Casino Wonderland von Mothgirl (Between midnight and tomorrow) ================================================================================ Prolog: Zeit ------------ "Zeit. Was ist eigentlich Zeit? Ist es der Fluss, der unter unserem Boot fließt? Oder ist es das Ding, das uns voran zerrt? Immer wieder höre ich Leute sagen, sie brauchen mehr Zeit. Dabei denke ich es ist die Zeit, die uns braucht. Ohne Menschen gäbe es keine Uhren, ohne Uhren gäbe es keine Zeit. Oh, wusstest du das nicht? Doch, es ist eigentlich ganz logisch. Wenn man etwas weder sehen, noch hören, noch schmecken oder riechen oder fühlen kann das existiert es nicht. Simpel, ich weiß. Nur durch die Uhren existiert Zeit überhaupt, durch Uhren können wir sie sehen und hören. Sie ist wahrnehmbar. Sie sollte dankbar sein, die Zeit. Ich bin mir sicher das ist sie auch, schließlich gab sie uns allen ein wenig von sich selbst. Jeder besitzt ein kleines bisschen Zeit, welches wir wieder zurück geben müssen. Sandkorn für Sandkorn, nie mehr als eine Sekunde zugleich. Außer du, natürlich, du gibst sie mir" Der Raum war nicht hell, doch auch nicht sehr dunkel. Was wohl keine große Rolle spielen würde, der weiße Anzug des Spielers würde wohl auch noch in finsterster Nacht hell strahlen. Nicht ein einziger Fleck war darauf zu sehen, nicht einmal ein Haar verdarb den Anblick des reinen Stoffes, als wäre er aus der Sonne selbst gewoben. Sonnenstrahlen, ein seltsames Konzept an einem Ort wie diesem. Niemand wusste ob es in dieser Welt überhaupt eine Sonne gab, doch wahrscheinlich was es nicht. Es gab nicht einmal Fenster im Haus, Fenster die die Welt da draußen zeigten. Man brauchte sie einfach nicht. Die Welt, meine ich. Fenster an sich sind höchst nützlich, so kann man sich daran zum Beispiel die Finger kühlen wenn man sie sich verbrennt oder die Wange an das kühle Glas legen wenn man an jemanden denkt der einem viel bedeutet. Hin und wieder nehme ich mir ein Fenster, einfach nur um nicht zu vergessen wie sie aussehen. Sie sind nicht sehr schön anzusehen, sehr durchschaubar, aber das ist mir nicht so wichtig. Ich habe nichts gegen Fenster, das wollte ich nur sagen. Ich mag sie sogar sehr gerne. Doch das ist auch gar nicht der Punkt. Ach, es ist manchmal so schwer den Punkt zu finden. Hier im Haus verliert man leicht den Faden, so leicht das ich allmählich besorgt bin das mir alle Fäden ausgehen. Ich habe gehört das der Herzbube ein Funbüro für verlorene Fäden aufmachen will, vorne im Foyer, doch ich glaube das ist vergeudete Zeit. Wenn ich meinen Faden schon nicht selbst finden kann, wie soll es dann jemand anders schaffen? Wie dem auch sei, genug von dem Geschwaffel. Oder besser gesagt, beginnen wir mit dem anderen Geschwaffel. Ich mag das Wort, Geschwaffel. Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Hier, jetzt, wo immer und wann immer das auch ist. Eine Geschichte über das Haus, über die Menschen und über die Träume die sie her führen. Verlorene, gefundene und erneut verlorene Dinge. Über rechtschaffene und nicht rechtschaffene Rache, über Spielkarten und Würfel, über die Dinge die man sucht obwohl sie direkt vor der eigenen Nase sind oder jene die man niemals finden wird. Darüber, wie viel dir etwas bedeutet wenn es verschwunden ist. Und natürlich über Zeit, jene die uns gegeben ist und jene die wir uns nehmen um sie mit anderen zu teilen. Denn manchmal, ganz selten, hat man selbst nicht genug Zeit. Manchmal reicht alle Zeit der Welt nicht, um einen Moment so zu würdigen wie er es verdient. Doch es reicht ein Fingerhut an Zeit, um alles zu verändern. Also, wenn du die Zeit erübrigen kannst, dann setz dich hin und höre zu. Ob es sich für dich lohnt, das erfährst du wenn ich deine Zeit bereits gestohlen habe. Ach, da ist er ja. Mein Faden. Böser Bursche du, das du mir nicht nochmal abhanden kommst. Zumindest nicht bis Kapitel 2. Schließlich muss ich einen guten Eindruck machen, die Leser kennen mich doch noch nicht. Wie dem auch sei, ich weiß wieder wo wir waren. Wir waren bei dem Spieler im weißen Anzug, im Gespräch mit dem toten Mann mit den Händen voller Spielkarten. Genau, da, er erhebt sich und nimmt dem vertrockneten Leichnam die Karten ab um sie zu mischen. Als hätte er alle Zeit der Welt ließ er sie zwischen seinen schlanken Fingern hin und her schnippen, ehe er sie wieder in die Tasche seines Jackets aus Sonnenstrahlen steckte. Er hatte nicht alle Zeit der Welt, noch nicht, doch definitv mehr als vorhin. Seltsam, nicht wahr? Der Spieler hatte Zeit gewonnen, denn dieser Spieler im weißen Anzug gewann immer. "Keine Zeit, keine Zeit. Du hast keine Zeit mehr. Doch sei unbesorgt, toter Mann, ich werde deine Zeit gut nutzen" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)