Seelenkrank von MarryDeLioncourt ================================================================================ Kapitel 90: Ein letztes Mal Drama --------------------------------- „Süße, wir müssen reden.“ Jojo schaute von ihrer Arbeit am Wohnzimmertisch auf und warf mir einen fragenden Blick zu. „Über was denn?“ Ich ließ mich neben ihr nieder. „Es geht um Alice…“, begann ich. „Was hat sie angestellt? War sie frech oder so?“ Ich lächelte und schüttelte mit dem Kopf. „Nein keine Sorge…nur ich hab mich gefragt, ob du sie für zwei Wochen entbehren könntest?“ „Ähm, hast du vor sie mit nach Tokio zu nehmen?“, fragte meine Schwester etwas skeptisch und schien mich gut genug zu kennen, um den Grund zu erahnen. „Nur wenn du einverstanden bist…sie hat mich in letzter Zeit oft nach Naoki gefragt…und ich dachte, naja, vielleicht sollte sie ihn sehen.“ „Bist du jetzt völlig irre? Hast du schon vergessen, dass er sich nen Scheiß für Alice und mich interessiert?“, fuhr sie mich an. Behutsam legte ich meine Hand auf ihre Schulter. „Jojo, glaubst du ernsthaft, ich will dir und Alice was Böses? Sie ist ein Mädchen von fünf Jahren und willst du ihr etwa verbieten ihren Vater zu sehen?“ „Ja, wenn es sein muss…was ist, wenn er es sich auf einmal doch anders überlegt und sie mir wegnehmen will? Das würde ich nicht verkraften.“ „Süße…das wird nich passieren. Ich werd ihm lediglich sagen, dass Alice da is und wenn er will kann er vorbeikommen. Ich lasse weder zu, dass er irgendwie allein mit ihr is, geschweigenden sie mit irgendwohin nimmt.“ „Weiß trotzdem nicht, ob ich das so toll finde. Außerdem bedeutet das, dass du auch bald wieder weg bist.“ Ich verdrehte die Augen. „Ein paar Tage bin ich ja noch da. Überlege es dir bitte oder rede auch mit ihr darüber. Ich glaub sie will dich nich fragen, weil sie weiß, dass Naoki dich sehr verletzt hat. Jojo sie liebt dich und nichts kann etwas daran ändern. Und wolltest du nich neulich ein bisschen mehr Zeit für Jayden und dich?“ Mein Schwesterchen seufzte und ließ sich noch tiefer in die Sofakissen sinken. „Das schlimme ist, dass du vermutlich Recht hast und ich hab mich insgeheim schon gefragt, wann dieser Tag kommt. Dass sie allerdings mit dir darüber spricht hätte ich nicht erwartet. Aber vielleicht besser jetzt als später…pass auf meinen kleinen Schatz auf…und ja, zwei Wochen mal wieder Zeit nur für mich zu haben klingt in der Tat traumhaft.“ Ich schloss sie in meine Arme und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.   Vier Tage später traten wir den Heimweg an und meine kleine Nichte freute sich riesig. Allerdings brachte ich es nicht übers Herz ihr zu sagen, dass ihr toller Vater vermutlich nichts von ihr wissen wollte. Alice schaute erst einen Film, dann schlief sie im Flugzeug ein. Ihr Kopf sank gegen meine Schulter. Juka lächelte mich leicht süffisant an. „Was is?“ „Ist es schlimm, dass ich diese Seite an dir verdammt sexy finde?“ „Was, dass ich gut mit Kindern umgehen kann? Tja, jetzt haben wir das kleine Monster zwei Wochen am Hals. Und was willst damit jetzt andeuten?“ Juka zuckte mit den Schultern. „Nicht mehr und nicht weniger, als du gerade sagtest…ich habe keine Zeit für Kinder Luki und vermutlich auch keinen Nerv, aber Alice ist toll und ich mag sie. Ich glaube, falls wir Kinder hätten, wärst du ein wundervoller Dad.“ Ich schüttelte heftig mit dem Kopf und öffnete mir eine Cola. „Vergiss es…ein Grund weshalb ich schwul geworden bin…ich will echt keine Kinder Juka. Ich bin gern der coole Onkel, aber mehr nich.“ Mein liebster warf mir einen Handkuss zu den ich mit einem Lächeln erwiderte.   Einen Tag nach unserer Ankunft rief ich Naoki an, ob er Interesse daran hätte seine Tochter zu sehen und zu meiner Überraschung willigte er ein zu uns zu kommen. Alice freute sich total und ich hoffte wirklich, dass er sich benahm. Und dennoch empfing ich ihn mit feindseligem Blick. Unsere Begrüßung war kaum mehr als ein Nicken. Alice hingegen kam gleich angerannt und umarmte Naoki, was ihn sichtlich zu überfordern schien. Wir machten es uns bei Kaffee und Kuchen auf dem Sofa bequem und meine kleine Nichte unterhielt uns mit Kindergartengeschichten. Die eine oder andere Anekdote brachte dann auch ihren werten Herr Papa zum Schmunzeln. „Wollen wir nicht noch was essen gehen? Ich lade euch ein.“ Am liebsten hätte ich verneint, aber diesen leuchtenden, bittenden Kinderaugen konnte ich nun mal keinen Wunsch abschlagen. Juka schlug vor in unser Sushirestaurante des Vertrauens zu gehen und Naoki war einverstanden. „Papa, gibt’s hier auch so tolle Spielplätze? In Mama und meiner Stadt bin ich immer auf dem Wasserspielplatz.“ „Bestimmt, aber es gibt auf jeden Fall ein Disney Land mit vielen coolen Prinzessinnen. Da können wir ja hingehen, was sagst du Lukas?“ Meine Lippen kräuselten sich und das letzte was ich wollte, war mit diesem Spinner ins Disney Land zu fahren. „Wäre ne Überlegung wert.“ „Schön. Wie lang bist du da meine kleine?“, fragte er Alice. Meine Kleine? Sie war bestimmt alles nur nicht eine Kleine! Ich sollte mich echt zusammenreißen. Juka verpasste mir unter dem Tisch einen Tritt und ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Zwei Wochen oder Lukas?“ Ich nickte nur und nippte an meinem Getränk. Was war nur los mit mir? Naoki stellte sich nicht mal so dumm an und sein Verhalten Alice gegenüber war sehr nett, doch in mir war die Bombe kurz vorm Explodieren. „Ich hab noch einige Termine, aber vielleicht nächstes Wochenende?“, fragte er und schaute in die Runde. Meine Nichte hüpfte aufgeregt neben mir auf und ab. „Oh bitte bitte bitte Lukas!“ „Meinetwegen.“ Sie umarmte mich und ich versuchte zu Lächeln. Später skypten wir mit meiner Schwester, weil sie unbedingt alle Details wollte. Natürlich musste Alice gleich erzählen, dass wir kommendes Wochenende ins Disney Land fahren wollten. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel, damit sie sich keine Sorgen machte. Ich schlief schlecht in dieser Nacht und wurde dauernd wach. Da hörte ich, wie mich Alice rief und ich eilte eine Etage tiefer, wo sie im Schlafanzug und ihrer Kuschelkatze im Arm stand. Mit glasigen Augen sah sie mich an. „Was ist los mein Schatz?“ „Mir ist immer warm und wieder kalt…und der Bauch tut weh.“ Ich nahm sie in die Arme und fühlte, dass sie erheblich heißer war als normal. Auch Juka kam die Wendeltreppe herunter. „Haben wir was gegen Fieber da?“ Er schüttelte den Kopf. „Aber ich besorge was. Ihr zwei bleibt hier.“ Ich drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, kuschelte Alice in eine Decke ein und nahm sie mit hoch in unser Schlafzimmer. Juka würde sicher zu Sayuri fahren, weil sie als angehende Krankenschwester sicher alles an Medikamenten besaß. Mir war ein bisschen komisch zumute und ich hoffte, dass Alice schnell wieder gesund werden würde. Sie schlummerte schon wieder weg, doch ich bekam kein Auge zu. Etwa eine halbe Stunde später hörte ich die Tür wieder ins Schloss fallen und wenig später kam er mit einer Tablette sowie einem Glas Wasser zurück. Ich weckte Alice und sie schluckte brav ihre Medizin, um gleich wieder zu schlafen. Juka kuschelte sich wieder zu uns ins Bett. „Das wird schon wieder Luki.“ Als ihr Atme regelmäßiger ging konnte auch mich etwas entspannen und schlafen.   Juka verabschiedete sich am nächsten Morgen ins Büro und ich arbeitete von zu Hause. So gut das eben möglich war. Eigentlich hätte ich Alice gern mit ins Studio genommen, weil ich dort noch ein paar Aufnahmen machen musste, doch ich konnte sie schlecht so mitnehmen. Deshalb tat ich was irgendwie in meiner Macht stand. Allerdings stimmte mich das alles ganz und gar nicht zufrieden, deshalb tat ich etwas, wofür mich meine Schwester vermutlich hassen würde, wenn sie davon Wind bekäme. Ich rief Naoki an und bat ihn für zwei bis drei Stunden bei Alice zu bleiben, damit ich ins Studio rüber gehen konnte. Er willigte sogar ein und meinte, er könne seine Termine auch flexibel legen. „Süße, Papa kommt für ein paar Stunden. Ich muss kurz was arbeiten, aber verspreche, dass ich so schnell wie möglich zurück bin.“ „Papa ist okay. Darf ich noch einen Film gucken?“ Ich zeigte ihr, wie man Filme in der Mediathek auswählen konnte, da klingelte es auch schon. Im Wohnzimmer hatten wir eine Kamera installiert, die mit Juka und meinem Handy verbunden war, sodass wir alles sehen konnten. Damals war das eher zum Spaß gewesen, doch jetzt erwies sich diese Spielerei als weitaus nützlicher als gedacht. Natürlich verschwieg ich das meinem tollen Schwager und hoffte für ihn, dass er das nicht verkacken würde. Im Studio kam ich schneller voran und delegierte Aufgaben an meine Mitarbeiter. Hin und wieder warf ich einen Blick auf mein Handy. Auch zu Hause schien alles in Ordnung zu sein. Juka brachte mir zwischendurch einen Kaffee und ein Sandwich. „Weil du sicher wieder vergisst etwas zu essen…irgendwann muss ich dich bestimmt halb ohnmächtig vor Hunger und Durst nach Hause tragen.“ „Spinner. Ich hab vorhin gefrühstückt und heut Abend wollte ich was kochen.“ Fast automatisch warf ich wieder einen Blick auf die Kamera. Da traf mich fast der Schlag, obwohl Alice zu schlafen schien, telefonierte dieser Bastard mit irgendwem und war gerade damit beschäftigt sich einen Joint zu drehen. Ich warf Juka einen besorgten Blick zu. „Geh…er hatte seine Chance Luki.“ Meine Schritte konnten nicht schnell genug sein und ziemlich abgehetzt kam ich in meiner Wohnung an. Naoki vergnügte sich gerade auf dem Balkon und hatte mich nicht gehört. Alice schlief noch immer. Sie tat mir echt leid. Ich riss die Balkontür auf und funkelte ihn wütend an. Abrupt beendete er sein Gespräch und bemerkte sofort, dass er es verbockt hatte. „Du lernst echt nichts dazu oder? Verpiss dich einfach und wage es ja nich zurückzukommen!“ „Was regst du dich denn so auf? Ich habe nichts getan. Alice schläft und ich habe auch noch Sachen zu tun.“ „Dich abzuschießen und vollaufen zu lassen? Naoki reiz mich nich noch mehr. Geh einfach, bevor ich mich verliere“, drohte ich ihm. „Jetzt tue doch nicht so, als ob du immer unschuldig bist Lukas. Außerdem ist das meine erste Zigarette heute und damit meine ich erste…darf ich nicht mal ein Energy trinken, um wach zu bleiben? Übertreib es halt, du kannst mir nichts vorwerfen, weil ich nichts getan hab“, antwortete er. Und tatsächlich, das, was auf dem Bildschirm wie ein Joint und Alkohol ausgesehen hatte, war tatsächlich nur eine normale Zigarette und ein Energydrink. Ich atmete tief ein und wieder aus. „Ich fände es trotzdem besser, wenn du in ihrer Gegenwart nicht rauchst, okay?“ Naoki zuckte gelassen mit den Schultern und drückte die Kippe aus. „Zufrieden?“ Hatte ich Naoki etwa doch falsch eingeschätzt? Er wirkte weder benebelt noch betrunken. „Okay…ich bin eben etwas empfindlich, was Alice angeht.“ Leicht nervös kaute er auf seiner Unterlippe herum. „Das kann ich mittlerweile irgendwie nachvollziehen…sie ist ein schönes Mädchen. Ich würde ihr nie etwas tun, was ihr schaden könnte…also komm Mal runter!“ Er hauchte seiner Tochter noch einen Kuss auf die Stirn und verließ meine Wohnung. Ich schlich leise in die Küche und kochte meinem kleinen Liebling etwas zum Essen, denn wenn sie erwachte, hatte sie sicher hunger. Ich lud Sayuri zum Essen ein, aber nicht nur, weil ich ihre Gesellschaft schätzte, sondern auch, weil ich sie fragen wollte, ob sie in den nächsten zwei Tagen Zeit hätte auf Alice aufzupassen, denn wir mussten die Aufnahmen fertig bekommen und so krank konnte ich Alice nicht mit ins Studio nehmen. Sie hatte nichts dagegen und auch meine Nichte schien Jukas jüngere Schwester sehr zu mögen. Sie schmiedeten schon Pläne, was sie in den Tagen gemeinsam spielen würden. Erst jetzt beruhigte ich mich gänzlich und konnte am nächsten Morgen, ohne mir Sorgen machen zu müssen, ins Studio fahren. Am Ende des Tages versagte meine Stimme ein bisschen, aber wir bekamen alle Aufnahmen und ein bisschen geschafft ging ich eine rauchen. Da hörte ich eine Stimme, die ich sofort erkannte, aber nicht mochte. Ich lugte um die Ecke und da stand Naoki flirtend mit einer seiner hundert Fickbekanntschaften. Die Wut der letzten Tage kochte wieder hoch. Ich drückte meine Zigarette aus und schritt auf den jüngeren zu. Er hielt inne, als er mich sah, grinste dann aber. „Oh hallo Lieblingsschwager. Wie geht’s?“ An seinem verschleiertem Blick und dem Aspekt, dass er leicht schwankte, schien er schon wieder völlig drauf zu sein. „Du wagst es mich so zu nennen? Das bin ich sicher nich für dich. Was verschlägt dich überhaupt hier her?“ „Ach ich hab nen Remix von meiner Single machen wollen, aber dein dämlicher Freund meinte, dass er das nicht macht. Juka hat gesagt, dass meine Musik scheiße ist…muss er gerade sagen. Der bekommt doch auch nichts auf die Reihe…“ Naoki war das Letzte und ich konnte nicht länger zuhören. Meine Faust sauste fast automatisch ins sein Gesicht und sogleich lief Blut aus seiner Nase. Unerwarteter weise traf mich sein Schlag mindestens genauso hart. Auch ich schmeckte Blut und drückte ihn gegen die Wand. „Halt einfach deine Fresse und wag es nich noch Mal so über Juka zu urteilen. Wobei ich ihm Recht geben muss, deine Musik is grottig…verkauft sich das überhaupt?“ Naoki rammte mir sein Knie in den Bauch worauf ich ein weiteres mal zuschlug. Und wieder und wieder. Das Mädchen heulte nur noch und plötzlich wurde ich von Naoki weggezogen. Juka reichte mir ein Papiertaschentuch, mit dem ich mir das Blut aus dem Gesicht tupfte und erst jetzt merkte ich die Schmerzen. Vorsichtig betastete ich meine Nase, die zwar höllisch weh tat, aber nicht gebrochen zu sein schien. Naoki hatte mit seiner Tussi das Weite gesucht. „Musste das echt sein?“, fauchte mich mein Liebster an. „Ja musste es, weil er dich beleidigt hat Juka. Sorry, dass ich für dich Partei ergreife.“ Seine Züge wurden weicher. „Du weißt ich mag es nicht, wenn du dich schlägst und schon gar nicht mit Naoki.“ „Aber du bist es und Alice und Jojo…alle, die er verletzt hat und die zufällig zu meiner Familie gehören!“, motzte ich ihn jetzt an. „Aber es ist doch nichts passiert Luki. Okay, er hat sich gerade beschissen verhalten, aber Alice geht’s gut. Er war ihr ein guter Vater. Also lass es doch gut sein.“ „Genau das is der springende Punkt, er hat sich gerade beschissen verhalten! Und nur weil er einmal nett zu seiner Tochter ist, heißt das noch gar nichts! Du bist besser als er!“ Ich redete mich in Rage. „Ja genau, es ist seine Tochter und nicht deine. Ist es das, was dich so wütend macht? Dass er sich rührend um sie gekümmert hat und seine Chance nicht verspielt hat? Was er in seiner Freizeit treibt, kann dir doch egal sein.“ „Super! Dir scheint es ja genauso am Arsch vorbeizugehen. Ich geh heim, hab keinen Bock mehr mit dir zu reden. Bis später irgendwann.“ „Luki, warte…“ „Juka lass es einfach. Wir sind hier eh fertig.“   Ich schrieb Sayuri, dass sie Alice kurz ablenken musste, denn so mit Blut beschmiert wollte ich ihr nicht unter die Augen treten. Leise schlich ich in die Wohnung und verschwand auch gleich im Badezimmer, um zu duschen. Dann gesellte ich mich zu den Mädels. Meine kleine Nichte kuschelte sich an mich und ihr schien es wieder besser zu gehen. „Wo hast du denn meinen Bruder gelassen?“, fragte Sayuri etwas misstrauisch. Ich setzte ein Lächeln auf und hoffte, dass dieses nicht zu gespielt aussah. „Der hat noch ein paar Dinge im Studio zu erledigen, aber kommt sicher bald nach.“ „Achso. Was ist mit deiner Nase und an deiner Lippe passiert?“ Erst jetzt betrachtete mich auch Alice näher. „Oh nein, das tut doch weh. Was hast du da?“ Ihre zierlichen Finger tippten ganz sanft gegen meine Nase und ich fuhr leicht zusammen, als mich der Schmerz durchzuckte. „Der Mikroständer ist umgefallen und mir genau auf die Nase. Halb so schlimm und wird sicher bald besser“, log ich, doch die beiden schienen mir das abzukaufen. „Bringst du mich noch ins Bett? Mami sagt immer ich muss spätestens um 10 schlafen.“ Ich senkte beschämt meinen Blick, es war weit nach zehn. Sayuri verabschiedete sich und ich brachte meine kleine Nichte ins Bett. Ich selbst konnte nicht schlafen, wie so oft in den letzten Tagen. Mein Magen fühlte sich an, als wäre er voll mit Backsteinen, mein Herz als steckte es in einer Korsage und meine Gedanken liefen Amok. Ich hatte doch nur gewollt, dass Alice ein paar schöne Tage hier hat, eventuell ihren Vater besser kennenlernt und auch eben ihre asiatischen Wurzeln kennenlernt. Doch das hatte ich wohl jetzt verbockt und mit Juka hatte ich mich auch mal wieder gezofft. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und sprang vom Sofa auf. „Scheiß drauf“, murmelte ich zu mir selbst und holte ein Bier aus dem Kühlschrank. Draußen rauchte ich eine Zigarette und ärgerte mich über mich selbst, weil ich wieder allen hatte gerecht werden wollen und nichts auf die Reihe bekam. Mittlerweile waren fast zwei Stunden vergangen und Juka war noch immer nicht da, was wohl hieß, dass er echt sauer war, sich mit jemandem über mich auskotzte oder aber seinen Frust wegsoff. Das kam nicht oft vor, aber ab und an kam es vor und dieser Gedanke behagte mir gar nicht. Ich schluckte und versuchte das erdrückende Gefühl in meiner Magengegend zu ignorieren. Gerade als ich die Balkontür schloss, vernahm ich das Geräusch eines Schlüssels, der im Schloss umgedreht wurde. Stimmen und etwas Gepolter. Ich grub die Fingernägel in meine Hände, den wie das klang, erwartete mich wohl Option zwei. Haruto und ein weiterer Kerl, der mir irgendwie bekannt vorkam stützten Juka rechts und links, um ihn aufs Sofa zu befördern. Dummerweise trug dieser heute seine Plateaustiefel, in denen man volltrunken besonders gut laufen konnte. Haruto winkte mir zu und ich gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich mich jetzt um Juka kümmerte. „Ich dacht du schläfst schon…“, lallte mein Mann. „Wie du siehst schlafe ich noch nich…ging auch nich…“ Juka startete den Versuch seine Stiefel auszuziehen, scheitere aber kläglich und ich erbarmte mich und half ihm. „Sorry, dass ich jetzt erst komm…hab bissl viel getrunken…“ „Wer war der andere Typ gerade noch…Haruto und? Irgendwie kam er mir bekannt vor“, fragte ich und plötzlich wich Juka meinem Blick aus. „Kaz…“ Mehr musste er nicht sagen, um meine gerade verglommene Wut wieder auflodern zu lassen. „Der Kaz?“ „Ja, der Kaz…“ „Verdammt Juka! Warum? Sind wir jetzt da angekommen, wo du deinem Ex die Ohren vollheulst?“ Ich fühlte mich, als hätte mir jemand mit einem Gummihammer auf den Kopf geschlagen. „Wir ham…nur geredet un getrunken…alles gut Luki…“ „Aber es dein beschissener Ex…du weißt wie mich sowas trifft…“ Auf einmal sprang Juka auf und rannte zum Bad. Das was ich hörte, reichte. Er kotzte sich förmlich die Seele aus dem Leib. Auch ich fühlte mich wie ausgekotzt und das, obwohl ich fast nichts getrunken hatte. Nach ein paar Minuten kam er zurück und ich hielt ihn, als er schwankte, beförderte ihn wieder auf die Couch und stellte ihm eine Flasche Wasser hin. „Hatte keine Ahnung das er kommt…wollte grad gehen, da isser aufgetaucht…und warum bis du so zickig? Hab ja nich mit ihm gevögelt oder so.“ Das war genug. Ich knallte die Balkontür hinter mir zu, um noch eine zu rauchen. Tränen stiegen mir in die Augen und ich griff nach meinem Handy in der Hosentasche. Nach dem dritten Mal klingeln ertönte eine vertraute warme Stimme. „Sorry, hab ich dich geweckt? Bei dir isses noch voll früh…aber ich brauch jetzt jemanden zum Reden.“ „Nee alles cool, was ist passiert?“ „Ich hab Naoki verprügelt und mich mit Juka gezofft…daraufhin hat er sich mit seinem Ex betrunken…aber halt im Proberaum und die waren auch nich allein…Jetzt liegt er sturzbetrunken auf dem Sofa und ich schmolle, weil er mit seinem Ex zusammen war…grad isses scheiße Basti und ich wünschte du wärst hier.“ Auf der anderen Seite der Leitung blieb es einen Moment still. „Und was von all dem nervt dich am meisten? Das mit seinem Ex oder?“ „Schon…es is sein verfickter Ex…und der sieht nich Mal scheiße aus…ahhh, ich dreh gleich durch. Warum macht er das?“ „Aber Juka ist zu dir nach Hause gekommen, weil er mit dir zusammen ist. Außerdem was regst du dich denn so auf? Immerhin hast du auch noch Kontakt mit deinen Exfreundinnen…Nici…Jule.“ „Wer bist du? Mein bester Freund oder mein Feind?“ „Lukasschatz…ich meine ja nur. Ich weiß du flippst gern wegen sowas aus, weil du immer noch denkst, Juka könnte irgendwann nen besseren als dich finden, aber ich hab das Gefühl das will er gar nicht. Er liebt dich und ja mein Gott, er war mit seinem Ex was trinken, na und?“ Ich seufzte. „Kannst du mal bitte aufhören so beschissen diplomatisch zu sein? Das weiß ich doch selbst…sauer bin ich trotzdem.“ „Das darfst du ja auch sein, aber du kannst Juka keinen Vorwurf machen. Vielleicht solltet ihr morgen reden, wenn er wieder bissl nüchtern ist.“ „Wird wohl das Beste sein…hast du dir eigentlich überlegt herzukommen…du fehlst mir…weil ich könnt dir anbieten mit unserem Privatjet zu kommen. In acht Tagen fliegt Alice zurück und da könntest du mit nach Tokio fliegen.“ „Puh, wenn ich das schaffe…ich sag dir noch Mal bescheid okay?“ „Alles klar…ich sollt jetzt pennen geh’n.“ „Schlaf schön und träum was süßes…“ Ich musste lächeln. „Danke…werd‘s versuchen.“ Jetzt fühlte ich mich ein bisschen besser, rauchte noch eine letzte Zigarette und schloss die Balkontür ab. Juka lag schon in den tiefen Jagdgründen, doch er trug noch alle seine Klamotten, deshalb zog ich ihn mit aller Kraft und Mühe bis auf die Unterhose aus, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und legte mich zu Alice.   Am nächsten Tag weckten mich Sonnenstrahlen, ein köstlicher Geruch und leise Stimmen. Alice lag nicht mehr neben mir. Ich streckte mich und gähnte. Die Gedanken an gestern Abend beziehungsweise an letzte Nacht ließen mein sonniges Gemüt wieder verdunkeln, dennoch beschloss ich aufzustehen und zog meinen Bademantel über. Auch Jukas Satinmorgenmantel hing nicht mehr am Haken. Es duftete nach Kaffee und Pfannkuchen. Eine Tür schloss sich und die Unterhaltung verstummte. An die Wand gelehnt beobachtete ich das Treiben meines wunderschönen Mannes. Er schien mich nicht zu bemerken. Die Bänder seines Morgenmantels hingen fast am Boden, das hieß er trug ihn offen. Alice schien weg zu sein, vielleicht mit Sayuri unterwegs. Leise schlich ich an Juka heran und legte meine Arme von hinten um ihn, spürte seinen muskulösen Bauch unter meinen Fingern und automatisch stoppten meine Berührungen am Bund seiner Boxershorts. „Tut mir leid, was ich gestern gesagt hab…es war dumm an dir zu zweifeln, auch wenn du sturzbetrunken warst.“ Mein liebster wendete sich mir zu und lächelte sanft. „Ja das war dumm, aber alles gut…wie geht’s deiner Nase?“ „Könnte schlimmer sein…tut noch ein bisschen weh und hat halt ein wenig Farbe bekommen.“ Jukas Hände glitten in meinen Bademantel und behutsam hauchte er einen Kuss auf mein verletztes Riechorgan. Dann wandte er sich wieder den Pfannkuchen zu, doch mein Kopf wollte jetzt etwas ganz anderes. Ich stellte die Pfanne vom Herd und streichelte wieder über seinen Bauch und dieses Mal hielt ich nicht am Bund seiner Unterhose an. Glitt tiefer und entlockte ihm dieses wundervolle kehlige Stöhnen, was mich nur noch mehr anspornte. Mit einem Ruck drehte ich ihn zu mir, küsste ihn voller Begierde und drang mit meiner Zunge in seinen Mund. Schob meine Hände in seine Shorts und zog sie runter. Meine Küsse und meine Zunge wanderten tiefer bis hin zum Objekt der Begierde. Ich umkreiste die Spitze und ließ meine Zähne an Jukas Erektion entlangfahren. Seine Hände krallten sich in meine Schultern. Ich erhob mich wieder, um ihn zu küssen. Mein Mittel- und Zeigefinger streiften seine Lippen. Er verstand was ich wollte und befeuchtete sie mit seiner Zunge. Das Lodern in seinem Blick ließ mich grinsen. Nach unserer nicht ganz so kurzen Unterbrechung widmete sich mein liebster wieder dem Frühstück zu und ich schaute ihm verliebt dabei zu.   Gedankenverloren rauchte ich eine Verdauungszigarette auf dem Balkon und ließ meinen Blick über Tokio schweifen. Ich war glücklich, sehr sogar.   ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)