Seelenkrank von MarryDeLioncourt ================================================================================ Kapitel 29: Fabi, ein neues Familienmitglied -------------------------------------------- Mit meiner Band ging es wieder aufwärts. Das einzige Problem war jedoch immer noch der Keyboarder. Lena hatte sich von ihrem Bruder lernen lassen, wie man Bass spielt, echt ein großer Fortschritt und sie passte unwahrscheinlich gut in diese Rolle. Ich war gerade von der Arbeit nach Hause gekommen, als es auf einmal an der Tür klingelte. Ich hoffte insgeheim, es wäre Juka, doch als ich öffnete, schaute ich in die Augen eines Jungen. Er war etwa 1,70 groß, hatte schwarze Haare, trug schwarze Klamotten und ich schätzte ihn auf ungefähr sechzehn Jahre. „Hy. Ist Johanna da?" „Nein, aber sie müsste jeden Moment hier auftauchen. Du kannst so lange warten. Möchtest du etwas Trinken oder so?" Er schüttelte mit dem Kopf und ich führte ihn hinauf ins Wohnzimmer. Dann bot ich ihm eine Zigarette an, die er dankend annahm. „Du bist Fabian oder?" „Ja und du Lukas?" Ich runzelte die Stirn. „Woher kennst du meinen Namen?" Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Naja, ich war auch bei eurem Konzert am Wochenende und da hat mir Jojo erzählt, dass du ihr Bruder bist. Ihr seid übrigens 'ne echt tolle Band. Eigentlich stehe ich ja eher auf Batcave, aber eure Musik ist auch gut!" Batcave, das war nicht übel und mir war Fabian ganz sympathisch. Hoffentlich steckte er meine Schwester mit seinem Batcavefieber an. „Wie alt bist du?" „Ich, ähm sechzehn. Mach dieses Jahr diesen komischen zehnten Klasse Abschluss. Da habe ich gar keine Lust drauf. Sag mal, ihr hattet doch auch mal 'nen Keyboarder? Wo war der denn am Samstag?" Ich seufzte. „Den hab ich aus der Band geschmissen, obwohl wir ihn dringend gebraucht hätten. Naja, jetzt sind wir auf der Suche nach 'nem neuen Mann, aber das ist ganz schön schwierig." Ich lehnte mich zurück und zündete mir eine neue Zigarette an. „Wie gut seid ihr denn im Umgang mit euren Instrumenten?" Ich lächelte Fabian zu. „Also wir haben eigentlich alle voll Talent. Basti ist der beste und lauteste Schlagzeuger, den ich kenne. Als kleiner Junge brachte er sich das Spielen selbst bei, dann nahm er Schlagzeugunterricht, jedoch nicht sehr lange, weil ihm sein Lehrer nicht mehr sonderlich viel beibringen konnte. Er war einfach zu gut. Flo und Lena nehmen ihre Arbeit sehr ernst, könnten aber manchmal besser sein, zumindest bei den Proben. Ich spiele selten Gitarre, nur manchmal, damit ich es nicht verlerne. Mein eigentliches Element ist ja das Singen sowie das Schreiben von Texten und das ist einfach mein Leben. Ich nehme die Sache sehr ernst und bin auch oft sehr gewissenhaft." Die kindlichen Augen von Fabian blickten mich neugierig an. „Und warum ist der eine von euch Samstag erst so spät gekommen?" „Ach, wir hatten uns vorher ganz schön am Arsch. Aber letztendlich hat er mich doch nicht im Stich gelassen. Ich war echt gerührt." In diesem Moment platzte meine Schwester herein und strahlte wie ein kleiner Honigkuchen bis über beide Wangen. „Ihr zwei scheint euch ja super zu verstehen!" Ich grinste ebenfalls. Nach dem Wochenende fühlte sich mein Liebster wieder besser und ich fragte ihn, ob er Freitag mit ins Underground kommen wolle. Natürlich wollte er das und ich fühlte mich immer toller mit Juka an meiner Seite. Da ich gut gelaunt war, trank ich auch ganz schön viel und nach dem Bier, in Kombination mit der Zigarette ging es mir schlecht und ich hockte mich auf die gammlige Holzbank vor dem Club. In meinem Magen rumorte es und in meinem Kopf drehte sich alles. Auch, als mir kalt wurde, wollte ich nicht rein gehen, weil die stickige Discoluft alles noch viel schlimmer machte. Immer wieder schaute ich auf mein Handy, wie lange ich hier schon saß und nach etwa zwanzig Minuten bewegte ich mich noch immer leicht schwankend wieder ins Warme. „Na mein kleiner Trunkenbold“, neckte mich Juka. „Ich trink nie wieder Alkohol und schon gar keinen Wodka.“ Juka lachte mich aus und dafür boxte ich ihn gegen den Arm. „Willst du nach Hause?“, fragte er dann. Ich nickte nur und mein Freund half mir in den Mantel. Auf dem Weg in Jukas Wohnung ließ mein Rausch allmählich nach. „Du hast mal gesagt, dass ich mehr eigenes in meine Musik einbringen soll…findest du, dass ist mir gelungen?“ Er schaute etwas nachdenklich und lächelte. „Ja, aber ich denke du kannst noch mehr. Bei euch fehlt mir noch ein bisschen die Harmonie zwischen Musik und Gesang. Ihr solltet mehr zusammen spielen…du bist ein wundervoller Sänger, aber du ziehst zu sehr dein eigenes Ding durch.“ „Vielleicht sollte ich mir das doch aus dem Kopf schlagen.“ „Nein, solltest du nicht. Man ist nicht immer von Anfang an super. Bis zum Erfolg ist es ein langer Weg und in dir steckt großes Potenzial. Es wäre dumm, wenn du aufgibst.“ „Sprichst du jetzt als mein zukünftiger Produzent oder als mein Freund?“ Juka lächelte verschmitzt. „Beides. Ich möchte dir etwas zeigen.“ Er erhob sich und suchte wahrscheinlich eine CD in dem Regal und legte sie dann in die Anlage. Es war eine Mischung aus Rock und Gothic und der Text auf Japanisch. Von dieser Musik ging ein magischer Zauber aus und hier harmonierten Sänger und Band, besser als ich es je gehört hatte. Mich faszinierte diese wundervolle, klare Stimme. Juka kam wieder zu mir. „Wenn du soweit oben bist, kannst du von dir behaupten, dass du gut bist.“ „Wer ist das?“ Juka lächelte traurig. „Das war meine Band.“ Erstaunt sah ich ihn an. „Warum war?“ Er seufzte und zum ersten Mal seit unserer Beziehung sah ich meinen Liebsten unglücklich. „Meine Stimme versagte irgendwann und es hatten sich sogenannte Sängerknötchen gebildet. Ich musste mich einer Operation und einer anschließenden Stimmtherapie unterziehen. Seitdem habe ich nie mehr gesungen.“ „Aber hast du nie mehr daran gedacht wieder zu singen? Ich meine wer soviel Talent besitzt.“ „Ich habe einfach angst, dass sowas nochmal passieren könnte.“ Lange schauten wir uns schweigend an. „Und, wenn ich mir wünsche, dass du es probierst?“ „Vielleicht…gib mir noch ein bisschen Zeit. Aber jetzt Mal zu dir…du warst vorhin etwas verärgert?“ Ich zuckte nur mit den Schultern. Juka ging ins Badezimmer und ließ Wasser in die Wanne ein. „Meine Schwester wird jetzt langsam ein bisschen eigen und hat mich enttäuscht. Hat in meiner Wohnung ne Party gefeiert, da war ich echt sauer. Naja…und ich hab ihr eine geknallt.“ „Deiner Schwester? Harte Erziehungsmaßnahmen?“ „Sie wird jetzt eben ein aufmüpfiger Teenie und denkt, bei mir kann sie machen was sie will.“ Juka stieg in die Badewanne und ein Blick reichte um zu wissen was er dachte. Ich musste grinsen da ich mich ohnehin durchgefroren fühlte, ließ ich mich zu meinem Liebsten in das warme Wasser gleiten. Nach dem Sex in der Badewanne war das halbe Bad geflutet und wir wischten es zusammen auf. Dann kuschelten wir uns ins Bett und schauten noch ein bisschen Fernsehen. „Hast du eigentlich Lust Weihnachten mit nach Tokio zu kommen?“ Ich überlegte eine Weile, allerdings war der Gedanke verlockend. Einmal ganz weit weg von all dem Chaos hier und eine andere Welt und eine andere Kultur kennenlernen. „Wie feiert ihr Weihnachten?“ Juka lachte. „Eigentlich haben die Japaner dieses Fest übernommen und es wird ein bisschen wie Weihnachten in den USA gefeiert, mit viel Kitsch eben. Aber ein offizieller Feiertag ist nur der 23. Dezember, denn an diesem Tag hat unser Kaiser Akihito Geburtstag. An den anderen Tagen danach, die bei euch als Feiertage gelten, wird in Japan gearbeitet und dann folgt die Neujahrsfeier. Da ist wieder frei.“ „Wenn da noch alles glitzert und blinkt bekomme ich doch den Kulturschock meines Lebens.“ „Da gewöhnt man sich schnell dran und man mag Tokio oder eben nicht. Wenn du dort geboren wärst, würdest du die Stadt bestimmt mögen. Wenigstens einmal in deinem Leben musst du dort gewesen sein.“ „Na dann habe ich ja jetzt die Chance meines Lebens. Wie ist es eigentlich, wenn man so weit von seiner Familie getrennt lebt?“ „Naja, am Anfang war es nicht ganz leicht, aber man gewöhnt sich dran. Immerhin lebe ich jetzt schon seit fünf Jahren in Deutschland. Ich telefoniere jede Woche mit meiner Family und sie würden sich freuen dich kennenzulernen.“ „Aha…hast du noch Geschwister?“ „Eine jüngere Schwestern und zwei ältere Brüder. Ich bin sozusagen die goldene Mitte.“ „Okay, ich überlege es mir. Ich glaube mein Dad würde dich auch gern mal kennenlernen. Der Junge, der mein Liebesleben völlig auf den Kopf gestellt hat.“ Wieder setzte Juka dieses verschmitzte Lächeln auf, das ich so sehr mochte. Ich wuschelte ihm durch seine weißblonden Haare. Das mochte er nicht sonderlich gerne, aber ich hatte gerade Lust ihn zu ärgern. Als Rache kitzelte er mich durch und ich konnte mich nicht mal richtig wehren, weil er mit seiner ganzen Größe auf mir lag. Dann lächelte er mich triumphierend an. „Hat man dir nie beigebracht, dass du dich nicht mit größeren anlegen sollst.“ „Nein hat man nicht und Herausforderungen waren schon immer meine Spezialität.“ Weil es bereits sechs Uhr morgens war, beschlossen wir zu schlafen. Ich erwachte mit mörderischen Kopfschmerzen und zog mir die Decke über den Kopf um mich vor dem grellen Tageslicht zu schützen. Juka setzte sich auf das Bett und zog mir vorsichtig die Decke weg. „Ich glaube eine Kopfschmerztablette hilft.“ Ich trank das Glas in einem Zug leer. „Oh Mann, ich trink wirklich nie mehr Alkohol.“ „Ich erinnere dich bei der nächsten Party daran“, lachte Juka. „Wie spät ist es?“, fragte ich. „Um eins.“ Naja, das war noch okay. Heute war ohnehin Sonntag und ich ließ mich wieder in die Kissen sinken. In meinem Kopf hämmerte es immer noch und ich schloss die Augen. Ich beobachtete Juka in seiner Küchenecke. Leider hatte er sich schon angezogen und auch ich schlüpfte in meine Hose und legte meine Arme von hinten um ihn. Mit den Händen berührte ich eher ungewollt seinen nackten Bauch. Juka drehte sich zu mir um und küsste mich. „Würdest mich eigentlich auch noch toll finden, wenn ich eine Brille tragen müsste.“ Ich kicherte und nickte. „Vielen steht das ja. Warum brauchst du eine?“ „Hab ich schon.“ „Zeigen!“, forderte ich ihn auf. Daraufhin griff er in eine Schublade und holte das Brillenetui heraus. Wie in Zeitlupe schob er sich das Drahtgestell auf die Nase, doch da die Gläser keinen Rand hatten, wirkte die Brille sehr schlicht und eher unauffällig. Ich musste trotzdem grinsen und ich musste feststellen, dass Juka auch mit Brille unwahrscheinlich sexy war. Ich hielt meinen Daumen anerkennend hoch. „Wann musst du die denn tragen?“ „Nur zum Autofahren und eigentlich beim Lesen, aber dafür bin ich zu eitel.“ „Tja…wegen der Brille verlasse ich dich sicher nicht.“ Mein Entschluss, mit Juka in Japan Weihnachten zu feiern, gefiel meinem Dad zwar nicht so gut, aber er akzeptierte es. Wir wollten am 23. Dezember fliegen und würden etwa 18 Stunden unterwegs sein. Ich war noch nie so weit geflogen. Doch es kam am Wochenende vor Weihnachten alles anders. Juka wollte schon eher fliegen, weil man bei seinem Papa Krebs festgestellt hatte und dieser nun im Krankenhaus lag. Ich sollte dann mit Flo und Kami zwei Tage später, also wie geplant in den Flieger steigen. Im Flugzeug saß ich am Fenster und sah meine Stadt unter mir immer kleiner werden. Ich bestellte ein Wasser und las ein Buch oder hörte Musik. Dann schlief ich für eine Weile ein und blätterte in einer Zeitschrift, die vor mir in dem Netz steckte. Es war irgendeine dieser dummen Frauenmagazine, in denen es immer nur um Fashion, Fitness und Beauty ging. Genervt steckte ich sie wieder weg und fiel wieder in einen leichten Schlaf. Endlich kündigte die Stewardess die Landung in Tokio an. Mit meinem Rollkoffer folgte ich Flo und Kami zum Ausgang. Juka wollte mich abholen. Ich war überwältigt von diesen vielen Lichtern und den hohen Wolkenkratzern. Mein Blick schweifte über den Parkplatz und da erspähte ich Juka auch schon. Er sah ziemlich fertig aus und versuchte dennoch zu lächeln. Ich traute mich nicht nachzufragen, wie es seinem Papa ging. Ich wusste, dass er im Stadtteil Minato lebte. Der Verkehr war wahnsinnig, ich würde mich wahrscheinlich nicht zurecht finden. In der Wohnung begrüßten mich Jukas Mutter und seine Schwester Sayuri. Sie konnten ein bisschen Englisch. Jukas Brüder waren noch im Krankenhaus und dann fragte ich doch, wie es seinem Papa ging. „Naja, sie wollen ihn operieren…nach den Röntgenaufnahmen konnten sie nur einen Tumor feststellen.“ Ich kam mir irgendwie so fehl am Platz vor. Weihnachten feierten wir trotzdem und es gab japanische Spezialitäten. Doch ich hatte das Gefühl, dass sich Juka immer mehr verschloss und mir in Sachen Gefühle regelrecht aus dem Weg ging. Er redete nicht mit mir und schließlich trat ich einen Tag vor Silvester den Heimflug an. Ich war nicht mal wütend aber enttäuscht. Wochenlang hatte ich mich darauf gefreut und jetzt? Aber immer wieder rief ich mir ins Gedächtnis, dass er sich in einer sehr misslichen Lage befand. Ich hatte aber auch Angst ihn zu verlieren. Silvester verbrachte ich dann mit Basti und Danielle im Underground. Später sprengte auch meine liebste Freundin Jule die Party und trotz Bastis warnender Blicke ließ ich passieren, was passierte. Alkohol, Drogen und jede Menge Gedächtnislücken am nächsten Tag. Ich erfuhr von Kami, dass Juka wieder in Berlin war und es verletzte mich, dass er nichts hatte von sich hören lassen. Warum mussten solche Dinge immer passieren, wenn ich gerade auch an der Arbeit voll im Stress war? Meine Konzentration war bei null. Nach einigen Tagen des Zögerns klingelte ich bei ihm. Es brach mir das Herz ihn so traurig zu sehen und dann stellte er mich gleich vor vollendete Tatsachen. „Lukas, ich kann das im Moment nicht. Ich hab so mit mir und meiner Familie zu tun, dass ich keine Beziehung führen kann.“ Das traf mich wie ein Schlag und ich rang nach Worten. „Aber…ich könnte doch trotzdem für dich da sein! Ich kann das nicht so einfach beenden und erzähl mir nicht, dass es dir leicht fällt.“ „Vielleicht nicht…aber ich glaube es ist besser so…im Moment zumindest. In einer Stunde geht mein Flug nach Tokio. Ich wünsche dir alles Gute.“ Mein Magen verkrampfte sich und alles um mich herum drehte sich, als ob mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Juka schaute mich mit diesen tottraurigen Augen an und ich verließ ihn. Ich wollte das alles nicht wahrhaben. Auf dem Weg nach Hause kaufte ich mir Zigaretten. Manchmal hasst man eben das, was man liebt singt Graf von Krolock im Tanz der Vampire und ich konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder eine Beziehung führen zu können. So fühlte es sich also an, wenn einem das Herz gebrochen wurde. Beim Abendessen fragte mich Jojo, wann Juka mal wieder zu uns kommen würde. Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. „Nie mehr“, gab ich gereizt zur Antwort und das reichte ihr, um weitere Fragen zu unterdrücken. Erst, als ich alleine in meinem Wohnzimmer kauerte wurde mir bewusst, was es bedeutete Juka nicht mehr zu haben. Er hatte mir die glücklichsten Momente in meinem Leben geschenkt und jetzt sollte das alles einfach vorbei sein? Ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen traten und rauchte eine Zigarette. Dann holte ich mir aus dem Kühlschrank ein kühles Bier. Lernen konnte ich heute sowieso nicht mehr. Ich versuchte Juka auf dem Handy zu erreichen, doch er ging nicht ran und, als ich es später nochmal versuchte, erklang die freundliche Stimme des Anrufbeantworters in meinem Ohr. Wütend feuerte ich mein Handy in die Ecke, sodass es in tausend Teile zersprang. Basti kam vorbei und fragte, ob ich Lust hatte mit Danielle und ihm ins Kino zu kommen, doch ich lehnte ab. „Du machst nicht gerade den Eindruck als ob es dir gut geht. Kann ich kurz mit hochkommen?“ Ich nickte. „Ist was mit Juka?“, fragte er besorgt. „Nichts mehr ist mit Juka, das ist das Schlimme und ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.“ „Was? Ich dachte immer es läuft so toll zwischen euch.“ „War es ja auch, aber er hat ja grad ziemlich mit seinen eigenen Problemen zu tun und deshalb hat er mit mir Schluss gemacht. Aber ich kann das nich so einfach hinnehmen.“ „Na dann tue was dagegen…“ „Was denn? Etwa nach Tokio fliegen und ihm sagen, dass ich ihn liebe?“ Basti grinste mich verschmitzt an. „Zum Beispiel. Einen Tag hin und eine zurück.“ Jetzt kam ich ins Grübeln, aber ich musste feststellen, dass die Idee gar nicht mal so übel war. Damit konnte ich ihm immerhin beweisen, wie viel er mir bedeutete. Ich sprang auf und packte nur einen Rucksack mit den Wichtigsten Sachen zusammen und rief bei der Reisegesellschaft an. Es war möglich heute noch zu fliegen und zwei Tage später zurück. Mein Dad zeigte mir einen Vogel und hielt mich wahrscheinlich für total durch geknallt, aber das war mir egal. Basti fuhr mich zum Flughafen. Da ich die letzten zwei Tage kaum Schlaf gefunden hatte, konnte ich im Flugzeug umso besser schlafen und erst kurz vor der Landung erwachte ich. Ich hatte mir eine Stadtkarte besorgt und ich wusste auch noch, wie die Straße hieß, in der Juka wohnte. Ein letztes Mal versuchte ich ihn auf dem Handy zu erreichen, doch vergeblich. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch fuhr ich mit dem Taxi zu der Wohnung. Ich drückte dem Fahrer einfach einen Schein in die Hand und sagte auf Englisch, dass er den Rest behalten könnte. Auf einmal wurde mir ganz schlecht. Aus dem Fenster der Wohnung schien noch Licht und ich klingelte. Mit Händen und Füßen versuchte ich der Stimme aus der Sprechanlage zu erklären, dass ich Juka suche. Wenig später summte die Tür und ich trabte die Treppen empor. Jukas Schwester erkannte mich wieder und begrüßte mich freundlich. Mit gebrochenem Englisch sagte sie mir, dass Juka mit ihrer Mutter noch im Krankenhaus sei. „Wie geht es eurem Papa?“, fragte ich Sayuri. Sie lächelte traurig. „Nicht so gut. Sie wollten ihn ja operieren, aber der Tumor sitzt an einer Stelle, wo sie sich nicht ran trauen, deshalb muss er erst mal eine Bestrahlung bekommen, damit der Tumor eventuell kleiner wird. Möchtest du was trinken?“ Ich schüttelte den Kopf und dann kam Juka mit seiner Mum. Er staunte nicht schlecht, als er mich im Wohnzimmer sitzen sah und schaute mich lange an. Ich bekam wieder dieses mulmige Gefühl und wollte am liebsten aufspringen und wegrennen, doch dann setzte sich Juka neben mich und nahm mich in die Arme. „Du bist verrückt“, flüsterte er mir ins Ohr und lächelte sogar ein bisschen. „Vielleicht…ich weiß, es ist sicher gerade ungünstig, aber können wir irgendwo ungestört reden?“ Juka schickte seine Mum und Sayuri in die Küche und schenkte sich ein Glas Wasser ein. „Ich weiß nicht, wie ernst deine Entscheidung war, aber ich habe beschlossen, dass ich dich nicht so einfach gehen lasse. Du bedeutest mir zu viel und vergessen kann ich dich schon gar nicht. Du bist der wundervollste Mensch, dem ich jemals begegnet bin und ich will in einer solchen schwierigen Situation für dich da sein, auch wenn tausende von Kilometern zwischen uns liegen. Und wenn ich in deine Augen schaue, glaube ich dir nicht, dass ich dir nichts mehr bedeute. Ich fände es noch akzeptabel, wenn du sagen würdest, dass du im Moment ein bisschen Abstand brauchst….aber bitte gib unsere Beziehung nicht ganz auf, denn…denn das verkrafte ich…nicht.“ Meine Stimme wurde mit jedem Wort leiser. Lange schauten mich seine wundervollen blauen Augen an und sein schwaches Lächeln wurde breiter. „Bist du jetzt wirklich soweit hierher gereist, um mir das zu sagen?“ „Am Telefon konnte ich es dir ja nicht sagen, weil mich da nur dein Anrufbeantworter empfangen hat. Aber ja, ich bin nur deshalb zu dir gekommen…meinetwegen kannst du auch noch darüber nachdenken, übermorgen früh muss ich ohnehin zurück. Mir war es wichtig, dass du das weißt.“ Juka seufzte und lehnte seinen Kopf gegen die Wand. Dann sah er mich wieder an. „Mein Papa würde dich gern mal kennenlernen…ich habe ihm viel von dir erzählt. Als ich ihm beschrieben habe, wie du aussiehst, meinte er, dass du gut in das verrückte Tokio passen würdest. Begleitest du mich morgen früh ins Krankenhaus?“ „Sicher.“ Jukas Mum brachte uns noch ein paar Nudeln. Die kamen mir gerade recht, denn seit heute morgen hatte ich keine feste Nahrung mehr zu mir genommen. Doch jetzt war dieses blöde Gefühl im Magen verschwunden und ich wusste, dass ich das richtige getan hatte. Jukas Papa war in einem Einzelzimmer untergebracht, dass ein großes Fenster hatte und somit viel Licht hineinschien. Sein Gesicht war blass und unter seinen Augen zeichneten sich leichte Ringe ab, aber er lächelte, als wir das Zimmer betraten. Juka musste immer übersetzen, da sein Papa nur japanisch sprach. Er redete auch nicht viel und schlummerte ab uns zu ein. Juka nahm seine Hand und ich sah, wie er ihn mit glasigen Augen ansah. Ein Arzt stieß zu uns und teilte uns mit, dass der Tumor durch die Bestrahlung geschrumpft sei, doch eine Operation wäre trotzdem gefährlich. „Könnten Sie es nicht versuchen?“, fragte Juka. „Wir haben einen Spezialisten auf diesem Gebiet, aber Ihr Vater müsste uns auch zustimmen. Ohne sein Einverständnis führen wir diesen Eingriff nicht durch.“ „Dann fragen Sie ihn bitte.“ Der Arzt nickte. Juka fuhr mich noch zum Flughafen und zum Abschied lagen wir uns lange in den Armen. Dann gab er mir einen Kuss. „Danke, dass du da warst. Ich denke ich einer Woche werde ich wieder in zurück sein.“ „Versprichst du dich zu melden?“ Er nickte. Der Flug verlief ruhig und ich landete wieder sicher zu Haue. Es verging mehr als eine Woche und immer noch kein Lebenszeichen von Juka, doch diesmal meldete ich mich auch nicht. Erneut plagten mich Zweifel und langsam schien mein Verstand mit mir durchzudrehen. Ich hatte meinen Pegel von einer halben Schachtel Zigaretten am Tag wieder erreicht. Immer, wenn ich an Juka dachte, wollte ich schreien oder gegen etwas schlagen, um die Emotionen endlich raus zulassen Am Wochenende wollten Basti, Flo und die Mädels ins Underground. Es war sogar ausnahmsweise mal ganz amüsant. Danach ging ich noch mit zu Flo und Kami. Die anderen drei wollten nach Hause. Wir köpften noch eine Flasche Champagner und spielten sinnlose Spiele. Einer begann einen Satz und die anderen mussten ihn irgendwie vollenden. Die Wochen wollten nicht vergehen und das machte mich fast wahnsinnig. In der Schule musste ich zwei Arbeiten nachschreiben, die ich während meinem Kurztrip nach Tokio versäumt hatte und ich war mir fast zu Hundertprozent sicher, dass ich die in den Sand setzen würde, denn in meinem Kopf schwirrte nur Juka umher. Ich verfluchte ihn. Was hatte ich ihm nur getan, dass er mich so ignorierte? Ich erfuhr von Kami, dass Juka in Tokio die eine oder andere Affäre gehabt hatte und das machte mich noch wütender auf ihn. Liebte er mich wirklich noch? Wenn ich nachts aufwachte und nicht mehr einschlafen konnte, schrieb ich ewig lang das nieder, was mir gerade durch den Kopf ging. Das Ergebnis davon war entweder ein brauchbarer Songtext oder schnulziges Liebesgelaber. Seit Tagen hatte ich schon nicht mehr richtig gelacht, sodass meine Lachmuskeln allmählich einfroren und meine Laune immer mieser wurde, außer bei den Bandproben. Ich fand ohnehin, dass unsere Musik ausdrucksstarker denn je war und Kami konnte uns sogar einen Auftritt im Underground organisieren. All meine Gefühle hatte ich in Texte umgesetzt und begeisterte damit die Zuschauer und ich hasste mich dafür, dass ich gerade in dem Moment zur Eingangstür schaute, als Juka den Club betrat. Es machte mich rasend vor Wut, wenn ich daran dachte, dass er mich betrogen hatte, auch wenn ich nicht wusste, ob wir überhaupt noch zusammen waren. Nach dem Abschied am Flughafen hatte ich zumindest wieder gedacht, wir liebten uns, doch jetzt? Nach dem Konzert ging ich raus eine rauchen. Natürlich kam er später nach, doch ich ignorierte ihn. Mein Verstand schien Amok zu laufen, als mich seine blauen Augen fast durchbohrten. „Können wir reden?“ „Ich wüsste nicht über was“, antwortete ich kühl. „Über alles…und…wie es mit uns weitergehen soll.“ Ich lachte bitter. „Naja, du scheinst dich ja doch ganz gut amüsiert zu haben…mir gaukelst du vor, du könntest keine Beziehung führen und ich Blödmann kaufe dir das ab…und dann vögelst du dich in Tokio durch.“ Juka gefiel nicht, was ich sagte. „Lukas, bitte…ich weiß ich habe Mist gebaut, aber ich habe auch viel darüber nachgedacht und ich liebe dich…nur dich.“ „Ach ja? Das kannst du so leichtfertig sagen…hast du auch daran gedacht, als du mit nem anderen Typen rumgemacht hast?“, schrie ich ihn fast an. „Erst danach ist mir das wirklich klar geworden…weißt du ich habe den Glaube, dass mein Papa gerettet werden würde, fast verloren und dann kam die Nachricht so plötzlich, dass die Operation gut verlief…da hab ich irgendwie die Kontrolle verloren, weil ich mich so gefreut habe….und ich bin eben noch mit meinem Bruder was Trinken gegangen…da ist es eben passiert, aber es hatte nichts zu bedeuten…“ Ich schwieg und zog an meiner Zigarette. „Ich Idiot bin noch nach Tokio geflogen, weil ich dich sehen wollte und dann das…das ist wie…ich weiß nicht…nichts könnte ich damit vergleichen. Ich dachte ich könnte dir vertrauen.“ „Liebst du mich noch?“, fragte Juka nach einer Weile. „Ja natürlich oder glaubst DU verdammt noch mal, das ist von heute auf morgen einfach weg?“, fuhr ich ihn an. Ich hasste ihn, weil er das bauchfreie Oberteil unter dem Jackett trug und, weil er heute so verdammt toll aussah. Ich wollte ihm ja verzeihen, aber erst wollte ich eine Gegenleistung. Ich seufzte tief. „Falls ich dir genauso viel bedeute wie du mir, musst du mir das irgendwie beweisen…aber nicht durch dumme Geschenke, nein, ich will nichts Materielles, sondern etwas, das von dir kommt.“ Ich hatte da schon so meine Vorstellungen, doch ich glaubte nicht mal im Traum daran, dass Juka diese Opfer für mich bringen würde. „Gut…ich beweise es dir…erlaubst du uns zwischendurch miteinander zu reden oder willst du mir aus dem Weg gehen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Dir aus dem Weg zu gehen….“ Er schien zu begreifen, dass ich das ernst meinte und willigte mürrisch ein. Ich gab mir an diesem Abend wieder mal die Kante. Das Getuschel von Juka und Kami nervte mich, deshalb verzog ich mich an die Bar. Basti setzte sich neben mich und bestellte noch zwei Bier für uns. „Hast du mal schnell irgendwas, wo ich drauf schlagen kann?“ „Vor dir ist ne Bar mit vielen Flaschen. Könnte zwar der eine oder andere Glassplitter in deiner Hand stecken bleiben, aber hilft vielleicht.“ Mit hochgezogenen Augenbraunen warf ich meinem Freund einen verwirrten Blick zu. „Wie bist du denn drauf? Da könnte man ja fast vermuten, du hast Beziehungsstress.“ Er zuckte nur mit den Schultern und erst jetzt merkte ich, dass mit ihm wirklich was nicht zu stimmen schien. Ich hatte in meinem Selbstmitleid gar nicht bemerkt, dass es meinen Freunden um mich auch schlecht gehen konnte. „Magst du drüber reden?“, fragte ich. „Ist nicht so wild, wie du denkst…sie hatte ne Affäre mit nem Mädel, aber das zählt bei mir auch als betrügen. Wir haben uns auch schon ausgesprochen und wieder versöhnt, aber sauer bin ich trotzdem noch.“ „Mh, da geht’s den Menschen wie den Leuten…bei mir isses ja dasselbe in grün. Allerdings war ich nicht so gnädig. Ich lass den Guten jetzt erstmal zappeln.“ Basti lachte und knuffte mich in die Seite. „Du kannst so schön fies sein.“ Ich zuckte nur mit den Schultern und ging mit Basti eine rauchen. Juka ließ ich für den Rest des Abends links liegen. Doch als er mich beim Verabschieden umarmte, wurde ich fast schwach. Er küsste mich auf die Wange und verschwand in der Dunkelheit. Kurze Zeit später kratzte ich auch die Kurve, da ohnehin niemand mehr da war, den ich interessant fand. Es fing an zu schneien und ich machte einen kleinen Umweg. Unerwartet verlief mein Weg über die Brücke, auf der ich mit Juka oft gestanden und geredet hatte. Damals waren wir noch Freunde gewesen. Ich vermisste ihn so sehr und diese dumme Ungewissheit trieb mir die Tränen in die Augen. Was war, wenn er sich doch anders entschied und mich gar nicht zurückhaben wollte? Jemand, der einmal das Vertrauen brach, konnte das auch immer wieder tun und Juka hatte leichtes Spiel, denn mit seinem Aussehen fiel es ihm nicht schwer einen anderen zu finden. Ich trat vor Wut gegen den Pfeiler an der Brücke, bis er umknickte und von Schnee bedeckt wurde. Zu Hause empfing mich eine dunkle Wohnung. Jetzt war genau das eingetreten, wovor ich mich gefürchtet hatte. Warum musste Liebe nur immer so schmerzhaft sein? Ich schaute noch ein bisschen Fernsehen und schlummerte dann davor ein. Mittwochabend wollten mich Basti und Flo mit ins Underground schleifen, obwohl mir gar nicht danach war. Doch sie meinten, dass es heute ganz besonders toll wäre. Lieber wäre ich zu Hause geblieben, um Schlaf nachzuholen. An der Kasse verlangten sie auch noch fünf Euro mehr als sonst. Auf der kleinen Bühne wurden Instrumente aufgebaut und ich warf meinen Freunden einen fragenden Blick zu. „Was spielt eigentlich für eine Band?“ Beide zuckten nichtsahnend mit den Schultern, doch ich wusste, dass sie etwas wussten, das ich nicht wusste. Plötzlich verschwand Basti unter dem Vorwand auf die Toilette zu müssen. Flo hatte uns unseren Logenplatz auf den Sofas auf der kleinen Empore in der Ecke ergattern können. Von dort hatte man einen perfekten Blick zur Bühne. Dann sah ich etwas komisches, Kami am Bass und Basti am Schlagzeug. Doch wer sollte Gitarre spielen und singen? Und, als Juka die Bühne betrat und das Konzert begann, wurde das Grinsen auf meinem Gesicht immer breiter. „Das glaube ich jetzt nicht“, sagte ich mehr zu mir als zu Flo. Ich konnte zwar singen und Gitarre spielen, aber beides auf einmal fand ich ziemlich schwierig, da war mir Juka wohl oder übel einen Schritt voraus. Fasziniert schaute ich zur Bühne und wusste gleichzeitig, wie viel Überwindung ihn das kosten musste, denn in unserem Gespräch hatte Juka ja betont, nie mehr auf die Bühne zu gehen. Aber scheinbar hatte er seinen Spaß. „Hat er sich etwa erlaubt in unserem Proberaum zu üben?“, fragte ich Flo. „Jepp, hat er, aber das Ergebnis kann sich doch sehen lassen oder? Wusste gar nich, dass es Juka so drauf hat. Vielleicht sollten wir den Sänger austauschen?“ Ich gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und Flo grinste noch breiter. Als letztes Lied spielten sie ein Gitarren- Schlagzeug- Solo, was mich noch mehr beeindruckte. „Langsam werde ich echt neidisch“, sagte ich spaßhaft zu Flo. Okay, das war schon mal ein Anfang. Ich wusste, dass er das Konzert mir gewidmet hatte, was er anfangs auch ankündigte. Dieses Konzert gebe ich nur für einen ganz besonderen Menschen. Diese Worte hallten in meinem Kopf wieder. Er liebte mich also doch. Auf der Toilette schaute ich noch mal nach, ob mein Iro saß und die Schminke nicht verschmiert war. Die drei von der Bühne hatten sich bereits zu Flo gesellt und gemein, wie ich war, beschloss ich Juka noch einen kleinen Moment zappeln zu lassen. Natürlich sah er atemberaubend aus, wie immer. Mit verschränkten Beinen und diesem verführerischem Blick sah er mich vom Sofa aus an, doch provokant nahm ich auf dem Sessel platz und nicht neben ihm. Seinem Blick entnahm ich, wie ihn das grämte. Flo reichte mir ein Bier. Ich genoss es Juka zu beobachten, wie er angestrengt nachdachte, was er als nächstes tun könnte. Dann schnappte er sich meinen Bierdeckel und malte mit Kajalstift einen Pfeil darauf, der die Richtung nach draußen wies. Ich schnorrte mir von Basti noch eine Zigarette und ging voran. Ich kramte in meiner Hosentasche nach dem Feuer, doch das hatte ich wohl mal wieder vergessen, deshalb borgte ich mir von einem Mädel, das gerade in der Nähe stand das Feuerzeug. Juka ließ mich nicht aus den Augen. „Wolltest du mit mir über irgendetwas reden?“, fragte ich amüsiert. „Wie gefällt dir deine Konkurrenz?“ In seiner Stimme schwang schon dieser leicht gereizte Unterton mit und deshalb beschloss ich ihn nicht länger auf die Folter zu spannen. „Fast beneidenswert…das hätte ich nie von dir erwartet, aber es war das wunderschönste Geschenk, das du mir jemals gemacht hast.“ Jetzt lächelte meine blonde Schönheit. „Erst hatte ich angst zu singen, doch dann war da wieder dieses unglaubliche Gefühl und ich wusste, dass du es dir wünscht…es war nicht leicht, aber ich hatte das Gefühl, dass ich dich nur so zurückbekomme.“ „Und jetzt? Das war schon mal ein Schritt in die richtige Richtung…und ich will dir auch nicht länger aus dem Weg gehen…das macht mich noch wahnsinnig, aber ich möchte dir wieder vertrauen können.“ Juka senkte seinen Blick zu Boden. „Ja, ich weiß und ich verspreche dir, dass sowas nie mehr vorkommen wird. Ich habe gemerkt, wie grausam es ohne dich ist und du bedeutest mir sehr sehr viel Lukas. Kannst du mir verzeihen…?“, doch ich hielt Juka den Finger auf den Mund und unsere Lippen berührten sich sanft, dann gieriger. Da war es wieder, dieses Gefühl voller Liebe und Leidenschaft. „Ich hoffe es Juka….“ An diesem hatte ich nicht nur meinen Juka zurückbekommen, sondern mir kam auch ein Gedanke oder bessergesagt ich hatte eine Art Eingebung, die etwas mit meiner Musik zu tun hatte. Ich wollte, dass wir in unserer Spielweise noch präziser wurden und uns darauf konzentrierten, was wir wollten. Das hieß mehr mit den Instrumenten spielen. Die Jungs hatten nichts dagegen und sogen meine Idee sogar mit Begeisterung auf. Wir probten jetzt fast täglich und ich hatte das Gefühl, dass wir immer besser wurden. Meine Schwester hingegen verfiel immer mehr ihrem neune tollen Musikstil. Ich ließ sie damit auch zufrieden, weil ich ja auch wollte, dass sie ihren Geschmack fand und damit zufrieden sein würde Nach der Sache neulich im Underground und dem Gespräch hatten sich Lukas Nici nicht wiedergesehen. Nadine wollte am Wochenende zu Besuch kommen und Nici freute sich schon voll darauf. Sie holte ihre Freundin um drei vom Bahnhof ab. Das Theater mit Lukas hatte sie ihr schon beim Telefonieren erzählt. Aber, wenn sie ehrlich zu sich war, wollte sie momentan gar nichts mehr mit ihm zu tun haben. Die Zeit mit ihm war schön, aber das war auch alles. Nici hatte sich jetzt ihren eigenen Freundeskreis aufgebaut, der fast nur aus Batcavern bestand und die konnte Lukas ja nicht leiden. Aber ist es nicht so, dass es nicht auf die Kleidung oder die Musik ankommt, sondern auf den Menschen selbst? Nici legte keinen Wert darauf, was er von ihr dachte, sonder genoss einfach ihr momentanes Leben. Sie hatte zwar weniger Glück in der Liebe, aber das war gerade nebensächlich. Nadine kam schon von weitem auf sie zugerannt. „Hallo meine Süße! Schön dich zu sehen.“ Sie wollte auch unbedingt mal mit Nici zu einer Gothicparty gehen. „Wir müssen jetzt erst mal was kochen, ich verhungere sonst.“ „Okay. Ich bin schon voll aufgeregt, wegen heut Abend.“ Nici lachte. „Ach quatsch. Die Leute werden dich schon akzeptieren.“ Sie machten Kartoffelauflauf und hörten dabei The Sisters of Mercy. Dann beratschlagten sie sich über ihre Outfits. Da Nadine und Nici die gleiche Größe hatten, war das gar kein Problem. Nici beschloss meinen Lackrock und die Lackkorsage anzuziehen. Ihre Haare hatte sich mir vor ein paar Tagen schwarz gefärbt und nur vorn zwei rote Strähnen gelassen. Unter die Korsage zog sie ein rotes Top und meine Plateaustiefel mit den Schnallen. Nadine hatte sich schon selbst ihr Outfit zusammengestellt. Sie wollte Nicis rote Korsage mit dem rotem Rock und einem schwarzen Top anziehen. „Hey, das ist ja süß. Da passen wir ja voll zusammen.“ „Aber schminken musst du mich. Ich kann das nicht so gut.“ „Klar doch.“ Es war fast um sechs, als die Mädchen letztendlich komplett gestylt waren. Nadine sah echt hübsch aus und sie gefiel sich selbst auch. „So, wir gehen vorher noch zu einem Kumpel. Der Club öffnet sowieso nicht vor um zehn.“ „Aber du musst heut immer bei mir bleiben.“ Nici lächelte sie an. „Na klar.“ Alex war eher so der Emogoth, aber trotzdem ein sehr guter Freund. Ina war natürlich auch da und Nici machte alle mit Nadine bekannt, die gleich lieb aufgenommen wurde. Sie hatte es auch nicht anders erwartet. Alex sein bester Kumpel Matze ließ auch nicht lange auf sich warten. „Hey Nici, du übertriffst heut mal wieder alle mit deiner Schönheit. Sag mal, wie lang brauch ein Mädchen wie du eigentlich, bis sie sich gestylt hat?“ „Naja, wenn ich mir Zeit lasse, kann das schon mal zwei Stunden dauern.“ „Was? Ihr Frauen habt doch echt ne Macke.“ Matze war oft sehr direkt und nahm auch kaum ein Blatt vor den Mund, aber alle mochten ihn. Nadine war erstaunt, als Nici sich eine Zigarette anzündete. „Du rauchst? Das habe ich ja noch nie gesehen.“ „Ja, aber nur manchmal.“ Sie tranken noch Glühwein und machten sich dann auf den Weg zum Underground. Nici war total happy, dass Nadine dabei war und sie tanzten sehr oft. Sie setzten sich später zu ein paar Freunden an den Tisch. Um zwölf kündigte der DJ noch eine Band an. Das freute vor allem Alex, weil er totaler Musikfreak war. Ich hatte aber gar nicht auf den Namen der Band geachtet. „Nici, kennst du die?“ „Keine Ahnung. Ist bestimmt eine von den unbekannten Bands, von denen noch nie jemand was gehört hat.“ Und dann sah Nici Juka auf die Bühne treten. Sie wollte schon durchatmen, da sie dachte, dass Lukas heute keinen Auftritt haben würde, doch da hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn er spielte Gitarre. Was sie wieder für ein Glück hatte. Nadine und Ina schauten zu ihr an, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Juka sang japanisch, was sich sehr schön anhörte und trotzdem wäre ihr Lukas tiefe Stimme lieber gewesen. „Jetzt hörst du sie wenigstens auch mal“, sagte sie zu Nadine. „Also kennst du sie doch?“, fragte Alex neugierig. „Ja ich kenne sie und wahrscheinlich werden sie dir auch gefallen.“ Nici klang etwas gereizt, denn irgendwie passte es ihr gar nicht in den Kram, Lukas auf der Bühne zu sehen. Ab dem dritten Lied übernahm er den Gesang. Sie bestellte sich noch einen Rotwein und ertappte sich immer wieder dabei, wie ihr Blick zur Bühne schweifte. Irgendwie schien er viel glücklicher als sonst zu sein, denn die Freude sprühte nur so aus seinen Augen. Als seine weiche, kräftige Stimme den Raum erschallen lies, bekam Nici eine Gänsehaut. Gerade in diesen Momenten empfand sie seine Lieder als sehr emotional. „Ist alles okay mit dir?“, fragten sie Nadine und Ina, weil sie ihre Abwesenheit bemerkt hatten. Sie nickte nur und lächelte. Alex kam jetzt zu ihr. „Du sag mal, meinst du, ob ich den Sänger mal fragen könnte, ob er mit mir eine DJ Tour durch Deutschland machen würde?“ „Keine Ahnung, da musst du ihn fragen, wenn er dich überhaupt an sich heranlässt.“, zischte Nici ihn an. Daraufhin warf ihr Alex einen fragenden Blick zu. „Kennst du ihn etwa?“ „Ja, von früher, als er noch normal war. Jetzt lebt Lukas in seiner eigenen Welt, glaub ich.“ Nici war auf einmal zum Heulen zu Mute, weil sie an die Zeit denken musste, in der sie mit ihm zusammen gewesen war und alles so schön war. Früher, als Lukas sie auch einfach so mal besucht hat. Mehr als einmal hat er alles daran gesetzt, um sie wieder zurückzugewinnen. Sie waren immer viel mehr als nur ein Liebespaar, denn auch ihre Freundschaft und das Vertrauen zueinander waren für sie von großer Bedeutung gewesen. Doch was war davon noch übrige geblieben? Nichts. Die beiden wirkten so perfekt und Nici hasste Juka und auch Lukas, weil er ihn liebte. „Ich muss mal kurz auf die Toilette“, sagte sie und ging alleine. Vor den Toiletten befand sich eine kleine Sitzecke, die zu meiner Überraschung nicht belegt war. Sie ließ sich nieder und konnte ihre Tränen nicht länger unterdrücken. Sie spürte das erste Mal, nach langer Zeit, dass ihre Gefühle für Lukas doch noch nicht erloschen waren. Sie schienen sogar stärker denn je zu sein. Als sie sich etwas beruhigt hatte, ging sie noch in Waschraum der Toiletten, um ihr Make-up wieder aufzufrischen. Dieser Abend entwickelte sich gerade zu einer Katastrophe und irgendwie wurde Nici das Gefühl nicht los, dass noch mehr passieren würde. Nach eineinhalb Stunden endete das Konzert von Nocturna und Lukas war irgendwie verschwunden. Wahrscheinlich war er nach Hause gegangen. Die Mädels tanzten noch eine Weile und bestellten noch eine letzte Flasche Rotwein. Nici wurde auf einmal schwindelig und sie musste an die frische Luft. Sie setzte sich auf die kalten Stufen. Nadine war ihr gefolgt und legte ihren Arm um ihre Schulter. „Hey. Alles okay bei dir?“ „Warum musste er mir nur diesen Abend versauen?“ „Ihr wohnt nun mal in derselben Stadt und mögt denselben Club, da läuft man sich nun mal über den Weg. Es tut mir leid, ich dachte du wärst über ihn hinweg.“ „Mh, dachte ich auch. Ist er drin?“ Meine Freundin nickte. „Meinst, es würde besser werden, wenn er dir hallo sagen würde?“ Nici zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, es würde mich nur depressiv machen mit ihm zu reden.“ Sie wollte gerade aufstehen und die Tür zur Disco öffnen, da stieß sie mit jemandem zusammen. Und wer war es? Kein anderer als Lukas. Er trug sein transparentes Oberteil und theoretisch hätte er auch oben ohne vor ihr stehen können, das hätte dieselbe Wirkung gehabt. Er begrüßte Nici allerdings nur kurz und rauschte dann an ihr vorbei. Sie sollte sich wirklich langsam bewusst machen, dass es aus war. Nie mehr würden Lukas und sie ein Paar sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)