Wolf im Schnee von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 7: Delivery ------------------- Stiles wurde irgendwann mitten am Tag wieder wach, weil er vor dem Haus ein lautes Geräusch vernahm. Sofort saß er aufrecht im Bett, als ihm klar wurde, dass dies ein Motorschlitten war. Sein erster Gedanke war, dass die Wilder ihn gefunden haben mussten und ihn nun als Zeugen aus dem Weg räumen wollten! Er sprang aus dem Bett, vergaß dabei natürlich seinen verletzten Fuß und schlug als erstes Mal der Länge nach hin! Fluchend rappelte er sich wieder auf und vernahm ein Klopfen an der Tür. Das waren aber höfliche Halsabschneider, die sich sogar die Mühe machten, zuvor anzuklopfen? Stiles angelte nach seiner behelfsmäßigen Krücke, nahm seine Schreckschusspistole in die andere Hand und humpelte zum Eingang. Es waren keine Wilderer an seiner Tür. Stattdessen stand da ein gutaussehender, hochgewachsener Mann in Stiles Alter und lächelte schüchtern in den Lauf der Waffe: „Sie haben eine Pizza bestellt, Sir?“ fragte er zwinkernd. „Huh?“ machte Stiles dümmlich und wurde sich mit einem Mal bewusst, wie er wohl aussehen musste; verschlafen, ungewaschen, einbeinig, zottelhaarig und bewaffnet wie er war: „Bist du vielleicht der Typ, der meine Lieferung bringt?“ fragte er ein wenig griesgrämiger, als beabsichtigt und legte die Pistole beiseite. Der Fremde lachte und bestätigte: „Ja, der bin ich, aber wenn dir das zu umständlich ist, kannst du mich auch Danny nennen! Du bist Stiles, oder? Ich soll dich von Barney und seinen tausend Händen grüßen!“ Stiles schüttelte sich unwillkürlich und Danny lachte erneut: „Also hast du bereits mit seinen flinken, ungewaschenen Fingerchen Bekanntschaft gemacht, richtig? Hätte ich mir denken können. Willkommen im Club!“ Der Biologe konnte irgendwie gar nicht anders, als den Fremden mit dem attraktiven, gutmütigen Gesicht zu mögen. Dann fiel ihm auf, dass er den armen Kerl ja immer noch auf der Türschwelle warten ließ: „Sorry!“ murmelte er ein wenig verlegen: „Ich ziehe mir nur schnell etwas über und dann helfe ich dir beim hineintragen.“ Der Lieferant warf einen Blick auf das Hinkebein und erwiderte dann kopfschüttelnd: „Ich denke, das lassen wir wohl besser sein. Ich schaffe das auch allein. Aber ich hätte anschließend nichts gegen einen Kaffee als Dankeschön einzuwenden!“ „Wie...? Uhm... Kaffee?“ stammelte Stiles. Verdammt, was war denn los mit ihm? Er benahm sich ja wie der letzte Mensch! Er musste jetzt endlich mal richtig wach werden: „Sicher bekommst du einen Kaffee!“ versprach er und zeigte Danny, wo er alles hinstellen konnte, schaltete dann die Kaffeemaschine an und verschwand kurz im Badezimmer. Als er wieder einigermaßen manierlich aussehend das Bad wieder verließ, war auch Danny gerade damit fertig, die Sachen ins Haus zu tragen und erklärte: „Hast du eigentlich schon eine Liste für´s nächste Mal gemacht?“ Stiles schenkte für sie beide einen Kaffee ein und erwiderte dann bedauernd: „Ich habe ehrlich gesagt erst in ein paar Tagen mit dir gerechnet. Hast du noch ein bisschen Zeit?“ „Hier draußen ist alles vom Wetter abhängig, deswegen bin ich ein paar Tage zu früh dran. Aber ich habe tatsächlich jede Menge Zeit, denn du bist der letzte auf meiner Liefertour. Niemand anders ist sonst noch so weit draußen stationiert.“ Stiles machte sich eine geistige Notiz, dass dies wohl bedeuten musste, dass seine Wilderer vermutlich Selbstversorger waren, die entweder von der Jagd lebten, oder selbst in die Stadt fuhren, um sich mit allem einzudecken, was sie brauchten: „Soll ich mir vielleicht mal deinen Fuß anschauen?“ fragte Danny in Stiles Gedanken hinein, welcher ihn daraufhin, irritiert anschaute. Danny lachte, denn das war etwas, dass er offensichtlich viel und gern tat und er versicherte: „Nein, keine Angst; ich bin kein Fetischist, bloß ein Rettungssanitäter.“ „Ehrlich?“ fragte Stiles verblüfft: „So weit ab der Zivilisation muss eben jeder von uns mehrere Talente haben.“ gab Danny achselzuckend zurück: „Das ist nicht wie in der Großstadt, wo die ganzen Spezialisten dicht auf dicht sitzen. Ich kann dir auch einen Motor reparieren, ein Dach decken und einer Maus auf halbe Meile Entfernung ins Auge schießen. Allerdings verwende ich dazu nicht so ein Spielzeug, wie das, mit dem du mich vorhin an der Tür begrüßt hast. Und außerdem bin ich noch ein höllisch guter Lacrosse-Spieler!“ Stiles grinste und nahm seinen Verband ab: „Ich habe in der Highschool auch Lacrosse gespielt. Ich war allerdings lausig und habe mit meinem Hintern meistens die Bank gewärmt.“ „Zu schade!“ erwiderte Danny mit einem kleinen Grinsen und Stiles hatte keine Ahnung, wie er das wohl meinen mochte, doch ehe er fragen konnte, hatte der Sanitäter sich auch schon vor ihn hingekniet, hatte seinen Fuß in die Hände genommen und bewegte ihn in verschiedene Richtungen was den Biologen laut aufjaulen ließ: „Sieht böse aus!“ kommentierte Danny ungerührt: „Wie hast du das denn hingekriegt?“ Stiles deutete auf die Tierfallen, die in einer Ecke des Raumes auf einem Haufen lagen: „Ich bin in so ein Ding hineingetreten. Hast du vielleicht eine Ahnung, wer diesen Mist hier in der Gegend auslegt?“ Danny schüttelte den Kopf: „Hier hat es immer schon Jäger gegeben. Die Jagdbeschränkungen und Verbote haben daran leider nicht viel ändern können. Und die Wildhüter sind meiner Meinung nach nicht konsequent genug, um dem Einhalt zu gebieten. Du hast verdammtes Glück gehabt, Stiles! Dein Fuß scheint nicht ernsthaft etwas abbekommen zu haben. Aber wie hast du es bloß geschafft, dich allein wieder zu befreien und da draußen anschließend nicht zu erfrieren und zu verrecken?“ „Diese Geschichte würdest du mir ohnehin nicht glauben!“ erwiderte Stiles. Danny blickte ihn erwartungsvoll an, doch der Wissenschaftler hatte nicht die Absicht, darauf näher einzugehen, denn wenn sein bester Freund ihm schon nicht hatte glauben wollen, dann würde dieser Naturbursche ihn doch erst recht auslachen! Riesenwölfe die Menschen retteten? Stiles würde es ja auch nicht glauben, wenn es ihm nicht selbst passiert wäre! Stattdessen fragte er: „Wie wär´s, wenn du zum Essen bleibst, Danny? Ich habe seit einer Ewigkeit keinen realen Menschen mehr gesehen und hätte nichts gegen ein bisschen nette Gesellschaft.“ Ehe der Angesprochene antwortete, warf er einen Blick auf die Uhr und aus dem Fenster: „Da draußen braut sich was zusammen!“ stellte er fest: „Wenn ich jetzt sofort aufbreche, habe ich vielleicht noch die Chance, einigermaßen unbeschadet und im Hellen heimzukommen. Oder ich gerate mitten hinein und das hasse ich.“ Danny machte eine nachdenkliche Pause: „Also wenn du auch nichts dagegen hast, dass ich auch über Nacht bleibe...?“ Stiles blickte ebenfalls aus dem Fenster, doch er sah dort lediglich Sonnenschein. Er hatte zwar nicht den Eindruck, dass das Wetter umschlagen könnte, aber er hatte auch absolut nichts gegen einen Übernachtungsgast. Dieser Danny war eine angenehme Gesellschaft und wenn Stiles ehrlich war, dann fing die Einsamkeit hier draußen langsam an, ihm an die Substanz zu gehen, also antwortete er: „Nein, kein Problem; sei mein Gast! Aber wirst du denn nicht erwartet? Von einer Frau, oder Freundin, oder so?“ Danny grinste: „Also erstens bin ich Single. Und zweitens bin ich schwul. Steht deine Einladung trotzdem weiterhin?“ „Sicher!“ erwiderte Stiles schnell und kniff die Augen zusammen. Wofür hielt dieser Danny ihn denn? Für irgend so einen homophoben Bauern etwa? Immerhin war sein bester Freund nach Scott ebenfalls schwul! Mason und er hatten sich im Studium kennengelernt und waren sofort ein Herz und eine Seele gewesen. Und als Mason und Corey im letzten Jahr geheiratet hatten, war Stiles sogar sein Trauzeuge gewesen. Er widerstand jedoch der Versuchung, diesem Danny das alles zu erzählen, weil er nicht klingen wollte, als rechtfertige er sich. Stattdessen fragte er: „Ist das hier draußen denn gar nicht schwierig? Akzeptieren die Leute dich? Und was ist mit der Partnerwahl? Die Auswahl ist hier doch sicherlich ziemlich eingeschränkt, oder nicht?“ Danny zuckte mit den Schultern: „In so einer kleinen Gemeinschaft müssen die Leute einfach zusammenhalten. Jeder ist auf den anderen angewiesen und man kann es sich nicht erlauben, jemanden aus kleinlichen Gründen auszuschließen. Die meisten scheren sich nicht drum, was ich im Schlafzimmer treibe. Ich schätze, sie vermeiden es einfach, darüber nachzudenken und dann geht’s. Der einzige, der hin und wieder stänkert, ist unser lieber Bürgermeister, der fabelhafte „Barney“ Barnes, aber auch nur, weil ich sein Geheimnis kenne, denn immerhin ist er mir schon ein paar Dutzend Mal auf die Pelle gerückt, wenn er nicht mehr ganz nüchtern war. Ich sage dir, die Schrankschwestern sind die schlimmsten! Aber ich habe eine wirklich gute Freundin, die immer auf mich aufpasst und mir den Rücken stärkt. Ihr gehört das Diner bei uns im Ort!“ „Emma ist Klasse!“ unterbrach Stiles seinen Gast grinsend: „Ihr habt euch also kennengelernt?“ fragte Danny überrascht und stimmte dann zu: „Ja, Emma ist die Beste. Ein Fels in der Brandung! Auf sie kann man sich immer verlassen. Und was die Frage der Partnerwahl angeht... ich fühle mich noch gar nicht im heiratsfähigen Alter. Ich will mich noch ein bisschen amüsieren. Und ob du es glaubst oder nicht, ich komme hier draußen voll und ganz auf meine Kosten! Da sind die Jungs von der Bleimine, ein paar Durchreisende... es findet sich eigentlich immer jemand für die langen kalten Winterabende. Und die Kerle hier draußen sind auch eher mein Fall, als die ganzen verweichlichten Großstadt-Prinzessinnen.“ Dann schob er rasch hinterher: „Nimm´s nicht persönlich, Stiles!“ Stiles hatte damit begonnen in verschiedenen Schränken zu kramen und Zutaten zusammen zu suchen. Nun hob er ruckartig den Kopf: „Wie? Was? Uhm...schon okay!“ erwiderte er und schwankte dabei hin und her zwischen Amüsiertheit und den sich Unterschätztfühlen. Immerhin war er doch jetzt ganz allein hier draußen und er kam klar, oder etwa nicht? Der Biologe beschloss dann jedoch, großzügig darüber hinweg zu gehen und das Thema zu wechseln, indem er fragte: „Was hältst du von Pasta Tonnato, Danny?“ Dabei hoffte er inständig, dass der Menüvorschlag männlich genug für den harten Kerl sein mochte: „Ich liebe Thunfisch!“ erwiderte Danny entzückt: „Klingt toll! Kann ich dir helfen?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Nicht nötig.“ versicherte er: „Ich kann ja ohnehin nicht viel mehr tun, als ein paar Konserven aufmachen, weil´s hier draußen kaum etwas Frisches gibt. Keine große Kunst also!“ Der Biologe stellte das Nudelwasser auf, schälte und würfelte eine große Zwiebel, hackte grob ein paar Sardellen und Kapern und schmorte das Ganze kurz, ehe er Dosenthunfisch, passierte Tomaten, haltbare Sahne und einige Gewürze hinzugab. Es mochte zwar bloß ein einfaches Gericht aus Fertigzutaten sein, aber es war dennoch köstlich und Danny witzelte nach dem Essen: „Perfekt! Nun kannst du heiraten!“ „Ich lebe in Scheidung!“ erwiderte Stiles shlagartig niedergeschlagen. Danny tätschelte ihm mitfühlend den Arm und versicherte: „Tut mir echt leid! Ich wollte keine Wunden aufreißen. Willst du vielleicht darüber reden?“ Stiles schüttelte den Kopf und stellte die leeren Teller zusammen: „Nein, ich möchte an diese Sache am liebsten gar nicht mehr denken! Wie wär´s, wenn wir einen Film anschauen, oder so? Magst du Monty Python?“ Danny grinste breit: „Darauf kannst du wetten!“ Stiles servierte also eine Dose Erdnüsse und dazu Wodka, den ein früheres Forschungsteam hier vergessen hatte und den er neulich zufällig beim herumstöbern gefunden hatte. Und während die beiden Männer sich ein Doublefeature bestehend aus `Der Sinn des Lebens´ und `Das Leben des Brian´ anschauten, zog tatsächlich ein heftiger Sturm, begleitet von wildem Schneetreiben auf, wie Danny es prophezeit hatte. Seit seiner Ankunft hatte Stiles noch keine Sturmböen wie heute erlebt. Es war bloß gut, dass Danny bei ihm geblieben war. Nachdem die kleine Heimkinovorstellung beendet und die beiden Zuschauer schon ziemlich betrunken waren, war Stiles aus irgendeinem Grund in redseliger und schwermütiger Stimmung und wollte nun doch noch über das grandiose Scheitern seiner Ehe sprechen: „Lydia war meine erste große Liebe, weissu?“ lallte er: „Sie war so ssüß! Wir warn damals im selbn Kindergarten!“ Und nun berichtete Stiles in epischer Breite, wie er nach einer Ewigkeit des Werbens doch noch das Herz der großartigen Lydia Martin hatte gewinnen können und wie sie am Ende sogar seinen Heiratsantrag angenommen hatte. „Und nu is sie mit dieser hässlichen Echse Jackson zusammen!“ murrte Stiles und verschränkte unzufrieden die Arme vor der Brust: „Sie war die Einzige für mich! Ich hab´ nie ´ne Andere geküsst. Erbärmlich was? Abba es hatte ja auch nie eine Andere Interesse!“ erklärte Stiles selbstmitleidig. Dann rappelte er sich mühsam auf, setzte sich aufrichtig hin, blickte Danny geradewegs in die Augen und wollte von ihm wissen: „Du als Schwuler kannstes doch beurteilen? Bin ich irgendwie widerlich, oder so? Stimmt irgendwas nicht mit mir?“ Der Angesprochene rollte mit den Augen: „Ehrlich, Stiles?“ fragte er: „Soll ich dir auf diese Frage wirklich antworten? Hast du es echt so nötig?“ „Ja, hab ich! Und nun sag´ schon!“ beharrte Stiles und stierte sein Gegenüber mit vom Suff glasigen Augen an: „Bin ich attraktiv? So aus der schwulen Perspektive?“ Danny holte tief Luft und erklärte dann: „Wenn du wirklich seit dem Kindergarten immer nur Augen für dasselbe Mädchen gehabt hast, dann ist es doch kein Wunder, dass keine Andere jemals etwas bei dir versucht hat, habe ich recht? Und nun zu deiner Frage: So weit ich sehen kann, ist doch wirklich alles mit dir in bester Ordnung, also mach´ dir keine Gedanken! Du bist süß, lustig, nett, kannst gut kochen... ! Du könntest vielleicht ein bisschen mehr auf den Rippen vertragen, aber sonst...?“ „Danke!“ seufzte Stiles, schüttete ein weiteres Glas Wodka in einem Zug herunter und lehnte sich dümmlich grinsend an Dannys Schulter. Das hatte er wirklich dringend hören müssen, denn diese Trennung von Lydia hatte ihm nicht bloß das Herz gebrochen, es hatte auch seinem ohnehin nicht allzu gefestigten Selbstvertrauen schweren Schaden zugefügt. Und Stiles hatte eigentlich keine richtige Erklärung für das, was als nächstes geschah. Er war sich ja nicht einmal sicher, wer eigentlich damit angefangen hatte, doch nun lagen Danny und er einander in den Armen und küssten sich wild und leidenschaftlich. Und das Eigenartige war, dass Stiles es großartig fand! Noch besser wäre es gewesen, wenn Lydia ihn so sehen könnte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)