Spirit of Dragon von Proinos ================================================================================ Prolog: -------- Es war noch warm, obwohl bereits die Sonne den Tag verabschiedete. Ein heißer, schwüler Sommertag ging zu Ende. Drei Personen waren noch in dem schon ruhigen Örtchen in Schottland unterwegs. Es waren ein blonder Mann mit einem langen geflochtenen Zopf, der die Festuniform eines Militärs trug, das keinem hier bekannt war, eine schwarzhaarige Frau, die in ein mittelalterliches aber edles Gewand gehüllt war und deren Haare so lang waren, dass sie beinahe ihre Kniekehlen erreichten, und ein Mädchen mit hüftlangen Haaren in der Schuluniform des örtlichen Gymnasiums. Die Festuniform selbst war eher schlicht und stach nur durch die goldenen Zierelemente an Schultern und Brust hervor, welche sich im Licht der untergehenden Sonne imposant vom dunklen Stoff der Jacke abhoben und dessen Träger eine machtvolle Aura verlieh. Diese Autorität wurde noch durch eine angespannte Haltung und einem etwas steifen militärischen Schritt unterstrichen, nur die Lachfältchen straften dem ernsten Gesicht des Mannes Lügen. Auch seine Frau neben ihm, deren Kleid in Purpur mit goldenen Borten erstrahlte und von einer dezenten goldenen Kette abgerundet wurde, wirkte angespannt und ernst, doch in ihren Augen spiegelten sich viele, auch widersprüchliche Gefühle wieder, während ihr Blick immer wieder zwischen ihrem Mann und dem blonden Teenager hin und her wandert, der vor ihnen ging und sie zu einem modernen Anwesen führte. Der schwarz-weiß-karierte Faltenrock wurde durch die weiße Sommerbluse der Schuluniform besonders hervorgehoben und bewegte sich schwungvoll von einer Seite zur anderen als sich ihre Trägerin aufgeregt dem Paar zudrehte bevor sie sich erwartungsvoll wieder der Haustür zuwandte und sich nervös ihr abstehendes Pony aus den Augen wischte. Es wurde geklingelt und ein weiteres Paar öffnete die Tür. Die Brünette, die in der Tür stand, wirkte so, als ob sie gerade aus der Küche kam mit ihrer mehligen Schürze, welche sie über einem geblümten Sommerkleid trug. Selbst in ihren offenen schulterlangen Haaren konnte man Mehl erkennen, so als ob sie beim Backen immer wieder die Haare, welche schon graue Strähnen aufwiesen, hinter die Ohren gestrichen hätte. Der Mann wiederum war in einem Anzug anzutreffen, wodurch der Eindruck entstand, er sei gerade von der Arbeit gekommen, obwohl seine an den Schläfen bereits ergrauten dunklen Haaren nicht mehr so ordentlich lagen wie vielleicht noch am Morgen, was zusammen mit den müden, aber freundlichen, Augen so wirkte als hätte er einen anstrengenden Tag hinter sich. Die drei Neuankömmlinge wurden ins Haus gebeten und die Hausherren sahen das Mädchen erwartungsvoll an. Dieses stellte sich zwischen die beiden Pärchen, deutete auf das exotische und in dem modernen Haus völlig fehl wirkende Paar und sagte in die Stille hinein: „Darf ich vorstellen? Der König und die Königin von Elor.“ Kapitel 1: Das Unbekannte ------------------------- Mein Name ist Amy Steen. Ich bin 15 Jahre alt und wohne in Schottland, Großbritannien. Eigentlich bin ich ein ganz normales Mädchen, das Fantasy-Geschichten liebt und aufs Gymnasium in dem kleinen idyllischen Örtchen, das ich meine Heimat nenne, geht. Noch vor ein paar Monaten hätte ich geglaubt, dass ... Aber vielleicht sollte ich von vorne beginnen. Meine Welt wird an einem ganz normalen Schultag im Winter auf den Kopf gestellt ... Die Schule ist aus und ich mache mich auf den Weg nach Hause. Es hat trotz schönstem Sonnenschein heftig zu schneien angefangen, weshalb es richtig kalt ist. Die typische Kälte eines schottischen Winters, zumal es bereits dunkel wird, wenn man sich auf den Heimweg macht. Ich schaue in den Himmel und mir fallen ein paar dicke Flocken ins Gesicht. Wenn das so weiter geht, fällt morgen die Schule aus. „Amy, kommst du noch auf einen heißen Kakao zu mir?“ Die Stimme von einem Mädchen weht über den Schulhof und reißt mich aus meinen Gedanken. Es ist Isabella, von allen nur Isa genannt und unsere Jahrgangsbeste. Sie geht in meine Klasse und fällt nicht nur durch ihre guten Noten auf. Ihre blauen Haare sieht man immer schon vom Weiten. Als sie zum ersten Mal mit blauen Haaren in der Schule auftauchte, erntete sie so einige missbilligende Blicke und einiges Stirnrunzeln, aber mir gefällt’s. Lustiger weise sagte niemand was dazu. Die Lehrer haben anscheinend nichts gegen bunte Haare, wenn man sehr gute Noten in der Schule hat. „Klar, meine Eltern sind sowieso noch nicht zu Hause.“ Während ich antworte, fällt mir etwas Merkwürdiges auf. Isa und die lebenslustige Cathlin, die neben ihr steht, flimmern auf einmal wie Asphalt in der Sommerhitze. Der einzige Unterschied zwischen den beiden flimmernden Hüllen ist, dass Isas blau-grau changiert und Caths violett-weiß. Was ist das? „Was?“ Cath sieht mich irritiert an. Hatte ich das etwa laut gesagt? „N... Nichts, hab nur was im Auge.“ Hastig reibe ich meine Augen und hoffe diese merkwürdige Erscheinung würde davon verschwinden. Aber zu meinem Pech sind diese optischen Täuschungen, für die ich sie damals noch halte, nicht verschwunden. Mir fällt sogar auf, dass zwei weitere Klassenkameradinnen etwas weiter entfernt ebenfalls davon umgeben sind. Ihre sind aber weder blau-grau noch violett-weiß schimmernd, sondern besitzen eine rot-schwarze und eine grün-braune Schattierung. Ich verstand das nicht, das war doch vorhin in der Schule noch nicht da gewesen, oder? Zumindest hatte ich es vorher noch nie gesehen. „Vielleicht bleibt ja der Schnee liegen. Dann können wir nachher einen Schneemann bauen.“ Ich bekomme von dem Gespräch meiner beiden Begleiter kaum etwas mit als wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Meine Aufmerksamkeit wird von der Spiegelung eines Schaufensters, an dem wir vorbei kommen wie magisch angezogen. Dieser Schimmer meiner Freundinnen ist auch in ihren Spiegelbildern zu sehen, auch wenn deutlich unauffälliger wie zwei Geister, die sie umhüllen. Doch ist das nicht das einzige was mir zu schaffen macht, auch ich habe so einen Lichtschein, nur ist meiner orange-beige, wodurch der Schimmer nicht so auffällt, der genauso durchsichtig ist wie der meiner Freundinnen. Obwohl beim genaueren Hinsehen es auch daran liegen kann, dass mein Schein unheimlich schnell flimmert. Was, um Himmelswillen ist hier los?! Warum kann ich solch merkwürdige Lichtspiegelungen sehen? Hatte etwa jeder Mensch so etwas und wenn ja, warum konnte ich es auf einmal sehen? Da werde ich von hinten angerempelt und jemand in Kapuzenpullover und Jeans rennt an uns vorbei. Isa, die ebenfalls geschuppst wurde, fiel mit einem überraschten Aufschrei in den Schneematsch auf dem Gehweg. Während ich ihr wieder auf die Füße helfe, ruft Cath dem Rempler Verwünschungen hinterher. Kurz darauf ist ein weiterer Schrei zu hören. Anscheinend ist noch jemand angerempelt wurden. Als ich aufsehe, bemerke ich noch wie meine Klassenkameradin mit dem rot-schwarzen Schimmer lauthals rufend los rennt. „Stehen bleiben! Das ist meine!“ Erst da sehe ich, dass der Typ eine Tasche bei sich trägt, die er vorher noch nicht dabei hatte. „Wird ihre Tasche öfter geklaut?“ Meine Frage ist an das Mädchen gerichtet, das stehen geblieben ist und ein „Nicht schon wieder!“ seufzt. Sie sieht mich resigniert an. „Nein, sie spielt nur ständig Polizistin.“ Mit diesem Satz setzt sie sich in Bewegung und folgt ihrer Freundin. Auch wir übrigen beteiligen uns an der Verfolgungsjagd. Der Rempler hat allerdings schon einen sehr großen Vorsprung, wird aber hartnäckig von der Beklauten verfolgt. Diese kann den Abstand zu ihrem Ärger leider nicht verkleinern, während ihrer zu uns anderen jedoch immer weiter zunimmt. Sie ist wirklich schnell! „Elly, so bekommst du ihn doch nie!“ Die kleine Braungelockte mit dem grün-braunen Schimmer müht sich ab nicht abgehängt zu werden. „Warte doch auf uns!“ Doch Elly hört sie nicht oder ignoriert ihre Freundin einfach, die verzweifelt ihre Hand nach vorn streckt als ob sie so die Angesprochene aufhalten könnte. Da passiert es, der Dieb stolpert und verschwindet hinter einer Hausecke. Elly in ihrem Eifer läuft zuerst an dieser Gasse vorbei und kommt schlitternd zurück als wir anderen diese gerade erreichen. Doch obwohl diese Häuserflucht eine Sackgasse ist, ist außer einem Müllcontainer nichts zu sehen. Nicht einmal im Schnee sind Fußspuren zu entdecken. Der Kapuzenpullover-Typ ist wie vom Erdboden verschwunden. „Wo ist er hin?“ Elly sieht uns anderen mit ihren verwirrend grauen Augen fragend an. „Er ist doch hier rein, oder?“ „Lass gut sein, den wirst du nie wieder sehen.“ Isa versucht die Grauäugige dazu zu bringen aufzugeben, damit sie endlich nach Hause und aus ihren immer noch nassen Sachen kommt. Doch das schwarzhaarige Mädchen bleibt stur, auch wenn das Einzige, was sie jetzt noch machen kann, ist eine Anzeige bei der Polizei gegen den Dieb aufzugeben. In dem Moment als ich ihr das vorschlagen will, sehe ich einen violett-weißen Schimmer hinter der Mülltonne hervor scheinen. Ich dachte nur Cath hätte ein dieses flimmerndes Etwas in der Farbe, aber anscheinend besitzt der Rempler es genauso. „Dort!“ Ich mache die anderen darauf aufmerksam, dass er sich hinter dem Müllcontainer versteckt. Keine Ahnung wie er dort hingekommen ist ohne Fußspuren zu hinterlassen. Da ruft die Braungelockte, die Tessa heißt, wie mir gerade wieder einfällt, mit bestimmter Stimme und stampft ungeduldig mit dem Fuß auf. „Komm raus und gib uns die Tasche zurück!“ Auf einmal kippt der Dieb hinter dem Müllcontainer hervor als ob ihn jemand von hinten geschuppst hätte. Noch während er nach vorn fällt, kommt Wind auf. Diese Windböe erfasst Ellys Tasche, die der Typ noch in der Hand hält, und weht sie direkt in Cathlins Arme. Diese streckt die Hand aus, fängt sie auf und beginnt gehässig an zu grinsen. „Etwas ungeschickt, was?“ Der Dieb antwortet nicht, sondern rennt einfach auf uns zu. Ihm bleibt kein anderer Fluchtweg als den, den wir ihm versperren. Allerding stellen sich ihm ein schwarzhaariges und ein blauhaariges Mädchen in den Weg. „So einfach kommst du nicht davon!“ Elly deutet mit ausgestrecktem Finger wütend auf den Taschendieb, während Isa diesem wie ein Polizist die flache Hand entgegenhält. „Hiergeblieben.“ Dann passieren mehrere Dinge gleichzeitig. Der Schnee in der Gasse wird zu Eis, auf dem der immer noch rennende Dieb ausrutscht, und eine Stichflamme zischt knapp an dessen rechtem Ohr vorbei und trifft den Müllcontainer, der daraufhin mit einem lauten Knall explodiert. In der folgenden Stille ist nur das Knistern des nun brennenden Müllcontainers zu hören. Wo war diese Stichflamme hergekommen? Dem Rempler ist die Kapuze vom Kopf gerutscht und man erkennt, dass er kaum älter als wir anderen ist, vielleicht 18 oder 19. Verwundert sieht er uns auf dem Boden sitzend an. „Ihr seid Elementarier!“ Uns verschlägt es den Atem, sodass wir einfach nur doof rumstehen und völlig vergessen, dass wir vielleicht lieber die Polizei rufen sollten. Was zum Teufel sind Elementarier?! „Was soll das bedeuten?“ Elly findet als erste ihre Stimme wieder. Der junge Mann rappelt sich auf. „Ihr könnt die Elemente nach euren Wünschen manipulieren. Man kann alles mit ein wenig Training erreichen! Mit Feuer, Wasser, Erde und Luft.“ Er strahlte uns an als ob er uns gerade eröffnet hätte, die Erde sei rund. „Ihr seid Superhelden!“ Der spinnt ja total! Den Gesichtern der anderen nach zu urteilen, war dies nicht nur mein erster Gedanke. Wir wissen nicht was wir darauf antworten sollen. Wenn er uns verwirren will, damit er abhauen kann, ist ihm das auf jeden Fall gelungen. Zumindest entsteht eine unangenehme Stille, in der dem Taschendieb anscheinend bewusst wird, dass er sich vollkommen verrückt anhört. Der gehört auf jeden Fall in die Klapse! Diesmal ist es die braunhaarige Cath die als Erste die Stille durchbricht und den jungen Mann schief ansieht, während sie gleichzeitig ihr Handy aus der Tasche zieht, um wahrscheinlich die Polizei zu rufen. „Wer soll das glauben? So was ist Sciencefiction.“ Plötzlich rennt der Rempler wieder direkt auf uns zu und mit den Worten „Ihr solltet glauben was ihr seht!“ werden wir von einer Windböe erfasst. Noch während wir zur Seite geweht werden, springt der Taschendieb über uns hinweg und verschwindet hinter einer Häuserecke. Kapitel 2: Das Erwachen ----------------------- Der schöne Sonnenschein täuscht über die Kälte des anbrechenden Tages hinweg. Ich mache mich auf den Weg zur Schule. Es hatte gestern Nacht noch aufgehört zu schneien, weshalb die Schule nicht ausfiel. Schade, ich hätte nichts gegen einen freien Tag gehabt, nach der ganzen Aufregung von gestern. Also stapfe ich durch den Schnee in Richtung Schultor, wo meine Freundinnen schon wie verabredet auf mich warten. Sie sehen alle ziemlich durchfroren aus. Dies ist allerding nicht das einzige was ich sehe. Sie haben immer noch den Schimmer, der sie aussehen lässt als wären sie zu heiß gelaufene bunte Glühbirnen. Sie sind alle da, die kleine Braungelockte Tessa, die Blauhaarige Isa, die Brünette Cathlin mit der Wuschelfrisur und die große Schwarzhaarige Elly, was eine Abkürzung für Elisabeth ist. Ich bin mir sicher, auch ich habe immer noch einen orange-beigen Lichtschein, welchen ich immer nur in meinen Spiegelbildern sehe. Warum sehen die anderen das alles nicht? Damit sind meine Hoffnungen, die gestrigen Ereignisse nur geträumt zu haben, zu Nichte gemacht. „Es bleibt dabei, dass alle heute zu mir kommen, oder?“ Isa reißt mich aus meinen Gedanken. „Dann können wir die Theorie von dem Typen überprüfen.“ Bin ich die einzige die bemerkt, dass neben den Füßen der Blauhaarigen kleine Eisskulpturen entstehen? „Macht bestimmt Spaß zu experimentieren.“ Wir wollen uns heute Nachmittag bei dem Schlaumeier zu Hause treffen. Weil ihre Eltern nicht da sind, können sie uns nicht fragen, auf was verrückte Ideen wir kommen. Die Ereignisse von gestern müssen ein für alle Mal geklärt werden. Nachdem der Dieb verschwunden war und wir uns aus dem Schnee wieder aufgerappelt hatten, waren wir alle zu verwirrt gewesen, um über das Geschehene zu reden. Ich konnte kaum schlafen, weil ich die ganze Zeit darüber nachgedacht habe. „Außerdem sind noch einige offene Fragen zu klären.“ Ich bin nicht die Einzige, die auf ein paar Antworten hofft, wenn wir unsere Überlegungen austauschen. Nur hatten wir vor der Schule dafür nicht genug Zeit. Am Nachmittag ist es nicht mehr so kalt wie am Morgen, obwohl ich bezweifle, dass es an der Sonne liegt, die noch immer am wolkenlosen Himmel scheint und jedenfalls nicht spürbar wärmt. Wir fünf Mädchen sind bei der Intelligenzbestie zu Hause. Tess und ich haben es uns in Isas Zimmer auf dem Bett gemütlich gemacht. Cath hat auf dem drehbaren Schreibtischstuhl Platz genommen und Elly läuft ungeduldig auf und ab, während wir alle auf die Gastgeberin warten, die unseren ersten Versuch vorbereitet. Es war ihre Idie gewesen, die gestrigen Ereignisse praktisch zu ergründen. Dann kommt sie auch schon mit einem Arm voller Kerzen ins Zimmer und fordert uns auf, auf dem Boden Platz zu nehmen. „So, Versuch Nummer eins.“ Isa stellt vor jeden eine Kerze. „Wie wir alle gesehen haben, ist der Müllcontainer explodiert. Ich denke das war Elly, aber ...“ Sie musste es nicht aussprechen, wir alle wollten den Beweis. „Wir sollten einfach alle probieren eine Kerze anzuzünden.“ Die Blauhaarige mit den lila Augen, in denen der Forschergeist aufblitzte, ließ sich zu meiner Rechten nieder. „Die Regeln sind einfach, alles ist erlaubt, solange es nicht auf herkömmlichen Weg passiert.“ Nun sitzen wir alle schweigend in einem Kreis und starren die Kerzen an, die vor uns stehen. Es passiert absolut nichts, außer das mir langsam die Stille auf die Nerven geht. Auch Cath wird langsam unruhig und fängt an auf ihrem Platz herumzurutschen. Muss man vielleicht mehr machen als nur ein Ziel anzustarren? „Es passiert nichts.“ Tessas nüchterne Feststellung unterbricht die Stille. „Was hat Elly letztes Mal gemacht?“ Isa ist nicht gewillt aufzugeben. Die Schwarzhaarige sieht sie überrascht an. „Ich habe nur meinen Zeigefinger ausgestreckt und auf den Taschendieb gezeigt, bevor diese Stichflamme aufgetaucht ist.“ „So in etwa.“ Elly deutet mit ausgestrecktem Finger auf die Kerze, welche daraufhin zu brennen beginnt. Wir alle starren ungläubig auf den brennenden Kerzendocht. Das kann doch nicht wahr sein, der hatte Recht, man kann Feuer manipulieren und aus dem Nichts entstehen lassen. Elly, die größte von uns, tanzt wie Rumpelstilzchen um uns herum und freut sich wie ein Honigkuchenpferd. „Ich hab’s geschafft! Ich hab’s geschafft!“ Auch wir anderen sind ganz aus dem Häuschen. Keiner kann mehr ruhig sitzen und ich hoffe, dass ich das alles nicht nur träume, denn jetzt hatte auch mich die Experimentierlaune gepackt. „Und jetzt wir.“ Wir übrigen strecken unsere Finger aus und deuten optimistisch auf unsere eigenen Kerzen, mit wenig Erfolg. Es fangen keine weiteren Feuer. „So wird das nichts!“ Cath sieht uns resigniert mit ihren braunen Augen an. Die Braungelockte hingegen bleibt diplomatisch. „Wir können ja erstmal zum nächsten Versuch kommen.“ Angestachelt vom ersten Erfolg wollen wir alle nicht so einfach aufgeben. „Der Typ konnte uns einfach so beiseite wehen.“ Isa holt eine Streichholzschachtel und zündet die restlichen Kerzen an. Sie versucht Ruhe zu bewahren, aber jeder kann das spitzbübische Glitzern in ihren Augen sehen. „Darum ist der zweite Versuch das Löschen der Kerzen.“ Alle setzen sich wieder hinter ihre Kerzen und das Spiel beginnt von vorn. „Aber nicht einfach auspusten.“ Ich starre in die Flamme meiner Kerze und frage mich wie ich es am besten anstellen kann, um sie zu löschen. Was mache ich hier eigentlich? Das ist doch total lächerlich! Verstohlen schaue ich mich um. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber diese Auren meiner Freundinnen, wie ich diesen schimmernden Schein beschlossen habe zu nennen, flackern auf einmal schneller. Ist das die Aufregung? Dann bemerke ich Tessas Blick. Wir grinsen uns an und schauen schnell wieder auf unsere Kerzen. Auf einmal ist ein lautes Klatschen zu hören! Als ich wieder aufsehe bemerke ich, dass die Kerze der Schwarzhaarigen nicht mehr brennt. „Das war damit auch nicht gemeint, du Schummlerin!“ Isa sieht Elly wütend an. Die Angesprochene hatte anscheinend direkt über ihrer Kerze in die Hände geklatscht, wodurch der entstandene Luftzug die Flamme löschte. „Ich hab nicht geschummelt!“ Ihre grauen Augen starren angesäuert zurück, während sie tief Luft holt, um richtig loszulegen. „Lasst es gut sein!“ Cath greift ein bevor noch ein ausgewachsener Streit vom Zaun brechen kann, und macht eine wegwerfende Handbewegung. Dabei kommt ein Wind auf, von der Brünetten ausgehend, und weht durch das Zimmer direkt auf die Streithähne zu. Das zu langgewordene Pony von Elly wird zerrzaust und nicht nur Caths Kerze geht dabei aus. Die Einzigen, die noch brennen, sind die von Tessa und mir. Elly streicht sich ihre Haare glatt und starrt Cath ungläubig an. Diese sieht genauso überrascht aus wie wir anderen. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft einen Luftzug in einem windstillen Raum zu erzeugen und die brennenden Kerzen zu löschen! Daraufhin bricht ein kleines Chaos aus, in der jeder durcheinanderschreit. Man versteht nicht ein Word, das gesagt wird. Ich bin nicht die Einzige, die aufgesprungen ist, aber Cath hat in ihrem Übereifer glatt ihre Kerze umgestoßen, sodass sich das noch heiße Wachs auf dem ganzen Fußboden verteilt. Zum Glück liegt in Isas Zimmer kein Teppich. Während Isa und Cath die entstandene Sauerei beseitigen, versuche ich mich wieder zu beruhigen. „Ich würde sagen, jeder kann nur ein Element beherrschen.“ Ich zucke mit den Schultern, aber so locker wie diese Geste eigentlich wirken sollte kommt sie nicht rüber. „Elly manipuliert Feuer und Cath Luft.“ Unsere Klassenbeste ist wirklich genial. Ihre Experimente lieferten wirklich Ergebnisse, auch wenn in etwas anderer Weise als wir gedacht hätten. Obwohl keiner mehr schreit und alle sich langsam wieder beruhigen, scheint vor Spannung noch immer das ganze Zimmer zu knistern. Die Braungelockte pustet ihre noch brennende Kerze aus und ich tue es ihr gleich. Anschließend sammeln wir alle Kerzen vorsichtig ein, um das noch flüssige Wachs nicht auch noch zu verschütten, und Isa bereitet den nächsten Versuch vor. Wir waren darüber eingekommen, dass beim nächsten Experiment Elly und Cath nicht mehr mitzumachen brauchen. Darum lagen nur drei Steine auf dem Boden. Die Feuerkontrolleurin nimmt unterdessen auf dem Drehstuhl Platz und die Luftkontrolleurin macht es sich auf dem Bett gemütlich. Beide beobachten uns übrigen gespannt. Man merkt, dass sie am liebsten auch mitgemacht hätten. „Gut, kommen wir zu Versuch drei: Einen Stein ohne Berührung bewegen.“ Und wieder sitzen wir stumm im Kreis und wieder passiert zuerst nichts. Vielleicht braucht man ja eine besondere Handbewegung? So hatte ich mir unsere Experimente wirklich nicht vorgestellt, erst unerträgliches Warten und dann immer wieder ein Durcheinander, weil es doch funktioniert hat. Dasselbe scheint Tessa durch den Kopf gegangen zu sein, denn sie haut mit ihrer geschlossenen Faust auf ihren Oberschenkel. „Verdammt!“ Da tut sich endlich etwas. Der Stein der Kleinsten hüpft über den Boden als ob ihn jemand auf einer Wasseroberfläche hatte springen lassen wollen. Tessa starrt einen Moment auf den Stein, der jetzt bei Isa liegt, dann springt sie auf, „Ja! Er hat sich bewegt!“ Sie sieht aus wie ein Flummi, der außer Kontrolle geraten ist. „Beruhig dich, du Hupfdohle!“ Elly sieht ihrer Freundin belustigt zu, kann aber nicht aufhören zu grinsen. Diesmal haben wir anderen uns besser unter Kontrolle, auch wenn man meinen könnte wir hätten irgendwas genommen, da wir alle von einem Ohr zu anderen grinsen. „Welches Element fehlt jetzt noch?“ Isa schaut uns nachdenklich an, aber die Grauäugige hat bereits die Leitung übernommen und den nächsten Versuch vorbereitet. „Wir hatten Feuer, Luft und Erde. Also kommt jetzt Wasser dran.“ Elly stellt zwei Schüssel mit Wasser auf den Boden. „Ich hab schon mal welches geholt.“ Sie grinst die Lilaäugige und mich an und setzt sich wieder auf den Stuhl, während sich die Braungelockte zu Cath aufs Bett gesellt. Ich sitze mich mit dem Rücken zum Schreibtisch vor eine der Schüsseln und die Blauhaarige sitzt mit der anderen Schüssel mir direkt gegenüber. Die drei anderen sehen uns gespannt an. „Versuch Nummer vier: Das Wasser manipulieren.“ Isa und ich strecken unsere Hände über den Wasserschüsseln aus, in der Hoffnung damit etwas zu erreichen. Diesmal geht alles schnell, wobei zwei Dinge wiedermal gleichzeitig passieren als wir uns konzentrieren. Es ist ein Krachen zu hören als ob Eis brechen würde und das Wasser in Isas Schüssel wird hart und spiegelglatt. Außerdem fällt in dem Moment ein Lichtstrahl der bereits untergehenden Sonne, welche schon fast hinter dem Horizont verschwunden ist, durch das Fenster am Schreibtisch vorbei auf meine Wasserschüssel. Dabei wird das Licht komplett gespiegelt, sodass es aussieht als ob das Licht die Wasseroberfläche überhaupt nicht berührt. Aber das ist sicher nur eine optische Täuschung. Damit hat wohl keiner gerechnet, dass wir zwei verschiedene Reaktionen hervorrufen. Das gespiegelte Licht meiner Wasserschüssel wird so umgelenkt, dass es der großen Brünetten voll ins Gesicht scheint. „Hey!“ Cath blinzelt mich geblendet an. „Oh, ‘schuldigung!“ Ich fuchtle mit den Händen und weiß im ersten Moment nicht was ich tun soll. Die Entscheidung wird mir allerdings abgenommen als der Lichtstrahl einfach meiner Handbewegung folgt und einen Bogen durch das ganze Zimmer beschreibt. „Wie hast du das gemacht?“ Cath wirkt total irritiert. „Keine Ahnung.“ Ich bin nicht die Einzige, die vollkommen ratlos ist. Wenn ich die anderen gefragt hätte wie sie es denn gemacht haben, wären ihre Antworten zwar ähnlich ausgefallen, aber ich wusste ja nicht einmal was das für ein Element sein sollte. Es ist einfach so passiert. Die Experimente hatten uns in diesem Punkt nicht wirklich weitergeholfen. Ich sitze noch genauso stocksteif da wie zuvor und kann mich nicht rühren. In meinem Kopf herrscht ein einziges Durcheinander. Meinen Freundinnen scheint es ähnlich zu gehen, denn diesmal ist niemand aufgesprungen und vollführt einen Freudentanz, aber davon bekomme ich nicht viel mit. Ich starre einfach weiter auf meine Wasserschüssel und versuche das alles zu verstehen. „Okay, fassen wir zusammen: Ich bin Erde, Elly Feuer, Cath Luft und Isa Wasser, weil sich in ihrer Wasserschüssel nur noch Eis befindet.“ Tessa versucht wieder etwas Ordnung in unsere Gedanken zu bringen, in dem sie unsere Versuchsergebnisse auswertet. „Amy konnte den Lichtstrahl mit bloßen Händen umlenken. Sie ist Licht.“ Gegen diese logische Schlussfolgerung hat niemand etwas einzuwenden. „Von diesem Element hat der Typ zwar nichts gesagt, aber es erklärt so einiges.“ Ich bin froh, dass ich nicht den Verstand verliere und wenn doch, dann nicht allein. „Was willst du damit sagen?“ Die anderen sehen mich verwirrt an und ich erinnere mich, dass ich vergessen habe ihnen etwas zu sagen. „Seit gestern sehe ich bunte Schimmer um euch herum. Ich denke, das sind Auren, die anzeigen welches Element diejenigen beherrschen.“ Zu dem Schluss war ich gerade erst gekommen. „Feuer hat eine rot-schwarze, Wasser eine blau-graue, Erde eine grün-braune, Luft eine violett-weiße und Licht eine orange-beige Aura.“ Noch während ich damit Tessas Auswertung bestätige, fällt mir etwas anderes dazu ein. „Und der Taschendieb hatte eine in violett-weiß.“ Kapitel 3: Die Jagd ------------------- Ein dünner Lichtstrahl fällt durch mein Fenster und weckt mich. Ich hatte es anscheinend nicht richtig zugezogen. Mit einem Blick auf den Wecker stelle ich fest, dass der erst in einer halben Stunde klingeln würde. Nun bin ich ja schon wach, dann kann ich auch gleich aufstehen. Also schalte ich mit einem Seufzer den Wecker aus und krieche aus dem bequemen Bett, bevor ich es mir anders überlegen kann. Um richtig wach zu werden, ziehe ich die Vorhänge ganz beiseite und bemerke, dass es über Nacht schon wieder geschneit hatte. Ein Blick in den Himmel genügt um festzustellen, dass heute noch mit viel mehr von dem weißen Zeug zu rechnen ist, denn die Sonne hat sich komplett in gräulich-weiße Watte gehüllt. Das grelle weiße Licht, was mich zuvor geweckt hatte, kommt ganz allein vom Schnee. Kurz darauf laufe ich auch schon ins Bad, um mir noch schnell die Zähne zu putzen. Aus dem Spiegel sieht mir ein Mädchen mit zerzausten blonden Haaren aus müden grünen Augen entgegen. Himmel, die stehen aber auch in alle Richtungen ab! Nach fünfzehn Minuten gebe ich den Kampf mit meinem Haaren auf, vor allem mit meinem Pony. Nun hängen mir meine Haare bis zur Hüfte glatt herunter, nur das Pony steht wie immer weiterhin hartnäckig ab, sodass es auf der linken Seite auseinander fällt und etwas von meiner Stirn preisgibt. Ach, was soll’s! Dann lass ich das halt so. Zum Frühstück schalte ich das Radio ein, um die Stille zu verscheuchen. Meine Eltern schlafen noch und mit einem Gähnen stelle ich fest, dass sie die bessere Entscheidung getroffen haben als sie beschlossen auszuschlafen. Nur wir Teenager können auf die Idee kommen sich an einem Samstag um halb neun zu treffen. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich noch eine halbe Stunde habe. Heute wollen wir austesten was wir alles mit unseren neu entdeckten Fähigkeiten ausrichten können. Seit wir letzten Dienstag bei Isa experimentiert haben, hat jeder für sich selbst geübt und seine Grenzen ausgetestet. „... Und nun zu einer weiteren Nachricht, die mich in Erstaunen versetzt hat. Die Polizei bittet um Mithilfe bei mehreren Fällen von Diebstählen, bei denen es eine Gemeinsamkeit gibt: Die Zeugen behaupten die gestohlenen Gegenstände wären wie durch Zauberhand durch die Luft geflogen. Wer kann etwas zu diesem „magischen“ Dieb oder Diebesbande ...“ Ich schrecke aus meinen eigenen Gedanken hoch. Magischer Dieb? Das ist doch nicht etwa der Typ von neulich? Aber ich kann ja jetzt nicht einfach die Polizei anrufen, oder? Was sollte ich denen denn sagen? Das der Dieb, den sie suchen, die Luft manipulieren kann, das er ein Elementarier ist? Und wenn die mich dann noch nicht für verrückt halten, wollen sie bestimmt wissen woher ich das weiß und ich müsste ihnen antworten, dass dieser mir das selbst gesagt hat. Damit die mich dann nicht ins Irrenhaus stecken, müsste ich ihnen beweisen, dass auch ich ein Elementarier bin in dem ich meine Fähigkeiten demonstriere und wer weiß was dann passiert. Keine gute Idee! Aber vielleicht sollte ich... Nein, der kann ja nicht so blöd... oder vielleicht doch? Dann könnten wir alle... ja, das könnte funktionieren. Mit einem Blick auf die Uhr springe ich auf. Mir bleiben noch etwa zehn Minuten um mich anzuziehen und mein Frühstück wegzuräumen bis die anderen kommen. Ich weiß jetzt wie unser heutiges Trainingsprogramm aussehen wird! Als es dann an der Tür klingelt, stehen sie alle vier in einem Pulk davor. Haben die sich abgesprochen oder war das nur Zufall? Ich lasse alle ins Haus und wir machen es uns im Wohnzimmer bequem. Die beiden Brünetten quetschen sich zusammen mit der Klassenbesten aufs Sofa und die Schwarzhaarige nimmt den Sessel in Beschlag als ich ihnen ins Zimmer folge, also bleiben mir nur noch zwei Optionen übrig. Entweder setze ich mich auf den Fußboden oder ich bleibe stehen. Ich entscheide mich für Letzteres und stelle mich neben den Sessel. „Ich habe mir für heute etwas überlegt, aber ich möchte euch vorher noch eine Frage stellen. Habt ihr das mit der magischen Diebesbande gehört?“ Erwartungsvoll sehe ich die Anderen an, die zwar bestätigend nicken, sich aber gleichzeitig auch fragende Blicke zuwerfen. Sie wissen anscheinend nicht worauf ich hinaus will, nur Isa ist mal wieder schneller. „Klar, da ist bestimmt der Typ vom letzten Montag mit dabei.“ „Okay, aber was spielt das für eine Rolle?“ Elly runzelt verwirrt die Stirn. Als ich gerade den Mund aufmache, um ihr zu antworten kommt mir Cath zuvor. Sie scheint nun zu ahnen worauf ich hinaus will. „Na, die Polizei ist völlig überfordert und nur wir wissen wie er es anstellt, aber uns würde keiner glauben wenn wir das jemanden sagen würden.“ „Genau und damit zu meinem Plan.“ Ich grinse die anderen spitzbübisch an. „Wir werden heute diesem magischen Dieb eine Falle stellen.“ Es beginnt gerade zu schneien als wir in der Ladenstraße in unserem kleinen Städtchen ankommen, aber zum Glück ist es heute nicht so kalt wie in den letzten Tagen. Der Schnee wird wahrscheinlich kaum liegen bleiben. „Oh, seht euch diese Jacke an! Die muss ich unbedingt anprobieren!“ Die schwarzhaarige Riesin löst sich von unserer Gruppe und drückt ihre Nase an einem Schaufenster platt. „Also wirklich! Deswegen sind wir aber nicht hier!“ Isa stemmt sich die Hände in die Seiten, doch Cath kann nur über Ellys Reaktion lachen. „Lass sie machen! Besser geht’s doch nicht.“ Mit einem Seitenblick auf die Shoppingvernarrte, die gerade begeistert den Laden betritt, senkt die große Brünette ihre Stimme. „Was ist besser als Tarnung geeignet als eine echte Shoppingtour?“ „Ja, aber wir wollten doch nur so tun als ob...“ Doch wir anderen lassen die Blauhaarige einfach stehen und folgen Elly durch die Eingangstür. Mit einem Seufzer betritt sie dann schließlich auch die Boutique, um nicht völlig einzuschneien. Während Isa ziemlich lustlos irgendeinen Kleiderbügel durchstöbert, sind wir übrigen begeistert bei der Sache und versuchen Elly bei der Jacke zu beraten. Und wie es immer so ist, passiert dann genau in dem Moment das, womit man nicht gerechnet hat. Obwohl das zwar der eigentliche Grund ist, warum wir überhaupt ausgegangen sind, haben wir nicht erwartet so schnell Erfolg zu haben. Denn während wir alle noch um die Shoppingvernarrte herumstehen, hat die Blauhaarige uns den Rücken zu gekehrt und steht Rücken an Rücken mit uns Beratern als ein Typ mit Kapuzenpullover auf uns zukommt. Ich bin immer noch abgelenkt und bekomme erst etwas mit als Elly plötzlich aufsieht und laut durch den ganzen Laden ruft. „Hey! Das ist die Tasche meiner Freundin!“ Der Taschendieb hebt alarmiert den Kopf und rennt mit seiner Beute los. Zum Glück ist Cath so geistesgegenwärtig und drückt mit Hilfe der Luft die Tür zu, so dass der Kapuzenpullover-Typ mit einem lauten Rums dagegen läuft, weil er sie in seiner Hektik nicht aufbekommt. Er hat eine violett-weiße Aura, also ist er genau derjenige, den wir suchen. Der Typ vom letzten Montag ist voll in unsere Falle getappt! Wir anderen sehen Cath bewundernd an, dann setzen wir uns in Bewegung und nehmen die Verfolgung auf, allen voran Elly, dicht gefolgt von Isa, deren Tasche sich der Dieb geschnappt hatte, denn uns bleibt nicht viel Zeit die Luftkontrolleurin zu beglückwünschen, wenn wir den Taschendieb nicht entkommen lassen wollen. Cath war also fleißig gewesen und hatte geübt, das hat sie uns gerade bewiesen. Der Dieb bekommt kurz darauf die Tür auf und stürmt aus dem Laden, doch der kurze Moment der Verzögerung hat ausgereicht, damit wir uns an seine Fersen heften können. Als wir wieder in der Ladenstraße sind, fällt mir auf, dass unsere Größte nicht mehr bei uns ist, dabei war sie doch wie beim letzten Mal als Erste losgerannt. Oder hatte ich mich geirrt? „Wo ist Elly?“ Cath wirft uns anderen einen fragenden Blick zu. „Sie ist zur Kasse gelaufen, um sich noch schnell die Jacke zu kaufen.“ Der Braungelockten hatte also mitbekommen wo sie hingegangen ist, aber über diese Information regt sich unsere Klassenbeste auf und wirft verzweifelt ihre Hände in die Luft. „Das darf ja wohl nicht wahr sein!“ Na gut dann eben ohne die Feuerkontrolleurin. Durch eine schnelle Reaktion von Tess, die ein paar Pflastersteine als Stolperfalle anhebt verliert der Kapuzenpullover-Typ prompt sein Gleichgewicht und landet schließlich auf allen Vieren genau vor einer Seitengasse ohne Läden. Bevor wir anderen irgendwie reagieren können, streckt die Wassermagierin ihre Hand aus und mit einer wegwerfenden Bewegung zur Seite schiebt ein Schneehaufen vom Straßenrand den jungen Mann in die menschenleere Gasse. „Cool, Isa! Du kannst jetzt auch Schnee kontrollieren?“ Die Erdkontrolleurin schaut die Blauhaarige bewundernd an. „Schnee ist doch auch nur gefrorenes Wasser.“ Wir vier Mädchen bleiben nun vor der Gasse stehen. Mit einem Blick über die Schulter, sehe ich, dass Elly endlich den Laden verlässt. Zum Glück sind wir bis jetzt nur geradeaus gelaufen, so dass sie uns problemlos folgen kann und mit einer Tüte in der Hand auf uns zugelaufen kommt. Damit wir den Luftkontrolleur nicht noch weiter verfolgen müssen und da es diesmal keine Sackgasse wie beim letzten Mal ist, strecke ich meine Hände aus und mit ein wenig Konzentration gelingt es mir in der Mitte der Gasse eine Wand aus Licht zu ziehen. Das ist ein merkwürdiges Gefühl, da meine Hände anfangen zu kribbeln. Gerade als der Dieb seinen nutzlosen Versuch durch die Lichtwand laufen zu wollen aufgibt, trifft unsere Shoppingnärrin ein und stellt sich neben uns anderen. Der Kapuzenpullover-Typ schmeißt Isas Tasche neben sich auf den Boden, woraufhin Tess einen weiteren Pflasterstein anhebt, direkt unter der Tasche, wodurch diese in die Höhe katapultiert wird und mit Caths Hilfe von ihrer Besitzerin aufgefangen wird. Das lässt den Luftkontrolleur zu seiner alten Methode zurückgreifen und schleudert uns eine Windböe entgegen, doch diesmal werden wir nicht zur Seite geweht, denn unsere Freundin lenkt diese ab. Cath wird daraufhin von weiteren Windböen bedrängt, wobei sie kaum hinterher kommt. „Kann mal jemand etwas unternehmen?“ Sie sieht schon ziemlich geschafft und verzweifelt aus. Ich nickte zustimmend, denn auch ich könnte etwas Hilfe gebrauchen, weil meine Finger anfangen taub zu werden. Ich nicht weiß wie lange ich die Lichtwand noch aufrechterhalten kann. Wie wäre es denn mal damit die Polizei zu rufen?! Immerhin stehen gerade drei von uns tatenlos rum! Dann sehe ich aus den Augenwinkeln wie die Schwarzhaarige eine werfende Bewegung macht und einen Feuerball auf den jungen Mann schleudert. Sie verfehlt ihn um einige Handbreit und trifft stattdessen meine nur noch mühsam aufrechterhaltene Barriere, welche sich daraufhin einfach auflöst. „Das war aber keine Hilfe!“ Meinen empörten Blick scheint unsere Größte nicht zu bemerken, dafür sieht sie ihr eigentliches Ziel an. „Ups, nicht getroffen.“ „Wolltest du mich etwa verbrennen?!“ Na wenigsten hat die Aktion den Typen abgelenkt, was Cath eine Atempause verschafft. In diesem Moment tauchen zwei Personen am anderen Ende der Gasse auf und laufen auf uns zu. Derjenige, der vorwegläuft, trägt eine Lederjacke und hat eine Aura in grün-braun. Diesem dicht auf den Fersen ist ein Typ in einem grauen Pullover mit einer blau-grauen Aura. Als diese beiden den Luftkontrolleur erreichen, kommen fünf weitere Jungen um die Ecke. Allen voran ein silbrig-blonder Junge, dessen silbergrauen Augen so hell sind, dass sie fast wie weiß aussehen. Direkt hinter ihm kommen ein Braunäugiger mit eindeutig gefärbten Haaren, denn die kurzen Haare an den Seiten sind dunkelbraun und zur Kopfmitte hin werden sie immer länger und heller bis sie blond sind, und einen kleineren Blauäugigen. Dieser hat rotblondes schulterlanges Haart eine blau-graue Aura, der Bundgefärbte eine violett-weiße und der Silberhaarige eine in orange-beige. Ganz am Ende laufen der Größte und der Kleinste der Gruppe. Der Kleine hat ein asiatisches Aussehen mit glatten, schwarzen, Beatles ähnlichen Haaren, dunklen Augen und einer Aura in schwarz-rot, während der Große seine dunkelbraunen Haare in einem Kurzhaarschnitt trägt und strahlend blaue Augen und eine braun-grüne Aura besitzt. Mit einem Schreck stelle ich fest, dass die Verfolger der beiden jungen Männer alle in unsere Klasse gehen. Kapitel 4: – Die Verfolgung – ----------------------------- Ich sah hoch zu den Wolken, es hatte schon wieder angefangen zu schneien. Vielleicht hätten wir uns doch lieber bei Jack getroffen, aber jetzt ist das ja auch egal. Die anderen treffen nun nach und nach an unserem Treffpunkt am Springbrunnen in der Ladenstraße ein. Einen Springbrunnen konnte man das eigentlich nicht nennen, es war eine kleine Faunenstaute in einem Wasserbecken, wo jetzt im Winter allerdings kein Wasser drin ist. Der Erste unserer Truppe, der mich erreichte, ist der laute, etwas aufdringliche, aber lebensfrohe Jack. Er ist ein Junge der sehr viel auf seine Frisur hält und wahrscheinlich stundenlang dafür beim Friseur sitzt. Sein bester Freund kommt nur wenig später dazu. Zak ist das genaue Gegenteil von Jack, er ist eher ruhig und besonnen und schafft es immer seinen besten Freund in die richtige Bahn zu lenken, wenn dieser mal wieder droht übers Ziel hinauszuschießen. Bevor der asiatisch aussehende Marcus, von uns nur Marc genannt, und der Riese Matt am Treffpunkt ankommen, der eigentlich Matthieu heißt, es aber hasst so genannt zu werden, aktiviere ich meine Aurensicht und auf einmal fangen meine Freunde an in allen Farben des Regenbogens zu schillern, Jack in violett-weiß, Zak in blau-grau, Marc in rot-schwarz und Matt in grün-braun. Ich weiß, dass ich, wenn ich jetzt in mein Spiegelbild schauen würde, ich eine orange-beige Aura sehen würde. Es war ein ganz schöner Schock als es vor fast drei Wochen angefangen hat. Mittlerweile kann ich das schon ziemlich gut kontrollieren, somit muss ich nicht die ganze Zeit Auren sehen, zum Beispiel schalte ich es in der Schule aus, um nicht davon abgelenkt zu werden. „Dan! Du träumst schon wieder! Wolltest du uns nicht deine Theorien bezüglich unserer Fähigkeiten erklären?“ Jack spricht so laut, dass es bestimmt die ganze Ladenstraße hört, und reißt mich somit aus meinen Überlegungen. Das bin ich Daniel, häufiger Dan gerufen, der merkwürdige Typ mit dem Silberhaar und den grauen Augen, der meist träumend in der Gegend rumsitzt und seinen Gedanken nachgeht. Dabei kann ich noch nicht einmal etwas für meine Haarfarbe, ich bin damit geboren wurden. „Warum denn so laut, ich bin doch direkt neben dir.“ Jack sieht mich daraufhin frech an und bevor er zu einer Antwort ansetzen kann, spreche ich schnell weiter. „Soweit wir bis jetzt wissen, hat jeder von uns eine Fähigkeit, die der andere nicht hat. Matt ist wie ein riesiger Magnet, besitzt also die Fähigkeit des Magnetismus...“ „Das wissen wir doch schon alles!“ „Lass ihn doch ausreden.“ Der Rotblonde sieht mich auffordernd an, fortzufahren. Ich entscheide mich für die Kurzversion, um kein weiteres Mal von dem Hitzkopf unterbrochen zu werden. „Marc hat Elektrizität, Zak Telekinese, Jack Schall, was man nicht überhören kann und ich besitze die Fähigkeit Auren zu sehen.“ Ich schaue den Schreihals warnend an, der schon wieder Anstalten macht, etwas dazu sagen zu wollen. „Daher weiß ich, dass jeder von uns unterschiedliche Aurenfarben besitzt und das, soweit ich bis jetzt sagen kann, auch nur wir. Deshalb denke ich, dass die Auren mit unseren Fähigkeiten im Zusammenhang stehen. Heute möchte ich herausfinden, ob es noch andere Menschen mit Auren gibt und ob deren Farben ebenfalls mit besonderen Fähigkeiten zusammen hängen.“ „Willst du damit sagen, dass eine bestimmte Farbe eine bestimmte Fähigkeit bedeutet?“ Der sonst so stille Marc meldet sich zu Word. „Genau.“ „Und warum mussten wir dann kommen?“ Langsam geht mir der Typ wirklich auf die Nerven! Ein lauter Aufschrei in der Nähe unterbricht Jack und lässt mich auf sehen, sodass ich gerade noch mitbekomme wie eine ältere Dame hinfällt, bevor mich eine andere Bewegung ablenkt. Während der älteren Dame von ihrem Begleiter aufgeholfen wird, beobachte ich zwei Gestalten die sich auffällig schnell von der ihr entfernen. Als mir bewusst wird, dass diese Flüchtenden farbige Auren besitzen, fängt der männliche Begleiter der Dame an zu rufen. „Haltet die Diebe!“ Daraufhin springe ich auf und hefte mich an die Fersen der beiden jungen Männer. Den überraschten Blick der anderen bekomme ich kaum mit, doch zum Glück überlegen sie nicht lange und folgen mir. Dass ich sie nicht durcheinander gebracht habe durch mein plötzliches Aufspringen, merke ich als eine Schallwelle an mir vorbei fegt und sich die Diebe deswegen die Ohren zuhalten müssen. Der mit der Lederjacke lockert daraufhin seinen Griff um die Handtasche der alten Dame. Jack hat ausnahmsweise mal nicht stundenlang blöde Fragen gestellt und stattdessen gehandelt, genauso wie sein bester Freund. Als sich die Flüchtenden krümmen, nutzt er die Chance und entreißt dem Lederjackentyp seine Beute. Ich kann leider nicht viel machen, nur tatenlos zusehen wie der zweite Dieb, der mit dem grauen Pullover und der blau-grauen Aura, den Ersten in eine Seitengasse zieht und aus meinem Sichtfeld verschwindet. Ich sehe vielleicht Auren, aber aktiv handeln kann ich damit nicht. Matt hat währenddessen dem Bundgefärbten die Handtasche abgenommen und ihrer Besitzerin zurückgebracht. Als wir die Gasse erreichen, in der die Diebe verschwunden sind, ist diese leer. Nicht einmal Fußspuren sind zu sehen, aber egal wie ich es auch drehe und wende, mir fällt keine plausible Erklärung hierfür ein, außer dass der Schneefall dafür verantwortlich ist, da man weder mit Magnetismus noch mit Telekinese das erreichen könnte. Es sei denn man wirbelt mit Letzterem den Schnee auf, was aber bestimmt nicht so schnell geht, dass es uns nicht mehr aufgefallen wäre. Wir durchqueren die Gasse und versuchen auf der anderen Seite herauszufinden wohin die beiden jungen Männer gegangen sind. Dies ist allerdings nicht so einfach, da hier Autos parken dürfen, um die Läden beliefern zu können. Das bedeutet, dass auf der rechten Seite der Gasse ein Kleintransporter und auf der linken sogar ein kleiner LKW stehen und uns die Sicht versperren. „Die können sich ja nicht in Luft aufgelöst haben.“ Nun komme ich zum Einsatz. Ich kann nicht nur die Auren sehen, sondern auch die Spuren die sie hinterlassen, wenn sich ihr Besitzer bewegt. Mit ein wenig Konzentration kann ich Lichtreflexe ausmachen, die wie Glitter in der Luft hängen und mich nach links leiten, wo sich die beiden anscheinend verstecken. „Dort hinter dem LKW.“ Jack sieht mich überrascht an. „Dann hat einer von ihnen also eine farbige Aura?“ „Nein, alle beide haben eine. Eine grün-braune und eine grau-blaue und sie sind hier nach links gegangen. Ihre Spur verliert sich da.“ In dem Moment als wir fünf uns dem LKW nähern, schießen zwei Schatten hervor und rennen von uns weg. Wie fackeln nicht lange und nehmen wieder die Verfolgung auf. Doch außer, dass wir aus der Puste kommen passiert nichts. Ich hatte gehofft, wenn wir sie verfolgen, würden sie ihre Fähigkeiten offenbaren, wenn sie welche haben, aber vielleicht muss man doch noch etwas nachhelfen. Zu demselben Schluss muss auch Matt gekommen sein, denn plötzlich biegt sich eine Straßenlaterne nach unten und versperrt den Dieben den Weg, sodass sie gezwungen sind auszuweichen. Dann taucht auf einmal ein Blitz aus der defekten Straßenlaterne auf und schlägt Funken, wodurch die Diebe einen Haken schlagen, um nicht getroffen zu werden und in eine weitere Gasse abbiegen. Als ich ebenfalls um die Ecke komme, sehe ich lauter gleißend helle Lichtpunkte, die sich langsam auflösen und sich direkt vor den Dieben in der Mitte der Gasse befinden. Sind das nur noch Nachbilder von dem Blitz den Marc heraufbeschworen hat, aber dann würden sie sich ja nicht hinter den Dieben befinden, oder? Vor den beiden jungen Männern steht ein weiterer im selben Alter und mit einem Kapuzenpullover, auf den die beiden, die wir verfolgen, direkt zu rennen und erst im letzten Moment stoppen als sich dieser überrascht umdreht. Erst dann fällt mir etwas auf. Auf der anderen Seite der Gasse stehen fünf Mädchen, von denen ich mir ziemlich sicher bin, dass sie alle in meine Klasse gehen. Allen voran steht eine große Brünette mit einer sehr stark gestuften Frisur und braunen Augen. Direkt daneben steht eine Blondine mit Pony und grünen Augen und eine Schwarzhaarige mit dunklen Augen und einem zum Teil in der Mitte hochgesteckten Haaren. Zwischen der Brünetten und der Blondine steht ein Mädchen mit zwei blauen Zöpfen, die ihr über die Schulter fallen und damit ihre dunkelblauen, beinahe violetten Augen hervorheben. Auf der anderen Seite der Blondine steht die Kleinste der Gruppe. Sie ist ebenfalls eine Brünette mit braunen Augen, allerdings sind ihre Haare nur schulterlang und gelockt. Die fünf Mädchen stehen wie die Orgelpfeifen da, von der großen Schwarzhaarigen bis zur kleinen Braungelockten und sehen uns Neuankömmlinge abwartend entgegen. Ich schaue überrascht zurück und verlangsame mein Tempo. All diese Mädchen haben farbige Auren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sie vor ein paar Wochen noch nicht hatten oder zumindest war es mir vorher nicht aufgefallen, weil ich sie immer nur in der Schule treffe, wo ich ja bewusst meine Aurensicht abschalte. Kapitel 5: Die Entdeckung ------------------------- Ich klingele an der Tür. Es ist mal wieder recht früh am Morgen für einen Sonntag und dem entsprechend noch kalt. Es hatte zwar in der Nacht nicht mehr geschneit, dafür war nun Frost, weshalb die aufgetürmten Schneeberge am Wegrand von der letzten Woche wie Eisskulpturen in der aufgehenden Sonne glitzern. Cath öffnet ihre Haustür und lässt uns Neuankömmlinge herein. „Seit ihr etwa zusammen gekommen?“ Sie sieht mich und meine zwei Begleiter belustigt an. Hinter mir stehen ein hünenhafter Junge mit freundlichen braunen Augen, der Matt genannt werden will, wohl aber Matthieu heißt, wenn ich mich richtig erinnere, und die in komplett schwarz gekleidete Elly, die auch gleich antwortet. „Nein, wir sind nur zufällig alle gleichzeitig angekommen und haben einfach gemeinsam geklingelt. Im Wohnzimmer treffen wir dann auch auf ein paar der Anderen, die es sich dort bereits gemütlich gemacht haben. „Will irgendwer Kakao oder vielleicht einen Kaffee, während wir auf den Rest warten?“ Elly lehnt dankend ab, aber der Hüne bestellt sich einen Kaffee, welchen er auch dringend benötigt, so müde wie er aussieht. Ich nehme mir einen Kakao als Cath aus der Küche mit einem Tablet voller heißer Getränke zurück kommt und setzte mich zu Isa und Tessa, welche ebenfalls je einen dampfenden Becher vor sich stehen haben, auf die Couch. Matt gesellt sich gerade mit seinem Kaffee zu dem silberhaarigen Daniel, der es sich im Sessel bequem gemacht hat, als die Klingelt wieder ertönt und die große Brünette wie von der Tarantel gestochen los springt, um die Tür zu öffnen. Sie kommt mit den Restlichen drei Teenagern zurück, die in unserer Runde noch gefehlt haben. Die drei Jungen sind wahrscheinlich auch gleichzeitig vor Cath‘s Haus angekommen und haben dann einfach gemeinsam geklingelt. Nun waren wir also komplett. Zehn Jugendliche versammelt in einem kleinen Wohnzimmer in Schottland an einem Sonntag im Winter. Ein Haufen Pubertierender, die sich zu einer Studiengruppe der besonderen Art zusammen gefunden haben. Jetzt ist das kleine Wohnzimmer ziemlich voll und da bereits alle Sitzmöglichkeiten besetzt sind, bleibt dem Rest nichts anderes übrig als sich um dem flachen Wohnzimmertische auf den Fußboden zu setzen, nur Matt und Cath bleiben neben dem Sessel und der Couch stehen. Somit sitzen uns Mädels auf der Couch die drei Nachzügler Marcus, Zak und Jack gegenüber. Tess war gestern so klug gewesen die Polizei zu rufen als die Jungs um die Ecke der Gasse gekommen waren. Deswegen war es uns nicht mehr möglich gewesen die gestrigen Ereignisse gemeinsam auszuwerten, um nicht vor der Polizei vollkommen bescheuert rüber zu kommen. Das ist auch der Grund, warum wir uns heute alle hier treffen. Ich hatte mich erst gewundert, warum die Polizei so schnell hatte bei uns sein können, aber das haben uns dann die beiden Beamten erzählt. Die Ladenbesitzerin und vorher auch Passanten aus der Ladenstraße hätten den Notruf gewählt, um einen Diebstahl zu melden. Außerdem seien sie sowieso in der Nähe gewesen, weil sich die Diebstähle, wie im Radio bereits verkündet, in letzter gehäuft hätten. So waren die drei Halbstarken schnell verhaftet und nachdem die unsere Aussagen aufgenommen hatten waren wir dann auch entlassen. Die Polizisten dankten und lobten uns für unseren Einsatz, warnten uns gleichzeitig aber auch vorsichtig bei solchen „Heldentaten“ zu sein. „Ich muss zugeben, dass ich gestern nicht so ganz mitgekommen bin. Was habt ihr Mädchen da eigentlich in der Gasse gemacht?“ Jacks Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. „Dasselbe könnte ich dich fragen. Wir jedenfalls haben den Kapuzenpullover-Typen verfolgt, weil er meine Tasche geklaut hat.“ Isa sieht den Buntgefärbten an und nimmt dann einen Schluck von ihrem heißen Getränk. Da mischt sich der Hüne ein. „Aus demselben Grund waren wir auch da. Die beiden anderen hatten sich die Handtasche einer alten Dame geschnappt und waren weggerannt.“ „Ich habe mal eine andere Frage. Kann einer von euch Auren sehen?“ Dabei sieht mich der Silberhaarige direkt an als ob er ahnen oder sogar wissen würde wie meine Antwort ausfallen wird. „Wenn du diese schimmernden Hüllen meinst, dann ja, aber was hat das jetzt damit zu tun?“ Er hat mich total durcheinander gebracht. „Aber du bist die Einzige, die sie sehen kann, oder?“ „Ja, und? Ist doch klar, dass nur ich sie sehen kann, schließlich beherrschen die Anderen ja andere Elemente.“ Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worauf er hinaus will und diese silbernen Augen verwirren mich zudem noch mehr. „Genau, Dan kann nur Auren sehen, was nicht besonders hilfreich ist, wenn man nur sehen kann, ob jemand die Fähigkeit besitzt Elemente zu beherrschen, auch wenn man weiß, um welches es sich dabei handelt, nichts für Ungut Dan.“ Zak sieht den Silberäugigen entschuldigend an und bevor ihn jemand daran hindern kann, spricht er weiter. „Ich habe die Fähigkeit, alles telekinetisch zu bewegen, Jack hier kann Schallwellen, Marc Elektrizität und Matt Magnetismus kontrollieren.“ „Was?!“ Elly unterbricht Zaks Redeschwall ziemlich abrupt. „Das kann aber nicht stimmen! Wenn Dan Auren sehen kann, müsste er wie Amy auch das Element Licht beherrschen und von den anderen Elementen hat der Kapuzenpullover-Typ bei unserer ersten Begegnung mit ihm aber nichts gesagt!“ „Ja, aber von der Tatsache, dass man auch Licht manipulieren kann, hat er ja auch nicht erwähnt.“ Nun mischt sich auch Cath ein und hebt die rechte Hand, um Jack und die zuvor Gesprochene, die beide in dem Moment ihre Münder öffnen, daran zu hindern, sie zu unterbrechen. „Nach dem er Ellys Tasche am letzten Dienstag geklaut hatte, eröffnete er uns, dass wir Elementarier seien, die die Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft kontrollieren könnten. Beim Experimentieren am nächsten Tag haben wir dann festgestellt, dass ich Luft, Isa Wasser, Elly Feuer und Tess Erde manipulieren können. Außerdem haben wir das Element Licht bei Amy entdeckt.“ Daraufhin herrscht erstmal ein verwirrtes Schweigen, welches schließlich von einem nachdenklichen Dan durchbrochen wird. „Das ist merkwürdig! Amy und ich können beide Auren sehen, haben beide eine in orange-beige, aber sie kann Licht manipulieren und ich kann kontrollieren, ob ich Auren sehen will oder nicht, oder kannst du das auch?“ Ich schüttle den Kopf auf seinen fragenden Blick hin. „Dann wären da noch Matt und Tessa. Er kann Magnetismus, sie die Erde kontrollieren. Bei Marc und Elly, Elektrizität und Feuer, bei Zak und Isa, Telekinese und Wasser, und auch bei Jack und Cath, Schall und Luft, ist es dasselbe. Immer haben zwei dieselbe Aurenfarbe, kontrollieren aber andere Elemente, welche jedoch irgendwie etwas miteinander zu tun haben.“ Er hört sich eher so an als ob er einfach laut denken würde. Ich komme mit seinem Gedankengang nicht ganz mit. „Du meinst, Licht hat etwas mit der Tatsache zu tun, dass man Auren sieht?“ Tess meldet sich zu Wort und scheint damit den Lautdenker aus seinen Gedanken zu reißen. Er kann darauf nur nicken, denn zum Antworten kommt er nicht mehr, weil das Marc für ihn übernimmt und den Denkansatz der Braungelockten fortführt. „Genau! Das ist auch bei den anderen Kombinationen von Elementen so. Die Erde hat ein starkes Magnetfeld, die Luft überträgt Schall und Elektrizität, im Besonderen natürlich Blitze, lösen Feuer aus. Nur bei Telekinese und Wasser bin ich mir nicht ganz sicher. Vielleicht weil bei Telekinese die Gegenstände in der Luft schweben wie Objekte im Wasser? Das scheint mir aber etwas weit hergeholt, oder?“ Doch keiner antwortet ihm. Ehrlich gesagt habe ich auf diese Frage auch keine Antwort, obwohl ich denke, dass das eine rhetorische Frage war, da wir keine Möglichkeit haben diese Theorie zu beweisen oder zu widerlegen. „Wenn niemand etwas dagegen hat, würde ich gerne ein Experiment vorschlagen, die die These der Zusammengehörigkeit der Elemente beweisen kann.“ Isa ist die geborene Wissenschaftlerin, immer will sie Theorien und auch alles mit Versuchen beweisen als könne sie es sich sonst nicht vorstellen. Ich für meinen Teil habe nichts dagegen, weil ihre Ideen beim letzten Mal auch schon zu Ergebnissen geführt haben. Die Anderen scheinen ähnlich darüber zu denken, denn es ist allgemeines Kopfschütteln und zustimmendes Gemurmel zu vernehmen. „Ich denke, wir sollten uns immer in Zweiergruppen zusammen finden, immer diejenigen mit derselben Aurafarbe. Dann können wir testen, ob wir das Element des jeweils anderen auch beherrschen und wenn nötig uns gegenseitig Tipps geben.“ Daraufhin kommt in das kleine Wohnzimmer Bewegung. Sessel und Wohnzimmertisch werden zur Seite geschoben, um Raum für die Lernpaare zu schaffen. So stehen sich nun neben dem Karmin Elly und Marc gegenüber, ebenso wie Isa und Zak vor dem Fernseher, ich und Dan vor dem einzigen Fenster und Cath und Jack in der Mitte des Zimmers, nur Tessa und Matt haben auf dem Sofa Platz genommen. Dann geht es los. Auf einmal knistert die Luft geradezu vor Spannung als die Pärchen anfangen ihre Kräfte auszutesten. Da es einfacher ist und sich auch vorteilhafter anhört als das Licht zu manipulieren, erklärt mir mein Teamkollege wie er seine Aurensicht anhand einer kleinen Demonstration beherrscht, indem er seine Sicht auf Auren ausschaltet und kurz darauf wieder an. Weil sich das Fenster zu meiner linken Seite befindet, kann ich abgesehen vom rot-schwarzen Team alle sehen, ohne meinen Kopf drehen zu müssen, und in dem Moment als Dan seine Kräfte abschaltet, werden sämtliche Auren der anderen Teams matt. Außerdem hören alle für einen Augenblick auf zu experimentieren. Vielleicht war das auch nur Zufall, denn kaum ein paar Sekunden später leuchten alle wieder wie zuvor und die anderen machen weiter als wäre nichts gewesen. Dann bin ich an der Reihe. Ich brauch ein paar Versuche bevor es mir gelingt. Alle Auren verschwinden und zum ersten Mal seit knapp einer Woche sehe ich meine Freunde so normal wie jeder andere auch. Was für eine Erleichterung! Allerdings stehe ich jetzt vor dem nächsten Problem, da ich meine Aurensicht nicht gleich beim ersten Versuch wieder aktivieren kann. Ich konzentriere mich so sehr, dass mir die verwirrten Blicke meines Partners, der sich mit gerunzelter Stirn im Zimmer umsieht, und den der anderen, die wieder gemeinsam aufgehört haben zu üben, erst auf fällt als sich Jack lauthals beschert. „Was ist denn jetzt los?! Auf einmal kann ich nichts mehr machen!“ „Das geht nicht nur dir so, Jack! Wir können gerade alle nicht unsere Kräfte gebrauchen!“ Elly mischt sich mit einem frustrieren Gesichtsausdruck ein und wird gleich darauf auch schon wieder von dem Silberhaarigen unterbrochen. „Entschuldigung, ich glaube, das ist unsere Schuld.“ „Warum denn eure Schuld?“ Isas überraschter Blick trifft den entschuldigenden von Dan. Da erst geht mir ein Licht auf. Also war das vorhin doch kein Zufall! „Ich glaube, was Dan damit sagen will ist, dass ihr eure Kräfte nicht kontrollieren könnt, wenn einer von uns beiden seine Aurensicht deaktiviert.“ Diesen Worten folgt mal wieder Stille. „Du meinst, ihr blockiert damit unsere Fähigkeiten?“ „So in etwa, ja.“ Der Silberäugige antwortet auf Matts Frage, die die Stille durchbrochen hat, noch bevor ich meinen Mund aufmachen kann. In dem darauf folgenden nachdenklichen Schweigen, schaffe ich es endlich die Auren zu reaktivieren, welche auch gleich wieder wie Fackeln vor meinen Augen aufleuchten. Irgendwie habe ich mich schon daran gewöhnt diese flimmernden Hüllen zu sehen. Dan wirft mir einen kurzen Blick zu und durchbricht dann das Schweigen. „Jetzt solltet ihr wieder weiter machen können. Da wir das nun wissen, werden wir das Aktivieren und Deaktivieren nur üben, wenn ihr nicht in der Nähe seid, okay?“ Die anderen nicken, sodass es aussieht als wären sie eine Person als sich die Teams wieder einander zuwenden, um weiter zu üben und sich gegenseitig Radschläge zu erteilen. Auch mein Partner wendet sich mir zu und ich beginne damit ihm zu zeigen, was ich alles mir Licht anstellen kann und vor allem wie. Doch als Dan versucht es nachzumachen passiert erst nichts, aber da ich das ja schon von unserer Versuchsreihe vom Dienstag her kenne, ermutige ich ihn einfach weiter zu machen. Dann geschieht etwas merkwürdiges, denn anstatt das Licht umzuleiten, das durch das Fenster hereinfällt, hebt sich der Schatten unter dem Fenster und verdunkelt das ganze Zimmer. Es sind mehrere empörte Ausrufe zu vernehmen, dann flackert ein warmes Licht auf als Elly einen Feuerball auf ihrer Hand tanzen lässt. Das tanzende Licht taucht das Zimmer in einen spärlichen unheimlichen Schein. „Wie hast du das gemacht?“ Ich kann mein Gegenüber, dessen silberne Haare gespenstisch in Schein des Feuers wirken, nur ungläubig anstarren. „Ich bin das?!“ „Ja und wenn du nun so freundlich wärst, das Licht wieder ins Zimmer zu lassen, fände ich das sehr nett. Schließlich können wir nicht alle Feuer heraufbeschwören, um etwas sehen zu können!“ Jack ist nur als Silhouette zu erkennen, während die Teams Grün-braun und Blau-grau in vollständige Dunkelheit gehüllt sind. Das war unerwartet, aber wenn ich ehrlich bin, schockt mich nichts mehr so schnell. Wenn ich Licht kontrollieren kann, warum sollte dann Dan nicht die Schatten beherrschen? Gerade als sich die Dunkelheit wieder vor dem Fenster senkt und die Sonnenstrahlen ins Zimmer lässt, schnippst die Schwarzhaarige aus einem unerfindlichen Grund mit den Fingern ihrer linken Hand. Ein Blitz entsteht und springt auf den Feuerball in ihrer rechten Hand über. In dem Moment wo sich die Finsternis vollkommen gesenkt hat, explodiert der Feuerball und hinterlässt eine dampfende Wolke. Plötzlich bewegt sich diese Wolke und formt ein Tier, das nicht größer als eine Faust ist. Marc kneift die Augen zusammen und betrachtet das Wesen, das sich direkt auf Augenhöhe mit ihm befindet. „Ist das eine Katze?!“ „Ich heiße Mai und bin ein Luchs!“ Eine piepsige fröhliche Stimme kommt von dem durchscheinenden winzigen Tier, obwohl ich gleichzeitig das Gefühl habe, dass diese Worte irgendwo aus den Tiefen meines Kopfes gekommen sind. „Iiiihhhh! Es spricht!“ Mit einem Satz springt Elly nach hinten und wäre fast im Karmin gelandet. „Na hör mal! Was soll denn das jetzt bedeuten?!“ Kapitel 6: Die Veränderung -------------------------- Es regnet. Es taut und es regnet als ich auf dem Weg zur Schule bin. Der Schneematsch auf dem Gehweg sorgt dafür, dass das Gehen eher zu einem Gleiten und Rutschen wird. Obwohl es so kalt am Wochenende gewesen war, sind die Temperaturen in der letzten Nacht schlagartig angestiegen und das große Tauen hatte eingesetzt, welches die weiße Pracht der letzten Woche in graue Nässe verwandelt. Auch der Himmel hat sich mit grauen tristen Regenwolken verhangen, die keinen einzigen Sonnenstrahl durchlassen wollen. Auf einmal taucht vor meinem Blickfeld ein faustgroßes durchscheinendes Wesen auf mit der Gestalt eines afrikanischen Wildhundes. Faszinierenderweise kann man trotz der leicht gräulichen rauchigen Struktur immer noch das braune Fell mit den unregelmäßigen Flecken erkennen wie bei einem verblassten Foto. „Woran denkst du gerade?“ An diese Stimme, die von Überall und gleichzeitig auch aus meinem Hinterkopf zu kommen scheint, habe ich mich immer noch nicht gewöhnt, weshalb ich auch gleich zusammenzucke. Ich vergesse ständig, dass die Wildhunddame, die sich mir nach ihrem Erscheinen gestern als Kira vorgestellt hat, mir immer auf Schritt und Tritt folgt. „Nichts, ich habe mir nur die Umgebung angeschaut.“ Ich komme mir echt blöd vor als ich Kira laut antworte. Es ist als würde man sich mit einer Halluzination unterhalten. Es hatte gestern Abend zu ein paar Peinlichkeiten geführt, weil ich mich direkt vor meinen Eltern mit der Hündin unterhalten hatte und sie sie ganz offensichtlich weder hatten sehen noch hören können. Deswegen war ich nun froh, dass mich niemand hören kann, weil ich auf diesen Teil meines Schulweges immer oder zumindest meist allein bin. „Und jetzt bitte keine weiteren Fragen mehr, ja? Du weißt genau, dass dich keiner sehen oder hören kann, von meinen Freunden mal abgesehen, und ich will mich nicht mit der Luft unterhalten.“ „Ich bin aber keine Luft!“ „Das weiß ich doch, aber für die anderen würde es so wirken, okay?“ Dann biege ich um die Ecke und komme auf die Straße, die direkt zur Schule führt und prompt bin ich von vielen Schülern umgeben. Kira springt aufgeregt hüpfend zwischen den Teenagern herum. Auf einmal bin ich froh, dass sie niemand sehen kann, weil ich das Gefühl habe, sie sucht nach meinen Freunden. Da entdecke ich ein paar blaue Zöpfe in der Menge und beschleunige meine Schritte um zu Isa aufzuschließen. Auch meine Wildhündin scheint sie entdeckt zu haben, denn sie schießt vorwärts und reißt einen faustgroßen rauchigen Otter um. „Kira! Kannst du nicht bremsen?“ Die Otterdame löst sich aus Kiras überschwängliche Umarmung, welche daraufhin gleich das Geisttierchen von Cath anfällt. Die große Brünette ist auch gerade bei Isa angekommen und hat eine durchscheinende Eule im Schlepptau, welche nun verzweifelt versucht mit ihren Flügeln Kira von sich zu drücken. „Bell, hilf mir doch! Bitte?!“ Doch nicht die Otterdame, die angesprochen wurde, sondern eine faustgroße Füchsin kommt der Eule zu Hilfe und rettet sie davor von der Hündin erdrückt zu werden. „Lilly! Ich hätte sie schon noch losgelassen. Außerdem löst sich Luna von einer Umarmung nicht gleich auf!“ Kiras Blick in Richtung der Füchsin ist nur gespielt beleidigt. In der Zwischenzeit haben wir Menschen uns auch begrüßt und setzen uns wieder in Bewegung, um den Schülerstrom, der sich durch das Schultor quetscht, nicht weiter zu behindern. Auf dem Schulhof, kurz vor dem Haupteingang, treffen wir Mädels dann auf drei der Jungen. Auch sie werden von faustgroßen, leicht auf und ab schwebenden Tieren umschwirrt. Während ich Matt, Jack und Zak begrüße, sehe ich aus den Augenwinkeln wie auch der Bär, der Adler und die Schlange begrüßt werden. Dann werden wir alle von den Schülermassen durch die Tür ins Schulgebäude geschoben und unsere für alle anderen unsichtbaren Begleiter haben Mühe mit uns Schritt zu halten. Keine Ahnung warum alle sprechende Tiergeister haben, doch nachdem Mai gestern bei Elly aufgetaucht war, hatte Marc auf dieselbe Weise einen Panther heraufbeschworen und dann führte eins zum Anderen. Dieser Panther kommt uns entgegen als wir sieben durch die Tür des Klassenzimmers kommen. Er hat noch den silbergrauen Wolf und die Luchsdame bei sich als die restlichen Geisttiere diese drei stürmisch begrüßen. Es war mir immer noch nicht verständlich, warum nur wir diese zehn Minitiere sehen können, die nun durch das gesamte Klassenzimmer schwirren und alles erkunden. Ich packe gerade meine Schulsachen aus und will mich dann hinsetzen als mich etwas im Rücken trifft. „Das war gemein, Tony!“ Kira schießt über meiner Schulter davon und jagt dem silbergrauen Wolf hinterher, der lachend vor ihr flieht. Wenn sie mit uns zusammenstoßen können, würden die Nichtelementarier sie dann auch spüren, wenn sie sie berühren? Wenn ja, würde das ein ziemliches Chaos auslösen, weil sie ja für alle anderen unsichtbar sind! Doch bevor es dazu kommt, betritt unsere Englischlehrerin den Raum und unsere kleinen Freunde sind so klug sich bei ihren jeweiligen Partnern niederzulassen. Meine Wildhunddame sitzt auf meiner Federtasche und beobachtet meine Lehrerin, die gerade die Anwesenheit kontrolliert, so aufmerksam, dass ihr aufgeregt wedelnder Schwanz meine Stifte in der Federtasche zum Klirren bringt. Wenn ich sie so ansehe, muss ich wieder daran denken wie sie in mein Leben getreten ist. » Gestern, nachdem Mai den Panther nach seinem Namen ausgefragt hatte und dieser die Antwort „Ich bin Pan“ gegeben hatte, veranlasste Matt das dazu eine Hypothese für die Entstehung der beiden Wildkatzen aufzustellen. „Vielleicht sind die beiden ja dadurch entstanden, weil ihr beide Elemente gleichzeitig verwendet habt und sie sich so vermischt haben.“ Wie um gleich die Richtigkeit seiner Annahme zu beweisen, nahm er die Steine und den Schraubenschlüssel, mit dem das grün-braune Team zuvor geübt hatte in die Hände, und ließ sie kurzerhand beide über der Handfläche schweben. Mit einem leichten Klicken trafen Steine und Schraubenschlüssel aufeinander und Staub rieselte heraus. Doch statt zu Boden zu fallen, formte der Staub einen faustgroßen Bären, der gleich darauf durchscheinend wurde und sich prompt in die entstandene Stille hinein vorstellte. „Koda, das ist mein Name.“ Ohne lange zu zögern hatte Tess dem Hünen die Gegenstände aus der Hand genommen und sie ebenfalls schweben lassen. Wieder waren Steine und Schraubenschlüssel zusammengeschlagen und wieder war Staub herausgerieselt, welcher diesmal einen Fuchs geformt hatte. Jack spielte in der Zwischenzeit nachdenklich mit seinen Kräften und ließ eine Windhose vor seiner Nase tanzen, dann pfiff er bewundernd als die Fuchsdame vor der Braungelockten Gestalt annahm. Dieser Pfiff färbte die auf und abtanzende Windhose dunkel und formte einen winzigen Weißkopfadler. Dieser breitete seine Flügel aus und flatterte um Jacks Kopf herum. Auf dieselbe Weise ließ anschließend Cath ihre Eule entstehen. Während sich die Geister gegenseitig vorstellten und aufgeregt um unsere Köpfe rasten, hatte sich Isa wieder zu der Wasserschüssel vor den Fernseher gesetzt und diese durch Telekinese vor sich schweben lassen. Dann hob sich das Wasser aus der Schüssel und formte eine Kugel um die Schüssel herum, in der sich ein dunkler Fleck bildete und die geisterhafte Gestalt eines Otters das Wasser durchbrach. Die Blauhaarige verlor glatt die Konzentration und ein Großteil des Wassers klatschte zu Boden. Zak kam ihr zu Hilfe und nahm ihr erst telekinetisch die Schüssel ab und sorgte anschließend dafür, dass das Wasser vom Fußboden zurück in die Schüssel floss. Kaum war dieses wieder in der Schüssel, brodelte das Wasser und wurde dunkel, um kurz darauf eine Schlange durch dessen Oberfläche brechen zu lassen. Der Wasserkontrolleur war so fasziniert von dem Geisttierchen, dass er vergaß, dass die Schüssel noch vor ihm in der Luft schwebte. Doch Isa war so geistesgegenwärtig und fing sie mit den Händen auf. Das alles war so schnell gegangen, dass es keine Zeit zum Reagieren gegeben hatte. Dadurch summte nun der ganze Raum, weil neben uns Elementariern auch alle Tiergeister durcheinanderredeten. Nach einigem hin und her hatten Dan und ich mich dann auf eine Idee geeinigt wie auch wir ein solches Tierchen heraufbeschwören könnten. Wie standen uns gegenüber, ich hatte eine Lichtkugel in meinen Händen und der Silberhaarige eine Schattenkugel in den seinen. Dann schalteten wir gleichzeitig unsere Aurensicht aus und die Licht- und Schattenkugeln änderten ihre Form. Nachdem wir unsere Sicht wieder aktiviert hatten, hüpften vor uns bereits ein durchscheinender silbergrauer Wolf und eine ebenfalls durchscheinende afrikanische Wildhündin wild durch den Raum. « Die Pausenklingel lässt mich hochfahren und in null Komma nichts sind meine Schulsachen in meinem Rucksack verstaut. Auf dem Schulhof suche ich mir gemeinsam mit meinen Freunden einen ruhigen Platz, damit wir uns ungestört mit den Tierchen unterhalten können. Es ist doch wirklich erstaunlich wie schnell man sich an das Ungewöhnliche und Unglaubliche gewöhnen kann. „Ist die Schule immer so langweilig?“ Der Weißkopfadler hat genauso ein vorlautes Mundwerk wie sein Partner. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die Geisttierchen genau die gleichen Charakterzüge besitzen wie die Personen, die sie heraufbeschworen haben. „Nein Finn, sie ist eher stressig als langweilig.“ Jack antwortet seinem kleinen neuen Freund mit einem genervten Blick in unsere Richtung. „Da siehst du mal wie anstrengend du manchmal bist, Jack! Finn ist dein Spiegelbild!“ Dans Reaktion auf den Blick des Bundgefärbten ist belustigt und zeigt mir gleichzeitig, dass er denselben Gedankengang hatte wie ich. „Ich glaube, sie sind nicht nur unsere Spiegelbilder.“ Isa lässt den Luftkontrolleur zu keiner Antwort kommen. „Sondern auch Vermittler zwischen unseren zwei Elementen.“ „Wie kommst du denn darauf?“ Matts irritierter Blick spricht Bände. Zum Glück bin ich nicht die einzige, die den Gedankengang unserer Intelligenzbestie mal wieder nicht folgen kann. „Na ja, gestern Abend wollte ich von Bell wissen, ob sie auch Wasser kontrollieren kann, weil ich festgestellt hatte, dass sie mir charakterlich ähnelt.“ „Genau, aber als ich es versucht habe, ist nichts passiert.“ „Dasselbe ist passiert als wir Telekinese ausprobiert haben, nichts. Bei Bell einfach gar nichts. Dann habe ich beides zusammen verwendet und obwohl bei Bell wieder nichts passiert ist, in Bezug auf die Elementenkontrolle, konnte ich mich besser konzentrieren. Es fiel mir leichter beide Elemente zu beherrschen, sodass sie getrennt voneinander existieren können.“ „Gleichzeitig habe ich angefangen blau zu leuchten“ Es ist unheimlich wie sie sich gegenseitig ergänzen und das auch noch von ihnen selbst unbemerkt. Hinzu kam Isas Entdeckung, die von Zak auch gleich kommentiert wird. „Willst du damit sagen, dass Sniggel und die anderen Geister dafür verantwortlich sind, dass sich meine und eure beiden Elemente nicht vermischen?“ Damit wäre die Funktion unserer neuen Begleiter geklärt. Nur eines find ich merkwürdig. Die Diebesbande von neulich hatte doch auch keine, oder? Heißt das, dass sie nur ein Element beherrschen? „Erde an Amy! Ist jemand zu Hause?!“ „Wie bitte?“ Ich sehe mich überrascht um. Der Schulhof lehrte sich bereits. Ich hatte die Diskussion meiner Freunde und das Klingelzeichen verpasst. Wahrscheinlich wäre ich auch noch zu spät zum Unterricht gekommen, weil ich mit meinen Gedanken ganz woanders war, wenn Kira mich nicht angestupst hätte. Diese schwebt mir nun voraus als ich mich beeile zu meinen Freunden aufzuholen, die mich doch tatsächlich einfach so stehen gelassen haben! „Du bist eine ganz schöne Tagträumerin!“ Kapitel 7: Der Ausflug ---------------------- Endlich war es Frühling geworden. Der letzte Schnee war in dieser Woche weggetaut, was mir aber den Weg zu Jack auch nicht erleichtert, weil der Vorgarten des Hauses meiner Eltern keinen gepflasterten Weg besitzt. Dass ich in dem Kies immer wieder stecken bleibe, liegt aber wahrscheinlich auch an dem überdimensionalen Rucksack, den ich auf dem Rücken trage. Als meine Eltern gehört haben, dass ich das Osterwochenende zusammen mit meinen Freunden verbringen will, sind sie auf die irre Idee gekommen mir einen Wanderrucksack zu kaufen. Als ob ich Wochen unterwegs sein werde! Das sind gerademal drei Nächte, die wir in dem warmen gemütlichen Haus von Jacks Eltern verbringen werden und in dem es garantiert auch eine Küche mit genug Essen gibt. Trotzdem hat es meine Mutter für nötig gehalten den Großteil meines Rucksackes mit Knabbersachen und ähnlichem vollzustopfen. Dass ich die Isomatte und den Schlafsack, den ich benötige, weil einfach nicht genug andere Schlafmöglichkeiten für zehn Leute vorhanden sein werden, noch rein bekommen habe, grenzt an ein Wunder! Wir werden das ganze Haus für uns haben, weil die Eltern des Bundgefärbten das lange Wochenende benutzen, um ihren Ältesten zu besuchen, der irgendwo im Ausland studiert, wo genau konnte uns Jack nicht verraten, da er es immer wieder vergisst. Ich komme gerade in der Ladenstraße an, als ich auch schon acht Teenager am Springbrunnen versammelt sehe. Kira, die mir ausnahmsweise einmal schweigend gefolgt ist, schießt vorwärts, um die anderen zu begrüßen. Ich bin nicht ganz so schnell, doch als ich am Wasserbecken der Faunenstatue ankomme, in dem sich jetzt wieder Wasser befindet, stelle ich fest, dass ausgerechnet unser Gastgeber noch nicht anwesend ist und das obwohl es seine Idee gewesen war uns hier zu treffen, um dann gemeinsam zu ihm nach Hause zu gehen. „Ihr kommt zu spät, Amy!“ Luna, die Geistereule von Cath, taucht nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht auf. „Meine Mutter wollte mich einfach nicht gehen lassen, tut mir Leid.“ „Außerdem sind wir nicht die Letzten.“ Kira lässt sich auf meiner Schulter nieder und sieht sich um. „Ich weiß, Jacks ewige Zuspätkommerei macht mich noch irgendwann verrückt.“ Matt ist aufgestanden und hilft mir mit meinem Rucksack. „Himmel! Was ist denn da alles drin?! Der wiegt mindestens eine Tonne!“ „Das sind eigentlich nur Knappersachen.“ Da fängt Elly an zu lachen. „In meinem ist auch fast ausschließlich Essen!“ Während wir alle noch lachen, kommt Jack auf uns zu gerannt. „Sorry, Leute! Ich habe vergessen auf die Uhr zu schauen.“ „Das ist keine Entschuldigung! Du hast gesagt, dass wir uns hier treffen!“ Zak sieht den Bundgefärbten anklagend an und deutet mit einem ausgestreckten Finger auf die Faunenstatue. Da schießt eine Wassersäule hoch und bespritzt diese. Das ist ungewöhnlich, dass wir unbewusst unsere Kräfte benutzen, und passiert uns eigentlich nicht mehr so häufig. Seit wir sie vor ein paar Wochen zum ersten Mal verwenden konnten, haben wir mittlerweile gelernt sie zu beherrschen. Doch etwas passiert, was noch viel merkwürdiger ist, am Hals der Faunenstatue leuchtet ein kleines Symbol blau auf. Dieses Symbol hat Ähnlichkeiten mit einem stilisierten Drachen. Aus diesem leuchtenden Symbol kommt nur Sekunden nach dem Aufleuchten ein gleißender Strudel. der in allen Farben des Regenbogens schimmert und sowohl aus Wasser als auch aus Licht zu bestehen scheint. Wir schauen dieses Phänomen verblüfft an. „Was hast du denn jetzt gemacht Zak?!“ Jack kommt herüber und steht jetzt direkt vor dem Strudel. Er beugt sich so weit vor, dass seine Nase fast die Regenbogenlichter berührt. „Ich … ich habe keine Ahnung. Und geh nicht so nah da ran, wir wissen nicht was das ist!“ Aber zu spät, mit einem überraschten Aufschrei verschwindet Jack in dem Strudel und ist nicht mehr zu sehen. Kurz darauf löst sich auch das Farbenspiel auf und die Statue sieht wieder unschuldig auf uns herunter als wäre nichts passiert. Das war alles so schnell gegangen, dass keiner von uns auch nur einen Mucks machen konnte. Zak dreht sich geschockt zu uns anderen um und macht den Mund auf, um etwas zu sagen, doch es kommen keine Worte heraus. Danach öffnet und schließt er ihn noch ein paar Mal, ohne das auch nur ein Ton herauskommt, während wir anderen uns auch nur wortlos anschauen können. Ich blicke in geschockte, verwirrte, verängstigte und nachdenkliche Gesichter. Wie konnte Jack einfach verschwinden und wo mag er jetzt wohl sein?! Hoffentlich geht es ihm gut! Sein Weißkopfadler fliegt voller Panik immer im Kreis um den Kopf des Fauns. Da findet Zak endlich seine Stimme wieder und stammelt vor sich hin, während er zwischen uns und der Springbrunnen hin und her sieht, in der Hoffnung so eine Antwort zu erhalten. „Was … Was ist gerade pas… passiert?“ Isa geht zu ihm hinüber, drückt kurz beruhigend seine Schulter und besieht sich die Faunenstatue genauer. „Ich würde sagen, dass das eben ein Portal war und Jack an einen anderen Ort gebracht hat.“ Obwohl sie wie gewohnt sachlich und ruhig spricht, kann sie ein leichtes Zittern nicht unterdrücken, ob sie vor Aufregung oder Angst zittert, vermag ich nicht zu sagen. Finn hört auf den Faun zu umkreisen und schaut hoffungsvoll herunter. „Und wie ist dieses Portal entstanden? Etwa, weil Zak die Statue mit Wasser bespritzt hat?“ Mark stellt sich neben die Blauhaarige und sieht diese fragend an. „Ja, ich denke schon, aber ich weiß nur noch nicht warum das ein Portal heraufbeschworen hat. Schließlich haben wir auch schon vorher Gegenstände beim Manipulieren nass gemacht, ohne das sich gleich ein Tor zu einem anderen Ort geöffnet hat.“ „Und was ist mit dem Symbol, das vor dem Erscheinen des Strudels aufgeleuchtet hat?“ Ich sehe Dan überrascht an. Wir hatten zur selben Zeit das Gleiche gesagt! „Was für ein Symbol?“ Isa sieht uns beide verwirrt an. Anscheinend waren wir beide die einzigen gewesen, denen das aufgefallen war, wenn ich die Gesichter der anderen richtig deute. „Na das Symbol da auf der Flanke des Fauns.“ Dan zeigt mit ausgestreckten Finger auf die Statue. „Das aussieht wie ein kleiner schlafender Drache.“ Mir ist gerade eingefallen, woran mich dieses Symbol erinnert hat. Isa beugt sich vor, um die Faunenstatue genauer unter die Lupe zu nehmen. Nach wenigen Sekunden hat sie dann auch das Symbol gefunden, von dem Dan und ich geredet haben. Sie fährt nachdenklich mit dem Finger über die Vertiefungen. „Es ist ganz nass, vielleicht muss man es mit Wasser begießen, um es zu öffnen.“ Gesagt, getan! Die Blauhaarige schöpft eine Hand voll Wasser aus dem Becken und lässt das Wasser die Flanke der Statue hinunterlaufen, doch es passiert nichts. „Wahrscheinlich funktioniert es nur, wenn man das Wasser auf magischem Weg das Symbol berührt.“ Zak schiebt Isa sanft vom Beckenrand weg und mit einer lässigen Handbewegung trifft ein Schwall Wasser den Faun von der Seite. Das Symbol leuchtet zum zweiten Mal blau auf und wird daraufhin wieder von dem farbenprächtigen Strudel aus Licht und Wasser verdeckt, das sich aus diesem zu ergießen scheint. „Ähm, okay. Und was machen wir jetzt? Gehen wir hindurch und suchen Jack?“ Matt sieht die beiden Wasserkontrolleure fragend an. „Ich weiß nicht, vielleicht kann man nur einzeln hindurchgehen, weil sich das Portal direkt hinter Jack wieder geschlossen hat, ohne dass wir etwas machen konnten.“ Zak sieht zu dem Schlaumeier hinüber und scheint auf eine Bestätigung ihrerseits zu warten, die auch nicht lange auf sich warten lässt. „Außerdem wissen wir nicht, ob noch einer von euch das Portal öffnen kann und ob es dann auch zu dem selben Ort führt, immerhin wissen auch jetzt nicht, ob Jack auf der anderen Seite von diesem hier ist. Deswegen würde ich vorschlagen, dass Zak und ich zuletzt gehen.“ Ich habe nichts an dem Plan auszusetzten, denn wenn Jack auf der anderen Seite das Portal zwar sieht, aber nicht zurückkommt, dann gibt es bestimmt etwas zu sehen, das wir uns anschauen sollten. „In Ordnung, wer geht als Erster?“ Der Rotblonde schaut abwartend in die Runde. Es ist Mark der sich als Erster in Bewegung setzt, seinen Rucksack aufhebt und zusammen mit Finn und Pan durch das Farbenmeer verschwindet. Wie vorhergesagt schließt sich das Portal direkt hinter ihm und wird nur einen Augenblick später von Isa erneut geöffnet. Dann setzten auch wir anderen uns in Bewegung. Dan folgt Cath auf dem Fuße, danach kommen Elly und Tess und schließlich gehe auch ich durch den immer wieder von neuem erwachten Strudel. Wir alle haben unsere kleinen Begleiter und unsere Taschen bei uns, die wir für das lange Osterwochenende gepackt haben. Dann werden ich und Kira vom Regenbogenglitzern erfasst und ein schwindelerregender Sog breitet sich in meiner Magengegend aus, als hätte ich eine Stufe beim Treppenabstieg vergessen. Ich sehe nur noch wirbelnde Lichter und auf meiner Haut spüre ich eine nicht unangenehme feuchte Kühle, die einen talgigen Geruch verströmt wie bei einem Besuch am Meer. Einen Augenblick später ist dann auch schon alles vorbei und ich stolpere überrumpelt vorwärts. Im ersten Moment bin ich geblendet, weil mir die Sonne voll ins Gesicht scheint. Dann kann ich mich umsehen. Ich befinde mich an einem Strand, den ich nicht kenne. Um mich herum stehen meine Freunde, immer ein paar Meter zwischen sich, und drehen sich genauso staunend im Kreis wie ich es gerade tue. Noch bevor ich alles in meiner Umgebung in Augenschein nehmen kann, öffnet sich ein paar Meter neben mir ein leuchtender Strudel und spuckt Matt aus. Dieser blinzelt geblendet zu mir rüber, um nur Augenblicke später seine Umgebung mit großen Augen zu betrachten. Es ist total still, aber nicht unangenehm. Es ist eine friedliche Stille, die zum Bleiben einlädt und keiner von uns durchbricht sie mit einem Wort, stattdessen genießen wir sie gemeinsam. Dann leuchtet hinter mir ein weiteres Portal auf und Isa stolpert heraus. Während die Blauhaarige sich noch an die grelle Sonne gewöhnt, nutze ich die Zeit, um mich weiter umzusehen. Der Strand, auf dem ich mich befinde, ist halbmondförmig und von einer einladenden grünen Hügelkette zur Linken und weißen, steil aufragenden Felsen zur Rechten umgeben. Es weht eine sanfte Briese, die das unglaublich blaue und ruhig daliegende Wasser, das sich endlos bis zum Horizont auf der anderen Seite erstreckt, in kleinen Wellen an den hellen feinen Strand spült. Keine Menschenseele befindet sich in der Nähe, nicht ein Tier ist zu sehen. Wir sind ganz allein an diesem paradiesischen Ort. Da erscheint der letzte Regenbogenstrudel und gibt Zak frei. Noch hat sich keiner vom Fleck bewegt, alle stehen noch genau an der Stelle, an der sie nach dem Verlassen des Portals gelandet sind. Unsere kleinen Geister sind genauso überwältigt wie wir, sodass sie in unserer Nähe bleiben, nur Finn ist zu Jack geflogen. Das bedeutet, dass Jack, der ja als Erstes hierhergekommen ist, direkt vor den weißen Felsen steht und Zak etwa in der Mitte des Halbmondes, den der Sandstrand bildet. Wir anderen stehen in einer ungleichmäßigen Zickzacklinie zwischen den beiden Jungen, in der Reihenfolge, in der wir durch den Lichtstrudel gegangen sind. Jack ist Derjenige, der sich als erstes von seinem Standort wegbewegt und auf seinen besten Freund zugeht. Dann setzten auch wir anderen uns nach und nach in Bewegung und versammeln uns um den immer noch staunend umherblickenden Wasserkontrolleur. „Wo sind wir hier?“ Er sieht uns anderen mit großen Augen entgegen. „Keine Ahnung, so einen Strand habe ich noch nie gesehen.“ Dan klingt ganz atemlos und wird dann von Elly ergänzt, die auf den naheliegenden Hügel zeigt. „Wir sollten uns mal umsehen, vielleicht ist da jemand den wir fragen können, wo wir sind.“ „Und was sagen wir, wenn dieser jemand wissen will, wie wir hierhergekommen sind?“ Cath sieht die Schwarzhaarige mit hochgezogen Augenbrauen an. Doch es ist Jack, der sich in Bewegung setzt und den Hügel hoch stapft. Ihm voraus fliegt ein übermütiger Weißkopfadler. „Das können wir uns doch noch überlegen, wenn wir jemanden gefunden haben.“ „Außerdem könnte es ja sein, dass man nur durch das Portal an diesen Ort gelangen kann, dann müssen wir gar nichts erklären.“ Isa bedeutet uns, ihr zu folgen, während sie sich Jack angeschlossen hat und den Hügel erklimmt. Bei uns zu Hause war es noch recht kalt gewesen, doch hier ist mir mein Mantel, der mir bis zu den Knien reicht, zu warm, sodass ich ihn öffne. Diese feuchte Wärme gibt mir das Gefühl, dass wir irgendwo im Süden sein müssen, wo es schon im Frühjahr an die 20°C werden. Oben angekommen, kann ich im ersten Moment nur die Aussicht bewundern. So viel Grün und das zu Ostern! Von den Hügeln hat man eine gute Aussicht. Sie sind wahrscheinlich die höchsten Punkte der Gegend, nur in der Ferne im blassen Dunst am Horizont ist eine schneebedeckte Gebirgskette über saftiges im seichten Wind wiegenden kniehohem Gras zu erkennen, welches sich zu unserer Linken endlos ausbreiten. Direkt über dem steilen Abhang aus weißen Felsen beginnt ein Wald, der den Großteil der uns einsehbaren Fläche einnimmt, und sich von unserer Rechten bis vor unsere Füße erstreckt. Dadurch versperren uns exotische Bäume, die in allen erdenklichen Farben blühen, den Blick auf mögliche Siedlungen. Doch die Farbenvielfalt ist überwältigend, denn zwischen all der Blütenpracht, ist der gesamte zu erkennbare Waldboden bedeckt mit hellgrünen Farnen, Büschen und Sträuchern, die es einem bestimmt schwermachen, den Wald zu durchqueren, denn ein Weg hindurch ist nicht zu erkennen. Trotzdem macht der lichtdurchflutete Wald einen einladenden, friedlichen Eindruck, so unberührt und wild wie er hier wächst. Der einzige sichtbare Weg, der weg vom Strand und den Hügeln führt, verläuft am Waldrand entlang, bevor er einer Biegung folgt und hinter den Bäumen verschwindet. Und dort taucht mit einem Mal eine Gestalt in ungewöhnlicher Kleidung auf, die aussieht als ob sie aus einem der Fantasy-Romane entsprungen ist, die ich so liebe. Es ist ein junger Mann mit gewollt zerzaustem braunem Haar, den ich auf Anfang zwanzig schätzen würde. Seine Kleidung ist eine Mischung zwischen mittelalterlichem Umhang und Weltraumanzug, was ihm ein etwas exotisches Aussehen verleiht. Plötzlich bleibt er stehen und sieht zu uns hinüber, schirmt seine Augen gegen die Sonne ab, die uns in den Rücken scheint, und fängt dann mit der freien Hand an zu winken. „Jack, was machst du denn hier?!“ Seine Stimme wird von einem Windstoß begleitet, als sie uns erreicht. „Ich dachte, du wolltest mich nicht besuchen kommen, Brüderchen?!“ Kapitel 8: Eine andere Welt --------------------------- Als ich aufwache, weiß ich im ersten Moment nicht wo ich bin. Ich sehe an eine braune Zimmerdecke, die mir nicht bekannt vorkommt. Dann sehe ich mich um und stelle fest, dass auch die Wände braun sind. Es ist ziemlich dunkel hier drin, weil es nur eine Öffnung im ganzen Raum gibt, ein mannshohes Rechteck zu meinen Füßen, das improvisiert mit einer Decke zugehängt ist. Die Sonne scheint matt durch den Stoff und während ich es noch verwirrt anstarre, setzte ich mich auf. Dabei verrutscht mein Schlafsack und mit einem Mal weiß ich wieder, wo ich bin. Ich bin auf den weißen Felsen über dem Strand an dem ich gestern mit meinen Freunden angekommen bin. Jacks Bruder hatte uns zwar eingeladen mit in die nächste Stadt zu kommen, aber Jack wollte seinen Eltern nicht erklären müssen, warum er hier war und wie er überhaupt hierhergekommen war, denn Jacks Bruder zufolge sind wir an einem Wassertor angekommen und seine ganze Familie waren Luftkontrolleure. Soweit ich es verstanden habe, kann man nur abhängig vom kontrollierten Element reisen. Wasserkontrolleure können nur zu Wassertoren reisen und so weiter, aber von einem Wassertor zum Beispiel kann man zu jedem Tor auf der Erde reisen, denn Jacks Bruder hat uns noch etwas Anderes eröffnet und zwar, dass wir uns hier auf einem anderen Planeten in einem Paralleluniversum befinden, der im Mittelalter mittels Magie extra für die Elementarier erschaffen wurde. Wir sind auf Elor, der schlafende Drache, der seinen Körper für die Rettung der Elementarier gegeben hat, um sie vor den Hexenverfolgungen zu bewahren. Damit wäre zumindest das merkwürdige Symbol auf der Faunenstatue geklärt, durch das sich das Portal hierher öffnen ließ. Meine Augen haben sich mittlerweile an das dämmrige Licht gewöhnt und so kann ich einige Details besser erkennen. Die braunen Wände und auch die Zimmerdecke sind aus gestampfter Erde, die unsere beiden Erdkontrolleure gestern als Zeltersatz zusammengezimmert haben, weil wir abgesehen von Decken und Schlafsäcken ja keine anderen Schlafmöglichkeiten dabeihaben. Ich liege direkt vor der improvisierten Tür und zu meinen beiden Seiten schlafen noch immer meine Freundinnen, je zwei zu beiden Seiten. Auch unsere kleinen durchscheinenden Freunde schlafen noch friedlich. Die Jungen haben ihr eigenes Erdiglo. Warum bin ich eigentlich aufgewacht? Es scheint immer noch sehr früh zu sein, also kann es nicht an dem Licht liegen, das durch die Türöffnung dringt. Und dann höre ich es! Ein donnerndes Grollen. Ist etwa gerade ein Fels von der Klippe ins Meer gefallen? Dann wieder. Nein, es gibt kein Geräusch, dass mir verraten hätte, das etwas ins Wasser gefallen ist. Aber was verursacht denn sonst so ein Donnern? Und dann noch mal. „Was ist das?“ Cath neben mir blinzelt mich mit verschlafenen Augen fragend an. Ich zucke nur ratlos die Schultern und schäle mich wiederwillig aus dem warmen Schlafsack, um zur Tür krabbeln und hinausgucken zu können. Draußen ist nichts und niemand zu sehen, der so einen Lärm machen könnte, nur der Wind fährt raschelnd durch das Laub der Bäume zu meiner linken und durch das kniehohe Gras der weiten Hügelkette zu meiner rechten. Das fröhliche Lied einiger Vögel im nahem Wald wird durch ein weiteres Grollen unterbrochen. Das kommt vom Jungenerdhügel! Ich schaue über die Schulter und sehe, dass mittlerweile alle wach sind. Mit einem Kopfnicken bedeute ich den anderen mir zu folgen als ich die Decke beiseite ziehe und zum Erdiglo direkt gegenüber gehe. Ich stehe einen Moment ratlos vor der Decke, die auch bei den Jungen als Türersatz dient. Sollte ich vielleicht anklopfen? Vielleich schläft ja noch wer, aber wer könnte schon bei so einem Krach schlafen! „Mann! Ist der Kerl denn gar nicht wach zu kriegen?! Der schnarcht so laut, dass es einem Wunder gleichkommt, dass die Decke noch nicht eingestürzt ist!“ Dans genervte Stimme geht fast in einem erneuten donnergrollenden Schnarchen unter. Ich bin nicht die einzige, die sich ein Kichern nicht verkneifen kann. Vorsichtig luchse ich hinter den Vorhang. „Braucht ihr vielleicht etwas Hilfe?“ „Ja bitte, wir haben schon alles versucht!“ Mark, der der Türöffnung am nächsten sitzt sieht mir dankbar entgegen. Alle sind schon wach, außer einer. Unser unverschämt lauter und viel zu früher Wecker trägt den Namen Jack. Wer außer ihm (und vielleicht noch Cath) könnte auch sonst so laut schnarchen? Kann man eigentlich vom eigenen Schnarchen wach werden? Während ich noch überlege wie wir diesen Tiefschläfer wach bekommen, ist Isa kurzerhand zum Klippenrand gegangen, hat etwas Wasser heraufgezaubert und kommt jetzt mit einer Wasserblase ins Jungenzelt. „Wenn alles andere nicht funktioniert ...“ Mit einem spitzbübischen Grinsen entehrt sie das ganze Wasser über Jacks Gesicht. Dieser fährt prustend in die Höhe und nachdem er seine anfängliche Verwirrung abgeschüttelt hat, sieht er uns böse an. „Ist das wirklich nötig gewesen?“ „Alles andere hat nicht funktioniert und hör auf dich zu beschweren, wegen dir sind wir alle noch vor Tagesanbruch wach geworden!“ Zak trocknet seinen Freund und dessen Schlafsack indem er mit einer lässigen Handbewegung das Wasser aus dem Stoff zieht. Nachdem wir nun alle wach sind, lohnt es sich nicht mehr doch noch eine Runde schlafen zu gehen. Deswegen haben wir beschlossen jetzt schon zu frühstücken. Nachdem Elly und Marc das Lagerfeuer von gestern Abend wieder entfacht haben und wir anderen etwas Essbares aus unseren mitgebrachen Essensvorräten zusammengesammelt haben, die fast ausschließlich aus ungesundem Süßkram bestehen, weswegen es ein eigentümliches Frühstück wird, überlegen wir uns was wir heute machen werden. Jacks Bruder hatte uns geraten in dieser Bucht zu bleiben, wenn wir über Nacht bleiben wollen, weil man eigentlich so etwas wie ein Visum vom König oder zumindest vom örtlichen Fürst braucht und das besaßen wir alle nicht. Hier herrscht anscheinend noch immer eine strickte Monarchie, nicht so wie zu Hause, wo wir auch ein Parlament haben. Er sagte, dass wir hier ungestört auch noch eine weitere Nacht bleiben könnten, weil dieses Wasserportal selten benutzt wird, da es sich nicht in dem Hauptgebiet der Wasserelementarier befinde. Er selber war nur hier gewesen, weil er ein paar seltene Kräuter gesucht hatte und er würde heute noch mal kommen und uns etwas Anständiges zu Essen mitbringen. Wir haben bereits gestern Abend beschlossen auch die nächsten beiden Nächte hier zu verbringen und erst am Ostermontag zur Erde zurück zu kehren, um die Ungestörtheit, hier ohne Einschränkungen Elementarmagie anwenden zu können, voll auszunutzen. „Sagt mal, könnten eigentlich alle unsere Eltern Elementarier sein? Bei Jack sind schließlich alle Luftmagier.“ Matt starrt nachdenklich in die Flammen, während er mit der Hand durch das Fell seines Bären fährt. Ja, das hatte ich mir auch schon überlegt, aber es gibt da ein Problem. „Meine Eltern jedenfalls nicht, sie sind ganz normale Menschen, die besitzen keine Aura, das hätte ich doch schon längst gesehen.“ „Meine Mutter auch nicht, aber meinen Vater habe ich nie kennen gelernt, es könnte also sein, dass er ein Elementarier ist.“ Dan sieht zu mir herüber, in seinen Augen blitzt etwas auf, dass ich nicht so recht zu deuten weiß. „Bei uns anderen ist es leider nicht so einfach. Wir können nicht einfach sehen, ob jemand ein Elementarier ist oder nicht. Außerdem hat keiner unserer Eltern verlauten lassen, dass sie die Elemente manipulieren können, sonst hätten wir uns das ganze Experimentieren sparen und sie stattdessen fragen können.“ Elly ist aufgestanden und fängt jetzt an aufzuräumen. „Na das Problem können wir doch ganz einfach lösen, wenn wir wieder zu Hause sind, lädt jeder von uns Dan oder Amy zu sich nach Hause ein und zwar wenn alle da sind, dann können sie uns sagen wer Elementarier ist und wer nicht.“ Isa geht Elly zur Hand und schmeißt den ganzen Müll in eine Tüte, die wir später wieder durch das Portal mitnehmen werden. „Außerdem kann es doch sein, dass man die Elementarmagie ja auch von seinen Großeltern geerbt hat, auch wenn keiner in meiner Familie Bell sehen kann.“ Ein paar Stunden später stehen wir alle am Strand und haben längst aufgehört ernsthaft zu üben. Stattdessen haben wir zwei Teams gebildet, Mädchen gegen Jungen und spielen Zweivölkerball in Elementarierstil. Das bedeutet, dass es keine echten Bälle gibt und wir uns eigentlich nur gegenseitig mit unseren jeweiligen Elementen bewerfen, denen der oder die Beworfene entweder ausweichen oder abblocken muss. Es sind vorher keine Regeln festgelegt worden, deshalb erinnert das eher an eine Schneeballschlacht. Besonders heikel sind die Feuerbälle. Das bis jetzt noch niemand angekokelt wurde, grenzt an ein Wunder, aber wir haben viel zu viel Spaß als das wir uns über die möglichen Gefahren Gedanken machen wollen. Da wir sowohl Angreifer als auch Verteidiger sind, kommt es immer wieder vor, dass einer von uns seine beiden Elemente gleichzeitig verwendet. Das wiederum sieht bestimmt von Weitem lustig aus, wenn unsere Geister irgendwer sehen würde, weil sie dann immer für kurze Zeit aufleuchten, da die Wildkatzen rot, die Raubvögel violett, die Waldbewohner grün und Otter und Schlange blau leuchten. Das ist fast wir eine Minischlacht mit Discobeleuchtung, bei der der Gewinner noch aussteht. „Hey!“ Mit einem Mal stehen alle vor Schreck ganz still, mitten in der Bewegung eingefroren als hätte jemand die Zeit angehalten. Halb ausgeführte Aktionen der Elemente verpuffen und wir wenden uns wie ein Mann in Richtung der Hügel, von wo der laute Ruf gekommen war. Ich kneife geblendet die Augen zusammen, aber wirklich helfen tut das nicht. Die Sonne, die von links auf mein Gesicht scheint, ist so hell, dass ich fast nur eine dunkle Silhouette erkennen kann. „Verdammt, bist du das Tom? Du hast uns einen riesen Schrecken eingejagt!“ Und tatsächlich ist es Jacks großer Bruder, der dort auf den Hügeln gestanden hat und jetzt zu uns runter an den Stand kommt. „Sagt mal, habe ich das gerade richtig gesehen? Bei euch sind alle fünf Elemente vertreten, sogar das stärkste, das am seltensten auftretende Äther?“ „Äther?! Was soll das denn für ein Element sein?“ Jack sieht seinen Bruder irritiert an. Er scheint sich nicht vorstellen zu können, was damit gemeint ist, aber ich ahne schon was es ist. Doch bevor ich etwas sagen kann, kommt mir Isa zuvor. „Jetzt denk doch mal nach Jack! Wahrscheinlich meint er Licht und Schatten, das würde zumindest erklären warum Amy und Dan zwar die gleiche Aurafarbe, aber augenscheinlich nicht das gleiche Element beherrschen. Und was die andere Frage angeht, ja es sind alle Elemente vertreten, sogar alle in zweifacher Ausführung.“ Beim letzten hat sich die Blauhaarige wieder Tom zugewandt, um ihn ansehen zu können, wenn sie ihm antwortet. Aber noch bevor dieser etwas sagen kann mischt sich Cath in die Unterhaltung ein. „Aber wieso nur fünf Elemente? Selbst wenn Dan und Amy ein gemeinsames haben, beherrschen wir anderen alle zwei Elemente.“ „Wie meinst du das ‚zwei Elemente‘?“ Aber nicht die Brünette gibt ihm die Antwort, sondern Zak an ihrer Stelle. „Also ich beherrsche das Element Wasser und außerdem auch noch Telekinese. Das ist bei den anderen auch so, Feuer hat auch noch Elektrizität, Erde Magnetismus und Luft den Schall. Ist es normal, dass man Auren sehen kann, wenn man das Element Äther besitzt? Wenn nicht, dann ist das das zweite ‚Element‘ beim Äther.“ „Okay, ich glaube ich muss euch mal etwas Grundlegendes erklären. Also zuerst mal ist es ungewöhnlich, dass man zwei Elemente beherrschen kann. Die elementaren Fünf sind die mittelalterlichen Elemente der Alchemie. Die Fähigkeiten Feuer, Wasser, Erde und Luft zu kontrollieren ist erblich bedingt, obwohl es nicht nötig ist, dass beide Eltern Elementarier sind oder das beide dasselbe Element beherrschen. Es kann auch nur einer der Großeltern ein Elementarier sein und man kann auch als solcher geboren werden. Beim fünften Element Äther ist es etwas anders. In jeder Elementarierfamilie der anderen Elemente kann es jemanden geben der das Element Äther besitzt, zwar auch von Geburt an, aber es ist nicht notwendig, dass ein Elternteil oder einer der Großeltern dieses besitzen. Genauso verhält es sich umgekehrt. Kommt man zum Beispiel aus einer Luftfamilie wie ich, beherrscht aber Äther, heißt das nicht unbedingt, dass mein Kind auch das Element Äther hat, dieses könnte genauso gut wieder Luft kontrollieren können. Darum werden alle mit der Fähigkeit des Äthers als die Elite angesehen. Aber noch seltener als Äther kommt es vor, dass Elementarier das sogenannte Zweit- oder ergänzende Element besitzen. Das ist etwas wirklich Besonderes.“ Tom sieht uns bewundernd und auch etwas neidisch an, aber in seinen Augen ist noch ein Ausdruck, den ich nicht so ganz deuten kann. „Die Letzten, die dieses Zweitelement besaßen sind vor 12 Jahren verschwunden. Man sagt sich, dass ihre Kraft so groß war, dass sie sich in Form von Elementargeistern materialisieren konnte.“ „Du meinst wie mein Luchs Mai?“ Elly zeigt auf ihre Schulter, wo sich eben diese niedergelassen hat. „Was denn für ein Luchs?“ Tom sieht total verwirrt aus. Er scheint die faustgroßen Tiergeister nicht sehen zu können. „Du meinst, du kannst die zehn umherschwebenden durchscheinenden Tiere nicht sehen, die die ganze Zeit um unsere Köpfe schweben? Wirklich nicht?!“ Dan guckt erstaunt Jacks Bruder an. „Nein kann ich wirklich nicht, aber dass ihr sie untereinander sehen könnt ist wirklich interessant.“ Mit einem Mal ganz Ernst sieht er uns alle ganz eindringlich an. „Tut mir bitte einen Gefallen, ja? Es ist momentan nicht besonders ratsam besondere Fähigkeiten zu haben, also behaltet das für euch, okay? Sagt keinem, dass ihr ein Zweitelement oder diese Tierchen besitzt, nicht mal euren Eltern, habt ihr verstanden?“ Wir alle nicken brav, obwohl ich mich ein wenig überrumpelt fühle, warum soll das denn niemand wissen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)