Wolf im Schnee von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 22: Lieben und Leiden ----------------------------- Stiles blickte hinab auf den Wolf an seiner Seite, welcher mittlerweile eingeschlafen war. Es war eigenartig, denn er wusste schließlich, dass es verborgen in dem Tier einen denkenden, fühlenden Menschen gab und dennoch konnte diese Gestalt es einen beinahe vergessen machen und die Illusion nähren, man habe es tatsächlich mit einem leibhaftigen Wolf zu tun. Es war fast so wie früher. Stiles genoss Miguels Nähe, schlang die Arme um den pelzigen Leib, schmiegte sich an ihn und war binnen kurzem friedlich eingeschlafen. Als er am folgenden Morgen die Augen wieder öffnete, war der Wolf noch immer an seiner Seite. Er war bereits wach und hockte freudig hechelnd da, als habe er bloß darauf gewartet, dass der Biologe endlich erwachte: „Hey mein Großer!“ begrüßte Stiles ihn und richtete sich im Bett auf: „Hast du gut geschlafen?“ Der Wolf gab zur Bestätigung ein kleines Kläffen von sich. Stiles wusste was er tun musste, er hatte es nur eine Nacht lang hinausgeschoben. Ein trauriges Lächeln lag auf seinem Gesicht. Er kraulte das Tier noch einmal ausgiebig, bis dieses sich schließlich auf den Rücken drehte, seinen flauschigen Bauch darbot und unter den Zärtlichkeiten ein zufriedenes Grunzen von sich. Dann schlang Stiles ein letztes Mal fest die Arme um Miguels Hals, küsste ihn auf den Kopf und flüsterte schließlich in sein Ohr: „Danke, dass du mich noch einmal besucht hast. Ich habe dich so lieb, mein Großer!“ Er ließ den Wolf los, wich ein Stück zurück, um ihn besser anschauen zu können und forderte dann ernst: „Aber nun bring´ mir Derek zurück, ja?“ Der Wolf legte fragend den Kopf schief, doch Stiles bestätigte erneut: „Ich bin mir sicher! Bitte sei wieder Derek!“ Der Wolf zögerte noch einen Moment, doch schließlich verwandelte er sich und statt seiner saß nun ein nackter Mann bei Stiles auf dem Bett und blickte diesen aus großen, grünen Augen gleichermaßen unsicher, wie erwartungsvoll an. Stiles nahm Dereks Hände in seine und begann zu sprechen: „Du irrst dich, wenn du denkst ich wollte, dass du der Wolf bist! Sei einfach nur du selbst!“ Derek senkte den Kopf und stellte niedergeschlagen fest: „Aber du liebst den Wolf.“ Stiles musste ein wenig schlucken. Er war sich schmerzhaft bewusst, was er hier vor sich sah, denn er war selbst lange genug an Dereks Stelle gewesen: Es waren Liebe und Ergebenheit, bis hin zur Selbstaufgabe und Stiles wusste mit Sicherheit, dass er so dessen nicht würdig war. In seinem Leben hatte es bloß eine einzige Liebe gegeben. Seit dem Kindergarten war er wie besessen gewesen von der süßen, rothaarigen, wundervollen Lydia Martin. Er war der Einzige, der Lydia in ihrem wahren Wesen erkannt hatte, selbst noch durch mehrere Schichten Make-Up, Gemeinheit und Hochnäsigkeit hindurch. Er war vor den Peitschenhieben ihrer scharfen Zunge nicht zurückgewichen und schließlich war er tatsächlich für zwei kurze Jahre zu ihr durchgedrungen; zu der wirklichen Frau hinter all´ der Fassade. Und er war glücklich gewesen! Doch scheinbar war Lydia es nicht, denn am Ende ist sie schließlich doch wieder an das sichere Ufer des Vertrauten zurück geschwommen; in die bunte, hübsche Welt Hollywoods, voll von Oberfläche und ohne jeglichen Inhalt; an die Seite eines Mannes, der sie wie ein hübsches Accessoire behandelte und sich weder für ihre Seele, noch für ihren unglaublichen, wundervollen, genialen Verstand interessierte. Und Stiles war unterdessen einfach am Wegesrand liegen geblieben, wie ein achtlos weggeworfenes Taschentuch. Nun lernte Stiles die andere Seite kennen! Hier war plötzlich jemand, der ihn ohne Wenn und Aber liebte, ihn nicht verändern wollte, sondern ihm anstatt dessen bedingungslos, mutig und ohne Fragen zu stellen sein eigenes Herz zu Füßen legte. Aber war die Liebe wirklich etwas wert, wenn man nicht mit Zähnen und Krallen darum kämpfen und zahllose Prüfungen bestehen musste, um endlich gesehen zu werden, während man Schmerz und Verwundung mit einem sarkastischen Spruch weglächelte? Auf Stiles war ein Paar grüner Augen gerichtet und alles was diese sahen, war ER. Es war doch nur natürlich, dass er es da mit der Angst zu tun bekam. War es denn überhaupt das, was er fühlte? War das Liebe? Derek war für ihn durchs Feuer gegangen und hatte über zwei Dutzend Kugeln für ihn eingesteckt. Stiles würde für Derek ohne zu zögern dasselbe tun. Aber war das Liebe? Derek wollte einfach nur bei ihm sein und Stiles wollte ihn um keinen Preis gehen lassen. Aber war DAS Liebe? Konnte es überhaupt Liebe sein, wenn es nicht wehtat, Angst machte und eine Spur der Verwüstung hinterließ? „Was mache ich nur mit dir, hm?“ fragte Stiles leise. Natürlich antwortete Derek, welcher das Schweigen beherrschte, wie eine vornehme Kunst darauf nicht. Was hätte er auch sagen können? Er ließ sich stattdessen einfach nach hinten in die Kissen sinken und hielt den Blick des Biologen mit dem eigenen fest. Wer weiß, vielleicht konnte man die Liebe ja erfühlen? Stiles legte sich an Dereks Seite und fuhr mit den Fingern durch den kräftigen, schwarzen Haarschopf, zeichnete sanft die markanten Gesichtszüge und die ausdrucksstarken Augenbrauen mit den Fingerspitzen nach, berührte den Bart und ließ seine Finger über den Hals hinunter zu den vollkommenen Schultern und der breiten, behaarten Brust wandern. Unbekannte, unentdeckte und aufregende Landschaften. Vielleicht konnte man die Liebe auch erschmecken? Stiles legte seine Lippen sanft auf die von Derek und küsste ihn weich. Derek hielt unter den Zärtlichkeiten ganz still, blickte Stiles bloß an und traute sich kaum zu atmen. Als Stiles es bemerkte, fragte er unsicher: „Mache ich etwas falsch?“ Der Werwolf schüttelte den Kopf: „Hast du Angst!“ wollte Stiles wissen. Derek nickte. Stiles runzelte die Stirn: „Hast du etwa Angst VOR MIR?“ fragte er weiter. Derek zuckte mit den Schultern: „Du bist dir nicht sicher!“ erwiderte er leise. Stiles seufzte. Nein, er war sich nicht sicher! Er war gerade erst geschieden worden und jenes Zimmerchen in seinem Inneren, welches für Liebe und Vertrauen vorbehalten war, war düster, kalt, renovierungsbedürftig und vergiftet! Stiles wusste nicht, was er dagegen tun sollte und so begann er einfach zu erzählen. Er berichtete über die Liebe, die so lange unerwidert geblieben war und die dann bloß für einen kurzen Augenblick geblüht hatte, verlor sich dabei manchmal in Einzelheiten, fand seinen Weg wieder zurück, lachte, weinte, zürnte, tat sich leid und beschuldigte sich, während Derek einfach nur still dasaß und sich das alles aufmerksam und geduldig anhörte. Als er seine Ausführungen endlich beendet hatte, sagte Derek dazu nur eine einzige Sache: „Du kannst es jetzt loslassen, Stiles!“ Stiles blickte ihn verblüfft an und schüttelte dann heftig den Kopf: „Das ist nicht so einfach!“ behauptete er aufgebracht: „Das sind meine Erinnerungen und Erfahrungen... das ist ein gesamtes gemeinsam gelebtes Leben! Das lässt man nicht einfach so hinter sich. Wie stellst du dir das vor?“ Derek seufzte und erklärte dann geduldig: „Sie war nicht die Richtige für dich! Sie war nicht deine Gefährtin! Lass´ sie los! Es ist vorbei. Du musst nun nie wieder kämpfen und du musst nie wieder allein sein. Ich bin hier! Ich liebe dich!“ Stiles wollte etwas erwidern. Er wollte lautstark widersprechen, doch er bekam einfach keinen Ton heraus. Er sah Dereks aufrichtigen Blick, welche sich voller Wärme auf ihn richtete wie ein Sonnenstrahl und so geschah es, dass mitten im eisigen Winter Alaskas endlich etwas in Stiles schmolz. Und die Tränen kamen von ganz allein! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)