Hundstage von Hotepneith (Kein Hund wie jeder andere) ================================================================================ Kapitel 30: Besuch ------------------ Am Mittwoch gab Izayoi Anordnungen für ihren Besuch, was ihre Zofe, die noch immer unter den Nachwirkungen von Sesshoumarus Schlag litt, fast ein wenig vorwurfsvoll fragen ließ: „Glauben Sie, Izayoi-sama, dass oyakata-sama das recht sein wird?“ Natürlich überaus höflich gefragt. Die junge Dame, in dem vollen Bewusstsein ihrer Macht über die Gefühle ihres Ehemanns, richtete sich auf. „Oyakata-sama gab mir diesbezüglich freie Hand. Natürlich in den Grenzen der Schicklichkeit. Ich weiß nicht, Misako, warum du annimmst, ich würde etwas tun, was ihn verärgern würde.“ Die alte Zofe wusste, sie war zu weit gegangen. Izayoi durfte sie schon von sich aus kündigen, welche Stellungsaussichten sie dann hatte, war wohl eher gegen Null tendierend. Aber nur ein Narr hätte nicht gesehen, wie oft der Herr seine Gemahlin besuchte, sie eindeutig nicht vernachlässigte. „Das meinte ich nicht, Izayoi-sama, entschuldigen Sie. Aber Sie hatten eben noch nie Besuch für solange hier.“ „Ich hatte noch nie Besuch hier, obwohl oyakata-sama in seiner Güte mir dies bereits am Tag unserer Hochzeit zusagte.“ „Natürlich, vergeben Sie mir. Ich werde für die Fahrer der jungen Damen alles drüben im Menschentrakt herrichten lassen.“ Gewonnen, dachte Izayoi vergnügt, die sich sehr auf ihren ersten Besuch freute und sich bemühte alles für ihre Freundinnen gut vorauszuplanen.   So wartete sie am Mittwoch um drei in ihrem Pavillon mit ihren Damen auf die Nachricht, dass ihre Gäste eingetroffen wären. Als der Anruf vom Tor kam, ging sie mit ihnen hinüber zu dem Vorplatz des Schlosses, wo die drei Wagen hintereinander vorfuhren und die Chauffeure rasch ausstiegen, um ihren Herrinnen zu helfen. Izayoi warf einen wachsamen Blick herum. Ja, da war dieser Takemaru Setsuna, der Mensch, der gemeinsam mit Akiko die Fahrer hinüber in den Menschentrakt bringen sollte, wo sie essen, trinken und plaudern konnten. Sie hielt nicht viel davon, die armen Kerle stundenlang neben den Autos warten zu lassen. Freundschaftliche Umarmungen waren in der Öffentlichkeit natürlich verboten und so verneigten sich ihre Freundinnen auch nur vor ihr. „Willkommen“ sagte sie höflich. „Bitte, folgt mir in den Pavillon. - Vielleicht finden wir nachher auch Gelegenheit ein wenig durch die Gärten zu spazieren. Sie sind wundervoll angelegt.“ Die möglichst verstohlenen Blicke von Michiko, Maiko und Nyoko galten allerdings den Youkai, vor allem den Kriegern, die sich ein wenig zwischen Schloss und Pavillon versammelt hatten, sich aber nun wieder dezent zurückzogen. Natürlich würden sie alle ein zusätzliches Augenmerk auf den Jade-Pavillon haben. Schließlich war der Herr heute nicht da. Aber niemand wollte ausprobieren, wie er reagieren würde, würde seiner Gemahlin oder Gästen etwas zustoßen. „Ich zeige euch meine Wohnung, danach trinken wir etwas Tee, ja?“ schlug Izayoi vor. Wie ihre Freundinnen nur zu gut wussten, bedeutete nach dem Tee auch, dass die Dienstboten weggeschickt wurden und man dann unter sich war. So hatte keine etwas gegen diesen Plan einzuwenden.   Dass Izayoi drei Räume zur alleinigen Verfügung hatte, wunderte keine ihrer Freundinnen, die alle reich geheiratet hatten. Die kunstfertig bestickten Kimono im Ankleidezimmer riefen dagegen Entzücken hervor. „Ja, die Spinnen. Arachna GmbH, nicht wahr?“ Michiko strich behutsam über die Seide. „Ich habe nur wenige davon. Aber deinem Mann gehören die Spinnereien ja.“ Izayoi war etwas überrascht, meinte jedoch nur: „Das weiß ich nicht. Geschäftliches bespricht er nie mit mir. Das wurde mir bei unserer Hochzeit zur Verfügung gestellt.“ „Natürlich nicht.“ Maiko lächelte. „Fürstensachen und so auch nicht, wie meiner. Aber Youkai können wirklich sticken. Ich möchte auch so etwas. Sieh nur, wie fein dieser Vogel ist, alle Federn ...“ „Auch die Seide ist wundervoll.“ Nyoko sah zu ihrer Gastgeberin. „Einiges können Youkai wirklich besser. - Stören dich die ganzen Krieger eigentlich nicht, die hier dauernd herumschwirren?“ „Nein. Sie haben sich auch nur zu eurem Empfang hier versammelt. Normalerweise gehen sie verstreut durch den Park. Und mich sieht sowieso keiner an.“ Nach allem, was sie wusste, wäre das eine Respektlosigkeit gegenüber ihrem Ehemann gewesen. „Deswegen habe ich ja den Pavillon, damit ich mich an sie gewöhnen kann. Ich könnte auch jederzeit drüben ins Schloss ziehen, wo es einen eigenen Frauentrakt gibt. Aber, der wäre mir zu groß. Es sind, glaube ich, zwölf Zimmer. Was sollte ich damit.“ „Kinder bekommen,“ kicherte Michiko, deren Schwangerschaft man unter dem Kimono kaum entdecken konnte. „Aber gleich zehn … Da war wohl jemand sehr von sich eingenommen.“   Naraku erwartete sehnsüchtig den Anruf. Als sein Mobilphon vibrierte, stand er eilig auf und verließ die Halle, ehe er zurückrief. „Guten Abend, Wertester. Wenn Ihr Bruder in Position ist, werde ich meine Schwester anklingeln.“ „Vergessen Sie es,“ knurrte Ryuukossusei. Was war denn jetzt schon wieder schief gelaufen? „Was ist denn? Der Taishou sitzt bei der Regierung und sein Sohnemann sitzt im Publikum der Tagung hier.“ „Ja, aber deine dumme Schwester hat sich genau den Tag ausgesucht um eine ganze Horde Weiber zu Besuch zu haben. Mein Bruder rief mich vorhin an. ER wäre in Position. Jeder Youkai allerdings, der was auf sich hält, hat sich rund um den Pavillon geparkt. Izayoi käme da nie unauffällig raus.“ Und Ryuutsubasa nicht hinein. Gegen eine solche Übermacht kampferprobter Youkaikrieger konnte auch sein kleiner Bruder nichts ausrichten. „Sie hat eindeutig mehr Glück als Verstand.“ Naraku dachte nach. „Wann wäre die nächste Gelegenheit?“ „Nächsten Montag. - Das sollte nicht noch einmal vorkommen.“ Ryuukossusei legte auf und überließ es seinem unwilligen Partner daran zu denken, dass ihm nicht nur die Zeit davon lief, sondern auch, wie er es anstellen sollte, dass Izayoi allein blieb.   Als der Herr der Hunde um halb zehn im Schloss eintraf, waren die Gäste wieder verschwunden. Er ging hinüber in den Pavillon, um zu fragen, wie der Tag verlaufen war. Ein wenig überrascht betrachtete er den Raum. Izayoi saß gegen Kissen gelehnt, die offenkundig zu einem Berg aufgetürmt waren, vor sich noch Gläser, leere Flaschen mit Cola und Sekt, eine leere Schüssel mit Überresten Popcorn. Sie sah einen Film, wandte jedoch den Kopf, als sie ihn bemerkte und setzte sich eilig korrekt hin, verneigte sich. Offenkundig hatten sie und ihre Freundinnen hier gemeinsam geguckt. „Guten Abend, Izayoi.“ „Guten Abend.“ Ach du je, und sie hatte nicht aufgeräumt, noch die Nachwirkungen des Filmabends genossen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er herkommen würde. „Ich hoffe, es war ein amüsanter Besuch?“ „Ja, sehr,“ beteuerte sie eilig. „Wir haben Kino gespielt. Ich meine, wir haben zusammen einen Film angeguckt.“ In ein richtiges Kino gehen durfte keine der jungen Damen, das war klar. Sie hatten bestimmten Regeln zu folgen. „Und Sie wollten jetzt noch in Ruhe einen anderen Film ansehen.“ „Ich dachte nicht, dass Sie kommen würden,“ gestand sie. „Sie meinten ja, es könne spät werden. Und Sie besitzen doch eine Wohnung in der Stadt.“ „Korrekt, aber dort übernachtet Sesshoumaru.“ Wie reizend sie aussah, wenn sie so verlegen war. „Wenn es Sie nicht stört, gucke ich eben mit. Ich muss Sie nur warnen, ich esse kein Popcorn.“ Er ließ sich neben ihr nieder. „Um was geht es denn?“ Izayoi bedachte, dass sie vermutlich albern aussehen musste, da ihr Mund offen stand. Sie machte ihn zu. „Äh, es ist eine romantische Liebesgeschichte. Das da ist der junge Mann ...“ „Ein Youkai?“ „Äh, nein, ein Vampir. Er heißt Edward.“ „Er hat Fangzähne.“ Der Taishou legte den Arm um ihre Taille und strich über ihre Seite. „Ich bin neugierig, was passiert, wenn sie sich küssen.“ Das Glas Sekt, das sie getrunken hatte, die Finger, die gerade die Außenform ihrer Brust nachstrichen, ließen Izayoi kichern. „Das sollten Sie wissen.“ Sie neigte sich zu ihm und flüsterte in sein Ohr: „Aber Sie können mir gern zeigen, was man mit Fangzähnen so machen kann. Ich verspreche auch mich nicht zu wehren.“ Wie bei jedem Mann, dem eine attraktive Frau so etwas zuflüstert, sprang bei dem Daiyoukai ein Kopfkino an. Heute würde er den bestimmenden Part übernehmen können. Und sie sollte das nicht bereuen.   Ryuutsubasa lehnte sich in den Sessel. „Ich war wirklich versucht, großer Bruder,“ gab er zu. „Aber es waren einfach zu viele um unauffällig zu bleiben. Immerhin habe ich diese Izayoi sehen können. Netter Happen.“ Ryuukossusei, ebenfalls in seiner menschlichen Gestalt, stand vor dem Ofen und betrachtete die glühenden Kohlen. „Hast du deine Spur verwischt?“ „Ja, klar. Ich habe auch bei der Youkispur aufgepasst. Bitte, Ryuu... großer Bruder. Ich bin vielleicht impulsiv, aber kein Narr. Und diese Kleine ist wirklich ein nettes Geschenk. Montag also wieder. Ich hoffe, diesmal klappt es.“ „Ich hoffe das doch auch. Sonst werde ich diesem Naraku mal auf die Sprünge helfen müssen. Nun ja, der Taishou ist montags weg und ich muss zusehen, dass ich ein Alibi habe. Wirst du im Notfall mit dem Welpen fertig?“ „Sesshoumaru? Ich will´s doch hoffen. Er ist stark, klar. Aber ich habe die Überraschung auf meiner Seite. Besser wäre es natürlich, und angenehmer, die Filmaufnahmen zu machen, wenn der gar nicht da ist. Wo steckt der denn am Montag? Nicht bei Papa?“ „Das soll dieser Naraku noch herausbringen, da hast du Recht. Sorge jedenfalls dafür, dass dieses Handy aufgeladen ist, ehe du am Montag losgehst. Wo willst du es durchziehen? Du hast dir die Gegend doch angesehen? „Ja. Ungefähr eine Stunde hinter dem Schloss, in diesem Naturpark, oder wie man das heute nennt, liegt eine nette Bühne. Ich kann da das Mobilphon in den Felsen klemmen. Und sie kann nun absolut nicht entkommen. Hinter sich eine Felswand, um sich Abgründe und natürlich meine Wenigkeit. Ich werde sie etwas laufen lassen. Oh, das wird ein richtiger Spaß. Wusstest du übrigens, dass sie ganz lange Haare hat? Man kann sie dran festhalten, wenn man sie ...“ „Bitte, Brüderchen, keine Einzelheiten.“ Da fand Ryuutsubasa gewöhnlich kein Ende. „Wichtig ist nur, dass es langsam passiert und sie am Ende tot ist.“ „Ja, sicher, das hast du ja gesagt. Als ob ich so ein Menschenweib lebendig lassen würde.“ „Schmoll jetzt nicht, du bekommst sie ja. Und ich gebe zu, ich hoffe auf deine Phantasie.“ „Ich habe neulich übrigens eine nette Sendung gesehen. Star Trek.“ „Aha.“ Ryuukossusei hatte es absolut nicht mit Kino oder Fernsehen, nun ja, mit äußerst wenig, was Menschen so fabrizierten. Ausgenommen natürlich die Bergleute in seinen Minen. „Ich denke, Kobayashi Maru war der Name einer Prüfung, die man nicht gewinnen kann. Passend für Izayoi, findest du nicht?“ „Nun, auch für unseren alten Hundefreund.“   Naraku dachte lange nach. Mittwoch – die nächste Chance war Montag. Da hatte der Taishou eine Einladung zu einem Treffen von Wirtschaftsmagnaten und er hatte zugesagt. Also wäre maximal Sesshoumaru zuhause. Wie sollte man den wegbekommen? Ah. Der Kerl war jung, Teenager, sehr von sich eingenommen. Einem Rendezvous sollte er nicht abgeneigt sein. Er selbst brauchte nur eine junge Youkai, die Lust hatte sich mit dem Erben des Taishou zu treffen und den anzumachen. Hm. Die Youkai, die er am besten kannte waren Spinnen, aus der Familie seiner Mutter. Aber ob der Hund auf Spinnen und vor allem deren Paarungsgewohnheiten stand? Eine Hundedame kannte er nicht. Sekunde. Bei Inuyoukai galt doch strikter Gehorsam. Er musste also nur einen Boten schicken, dass Sesshoumaru am Montag zu seiner Mutter kommen sollte, aufgrund … hm … geheim. Bis der bei Mama war und die sich beide gewundert hatten, sollte der Drachenprinz zugeschlagen haben. Fragte sich nur, wer diese Nachricht überbringen sollte. Takemaru Setsuna würde sich anbieten, aber der Kerl war schlichtweg zu ehrbar, um den Sohn seines Brötchengebers zu hintergehen. Es sollte schon ein Youkai sein. Moment mal. Wer war doch gleich dieser Sekretär? Ein Kappa? Ja, genau den müsste er abpassen und den Brief, der angeblich von der Ehefrau Nummer Eins stammte, übergeben. Montag Morgen, gleich.   Izayoi stellte fest, dass Eifersucht schmerzte. Und, dass das ein sehr unschöner Zug in ihr war. Der Inu no Taishou war mit ihr am Sonntag nach Norden gefahren, um ihr, wie versprochen, das jüngste Mitglied der Inuyoukai zu zeigen. Sie freute sich über das winzige Fellknäuel, durfte damit spielen und sie kraulen – aber da war die Mutter. Diese war eine junge Dame, hübsch. Im Gegensatz zu dem Herrn der Hunde und seinem Sohn hatte sie keine weißen, sondern fast bodenlange, graue Haare, die erst auf den zweiten Blick einen metallischen, silbrigen, Schimmer zeigten. Haruko war eindeutig eine sehr hübsche Youkai und Izayoi beobachtete das Lächeln, das diese ihrem Gemahl zeigte, mit Misstrauen. Es schien ihr, als ob die Beiden irgendwelche Erinnerungen teilten, von denen sie ausgeschlossen war. Es war nur logisch, beschwor sie sich. Youkai wurden viel älter als Menschen und vermutlich kannten sich die Zwei seit Jahrhunderten. Das hatte sicher nichts zu bedeuten. Aber sie konnte plötzlich sehr gut nachvollziehen, warum ihr Gemahl so ärgerlich geworden war, als sein Sohn sie unbekleidet gesehen hatte – und er nicht.   Leider war dieser ein guter Beobachter, denn als er zurück Richtung Tokyo fuhr, meinte er: „Sie mögen Haruko nicht?“ Ihr entfuhr, was sie gar nicht sagen wollte: „Sie ist viel hübscher als ich. Und eine Youkai.“ „Oh.“ Er klang erheitert. „Ich muss zugeben, auf diese Idee bin ich nicht gekommen. Was würden Sie dann denken, wenn wir einmal meine erste Frau besuchen würden – was ich nicht vorhabe, um nicht Sie alle zwei zu kränken.“ Izayoi zögerte. „Danke. - Sie ist noch hübscher als Haruko?“ Nun ja, er und sein Sohn waren in Menschenform ja auch praktisch perfekt. Das machte es wohl, wenn man sich aussuchen konnte, wie man aussah. „Man nennt sie die Vollendung einer Inuyoukai. Ja, sie ist sehr schön. Und dennoch lebe ich nicht mehr mit ihr zusammen.“ „Entschuldigen Sie. Ich weiß nicht was über mich kam.“ „Das, meine liebe Izayoi, nennt man Eifersucht. Und, glauben Sie mir, ich habe sie schon empfunden – aber noch niemals war jemand wegen mir eifersüchtig.“ Das würde wohl auch in ein Buch mit Erstmaligkeiten gehören. Wieder redete sie, ehe sie nachdachte. „Das kann ich kaum glauben. Sie sind ein attraktiver Mann.“ Der Taishou wandte die Augen von der Straße zu seiner Beifahrerin, sichtlich amüsiert. „Das wurde mir durchaus schon gesagt, aber noch nie so … wissenschaftlich neutral. Meistens wollten die Damen etwas von mir. - Youkai, weibliche Youkai, korrekter, können wegen mir nicht eifersüchtig sein. Jede ist zufrieden, wenn sie mich bekommt. Und jede weiß, dass sie, würde ich sie heiraten, es mit meiner ersten Gemahlin zu tun bekäme. Sie würde Sesshoumaru und seine Erbansprüche stets verteidigen.“ „Und ich bin nur ein Mensch, mein Sohn, falls ich einen bekäme, wäre ein Hanyou, also nicht erbberechtigt.“ Sie war froh, dass das Thema sachlich wurde. Aha. Er galt also als Geschenk der Götter an die Weiblichkeit? Dann war es nur umso verwunderlicher, was er eigentlich an ihr fand. Sie war ein Mensch, schwach, unwissend und offenkundig auch nicht fähig einen erbberechtigten Sohn zu bekommen. „Ja.“ „Sie könnten jede Youkai in Japan haben – und dennoch verschwenden Sie soviel Zeit mit mir. Ist es, weil Sie mich geheiratet haben?“ Der erfahrene Stratege erkannte eine Falle, wenn er sie sah. „Nein. Weil ich es gern tue. Und ich mich in Ihrer Gegenwart wohl fühle. Würde ich dies nicht tun, wären Sie schon in irgendeinem Schloss, umgeben von Dienstboten, aber weg von mir.“ Sie hatte gewusst, dass sie abhängig von ihm war, aber das so gesagt zu bekommen, war noch etwas anders. Es schmerzte, zumal, weil sie eben ihn liebte. Unlogisch so zu reagieren, dachte sie dann. Er war ein Youkai. Gefühle waren ihm oft fremd. Er bemerkte, dass sie zusammenzuckte, und verwünschte seine Ehrlichkeit. Jetzt half wohl nur noch absolute Offenheit. „Izayoi, seien Sie gewiss: ich habe Sie sehr gern. Ich weiß nicht, wie es Menschen empfinden, aber ich bin froh, wenn Sie da sind, ich finde Gefallen daran, wenn Sie unter meinen Händen erbeben, ich bin dankbar, dass Sie mich lieben.“ Sie lächelte, denn ihr war bewusst, dass das wohl das Äußerste an Liebeserklärung gewesen war, derer ein Daiyoukai fähig war. „Es ist ja nicht so, dass es mir anders geht,“ sagte sie leise.   Die Dämmerung brach im Dezember schon früh herein und der junge Mann, der im Anzug durch den Naturpark schlenderte, schien dennoch alles wahrzunehmen. Ryuutsubasa, nur an dem maskenhaften, zweiten Gesicht auf einer Stirn als Drache erkennbar, hatte sich schon früh auf den Weg gemacht. Er kam durch das Naturschutzgebiet und hatte sein Youki so gut er es vermochte unterdrückt, um nicht aufzufallen. Er näherte sich dem Schloss von Nordosten her, in der Hoffnung, dass der westliche Wind keinen der Youkai auf ihn aufmerksam machen würde. Der gute Taishou sollte auf dieser Konferenz in Yokohama sein, Sesshoumaru angeblich auf dem Weg zu Mama – also waren nur normale Krieger und Menschen da. Nun ja. Er sollte sich trotzdem vorsehen, wenn er hier patzte würde sein großer Bruder ziemlich unangenehm werden. Niemand sollte etwas erfahren – bis man das Video im Fernsehen sehen konnte. Da waren Youkai. Der Drachenprinz blieb stehen. Das war, wie es dieser Hanyou Ryuukossusei gesagt hatte – Doppelwachen. Der Taishou hatte sein Handwerk eindeutig gelernt. Gleich zwei Krieger auf einmal unauffällig beiseite zu schaffen war so schwierig. Also musste er sich in seine wahre Form verwandeln. Vorher aber sollte er noch Bescheid geben. Er zog das Handy und drückte die Kurzahltaste. „Ich bin da,“ flüsterte er. „Zwei Wachen.“ Damit musste eigentlich seinem Bruder klar ein, dass er sich verwandeln musste. Und in die Hand eines ausgewachsenen Drachen passte nun mal kein Mobilphon. „Gut,“ erwiderte Ryuukossusei. „Dann verwandel dich. Und ich rufe diesen Naraku an. Es kann aber dauern, je nachdem, wie stur sich Izayoi anstellt. Warte also etwas noch mit den Wachen, damit keiner aufmerksam wird.“ „Ja.“ Ryuutsubasa legte auf und schob das kleine Telefon in die Anzugtasche, ehe er sein Youki abrief. Vielleicht wurden die Krieger aufmerksam – nun ja, dann musste er sie eben sofort umbringen. Amüsanter würde die Kleine sein. Ehefrau des Taishou ja? Sie würde diese Ehe heute Nacht noch bedauern – stundenlang, und, wie er sich kannte, die meiste Zeit davon bei vollem Bewusstsein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)