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Katherine

Die Geschichte einer Mörderin
von

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Todeswunsch

Stundenlang hatte Katherine bewusstlos im Keller gelegen, bis sie endlich wieder zu sich gekommen war. Mit Mühe gelang es ihr, sich die Treppen raufzuschleppen, brach jedoch kurz darauf auch schon im Flur wieder zusammen. Ihre Schwester Tabitha entdeckte sie und anscheinend hatte Katherine einen fürchterlichen Anblick geboten, denn sie hatte sofort geschrien und damit ihre Mutter herbeigerufen, die ihre jüngste Tochter zum Schweigen bringen wollte, damit Gilbert nicht verärgert wurde. Aus Gründen, die Katherine bis heute nicht verstand, hatte ihre Mutter sie dieses Mal nicht ignoriert und einfach liegen lassen, sondern ins Badezimmer gebracht und sie gewaschen und dann im Anschluss ihre Verletzungen mit Alkohol desinfiziert. Vielleicht war es ein kurzer Akt der Gnade gewesen, vielleicht wollte sich Helen aber auch einfach nur die Arbeit ersparen, sich später um ein schwer krankes Kind zu kümmern, wenn sich die Wunden entzündeten. Katherines Rücken war von blutigen Striemen gezeichnet und obwohl sie längst nicht mehr bluteten, war die Haut um sie herum bereits rot verfärbt, was auf eine beginnende Entzündung hindeutete. Katherine, die noch viel zu betäubt war, nahm den Schmerz nur durch Watte gefiltert wahr und bekam ohnehin kaum etwas mit. „Du sollst doch deinen Vater nicht verärgern“, kam es von Helen, während sie Alkohol auf ein Tuch träufelte und damit die Verletzungen behandelte. „Du musst immer das tun, was dein Vater dir sagt und dich wie ein gutes Mädchen verhalten. Dann würde er dich auch weniger schlagen.“

Katherine spürte, wie ihre Lider schwer wurden und sie dabei war, wieder ohnmächtig zu werden. Sie kämpfte jedoch dagegen an und schaffte es, wach zu bleiben. Dennoch konnte sie kaum die Worte ihrer Mutter verarbeiten und erinnerte sich kaum daran, wie sie eigentlich aus dem Keller gekommen war und warum sie auf einmal in ihrem Bett lag. Irgendetwas funktionierte in ihrem Kopf nicht richtig. Vielleicht war es auch nur der nachwirkende Schock, der ihren Geist vernebelte. „Ich wollte sie nicht schlagen“, sagte sie mit heiserer Stimme und versuchte sich zurückzuerinnern, was noch mal alles passiert war, dass sie sich nun in diesem Zustand befand. „Sie haben sich über uns lustig gemacht.“

„Klassenkameraden?“

Katherine nickte und erklärte „Lyndon und Derian Kinsley sagen, wir sind verrückt und ich auch, weil ich diese Augen habe. Da habe ich sie geschlagen.“

„Ein Mädchen schlägt sich nicht“, erklärte Helen ohne eine sonderliche Reaktion auf die Erzählung ihrer Tochter zu zeigen. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben, Katherine. Du weißt, dass dein Vater das nicht will. Und wenn du dich schlägst, wirst du wieder bestraft werden.“

Aber das ist nicht fair, dachte sich Katherine und spürte, wie sich ihre Brust wieder zusammenschnürte. Die Tränen kamen ihr und sie fühlte sich einsam und hilflos. Wieso passierte ihr all das hier bloß? Sie hatte doch nur versucht, ihre Familie vor diesen beiden Jungs zu verteidigen. Sie hatte doch nicht gewollt, dass es so enden würde. War es denn etwa falsch, die Familie zu verteidigen, wenn man sich über sie lustig machte? Was war denn richtig und was falsch? Was hätte sie tun sollen? Warum nur wurde sie dafür bestraft, dass sie tun wollte was sie als richtig erachtete? Diese Fragen kreisten in ihrem kleinen Köpfchen und sie fand keine Antwort. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wenn sie wieder mit solchen Dingen konfrontiert wurde. Sollte sie sich verhalten wie ihre Mutter und alles über sich ergehen lassen, nur um dann später genauso zu enden wie sie?

Ihre Hände verkrallten sich ins Kissen und sie begann leise zu schluchzen. „Warum hasst Dad mich eigentlich?“

„Weil du geboren wurdest“, antwortete ihre Mutter tonlos. „Er wollte dich nie haben, genauso wenig wie ich.“

„Und warum bin ich dann geboren, wenn mich niemand will?“

„Du warst ein Unfall“, erklärte Helen und legte nun den mit Alkohol getränkten Lappen beiseite und verschloss das kleine Fläschchen wieder. „Und damit wirst du nun leben müssen. Keiner hat dich jemals gewollt und niemand wird jemals um dich weinen, wenn du eines Tages sterben wirst. Das war schon von Anfang an dein Schicksal.“
 

Die Siebenjährige spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Brust und ihr Schluchzen wurde stärker. Sie fühlte sich schrecklich einsam und wollte einfach nur von irgendjemandem in den Arm genommen und getröstet werden. Aber wer sollte sie denn schon trösten? Im Grunde hatte sie keinen einzigen Freund und selbst ihre eigene Familie hasste sie. Warum also war sie überhaupt auf der Welt, wenn es keinen Menschen gab, der sie vermissen würde, wenn sie eines Tages tot sein würde? Was hatte sie denn jemals falsch gemacht, dass man sie so sehr hasste? Gab es denn nichts, um von irgendjemandem geliebt zu werden? „Lyndon und Derian sagen, dass ich verrückt bin weil ich diese Augen habe und dass auch unsere Familie verrückt ist. Warum sagen sie das?“

„Weil das der Wahrheit entspricht. Jeder in dieser Familie wird mit gelben Augen geboren und wird verrückt. Dein Vater ist verrückt, dein Bruder ist es und deine Schwester wird es auch werden. Die Cohans sind verdammt und bringen nur Leid. Sie quälen und töten Menschen, sie empfinden keine Liebe und kein Erbarmen. Sie hassen nur und werden schlimme Dinge tun. Dein Vater tut schlimme Dinge, dein Bruder auch und das Gleiche gilt auch für dich. Irgendwann wirst du auch damit beginnen, Menschen zu verletzen oder zu töten. Das kannst du nicht ändern. Du bist kaputt geboren worden und wirst genauso kaputt sterben.“

„Was bedeutet kaputt geboren und kaputt sterben? Wenn ich kaputt bin, kann mich dann jemand wieder heil machen?“

Hieraufhin wanderte Helens Blick zu ihrer Tochter und sie erklärte nur tonlos „Das bedeutet, dass du ein hoffnungsloser Fall bist und niemand dir helfen kann und wird. Dich kann niemand reparieren, weil du durch und durch schlecht bist so wie dein Vater. Du bist ein Fleck, den man nicht auswaschen kann. Also kann man dich nur wegwerfen.“

Damit erhob sich die abgemagerte Frau und verließ das Kinderzimmer. Damit war Katherine ganz alleine. Sie weinte noch eine ganze Weile und wünschte sich sehnlichst, dass irgendjemand kommen und sie tröstend in den Arm nehmen würde. Es musste doch irgendwo einen Menschen auf der Welt geben, der sie lieb hatte und traurig sein würde, wenn sie starb. Sie weigerte sich zu glauben, dass ihre Mutter Recht hatte und sie niemals von irgendjemandem geliebt werden würde. Jeder Mensch hatte doch irgendjemanden, der ihn gern hatte. Zumindest dachte sie so und glaubte auch daran. Also musste es auch jemanden geben, der sie lieben würde. Sie hatte nie etwas Falsches getan und sie hatte Derian und Lyndon auch nicht geschlagen, weil sie ihnen wehtun wollte. Sie hatte einen guten Grund gehabt und sie wollte es auch nie wieder tun. Das hatte sie versprochen. Und vielleicht würde sie ja jemand lieben, wenn sie sich anders verhielt als ihr Vater.

Ja richtig… ihren Vater hasste jeder und das lag daran, weil er Menschen wehtat und gemein zu jedem war. Wenn sie also nett zu Menschen war und niemanden mehr schlug, dann würden die anderen sie vielleicht gern haben. Und dann hätte auch ihre Mutter Unrecht, weil sie dann doch jemand lieb hatte und sie nicht so war wie ihr Vater.

Katherine ging diesem Gedanken immer weiter nach und dann setzte sich endgültig ein Entschluss in ihr fest. Sie würde niemals wieder Gewalt anwenden und anderen Menschen wehtun. Egal was ihr auch passieren würde, sie würde niemals so werden wie ihr Vater. Wenn sie nett zu anderen Menschen war, dann würden sie sie gerne haben und dann hatte ihre Mutter Unrecht mit ihrer Behauptung. Wenn sie groß war, dann würde sie auch einen Mann finden, der sie liebte und dann würde sie ihre eigene Familie haben. Und sie würde dann nicht so werden wie ihre Eltern. Nein, sie würde ihre Kinder mit Liebe überschütten und sie beschützen. Sie würde ihnen jeden Tag sagen, dass sie sie lieb hatte, sie in den Arm nehmen und ihnen Geschichten vorlesen. All das, was ihre Eltern nicht taten, würde sie für ihre Kinder tun, wenn sie groß war. Ganz egal was auch passierte und wie oft ihr Vater sie schlagen mochte, sie würde niemals so werden wie er. Und dann würde irgendjemand kommen, der sie lieben würde und der auch glücklich darüber war, dass sie da war.

Aber was war, wenn es nie dazu kommen sollte? Bevor Katherine diesem Gedanken weiter nachgehen konnte, fiel sie in einen tiefen und traumlosen Schlaf der Erschöpfung.
 

Als sie am späten Nachmittag wieder aufwachte, lag sie immer noch im Bett und ihr ganzer Körper schmerzte immer noch entsetzlich. Sie konnte sich kaum bewegen, ohne dass ihr irgendetwas wehtat, aber ihr war kalt und sie hatte Hunger. Mit zusammengebissenen Zähnen gelang es ihr, aufzustehen und sich zumindest ein Nachthemd anzuziehen. Es kostete sie viel Mühe, sich die Treppen hinunter in die Küche zu schleppen. Sie hörte laute Geräusche aus dem Schlafzimmer ihrer Eltern und obwohl sie sich noch nicht wirklich vorstellen konnte, was sich dort drin abspielte, hatte sie zumindest eine gewisse Ahnung, dass ihre Mutter gerade etwas sehr Schlimmes durchmachen musste. Ansonsten sähe sie nicht wie eine wandelnde Leiche aus. Da sie lieber nicht stören wollte, beschloss sie, sich ein belegtes Brot zu machen. Sie nahm das Brot aus dem Kasten, stellte aber fest, dass es von kleinen weißgrünen Flecken übersät war und merkwürdig roch. Es war definitiv nicht mehr frisch und mit der Wurst verhielt es sich nicht anders. Auch dort waren kleine pelzige Flecken zu sehen und obwohl sie nicht wusste, was sie waren, so wusste sie allein vom Anblick, dass sie nichts Gutes bedeuten konnten. Doch ihr Hunger wurde langsam unerträglich und ihr wurde allmählich schlecht.

Schließlich holte sie das Messer aus der Schublade, welches ihre Mutter immer zum Brotschneiden benutzte und versuchte sich eine Scheibe abzuschneiden. Leider ließ sich das Messer nicht ganz so gut benutzen wie erhofft und sie schaffte es nicht, eine anständige Brotscheibe zu schneiden wie ihre Mutter es konnte. Stattdessen war es ein unförmiger kleiner Klotz Brot und auch die Wurst konnte sie nicht ordentlich schneiden. Aber das war ihr egal. Hauptsache, sie konnte irgendwie ihren leeren Magen füllen. Schließlich schnitt sie die Stellen mit den hässlichen Flecken heraus und belegte dann ihr Brot. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, Butter draufzustreichen. Also schlang sie ihre Mahlzeit in wenigen Bissen herunter und störte sich nicht einmal an dem merkwürdigen Geschmack, den die Wurst eigentlich nicht haben sollte. Doch sie störte sich auch daran nicht sonderlich. Sie war einfach nur froh, ihren Hunger irgendwie stillen zu können. Die Tür ging auf und erschrocken zuckte Katherine zusammen, denn sie befürchtete zuerst, es wäre ihr Vater. Doch es war nur Tabitha. Sie wirkte eingeschüchtert und hatte ihre Puppe fest an sich geklammert wie einen kostbaren Schatz. „Hey Tabby, ist alles okay? Hat Nigel dich endlich in Ruhe gelassen?“

Die Dreijährige nickte, sagte aber nichts. Sie hatte bisher noch kaum ein Wort gesagt und es sah auch nicht danach aus, als würde sie bald zu sprechen anfangen. Es war genauso wie mit Katherine, dass sie einfach zu viel Angst hatte, irgendetwas zu sagen, sodass sie gar nicht erst das Sprechen lernte. Als große Schwester fühlte sich Katherine für sie verantwortlich und wünschte auch, dass sie irgendetwas tun konnte, um ihr zu helfen. Aber unglücklicherweise konnte sie auch nicht viel tun, außer sie vor Nigel zu verteidigen. Und selbst dann bezog sie selber noch Prügel. Als sie sah wie Tabitha sie erwartungsvoll ansah, fragte sie schließlich „Hast du Hunger?“

Tabitha nickte zögerlich und so nahm Katherine noch mal das Messer und begann ihrer Schwester ebenfalls etwas zu Essen zu machen. Dieses Mal konnte sie das Brot ein wenig besser schneiden, aber sie bekam es immer noch nicht so ordentlich hin wie ihre Mutter. Nachdem sie fertig war, gab sie Tabitha das Wurstbrot und wollte sich zuerst auf den Stuhl setzen und weiteressen, doch da durchfuhr ein infernalischer Schmerz ihr Gesäß und sofort stand sie wieder auf. Sie presste die Lippen zusammen, um nicht laut aufzuschreien da sie nicht wollte, dass sich ihre kleine Schwester noch erschreckte. Doch Tabitha schien trotzdem zu merken, dass etwas mit ihr nicht stimmte und ihre goldgelben Augen sahen sie traurig an. Katherine versuchte zu lächeln und streichelte ihrer kleinen Schwester den Kopf. „Alles in Ordnung, Tabby. Mach dir keine Sorgen.“

Doch Tabitha schwieg nur und sagte nichts. Stattdessen begann sie ihr Brot zu essen. Nachdem Katherine mit ihrer Mahlzeit fertig war, wartete sie noch auf Tabitha und stellte dann das Geschirr in die Spüle. Danach schleppte sie sich wieder hinauf in ihr Zimmer um sich wieder ins Bett zu legen. Ihr ganzer Körper schmerzte höllisch und es fühlte sich an, als würde ihre Haut brennen, während jeder einzelne Knochen wie Glas zu zerbrechen drohte. Alles in ihr bestand nur aus Schmerzen und sie wollte einfach nur, dass es endlich aufhörte.
 

Als sie wieder in ihrem Zimmer war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, überkamen sie wieder diese Fragen. War es das, was einen Verrückten ausmachte? Dass er andere schlug? Und bedeutete es, dass sie jetzt auch verrückt war, weil sie die beiden Jungen verprügelt hatte? Viel mehr aber quälte sie die Frage, ob sie es wirklich schaffen würde, irgendwann einen liebevollen Mann zu finden, wenn sie erwachsen war. Zwar hatte sie sich vorgenommen gehabt, nie wieder Gewalt anzuwenden um somit niemals wie ihr Vater zu werden. Aber wer sagte, dass sie dann auch geliebt werden würde? Es konnte doch genauso gut sein, dass sie den Rest ihres Lebens ganz alleine bleiben und sich niemand dafür interessieren würde, ob sie nun lebte oder nicht. Immerhin interessierte es ja nicht mal ihre eigene Familie. Ganz im Gegenteil, sie würden froh sein, wenn sie fort war. Ihre Mutter hatte ja selbst gesagt gehabt, dass niemand gewollt hatte, dass sie geboren wurde. Und sie wurde nun mit Prügel dafür bestraft, dass sie auf der Welt war. Also würde es ihre Familie vielleicht wieder glücklich machen, wenn sie ganz einfach nicht mehr da sein würde. Mit diesem Gedanken ging Katherine zum Fenster hin und öffnete es. Mit Mühe kletterte sie mit ihren aufgeschürften Beinen auf den Fenstersims und schaute nach unten. Es war relativ hoch und unten befand sich der Weg zur Scheune.

Ob das vielleicht klappen könnte? Irgendwo hatte sie mal aufgeschnappt gehabt, dass man sterben konnte, wenn man aus dem Fenster sprang. Und vielleicht reichte das ja auch für sie aus. Wenn sie sich jetzt aus dem Fenster stürzte und dann starb, würden ihre Eltern vielleicht wieder glücklich werden. Es wollte sie doch eh niemand hier haben. Keiner liebte sie und alle wollten doch sowieso, dass sie niemals geboren worden war. Also würden alle wesentlich glücklicher sein, wenn sie einfach sprang. Wenn sie niemals jemanden finden würde, der sie lieben und in den Arm nehmen würde, machte es doch keinen Sinn mehr, all das hier noch weiter zu ertragen und sich tagtäglich schlagen zu lassen. Da konnte sie sich selbst und allen anderen so viel Ärger ersparen, indem sie einfach hier und jetzt aus dem Fenster sprang und starb. Ob es wohl sehr wehtun würde? Nun, schlimmer als die Schläge ihres Vaters konnte es ja wohl kaum sein. Also nahm Katherine all ihren Mut zusammen und bereitete sich darauf vor, einfach zu springen, da hörte sie plötzlich ihre Schwester. „Kathy…“

Die Siebenjährige hielt inne und drehte sich erschrocken um. Im Türrahmen stand ihre kleine Schwester Tabitha und sah sie verunsichert an. Sofort verwarf Katherine ihr Vorhaben fürs Erste und ging vom Fenster weg. Sie konnte doch nicht einfach rausspringen wenn Tabitha dabei zusah. Was wäre sie denn für eine große Schwester, wenn sie ihr auch noch Kummer machte. „Tabby, was machst du denn hier?“

Doch die Dreijährige ging einfach nur zu ihr hin und schlang ihre kleinen Ärmchen um ihre Taille. Ein infernalischer Schmerz jagte durch Katherines Körper, doch sie biss die Zähne zusammen und versuchte Tabitha zu beruhigen. Nun wurde ihr klar, dass sie nicht einfach so aus dem Fenster springen konnte. Was sollte dann aus ihrer Schwester werden? Wenn Tabitha ganz alleine war, dann würde nicht nur Nigel, sondern auch ihr Vater auf sie einprügeln und das würde sie nicht durchhalten. Sie hatte doch sonst niemanden, der für sie da war und sie beschützte. Was war denn nur in sie gefahren, dass sie nicht einmal an die arme kleine Tabitha dachte? „Hey Tabby, es ist doch alles okay. Ich bin ja da und ich gehe auch nicht weg. Ich bleibe bei dir.“
 

Immer noch hielt die kleine Tabitha sie fest umklammert und stechende Schmerzen jagten durch Katherines geschundenen Rücken. Doch sie ertrug die Schmerzen und begann damit, den Kopf ihrer kleinen Schwester zu streicheln. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Natürlich gab es jemanden, der traurig sein würde, wenn sie nicht mehr da war. Tabitha brauchte sie. Sie war immerhin die Einzige in der Familie, die sich um sie kümmerte und wenn sie nicht mehr da war, würde Tabitha zur Zielscheibe ihres Vaters werden. Sie musste da bleiben und auf ihre Schwester aufpassen. Ansonsten würde ihr das Gleiche blühen.

„Hör zu, Tabby. Das bleibt unser Geheimnis, okay? Wenn ich groß bin, dann gehen wir beide von hier weg wo Dad und Nigel uns nicht finden. Und dann werden wir beide glücklich werden, okay?“

Wortlos nickte die Dreijährige und daraufhin befreite sich Katherine aus dem klammerartigen Griff ihrer kleinen Schwester, da der Schmerz langsam unerträglich wurde. Vielleicht war das die bessere Entscheidung. Wenn sie alt genug war, würde sie mit ihrer kleinen Schwester weglaufen und sich weit weg von hier ein neues Zuhause suchen. Dann würde auch Tabitha nie wieder gequält werden.
 

Schließlich machte Katherine wieder das Fenster zu und brachte Tabitha in ihr Zimmer. Dabei musste sie wieder am Schlafzimmer vorbei, wo immer noch die lauten Schreie zu hören waren. Egal was da drin auch passierte, es war garantiert nichts Schönes. Nur Nigel war immer drin, weil sein Vater wollte, dass er dabei war. Zwar war Katherine ein Stück weit neugierig, was sich da drin abspielte, aber andererseits wusste sie nicht, ob sie das wirklich wissen wollte und hatte ihren Bruder deshalb nie gefragt. Nachdem sie die Tür von Tabithas Zimmer verschlossen hatte, wollte sie wieder zurück in ihr Zimmer und kam wieder am Schlafzimmer vorbei. Die Schreie ihrer Mutter lösten bei ihr Beklemmungen aus und sie wollte einfach nur, dass das Geschrei schnellstmöglich aufhörte. Doch dann öffnete sich plötzlich die Schlafzimmertür und Katherine überkam Panik, dass es ihr Vater sein könnte. Schnell flüchtete sie in das nächstgelegene Zimmer, welches sich als das Nähzimmer ihrer Mutter herausstellte. Sie ließ die Tür nur einen Spalt breit auf und hörte Schritte. Doch zum Glück war es nur Nigel, der in Richtung Badezimmer ging.

Katherine wartete noch ein wenig, bis sie dann das Nähzimmer verließ und wieder auf den Flur trat. Sie hielt jedoch inne als sie sah, dass die Schlafzimmertür offen stand. Sollte sie es wirklich wagen, einen Blick zu riskieren? Zwar wusste sie, dass es nicht richtig war, aber andererseits musste sie am Schlafzimmer vorbei, wenn sie zurück wollte. Und da konnte sie zumindest kurz reinschauen um sicherzugehen, dass ihr Vater nicht auf den Flur schaute. Also fasste sich Katherine ein Herz und ging vorsichtig weiter. Was sie aber im Schlafzimmer sah, verwirrte und verstörte sie zugleich. Sie sah ihre Mutter nackt im Bett liegen, ihre Hände mit einem Gürtel ans Kopfende des Bettes gefesselt. Ihr Gesicht war blutverschmiert von Schlägen und auf ihr lag ihr Vater, der die Hände um den Hals seiner Frau gelegt hatte. „Los, du sollst schreien, du Schlampe. Schrei oder ich schlage dir deine restlichen Zähne ein!“ brüllte er während ihre Mutter selbst nur noch ein ersticktes Röcheln von sich geben konnte.

Katherine konnte ihre Augen nicht vom Geschehen abwenden. Der Körper ihrer Mutter war mit blauen Flecken, Narben und frischen Wunden übersät und irgendetwas machte ihr Vater da, aber sie wusste nicht, was es war. Sie hatte so etwas noch nie gesehen, dass zwei Menschen nackt im Bett lagen und Geschlechtsverkehr hatten. Und sie fühlte sich sehr unwohl dabei, das zu sehen. Es fühlte sich nicht richtig an und der Anblick machte ihr Angst. Doch sie konnte sich nicht bewegen. Obwohl sie nicht hinsehen wollte, schaffte sie es nicht, wegzusehen. Verstört blieb sie vor dem Schlafzimmer stehen und starrte auf dieses bizarre Schauspiel, welches sie nicht verstehen konnte. Dann aber hielt ihr Vater inne, als er seinen Kopf zur Tür drehte. Hieraufhin ließ er ihre Mutter los, stand vom Bett auf und kam zu ihr. Katherine wollte weglaufen, doch sie konnte ihren Körper nicht dazu bringen und so blieb sie immer noch stehen, als ihr Vater nackt vor ihr stand und sie am Schopf packte. Ein widerwärtiges Grinsen zog sich über sein Gesicht und er entblößte dabei seine gelblich verfärbten Zähnen. „Bist wohl neugierig, was? Willst du wissen, was dir mal später passiert, wenn du alt genug bist?“

„Nein, ich will nicht“, rief Katherine in Panik und versuchte sich loszureißen. „Es tut mir leid, ich werde es nie wieder tun. Ich tu es nie wieder! Bitte lass mich los, Dad!“

Doch alles Flehen brachte nichts. Ein Schlag ins Gesicht folgte und daraufhin versetzte Gilbert ihr einen Tritt und beförderte sie ins Schlafzimmer. „Sieh genau hin, Kathy. Das passiert mit dir, wenn du groß bist. Dann mache ich das Gleiche auch mit dir.“

Damit ging ihr Vater wieder zum Bett, ballte seine Hand zur Faust und schlug seiner Frau in den Unterleib. Ein schmerzerfülltes Keuchen folgte, woraufhin er die Beine seiner Frau anwinkelte und gewaltsam wieder in sie eindrang. Mit Entsetzen beobachtete Katherine das Geschehen und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Selten hatte sie etwas derart verstört wie dieser Anblick, doch ihre Beine zitterten so heftig, dass sie nicht in der Lage war, wegzulaufen. Stattdessen waren ihre Augen aufs Bett fixiert und sie sah mit an, was mit ihrer Mutter geschah. Und innerlich wünschte sie sich, sie wäre vorhin aus dem Fenster gesprungen. Dann wäre ihr zumindest dieser Anblick erspart geblieben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Arya-Gendry
2018-01-07T19:20:11+00:00 07.01.2018 20:20
Das ist echt hart. Auch das Helen ihrere Tochter noch sagt das sie nicht gewollt wahr. Obwohl Helen ja auch nur ein Opfer ist. Wenigstens hat sie Katherine wunden versorgt mehr oder weninger. Echt kein Wunder das sie aus den Fenster springen wollte bei so einer Familie.
Bin schon auf das nächste Kapitel gespannt. ;)
Lg


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