Demon von LadyOfFlies ================================================================================ Kapitel 1: Demon ---------------- Der erste Schnee fiel und die Schüler freuten sich wie seit langem nicht mehr. Er tauchte den Schulhof in kalte weiße Watte, oder so fühlte es sich zumindest an, wenn man hineingriff um einen Schneeball daraus zu formen und die nächstbeste Person damit zu bewerfen. In seinem Fall war er selbst der Leidtragende als sich seine Freunde Shachi und Pinguin einen Spaß erlaubten. Er ließ sich das natürlich nicht lange gefallen und schnell entbrannte eine Schneeballschlacht zwischen den Dreien. Auch wenn am Ende keiner von ihnen als Sieger hervorging, egal was Shachi behauptete, war es doch eine gelungene Abwechslung vom grauen Alltag an dieser Schule. Sie waren nicht die einzigen, die den Schneefall ausnutzten, so lange er anhielt. Auf den ersten Blick war beinahe die gesamte Schülerschaft anwesend. Es war Pause und die meisten hatten sichtlich Spaß. Natürlich gab es vereinzelte Schüler zwischen ihnen, denen es nicht gefiel, mit gefrorenem Wasser beworfen zu werden. Diese Schüler verbrachten die Pause drinnen im beheizten Schulgebäude. Law hätte diesen kurzen Moment mit seinen neuen Freunden gegen nichts auf der Welt eingetauscht und es machte ihm überhaupt nichts aus, nass und bis auf die Knochen durchgefroren wieder zum Unterricht zu erscheinen. Die warme Heizung im Klassenzimmer wärmte ihn schnell wieder auf. Er hatte vor kurzem wieder angefangen, regelmäßig zur Schule zu gehen, nachdem er bei seinem neuen Vormund eingezogen war. Rocinante war wie ein älterer Bruder für ihn und er gab ihm stets das Gefühl, willkommen zu sein. Mit den Tagen und Wochen, die allmählich vergingen, schöpfte Law wieder neuen Lebensmut. Wenn er von der Schule nach Hause kam, war es warm und gemütlich in der Wohnung, auch wenn Rocinante gerade arbeitete und nicht da war, um Law zu begrüßen. Es war immer genug Essen für zwei im Kühlschrank und das Bett in seinem Zimmer war neu und sehr bequem. Er hatte ein Handy und einen eigenen Computer, fernsehen durfte er soviel er wollte, sein Kleiderschrank war gefüllt mit neuer, sauberer Kleidung. Aber das Wichtigste war, dass er zu nichts gezwungen wurde. Rocinante gab ihm Freiraum und das Wissen, dass Law mit all seinen Sorgen und Problemen zu ihm kommen konnte. Law hatte ewig nichts von Kidd gehört, schließlich hatte er ihn seit vielen Jahren nicht gesehen. Umso überraschter war er als der Rotschopf in diesem Winter in seiner Schule auftauchte. Er saß in seinem Klassenzimmer und starrte abwechselnd von der Uhr zum Fenster und wieder zurück. Er hörte dem stetigen Ticken zu und zählte die Sekunden mit. Jemand schob ihm einen zusammengeknüllten Zettel vor die Nase als der Lehrer gerade damit beschäftigt war, etwas an die Tafel zu schreiben. Doch Law ließ das Stück Papier einfach dort liegen, mit den Gedanken ganz woanders. Etwas Rotes war dort draußen im Schnee. Er schaute genauer hin. Jemand mit rotem Haar. Im starken Kontrast zur Umgebung sah es aus wie frisches Blut. Mit einer genervten Stimme wurde sein Name geflüstert und zur selben Zeit wie der Lehrer schaute Law auf die Person neben sich, die ihn angesprochen hatte, aufmerksamer diesmal. Es folgte ein Kommentar des Lehrers, dass das Geflüster aus der zweiten Reihe sehr wohl zu hören war, egal was die Schüler dachten und : „Ikkaku, pack das Handy weg, sonst wird es gleich einkassiert.“ Die Gedanken an das rote Haar und die Person, der es gehörte, waren bis zum nächsten Frühjahr vergessen. ~~~*~~~*~~~ Eustass Kidd. Der Name kam ihm sehr bekannt vor und das Aussehen auch. Beides passte zu ihm. Eustass Kidd musste schon wieder nachsitzen weil er den Feueralarm ausgelöst hatte. Das brachte den Schülern einige Minuten Freiheit ein und darüber waren sie ganz und gar nicht wütend. Zu den dankbaren Schulterklopfern wie es in den Filmen immer allzu schön dargestellt wurde, kam es jedoch nicht. Eustass Kidd hatte sich bereits einen Namen gemacht und seine Mitschüler hielten sich soweit fern von ihm, wie es nur möglich war. Es gab zahlreiche Gerüchte über ihn, die er niemals bestätigte, aber man glaubte sie dennoch weil es zu ihm passte. Er sah aus wie jemand, der alte Frauen in der Dunkelheit bestahl, er wirkte wie jemand, der grundlos Leute ins Koma prügelte. Es wurde behauptet, Kidd sei auf dem Weg nach Hause in eine stattfindende Vergewaltigung hineingelaufen und hätte nichts getan um zu helfen. Er soll einfach weitergegangen sein. Jemand erzählte, Kidd würde Drogen verkaufen. Das glaubten sie. Er sollte sie auch selbst nehmen. Das glaubten sie ebenfalls. Es gab eigentlich nichts, was man ihm nicht zutrauen würde. Als das Gerücht die Runde machte, dass Kidd für Geld Menschen ermordete, endete der Spaß endgültig. Law tat aber nichts, um ihm zu helfen. Einmal zu oft hatte er Kidds Faust zu spüren bekommen als er ihn nur schief von der Seite angesehen hatte. Er dachte insgeheim, dass Kidd es verdient hatte, so geächtet zu werden. Die Lehrer wussten natürlich von den Gerüchten und auch sie beteiligten sich hin und wieder daran. Es war nur allzu deutlich zu erkennen, dass sie nicht viel von Kidd hielten. Er war bereits als 'Dämon' und 'Biest' gebrandmarkt. Er hatte einfach keine Chance, diese Schule war nichts für ihn. Und es war verwunderlich, dass er überhaupt noch kam, immerhin lebte er am anderen Ende der Stadt. Es war sehr weit vom South Blue bis zur Schule. Warum also die Mühe? Er würde seinen Schulabschluss sicher nicht mehr erleben. ~~~*~~~*~~~ Im Sommer fiel ihm das Rot wieder auf, doch diesmal war es nicht Kidds Haarfarbe. Es war dunkel draußen, später Abend und die Gegend um die Schule herum wurde nur noch von Straßenlaternen erleuchtet. Law hatte bis zu dem Zeitpunkt in der Bibliothek gesessen, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite von der Schule befand und dort für einen bevorstehenden Test gelernt. An diesem Abend hatte sein Adoptivvater Besuch von einigen Arbeitskollegen um einen erfolgreich abgeschlossenen Fall zu feiern und dann ließ sich Law besser nicht blicken, denn es war jedes Mal Alkohol im Spiel und wann immer ihn die angetrunkenen Polizisten bemerkten, musste er sich dumme Kommentare und Gelächter darüber anhören, dass er nicht wie ein Sohn aussah, sondern viel eher wie ein Geliebter. Am Anfang hatten ihn diese trunkenen Sprüche sehr geschmerzt, jetzt war es vor allem der Lärm, der ihn störte. Als er mit dem Lernen fertig war und die steinerne Treppe des antiken Gebäudes herunterlief, bemerkte er auf dem verlassenen Schulhof jemanden, der schwankte. Ein Betrunkener? Auf einem Schulhof? Er kniff die Augen ein wenig zusammen und lief über die beleuchtete Straße. Der Schulhof selbst war dunkel und die Person nicht gut zu erkennen. Aber es musste ein Mann sein, allein der kräftigen Statur nach zu urteilen. Langsam und unauffällig näherte sich Law dem Fremden. Er wollte ihn fragen, ob alles in Ordnung war, als der Mann umkippte. Law war schon darauf gefasst, erste Hilfe zu leisten. Aber das war nicht nötig, denn der Mann war nicht ohnmächtig. Er richtete sich sofort wieder auf, nur schien er sehr erschöpft zu sein. Ein genervtes Seufzen ertönte und Law blieb augenblicklich stehen. Er erkannte diese Stimme sofort. Plötzlich war er sehr nervös und machte sich Sorgen, dass Kidds Freunde hier irgendwo auf ihn lauerten. Er dachte nicht lange nach und machte einen Schritt nach dem anderen, rückwärts. Er wollte so schnell es ging weg von dort, aber möglichst ohne aufzufallen. Kidd sagte nichts und bewegte sich auch nicht, soweit das in der Dunkelheit zu erkennen war. Und Law wurde immer mutiger. Er beschleunigte seine Schritte, drehte sich dann abrupt um und rannte in die Schatten neben der Bibliothek hinein, von wo aus er praktisch unsichtbar war. Gerade rechtzeitig. „Kidd! Wo steckst du?“, rief jemand mit einer seltsam hohen Stimme. Ein leises Fluchen war aus Kidds Richtung zu hören. Dann bewegte sich dessen Silhouette und er stand vorsichtig auf. Auf dem Bürgersteig hörte Law Schritte näher kommen. Es waren mehrere Personen, die er nicht kannte und noch nie zuvor gesehen hatte. Sie blieben schließlich stehen, sodass sie seinen Blick auf den Rothaarigen genau verdeckten. „Scheiße, Mann. Was hast du getan?“ Gelächter ertönte, dann sprach jemand mit einer besorgten Stimme: „Kidd, was ist das an deinen Händen?“ Law konnte gar nichts sehen, aber die letzte Frage machte ihn neugierig. Er lehnte sich ein wenig zur Seite, sodass er an dem großen Dicken vorbeisehen konnte, der vor Kidd stand. Doch es half nichts, denn jetzt stand ihm jemand anderes im Weg. Langsam lehnte er sich wieder zurück und wartete ab. Irgendwann mussten sie sich ja wieder bewegen. Und das taten sie. Als diese Typen endlich aus dem Weg gingen, stand Kidd direkt im Licht zwischen zwei Straßenlaternen, welches ihn in ein geisterhaftes Leuchten hüllte. Er wirkte in diesem Moment fast wie aus einer anderen Welt und das weckte in Law das kranke Verlangen, auf die Knie zu gehen und sich zu verbeugen. Kidds Hände leuchteten in einem nassen Rot... Law blieb weiter im Schatten sitzen, noch lange nachdem Kidd und dessen Freunde gegangen waren. Er hatte etwas gesehen, das nicht für seine Augen bestimmt war und ihn nie mehr losließ, auch in seinen dunkelsten Stunden nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)