Hundstage von Hotepneith (Kein Hund wie jeder andere) ================================================================================ Kapitel 34: Montag Nacht ------------------------   Hotaru hastete in den Jade-Pavillon, so schnell sie ihre Pfoten trugen. Der Befehl, sie solle unverzüglich zu Izayoi-sama kommen, war nur noch durch den Hinweis des Kriegers – der Taishou käme wohl aus einem Kampf – getoppt worden. Was war denn nur passiert? Erst jetzt entsann sie sich einer fernen Youkiexplosion. Hatte es jemand gewagt die Fürstengemahlin zu entführen und der Herr hatte sie wieder zurückgeholt? In jedem Fall wäre tiefe Verschwiegenheit angesagt. Als sie in das Schlafzimmer förmlich stürzte, erstarrte sie noch in der Tür. Ja, der Inu no Taishou kam aus einem Kampf. Der schwarze Geschäftsanzug zeigte mehr als nur Risse, Schweiß, rote Streifen aus getrockneter Flüssigkeit, über seine rechte Hand lief noch immer Blut. Sie verneigte sich eilig. Das Youki war sehr niedrig und für gewöhnlich würde sie sagen, wenn man so etwas über einen Dämonenfürsten aussprechen durfte, er wäre erschöpft. Aber ihr Befehl lautete an Izayoi, und deren Kimono sahen aus … Hotaru trat vorsichtig näher. „Drachenfeuer,“ bestätigte der Hundefürst. „Ich habe nach Akiko geklingelt, sie sollte gleich kommen und dich unterstützen. - Hotaru ist da, meine Liebe.“ Er fasste erneut mit der Linken nach Izayois Hand, die er gehalten hatte, seit sie wieder aufgewacht war. „Alles wird gut.“ Aber ihm war bewusst, dass er log. Nein, das würde es nicht. Er entsann sich nur zu deutlich des verkohlten Fleisches von Youkai, die solche Angriffe getroffen hatten, und er nahm nicht an, dass es einem Menschen auch nur annähernd so relativ gut ergehen würde. Sie wäre gezeichnet für immer, selbst, wenn sie das hier überleben würde. Die Katzenheilerin kramte bereits eilig in ihrer Tasche. „Ich bereite Ihnen einen Trank, Izayoi-sama, damit Sie einschlafen können. Es wird vermutlich sehr weh tun, wenn ich die Kimono von Ihren Verletzungen entferne, aber nur so kann ich sie versorgen.“ Izayoi nickte nur. Alles würde gut werden, natürlich. ER war ja da. Sie sah zu ihrem Ehemann, ignorierte dabei, dass die Heilerin in das Bad ging. „Er ist tot...?“ suchte sie noch einmal die Bestätigung. Der Taishou sah die panische Angst in ihren Augen aufflackern und verstand den eigentlichen Sinn der Frage. „Ja. Er wird Ihnen nie wieder weh tun können. Sie sind leider ein wenig zu erschöpft, sonst würde ich Sie mit zur Beerdigung nehmen.“ Hotaru kam gerade zurück und wunderte sich ein wenig über den Dialog mit einer so Schwerverletzten. Noch dazu einem Menschen. Eine Youkai hätte den Scherz dahinter vielleicht verstanden. Aber sie erkannte, dass der Herr seine Gemahlin wohl besser einschätzte, als sie das schwache Lächeln sah, das prompt um den Mund der Menschenfrau huschte. „Ich werde ihn einfach so in Erinnerung behalten, wie er lebend war,“ brachte Izayoi heiser heraus. „Das mindert die Trauer.“ Der Herr der Hunde gab das Lächeln zurück. „Sie sind eine sehr tapfere Frau, meine Liebe. Ich gehe mich umziehen und überlasse Sie Hotarus Fähigkeiten.“ Da sie sofort Halt suchend die Hand hob. „Nein, ich bin in Ihrem Wohnzimmer, keine Sorge. Sie sind heute Nacht nicht mehr allein. Und jetzt trinken Sie das Gebräu, das Hotaru Ihnen hinhält. Es wird scheußlich schmecken, das kann ich aus Erfahrung sagen, aber es wirkt.“ Die Heilerin hätte fast etwas Unziemliches gesagt, aber da Izayoi sie anblickte und mühsam den Kopf hob, stützte sie sie eilig. Dabei bemerkte sie durchaus aus den Augenwinkeln, dass der Gang des Fürsten ein wenig schwerfällig war. Ja, der war erschöpft und sicher auch verletzt. Was war nur geschehen? Aber sie durfte nicht fragen.   In Izayois Wohnzimmer zog sich der Inu no Taishou das Jackett aus und die Krawatte ab, ehe er vorsichtig sein blutverkrustetes Hemd abstreifte. Ja, das sah übel aus. Ryuutsubasa hatte seinen rechten Unterarm – oder Vorderlauf – angebrochen, einige Bisswunden am Oberkörper hinterlassen und die Krallen zeigen sich vermutlich überall. Das würde dauern, das zu heilen, zumal mit seinem niedrigen Youki. Akiko kam hereingehastet, aufgeschreckt durch den Alarmruf in der Nacht. Sie zuckte zusammen, als sie den Herrn mit bloßem Oberkörper dastehen sah, erst recht zwei Mal, als sie seine Verletzungen erkannte. „Geh zu Izayoi-sama,“ befahl er. „Hotaru ist da.“ Akiko gehorchte eilig, sicher, dass Nachfragen nicht erwünscht waren. Nur fünf Sekunden später rannte sie bereits wieder aus dem Schlafzimmer, aus dem Pavillon, um mit zwei Schüsseln und Tüchern zurückzukehren. Der Taishou hatte sich unterdessen auch die Schuhe und Strümpfe der modernen Kleidung ausgezogen und analysierte seinen körperlichen Zustand. Er sah, dass ihm Akiko wortlos eine Schüssel mit Wasser und frischen Tüchern auf den kalten Tischofen stellte, ehe sie wieder im Schlafzimmer verschwand. Sicher ein Hinweis der Katzenheilerin. Ah, seine Hüfte. Ja, da hatte ihn dieser Mistkerl auch gebissen. Er zog sich weiter aus. So fand Sesshoumaru, der nur zwei Minuten später in den Pavillon kam, seinen vollkommen unbekleideten Vater vor, der sich Verletzungen auswusch. Der Sohn erstarrte, das Bündel mit Kleidung unter dem Arm. Zunächst hatte es ihn, zugegeben, verärgert, dass er als Kammerdiener benötigt wurde, aber jetzt erkannte er den Sinn. In solch einem Zustand wollte sich Vater sicher nicht vor seinen Kriegern zeigen. So neigte er nur den Kopf. „Ich bringe Hakama und Haori, auch Schuhe, verehrter Vater.“ „Leg sie hierhin.“ Der Taishou drückte das Tuch erneut in dem bereits rötlichen Wasser aus. Sein rechter Arm und seine linke Hüfte hatten am meisten abbekommen. „Wo stecken Ryuukossusei und Naraku?“ Das war seine Anweisung gewesen, ja. So erwiderte Sesshoumaru nur: „Naraku befand sich heute den gesamten Tag in der Bank, bis circa gegen achtzehn Uhr. Dann speiste er mit zwei Mitgliedern des Aufsichtsrates in einem Lokal ...“ Er sah das Abwinken: „Und ist jetzt seit Stunden im Billionaire. Ryuukossusei hatte ab fünfzehn Uhr eine zwei Stunden dauernde Unterhaltung mit dem Innenminister, aß mit dem zu Abend und ist jetzt ebenfalls im Club. Sie haben beide offenbar sehr darauf geachtet nie allein zu sein. Darf ich meine Meinung dazu sagen, verehrter Vater?“ „Nun?“ Der Fürst zog sich, noch ein wenig mühsam, wenigstens über die untere Körperhälfte Bekleidung. Immerhin gab es da drüben drei Damen. „Ein Mensch namens Holmes, so las ich einmal, sagte, nur ein Mann mit kriminellen Absichten bemüht sich um ein Alibi. Ich stimme dem tatsächlich zu.“ „Womit du recht hast. Ich denke, auch wenn sich Izayoi nicht so recht erinnern kann oder mag, dass es sich wirklich um ihren Bruder handelte. Sie sagt, die Stimme sei verzerrt gewesen, hastig, flüsternd. Vermutlich durchaus eine Täuschung, für den Fall, dass der Plan schief geht. Und Ryuukossusei wird in jedem Fall, gleich ob wahr oder nicht, behaupten, dass er nichts von dem Plan seines kleinen Bruders gewusst hat.“ Der Herr der Hunde streifte seine Haare zurück und ordnete sein Haarband, als ihm der Blick seines Welpen auffiel. Natürlich fragte man nicht seinen Fürsten ob und wie er verletzt sei, aber es freute ihn doch gewisse Besorgnis zu erkennen. „Es sieht schlimmer aus als es ist,“ beruhigte er daher. „Allerdings hatte mich der Dimensionstunnel von Yokohama her doch einiges Youki gekostet. Und, immerhin, Ryuutsubasa war schwächer als sein großer Bruder. Gegen den könnte ich mir das nicht leisten.“ „Ich vermute, Izayoi-sama ist auch dabei sich zu erholen. Ich sah Hotaru ...“ „Wir werden sehen.“ „Der Drache hat ihr nichts angetan.“ Schließlich hätte Vater sie sonst nie lebendig hergebracht. „Er hat sie gefoltert, aber nicht vergewaltigt, nein. Ja, das wundert dich zurecht. Man sollte annehmen, dass er das vorziehen würde.“ „So waren Sie schnell genug.“ Deutlicher Stolz lag in der Stimme des Sohnes. „Auch, aber in diesem Fall würde ich tatsächlich sagen, dass sich die junge Dame selbst gerettet hat.“ „Ein Mensch gegen einen Drachenprinzen?“ „Wenn ich das eines Tages verstehe, werde ich es dir erklären. Wobei mir einfällt, man sollte doch Ryuukossusei wenigstens ein bisschen ärgern. - Das ist das Handy seines Bruders. Und hier ist nur eine Nummer einprogrammiert.“ Der Taishou drückte die Tasten. „Guten Abend, mein geschätzter Ryuukossusei.“ Am anderen Ende herrschte für einen Moment Stille, ehe der Drache sagte: „Taishou? Das sind Sie doch? Was machen Sie mit dem Handy meines kleinen Bruders?“ „Sagen wir, er benötigt es momentan nicht.“ Der Taishou konnte nicht sehen, dass sich der Drachenherr allein mit Naraku in einem Salon befand, vorgeblich um Karten zu spielen. Jetzt richteten sich beide Männer auf, ehe Ryuukossusei knurrte: „Was soll das heißen?“ Der Daiyoukai blieb sachlich, sicher, dass dieses Gespräch aufgezeichnet wurde. „Ihr bedauernswerter, weil närrischer, Bruder hat sich unterstanden, meine Gemahlin und mich bei einem gemeinsamen, abendlichen, Spaziergang in meinem Schlosspark anzugreifen. Auf meinem eigenen Grund und Boden.“ Das würde die allgemeine Sprachregelung werden. Sesshoumaru hörte aufmerksam zu. Ryuukossusei warf seinem ungeliebten Partner einen Blick zu. „Auf Ihrem eigenen Grund und Boden?“ Was zur Hölle hatte sich Brüderchen denn dabei gedacht? Das war sicher nicht gelogen. Zum Einen befand das Hundi für unter seiner Würde, zum Anderen – wenn die Beiden zusammengetroffen waren, konnte man deutliche Spuren erkennen. „Wie überaus töricht von ihm, in der Tat. Wie geht es ihm?“ „Er ließ sich auf einen Kampf mit mir ein und ist, präzise ausgedrückt, tot.“ Der Herr der Hunde hörte das scharfe Atemholen. Wenn es je eine Chance gegeben haben sollte das Kriegsbeil zwischen ihm selbst und Ryuukossusei zu begraben, so war sie gerade ins Nirwana entkommen. „Sie dürfen ihn gern abholen. Er liegt immerhin in meinem Vorgarten.“ „Wo?“ Der Drache musste sich zusammennehmen um nicht das Mobilphon in seiner Hand zu zerquetschen. „Wenn Sie die Westautobahn geradeaus fahren, erreichen Sie das Naturschutzgebiet. Dort gibt es eine Ausfahrt zum Wanderparkplatz D. Ich fürchte, von dort aus können Sie bereits sehen, wo er liegt. Es gab doch gewisse Kollateralschäden. Oh, und wenn Sie einen guten Landschaftsgärtner nennen können, wäre ich Ihnen dankbar.“ Ryuukossusei legte wutentbrannt auf. „Dieser Misthund!“ „Ihr Bruder ist tot? Mein Beileid.“ Naraku lehnte sich zurück. „Aber, warum? Ich habe Izayoi zu ihm geschickt, der Taishou sollte noch immer in Yokohama herumsitzen ...“ „Sollte, hätte. Er war da, leider. Und es gelang ihm offenbar mein armes Brüderchen mit Ihrer Schwester noch auf seinem eigenen Grund und Boden zu stellen. Nichts ist es mit Skandal. Und er weiß, dass ich etwas weiß. Und Sie natürlich auch. Aber er kann es nicht beweisen und wird darum seine erbärmliche Schnauze halten.“ „Es sieht schlecht aus, in der Tat. - Kein Skandal? Immerhin war sie einige Zeit abwesend ...“ „Vergiss es, törichter Hanyou! Er sagt, er war gemeinsam mit ihr unterwegs, nur einen Moment abwesend – ihre Ehre und damit die seine ist gerettet. Wer will das Gegenteil beweisen? Überdies, und so gut kenne ich den Kerl, wenn mein armer Bruder Ihre Schwester tatsächlich vergewaltigt hätte, hätte unser ehrenhafter Hund sie eigenhändig erledigt. Sie lebt aber offenbar noch. Also, nix ist es. Und ich muss gehen. Ich habe eine Bestattung vorzunehmen.“   Der Herr der Hunde legte das Mobilphon ab, ehe er zu seinem Sohn blickte. „Er wird kommen. Du hast zugehört. Gehe mit genügend Kriegern dorthin, halte dich jedoch im Hintergrund. Und keinerlei Provokation. Unser Drachenfreund neigt zu spontanen und gewalttätigen Reaktionen. Und ich will heute Nacht kein Reptil mehr sehen, schon gar nicht auf meinem eigenen Grund und Boden.“ Sesshoumaru verneigte sich nur schweigend und ging. Der Taishou nahm den Haori und streifte ihn sich locker über. Allein das schmerzte, aber es gab gute Gründe stets das Protokoll einzuhalten. Etwas erstaunt sah er, wie Akiko wieder aus dem Schlafzimmer hastete, offenbar an ihm vorbei wollte. „Nun?“ Das klang schärfer als geplant, aber er machte sich Sorgen – und war es seit Jahrhunderten nicht gewohnt ignoriert zu werden. Die Menschenfrau verneigte sich eilig. „Die Heilerin sendet mich in die Apotheke, oyakata-sama.“ Immerhin glaubte Hotaru mit diesen Verletzungen selbst fertig zu werden. Izayoi musste wohl nicht in ein menschliches Krankenhaus. Er atmete auf. Vielleicht ging es ihr doch besser, und so konnte überdies Aufsehen doch verhindert werden. „Taro soll dich fahren.“ „Ja, oyakata-sama.“ Sie lief bereits wieder los. Er ließ sich langsam vor dem Tischchen nieder. Hm. Diese Verletzungen, die Ryuutsubasa da gezeigt hatte – schwarz, verbrannt an der Schnauze. War das etwa Izayoi gewesen? Aber wie? Läuterung? Sie hatte bislang keinerlei Anzeichen gezeigt menschliche Magie zu beherrschen, ja, überhaupt nur eine Ahnung davon zu haben. Was also war geschehen? Sollte er die Aufzeichnung ansehen? Aber da wäre wohl auch mitanzusehen, wie der Drachenprinz sein Feuer auf seine Ehefrau gejagt hatte. Feigling, dachte er dann. Wenn SIE das durchstehen konnte, und sie hatte das am eigenen Leib verspürt, würde er es doch wohl schaffen das mit an zusehen. So griff er zu dem kleinen Telefon und drückte die Wiedergabetaste. Keine Minute später spürte er sein restliches Youki aufwallen, als er Ryuutsubasa hörbar höhnisch und sichtlich demonstrativ langsam auf Izayoi zugehen sah, hörte, wie der Drachenprinz etwas von amüsieren sagte – und sich SEINE Frau ängstlich an die Felswand drückte und noch immer ein „Nein“ herausbrachte. Und er presste in hilflosem Zorn die Zähne zusammen, als er sah, wie der Mistkerl sie in die Arme zog, bemüht deutlich für die Kamera seine Zunge über ihr Gesicht gleiten ließ. Bei allen Sternen, die je diese Welt beschienen – er wollte diese missratene Echse noch einmal umbringen, und noch einmal! Was war das jetzt? Er stoppte, ließ die Szene noch einmal ablaufen. Ja, sie sagte etwas, ehe sie beide Hände auf das nur scheinbar menschliche Gesicht des Mannes vor ihr presste, der sie hastig losließ. Was hatte sie da nur getan? Sie war in Panik, vollkommen verängstigt – und verbrannte einem der mächtigsten Drachen Japans die Schnauze? War sie doch eine unentdeckte Priesterin? Es hatte schon immer magisch talentierte Familien gegeben, aber auch spontane Veränderungen dieser Fähigkeiten. Und, soweit er sich entsinnen konnte, waren die Fürsten Toko zwar eine alte Familie, aber eher von Kriegsherren und nicht gerade Magiern. Aber es konnte, ja, musste, sich um Läuterung gehandelt haben, nichts anderes würde es schaffen, dass eine Menschenfrau einen Drachen so schmerzhaft verletzen konnte. Eigenartig. Hatte sie das nochmals versucht? Nein. Sie hatte es wohl auch nicht vermocht. Mit gewissem Schuldbewusstsein und einem seltsamen, unbekannten, Schmerz in seinem Herzen erkannte er den erschreckten, hoffnungslosen, Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie begriff, dass und wie dieser Mistkerl sie töten wollte. Und doch gab sie nicht auf. Sie schrie unter dem Youkiangriff, wenn die Seide ihres Kimono in Flammen aufging, zusammenschmolz, sie taumelte, aber sie versuchte stehen zu bleiben, nicht aufzugeben, sich nicht vor dem Drachen zu demütigen. Sich und ihn, begriff er plötzlich, als Izayoi zum wohl hundertsten Male in den vergangenen fünf Minuten zu der Kamera blickte, von der sie ja wusste, wo sie stand. Sie hatte ganz offensichtlich versucht IHM keine Schande zu machen. In einer Situation, in der sie weder Hoffnung noch Aussicht auf Sieg hatte, hatte sie daran gedacht, wie es um seine Ehre stehen würde … Er presste die Fangzähne mit neuer Wut aufeinander. Wut auf sich selbst. Herr der Hunde, Fürst – und versagte jämmerlich. Er hatte sie weder vor der Angst noch vor den Schmerzen behüten können. Nun ja, er war gekommen, aber nur, weil sie ihn angerufen hatte. Nein, es half nichts. Er hatte Ryuutsubasa umgebracht, ehe der sie noch weiter misshandeln konnte, ja, aber das war auch nur ein gewisser Trost. Er hatte komplett versagt, als Fürst, als Ehemann, ja, als Person, die Izayoi ja so schätzte. Ein Wunder, dass sie mit ihm noch reden wollte. Obwohl, sie hatte momentan ja kaum die Möglichkeit gehabt sich dagegen zu wehren. Wenn sie sich erholt hatte, es ihr etwas besser ging, würde sie einsehen, dass der Mann, den sie liebte, ein jämmerlicher Nichtskönner war. Sie war loyal geblieben, hatte ihn informieren wollen, hatte ihm einen Brief geschrieben, hatte sich selbst eines ausgewachsenen Drachen erwehrt und ihre Tugend beschützt – und er hätte um ein Haar friedlich weiter in Yokohama einer langweiligen Rede zugehört. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sich die Tür zum Schlafzimmer erneut geöffnet hatte. Die Katzenheilerin hatte sowohl den neuerlichen Anstieg des Youki als auch das zornige Gesicht erkannt und sich lieber noch auf der Schwelle niedergekniet, um abzuwarten ob und wann der Fürst für sie Zeit finden würde, eine Ansprache jedoch wohlweislich vermieden. Es hatte schon Zeiten gegeben, in denen einem bei derart törichtem Vorgehen der Kopf von den Schultern getrennt worden war. Und das war noch unter dem Vater des Taishou der Fall gewesen. „Hotaru.“ „Ich bitte oyakata-sama mit mir zu kommen. Sie sollten sich das ansehen.“ Der Taishou zögerte unwillkürlich. Es war Izayoi, seine Frau, die er noch vor wenigen Nächten in den Armen gehalten hatte. Jetzt ihren verbrannten Körper zu sehen, das verkohlte Fleisch zu wittern … Er nahm sich zusammen. Die Katzenheilerin würde ihn nicht holen, wäre es nicht wichtig. Und, schließlich – er musste es ja nur ansehen. „Wird sie sterben?“ erkundigte er sich bemüht sachlich. „Ich glaube nein, oyakata-sama.“ Hotaru erhob sich. „Darum, bitte, folgen Sie mir.“ Er hielt noch in der Tür instinktiv den Atem an, erkannte dann jedoch, dass sich nichts geändert hatte. Noch immer lag ein leichter Geruch von Lotus in der Luft – Izayoi verwendete solcherart parfümiertes Duschmittel, das ihr gut stand, aber seine Nase nicht malträtierte. Aber es roch nichts verkohlt. Er trat an ihr Bett, warf nur einen Blick auf die zerstörten Seidenstoffe in der Ecke. Sie schlief, sicher noch unter dem Trank der Heilerin. Nur ein Seidentuch war über sie gebreitet worden. An ihrem Unterkiefer zeigte sich dunkelrot eine Prellung. „Damit das gewöhnliche Bett nicht schmerzt,“ erklärte Hotaru auf den fragenden Blick. „Auch, wenn ich mir nicht sicher bin, weil … Ich bitte um Ihre Entscheidung, wie ich weiter vorgehen soll, wenn Akiko zurückkommmt. Geheimhaltung?“ Ohne weiter herumzureden, schlug sie die Decke beiseite. Immerhin war das der Ehemann ihrer Patientin. Der Daiyoukai zögerte, dann sah er doch auf die Menschenfrau. In der nächsten Sekunde fuhr sein Kopf empor und er starrte auf die Heilerin. Hotaru nickte etwas. „Deswegen sollten Sie das sehen.“ Wo er von Youkai schwarz verbranntes Fleisch kannte, aus dem gespenstisch weiß die Knochen leuchteten, war bei Izayoi die Haut angeschwollen, gerötet bis fast lila Tönen, schälte sich. Ja, es waren Verbrennungen, an manchen Stellen zu Blasen angeschwollen, aber … „Er wollte sie foltern, aber nicht töten. War es so niedrig dosiert?“ „Eigentlich unmöglich, oyakata-sama, wenn man bedenkt, dass die Spinnenseide schmorte. Überdies handelt es sich bei Drachenfeuer um Youki. Ich glaube auch, dass er Izayoi-sama nicht töten wollte, zumindest nicht sofort, aber es muss irgendeinen anderen Grund geben.“ „Wie schwer sind diese Verletzungen für einen Menschen?“ „Sie wird überleben, das wage ich zu sagen. Und ich denke, sie wird einige Narben behalten, aber keine … großflächigen.“ Ein Mensch gegen Drachenfeuer – und dann kaum Narben? „Wie ist das möglich?“ Hotaru neigte den Kopf. „Ich verstehe es nicht, oyakata-sama.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)