Kizuna II von Salada (Verdammung) ================================================================================ Kapitel 16: Skepsis -------------------   Stumm lehne ich an der hintersten Wand, während der große Saal sich allmählich mit Leben fühlt. Mein Bruder und Kagome sitzen routiniert am Tisch, warten auf die übrigen Gäste, um das Frühstück beginnen zu lassen. Untypischerweise habe ich heute keinen Hunger. Mein Wesen ist unruhig und ich erahne schon, wo der Ursprung dafür liegt.   Bestätigend verfolgen meine Augen mittlerweile ziemlich skeptisch jede Bewegung der zierlichen Miko. Auch wenn sie gerade nur gedankenverloren an ihren Tee nippt, bin ich mehr, als beunruhigt.   In den letzten Tagen benahm sich Kagome äußerst merkwürdig.  Zuerst konnte ich es nicht genau sagen, aber irgendwie ist es, als wenn sich ihr ganzes Wesen gewandelt hätte.  Vorher war sie eher mürrisch, wollte nicht in die Nähe der Lords, wahrscheinlich da die bedrohliche Aura ihr zunehmend unangenehm war. Das habe ich immer wieder deutlich spüren können. Ihr gesamter Körper stand ständig unter Anspannung. Allein ihre Atmung nahm einen unnatürlichen Rhythmus an, wenn sie den großen Saal zu den Mahlzeiten aufsuchen musste. Doch nachdem sie diesen widerlichen Tsura begegnet war hat sie immer häufiger den Kontakt zu ihm gesucht. Sie scheint dabei weder besonders interessiert an dem Vogel zu sein, noch abgeneigt. Ihre Gespräche scheinen mehr gezwungen. Ich kann weiterhin ihre Anspannung spüren. Doch selbst, wenn sie sich den anderen Gästen zuwendet bleibt sie vorzugsweise in der Nähe von diesem geschminkten Kerl. Dieser stinkende Vogel genießt allem Anschein ihre Aufmerksamkeit auch noch, ganz im Gegenteil zu diesem Weib, welches wie ein Insekt an ihm hängt. Ihre giftgrünen Augen sind ständig in dem Versuch die Schwarzhaarige allein mit Blicken zu erdolchen, während ihre viel zu hohe Stimme in übertriebener Höflichkeit sich ihr mitteilt. Auch wenn ich in der Tat zugeben muss, dass sie dem Möchtegern Schönling was das Äußere betrifft in nichts nachsteht, so wirkt sie für mich umso mehr, wie eine Furcht die von Innen bereits am verfaulen ist. Auch ihr Duft ist stark und viel zu süß. Während sie ihr, ziemlich offensichtlich zur Schau gestelltes Dekolleté meist an ihren Herren presst, spricht sie laut und schrill in einen komischen Dialekt. Es ist fast unmöglich ihr Geschwafel zu überhören. Auch wenn Kagome die ein oder andere Stichelei von der Schwänin entgegen geschleudert bekommt, ignoriert die Miko dies möglichst und beflügelt weiterhin den Lord des Südens mit Interesse und Zuwendung.     Selbst Sesshoumaru schien das aufgefallen zu sein. Seine Aura wird jedesmal unruhig sobald sich Kagomes Aufmerksamkeit Fukutsu zuwendet. Sein Blick wandert immer wieder zu der Schwarzhaarigen, mustert sie ebenfalls skeptisch, lässt sie jedoch gewähren.     Ich kann mir einfach beim besten Willen keinen Reim aus ihrem Verhalten machen.   Ich versuche, mich so wenig es geht, darüber zu wundern, doch kann ich nicht bestreiten, dass es mich allmählich wahnsinnig macht, nicht zu wissen, was die Miko verbirgt.     „Ganz im Gegenteil Inu Yasha. Ich werde die nächste Zeit nicht von seiner Seite weichen.“    Ich knirsche ungehalten mit den Zähnen, während ich weiterhin ihren Rücken schier durchbohre.    Sie führt etwas im Schilde.   Ganz klar.   Aber immer, wenn ich das Thema anspreche, blockt sie ab.       Der große Bärendämon erregt unerwarteterweise meine Aufmerksamkeit, als er auf Kagome zutritt. Doch im Gegensatz zu den anderen Daiyoukais, bleib ich bei ihm eher gelassen. Von allen vornehmen Lords,die sich hier aufhalten, ist er mir wohl am liebsten, da er kein blöder Wichtigtuer ist, seine Macht nicht offen darstellt, sondern im Hintergrund bleibt, ähnlich, wie es mein Bruder tut. Wenn er mit Kagome spricht belässt er es beim nötigsten, nämlich den Anstand sich nach ihrem Befinden zu erkundigen und ihr einen guten Tag zu wünschen. Dann verzieht er sich in eine ruhige Ecke und beobachtet hauptsächlich. Als die Katze den Saal betritt muss ich unwillkürlich ein Stöhnen unterdrücken. Der Gestank ist mir mittlerweile egal, aber seine arrogante Fresse kann ich einfach nicht ertragen. Jedes Mal, wenn er die Räumlichkeiten betritt wandert sein Blick herausfordernd und kalt zu meinem Bruder, gleich wie eine dreckige Raubkatze, die er ist, mit der Absicht die Kehle seines Opfers endlich zu schlitzen. Auch wenn ich Ani früher selbst gerne um die Ecke gebracht hätte, so sind unsere Streitereien wohl ein Scheißdreck gegen diese hier. Dieser Daiyoukai schaut ihn mit keinem Funken Mitleid an, allein die blanke Todesgier liegt in seinem Blick.  Elende Neko.     Zudem liegt heute noch etwas anderes in der Luft.   Ein kaum merkbarer Unterschied, aber dennoch vorhanden.   Unruhe.  Morgen werden die ersten Verhandlungen gehalten, hat mir Naoki mitgeteilt. Ich hatte mich schon gefragt wie lang diese Feste anhalten sollen, schließlich trinken und Essen die Dämonen schon seit Tagen. Morgen Vormittag geht es wohl dann an das Geschäftliche. Naoki war ebenfalls angespannt und ich kam nicht umhin, ihn zu fragen, auf was ich mich gefasst machen soll. Es ist unübersehbar, dass Ärger in der Luft liegt. Naoki hat sich kurzgehalten, vieles unausgesprochen gelassen, doch das Wenige hat gereicht.    „Auf dem Gebiet des geschäftlichen Verhandelns sind Meinungsverschiedenheiten vorbestimmt.“    Pah, Ärger ist somit gar kein Ausdruck...      Aus dem Augenwinkel nimmt mich plötzlich etwas Rotes gefangen. Ayakas Augen scheinen zu leuchten, als Kagome sich eine Strähne hinters Ohr streicht. Ein tiefes, leisen Knurren kann ich bei seinem deutlichen Interesse nicht unterdrücken, will ich auch gar nicht, da diese Warnungen bereits notwendig erscheinen. Der verdammte Vampir blickt zu mir und grinst unverschämt, ehe er sich umdreht und sich zu seinem Herrn begibt. Dieser Blutsauger ist mir nicht geheuer. Seine Aufmerksamkeit der Miko gegenüber scheint jeden Tag zu steigen. Doch nur selten kann ich Ihn davon abhalten, sich mit der jungen Frau zu unterhalten, wenn er es wünscht. Auch Kagome scheint ihm gegenüber unsicher. Sie hat mir selbst gesagt, dass sie nicht genau weiß, was sie von ihm halten soll.  Im Gegensatz zu mir.   Egal für was er sich ausgibt:  Dieser Kerl stinkt nach Gefahr.     Als die Miko sich nach dem Frühstück von allen verabschiedet schwankt sie leicht beim Aufstehen. Trotz gesunder Ernährung scheint ihr Körper abgemagert und ihre Haut hat einen fahlen Ton angenommen. Der große Einfluss an Youkai scheint ihrem Leib keinen direkten Schaden zuzufügen, doch Kaede hat mir eins gesagt, dass der Energieaufwand, den der Körper für die Reinhaltung benötigt enorm ist.     Ich stoße mich schon automatisch von der Wand ab, um ihr entgegen zu kommen und notfalls zu stützen, doch als sie mich sieht hebt sie abwehrend die Hand und strafft gleichzeitig die Schultern.  Die Mischung aus Sturheit und Stolz hat sie sich wohl von meinem Halbbruder abgeguckt und ist wohl bei dieser Horde auch notwendig. Eine falsche Schwäche und man stürzt sich auf die Schwarzhaarige, wie ein Stück Fleisch. Deswegen halte ich mich zurück, lasse sie alleine Richtung Ausgang gehen, wenn auch nur widerwillig. Zugleich staune ich immer wieder, wie stark das Mädchen aus der Zukunft geworden ist.    „Bring sie zurück.“    Naoki tritt neben mich und betrachtet die Miko ausdruckslos. Doch auch wenn ich den kleinen Glimmer an Sorge an ihm nicht ausmachen kann, ist mir sehr wohl bewusst, wie er sie manchmal ansieht. Nichts worüber ich eifersüchtig sein sollte, doch irgendwie hat sich auch bei ihm eine gewisse Akzeptanz gegenüber der Miko breit gemacht. Er ist kein schlechter Kerl, musste ich in den wenigen Tagen unweigerlich zugeben. Wenn man länger mit ihm zusammen ist bekommt man ein Gefühl dafür, wie er denkt. Er scheint auch einer der Wenigen zu sein, der sich nicht an meinem Hanyou-Dasein stört. Bisher hat er nicht ein abfälliges Wort gegenüber meiner Herkunft erwähnt. Ab und an hat er mich über den Kampf gegen Naraku ausgefragt und war auch an Tessaiga interessiert. Einmal konnte ich seine Freude fürs Duellieren entdecken, als wir uns für ein kleines Training gemessen hatten. Ähnlich wie ich, scheint er ein wild entschlossener Kämpfer zu sein, der fair und aufrichtig seinem Gegenüber entgegentritt. Ich komm nicht umhin, diese Eigenschaft an ihm zu wertschätzen.    Ich nicke ihm zu und begebe mich zur Tür, folge der Miko, die sich tapfer geradeaus bewegt. Als der Raum hinter uns verschlossen wird, bricht sie, wie ich es bereits erwartet habe, hinter der nächsten Ecke zusammen.   Ich bin schnell genug, um sie auf zu fangen, ihren zierlichen Körper zu umschließen und Halt zu geben.   Ihre tiefen Atemzüge verstärken meine Sorge um sie noch weiter.    „Kagome...“    Ich weiß noch nicht einmal genau, was ich sagen soll, geschweige denn ihr raten soll. Sie kann weder die Treffen mit den Lords umgehen, noch sich intensiv von der Dämonenaura erholen. Selbst in ihrem Schlafbereich ist das Youki noch greifbar. Diese beschissenen, vollwertigen Dämonen halten es auch nicht für nötig ihre Energien zu unterdrücken. Im Gegenteil, sie scheinen nur zu gerne die Grenzen der Miko auszutesten...      „Es geht gleich wieder...“, holt mich die Schwarzhaarige mit röchelnder Stimme aus meinen Überlegungen. Ich ignoriere ihre Aussage und nehme sie auf meine Arme, als ich ihre zitternden Knie bemerke. Ohne jeweiligen Protest lässt sie es zu, zeigt mir nur einmal mehr, wie schlecht es um sie geht. Ihre Energie hat einen schwierigen Punkt erreicht. Es fehlt nicht mehr viel und sie verliert das Bewusstsein.     Man muss doch irgendetwas tun können...    „Tss, so kann das nicht weiter gehen...“, knurre ich frustriert, fühle mich nutzlos und hilflos, wie ein bescheuerter Welpe.     Sie brummt zustimmend, sagt jedoch nichts weiter dazu und drückt sich stattdessen an meine Brust. Der Panzer ist dabei sicher nicht gerade angenehm.     Ich sauge ihren Duft ein.   Seitdem sie bei Sesshoumaru ist hat er einen faden Beigeschmack bekommen.  Dieser macht mir unverhohlen klar, was das bedeutet.   Wem sie nun eindeutig und unwiderruflich gehört.    Bei dem Gedanken schlucke ich, versuche meine noch weiter ansteigende Frustration zu bekämpfen. Allein die Vorstellung lässt mich schier Rot sehen. Doch das schlimmste dabei ist wohl der ab und an mitleidige Blick der jungen Frau, jedes Mal, wenn wir alleine sind, jedes Mal am Ende eines kleinen Gespräches.   Es kotzt mich an.  Nicht die Tatsache, dass sie Mitleid für meine Situation empfindet, sondern viel mehr der intensive Schmerz gemischt mit Scharm, die sich in Ihren Augen widerspiegeln. Auch wenn sie es nicht beabsichtig zu zeigen, doch fast bei jedem Blickkontakt kann ich erkenne, wie sie sich selbst die Schuld für alles gibt.   Wie sie selber leidet, weil sie nicht weiß, wie sie sich mir gegenüber richtig verhalten soll.   Bei Kami und wenn sie mit meinem Bruder schläft und auch wenn ich ab und an deswegen Verachtung empfinde, so weiß ich doch ganz genau, dass sie nichts dafürkann.       „Mama, wieso bin ich anders als die anderen Kinder?“    „Weil du etwas ganz Besonderes bist, Inu Yasha.“    „Aber wieso? Kann ich nicht einfach auch ganz normal sein?“    „Leider kann man sich, wie so vieles im Leben, das nicht immer selber aussuchen, mein Kleiner. Wir müssen mit Manchem einfach leben, auch wenn uns Andere dafür möglicherweise nicht mögen, oder wir selber damit nicht glücklich sind.“    Eine große Hand streicht liebevoll über meinen Kopf.    „Aber weißt du was? So etwas macht uns immer stärker. Vergiss das nicht.“      Ich bin mir heute ziemlich sicher, dass meine Mutter damals ihre eigene Situation vor Augen hatte. Sie muss es während und nach der Zeit mit meinem Vater ähnlich, wie Kagome jetzt, ziemlich schwer gehabt haben. Schließlich war sie eine Hime und hatte ebenfalls Pflichten und ein Ansehen zu tragen. All die Diskriminierungen und Blicke, die ich zu jener Zeit nicht deuten konnte sind nun wie viele kleine Messerstiche in meiner Brust.   Kami, wenn ich doch nur die Möglichkeit gehabt hätte sie vor all diesem zu bewahren…    Mein Bick fällt unweigerlich wieder in die Realität auf das kleine kraftlose Wesen in meinen Armen.    Bei ihr wird es anders sein.   Ich werde sie beschützen.  Egal vor was.  Und wenn es meine eigene Person sein sollte…          Schneller, als mir lieb ist kommen wir bei Ihrer Veranda an und ich setze sie vorsichtig ab.    „Inu Yasha?“    Sie sucht gezielt meinen Blick und ich schaue ihr in ihre müden Augen, würde ihr in diesem Zustand auf der Stelle jeden Wunsch erfüllen.    „Ich danke dir, dass du hier bist. Ich weiß, dass ist nicht leicht für dich. Aber ich kann dir gar nicht sagen, was deine Unterstützung für mich bedeutet.“    Ihre Wangen werden leicht rot, was einen starken Kontrast zu ihrer sonst blassen Haut ergibt. Sie lächelt mich an, versucht mir all ihre Dankbarkeit zu schenken und die Schuld und Trauer damit zu übertünchen. Ich kann mein Herz in meiner Brust laut schlagen hören und wahrscheinlich leuchte ich noch mehr, als sie es tut. Dabei ist es eine Mischung aus Rührung und Wut, dass sie, wiedermal, das Befinden Andere über ihr eigenes stellt.      Beschämt breche ich den Blickkontakt und suche einen Punkt, auf den ich meine nervösen Augen eher binden kann.    „Das ist doch klar. Als ob ich dich mit dieser Horde an Dämonen alleine lassen würde.“    Vorsichtig riskiere ich einen Blick in ihr Gesicht, während ich meine Arme in meinem Haori verschränke.     „Trotzdem danke.“, flüstert sie schon fast kraftlos.     Langsam dreht sie sich um und schiebt ihre Türe beiseite, während mich ein eigenartiges Gefühl von Verlust und Mitleid überrollt. Ihre Erscheinung wirkt auf einmal unglaublich einsam und verloren. Unweigerlich gleitet mir ein Bild von meiner Mutter vor Augen, dann eins von Kikyo, welche damals auf der großen Lichtung im Gras ebenfalls unglaublich unglücklich und schwach aussah. Noch während ich genauer darüber nachdenken konnte reagiert mein Körper bereits wie von selbst und greift schon fast panisch nach dem Arm der Reinkanation.     „Du weißt, ich bin immer für dich da.“    Meine Stimme ist lauter, als beabsichtigt.   Dafür aber so ehrlich und aufrichtig, wie ich mich fühle.  Ich will, dass sie es weiß.   Das sie weiß, dass sich für mich Nichts geändert hat. Weder meine Freundschaft für sie noch die Liebe, die ich hier für sie nicht fühlen darf. Und dennoch soll sie wissen, dass es möglich wäre, dass ich immer noch da bin.    Ihr Blick ist erst verwundert, dann ernst dem meinen zugewandt. Ein Ausdruck der mir nicht verrät, wie sie darüber denkt. Eine Eigenschaft, geschuldet diesen Umständen, denen sie sich nicht entziehen kann.   Verdammt, ich hasse es, wenn sie mir gegenüber so reagiert.   Nur widerwillig lasse ich sie ziehen, als sie sich von mir abwendet und im Begriff ist ins Innere ihrer Räumlichkeiten zu flüchten. Als sie jedoch die Tür zuschiebt hält sie kurz inne und ich meine sie leise „Ich weiß. Danke“ murmeln zu hören.    Ich begreife erst, was für ein riesen Idiot ich eigentlich bin, als ich ihre Tränen riechen kann.     So eine Scheiße...    .  .  .          Es ist spät, als ich seine Schritte höre, noch bevor ich ihn sehe. Innerlich versuch ich mich zu wappnen, doch bei meinem Halbbruder weiß man nie, wovor. Also strecke ich lediglich den Rücken durch, greife nach Tessaiga und warte auf seine Ankunft. In dem flackernden Licht, welches rings um die Veranda leuchtet scheint seine Gestalt zusätzlich an Stolz und Dominanz zu gewinnen. Eine Tatsache, die mich innerlich die Zähne knirschen lässt. Auch wenn ich es nie laut aussprechen würde, bewundere ich ihn für seine innere Ruhe und Gelassenheit. Etwas, was ich mir von Zeit zu Zeit auch Wünschen würde. In einigen Fällen, kann diese Eigenschaft bedrohlicher sein, als die Klinge meines Schwertes...    „Du solltest nicht in ihre Nähe kommen. Das viele Youki hier schwächt sie.“    Sein herablassender Blick der sofort auf mich fällt macht mir nichts aus. Ich kenne nichts anderes von ihm. Selbst als er mich hat rufen lassen, bekam ich nichts weiter, als seine ausdruckslose Scheißvisage.    „Meine Aura ist es nicht, die sie schwächt. Bleib heute bei Naoki, er wird dich wegen morgen unterrichten.“    „Du...“    „Das war keine Bitte!“, unterbricht er mich harsch und seine Lautstärke, die ich selten bei ihm zu hören bekomme, lässt mich zögern, abermals zu widersprechen. Der Hund in mir schmeißt sich bereits auf den Rücken in voller Unterwerfung, doch der Mensch hält dagegen. Mürrisch gehe ich an ihm vorbei und suche bereits nach dem Geruch dieses Drachen.    „Wenn du willst, dass sie den morgigen Tag überlegt, dann lass sie gefälligst schlafen.“    Ich bin mir ziemlich sicher, dass er keineswegs vorhat, ihr in irgendeiner Form Schaden zuzufügen, dennoch weiß ich nicht, wie sich sein Auftauchen auf Sie auswirkt. Doch als er kommentarlos ihre Räumlichkeiten betritt kann ich bereits wahrnehmen, wie sich ihre Atmung bessert.      Das Gefühl von Eifersucht schleicht sich, wie ein sich bildender Fluss in meine Brust, doch überschattet es dabei keinesfalls die Erleichterung über den, sich nun besser werdenden Zustand. Hm, dieses Kizuna scheint dieses Mal wirklich hilfreich zu sein...          .  .  .              Es ist früh am Morgen, als ich Ihren Geruch näherkommen bemerke. Mein Halbbruder kommt zuerst in den großen Verhandlungsraum, der sich deutlich von der Festhalle unterscheidet. Hier sind die Papierwände prunkvoll mit Gold bemalt und strahlen in der aufgehenden Morgensonne, als wollen sie ihre Gäste willkommen heißen. Alles hier drin wirkt teuer und edel, etwas, was ich von Sesshoumaru nicht erwartet hätte.   Aber als Lord wohl gängig.   Der Raum ist in drei Teilbereiche unterteilt, die sich in Höhe und Größe unterscheiden.   Der untere Teil ist den Beratern und obersten Kriegsheeren vorbehalten. Eine Stufe darüber werden die Lords Platz nehmen, während ganz oben der Gastgeber, und somit Sesshoumaru sitzen wird. Kagome und ich werden uns zu den Beratern gesellen und versuchen uns möglichst aus den Geschehen zu halten, so hat es mir Naoki zu mindestens eingetrichtert.   Jedes falsche Wort hier drinnen könnte den Ruf des Westens schaden.     Kagome setzt sich stumm auf das Kissen hinter dem Drachen, während ich neben ihr Platz nehme. Die Schuhe drücken im Fersensitz unangenehm und am liebsten würde ich sie sofort von meinen Füßen reißen.   Kami, wer diese Teile erfunden hat gehört gefoltert.   Um mir Ablenkung zu verschaffen lassen ich meinen Blick über die ziemlich ruhige Frau neben mir gleiten. Ich kann es nicht genau sagen, aber der erste Eindruck lässt andeuten, dass es ihr heute wesentlich besser geht. Ihre Wangen haben eine zarte Röte und ihre Haltung ist gesund und kräftig. Sie wandert mit ihren klaren Augen durch den Raum, bis sie bei mir endet. Ihr Lächeln zeigt einen Hauch Freude über meine Anwesenheit gepaart mit tiefer Dankbarkeit, sowie den faden Beigeschmack von Mitleid, der momentan ständig an ihr haftet.  Auch wenn es nicht so scheint verkrampfen sich meine Muskeln minimal, als sich nun sämtliche Daiyoukais mit Gefährten und Beratern an ihren Tischen begeben und Stille einkehrt.  Vorzugsweise verschenke ich die Arme und ergebe mich meinem Schicksal, weiß ich doch eigentlich nicht, was ich hier genau soll, bis darauf zu achten, dass Kagome nicht von einer Horde Daiyoukai verschlungen wird.      Sesshoumaru greift in sein Gewand und holt eine ziemlich lange Schriftrolle hervor, ehe er sie in einer lässigen Bewegung auf dem Tisch ausrollen lässt.  Minimal strecke ich meinen Hals, um zu erkennen, dass es sich um eine große Landkarte handelt.    „Wo gibt es Probleme?“, richtet sich Naoki an die Lords, als er sich nach Sesshoumarus Nicken erhoben hat.    Sofort beginnt der Kotzbrocken von einer Katze mit einer Triade an Beschwerden über das Eingreifen der Menschen in seine Länderrein. Sein Hass gegenüber den Sterblichen dringt dabei mehr, als deutlich hervor. Manche Sachen lässt er unausgesprochen, aber ich bin mir ziemlich sicher: Wenn es nach ihm gehen würde, würde er „diese ganze Sippe“ sofort dem Erdboden gleich machen.   Angewidert rümpf ich die Nase, während mein Blick zu dem Geschöpf wandert, über dessen Rasse man hier so derbe herzieht.  Ganz wie eine stolze Miko sieht man ihr, wenn vorhanden, die Kränkung nicht an. Still betrachtet sie die Runde, wandert mit ihren rehbraunen Augen zwischen den jeweiligen, sprechenden Parteien hin und her. Allein ihre fummelnden Hände geben Aufschluss darauf, dass sie ebenfalls diese Anspannung im Raum bemerkt hat.    „Sesshoumaru, die Menschen gehen zu weit. Besonders die deinen! Sie überqueren die Grenzen und richten Schaden auf meiner Seite an.“    „Die Menschen kennen die genauen Grenzen nicht. Und sollten deine Dämonen zu schwach sein, sie auf zu halten, so würde ich die Stärke deinesgleichen in Frage stellen.“    „Du wagst es meine Rasse als schwach zu bezeichnen? Ich könnte diese jämmerlichen Kreaturen mit einer Handbewegung ausrotten.“    Die Energie steigt impulsiv an und mein Griff geht sofort reflexartig zu Tessaiga, während sich mein Blick immer wieder kurzzeitig zu meinem Bruder richtet. Solang er nicht agiert, werde ich mich zurückhalten, doch sollte Kagome Gefahr drohen sehe ich Rot. Sesshoumaru jedoch bleibt gelassen.    „Du weißt, was passiert, sollten die Menschen vernichtet werden. Du hast es damals selbst miterlebt. Es ist jeher dasselbe Schema: Wir fressen sie und sie versuchen uns daran zu hindern. Das Gleichgewicht darf niemals wieder gestört werden.“    Ich runzle die Stirn bei seinen Worten, hören sie sich aus seinem Mund doch ziemlich verkehrt an. Mein Halbbruder, der sich für die menschliche Rasse stark macht? Unvorstellbar bisher und insgeheim frage ich mich, ob Kizuna auch hier ihre Finger im Spiel hat.   Die Neko knirscht mir den Zähnen setzt sich dann aber wieder, nachdem er bei seinem Ausruf abrupt aufgesprungen ist. Die Atmosphäre im Raum gelegt sich wieder und ich lasse zögernd von Tessaiga ab, als ich Naokis intensiven Blick spüre. Zufrieden nickt er und widmet sich dann den weiteren Angelegenheiten. Immer wieder fallen von allen Seiten unterschwellige Bemerkungen, Andeutungen oder sogar Drohungen und es ist mehr, als nur eine leicht unangenehme Stimmung in diesen vier Wänden. Kagome scheint möglichst genau zuzuhören, versucht sich jedes noch so kleine Detail zu merken, doch so wie bei mir, scheinen nicht alle Sachen erklärlich. Zum Teil werden über Zeiten geredet, die sogar die meines Vaters überschreiten. Eine Zeitspanne, kaum vorstellbar für ein einzelnes Leben eines Menschen.    „Die Dämonen aus China versuchen immer wieder das Land anzugreifen.“, bringt der Vogel mit deutlich weinerlicher Mine ein, “sie sind groß und stark und nur schwer klein zu bekommen.”    „Ich werde dir Truppen zur Unterstützung schicken.“, bringt der große Bär sachlich vor und ergattert mit seiner angebotenen Hilfe meine Sympathie. Doch Kagome zieht plötzlich scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. Sofort legen sich alle Augenpaare auf ihre zierliche Person und ich unterdrücke den Drang, der mich augenscheinlich im selben Moment überkommt, mich zwischen sie und den Daiyoukais zu stellen.    „Habt ihr Einwände, Kagome-sama?“, spricht Tadashi im neutralen Ton.    Kagome zieht die Lippen zu einer schmalen Linie, als wenn sie sich selbst das Sprechen verbietet.    „Als Gefährtin von Lord Sesshoumaru-sama habt ihr das Recht zu sprechen. Eure Meinung wird hier ebenso wertgeschätzt.”    Ich hätte fast gelacht, so aberwitzig ist diese Aussage in meinen Augen, nachdem die ganze Zeit bezüglich ihrer Rasse so viele unterschwelligen Äußerungen kamen.      Irritierenderweise kommt dieser Kommentar auch noch von dem grässlichen Vogel, der gleichwohl seine Worte mit Ernsthaftigkeit und deutlichem Interesse schmückt, als dabei auch zum Schluss ein falsches Lächeln zutage legt.    Kagome überlegt kurz, knetet abermals ihre Finger, ehe sie zögernd zu sprechen beginnt:    „Ich danke euch, Lord Fukutsu, für euren Zuspruch, doch ziehe ich es vor, mich aus den Verhandlungen raus zu halten. Das überlasse ich dann doch der langen Erfahrung und Weisheit euresgleichen.“    Sie meint Ihre Äußerung aufrichtig und versucht wohl das Thema genauso schnell fallen zu lassen, wie es aufgetaucht ist. Die Situation ist ihr sichtlich unangenehm.    „Weise Worte. Daran sollten sich andere Weiber ein Beispiel nehmen.“    Lord Fusakerus Blick wandert bei seinen in Abscheu getränkten Worten zu der Frau des Vogels, die die Verhandlungen mit mal mehr, mal weniger hilfreichen Aussagen beigewohnt hatte. Diese warf ihren giftigen Blick auf den Daiyoukai und als sie schon ihre scharfe Zunge zum Einsatz bringen wollte, hält sie der Vogeldämon zurück. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen....          -------------------------------------------          Als die Verhandlungen enden atme ich ehrlich erleichtert aus und bemerke erst dann, wie angespannt ich die ganze Zeit war. Ich kann wirklich nicht sagen in welchem Maßstab diese erste Sitzung stattgefunden hat. Zumindest sind keine Kriegserklärungen gefallen oder Köpfe gerollt.    Inu Yasha schließt in seiner mittlerweile antrainierten Form unauffällig zu mir auf und wartet, bis wir uns weit genug von den Lords entfernt haben, ehe er das Wort an mich richtet.    „Du hättest sprechen dürfen, als man es dir angeboten hat.“    Ich habe damit gerechnet, schließlich kennt er mich als jemand, der seine Meinung äußert, egal wer vor mir steht oder ob ich alleine mit meiner Äußerung dar stehen würde. Dennoch kam sein Kommentar diesbezüglich schneller als ich gedacht hätte.    „Es ist... schwierig.“    Geduldig wartet er, ist nicht zufrieden mit meiner knappen Aussage, spüre ich doch nur zu deutlich seinen bohrenden Blick im Rücken. Als wir um die Ecke biegen räuspere ich mich kurz, ehe ich meine Schritte verlangsame, sodass wir nebeneinander gehen. Er hat seine typische Haltung. Arme in seinem Haori verschränkt, die Schultern gestraft und einen aufmerksamen Blick nach vorn.    „Ich kenne die Geschichte der nächsten 500 Jahre. Ich weiß welche Handlung welche Folgen mit sich bringen wird.“    „Also weißt du, was die Entscheidungen, die heute getroffen wurden für die Zukunft bedeuten?“    Ich nicke.    „Wenn ich mich jedoch aktiv dabei verhalte, könnte ich die gesamte Geschichte ändern und vielleicht nie geboren werden.“    Sein Blick gibt mir zu verstehen, was er von dieser Aussage hält.    „Dann schweig auch weiterhin.“    „Das hatte ich vor.“    Kurz zögere ich, kaue nochmal kurz auf meiner Unterlippe, ehe ich ergeben einmal tief ein- und wieder ausatme.    „Aber ich muss trotzdem mit Sesshoumaru sprechen.“  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)