema von sich ablenken wollen. Er blinzelte ein paar Mal, sah dann zur Seite. „Na ja... Ich habe dich vermisst“, antwortete er ehrlicher, als er eigentlich vorgehabt hatte. „Aber du bist beschäftigt, tut mir leid, dass ich dich aufgehalten habe.“ Mit diesen wenigen Worten nahm er ihr jeglichen Wind aus den Segeln. Sofort zog sich alles in ihr zusammen und das erdrückende Gefühl auf dem Brustkorb, welches sie in der vergangenen Zeit regelmäßig verspürt hatte, als sie in der Gegenwart von Aiden und Fiora gewesen war, wurde schwerer und gab ihr das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Nichtsdestotrotz kam Jane nicht umhin, sofort den Kopf zu schütteln. „Nein, nein! Ich... freue mich, dass du dir Zeit genommen hast und vorbei gekommen bist. Wirklich“, gab die junge Frau ehrlich zu, wobei sie es nicht über sich brachte, ihm zu sagen, dass sie ihn genauso vermisst hatte. Unbewusst hatte sie aber ihre Hand ausgestreckt, wollte nach seiner greifen und diese drücken, doch hielt sie mitten in der Bewegung inne und zog sich zurück. „Ich hoffe, das Ganze legt sich bald, sodass wir wieder zu unserem normalen Alltag zurückkehren können“, sagte sie mit sehr bedacht gewählten Worten. "Ich muss jetzt los. Pass auf dich auf, okay? Grüß Teddy und... Fiora von mir“, sprach die Jägerin leise, ehe sie sich zum Wagen begab und einstieg. Durch die Frontscheibe hindurch lächelte sie ihren ständigen Begleiter noch einmal schwach an, bevor sie losfuhr und sich mit ihrem besten Freund vor dem Kino traf. Er trug schwarze Hose, ein Jeanshemd über einem weißen Shirt und ein leicht verlegenes Lächeln, das seinem gebräunten Gesicht gut stand. „Hey“, begrüßte er sie und drückte sie ungewohnt unbeholfen an sich. „Hi… Wollen wir rein?“ „Ja… Ich hab die Karten schon reserviert. Willst du Nachos?“ „Klar.“ Sie grinste ihn an und ging mit ihm nach drinnen. Die anfängliche Unbeholfenheit verflog schnell, während sie mit ihren Snacks auf den Filmbeginn warteten. Jedes Mal, wenn Janes Gedanken im Kinosaal abschweiften, flüsterte Gabriel ihr einen lustigen Kommentar zu. Sie kicherten so lange, bis ein älterer Mann hinter ihnen genervt: „Pscht!“, zischte, worüber sie nur noch mehr lachen mussten. Schließlich schlichen sie möglichst schnell aus dem Kino, um dem erbosten Film-Fan zu entkommen. Noch immer lachend hielten sie vor dem Kino. Jane hakte sich auf dem Weg zu ihrem Auto wie selbstverständlich bei Gabriel unter. Erst, als sie einsteigen wollten, fiel ihr auf, dass sie noch eine Reservierung in einem hübschen Italiener in der Nähe hatten. Es war nicht so, als wären sie noch nie miteinander essengegangen, aber das Lokal war eindeutig eine Date-Location und irgendwie… Fühlte sich das seltsam an. „Hast du… Wirklich Lust, da jetzt hinzugehen?“, fragte Jane mit ihren Autoschlüsseln spielend. Gabriel sah sie ein wenig verblüfft an und sie dachte schon, sie hätte ihn verletzt. Doch dann lachte er und wuschelte ihr durchs Haar. Sie beschwerte sich spielerisch und schlug nach seiner Hand. „Ich bin froh, dass du fragst! Irgendwie fühlt sich das komisch an, oder?“, stellte er fest, woraufhin sie erleichtert nickte. „Wie sieht’s aus? Pizza bei mir?“ Jane willigte ein und fuhr sie beide zum Haus des Spaniers. Unterwegs bestellte Gabriel bereits ihr Abendessen, sodass die Pizza bereits kurz nach ihrer Ankunft geliefert wurde. Das halbe Rudel war dort und es dauerte eine Weile, bis die beiden sich loseisen konnten. Doch schließlich hatten waren sie im Zimmer des künftigen Alpha und konnten es sich bequem machen. „Jetzt im Ernst, Janie“, begann der Werwolf nach einer Weile, als sie damit begonnen hatten, die Pizza zu essen. „Was steckt wirklich hinter dieser ‚Date‘-Aktion?" Nicht mit dieser Frage rechnend und ziemlich überrascht, hielt die Angesprochene für einen Augenblick inne, bevor sie sich auf die Unterlippe biss und den Blick ein wenig senkte. „Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst, aber... Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht sprichst", fuhr der junge Mann fort und lehnte sich ein wenig zurück, während er seine beste Freundin musterte, die plötzlich alles andere als selbstbewusst und resolut zu sein schien. Ihre Haltung wirkte eher ein wenig unsicher, beinahe verschüchtert. „Es ist...“, begann die Brünette leise, bevor sie innehielt und etwas frustriert seufzte. Sie wusste einfach nicht, wo sie anfangen sollte. Die ganze Sache und ihre Gefühle waren das reinste Chaos und schienen sie immer wieder zu überwältigen. „Hast du schon versucht, mit Teddy oder... Aiden zu reden?“, schlug der Alpha vor. Es sagte viel über Gabriels Zuneigung zu Jane aus, dass er Letzteren vorschlug. Zwar waren er und der ältere Blutsauger nicht die besten Freunde, doch wenn es um Janes Wohlbefinden ging, würde er ihn in Betracht ziehen. Beim Namen ihres ehemaligen Mitbewohners horchte die Angesprochene kurz auf und man konnte eine ungewöhnliche Regung in ihrem Gesicht erkennen, die nicht wirklich zu definieren war. Jane sah nachdenklich auf das Pizzastück in ihrer Hand. „Ich... ich weiß nicht genau, was los ist. Seit Fiora da ist, bin ich einfach so unglaublich gereizt und genervt“, kam es schwer seufzend über Janes Lippen. Gabriel blinzelte ein paar Mal und betrachtete seine sichtlich frustrierte Partnerin, ehe er mit der Zunge schnalzte und etwas unzufrieden das Gesicht verzog. Der Alpha atmete tief durch, als müsste er eine schwere Entscheidung treffen. "Du weißt es wirklich nicht...?", wollte er schließlich vorsichtig von der jungen Frau wissen. Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht und man konnte erneut an Janes Gesichtsausdruck erkennen, dass es in ihrem Kopf ratterte. Zum ersten Mal befasste sie sich richtig damit – was wohl daran lag, dass sie direkt mit dem Tatbestand konfrontiert wurde. Vor ihrem inneren Auge sah sie erneut Aiden und Fiora, wie sie nebeneinander saßen und wie er liebevoll mit ihr umging, ihr über den Kopf strich, um sie zu beruhigen und wie er sie anlächelte. Es gefiel ihr nicht – nein, sie hasste es, wie zärtlich er mit seiner Ex-Freundin umging, regelrecht an ihrer Seite klebte, wenn diese es verlangte. Es schmerzte zu sehen, dass er anscheinend mit anderen Frauen genauso umging wie mit ihr. Wieso aber keimten diese Gefühle auf, wenn sie daran dachte? Als die Vampirdame sich an Gabriel rangeschmissen hatte, hatte sie keinerlei Probleme damit gehabt. Sie hatte es lediglich als etwas unpassend und nervig empfunden. Ihr Blick glitt automatisch zu dem jungen Mann neben ihr. Wieso hatte sie keine Mühe gehabt, ihren besten Freund gemeinsam mit Fiora zu sehen, bei Aiden aber schon? Weil sie gehofft hatte, etwas Besonderes für ihn zu sein, schoss es ihr unwillkürlich durch den Kopf. Sie war eifersüchtig, da sie gehofft hatte, etwas Besonderes oder gar Wichtigeres für ihn zu sein, weil sie ihn lie...-! Bevor sich das letzte Wort komplett geformt hatte, weiteten sich ihre Augen. Es bedurfte keine vollständige Ausführung, weil es nun verständlich für sie war und das längst Verborgene endlich bewusst an die Oberfläche gelangt war. Nur langsam legte sich der anfängliche Schock über die Erkenntnis, während sie ihre zitternden Finger auf ihre Lippen drückte und versuchte, das Ganze sacken zu lassen. Natürlich fiel dem Alpha auf, dass der Groschen wohl endlich gefallen war, weshalb er sie schwach anlächelte. „Na, immerhin war unser Date erfolgreich, hm?“, versuchte er die Stimmung ein wenig zu lockern und biss vom Pizzastück ab. Schließlich hatte sie erwähnt, dass sie etwas herausfinden wollte. Sie lachte nervös und fuhr sich durch die Haare. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht benutzen. Ich… Schätze, ich habe gehofft, dass es sich genauso anfühlt wie bei ihm…“ „Schon gut.“ Er legte er ihr den Arm um die Schulter und sie ließ sich an seine Brust ziehen. „Ich meine, ich hatte einen lustigen Abend, und wann hat man schon mal ein Date mit so einer Frau?“ Lachend schupste sie ihn von sich, froh, dass es ihm so leicht fiel, ihre Stimmung zu heben. Er war genau, was sie brauchte, um ihre Gefühle zu sortieren. Die beiden unterhielten sich praktisch die ganze Nacht lang und Jane schüttete ihm ihr Herz aus, erzählte ihm von ihren Ängsten, Bedenken und generellen Gedanken bezüglich des ganzen Umstandes, ehe sie selbst zum Entschluss kam, nichts an der momentanen Beziehung zu Aiden zu ändern. Es war ihr zu riskant und sie war in der Hinsicht ein richtiger Feigling. Die Unterhaltungen der Kindheitsfreunde verlagerte sich nach einer Weile (und nachdem Jane glaubte, genug darüber geredet zu haben) auf andere Themen, sodass beide in der Hitze der Diskussion völlig die Zeit vergaßen und die junge Frau kurzerhand entschloss, beim Werwolf zu übernachten und erst gegen den Vormittag des nächsten Tages nach Hause zu fahren. Seine Gesellschaft tat ihr gut und sie wollte gerade nicht alleine mit ihren Gedanken sein. Kapitel 21: Pillowtalk ---------------------- Aiden hatte kein Glück mit den Frauen. Diese Erkenntnis hatte er gegen drei Uhr nachts auf einer Parkbank, und sie entlockte ihm ein bitteres Lachen. Gabriel dagegen schien heiß begehrt – und er konnte es verstehen. Der Welpe… Nein, der Alpha war jung und attraktiv und ernährte sich nicht von dem Lebenssaft von Janes Art. Sogar Fiora hatte mit ihm geflirtet, obwohl das seine ganz eigenen Gründe hatte. Nachdem sie sich in Janes Haus das erste Mal kennengelernt hatten, hatte Fiora Aiden regelrecht über den Werwolf ausgefragt. Als er nicht wirklich Auskunft geben konnte, hatte sie ungeduldig mit der Zunge geschnalzt. „Du hast doch gesagt, du wohnst seit September hier und kennst diese Leute seitdem. Was soll denn das?" Aiden hatte nur die Schultern gezuckt. „Frag mich über die anderen beiden aus, da bin ich besser informiert... Was willst du überhaupt von ihm?" Ihr Gesicht blieb beinahe ausdruckslos, nur ihre Augen glänzten verschlagen. „Du hast selbst gesagt, je mehr Leute suchen, desto größer ist die Chance, Majid zu finden. Und dem Werwolf steht ein ganzes Rudel zur Verfügung.“ Auf diese Idee wäre Aiden nie gekommen, obwohl sie eigentlich ziemlich gut, wenn auch ziemlich hinterlistig war. Andererseits machte Gabriel nur mit, weil Jane ihn darum gebeten hatte. Sobald seine Gedanken wieder auf sie kamen, seufzte er leise, womit er seine Begleiterin nervte. „Du schaust schon die ganze Zeit wie so ein begossener Pudel. Was ist eigentlich dein Problem?“, fragte sie gereizt. „Ich... Es geht um Jane“, erklärte er zurückhaltend. „Es ist wirklich ätzend, wie du um die Aufmerksamkeit von diesem... Schulmädchen buhlst. Lass sie doch, wenn sie meint, ihre Nase so weit oben tragen zu müssen. Du brauchst sie nicht.“ Theodore hatte versucht, die Wogen zu glätten und Aiden hatte beschlossen, nicht nachtragend zu sein. Dennoch war er wütend gewesen. Vielleicht hatte das dazu geführt, dass er ihr letztens gesagt hatte, dass Majid kalte Füße bekommen hatte, als er hörte, was seine Freundin war, und abgehauen war. Er hatte Fiora selten so wütend erlebt, und doch waren es nicht ihre Flüche, die ihn die Einsamkeit dieses Parks aufsuchen ließ. Aiden fragte sich, was Jane wohl gerade tat – und mit wem. War das Date vorbei? Wie war es gelaufen und wo hatte es geendet? All diese Fragen ließen ihm keine Ruhe und hatten ihn schon durch die halbe Stadt getrieben. Es ging ihn nichts an, das wusste Aiden. Und doch fühlte es sich wie ein Schiefer, den er sich bei diesem kurzen Gespräch vor Janes Haustür eingezogen hatte. Nachdem sie mit Logan Schluss gemacht hatte, war ihm klar gewesen, dass Jane eher früher als später eine neue Beziehung eingehen würde, und damals hatte ihm der Gedanke nichts ausgemacht – oder zumindest nicht so viel. Er hatte sogar darüber nachgedacht, dass Gabriel ein passender Kandidat war; er war ihr gegenüber vollkommen loyal, herzlich und liebevoll, außerdem konnte er ihr die Stirn bieten und hatte ihre Stimmungen offensichtlich im Griff. Noch dazu erfüllte er das Kriterium, auf sich selbst aufpassen zu können, auch wenn Aiden ihm regelmäßig seine Unreife vor Augen hielt. Rein rational gesehen gab es absolut keinen Grund, wieso Jane sich nicht in den Werwolf verlieben sollte. Es dämmerte bereits, als Aiden sich des Pakets in seiner Hand bewusst wurde und aufstand. Richtig. Er hatte etwas zu tun. Sein Ur-Großneffe zog die Brauen hoch, als Aiden später an dessen Tür klingelte. „Na, du siehst ja aus wie das sprühende Leben“, sagte er und ließ den anderen Vampir in seine Wohnung. „Was ist los?“ Aiden hatte inzwischen eine enge Beziehung zu seinem Verwandten, doch über seine Gefühle für Jane hatte er geschwiegen. Es war ihm peinlich, darüber zu reden, zumal daraus sowieso nie etwas werden würde. „Ich habe nur nicht wirklich geschlafen… Ist Fiora gar nicht da?“, wechselte er das Thema, da ihm auffiel, dass der Duft der Latina nur schwach in der Luft lag. „Ich habe Infos von… Jane hat Neuigkeiten rausgefunden, die sie sich ansehen sollte.“ „Ich bin gerade erst aufgestanden… Aber sie scheint über Nacht nicht hier gewesen zu sein“, sagte Theodore mit besorgt gerunzelter Stirn. Er zückte das Handy, um seine neue Mitbewohnerin anzurufen, doch ging ihre Mailbox ran. „Wunderbar“, seufzte Aiden und legte die Unterlagen auf die Theke. „Ich gehe sie suchen. Ruf mich an, wenn sie noch hier auftaucht.“ „Soll ich Jane und Gabe Bescheid sagen?“ Aiden schnaubte nur. „Ich denke, die sind beschäftigt“, antwortete er pampig, dann verließ er ohne ein weiteres Wort die Wohnung, um sich auf die Suche nach der Latina zu machen. Zuerst war er schlecht gelaunt, doch als die Sonne immer höher am Himmel stand und er noch keine Spur von ihr hatte, nagten Sorge und schlechtes Gewissen an ihm. Immer schneller rannte er zu den Plätzen, die er mit ihr besucht hatte, zu Touristenattraktionen, sogar zum Flughafen. Er achtete nicht mal mehr darauf, wie ein Mensch zu laufen, rannte den Möglichkeiten davon, die ihr Fehlen vermuten ließen – doch nichts. London schien sie verschluckt zu haben, und Aiden fand den Weg in seine Eingeweide nicht, um sie zurückzuholen. Wenn es wirklich jemand auf Fiora abgesehen und sie jetzt erwischt hatte, war das alleine seine Schuld. Er war bereits eine Weile unterwegs und hatte Zeit gehabt, sich in Schuldgefühle und Panik hinein zu steigern, als sein Telefon klingelte und er Janes Namen darauf sah. Eigentlich hatte er keine Lust, ranzugehen. Sollte sie ihre romantischen Erlebnisse doch irgendjemand anderem erzählen, sie hatte doch genügend Freundinnen. Angesichts von Fioras Verschwinden beschloss er jedoch, lieber abzuheben; wenn sie in der ganzen Angelegenheit in Gefahr geraten wäre, hätte er sich das nie verziehen. „Aiden? Du solltest ins Krankenhaus kommen. Fiora ist hier.“ Sie sprach abgeklärt, doch Aidens Schritte erleichterten sich um das Gewicht der Welt. „Gott sei Dank! Geht es ihr gut?“ „Jaja, komm einfach her“, sagte sie und beschrieb ihm noch den Weg. Er konnte sich nicht mal über ihren verstockten Ton ärgern. Zu erleichtert war er über ihr wiedergefundenes Schaf. Seine Eifersüchteleien waren wie weggeblasen. Andererseits fragte er sich schon, wieso alle Frauen, die zu beschützen er versprach, früher oder später verletzt enden mussten. Es war schon fast wie ein Fluch. Er rannte so schnell, wie er es sich gerade noch erlauben konnte, und war kaum zwanzig Minuten später im Krankenhaus, in dem Elizabeth arbeitete. Dort erfragte er den Aufenthaltsort seiner Ex-Freundin und joggte die Treppen hoch, weil ihm der Aufzug zu lange brauchte. Als er Jane vor dem Zimmer stehen sah, beschleunigte er seine Schritte nochmal, und sobald er sie erreichte, fasste er sie an den Schultern und untersuchte sie auf Verletzungen, fand jedoch zum Glück keine. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er trotzdem nach und ließ sie wieder los. „Ja. Wie gesagt, Fiora ist diejenige, die eingeliefert wurde…. Aber es gibt noch etwas, das du wissen solltest“, sagte Jane mit verschränkten Armen und ohne ihm in die Augen zu sehen. Für einen kurzen Moment hatte er die irrationale Angst, dass sie ihm ausgerechnet hier und jetzt von ihrer Beziehung zu Gabriel erzählen würde. Schließlich raffte sie sich dazu auf, den Kopf zu ihm zu heben. „Meine Mutter hat sie untersucht. Abgesehen von ein paar Kratzern fehlt ihr Nichts. Allerdings scheint sie in der zehnten Woche schwanger zu sein.“ Nach dem, an was er gerade gedacht hatte, brauchte es einen Moment, bis er die Neuigkeit verarbeitet hatte. „Ein Baby... Wow...“, stammelte er ziemlich überrumpelt und rieb sich den Nacken, den Blick auf der Tür. Unter anderen Umständen hätte er sich natürlich für seine Freundin gefreut, aber angesichts des verlustigen Vaters war ein Kind eher noch ein größeres Problem. „Tja, dann ist es wohl kein Wunder, dass sie so zickig war“, grinste er dann trotzdem, bevor er endlich das Zimmer betrat und sich zu der Schwangeren begab. Diese sah erschöpft, vor allem aber genervt aus, schien sich aber ein wenig zu entspannen, als Aiden sich auf ihr Bett setzte. „Wie geht es dir?“, fragte er und nahm behutsam ihre Hand. „Ich will hier raus. Das ist doch lächerlich. Die können hier sowieso nichts für mich tun." „Ich bin sicher, Liz tut ihr Bestes, damit du schnell gehen kannst“, versicherte er und musste unwillkürlich grinsen. Als sie fragend die Stirn runzelte, lachte Aiden. „Dein Baby ist jetzt schon eine größere Zicke als sine Mama.“ Sie machte ihre Hand los, um ihn damit gegen die Schulter zu schlagen. „Sei still! Das ist nicht zum Spaßen!" „Ich weiß, ich weiß“, beruhigte er sie noch immer lachend und nahm sie einfach in den Arm, was sie widerstandslos zuließ. Nach dem Morgen tat es gut, sie zu halten, doch er tat es nicht nur für sich. „Du brauchst keine Angst haben. Es wird alles gut. Du musst das nicht alleine machen.“ „Es braucht doch seinen Vater...“, flüsterte sie, woraufhin Aiden sie enger an sich drückte. Ihre Stimme klang schon wieder so nach Tränen. „Wir finden ihn schon." „Ich hab solche Angst, dass... Dass das nächste Dokument, das sie mir so gleichgültig hinknallt sein Totenschein ist." Eigentlich hatte Aiden gerade keine Lust, über Jane zu reden, aber wenn Fiora das brauchte, blieb ihm wohl nichts übrig. „Sie kennt dich nicht und tut trotzdem ihr Bestes für dich. Das tut sie immer. Hab ein bisschen Geduld mit ihr, in Ordnung?“ „Na schön... Die beiden können übrigens gerne rein kommen“, bemerkte die Latina, denn die Vampire wussten natürlich beide, dass Theodore vor einer Weile angekommen war und jetzt mit Jane vor der Tür wartete. Also löste Aiden sich von der Schwangeren und holte die beiden anderen herein. Aiden, der es vermied, Jane anzusehen, bezog mit verschränkten Armen Stellung neben dem Bett. Fiora indessen zögerte ein wenig, bevor sich an Jane wandte. „Ich war in den letzten Tagen wohl undankbar und anstrengend. Ich werde versuchen, das zu ändern.“ Ihr Ex grinste ein wenig in sich hinein, weil sie es natürlich nicht über sich brachte, sich direkt zu entschuldigen, aber ein Schuldeingeständnis war wohl besser als gar nichts. Jane sah verblüfft aus, bevor sie einigermaßen ihre Fassung wiedererlangt hatte und leise seufzend die Haare hinters Ohr strich. „Ist okay. Mein Gemüt ist wohl auch ein wenig mit mir durchgegangen“, lenkte die Brünette ein. „Ich wäre einfach nur froh darüber, wenn du versuchst, mich nicht irgendwie zu... ignorieren oder umgehen, wenn wir über das weitere Vorgehen diskutieren.“ „Ich schätze, das lässt sich einrichten“, sagte Fiora und reichte Jane aus dem Krankenbett heraus die Hand. Sie lächelten sich zurückhaltend an und Aiden fiel ein Stein vom Herzen. Hoffentlich würde das vieles vereinfachen. Denn Aiden wäre es recht, wenn die werdende Mutter sich bei der Suche mehr auf das Team verlassen würde. Er ahnte schon, wie wenig sie von der Idee halten würde, vorschlagen würde er es ihr später trotzdem. Bevor die Gruppe weitersprechen konnte, klopfte es an der Tür und Elizabeth trat ins Zimmer. „Es hat zwar ein wenig gedauert und war ein wenig... schwierig, doch ihr könnt das Krankenhaus nun ohne Probleme verlassen.“ „Na endlich!“, sagte Fiora und schwang die Beine aus dem Bett. Sie verdrehte die Augen über Aiden, der zu ihr eilte, um sie zu stützen. Stattdessen wandte sie sich an Elizabeth, die sie lange musterte, bevor sie sagte: „Danke.“ Die Ärztin lächelte. „Gerne doch. Wenn Sie Tipps brauchen, können Sie zu mir kommen. Ich bin zwar keine Gynäkologin, aber ich denke, ein paar Tipps kann ich Ihnen geben.“ Die Vampirdame nickte, dann konnte sie gar nicht schnell genug aus dem Zimmer eilen. Aiden legte Liz dankend die Hand auf die Schulter, bevor er mit dem Rest der Gruppe das Krankenhaus verließ. Alle waren der Meinung, das Fiora ein wenig Ruhe brauchen könnte, doch sie bestand darauf, die neusten Ergebnisse zu erfahren. So verabredeten sie sich im McCollins Haus, nachdem die werdende Mutter ein paar Blutkonserven geleert hatte. Sie beschwerte sich zwar über den Geschmack, aber natürlich kam gar nicht in Frage, dass sie jetzt jagen ging. Derart versorgt, konnten sie schließlich ins Haus der Vampirjägerin fahren. Sie ließ die Vampire ein und führte sie ins Wohnzimmer, wo sie sich in einem Lehnsessel niederließ. „Was ist eigentlich passiert, dass man dich ins Krankenhaus gebracht hat? Ich glaube kaum, dass du dich mit einem anderen Vampir oder so angelegt hast, oder? Ansonsten würden deine Verletzungen anders aussehen“, fragte Jane direkt. „Es war niemand zu Hause und ich habe es in der Wohnung einfach nicht mehr ausgehalten, also bin ich alleine los“, fing Fiora zu erzählen an, womit sie Aiden, ob absichtlich oder nicht, ein schlechtes Gewissen machte. „Wir hatten ja gestern eine mögliche Spur gefunden und der habe ich zu folgen versucht. Ich denke, ich habe auch einen der verschwundenen Männer gefunden, allerdings hatten zwei Vampire ihn schon fast ganz ausgesaugt, als ich dazu kam. Deshalb sind sie wohl auch abgehauen, als ich dazu gekommen bin, und haben ihre Beute nicht verteidigt. Ich wollte die Leiche untersuchen, ob vielleicht irgendetwas Verdächtiges daran ist, und dabei… Dabei habe ich sein Blut daran gerochen – das von Majid…“ Sie wurde leiser, geriet ins Stocken und schmiegte sich an Aidens Seite, als der ihr beruhigend die Hand auf die Schulter legte und dafür näher an die Couch trat, neben der er Stellung bezogen hatte. Kurz musste Fiora sich sammeln, ehe sie weiter sprechen konnte. „Ich bin ihnen nach, um sie zur Rede zu stellen, aber mir war auf einmal so schwindelig und da bin ich gestürzt, als ich eine Feuerleiter hochklettern wollte. Deswegen auch die Kratzer“, erklärte sie an Jane gewandt, die sich über die leichten Verletzungen gewundert hatte. „Verstehe... Dann heißt das also, dass die Entführungsopfer zumindest für eine kurze Zeit miteinander in Kontakt getreten sind. Anders ist das nicht zu erklären. Nur… Aus welchem Grund sollte sich Majids Blut an der Leiche befinden?“, murmelte Jane leise und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Die Gruppe analysierte gemeinsam die E-Mails, welche Jane als Antwort auf ihre Nachrichten bekommen hatte und beschlossen, sich individuell betreffend gewissen kriminellen Organisationen zu informieren, die in dieser Sache stecken könnten. Sie einigten sich darauf, sich weiterhin in Gruppen an ähnlichen Orten der Stadt umzusehen, um den Tätern möglicherweise vorzeitig auf die Spur zu kommen. Aiden beschloss, zusammen mit Theodore den dritten Tatort nochmal aufzusuchen, konnte aber den schwangeren Vampir davon überzeugen, sich noch auszuruhen und erst in ein paar Tagen wieder der Suche anzuschließen. Diesmal war es der Älteste der Blutsauger, der Jane bewusst nicht um Hilfe bat; sollte sie doch weiterhin mit ihrem neuen Freund alleine arbeiten… Obwohl die beiden sich zugegebener Maßen nicht anders verhielten als vor ihrem Date. Vielleicht waren sie ja offiziell noch kein Paar und wollten es noch nicht öffentlich machen. Wobei es Aiden dann irgendwie noch weniger gepasst hätte, dass sie die Nacht zusammen verbrachten. In den folgenden Tagen schob er dieses unangenehme Thema so weit wie möglich von sich weg, wobei es natürlich trotzdem ständig latent sein Unterbewusstsein beherrschte. Vorerst hielt er sich bewusst von Jane fern, obwohl es ihm immer noch so ging, dass er sie eigentlich gerne unabhängig von ihren Gruppentreffen gesehen hätte. Am folgenden Donnerstagabend konnte er seine Stalker-Natur dann aber doch endgültig nicht mehr zügeln und er landete irgendwie beim Anwesen der McCollins-Damen. Erleichtert stellte er fest, dass Gabriel (Was auch immer er denn jetzt eigentlich für Jane war) Nicht da war, trotzdem brachte er es irgendwie nicht über sich, einfach so zu klingeln, wie er es noch vor zwei Wochen völlig unbefangen getan hätte. Er wollte eigentlich schon wieder gehen, als eine Briese ihm den Duft der jüngeren Hausbewohnerin zutrug und er sah, dass sie auf ihrem Balkon stand. Wie schon so oft hielten seine Vorsätze nicht ihrer Präsenz stand und er gab seiner Sehnsucht nach, indem er kurzerhand zu ihr hoch kletterte. Als plötzlich ein Kopf über ihrem Balkon auftauchte, riss Jane die Fäuste hoch und Aiden konnte sich gerade noch unter ihrem Schlag wegducken. Sofort hob er abwehrend und entschuldigend die Hände. „Ich bin‘s nur… Entschuldige den Überfall.“ Bereits jetzt kam er sich ziemlich bescheuert vor, einfach so ohne Grund bei ihr aufgetaucht zu sein – und dann auch noch auf diese aufdringliche Art, genauso gut hätte er ohne anzuklopfen in ihr Zimmer stürmen können. „Oh Gott, Aiden! Wieso erschreckst du mich so?!“, keuchte sie, sich mit zitternden Fingern das Haar hinters Ohr streichend. „Ähm, ich… Wollte nur hallo sagen und fragen, wie eure Recherchen so vorangehen“, sog er sich eine äußerst fadenscheinige Erklärung aus den Fingern. Das klang aber immer noch besser als: ‚Ich wollte dich einfach sehen‘, und in letzter Zeit unterhielten sie sich wirklich ausschließlich über ihren Auftrag, was Aiden ziemlich enttäuschte. „Du bist in diesem Haus ein- und ausgegangen. Du solltest wissen, wo die Tür ist“, erwiderte sie mit einer hochgezogener Augenbraue. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken… Das war irgendwie so eine Übergangshandlung“, erklärte er verlegen sein unangekündigtes Auftauchen. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, hier aufzutauchen, sonst hätte er geklingelt. Aber er wusste nicht mal, was er Jane jetzt sagen sollte, deshalb hatte er es nicht getan. Sie drehte sich um, lehnte sich mit der Hüfte an das Gelände des Balkons und verschränkte die Arme vor der Brus. Aiden war erleichtert, dass sie nicht wütend zu sein schien. Er hätte es wirklich verdient. Allerdings bemerkte er ihre Anspannung, die er sehr gut nachvollziehen konnte. Zwar hatte er sich ein wenig beruhigt, nachdem klar geworden war, dass niemand es auf Fiora direkt abgesehen zu haben schien, aber die ganze Situation zerrte auf Dauer an den Nerven. „Wegen der Recherche…“, griff sie das vorige Thema auf. „Leider stecken wir in einer Sackgasse. Wir haben keine Hinweise dafür gefunden, dass irgendeine bekannte Organisation dahinter steckt.“ Sie erzählte, dass die Erkenntnis, dass es sich bei den Entführern um eine reine Vampirgruppe zu handeln schien, sie nicht wirklich weitergebracht hatte. Mit Eldrics Kontakte zu gewissen Leuten im Untergrund hatten sie verschiedene Ermittlungen angestellt. Nachdem die beiden unzählige Organisationen abgeklappert hatten und sich mit ihnen auseinander gesetzt hatten, um irgendwelche logische Spuren oder Zusammenhänge zu finden, standen sie einige Tage später genau wieder da, wo sie zu Beginn waren: Nämlich nirgends. Es hatte sich herausgestellt, dass kein Zusammenschluss auf der Liste eine heiße Spur darstellte, weshalb sie die Recherche diesbezüglich mit diesem unbefriedigenden Resultat beenden mussten. Aiden merkte, wie frustriert Jane von den schleppenden Ermittlungen war. Inzwischen lag das nicht mehr nur an ihrem Ehrgeiz, sondern daran, dass sie sich mit dem ungeborenen Kind identifizierte. Sie wollte es davor bewahren, ohne den Vater aufwachsen zu müssen. Aiden war erleichtert darüber, hatte er doch ziemlich an dem Gedanken geknabbert, dass sie seinesgleichen noch immer als Monster ansehen würde. „Na ja, so ist der Stand“, schloss Jane und fuhr sich durch das Haar. „Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr irgendetwas Relevantes gefunden?“ Er hätte gerne Janes Hand genommen, um ihr wenigstens ein bisschen Zuspruch zu geben. Da sie aber die Arme verschränkt hatte ließ er es bleiben. „Wir haben dasselbe Problem. Allerdings wäre es auch eine schlechter Untergrund-Organisation, wenn man sie so einfach ausheben könnte, oder?“, bemerkte er mit einem leichten Lächeln, um die Situation etwas aufzulockern. Ein widerwilliges Schmunzeln hob ihre Lippen in die Höhe. „Ich schätze schon…“, gab sie zu, bevor sie seufzend abwinkte. „Wie... geht es Fiora?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln. Er lächelte schwach, drehte sich um und legte die Unterarme auf die Brüstung. „Na ja, den Umständen entsprechend. Sie macht sich natürlich Sorgen um Majid und das Kind. Aber insgesamt ist sie ruhiger als am Anfang. Ich glaube, sie reißt sich zusammen, weil sie meint, der Stress tut ihr nicht gut“, erzählte er, wobei er seiner Ex-Freundin stillschweigend zustimmte. Aber es war wohl unmöglich, gelassen zu bleiben, wenn man der Vater seines Kindes möglicherweise tot war. „Tut mir jedenfalls leid, dass sie so zickig zu dir war. Eigentlich ist sie gar nicht so“, fügte er mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu. „Wie gesagt... Ich habe es ihr auch nicht unbedingt einfach gemacht. Von daher ist es völlig in Ordnung und berechtigt, dass sie ein wenig... zickig zu mir war“, entgegnete Jane leise und mit einem Lächeln, das ihr abweisender Blick lügen strafte. Aiden sah sie fragend an, ließ es aber dabei, bevor er unabsichtlich einen neuen Streit vom Zaun brach. Zumal er ein anderes Thema hatte, das ihn mehr interessierte, als das schwierige Verhältnis von Jane zu seiner Ex. „Wie war eigentlich dein Date mit Gabe…?“ Kurz sah Jane ihn verdutzt an, bevor sie die Schultern zuckte. „Ich würde es mittlerweile nicht mal mehr als ein 'Date', sondern als Treffen unter Freunden bezeichnen“, klärte sie auf und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus der Frisur gelöst hatte. „Wir haben zwar versucht, es aus der romantischen Seite her zu betrachten, doch wurde es für uns beide relativ schnell komisch. Ich meine... natürlich, wir lieben uns – aber eben wie Bruder und Schwester.“ Sie stieß sich vom Gelände ab, um sich umzudrehen und mit verschränkten Armen nach vorne zu blicken, wo der Garten lag. Ihr Blick wanderte zu Aiden, wobei sich ein kleines Grinsen auf ihre Lippen legte. „Und jetzt im Ernst: Kannst du dir das wirklich vorstellen? Gabe und ich – ein Paar?“ Aiden konnte ein unwillkürliches Lachen nicht unterdrücken. Was er sich für Gedanken gemacht hatte und jetzt war der Werwolf für sie wie ein Bruder – was er eigentlich gewusst hatte. Er war so ein Vollidiot. Erschöpft rieb er sich über die Augen und nickte, noch immer über sich selbst schmunzelnd. „Tja… Dann hat Teddy jetzt wenigstens seine Antwort, was euch beide betrifft. Tut mir trotzdem leid“, sagte er, wobei er nicht mal versuchte, seine Lüge zu tarnen. Zuerst war sie etwas irritiert über sein Amüsement, doch als er von Theodore und seinem kleinen ‚Experiment‘ sprach, schmunzelte sie. Dabei fiel ihm auf, dass ihre Hände ein wenig zitterten und er legte ohne groß darüber nachzudenken seine Jacke um ihre Schultern. Er hätte das schon früher tun oder anbieten sollen, dass sie reingingen. Manchmal war es so leicht, ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu übersehen. „Hm? Oh… Danke“, kam es etwas überrascht über Janes Lippen. Sie zog die Jacke ein wenig enger um die Schultern und ein kleines Lächeln erhellte ihre Züge. Er lächelte stützte sich wieder auf die Balustrade und sah einem vorbeifahrenden Auto hinterher. Es freute ihn natürlich, dass er wieder in einer so normalen Atmosphäre hier sein durfte. Sie senkte kurz den Blick, bevor sie ihn aus grün glänzenden Augen anblickte. „Ich wollte… Mich noch dafür entschuldigen, wie ich mich in letzter Zeit aufgeführt habe. Ich schätze, dass ich mich dir gegenüber ein wenig... launisch und eigensinnig verhalten habe. Tut mir leid.“ Sie lächelte ihn entschuldigend an und sein Herz schien zu schmelzen. Sanft strich er ihr die hartnäckige Locke hinters Ohr, die immer wieder über ihre Wange nach vorne tanzen wollte und seinen Blick wie von selbst auf ihre Lippen lenkte. „Schon ok. Ich bin froh, dass wir jetzt wieder so normal miteinander reden können.“ Im Licht ihres Zimmers funkelten Janes Augen ihn an. „Ja… Ich auch“, sagte sie leise und schob die Hand unter seiner Jacke hervor, um sie für einen Moment auf seine zu legen. Erst jetzt fiel ihm auf, wie kalt ihre Finger waren und er ergriff besorgt die sprichwörtlichen Eiszapfen. „Warum hast du nicht gesagt, wie kalt dir ist? Du solltest reingehen, bevor du krank wirst“, mahnte er. Sie runzelte die Stirn über seine Glucken-Manier, bevor sie die Tür zu ihrem Zimmer öffnete. „Wir können drinnen weiter reden“, sagte sie und ging voraus, ohne Aiden loszulassen. Sie ließ sich auf ihrem Bett nieder und bevor er fragen konnte, zog sie ihn neben sich. Allerdings blickte sie eine Weile aus dem Fenster, Aidens Jacke noch immer wie eine Decke über ihre Schultern gebreitet. Der Vampir mochte es, wie der Duft ihres Haares sich mit seinem eigenen in dem Stoff mischte. Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, begann Jane beinahe schüchtern: „Fiora ist doch ... deine Ex-Freundin, oder? Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“ Ein wenig verdutzt lachte Aiden auf. „Ja, ist sie. Gut geraten.“ „So vertraut, wie ihr miteinander umgeht und nachdem du mir erzählt hast, dass du nicht unbedingt viele Kontakte hast, dachte ich, dass dies die naheliegendste Verbindung zwischen euch ist. Außerdem sind die einzigen Frauen, die du bis heute erwähnt hast, deine Ex-Freundinnen“, erklärte sie rasch. „Verstehe.“ Er musterte Jane kurz, bevor er sich den Nacken rieb und nachdachte. „Das war vor… Fast 150 Jahren. Fi war damals ungefähr so alt wie Teddy jetzt. Ihre Familie ist ziemlich mächtig in Venezuela, besonders in Caracas. Wenn man sich als Vampir dort niederlässt, kommt man praktisch nicht an ihnen vorbei. Ich habe eine Weile für… Ich weiß gar nicht, was er war. Ein entfernter Onkel vielleicht? Jedenfalls habe ich in der Firma ihrer Familie gearbeitet, und irgendwann sind wir uns über den Weg gelaufen. Sie stammt aus einem der weniger mächtigen Zweige der Familie, hat sich aber trotzdem aufgeführt, als würde ihr der Laden gehören. Das fand ich ziemlich witzig, besonders, weil es damals noch unüblich war, überhaupt eine Frau mit so viel offenem Temperament zu sehen.“ Aiden konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten, als er geendet hatte, und eine Antwort bekam er nicht mehr, denn in dem Moment hielt sie die Hand vor dem Mund, um zu gähnen. Er erhaschte einen Blick auf ihre Armbanduhr und stand auf. „Tut mir leid, ich sollte wirklich... Hm?", unterbrach er sich, als sie seine Hand nahm. „Denkst du... also... Kannst du nicht noch ein wenig bleiben?“, wollte sie leise und etwas verlegen wissen, bevor sie ihn instinktiv von ihm abließ. „Natürlich musst du nicht, wenn das nicht geht. Ich meine, Fiora braucht dich momentan sicher, so aufgewühlt und durcheinander wie sie ist.“ Sie hielt ihm seine hin, die er aus Reflex nahm. Er hätte niemals mit so einer Bitte gerechnet, aber sobald er ihre Worte erfasste, erhellte ein sanftes Lächeln seine Züge. Er hatte vorhin schon sein Handy in der Hosentasche vibrieren gespürt, es aber ignoriert. Gerade wollte er nicht zu seiner Ex-Freundin, und da er ziemlich sicher war, dass weder sie noch Theodore weitere Recherchen durchgeführt hatten (sie hatten ja keine Anhaltspunkte), erlaubte er es sich einfach mal, zu tun, was er wollte. Und das war, seine Jacke über Janes Stuhl zu hängen, seine Schuhe daneben zu stellen und zu sagen: „Fiora ist bei Teddy in guten Händen für heute. Also wenn du wirklich willst, bleibe ich gerne.“ Überrascht sah sie ihn an, bevor sie lächelnd das Licht löschte. Sie hatte sich offenbar bereits vor seinem Überraschungsangriff zum Schlafen bereit gemacht. So konnte sie jetzt einfach ins Bett kuscheln. Kurz zögerte Aiden, doch als sie die Decke zurückschlug, kletterte er zu ihr. Er überbrückte die Distanz zwischen ihnen mit der Hand und berührte zärtlich ihre Wange, ehe er die Finger durch ihr Haar gleiten ließ. Ihr Anblick, so nah und vertrauensvoll, verursachte ihm ein leichtes Ziehen in der Magengegend, das mit der Zeit immer stärker wurde, bis er endlich begriff, was er da empfand. Er wollte sie küssen. Als ihm das bewusst wurde, errötete er leicht und zog rasch die Hand zurück. Mist, da waren sie also, diese nervigen Nebenwirkungen des Verliebt-Seins. Er zuckte leicht zusammen, als er ihre Hand auf seiner Seite spürte. Die Decke raschelte, und dann spürte er ihr Gesicht an seiner Brust und ihren Körper an seinem. Nach allem, was in den letzten Wochen passiert war, erschien ihm die Situation ein wenig surreal, und wie jedes Mal, wenn er sich plötzlich in Janes Bett wiederfand, fragte er sich, wie es dazu gekommen war. Er hatte sie doch nur besuchen wollen, und jetzt konnte er ihren ruhigen Herzschlag an seiner Brust spüren. Wenn er sie so sah, war es wirklich kein Wunder, dass er sich in sie verliebt hatte. Trotz aller Unsicherheiten schlich sich ein zärtliches Lächeln auf seine Lippen, er küsste ihren Scheitel und machte es sich bequem. Solange sie ihm von sich aus erlaubte, ihr so nahe zu kommen, war doch alles in Ordnung. „Du musst natürlich nicht die ganze Nacht bleiben...“, hauchte sie leise und schmiegte sich noch ein bisschen an ihn. „Weck mich ruhig, wenn du gehen musst.“ Er schmunzelte. Der Mann, der in dieser Situation aufstehen und gehen würde, musste erst geboren werden. Die Frage war viel mehr, ob er die ganze Nacht über bleiben durfte, doch bevor er sie stellen konnte, spürte er bereits an ihrem tiefen Atem, dass sie eingeschlafen war. Am nächsten Morgen hatte Aiden den süßesten Traum. Janes Duft umhüllte ihn und er spürte ihren warmen Körper neben seinem. Als er instinktiv ihren Nacken küsste, überzog eine Gänsehaut die Stelle, die er berührt hatte. Und doch lächelte sie, als sie sich aufrichtete. Sie berührte sein Gesicht, strich ihm durch das Haar und beugte sich über ihn. Als er etwas angenehm Warmes, Weiches an der Schläfe spürte, gab er ein leises, aber überaus zufriedenes Geräusch von sich und er musste unwillkürlich lächeln. Allerdings war das angenehme Prickeln, das sich von der geküssten Stelle ausbreitete, zu stark, um weiter zu schlafen, sodass er widerwillig blinzelte und schließlich die Augen aufschlug. Entgegen seiner Erwartung war Jane jedoch nach wie vor da, sodass sein Lächeln nicht erblasste. Am liebsten hätte er ihre Stirn geküsst und sie in den Arm genommen, aber stattdessen streckte er sich und warf einen Blick auf den Wecker. Daran hatte er gestern gar nicht mehr gedacht, aber zum Glück hatte er noch Zeit, bis er zur Arbeit musste. „Morgen. Gut geschlafen?“, fragte er nach und berührte erneut unwillkürlich ihre Wange, womit er auf ihr nervöses Lächeln reagierte. „Mhm...“, machte sie und fuhr sich durch das lange Haar, das in Wellen über ihre Schultern floss. „Ich hoffe... ich habe dich diesmal nicht wieder irgendwie davon abgehalten zu gehen?“ Rasch zog er die Hand zurück und setzte sich auf. „Ähm, nein, ich bin einfach da geblieben… Ich hoffe, das war ok…?“, fragte er verunsichert. „Ja… Das war es“, sagte Jane und griff nach seiner Hand. Hätte er ein Herz, es hätte ihm in diesem Moment im Hals geklopft. Doch es war nur sein Handy, das in seiner Hosentasche vibrierte. Ein schlechtes Äquivalent für seine Gefühle. Trotzdem sah er nach, wer es war und seufzte, als er den Namen sah. Janes zuvor morgendlich weiches Gesicht hatte sich verschlossen, sobald sie den Namen sagte. Aiden entschuldigte sich bei ihr, bevor er ranging. „Fi…?", weiter kam er gar nicht, bevor seine Ex-Freundin am Hörer explodierte. „Bist du verrückt geworden?! Was glaubst du, was ich mir für Gedanken gemacht habe? Da ist eine Gruppe von Verrückten unterwegs, die Leute in meinem Leben entführen, und du verschwindest einfach so! Wie kannst du es wagen! Und wo bist du überhaupt?!“ Sie schien kein einziges Mal Luftgeholt zu haben, während sie sprach. Jedes ihrer Worte war wie ein Messerstich. Er hatte sie doch beschützen wollen, und jetzt versetzte er sie so unnötig in Aufregung. „Ganz ruhig, ich bin… ähm…“ Er geriet bei einem Blick auf Jane ins Stocken und wandte verlegen das Gesicht ab. „Es ist alles ok mit mir, mach dir keine Sorgen.“ „Wie soll das denn gehen? Was, wenn du auch noch entführt wirst…?" Ihr brach die Stimme weg und Aidens Magen zog sich schuldbewusst zusammen. Daran, dass sie seine Abwesenheit mit der von Majid in Verbindung bringen könnte, hatte er wirklich überhaupt nicht gedacht, obwohl das ziemlich offensichtlich war. „Tut mir wirklich…“ „Das kannst du dir sparen. Ich sage Theodore Bescheid“, schnauzte die Latina ihn an, dann legte sie einfach auf. Aiden seufzte erschöpft und rieb sich über das Gesicht. „Ich bin ein Idiot…“, stellte er fest, bevor er mit einem etwas gequälten Lächeln zu der jungen Frau neben sich sah. „Das war Fiora. Sie hat sich Sorgen gemacht." Scheinbar unberührt schwang Jane die Beine aus dem Bett und ging zu ihrem begehbaren Kleiderschrank. „Dann... solltest du vielleicht zu ihr, bevor du zur Arbeit gehst“, schlug sie vor, wobei ihr Ton deutlich kühler klang als zuvor. Während Jane sich Zeit mit ihrer Kleiderwahl ließ, klopfte ihr Gast sein Shirt nur etwas aus und fuhr sich mit den Fingern durch die unordentlichen Haare, wodurch sie jedoch nur noch mehr abstanden. Er lehnte sich an den Türrahmen ihres Kleiderschrankes und musterte ihren ihm zugewandten Rücken. „Ich fand gestern Abend schön und fände es schade, wenn es jetzt wieder wie vorher wäre“, erklärte er so offen wie immer. Ihre Schultern verhärteten sich unter dem dünnen Stoff ihres Schlafshirt. Sie atmete tief durch, bevor sie sich nach ihm umwandte. Trotz ihrer Anspannung war das Lächeln echt, das sie Aiden schenkte. „Wir telefonieren und reden miteinander, wenn es etwas Neues gibt, okay? Grüß die beiden von mir und... pass auf dich auf.“ Er erwiderte ihr Lächeln, bevor er sich abwandte. Es wurde Zeit, sich um seine zweite Prinzessin zu kümmern. Kapitel 22: In die Schlangengrube --------------------------------- „Was ist denn mit dir los?“, fragte Kate leise, als Jane zum dritten mal während dieser Vorlesung gedankenverloren seufzte. Die Vampirjägerin setzte sich gerade hin und richtete rasch ihren Blick auf den Dozenten an der Tafel. „Nichts… Ich bin nur müde“, sagte sie, aber das Grinsen ihrer Freundin zeigte, dass sie ihr kein Wort glaubte. „Männerprobleme?“, fragte sie, woraufhin Jane nur schnaubte. „Quatsch.“ Kate hatte ja keine Ahnung. Seit ihrer kleinen Übernachtungsparty hatte sie Aiden zwar wieder öfter gesehen, aber immer nur kurz. Er hatte ihr kleine Aufmerksamkeiten vorbeigebracht – Kaffee, ihr Lieblingsgebäck oder dergleichen – war dann aber immer recht schnell wieder gegangen. Fiora hielt ihn auf Trab. Sie freute sich zwar darüber, aber es genügte ihr einfach nicht mehr. Zwar hätte sie wahrscheinlich mehr Zeit mit ihm verbringen können, wenn sie es verlangt und Fiora die Stirn geboten hätte. Doch da sie wusste, dass eben diese schwanger und aufgrund Umstände ziemlich durch den Wind war und sie selbst ihre Gefühle zügeln wollte, hielt sie sich so gut es ging zurück. Allerdings wurde das auf Dauer ziemlich frustrierend, denn das Wissen, dass sie eben etwas daran ändern könnte war nicht unbedingt von Vorteil. Das einzig Gute war, dass sie Gabriel im Boot hatte. Er versuchte nicht, sie dazu zu bringen, sich von Aiden zu distanzieren oder ihre Zuneigung für diesen zu ändern, sondern sein Bestes, sie abzulenken, indem er regelmäßig bei ihr Zuhause auftauchte. Noch glücklicher wäre Jane gewesen, hätte er neue Anhaltspunkte im Fall Majid mitgebracht. Dass sie in der Sache nicht vom Fleck kamen, frustrierte sie am meisten. Die Videoaufnahmen der Tatorte waren tatsächlich unauffindbar. Einzig ihre Treffen mit Aiden schafften es, sie zumindest zum Teil ein wenig aufzulockern. Entsprechend erfreut war sie, als ihr Handy vibrierte und sie eine Nachricht von Aiden sah. „Können wir nachher vorbeikommen? Es gibt Neuigkeiten im Fall.“ Sie würde ihn sehen und es bestand die Hoffnung, endlich die Suche nach dem verlorenen Lebensgefährten zu beenden. Das waren großartige Nachrichten, sodass sie sich ein zufriedenes Lächeln gestattete. Kate neben ihr kicherte, als sie das bemerkte, doch Jane ignorierte sie würdevoll. Als es später an der Tür klingelte, lief sie rasch hin – nur um überrascht festzustellen, dass Aiden nicht nur Fiora und Theodore mitgebracht hatte, sondern einen fremden Mann. „Ähm, Jane, das ist Adriano – Fioras Bruder“, erklärte Aiden mit einem entschuldigenden Lächeln. Überrumpelt ließ sie die Vampire erstmal ins Haus. Sie hätte nie gedacht, freiwillig drei Blutsauger auf ihrer Couch platznehmen zu lassen, aber die Zeiten änderten sich offensichtlich. „Und ihr alle seid... So eine Art Geheimagenten, die meiner Schwester helfen, ihren Macker zurückzubringen? Klingt ja spannend“, bemerkte Adriano in gebrochenem Englisch. „Er ist nicht mein ‚Macker‘ sondern der Vater deines Neffen oder deiner Nichte“, platzte Fiora hervor, die ihren Bruder unsanft gegen die Schulter schlug. Diesem fiel praktisch die Kinnlade runter, als er das hörte, und seine sonst so große Klappe schien für den Moment besänftigt. Während sie etwas auf Spanisch diskutierten, über das Aiden besorgt die Stirn runzelte, musterte Jane den Neuzugang. Sie konnte durch Gabriel gerademal ein paar Brocken spanisch, doch es genügte, um zu erraten, dass Adriano keine sonderlich Beziehung zu seinem Schwager pflegte. Davon abgesehen, dass er genauso arrogant wirkte wie seine Schwester zu Beginn ihres Aufenthalts. „Darf ich fragen, wann du mit Majid das letzte Mal in Kontakt getreten bist und wie deine Beziehung zu ihm ist?“, wollte die Brünette schließlich wissen – alleine schon, um die Diskussion zu beenden. Adriano musterte sie aus braunen Augen, aus denen genauso viel Geringschätzung sprühte wie aus denen seiner Schwester. Schließlich bequemte er sich doch zu einer Antwort. „Ich kenne ihn nicht besonders gut. Er ist einmal bei uns aufgetaucht, als Vie ihn vorgestellt hat, und dann nie wieder." „Weil ihr nicht besonders nett wart“, fauchte seine Schwester auf Spanisch dazwischen, aber er ignorierte sie. „Viel kann ich also nicht zu ihm sagen. Aber wenn er das Glück hatte, eine Frau wie meine Schwester abzukriegen, und sich dann einfach aus dem Staub macht, muss er ein Idiot sein.“ „Er hat sich nicht aus dem Staub gemacht“, bemerkte Fiora ruhiger als erwartet, wohl, weil er ihr gleichzeitig ein Kompliment gemacht hatte. Jane hatte sich zwar immer ein Geschwisterchen gewünscht, aber wenn das so ablief, war sie mit Gabriel wirklich mehr als zufrieden. Sie wartete, bis sich die Lage ein wenig entspannt hatte und fuhr sich mit einer kurzen Bewegung durch die Haare. Dabei fiel ihr der Blick auf, mit dem Theodore ihren neuen Gast musterte. Irgendetwas stimmte da nicht, und sie brannte darauf, seine Gedanken zu hören. „Darf ich fragen, wo du zur Zeit wohnst? Ansonsten könnte man dich gut bei mir einquartieren. Ich bin mir sicher, dass es dich beruhigen würde, wenn du bei deiner geliebten Schwester bist“, bot der Psychologieprofessor ihm freundlich an. Adrianos Lächeln zeigte seine Zähne, was Jane bei Theodore oder Aiden noch nie gesehen hatte. „Ich wohne in einem Hotel. Danke für das Angebot, aber wir werden sowieso nicht mehr lange bleiben.“ „Ich bleibe, bis ich Majid gefunden habe“, widersprach Fiora, die ablehnte, zu ihrem Bruder umzuziehen. „Ich hoffe, es ist ok, wenn ich noch etwas bei dir bleibe, Theodore. Aber er wird nur versuchen, mich zur Abreise zu überreden." „Natürlich. Du fehlst zu Hause. Besonders in deinem… Zustand solltest du bei der Familie sein.“ Aiden warf ihr einen hilflosen, entschuldigenden Blick zu, auf den hin sie nur die Schultern zuckte. Seine schuld war das nicht. Allerdings entnahm sie seiner Reaktion, dass ihm im Gegensatz zu Theodore und ihr nichts komisch vorkam. Das lag sicher daran, dass er Adriano schon lange kannte und nur das Gute in ihm sehen wollte. Er war schon immer ein bisschen naiv gewesen. Vielleicht war Jane übervorsichtig, aber sie wollte lieber auf Nummer sicher gehen. Die Sache war inzwischen zu nahe an ihre Familie herangekommen, um zu schludern. Außerdem waren eine Schwangere und ihr Baby betroffen, egal, ob es sich bei den beiden um Vampire handelte. „Adriano... Ich würde vorschlagen, dass ihr noch bis Anfang der nächsten Woche bleibt“, meinte Jane. Sie rechnete natürlich sofort mit einer Widerrede von Seiten Fioras, weil das nur noch drei Tage waren, weshalb sie lediglich resolut die Hand hob, um diese zum Schweigen zu bringen, als diese genau dazu ansetzte. „Ich meine... ihr habt den weiten Weg hierhin auf euch genommen und so schnell zu verschwinden, wäre schade. Es gibt so einiges in London zu sehen. Außerdem wäre es mir eine Ehre und Freude, ein weiteres Mitglied dieser bedeutungsvollen Familie ein wenig besser kennen zu lernen“, fuhr sie mit einem Lächeln fort. Sie spürte Aidens Blick auf sich wie Scheinwerfer. Er würde noch alles ruinieren. Allerdings wagte sie es nicht, etwas zu sagen, um die fremden Vampire nicht misstrauisch zu machen. „Wenn eine so hübsche junge Frau darum bittet, ist das ein gutes Argument zu bleiben“, fügte er zwinkernd hinzu. Aiden gab ein hörbares, warnendes Knurren von sich, woraufhin Adriano belustigt die Brauen hochzog. Theodore schien eine Gefahr zu spüren, denn er sagte rasch: „Ich denke nicht, dass es von Vorteil wäre, wenn ihr jetzt völlig überstürzt abreist oder sich zu sehr aufregt. Schließlich ist Fiora schwanger und in einem Zustand, der nicht sehr leicht für sie ist. Sie ist bereits schon einmal zusammengebrochen und wir wollen doch nicht, dass eine übereilte Abreise sie psychisch oder körperlich schwächt, oder?“ Adrianos Gesichtsausdruck wandelte sich völlig, als das sagte. Sofort legte er den Arm um sie und bestürmte sie mit besorgten Fragen, die sie jedoch alle herunterspielend beantwortete. Das Wissen genügte, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Da es sonst keine Neuigkeiten zu ihrem Fall gab, löste die Gruppe sich auf. Sobald Jane die Tür hinter den Vampiren geschlossen hatte, orderte sie Gabriel zu sich nach Hause. Außerdem bat sie Theodore, zurückzukommen, sobald die Luft rein war. Sie hätte Aiden gerne eingeweiht, aber im Moment war ihr Verdacht noch zu schwach, um ihn damit zu belasten. Er würde seinen alten Bekannten nicht verdächtigen wollen, und ein Teil von Jane hoffte, ihn damit nicht belasten zu müssen. Kaum eine Stunde später fand die deutlich verkleinerte Gruppe sich erneut im Wohnzimmer der McCollins-Damen ein. Sie informierten Gabriel über den Neuankömmling, woraufhin er die Nase rümpfte. „Großartig – noch mehr Blutsauger… Nicht persönlich gemeint“, fügte er an Theodore gewandt hinzu. Dieser hob lächelnd die Hände. „Kein Problem. In diesem Fall stimme ich dir sogar zu. Dir ist es also auch aufgefallen?“ Jane nickte. „Irgendwas stimmt nicht mit diesem Adriano. Und so, wie er über seinen zukünftigen Schwager und den Vater seiner Nichte oder seines Neffen redet, müssen wir davon ausgehen, dass er was mit der ganzen Majid-Sache zu tun hat.“ Mit einem Gesicht, als hätte er etwas Fauliges gerochen, und verschränkten Armen warf Gabriel sich zurück in die Couch. „So mit seinen Verwandten umzugehen… Bah!“ „Vampirfamilien funktionieren ein wenig anders als eure Rudel“, sagte Theodore nachsichtig. „Im Normalfall gibt es kein besonders starkes Band – wir sind Einzelgänger. Aber als unsere Zahl sich verringerte, sind manche von uns dazu übergegangen, größere Clans zu bilden. Wie du gesehen hast, Jane, gibt es dabei gewisse Schwierigkeiten.“ So konnte man es wohl nennen. „Ihre Familienquerelen sind mit egal. Ich will nur Majid finden und diese Sache endlich beenden.“ „Dann nehmen wir den alten Blutsauger mal so richtig in die Mangel“, sagte Gabriel und schlug mit der rechten Faust in die linke Handfläche. An Theodore gewandt fügte er hinzu: „Nichts für ungut.“ „Nein, wir müssen vorsichtiger sein“, wandte der Vampir ein. Er stützte einen Ellbogen in die Handfläche und rieb sich das Kinn. Sein Blick begegnete dem von Jane und sie vermutete, dass er ebenfalls an Aidens Gefühle in der ganzen Angelegenheit dachte. „Bisher haben wir nur eine Vermutung. Und wenn wir nicht vorsichtig sind, könnte der Schuldige untertauchen.“ „Schön“, schmollte Gabriel. „Was ist also der Plan?“ „Ich habe schon eine Idee“, sagte Jane mit einem kleinen Lächeln. Der nächste Tag war ein Freitag. Jane und Gabriel hatten bis zum Nachmittag Vorlesungen. Danach waren sie mit dem Rest der Gruppe in Janes Haus verabredet. Angeblich ging es darum, ihre Informationen nochmal zu sammeln und eine neue Strategie zu entwickeln. Doch eigentlich war diese neue Strategie bereits in vollem Gange, als Jane sich auf die Couch neben Adriano setzte. „Habt ihr euch gestern noch ein bisschen die Stadt angesehen?“, fragte sie beiläufig, während sie eine Karte studierten, um Punkte auszumachen, an denen sie noch nicht gesucht hatten. Adriano zuckte die Schultern. „Nicht wirklich.“ „Wie? Du hast noch nie eine Tour durch London gemacht und dir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten angesehen?“, wollte Jane gespielt entsetzt wissen, worauf Gabriel sich beinahe an seinem Getränk verschluckte. Er hustete sofort und klopfte sich auf die Brust, ehe er sich ein wenig wegdrehte, um sein Amüsement über diese schauspielerische Einlage zu verbergen. Der Vampir musterte sie nochmal, bevor er sich zurücklehnte, einen Arm lässig auf der Couchlehne hinter ihr. „Vielleicht überlege ich es mir mit einer süßen Fremdenführerin.“ Jane sah, wie Aiden das Kinn runterfiel, als sie kicherte und sich das Haar hinters Ohr strich. „Na ja… Wir haben sowieso keine neuen Hinweise auf Majid, also… Können wir uns schon ein bisschen umsehen.“ „Jetzt?“, fragten Adriano und Aiden wie aus einem Mund. Der Südländer lachte, stand dann aber auf. „Ich hatte nicht gedacht, dass die Engländer so spontan wären… Gefällt mir“, grinste er und reichte Jane die Hand, um ihr auf die Beine zu helfen. „Ist das euer Ernst?“, fragte Fiora mit gerümpfter Nase. Aiden war aufgestanden, machte einen Schritt hinter ihnen her, bevor er neben dem Couchtisch festzufrieren schien. „Sollten wir nicht zusammen gehen?“ „Bleib du bei Fiora. Immerhin sollte ihr Nichts zustoßen und ihr könnt euch ja mit der Recherche über Majid auseinandersetzen. Ich habe Gabe gestern die neuesten Dokumente gegeben, die ich von Eldric erhalten habe“, wies sie ihn mit einem strengen Unterton an, der keine Widerworte duldete. „Wenn etwas sein sollte, habt ihr ja unsere Telefonnummern“, sagte Jane, die Aidens Blick ganz bewusst mied. Er war offenbar zu baff, um etwas zu sagen, als sie sich von dem anderen Vampir aus dem Wohnzimmer führen ließ. Jane zeigte dem Gast die wichtigsten Attraktionen der Stadt. Sie besuchten den Tower, fuhren mit dem London Eye, besuchten die Westminster Abbey, alles natürlich mit den berühmten Hop-on-Bussen. Zuerst war er zurückhaltend, doch nach und nach ging er auf ihre kleinen Flirts ein. So fand Jane heraus, dass Adriano nicht als einziger in der Familie gegen diese Beziehung war. Zu Beginn hatten die meisten es für einen Scherz gehalten, einen verrückten Fetisch. Sie hatten geglaubt, Fiora würde ihn mit bestimmten Dingen füttern, um sein Blut schmackhafter zu machen. Es gab Menschen, die sich freiwillig als Futter zur Verfügung stellten, wenn sie über die Existenz der Vampire erfuhren. Vielleicht war dieser Majid so einer, hatte Adriano gedacht. Doch dann verging ein Jahr und noch eines. Die beiden wohnten inzwischen zusammen und die Familie musste sich mit der schändlichen Wahrheit abfinden: Ihre Tochter war mit einem Menschen liiert. Die begründete Kritik hatte nur dazu geführt, dass Fiora sich von ihren Verwandten abkapselte. Als sie dann Hals über Kopf nach Europa aufgebrochen war, hatten sie geglaubt, es hätte an dem Menschen gelegen. „Ich bin ehrlich“, sagte Adriano, als sie bei Sonnenuntergang am Hochufer über der Themse entlanggingen. Der Akzent in seinen Worten wog schwer wie die feuchte Luft am Ufer. „Um den Menschen finde ich es nicht schade. Aber Vie zuliebe hoffe ich, er taucht wieder auf.“ „Wir finden den Täter.“ Das Selbstbewusstsein in ihrer Stimme brachte ihn zum Lachen. „Ich schätze, wenn ihn jemand findet, dann du… Teddy hat was davon gesagt, dass du schon Vampire jagst, seit du zehn bist.“ Sie gingen auf eine Brücke zu, unter welcher der Weg schmal und recht niedrig verlief. Zu ihrer Rechten stiegen breite Treppen hoch zur Straße, aber Adriano ging weiter geradeaus. Einer von Janes Schritten war einen Takt langsamer, bevor sie sich wieder dem Vampir anpasste. „Ja“, sagte sie, als der Brückenbau über ihnen zuschnappte. „Das ist wirklich… interessant“, sagte Adriano. Jane spürte die Bewegung, noch bevor er sie ausführte, aber der Vampir war zu schnell. Der Schlag auf ihren Hinterkopf war schnell und hart, wie der Asphalt, auf den sie schlug, als die Welt um sie schwarz wurde. Janes Kopf wollte zerspringen. Leise stöhnend fasste sie sich an die Schläfe, spürte etwas Feuchtes unter den Fingern. Der Boden schwankte, als sie sich auf den Unterarm hoch kämpfte. Sie blinzelte ihre protestierenden Augen auf Linie, bis sie ihr die Umgebung zeigten. Der Raum war schwach beleuchtet und ihr Blickfeld von Eisenstangen zerteilt. Ein Käfig, etwa zwei Meter hoch und breit und drei Meter lang. Endlich erlaubte ihr schmerzender Kopf Jane, sich ein wenig umzusehen, sodass sie erkannte, dass sie nicht die einzige Gefangene war. Mindestens ein Dutzend andere Käfige standen um ihren herum. Dahinter befanden sich hohe Wände, die in einem Wellblechdach endeten. Sie befanden sich in einer Art Lagerhalle, wie es aussah. Sie ließ ihren Blick über die Gesichter schweifen, um zu sehen, ob ihr Vermisster unter ihnen war, doch entdeckte sie ihn nicht. Verdammt... Waren sie hier vielleicht sogar in etwas geraten, was gar nichts mit ihrem Fall zu tun hatte? Ihr ganzer Körper protestierte, als Jane sich aufsetzte. Dass Adriano ihr nicht den Schädel gespalten hatte, schien schon alles an Feinfühligkeit, die er ihr hatte zukommen lassen. Doch den Ring an ihrem Finger hatte er ihr gelassen. Noch am Morgen hatte sie den GPS-Tracker aktiviert, damit ihre Freunde ihren Aufenthaltsort ohne Probleme mit ihrem Laptop aufspüren konnten. Unauffällig rieb sie mit dem Daumen über die glatte Fläche, bis sie eine kleine Kerbe fand, in die sie den Nagel presste. Das Notsignal war abgesetzt. Gabriel und Teddy waren im Bilde. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie kamen. Jane hoffte, dass sie dies schafften, bevor sie kämpfen musste. „Hey, du mit den schwarzen Haaren“, sprach sie die Frau im Käfig neben sich an. Sie sah aus, als wäre sie muskulös gewesen, aber von einer schweren Krankheit ausgelaugt worden. „Wo sind wir hier?“ Eines ihrer dunklen Augen war zugeschwollen, doch das andere konnte misstrauisch genug für beide starren. Ihr Schweigen dauerte lang genug um klar zu machen, dass sie nicht antworten würde. „Ich will euch helfen, aber dafür muss ich wissen, was hier vor sich geht“, drängte Jane ungeduldig. Sture Geiseln waren das Schlimmste an Rettungsaktionen. „Wie willst du irgendjemanden retten, wenn du selbst eingesperrt bist?“, fragte ein Mann aus einem anderen Käfig spöttisch. Er erntete zustimmendes Gemurmel, das Jane die Lippen aufeinanderpressen ließ. „Ich bin Vampirjägerin und auf einer Mission. Ich…“ „Eine schöne ‚Jägerin‘ bist du in deinem Käfig, Kleine.“ Jane knirschte mit den Zähnen, zwang sich aber, durchzuatmen. Sie konnte dem Kerl sowieso keine runterhauen, selbst wenn sie wollte. „Ein Einsatzkommando ist auf dem Weg“, erklärte sie in der Hoffnung, die Gefangenen so zu überzeugen. „In keiner Stunde seid ihr hier draußen. Ich verspreche es.“ Der Mann schnaubte erneut, doch die schwarzhaarige Frau kam in ihrem Käfig näher zu Janes Seite. „Sagst du die Wahrheit?“ Jane sah ihr fest in die Augen. „Ja.“ „Glaub ihr nicht, Kristal. Was, wenn sie eine von denen ist?“ Stumpfe Locken wiegten, als Kristal den Kopf schüttelte. „Das glaube ich nicht“, sagte sie, ohne den Blick von Jane abzuwenden. Sie setzte sich der Vampirjägerin gegenüber auf den Boden und begann zu sprechen. Vielleicht, weil sie die Hoffnung brauchte, um nicht verrückt zu werden. „Wir sind alle die eine oder andere Art mit den Vampiren in Kontakt gekommen, aber angeboten hat man uns allen dasselbe angeboten: unendliches Leben.“ Janes Gesicht verkrampfte sich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand dieses Leben freiwillig wählen würde. Theodore und Aiden waren beide verwandelte Vampire. Sie hatten keine Wahl gehabt. Aiden hatte sogar versucht, sich zu töten, kurz nachdem er sein unsterbliches Leben bekommen hatte. Wie Theodore damit umgegangen war, wusste sie nicht. Er sprach nie über die Vergangenheit. „Ja, wir waren dumm“, gab Kristal zu. „Aber es hat keine Rolle gespielt. Die, die sich geweigert haben, wurden entführt und in diese Käfige gesteckt. Es gibt keine Chance, zu entkommen. Die einzige Gelegenheit, zu der wir hier rauskommen, ist es, wenn wir kämpfen müssen.“ Jane runzelte eine Sekunde die Stirn, bevor die Erkenntnis ihr den Magen verkrampfte. Menschenkämpfe! Diese elenden Bestien entführten Menschen, um sie gegeneinander kämpfen zu lassen. Das erklärte die undefinierbaren Leichen und Majids Blut, welches am dritten Opfer gehaftet hatte: Sie waren gegeneinander angetreten und hatten sich dabei verletzt. Blieb noch die Frage, wo ihr verlorenes Schaf war, da er sich nicht in einem der Käfige befand. Aber das würde sie schon noch herausfinden. „Das hat jetzt ein Ende“, sagte Jane, laut genug, um ihre Stimme bis zum letzten Gefangenen tragen zu lassen. „Mein Team ist auf dem Weg hierher. Ihr seht schon bald eure Familien wieder.“ Ein Rasseln schallte durch den Raum, dann rumpelte eine schwere Tür zur Seite. Der Flur dahinter war ebenso dunkel wie die Lagerhalle, sodass Jane nichts erkannte. Erst als der Neuankömmling eintrat, erkannte sie lange braune Haare in einem ordentlichen, tief sitzenden Pferdeschwanz. „Es ist so weit“, sagte der Mann. Sein Blick glitt über die Menschen und fiel auf die Jägerin. Als sie seinem Blick nicht auswich, enttarnten seine sich zu einem gehässigen Grinsen teilenden Lippen ihn als Vampir. „Aaaah~ Die Jägerin ist wach!“, frohlockte er näherkommend. „Adriano hat diesmal richtig gute Arbeit geleistet! Dich gegen einen anderen Menschen im Kampfring zu sehen, wir bestimmt unterhaltsam. Wenn du Glück hast, kommst du heute Nacht dran, Süße!“ Er öffnete die Käfigtür mit einem altmodischen Schlüssel. Blitzschnell war er an ihrer Seite und ergriff ihre Schulter mit Fingern wie aus Eisen. „Was...?! Lass mich los, du elender Blutsauger!“, zischte sie ungehalten, doch sie wurde lediglich nach vorne gestoßen. Sie zerrte an ihren Handfesseln, doch schaffte sie es nicht, sich zu befreien. Hätte sie doch bloß ihre Waffen bei sich! Sie hatte damit gerechnet, dass man ihr diese abnehmen würde, doch würden sie die Dinge um einiges erleichtern. „Stell ja keinen Mist an, ansonsten bist du schneller tot, als du glaubst“, knurrte der Vampir, während der Dunkelhaarige vorausging. Er führte sie durch einen dunklen, beinahe endlos wirkenden Gang entlang. Am Ende des Flurs befand sich eine Tür, doch anstatt diese zu nehmen, kniete sich der augenscheinlich jüngere Blutsauger auf den Boden und öffnete eine breite Falltür. Während Jane die ersten Stufen herunterstieg, herrschte Stille, doch je tiefer sie nach unten vordrang, desto lautere grölende Stimmen zu hören, Lachen und Pfiffe. Das flackernde Licht der alten Lampen und zeugte davon, dass das Licht der Glühbirnen nicht den Herren dieses Hauses dienten. Sie waren ein Zugeständnis an die Menschen. Nur widerwillig ging Jane weiter, bevor sie nach einigen Metern vor einer offenen Tür ankamen. Der brünette Vampir trat näher, bis seine lange Nase Jane beinahe berührte. Sie wich nicht zurück. Ein flackerndes Grinsen, eine fliegende Bewegung – und die Seile fielen von ihren Handgelenken. „Ich habe das Gefühl, wir sehen uns wieder, Jägerin“, sagte er noch, bevor er sie in den nächsten Raum schupste. Mit einem Ton der Endgültigkeit fiel die Stahltür hinter ihr zu, doch Jane hätte es beinahe nicht gehört. Der Ton ging zwischen den Stimmen der johlenden Vampire um sie herum unter. Die Blutsauger befanden sich auf erhöhten Tribünen, vier, fünf Meter über ihr. Sie selbst befand sich auf dem Boden einer gut ausgeleuchteten, etwa zehnmal zehn Meter großen Grube. Die Wände waren mit dünnen Metallnadeln versehen. Als ob ungefähr dreißig oder vierzig verrückte Vampire nicht genug wären, um Sterbliche daran zu hindern, hier rauszukommen. „Los! Bringt den Gegner rein!“, hörte die Jägerin die Zuschauer rufen, worauf auf der gegenüberliegenden Seite die Tür geöffnet und ein Mann in den Ring gestoßen wurde. Sein schmutziges Hemd flatterte um einen Körper, der in kurzer Zeit an Gewicht verloren zu haben schien. Die dunklen Augen lagen tief in den Höhlen, zusätzlich beschattet von dem struppigen Bart. Und doch hatte Jane sein Bild oft genug gesehen, um ihn zweifellos zu erkennen. „Majid“, flüsterte sie mit geweiteten Augen. Die Schritte ihres Gegenübers stockten. Müde Augen suchten in Janes Gesicht nach etwas, das sie erkannten. Sie ihrerseits registrierte blaue Flecken am Hals und einige Kratzer am Gesicht des Mannes. Das hier war nicht sein erster Kampf. Und die Resignation, mit der er Jane ansah, sagte ihr, dass es nicht das erste Mal war, das man ihn zwang, eine Frau zu schlagen. Nun, immerhin würde sie seiner männlichen Ehre in dieser Hinsicht nicht schaden. „Na los! Fangt an! Oder müssen wir nachhelfen?!“, rief eine ältere Vampirdame schrill lachend. Sie stand auf und schleuderte drei Wurfmesser in den Ring, welche die beiden Menschen nur knapp verfehlten und mit der Spitze im Boden landeten. Zähneknirschend und mit verengten Augen blickte Jane zum weiblichen Blutsauger, ehe ihr Blick Majid wanderte. In ihrem Kopf ratterte es und sie versuchte fieberhaft eine Lösung zu finden, doch aufgrund der fehlenden Waffen und Angesichts der Überzahl an Vampiren fiel ihr nichts ein. Dementsprechend hob sie ihre Fäuste an und ging in Angriffshaltung über. Es musste lächerlich aussehen, so, wie die Menge um sie herum zu johlen begann. „Greif mich an“, verlangte sie, woraufhin Majid sie irritiert beäugte. „Es ist okay. Greif mich an. Los.“ Man sah, dass der Angesprochene Bedenken hatte, doch da es um sein Überleben ging, ging er zum Angriff über. Sein erster Schlag war ein kräftiger Schwinger in Richtung ihrer Körpermitte. Sie blockte mit den Unterarmen, stellte aber genervt fest, dass sie das trotz all ihren Trainings nicht oft aushalten würde. Allerdings ließ sie sich von der Unzufriedenheit nicht lange aufhalten. Sie duckte sich zur Seite und trat nach seinem Oberarm. Mit den Beinen konnte sie seine größere Reichweite ausgleichen und auf Abstand bleiben. Das würde ihnen hoffentlich die Zeit kaufen, die sie brauchten. Dennoch hoffte sie, dass ihre Freunde sich beeilen würden. Denn sie wusste nicht, wie lange die Vampire diese Scharade kaufen würden. Und sie wollte nicht wissen, was passierte, wenn sie das Spiel durchschauten. 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