Spirit of Dragon von Proinos ================================================================================ Kapitel 8: Eine andere Welt --------------------------- Als ich aufwache, weiß ich im ersten Moment nicht wo ich bin. Ich sehe an eine braune Zimmerdecke, die mir nicht bekannt vorkommt. Dann sehe ich mich um und stelle fest, dass auch die Wände braun sind. Es ist ziemlich dunkel hier drin, weil es nur eine Öffnung im ganzen Raum gibt, ein mannshohes Rechteck zu meinen Füßen, das improvisiert mit einer Decke zugehängt ist. Die Sonne scheint matt durch den Stoff und während ich es noch verwirrt anstarre, setzte ich mich auf. Dabei verrutscht mein Schlafsack und mit einem Mal weiß ich wieder, wo ich bin. Ich bin auf den weißen Felsen über dem Strand an dem ich gestern mit meinen Freunden angekommen bin. Jacks Bruder hatte uns zwar eingeladen mit in die nächste Stadt zu kommen, aber Jack wollte seinen Eltern nicht erklären müssen, warum er hier war und wie er überhaupt hierhergekommen war, denn Jacks Bruder zufolge sind wir an einem Wassertor angekommen und seine ganze Familie waren Luftkontrolleure. Soweit ich es verstanden habe, kann man nur abhängig vom kontrollierten Element reisen. Wasserkontrolleure können nur zu Wassertoren reisen und so weiter, aber von einem Wassertor zum Beispiel kann man zu jedem Tor auf der Erde reisen, denn Jacks Bruder hat uns noch etwas Anderes eröffnet und zwar, dass wir uns hier auf einem anderen Planeten in einem Paralleluniversum befinden, der im Mittelalter mittels Magie extra für die Elementarier erschaffen wurde. Wir sind auf Elor, der schlafende Drache, der seinen Körper für die Rettung der Elementarier gegeben hat, um sie vor den Hexenverfolgungen zu bewahren. Damit wäre zumindest das merkwürdige Symbol auf der Faunenstatue geklärt, durch das sich das Portal hierher öffnen ließ. Meine Augen haben sich mittlerweile an das dämmrige Licht gewöhnt und so kann ich einige Details besser erkennen. Die braunen Wände und auch die Zimmerdecke sind aus gestampfter Erde, die unsere beiden Erdkontrolleure gestern als Zeltersatz zusammengezimmert haben, weil wir abgesehen von Decken und Schlafsäcken ja keine anderen Schlafmöglichkeiten dabeihaben. Ich liege direkt vor der improvisierten Tür und zu meinen beiden Seiten schlafen noch immer meine Freundinnen, je zwei zu beiden Seiten. Auch unsere kleinen durchscheinenden Freunde schlafen noch friedlich. Die Jungen haben ihr eigenes Erdiglo. Warum bin ich eigentlich aufgewacht? Es scheint immer noch sehr früh zu sein, also kann es nicht an dem Licht liegen, das durch die Türöffnung dringt. Und dann höre ich es! Ein donnerndes Grollen. Ist etwa gerade ein Fels von der Klippe ins Meer gefallen? Dann wieder. Nein, es gibt kein Geräusch, dass mir verraten hätte, das etwas ins Wasser gefallen ist. Aber was verursacht denn sonst so ein Donnern? Und dann noch mal. „Was ist das?“ Cath neben mir blinzelt mich mit verschlafenen Augen fragend an. Ich zucke nur ratlos die Schultern und schäle mich wiederwillig aus dem warmen Schlafsack, um zur Tür krabbeln und hinausgucken zu können. Draußen ist nichts und niemand zu sehen, der so einen Lärm machen könnte, nur der Wind fährt raschelnd durch das Laub der Bäume zu meiner linken und durch das kniehohe Gras der weiten Hügelkette zu meiner rechten. Das fröhliche Lied einiger Vögel im nahem Wald wird durch ein weiteres Grollen unterbrochen. Das kommt vom Jungenerdhügel! Ich schaue über die Schulter und sehe, dass mittlerweile alle wach sind. Mit einem Kopfnicken bedeute ich den anderen mir zu folgen als ich die Decke beiseite ziehe und zum Erdiglo direkt gegenüber gehe. Ich stehe einen Moment ratlos vor der Decke, die auch bei den Jungen als Türersatz dient. Sollte ich vielleicht anklopfen? Vielleich schläft ja noch wer, aber wer könnte schon bei so einem Krach schlafen! „Mann! Ist der Kerl denn gar nicht wach zu kriegen?! Der schnarcht so laut, dass es einem Wunder gleichkommt, dass die Decke noch nicht eingestürzt ist!“ Dans genervte Stimme geht fast in einem erneuten donnergrollenden Schnarchen unter. Ich bin nicht die einzige, die sich ein Kichern nicht verkneifen kann. Vorsichtig luchse ich hinter den Vorhang. „Braucht ihr vielleicht etwas Hilfe?“ „Ja bitte, wir haben schon alles versucht!“ Mark, der der Türöffnung am nächsten sitzt sieht mir dankbar entgegen. Alle sind schon wach, außer einer. Unser unverschämt lauter und viel zu früher Wecker trägt den Namen Jack. Wer außer ihm (und vielleicht noch Cath) könnte auch sonst so laut schnarchen? Kann man eigentlich vom eigenen Schnarchen wach werden? Während ich noch überlege wie wir diesen Tiefschläfer wach bekommen, ist Isa kurzerhand zum Klippenrand gegangen, hat etwas Wasser heraufgezaubert und kommt jetzt mit einer Wasserblase ins Jungenzelt. „Wenn alles andere nicht funktioniert ...“ Mit einem spitzbübischen Grinsen entehrt sie das ganze Wasser über Jacks Gesicht. Dieser fährt prustend in die Höhe und nachdem er seine anfängliche Verwirrung abgeschüttelt hat, sieht er uns böse an. „Ist das wirklich nötig gewesen?“ „Alles andere hat nicht funktioniert und hör auf dich zu beschweren, wegen dir sind wir alle noch vor Tagesanbruch wach geworden!“ Zak trocknet seinen Freund und dessen Schlafsack indem er mit einer lässigen Handbewegung das Wasser aus dem Stoff zieht. Nachdem wir nun alle wach sind, lohnt es sich nicht mehr doch noch eine Runde schlafen zu gehen. Deswegen haben wir beschlossen jetzt schon zu frühstücken. Nachdem Elly und Marc das Lagerfeuer von gestern Abend wieder entfacht haben und wir anderen etwas Essbares aus unseren mitgebrachen Essensvorräten zusammengesammelt haben, die fast ausschließlich aus ungesundem Süßkram bestehen, weswegen es ein eigentümliches Frühstück wird, überlegen wir uns was wir heute machen werden. Jacks Bruder hatte uns geraten in dieser Bucht zu bleiben, wenn wir über Nacht bleiben wollen, weil man eigentlich so etwas wie ein Visum vom König oder zumindest vom örtlichen Fürst braucht und das besaßen wir alle nicht. Hier herrscht anscheinend noch immer eine strickte Monarchie, nicht so wie zu Hause, wo wir auch ein Parlament haben. Er sagte, dass wir hier ungestört auch noch eine weitere Nacht bleiben könnten, weil dieses Wasserportal selten benutzt wird, da es sich nicht in dem Hauptgebiet der Wasserelementarier befinde. Er selber war nur hier gewesen, weil er ein paar seltene Kräuter gesucht hatte und er würde heute noch mal kommen und uns etwas Anständiges zu Essen mitbringen. Wir haben bereits gestern Abend beschlossen auch die nächsten beiden Nächte hier zu verbringen und erst am Ostermontag zur Erde zurück zu kehren, um die Ungestörtheit, hier ohne Einschränkungen Elementarmagie anwenden zu können, voll auszunutzen. „Sagt mal, könnten eigentlich alle unsere Eltern Elementarier sein? Bei Jack sind schließlich alle Luftmagier.“ Matt starrt nachdenklich in die Flammen, während er mit der Hand durch das Fell seines Bären fährt. Ja, das hatte ich mir auch schon überlegt, aber es gibt da ein Problem. „Meine Eltern jedenfalls nicht, sie sind ganz normale Menschen, die besitzen keine Aura, das hätte ich doch schon längst gesehen.“ „Meine Mutter auch nicht, aber meinen Vater habe ich nie kennen gelernt, es könnte also sein, dass er ein Elementarier ist.“ Dan sieht zu mir herüber, in seinen Augen blitzt etwas auf, dass ich nicht so recht zu deuten weiß. „Bei uns anderen ist es leider nicht so einfach. Wir können nicht einfach sehen, ob jemand ein Elementarier ist oder nicht. Außerdem hat keiner unserer Eltern verlauten lassen, dass sie die Elemente manipulieren können, sonst hätten wir uns das ganze Experimentieren sparen und sie stattdessen fragen können.“ Elly ist aufgestanden und fängt jetzt an aufzuräumen. „Na das Problem können wir doch ganz einfach lösen, wenn wir wieder zu Hause sind, lädt jeder von uns Dan oder Amy zu sich nach Hause ein und zwar wenn alle da sind, dann können sie uns sagen wer Elementarier ist und wer nicht.“ Isa geht Elly zur Hand und schmeißt den ganzen Müll in eine Tüte, die wir später wieder durch das Portal mitnehmen werden. „Außerdem kann es doch sein, dass man die Elementarmagie ja auch von seinen Großeltern geerbt hat, auch wenn keiner in meiner Familie Bell sehen kann.“ Ein paar Stunden später stehen wir alle am Strand und haben längst aufgehört ernsthaft zu üben. Stattdessen haben wir zwei Teams gebildet, Mädchen gegen Jungen und spielen Zweivölkerball in Elementarierstil. Das bedeutet, dass es keine echten Bälle gibt und wir uns eigentlich nur gegenseitig mit unseren jeweiligen Elementen bewerfen, denen der oder die Beworfene entweder ausweichen oder abblocken muss. Es sind vorher keine Regeln festgelegt worden, deshalb erinnert das eher an eine Schneeballschlacht. Besonders heikel sind die Feuerbälle. Das bis jetzt noch niemand angekokelt wurde, grenzt an ein Wunder, aber wir haben viel zu viel Spaß als das wir uns über die möglichen Gefahren Gedanken machen wollen. Da wir sowohl Angreifer als auch Verteidiger sind, kommt es immer wieder vor, dass einer von uns seine beiden Elemente gleichzeitig verwendet. Das wiederum sieht bestimmt von Weitem lustig aus, wenn unsere Geister irgendwer sehen würde, weil sie dann immer für kurze Zeit aufleuchten, da die Wildkatzen rot, die Raubvögel violett, die Waldbewohner grün und Otter und Schlange blau leuchten. Das ist fast wir eine Minischlacht mit Discobeleuchtung, bei der der Gewinner noch aussteht. „Hey!“ Mit einem Mal stehen alle vor Schreck ganz still, mitten in der Bewegung eingefroren als hätte jemand die Zeit angehalten. Halb ausgeführte Aktionen der Elemente verpuffen und wir wenden uns wie ein Mann in Richtung der Hügel, von wo der laute Ruf gekommen war. Ich kneife geblendet die Augen zusammen, aber wirklich helfen tut das nicht. Die Sonne, die von links auf mein Gesicht scheint, ist so hell, dass ich fast nur eine dunkle Silhouette erkennen kann. „Verdammt, bist du das Tom? Du hast uns einen riesen Schrecken eingejagt!“ Und tatsächlich ist es Jacks großer Bruder, der dort auf den Hügeln gestanden hat und jetzt zu uns runter an den Stand kommt. „Sagt mal, habe ich das gerade richtig gesehen? Bei euch sind alle fünf Elemente vertreten, sogar das stärkste, das am seltensten auftretende Äther?“ „Äther?! Was soll das denn für ein Element sein?“ Jack sieht seinen Bruder irritiert an. Er scheint sich nicht vorstellen zu können, was damit gemeint ist, aber ich ahne schon was es ist. Doch bevor ich etwas sagen kann, kommt mir Isa zuvor. „Jetzt denk doch mal nach Jack! Wahrscheinlich meint er Licht und Schatten, das würde zumindest erklären warum Amy und Dan zwar die gleiche Aurafarbe, aber augenscheinlich nicht das gleiche Element beherrschen. Und was die andere Frage angeht, ja es sind alle Elemente vertreten, sogar alle in zweifacher Ausführung.“ Beim letzten hat sich die Blauhaarige wieder Tom zugewandt, um ihn ansehen zu können, wenn sie ihm antwortet. Aber noch bevor dieser etwas sagen kann mischt sich Cath in die Unterhaltung ein. „Aber wieso nur fünf Elemente? Selbst wenn Dan und Amy ein gemeinsames haben, beherrschen wir anderen alle zwei Elemente.“ „Wie meinst du das ‚zwei Elemente‘?“ Aber nicht die Brünette gibt ihm die Antwort, sondern Zak an ihrer Stelle. „Also ich beherrsche das Element Wasser und außerdem auch noch Telekinese. Das ist bei den anderen auch so, Feuer hat auch noch Elektrizität, Erde Magnetismus und Luft den Schall. Ist es normal, dass man Auren sehen kann, wenn man das Element Äther besitzt? Wenn nicht, dann ist das das zweite ‚Element‘ beim Äther.“ „Okay, ich glaube ich muss euch mal etwas Grundlegendes erklären. Also zuerst mal ist es ungewöhnlich, dass man zwei Elemente beherrschen kann. Die elementaren Fünf sind die mittelalterlichen Elemente der Alchemie. Die Fähigkeiten Feuer, Wasser, Erde und Luft zu kontrollieren ist erblich bedingt, obwohl es nicht nötig ist, dass beide Eltern Elementarier sind oder das beide dasselbe Element beherrschen. Es kann auch nur einer der Großeltern ein Elementarier sein und man kann auch als solcher geboren werden. Beim fünften Element Äther ist es etwas anders. In jeder Elementarierfamilie der anderen Elemente kann es jemanden geben der das Element Äther besitzt, zwar auch von Geburt an, aber es ist nicht notwendig, dass ein Elternteil oder einer der Großeltern dieses besitzen. Genauso verhält es sich umgekehrt. Kommt man zum Beispiel aus einer Luftfamilie wie ich, beherrscht aber Äther, heißt das nicht unbedingt, dass mein Kind auch das Element Äther hat, dieses könnte genauso gut wieder Luft kontrollieren können. Darum werden alle mit der Fähigkeit des Äthers als die Elite angesehen. Aber noch seltener als Äther kommt es vor, dass Elementarier das sogenannte Zweit- oder ergänzende Element besitzen. Das ist etwas wirklich Besonderes.“ Tom sieht uns bewundernd und auch etwas neidisch an, aber in seinen Augen ist noch ein Ausdruck, den ich nicht so ganz deuten kann. „Die Letzten, die dieses Zweitelement besaßen sind vor 12 Jahren verschwunden. Man sagt sich, dass ihre Kraft so groß war, dass sie sich in Form von Elementargeistern materialisieren konnte.“ „Du meinst wie mein Luchs Mai?“ Elly zeigt auf ihre Schulter, wo sich eben diese niedergelassen hat. „Was denn für ein Luchs?“ Tom sieht total verwirrt aus. Er scheint die faustgroßen Tiergeister nicht sehen zu können. „Du meinst, du kannst die zehn umherschwebenden durchscheinenden Tiere nicht sehen, die die ganze Zeit um unsere Köpfe schweben? Wirklich nicht?!“ Dan guckt erstaunt Jacks Bruder an. „Nein kann ich wirklich nicht, aber dass ihr sie untereinander sehen könnt ist wirklich interessant.“ Mit einem Mal ganz Ernst sieht er uns alle ganz eindringlich an. „Tut mir bitte einen Gefallen, ja? Es ist momentan nicht besonders ratsam besondere Fähigkeiten zu haben, also behaltet das für euch, okay? Sagt keinem, dass ihr ein Zweitelement oder diese Tierchen besitzt, nicht mal euren Eltern, habt ihr verstanden?“ Wir alle nicken brav, obwohl ich mich ein wenig überrumpelt fühle, warum soll das denn niemand wissen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)