Spirit of Dragon von Proinos ================================================================================ Kapitel 7: Der Ausflug ---------------------- Endlich war es Frühling geworden. Der letzte Schnee war in dieser Woche weggetaut, was mir aber den Weg zu Jack auch nicht erleichtert, weil der Vorgarten des Hauses meiner Eltern keinen gepflasterten Weg besitzt. Dass ich in dem Kies immer wieder stecken bleibe, liegt aber wahrscheinlich auch an dem überdimensionalen Rucksack, den ich auf dem Rücken trage. Als meine Eltern gehört haben, dass ich das Osterwochenende zusammen mit meinen Freunden verbringen will, sind sie auf die irre Idee gekommen mir einen Wanderrucksack zu kaufen. Als ob ich Wochen unterwegs sein werde! Das sind gerademal drei Nächte, die wir in dem warmen gemütlichen Haus von Jacks Eltern verbringen werden und in dem es garantiert auch eine Küche mit genug Essen gibt. Trotzdem hat es meine Mutter für nötig gehalten den Großteil meines Rucksackes mit Knabbersachen und ähnlichem vollzustopfen. Dass ich die Isomatte und den Schlafsack, den ich benötige, weil einfach nicht genug andere Schlafmöglichkeiten für zehn Leute vorhanden sein werden, noch rein bekommen habe, grenzt an ein Wunder! Wir werden das ganze Haus für uns haben, weil die Eltern des Bundgefärbten das lange Wochenende benutzen, um ihren Ältesten zu besuchen, der irgendwo im Ausland studiert, wo genau konnte uns Jack nicht verraten, da er es immer wieder vergisst. Ich komme gerade in der Ladenstraße an, als ich auch schon acht Teenager am Springbrunnen versammelt sehe. Kira, die mir ausnahmsweise einmal schweigend gefolgt ist, schießt vorwärts, um die anderen zu begrüßen. Ich bin nicht ganz so schnell, doch als ich am Wasserbecken der Faunenstatue ankomme, in dem sich jetzt wieder Wasser befindet, stelle ich fest, dass ausgerechnet unser Gastgeber noch nicht anwesend ist und das obwohl es seine Idee gewesen war uns hier zu treffen, um dann gemeinsam zu ihm nach Hause zu gehen. „Ihr kommt zu spät, Amy!“ Luna, die Geistereule von Cath, taucht nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht auf. „Meine Mutter wollte mich einfach nicht gehen lassen, tut mir Leid.“ „Außerdem sind wir nicht die Letzten.“ Kira lässt sich auf meiner Schulter nieder und sieht sich um. „Ich weiß, Jacks ewige Zuspätkommerei macht mich noch irgendwann verrückt.“ Matt ist aufgestanden und hilft mir mit meinem Rucksack. „Himmel! Was ist denn da alles drin?! Der wiegt mindestens eine Tonne!“ „Das sind eigentlich nur Knappersachen.“ Da fängt Elly an zu lachen. „In meinem ist auch fast ausschließlich Essen!“ Während wir alle noch lachen, kommt Jack auf uns zu gerannt. „Sorry, Leute! Ich habe vergessen auf die Uhr zu schauen.“ „Das ist keine Entschuldigung! Du hast gesagt, dass wir uns hier treffen!“ Zak sieht den Bundgefärbten anklagend an und deutet mit einem ausgestreckten Finger auf die Faunenstatue. Da schießt eine Wassersäule hoch und bespritzt diese. Das ist ungewöhnlich, dass wir unbewusst unsere Kräfte benutzen, und passiert uns eigentlich nicht mehr so häufig. Seit wir sie vor ein paar Wochen zum ersten Mal verwenden konnten, haben wir mittlerweile gelernt sie zu beherrschen. Doch etwas passiert, was noch viel merkwürdiger ist, am Hals der Faunenstatue leuchtet ein kleines Symbol blau auf. Dieses Symbol hat Ähnlichkeiten mit einem stilisierten Drachen. Aus diesem leuchtenden Symbol kommt nur Sekunden nach dem Aufleuchten ein gleißender Strudel. der in allen Farben des Regenbogens schimmert und sowohl aus Wasser als auch aus Licht zu bestehen scheint. Wir schauen dieses Phänomen verblüfft an. „Was hast du denn jetzt gemacht Zak?!“ Jack kommt herüber und steht jetzt direkt vor dem Strudel. Er beugt sich so weit vor, dass seine Nase fast die Regenbogenlichter berührt. „Ich … ich habe keine Ahnung. Und geh nicht so nah da ran, wir wissen nicht was das ist!“ Aber zu spät, mit einem überraschten Aufschrei verschwindet Jack in dem Strudel und ist nicht mehr zu sehen. Kurz darauf löst sich auch das Farbenspiel auf und die Statue sieht wieder unschuldig auf uns herunter als wäre nichts passiert. Das war alles so schnell gegangen, dass keiner von uns auch nur einen Mucks machen konnte. Zak dreht sich geschockt zu uns anderen um und macht den Mund auf, um etwas zu sagen, doch es kommen keine Worte heraus. Danach öffnet und schließt er ihn noch ein paar Mal, ohne das auch nur ein Ton herauskommt, während wir anderen uns auch nur wortlos anschauen können. Ich blicke in geschockte, verwirrte, verängstigte und nachdenkliche Gesichter. Wie konnte Jack einfach verschwinden und wo mag er jetzt wohl sein?! Hoffentlich geht es ihm gut! Sein Weißkopfadler fliegt voller Panik immer im Kreis um den Kopf des Fauns. Da findet Zak endlich seine Stimme wieder und stammelt vor sich hin, während er zwischen uns und der Springbrunnen hin und her sieht, in der Hoffnung so eine Antwort zu erhalten. „Was … Was ist gerade pas… passiert?“ Isa geht zu ihm hinüber, drückt kurz beruhigend seine Schulter und besieht sich die Faunenstatue genauer. „Ich würde sagen, dass das eben ein Portal war und Jack an einen anderen Ort gebracht hat.“ Obwohl sie wie gewohnt sachlich und ruhig spricht, kann sie ein leichtes Zittern nicht unterdrücken, ob sie vor Aufregung oder Angst zittert, vermag ich nicht zu sagen. Finn hört auf den Faun zu umkreisen und schaut hoffungsvoll herunter. „Und wie ist dieses Portal entstanden? Etwa, weil Zak die Statue mit Wasser bespritzt hat?“ Mark stellt sich neben die Blauhaarige und sieht diese fragend an. „Ja, ich denke schon, aber ich weiß nur noch nicht warum das ein Portal heraufbeschworen hat. Schließlich haben wir auch schon vorher Gegenstände beim Manipulieren nass gemacht, ohne das sich gleich ein Tor zu einem anderen Ort geöffnet hat.“ „Und was ist mit dem Symbol, das vor dem Erscheinen des Strudels aufgeleuchtet hat?“ Ich sehe Dan überrascht an. Wir hatten zur selben Zeit das Gleiche gesagt! „Was für ein Symbol?“ Isa sieht uns beide verwirrt an. Anscheinend waren wir beide die einzigen gewesen, denen das aufgefallen war, wenn ich die Gesichter der anderen richtig deute. „Na das Symbol da auf der Flanke des Fauns.“ Dan zeigt mit ausgestreckten Finger auf die Statue. „Das aussieht wie ein kleiner schlafender Drache.“ Mir ist gerade eingefallen, woran mich dieses Symbol erinnert hat. Isa beugt sich vor, um die Faunenstatue genauer unter die Lupe zu nehmen. Nach wenigen Sekunden hat sie dann auch das Symbol gefunden, von dem Dan und ich geredet haben. Sie fährt nachdenklich mit dem Finger über die Vertiefungen. „Es ist ganz nass, vielleicht muss man es mit Wasser begießen, um es zu öffnen.“ Gesagt, getan! Die Blauhaarige schöpft eine Hand voll Wasser aus dem Becken und lässt das Wasser die Flanke der Statue hinunterlaufen, doch es passiert nichts. „Wahrscheinlich funktioniert es nur, wenn man das Wasser auf magischem Weg das Symbol berührt.“ Zak schiebt Isa sanft vom Beckenrand weg und mit einer lässigen Handbewegung trifft ein Schwall Wasser den Faun von der Seite. Das Symbol leuchtet zum zweiten Mal blau auf und wird daraufhin wieder von dem farbenprächtigen Strudel aus Licht und Wasser verdeckt, das sich aus diesem zu ergießen scheint. „Ähm, okay. Und was machen wir jetzt? Gehen wir hindurch und suchen Jack?“ Matt sieht die beiden Wasserkontrolleure fragend an. „Ich weiß nicht, vielleicht kann man nur einzeln hindurchgehen, weil sich das Portal direkt hinter Jack wieder geschlossen hat, ohne dass wir etwas machen konnten.“ Zak sieht zu dem Schlaumeier hinüber und scheint auf eine Bestätigung ihrerseits zu warten, die auch nicht lange auf sich warten lässt. „Außerdem wissen wir nicht, ob noch einer von euch das Portal öffnen kann und ob es dann auch zu dem selben Ort führt, immerhin wissen auch jetzt nicht, ob Jack auf der anderen Seite von diesem hier ist. Deswegen würde ich vorschlagen, dass Zak und ich zuletzt gehen.“ Ich habe nichts an dem Plan auszusetzten, denn wenn Jack auf der anderen Seite das Portal zwar sieht, aber nicht zurückkommt, dann gibt es bestimmt etwas zu sehen, das wir uns anschauen sollten. „In Ordnung, wer geht als Erster?“ Der Rotblonde schaut abwartend in die Runde. Es ist Mark der sich als Erster in Bewegung setzt, seinen Rucksack aufhebt und zusammen mit Finn und Pan durch das Farbenmeer verschwindet. Wie vorhergesagt schließt sich das Portal direkt hinter ihm und wird nur einen Augenblick später von Isa erneut geöffnet. Dann setzten auch wir anderen uns in Bewegung. Dan folgt Cath auf dem Fuße, danach kommen Elly und Tess und schließlich gehe auch ich durch den immer wieder von neuem erwachten Strudel. Wir alle haben unsere kleinen Begleiter und unsere Taschen bei uns, die wir für das lange Osterwochenende gepackt haben. Dann werden ich und Kira vom Regenbogenglitzern erfasst und ein schwindelerregender Sog breitet sich in meiner Magengegend aus, als hätte ich eine Stufe beim Treppenabstieg vergessen. Ich sehe nur noch wirbelnde Lichter und auf meiner Haut spüre ich eine nicht unangenehme feuchte Kühle, die einen talgigen Geruch verströmt wie bei einem Besuch am Meer. Einen Augenblick später ist dann auch schon alles vorbei und ich stolpere überrumpelt vorwärts. Im ersten Moment bin ich geblendet, weil mir die Sonne voll ins Gesicht scheint. Dann kann ich mich umsehen. Ich befinde mich an einem Strand, den ich nicht kenne. Um mich herum stehen meine Freunde, immer ein paar Meter zwischen sich, und drehen sich genauso staunend im Kreis wie ich es gerade tue. Noch bevor ich alles in meiner Umgebung in Augenschein nehmen kann, öffnet sich ein paar Meter neben mir ein leuchtender Strudel und spuckt Matt aus. Dieser blinzelt geblendet zu mir rüber, um nur Augenblicke später seine Umgebung mit großen Augen zu betrachten. Es ist total still, aber nicht unangenehm. Es ist eine friedliche Stille, die zum Bleiben einlädt und keiner von uns durchbricht sie mit einem Wort, stattdessen genießen wir sie gemeinsam. Dann leuchtet hinter mir ein weiteres Portal auf und Isa stolpert heraus. Während die Blauhaarige sich noch an die grelle Sonne gewöhnt, nutze ich die Zeit, um mich weiter umzusehen. Der Strand, auf dem ich mich befinde, ist halbmondförmig und von einer einladenden grünen Hügelkette zur Linken und weißen, steil aufragenden Felsen zur Rechten umgeben. Es weht eine sanfte Briese, die das unglaublich blaue und ruhig daliegende Wasser, das sich endlos bis zum Horizont auf der anderen Seite erstreckt, in kleinen Wellen an den hellen feinen Strand spült. Keine Menschenseele befindet sich in der Nähe, nicht ein Tier ist zu sehen. Wir sind ganz allein an diesem paradiesischen Ort. Da erscheint der letzte Regenbogenstrudel und gibt Zak frei. Noch hat sich keiner vom Fleck bewegt, alle stehen noch genau an der Stelle, an der sie nach dem Verlassen des Portals gelandet sind. Unsere kleinen Geister sind genauso überwältigt wie wir, sodass sie in unserer Nähe bleiben, nur Finn ist zu Jack geflogen. Das bedeutet, dass Jack, der ja als Erstes hierhergekommen ist, direkt vor den weißen Felsen steht und Zak etwa in der Mitte des Halbmondes, den der Sandstrand bildet. Wir anderen stehen in einer ungleichmäßigen Zickzacklinie zwischen den beiden Jungen, in der Reihenfolge, in der wir durch den Lichtstrudel gegangen sind. Jack ist Derjenige, der sich als erstes von seinem Standort wegbewegt und auf seinen besten Freund zugeht. Dann setzten auch wir anderen uns nach und nach in Bewegung und versammeln uns um den immer noch staunend umherblickenden Wasserkontrolleur. „Wo sind wir hier?“ Er sieht uns anderen mit großen Augen entgegen. „Keine Ahnung, so einen Strand habe ich noch nie gesehen.“ Dan klingt ganz atemlos und wird dann von Elly ergänzt, die auf den naheliegenden Hügel zeigt. „Wir sollten uns mal umsehen, vielleicht ist da jemand den wir fragen können, wo wir sind.“ „Und was sagen wir, wenn dieser jemand wissen will, wie wir hierhergekommen sind?“ Cath sieht die Schwarzhaarige mit hochgezogen Augenbrauen an. Doch es ist Jack, der sich in Bewegung setzt und den Hügel hoch stapft. Ihm voraus fliegt ein übermütiger Weißkopfadler. „Das können wir uns doch noch überlegen, wenn wir jemanden gefunden haben.“ „Außerdem könnte es ja sein, dass man nur durch das Portal an diesen Ort gelangen kann, dann müssen wir gar nichts erklären.“ Isa bedeutet uns, ihr zu folgen, während sie sich Jack angeschlossen hat und den Hügel erklimmt. Bei uns zu Hause war es noch recht kalt gewesen, doch hier ist mir mein Mantel, der mir bis zu den Knien reicht, zu warm, sodass ich ihn öffne. Diese feuchte Wärme gibt mir das Gefühl, dass wir irgendwo im Süden sein müssen, wo es schon im Frühjahr an die 20°C werden. Oben angekommen, kann ich im ersten Moment nur die Aussicht bewundern. So viel Grün und das zu Ostern! Von den Hügeln hat man eine gute Aussicht. Sie sind wahrscheinlich die höchsten Punkte der Gegend, nur in der Ferne im blassen Dunst am Horizont ist eine schneebedeckte Gebirgskette über saftiges im seichten Wind wiegenden kniehohem Gras zu erkennen, welches sich zu unserer Linken endlos ausbreiten. Direkt über dem steilen Abhang aus weißen Felsen beginnt ein Wald, der den Großteil der uns einsehbaren Fläche einnimmt, und sich von unserer Rechten bis vor unsere Füße erstreckt. Dadurch versperren uns exotische Bäume, die in allen erdenklichen Farben blühen, den Blick auf mögliche Siedlungen. Doch die Farbenvielfalt ist überwältigend, denn zwischen all der Blütenpracht, ist der gesamte zu erkennbare Waldboden bedeckt mit hellgrünen Farnen, Büschen und Sträuchern, die es einem bestimmt schwermachen, den Wald zu durchqueren, denn ein Weg hindurch ist nicht zu erkennen. Trotzdem macht der lichtdurchflutete Wald einen einladenden, friedlichen Eindruck, so unberührt und wild wie er hier wächst. Der einzige sichtbare Weg, der weg vom Strand und den Hügeln führt, verläuft am Waldrand entlang, bevor er einer Biegung folgt und hinter den Bäumen verschwindet. Und dort taucht mit einem Mal eine Gestalt in ungewöhnlicher Kleidung auf, die aussieht als ob sie aus einem der Fantasy-Romane entsprungen ist, die ich so liebe. Es ist ein junger Mann mit gewollt zerzaustem braunem Haar, den ich auf Anfang zwanzig schätzen würde. Seine Kleidung ist eine Mischung zwischen mittelalterlichem Umhang und Weltraumanzug, was ihm ein etwas exotisches Aussehen verleiht. Plötzlich bleibt er stehen und sieht zu uns hinüber, schirmt seine Augen gegen die Sonne ab, die uns in den Rücken scheint, und fängt dann mit der freien Hand an zu winken. „Jack, was machst du denn hier?!“ Seine Stimme wird von einem Windstoß begleitet, als sie uns erreicht. „Ich dachte, du wolltest mich nicht besuchen kommen, Brüderchen?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)