Seelenschatten von Labrynna ================================================================================ Kapitel 15: Geschichte eines Helden ----------------------------------- „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll… Am besten erzähle ich dir alles von Anfang an. Wie du vielleicht weißt, haben Wissenschaftler der ShinraInc vor einigen Jahren den versteinerten Körper Jenovas gefunden, der vor zweitausend Jahren zusammen mit einem Meteoriten in den heutigen Nebelkrater gestürzt ist. Anfangs hat man ihn fälschlicherweise für die Überreste eines Cetra gehalten, was große Euphorie unter den Forschern ausgelöst hat. Sie glaubten, sie wären endlich in der Lage, Cetra-Klone zu erschaffen und so vielleicht das geheiligte Land zu finden… Vor allem Professor Hojo war Feuer und Flamme für diese Idee und schreckte nicht einmal davor zurück, Versuche an Säuglingen und Embryonen durchzuführen. Genauer gesagt wurden ungeborenen Babys Jenova-Zellen injiziert, was die zwei Überlebenden, die daraus hervorgingen, übermenschlich stark und geschickt machte. Jetzt rate mal, von welchen Männern ich rede… Von Angeal und seinem besten Freund Genesis! Die Beiden ahnten allerdings nichts von ihrer Absonderlichkeit, bis ihre Körper irgendwann merkwürdige Veränderungen aufwiesen. So begannen sie schneller zu altern und… ähm, naja, ihnen wuchsen Flügel. Während Angeal an seinem Schicksal verzweifelte und sich schließlich gezwungen sah, sich selbst zu richten, weil er glaubte, sich allmählich in ein Monster zu verwandeln, war Genesis von der Suche nach einem Gegenmittel besessen. Dabei hat er alles zerschlagen, was ihm im Weg war: Shinra, Zivilisten, sogar seine Eltern. Eine meiner Aufgaben als Soldat war es, Genesis aufzuhalten und ihn zu liquidieren, doch leider ist mir dies nie gelungen. Immer wenn ich dachte, ich hätte ihn, hat er irgendetwas Unvorhergesehenes gemacht und ist mir wieder entwischt. Doch an dem Tag, an dem Angeal starb, kam es in einem stillgelegten Reaktor zum Kampf zwischen Genesis und mir. Auf Grund der vorzeitigen Alterung seines Körpers hatte ich relativ leichtes Spiel, dennoch schaffte ich es nicht, ihn eigenhändig zu töten. Stattdessen stürzte er sich über das Geländer in die Tiefe und wurde anschließend vom Präsidenten der ShinraInc für tot erklärt. Danach gingen die Jahre vergleichsweise ruhig ins Land, bis ich schließlich zusammen mit Sephiroth nach Nibelheim geschickt wurde. Zunächst habe ich die Mission für ziemlich öde gehalten. Ein defektes Ventil im Reaktor auszutauschen und dabei ein paar Monster zu erschlagen klang nicht gerade nach einem Auftrag, der mir zu Heldenruhm verhelfen sollte… Dennoch war es ziemlich amüsant, denn schließlich hatten wir Cloud dabei. Ja, genau den Cloud, den du kennst. Er war Mitglied der Infanterie. Warum er heute so überzeugt davon ist, ein Soldat ersten Ranges gewesen zu sein, kann ich dir nicht sagen. Ich habe nur eine Vermutung, aber darauf komme ich später noch zu sprechen. Naja, jedenfalls habe ich mir die Zeit damit vertrieben mit Cloud abzuhängen und mich darüber zu amüsieren, dass er offenbar Angst hatte, sich ohne Helm in seiner Heimatstadt zu zeigen. Ich glaube, er hatte vor seinem Umzug nach Midgar damit geprahlt, Soldat zu werden und schämte sich nun vor allem vor Tifa in Grund und Boden, weil er die Aufnahmeprüfung ins Korps nie bestanden hat und nur einfacher Infanterist geworden ist. Nachdem wir uns von der langen Reise nach Nibelheim ein wenig erholt hatten, machten wir uns am nächsten Morgen auf zum Reaktor. Tifa war dabei eine wirklich wertvolle Hilfe und eine amüsante Reiseführerin, auch wenn es etwas anstrengend war, dass sie permanent nach Cloud gefragt hat – mal mehr, mal weniger direkt – und ich ihr nicht sagen durfte, was ich wusste. Das fehlerhafte Ventil war schnell ausgetauscht und auch die sich in der Nähe herumtreibenden Monster in Windeseile besiegt. Eigentlich hätten wir danach in aller Ruhe wieder nach Midgar aufbrechen können. Ich hatte mich schon so sehr gefreut, bald wieder in deiner Nähe zu sein. Doch es kam anders… Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Genesis wieder auf. Er sah inzwischen aus wie ein alter, gebrechlicher Greis, doch er schien euphorischer Stimmung zu sein. Als er behauptete, endlich ein Mittel gefunden zu haben, seinem körperlichen Verfall entgegen zu wirken, war mir auch klar, woher die gute Laune rührte. Genesis war überzeugt davon, dass Sephiroths Zellen ihm Gesundheit bringen würden und dass sein alter Kriegskamerad und Freund ihm diese ihm auch ohne zu zögern zur Verfügung stellen würde. Ich war zunächst ziemlich verwirrt, wie Genesis auf diese Idee gekommen sein mochte, doch dann erklärte er, dass Sephiroth ebenfalls Produkt von Hojos Experimenten sei. Angeblich hatte die Injektion der Jenova-Zellen bei Sephiroth in einem sehr viel früheren Schwangerschaftsstadium stattgefunden als bei Angeal und ihm selbst, weshalb sein Körper die Zellen wesentlich besser adaptiert und sogar modifiziert habe. Deswegen, so Genesis, verfüge Sephiroth über seine enormen Fähigkeiten, ohne unter denselben Nebenwirkungen zu leiden wie die anderen Beiden. Doch anstatt Genesis‘ Bitten nachzukommen, jagte Sephiroth ihn wütend zum Teufel. Der Groll darüber, dass jener desertiert und Shinra in den Rücken gefallen war, saß bei Sephiroth wohl zu tief, um seinem alten Freund zu verzeihen und ihm zu helfen. Auf dem Rückweg zum Hotel war Sephiroth noch schweigsamer als sonst. Ich nahm an, er kämpfte mit seinem schlechten Gewissen, einen ehemaligen Freund im Stich gelassen zu haben. Erst später habe ich verstanden, dass Sephiroths trübe Stimmung einen ganz anderen Grund hatte: Genesis Worte hatten eine alte Wunde wieder aufgebrochen und Fragen hervorgebracht, denen Sephiroth bislang ausgewichen war. Warum kannte er seine Eltern nicht? Woher kam dieses bohrende Gefühl anders zu sein, das ihn schon seit seiner Kindheit begleitete? Um endlich Licht in seine eigene Vergangenheit zu bringen und Genesis‘ Behauptungen zu entkräften, zog Sephiroth sich Tage lang in die Bibliothek und das Studierzimmer in der Shinra-Villa zurück. Er war wie besessen und las sich durch sämtliche Berichte, die er finden konnte – bei Tag und bei Nacht. Fatalerweise fand er bei seiner Suche jedoch tatsächlich Aufzeichnungen, die Genesis‘ Worte bestätigten. Sephiroth konnte mit diesem Wissen allerdings nicht umgehen und verlor vollkommen den Verstand. Anfangs habe ich ihn oft besucht, doch als ich merkte, dass ich schon lange nicht mehr zu ihm durchdringen konnte, habe ich es aufgegeben. Seit unserem Aufeinandertreffen mit Genesis war über eine Woche vergangen, als ich eines Nachts von lauten Schreien aus dem Schlaf gerissen wurde. Schon von meinem Hotelzimmerfenster aus hatte ich beim hastigen Ankleiden gesehen, dass es brannte, aber die Größe des Feuers überraschte mich trotzdem sehr. Zuerst dachte ich, eines der Kinder habe beim spielerischen Zündeln vielleicht versehentlich dieses Desaster ausgelöst oder so, doch dann entdeckte ich Sephiroth, der inmitten der Flammen stand und gerade sein Schwert aus dem leblosen Körper eines Zivilisten zog. Als ich ihn ansprach, warf er mir einen amüsierten Blick zu und verschwand in Richtung Reaktor. Natürlich wollte ich ihm sofort hinterher, doch bevor ich losstürzen konnte, bemerkte ich Cloud, der bewusstlos vor seinem Elternhaus lag. Also habe ich zunächst nach ihm gesehen und mich versichert, dass er wohlauf war. Danach habe ich versucht, Sephiroth einzuholen, erreichte den Reaktor jedoch erst, nachdem auch noch Tifa niedergestochen worden war. Glücklicherweise konnte ich sie auf die Schnelle grob verarzten. Es hat mich wirklich sehr gefreut zu sehen, dass es ihr wieder gut geht! Naja, anschließend habe ich endlich Sephiroth zur Rede gestellt, aber er faselte leider nur merkwürdiges Zeug, dass seine Mutter Jenova und er dazu bestimmt seien über den Planeten zu herrschen und dass Menschen wie ich Abschaum wären, der getilgt werden muss. Blabla. Du weißt, ich habe Sephiroth immer sehr bewundert, aber mir war klar, dass ich mit allen Mitteln versuchen musste, diesen Wahnsinnigen aufzuhalten. Also habe ich ihn schweren Herzens angegriffen, aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich keine Chance gegen ihn hatte. Ich habe es lediglich geschafft, ihn zu schwächen, während er mich beinah erschlagen hätte. Zum Glück tauchte jedoch Cloud mit einer mörderischen Wut im Bauch auf. Also habe ich ihm mein Schwert anvertraut und er hat sich auf den bereits angeschlagenen Sephiroth gestürzt. Zunächst sah es schwer danach aus, dass Cloud verlieren würde, doch dann hat er es zu meiner großen Überraschung irgendwie bewerkstelligt, Sephiroth das Schwert in den Magen zu rammen und von der Plattform in die Tiefe zu stoßen. Allerdings war der Kleine während des Kampfes auch so schwer verwundet worden, dass ich große Angst hatte, er würde mir wegsterben. Wie lange wir auf der Reaktortreppe lagen und mit dem Tod rangen, weiß ich nicht, da ich zwischendurch immer wieder das Bewusstsein verloren habe. Doch ich bin mir ziemlich sicher, dass bereits ein paar Stunden vergangen waren, als uns endlich jemand fand. Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert ich war, als ich erkannte, dass es sich bei den Personen, die uns auf Tragebahren hoben und forttrugen, um Wissenschaftler der ShinraInc handelte. Ich glaubte, dass sie uns wieder nach Midgar bringen und dort gesund pflegen würden. Letzteres haben sie auch tatsächlich getan, doch leider aus anderen Gründen als denen, die mir vorgeschwebt hatten. Nibelheim haben wir auch nicht verlassen… Stattdessen wurden Cloud und ich in dem Labor im Keller der Shinra-Villa nur deswegen wieder aufgepäppelt, damit wir möglichst gute Versuchsobjekte abgaben. Was genau man mit uns gemacht hat, kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nur, dass die Zeit für mich erfüllt war von wirren Träumen, grausamen Schmerzen und dumpfem Dahinvegetieren. Ich glaubte schon nicht mehr daran, irgendwann aus dieser Hölle zu entkommen, doch eines Tages gelang es mir endlich, die Frontscheibe meines Gefängnisses zu zerschlagen. Anschließend holte ich Cloud aus seinem Tank, wechselte seine makoverseuchten Kleider, suchte mein Schwert und flüchtete gemeinsam mit dem Kleinen. Alles, was ich wollte, war zu dir zurückzukehren. Da Cloud jedoch unter einer heftigen Makovergiftung litt und nicht bei sich war, gestaltete sich unsere Flucht verdammt schwierig. Wesentlich schlimmer war jedoch, dass wir für Shinra keine Menschen mehr waren, sondern lediglich entlaufene Versuchsobjekte, weswegen uns die Turks permanent auf den Fersen waren. Wäre Cissnei nicht gewesen, wären Cloud und ich wohl nicht sehr weit gekommen. Erinnerst du dich daran, dass ich dir mal von Cissnei erzählt habe? Sie ist die einzige Turk, mit der ich je befreundet war. Nun ja, dank ihrer Hilfe habe ich es mit Cloud bis nach Gongaga geschafft, wo Genesis wieder auftauchte und behauptete, Cloud habe Sephiroth-Zellen in sich und sei damit Träger des Gegenmittels, das Genesis so dringend benötigte. Es gelang mir, ihn zurückzuschlagen, bevor er Cloud etwas tun konnte, doch er entkam mir wieder mal. So sehr ich mich auch danach sehnte, wieder bei dir zu sein, mir war bewusst, dass ich Genesis endlich aufhalten musste, bevor er in seinem Wahn noch mehr Leid verursachen konnte. Dank eines Tipps fand ich Genesis schließlich in seinem Heimatdorf Banora, wo ich es nach all der Zeit endlich schaffte, ihm Einhalt zu gebieten. Als ich mich nach meinem Kampf mit Genesis wieder auf den Weg nach Midgar machen wollte, erreichte mich ein Flugtier mit einem Brief von dir. Erst durch deine Zeilen habe ich erfahren, dass Cloud und ich über vier Jahre in Gefangenschaft verbracht hatten. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, während ich in diesem Tank gesteckt hatte… Den Rest des Weges nach Midgar legten wir per Anhalter zurück, doch auf den Anhöhen vor der Stadt rannten wir leider der Armee direkt in die Arme. Nachdem die Turks keine Ergebnisse geliefert und uns nicht wieder eingefangen hatten, hatte die Leitung der ShinraInc den Befehl erlassen, uns zu töten. Diese Aufgabe übernahm natürlich die schlagkräftige Infanterie. Da Cloud noch immer vollkommen außer Gefecht war, habe ich mich alleine zum Kampf gestellt. Ich wollte für unsere Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben kämpfen. Ich hatte das Weglaufen und Verstecken so satt! Das war kein Leben, das ich mit dir hätte führen können. Doch mir war bis dahin nie klar gewesen, dass der Preis für Freiheit so hoch ist… Ich hatte noch nie zuvor eine so große Anzahl Krieger im Einsatz gesehen. Du weißt, ich bin stark, aber ich bin nicht allmächtig… Irgendwann ging mir die Puste aus und ich bin gestolpert, was das Ende bedeutet hat. Sofort eröffneten einige Kämpfer einen regelrechten Kugelhagel und schossen mich skrupellos über den Haufen. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass ich ganz sicher sterben würde, haben sie sich zurückgezogen. Cloud haben sie wegen seiner Besinnungslosigkeit zum Glück für bereits tot gehalten. Bis der Tod schließlich eintrat, lag ich ein paar Stunden auf der Midgar-Anhöhe und starrte in den wolkenverhangenen Himmel, während es auf mich herabregnete und ich an dich dachte. Irgendwann kroch Cloud zu mir herüber und schien bei erstaunlich klarem Verstand zu sein. Ich habe ihm noch mein Schwert – und damit meine Ehre und meine Träume – vermachen können, bevor mich meine Kräfte verließen. Warum Cloud glaubt, er sei Soldat ersten Ranges gewesen, kann ich nur vermuten. Ich nehme an, dass es mit seiner aus der Makovergiftung und den Experimenten resultierenden Verwirrung zu tun hat. Für mich sieht es aus als hätte sein Geist ein paar Erinnerungen in die falschen Schubladen gepackt, sodass Cloud nun der Meinung ist, ihm seien diese Dinge passiert, obwohl ich eigentlich derjenige war, der sie erlebt und anschließend davon erzählt hat, sofern Cloud nicht selbst dabei gewesen ist. Nun ja, das ist so ziemlich alles. Seit meinem Tod friste ich mein Dasein im Lebensstrom, beobachte dich und warte auf unser Wiedersehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)