Wolf im Schnee von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 24: No place like home ------------------------------ Derek krallte sich in seinen Sitz und starrte aus dem winzigen Flugzeugfenster hinunter auf die Welt, die sekündlich winziger und winziger wurde. Es war nicht stürmisch, aber dennoch windig genug, um die kleine Maschine tüchtig durchzuschütteln: „Ruhig Süßer! Ich bin bei dir!“ versicherte Stiles sanft und kraulte dem nervösen Werwolf den Nacken. Als unter ihnen eine Wapitiherde die eisige Landschaft durchquerte, berührte dieser sehnsüchtig die Scheibe, ganz so, als könne er die Tiere so fassen. Da wurde Stiles klar, was Derek alles für eine ungewisse Zukunft mit ihm hinter sich ließ: Ein große Stück Freiheit, die Jagd und das einzige Leben, welches er in den letzten zehn Jahren gekannt hatte und er fragte sich ernsthaft, ob es Recht war, den Wolf derart zu entwurzeln. Wie würden wohl die Vollmondnächte in Kalifornien für ein wildes Wesen wie ihn werden? Sicher, Beacon County war dicht bewaldet und doch gab es auch überall Autos, Straßen, Häuser und Menschen mit Gewehren, die Wölfe fürchteten. Würde Derek zum Beispiel bei einem Pärchenabend mit ihm, Scott und Allison bei einem Glas Wein ruhig am Kamin sitzen können, während das silbrige Licht des Erdtrabanten ein süßes Sirenenlied für ihn sang? Sie würden es wohl einfach abwarten müssen! Die erste Feuerprobe stand ihnen jedoch unmittelbar bevor, denn der Pilot sagte durch, dass sie in wenigen Minuten in Fairbanks landen würden. Nach dem Aufsetzen nahmen sie also das wenige Gepäck, welches sie dabei hatten, verließen die kleine Maschine über die Treppe und wurden von dem Piloten noch über das Rollfeld hinüber zur Schalterhalle des Flughafens eskortiert, ehe dieser sich von ihnen verabschiedete. Der Flughafen war im Grunde nicht sehr groß, aber dennoch waren hier mehr Menschen auf einem Haufen versammelt, als Derek seit einer Ewigkeit gesehen hatte und so klammerte er sich mit einem Anflug von Panik an Stiles Oberarm fest: „Ist in Ordnung, Süßer! Keiner tut dir etwas und ich bin bei dir. Aber nun zieh´ die Krallen wieder ein, bevor sie noch jemand sieht!“ sagte Stiles so ruhig wie möglich, als er spürte, wie sich Dereks Klauen durch den Stoff seines Parkers bohrten. Erschrocken blickte Derek hinab auf seine Hände, entschuldigte sich und riss sich zusammen, ehe er Stiles noch ernsthaft verletzte. Mitten in der Flughafenhalle hing das grellgelbe Modell eines altmodischen Flugzeugs. Es lenkte Derek ein wenig von den vielen Menschen ab. Er legte ratlos den Kopf schief und fragte: „Was soll das? Hatte es vielleicht einen Unfall?“ Nun musste Stiles lachen, gab dem Werwolf einen kleinen Kuss und spekulierte: „Nein Süßer. Ich denke, das ist Kunst oder so.“ Der Biologe hatte sich inzwischen ein wenig orientiert und fuhr fort: „Unsere Maschine geht erst in knapp einer Stunde. Lass´ uns da vorn noch schnell einen Kaffee, oder so trinken gehen und dann checken wir ein, einverstanden?“ Derek nickte. Was hätte er auch einwenden sollen? Dies hier war Stiles Welt; die Menschenwelt und er war so lange nicht mehr Teil davon gewesen, dass er es verlernt hatte, sich sicher in ihr zu bewegen. Er war voll und ganz auf Stiles angewiesen, darum griff er nach seiner Hand, weil sie sich nämlich auf gar keinen Fall verlieren durften. Stiles führte Derek zu einem der Tische, ließ ihn Platz nehmen, zeigte auf den Verkaufsschalter und erklärte: „Ich bin kurz dort drüben, um uns etwas zu trinken zu holen. Was möchtest du?“ Derek blickte ihn ängstlich an und zuckte mit den Schultern. Stiles ignorierte die komischen Blicke des Kerls am Nachbartisch und streichelte Dereks Wange: „Hab´ keine Angst. Ich bin wirklich gleich wieder bei dir. Ist Kaffee okay?“ Wieder ein Schulterzucken. In seiner unruhigen Sorge sah Derek jung und süß aus; diesen Eindruck konnten weder das kantige Gesicht, noch der dichte, borstige Bart gänzlich auslöschen und Stiles entschied: „Ich werde dir einen Kakao holen.“ Der Werwolf grinste breit und Wärme machte sich im Inneren des Biologen breit. Liebe? Oh ja, definitiv! Derek erhielt noch einen großen Pecanusskeks zu seinen Kakao und Stiles selbst genoss einen recht passablen Mokka. Anschließend zeigten sie ihre Tickets vor und passierten die Schleuse zur Wartehalle. Es dauerte nicht lange, bis sie zum einsteigen aufgefordert wurden. Derek trippelte nervös die Gangway entlang und beobachtete misstrauisch ihre Mitreisenden. Im Flieger überließ Stiles dem Werwolf den Platz am Fenster, damit er hinaussehen könnte und nicht neben einem Fremden sitzen müsste, denn der Biologe konnte sich lebhaft vorstellen, dass es für einen Wolf, der jahrelang nichts weiter als Freiheit, Weite und Einsamkeit gekannt hatte ein echter Alptraum sein musste, mit einem Haufen fremder Menschen und einer engen Blechröhre eingesperrt zu sein. Es dauerte ein wenig, doch irgendwann entspannte Derek sich ein wenig und als Stiles dann auch noch seine Hand hielt, schlief er schließlich sogar ein. Stiles ahnte, dass die größte Herausforderung des heutigen Tages für Derek erst noch kommen würde, wenn sie nämlich am LAX, dem Flughafen von Los Angeles ankämen: Lärm, grelles Licht und Tausende von Menschen. Hoffentlich vertraute der Werwolf ihm genug, um sich von ihm da ohne Zwischenfälle durchschleusen zu lassen. Als sie also dort ankamen, hakte er Derek unter und flüsterte ihm zu: „Schau einfach bloß auf den Boden und hör´ bloß auf meinen Herzschlag, Süßer! Ich bringe uns schon hier raus!“ Derek nickte und machte es dann auch genau so und Stiles manövrierte sie beide durch das gewaltige Flughafengebäude. Derek stand unter enormer Anspannung, sogar so sehr, dass er ein wenig zitterte und so beschloss der Biologe, ihren Reiseplan ein wenig zu ändern und lieber keinen Reisebus zu nehmen. Stattdessen steuerte er einen Leihwagenservice an, machte den Vertrag fertig und so ging es dann mit dem Auto weiter nach Beacon Hills. Natürlich gerieten sie noch in L.A. prompt in einen Stau und Derek auf dem Beifahrersitz schlang eng die Arme um den eigenen Körper, verkroch sich im Kragen seines Pullovers und kniff die Augen zu. Erst als sie die Millionenmetropole hinter sich gelassen hatten und über Landstraßen fuhren, atmete der Werwolf wieder ein wenig auf und betrachtete die vorbeifliegende Landschaft vom Fenster des Beifahrersitzes aus. Nach über zwei Stunden Autofahrt passierten sie endlich die Stadtgrenze ihrer Heimatstadt. Als ihr Weg sie zufällig am Sheriffsdepartment entlangführte, entschied Stiles aus einem Schuldgefühl heraus zähneknirschend, ein kleines Zugeständnis an seinen Dad machen zu lassen. Er sollte sich vielleicht wenigstens einmal kurz zeigen, wenn er nun schon mal wieder im Lande wäre: „Schaffst du es, zehn Minuten ohne mich, Großer?“ wollte er von Derek wissen. Der Werwolf sah alles andere als begeistert aus, doch er nickte und blieb allein im Wagen zurück. John Stilinski blickte müde von seinem Schreibtisch auf, doch als er seinen Sohn erblickte, erhellte sich seine Miene: „Junge! Du bist ja schon wieder da? Wie kommt denn das? Solltest du nicht lieber in einem Krankenhaus sein? Bist du in Ordnung?“ wollte der Sheriff wissen und machte es Stiles gleichzeitig unmöglich, auch nur eine seiner Fragen zu beantworten, da er ihn beinahe in seiner Umarmung erstickte. Erst als er ein bedenkliches Röcheln vernahm, ließ John seinen Sohn wieder los. „Mir geht es eigentlich recht gut, solange man mich nicht gerade zu Tode liebt! Wir sind gerade erst angekommen, Dad.“ gab Stiles zurück und seinen Worten folgte ein Hustenanfall. „Wir?“ fragte der Sheriff und blickte ihn scharf an: „Derek und ich. Ich habe doch gesagt, ich würde ihn mitbringen?“ erklärte Stiles „Ich kann noch immer nicht glauben, dass es wirklich er sein soll nach all´ den Jahren. Sicher, dass es nicht irgendein Hochstapler ist? Immerhin geht es hier auch um ein großes Erbe!“ wendete der Sheriff ein: „Lass´ mich kurz mit ihm sprechen. Ich finde das im Nu raus!“ „NEIN, DAD!“ rief Stiles entsetzt: „Derek ist kein Betrüger und du wirst jetzt auf keinen Fall mit ihm sprechen! Er braucht jetzt seine Ruhe. Die brauchen wir beide, denn wir haben eine lange, anstrengende Reise hinter uns. Du kannst frühestens in ein bis zwei Tagen mit ihm sprechen. Ich gebe dir Bescheid, wenn er soweit ist!“ „Ich mache mir doch bloß Sorgen, Stiles.“ erwiderte sein Vater kleinlaut: „Ich will nicht, dass dir wehgetan wird. Und falls er wirklich ein Schwindler ist...?“ „Ist er nicht, Dad!“ versicherte Stiles: „Ich bin der Sohn meines Vaters und habe auch deinen Spürsinn geerbt! Ich würde es wissen, wenn er lügen würde, aber Derek ist die ehrlichste Person, die ich kenne. Zu Falschheit ist er gar nicht fähig. Er spricht vielleicht nicht viel, doch das was er sagt ist stets die Wahrheit.“ Der Sheriff nickte: „Also gut, ich glaube dir. Dann geh´ nachhause, Junge. Ruh´ dich aus! Wir reden morgen, oder so.“ Stiles verabschiedete sich von seinem Vater und kehrte zum Auto zurück, wo Derek bereits sehnsüchtig auf ihn wartete. Seit sie in Beacon Hills angekommen waren, war der Werwolf wieder deutlich nervöser geworden und es war nicht schwer zu erraten, wieso dies so war: Hier mussten plötzlich wahnsinnig viele Erinnerungen auf ihn einprasseln und das war etwas, vor dem Stiles ihn leider nicht beschützen konnte. Auf dem schnellsten Weg machten sie sich nun auf zu jenem kleinen Apartment, welches Stiles seit der Scheidung bewohnte. Er war froh als er endlich die eigene Tür hinter sich und seinem Freund schließen konnte. Es war ein langer Weg gewesen, doch sie hatten es geschafft. „There´s no place like home!“ rief Stiles aus und schlug drei mal die Hacken zusammen.* *Eine Anspielung auf das Musical „The wizard of Oz“, in welchem es das kleine Mädchen Dorothy in das geheimnisvolle Land von Oz verschlägt, wo sie einige Abenteuer durchstehen muss, ehe sie wieder in ihre Heimat Kansas zurückkehren kann. Und mit ihren neuen roten Zauberschuhen geht das auch ganz einfach: Sie muss nur dreimal die Hacken zusammenschlagen! :-) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)