Spirit of Dragon von Proinos ================================================================================ Kapitel 6: Die Veränderung -------------------------- Es regnet. Es taut und es regnet als ich auf dem Weg zur Schule bin. Der Schneematsch auf dem Gehweg sorgt dafür, dass das Gehen eher zu einem Gleiten und Rutschen wird. Obwohl es so kalt am Wochenende gewesen war, sind die Temperaturen in der letzten Nacht schlagartig angestiegen und das große Tauen hatte eingesetzt, welches die weiße Pracht der letzten Woche in graue Nässe verwandelt. Auch der Himmel hat sich mit grauen tristen Regenwolken verhangen, die keinen einzigen Sonnenstrahl durchlassen wollen. Auf einmal taucht vor meinem Blickfeld ein faustgroßes durchscheinendes Wesen auf mit der Gestalt eines afrikanischen Wildhundes. Faszinierenderweise kann man trotz der leicht gräulichen rauchigen Struktur immer noch das braune Fell mit den unregelmäßigen Flecken erkennen wie bei einem verblassten Foto. „Woran denkst du gerade?“ An diese Stimme, die von Überall und gleichzeitig auch aus meinem Hinterkopf zu kommen scheint, habe ich mich immer noch nicht gewöhnt, weshalb ich auch gleich zusammenzucke. Ich vergesse ständig, dass die Wildhunddame, die sich mir nach ihrem Erscheinen gestern als Kira vorgestellt hat, mir immer auf Schritt und Tritt folgt. „Nichts, ich habe mir nur die Umgebung angeschaut.“ Ich komme mir echt blöd vor als ich Kira laut antworte. Es ist als würde man sich mit einer Halluzination unterhalten. Es hatte gestern Abend zu ein paar Peinlichkeiten geführt, weil ich mich direkt vor meinen Eltern mit der Hündin unterhalten hatte und sie sie ganz offensichtlich weder hatten sehen noch hören können. Deswegen war ich nun froh, dass mich niemand hören kann, weil ich auf diesen Teil meines Schulweges immer oder zumindest meist allein bin. „Und jetzt bitte keine weiteren Fragen mehr, ja? Du weißt genau, dass dich keiner sehen oder hören kann, von meinen Freunden mal abgesehen, und ich will mich nicht mit der Luft unterhalten.“ „Ich bin aber keine Luft!“ „Das weiß ich doch, aber für die anderen würde es so wirken, okay?“ Dann biege ich um die Ecke und komme auf die Straße, die direkt zur Schule führt und prompt bin ich von vielen Schülern umgeben. Kira springt aufgeregt hüpfend zwischen den Teenagern herum. Auf einmal bin ich froh, dass sie niemand sehen kann, weil ich das Gefühl habe, sie sucht nach meinen Freunden. Da entdecke ich ein paar blaue Zöpfe in der Menge und beschleunige meine Schritte um zu Isa aufzuschließen. Auch meine Wildhündin scheint sie entdeckt zu haben, denn sie schießt vorwärts und reißt einen faustgroßen rauchigen Otter um. „Kira! Kannst du nicht bremsen?“ Die Otterdame löst sich aus Kiras überschwängliche Umarmung, welche daraufhin gleich das Geisttierchen von Cath anfällt. Die große Brünette ist auch gerade bei Isa angekommen und hat eine durchscheinende Eule im Schlepptau, welche nun verzweifelt versucht mit ihren Flügeln Kira von sich zu drücken. „Bell, hilf mir doch! Bitte?!“ Doch nicht die Otterdame, die angesprochen wurde, sondern eine faustgroße Füchsin kommt der Eule zu Hilfe und rettet sie davor von der Hündin erdrückt zu werden. „Lilly! Ich hätte sie schon noch losgelassen. Außerdem löst sich Luna von einer Umarmung nicht gleich auf!“ Kiras Blick in Richtung der Füchsin ist nur gespielt beleidigt. In der Zwischenzeit haben wir Menschen uns auch begrüßt und setzen uns wieder in Bewegung, um den Schülerstrom, der sich durch das Schultor quetscht, nicht weiter zu behindern. Auf dem Schulhof, kurz vor dem Haupteingang, treffen wir Mädels dann auf drei der Jungen. Auch sie werden von faustgroßen, leicht auf und ab schwebenden Tieren umschwirrt. Während ich Matt, Jack und Zak begrüße, sehe ich aus den Augenwinkeln wie auch der Bär, der Adler und die Schlange begrüßt werden. Dann werden wir alle von den Schülermassen durch die Tür ins Schulgebäude geschoben und unsere für alle anderen unsichtbaren Begleiter haben Mühe mit uns Schritt zu halten. Keine Ahnung warum alle sprechende Tiergeister haben, doch nachdem Mai gestern bei Elly aufgetaucht war, hatte Marc auf dieselbe Weise einen Panther heraufbeschworen und dann führte eins zum Anderen. Dieser Panther kommt uns entgegen als wir sieben durch die Tür des Klassenzimmers kommen. Er hat noch den silbergrauen Wolf und die Luchsdame bei sich als die restlichen Geisttiere diese drei stürmisch begrüßen. Es war mir immer noch nicht verständlich, warum nur wir diese zehn Minitiere sehen können, die nun durch das gesamte Klassenzimmer schwirren und alles erkunden. Ich packe gerade meine Schulsachen aus und will mich dann hinsetzen als mich etwas im Rücken trifft. „Das war gemein, Tony!“ Kira schießt über meiner Schulter davon und jagt dem silbergrauen Wolf hinterher, der lachend vor ihr flieht. Wenn sie mit uns zusammenstoßen können, würden die Nichtelementarier sie dann auch spüren, wenn sie sie berühren? Wenn ja, würde das ein ziemliches Chaos auslösen, weil sie ja für alle anderen unsichtbar sind! Doch bevor es dazu kommt, betritt unsere Englischlehrerin den Raum und unsere kleinen Freunde sind so klug sich bei ihren jeweiligen Partnern niederzulassen. Meine Wildhunddame sitzt auf meiner Federtasche und beobachtet meine Lehrerin, die gerade die Anwesenheit kontrolliert, so aufmerksam, dass ihr aufgeregt wedelnder Schwanz meine Stifte in der Federtasche zum Klirren bringt. Wenn ich sie so ansehe, muss ich wieder daran denken wie sie in mein Leben getreten ist. » Gestern, nachdem Mai den Panther nach seinem Namen ausgefragt hatte und dieser die Antwort „Ich bin Pan“ gegeben hatte, veranlasste Matt das dazu eine Hypothese für die Entstehung der beiden Wildkatzen aufzustellen. „Vielleicht sind die beiden ja dadurch entstanden, weil ihr beide Elemente gleichzeitig verwendet habt und sie sich so vermischt haben.“ Wie um gleich die Richtigkeit seiner Annahme zu beweisen, nahm er die Steine und den Schraubenschlüssel, mit dem das grün-braune Team zuvor geübt hatte in die Hände, und ließ sie kurzerhand beide über der Handfläche schweben. Mit einem leichten Klicken trafen Steine und Schraubenschlüssel aufeinander und Staub rieselte heraus. Doch statt zu Boden zu fallen, formte der Staub einen faustgroßen Bären, der gleich darauf durchscheinend wurde und sich prompt in die entstandene Stille hinein vorstellte. „Koda, das ist mein Name.“ Ohne lange zu zögern hatte Tess dem Hünen die Gegenstände aus der Hand genommen und sie ebenfalls schweben lassen. Wieder waren Steine und Schraubenschlüssel zusammengeschlagen und wieder war Staub herausgerieselt, welcher diesmal einen Fuchs geformt hatte. Jack spielte in der Zwischenzeit nachdenklich mit seinen Kräften und ließ eine Windhose vor seiner Nase tanzen, dann pfiff er bewundernd als die Fuchsdame vor der Braungelockten Gestalt annahm. Dieser Pfiff färbte die auf und abtanzende Windhose dunkel und formte einen winzigen Weißkopfadler. Dieser breitete seine Flügel aus und flatterte um Jacks Kopf herum. Auf dieselbe Weise ließ anschließend Cath ihre Eule entstehen. Während sich die Geister gegenseitig vorstellten und aufgeregt um unsere Köpfe rasten, hatte sich Isa wieder zu der Wasserschüssel vor den Fernseher gesetzt und diese durch Telekinese vor sich schweben lassen. Dann hob sich das Wasser aus der Schüssel und formte eine Kugel um die Schüssel herum, in der sich ein dunkler Fleck bildete und die geisterhafte Gestalt eines Otters das Wasser durchbrach. Die Blauhaarige verlor glatt die Konzentration und ein Großteil des Wassers klatschte zu Boden. Zak kam ihr zu Hilfe und nahm ihr erst telekinetisch die Schüssel ab und sorgte anschließend dafür, dass das Wasser vom Fußboden zurück in die Schüssel floss. Kaum war dieses wieder in der Schüssel, brodelte das Wasser und wurde dunkel, um kurz darauf eine Schlange durch dessen Oberfläche brechen zu lassen. Der Wasserkontrolleur war so fasziniert von dem Geisttierchen, dass er vergaß, dass die Schüssel noch vor ihm in der Luft schwebte. Doch Isa war so geistesgegenwärtig und fing sie mit den Händen auf. Das alles war so schnell gegangen, dass es keine Zeit zum Reagieren gegeben hatte. Dadurch summte nun der ganze Raum, weil neben uns Elementariern auch alle Tiergeister durcheinanderredeten. Nach einigem hin und her hatten Dan und ich mich dann auf eine Idee geeinigt wie auch wir ein solches Tierchen heraufbeschwören könnten. Wie standen uns gegenüber, ich hatte eine Lichtkugel in meinen Händen und der Silberhaarige eine Schattenkugel in den seinen. Dann schalteten wir gleichzeitig unsere Aurensicht aus und die Licht- und Schattenkugeln änderten ihre Form. Nachdem wir unsere Sicht wieder aktiviert hatten, hüpften vor uns bereits ein durchscheinender silbergrauer Wolf und eine ebenfalls durchscheinende afrikanische Wildhündin wild durch den Raum. « Die Pausenklingel lässt mich hochfahren und in null Komma nichts sind meine Schulsachen in meinem Rucksack verstaut. Auf dem Schulhof suche ich mir gemeinsam mit meinen Freunden einen ruhigen Platz, damit wir uns ungestört mit den Tierchen unterhalten können. Es ist doch wirklich erstaunlich wie schnell man sich an das Ungewöhnliche und Unglaubliche gewöhnen kann. „Ist die Schule immer so langweilig?“ Der Weißkopfadler hat genauso ein vorlautes Mundwerk wie sein Partner. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die Geisttierchen genau die gleichen Charakterzüge besitzen wie die Personen, die sie heraufbeschworen haben. „Nein Finn, sie ist eher stressig als langweilig.“ Jack antwortet seinem kleinen neuen Freund mit einem genervten Blick in unsere Richtung. „Da siehst du mal wie anstrengend du manchmal bist, Jack! Finn ist dein Spiegelbild!“ Dans Reaktion auf den Blick des Bundgefärbten ist belustigt und zeigt mir gleichzeitig, dass er denselben Gedankengang hatte wie ich. „Ich glaube, sie sind nicht nur unsere Spiegelbilder.“ Isa lässt den Luftkontrolleur zu keiner Antwort kommen. „Sondern auch Vermittler zwischen unseren zwei Elementen.“ „Wie kommst du denn darauf?“ Matts irritierter Blick spricht Bände. Zum Glück bin ich nicht die einzige, die den Gedankengang unserer Intelligenzbestie mal wieder nicht folgen kann. „Na ja, gestern Abend wollte ich von Bell wissen, ob sie auch Wasser kontrollieren kann, weil ich festgestellt hatte, dass sie mir charakterlich ähnelt.“ „Genau, aber als ich es versucht habe, ist nichts passiert.“ „Dasselbe ist passiert als wir Telekinese ausprobiert haben, nichts. Bei Bell einfach gar nichts. Dann habe ich beides zusammen verwendet und obwohl bei Bell wieder nichts passiert ist, in Bezug auf die Elementenkontrolle, konnte ich mich besser konzentrieren. Es fiel mir leichter beide Elemente zu beherrschen, sodass sie getrennt voneinander existieren können.“ „Gleichzeitig habe ich angefangen blau zu leuchten“ Es ist unheimlich wie sie sich gegenseitig ergänzen und das auch noch von ihnen selbst unbemerkt. Hinzu kam Isas Entdeckung, die von Zak auch gleich kommentiert wird. „Willst du damit sagen, dass Sniggel und die anderen Geister dafür verantwortlich sind, dass sich meine und eure beiden Elemente nicht vermischen?“ Damit wäre die Funktion unserer neuen Begleiter geklärt. Nur eines find ich merkwürdig. Die Diebesbande von neulich hatte doch auch keine, oder? Heißt das, dass sie nur ein Element beherrschen? „Erde an Amy! Ist jemand zu Hause?!“ „Wie bitte?“ Ich sehe mich überrascht um. Der Schulhof lehrte sich bereits. Ich hatte die Diskussion meiner Freunde und das Klingelzeichen verpasst. Wahrscheinlich wäre ich auch noch zu spät zum Unterricht gekommen, weil ich mit meinen Gedanken ganz woanders war, wenn Kira mich nicht angestupst hätte. Diese schwebt mir nun voraus als ich mich beeile zu meinen Freunden aufzuholen, die mich doch tatsächlich einfach so stehen gelassen haben! „Du bist eine ganz schöne Tagträumerin!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)