Katherine von Sky- (Die Geschichte einer Mörderin) ================================================================================ Kapitel 6: Bestrafung des Beschützers ------------------------------------- Die nächsten Tage brachte der Himmel nichts als Regen und Gewitter. Aufgrund der Sturmgefahr hatten die Schulen ebenfalls geschlossen, sodass Katherine die meiste Zeit in ihrem Zimmer verbrachte und ihre Hausaufgaben erledigte oder einfach am Fenster saß und das Wetter beobachtete. Es herrschte eine sehr merkwürdige Unruhe, nicht nur draußen sondern auch im Haus. Als sie in die Küche gegangen war, um sich etwas zu trinken zu holen, hatte sie ihre Eltern streiten hören und obwohl sie das Gezeter ihres Vaters schon längst gewöhnt war, wusste sie nicht, wie sie die Tatsache einzuordnen hatte, dass ihre Mutter ihm plötzlich Widerpart hielt. Seit sie immer häufiger Besuch von diesen seltsamen Leuten bekam und sonntags in die Kirche ging, war sie immer seltsamer geworden und inzwischen wusste Katherine nicht mehr, vor wem sie sich mehr fürchten sollte. Zwar bekam sie fast täglich Schläge von ihrem Vater und wurde in der Schule wegen ihrer blauen Flecke und ihrer Schürfwunden ausgelacht, aber momentan fürchtete sie sich noch viel mehr vor ihrer Mutter. Und auch ihr Bruder machte genug Probleme und wurde immer aggressiver. Es schien so als wären sie und Tabitha die Einzigen, die sich nicht so verhielten. An einem ebenso regnerischen Oktobermontag, der für viele Kinder die lang ersehnten Herbstferien bedeuteten aber für sie nur eine grausame Strafe war, saß Katherine in ihrem Zimmer und hatte ein Buch aufgeschlagen. Nachdem sie beim Herumstromern im Haus auf den Dachboden geklettert war, hatte sie alte Kinderbücher gefunden, die einst ihrer Mutter gehört hatten. Und da sie manchmal nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wusste, hatte sie sich ein paar davon hinunter in ihr Zimmer mitgenommen und dort zu lesen begonnen. Zwar hatte sie an einigen Stellen zwischendurch Schwierigkeiten, weil sie das entsprechende Wort noch nicht gut lesen konnte oder es nicht verstand. Mit Mühe arbeitete sie sich Schritt für Schritt durch das Buch und konnte sich somit die Zeit vertreiben. Insgeheim hoffte sie, dass sie auf diese Weise die ganzen Herbstferien verbringen konnte, ohne dass sich irgendwelche allzu unangenehmen Zwischenfälle ereigneten. Aber unglücklicherweise kam alles anders als erhofft. Gerade war sie dabei, das fünfte Kapitel des Buches zu lesen, welches von einem Mädchen handelte, das bei ihrem Versuch, einem sprechenden Kaninchen zu folgen, an einen sehr wunderlichen Ort gelangt war. Katherine konnte nicht viel mit dieser wirren Geschichte anfangen, aber sie bewunderte den Einfallsreichtum, den der Schreiber dieses Buches wohl gehabt haben musste. Sie hatte es sich auf ihrem Bett gemütlich gemacht und war völlig in die Seiten vertieft, während der Regen geräuschvoll gegen die Scheiben prasselte. Doch da wurde sie von einem lauten Schrei unterbrochen, der die bis dahin so friedvolle Stille abrupt beendete. Es war dieses Mal nicht ihre Eltern, sondern Tabitha. Sofort ließ Katherine das Buch fallen um sprang vom Bett auf. Wenn ihre kleine Schwester so laut schrie, dann war es garantiert wieder Nigel, der sie quälte. Schnell eilte Katherine zum Zimmer ihrer kleinen Schwester um ihr zu helfen. Sie erschrak als sie sah, wie ihr Bruder die Sechsjährige, die verzweifelt um sich trat und wie am Spieß schrie, auf den Boden gedrückt hatte. Ihr Kleid war hochgerissen worden und Nigel, der den Schürhaken vom Kamin in der Hand hielt, versuchte mit Gewalt den Stiel direkt zwischen ihre Beine zu drücken. „Hör auf zu schreien, Tabby“, rief er wobei er versuchte, die verzweifelten Hilfeschreie seiner kleinen Schwester zu übertönen. „Das gefällt dir doch!“ „Geh sofort weg von ihr, Nigel!“ schrie Katherine und verwarf in diesem Moment ihr Vorhaben, nie wieder Gewalt anzuwenden. Wenn ihr Bruder solche Sachen bei ihr versuchte und ihr ständig die Unterhose herunterzog um sie zu demütigen, war das schon schlimm genug. Doch sie konnte nicht mit ansehen, wie er ihre kleine Schwester quälte. Mit ihrem ganzen Gewicht stürzte sie sich auf ihren jüngeren Bruder und biss ihm in die Hand, mit welcher er den Schürhaken festhielt. Der Neunjährige heulte vor Schmerz auf und schlug Katherine direkt ins Gesicht, doch sie vergrub ihre Zähne tief in sein Fleisch, bis sie er endlich den Schürhaken losließ. In dem Moment, als sie von ihm abließ, folgte ein heftiger Tritt in ihre Magengrube und während sie noch völlig benommen von dem Angriff war, versuchte Nigel, wieder in den Besitz des Schürhakens zu kommen um sie damit zu verprügeln. Katherine schaffte es, den Griff zu fassen zu bekommen, als auch schon ihr Bruder das Werkzeug packte. Sie begannen beide daran zu zerren und es entstand eine Keilerei zwischen ihnen. Keiner von ihnen wollte loslassen und beide waren in diesem Moment so voller Wut gegen den anderen, dass sie sich einander nichts schenkten. Sie zerrten beide an dem Schürhaken, versuchten den anderen abzuschütteln und wegzustoßen. Schließlich aber konnte Katherine den Kampf für sich entscheiden, indem sie ihrem Bruder zwischen die Beine trat und ihn somit außer Gefecht setzte. Nigel stöhnte vor Schmerz auf und krümmte sich zusammen, wobei er den Schürhaken losließ. Das war ihre Chance. Schnell rappelte sich Katherine wieder auf und baute sich vor ihrem Bruder auf, den Schürhaken fest in den Händen gepackt wie eine Waffe. „Hau ab und lass Tabby in Ruhe, oder ich mache das Gleiche mit dir!“ drohte Katherine, obwohl sie nicht einmal im Traum daran gedacht hätte, so etwas zu machen. Aber sie konnte nicht das Risiko eingehen, dass ihr Bruder gleich wieder versuchen würde, sich an Tabitha zu vergreifen, die sich ohnehin nicht wehren konnte. Stöhnend richtete sich Nigel wieder auf, das Gesicht immer noch vor Schmerz verzerrt. Seine goldgelben Augen funkelten vor Zorn und hasserfüllt starrte er sie seine große Schwester an. „Das sage ich Dad und dann bringt er dich um!“ Damit verließ er das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Ein wenig erleichtert darüber, dass Nigel nicht wieder auf sie losgegangen war, atmete Katherine aus und wandte sich ihrer kleinen Schwester zu, die schluchzend und vor Angst zitternd auf dem Boden kauerte. Zärtlich streichelte sie ihr durchs Haar und versuchte sie zu beruhigen. „Keine Angst, Tabby. Ich bin ja da und pass auf dich auf. Wenn Nigel das nächste Mal wieder so was macht, komm direkt zu mir. Ich gehe jetzt lieber. Wenn Dad gleich kommen sollte, will ich nicht, dass du auch Ärger bekommst.“ Schluchzend nickte die Sechsjährige und wischte sich mit ihrem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Mit dem Schürhaken in der Hand ging Katherine nach unten zum Wohnzimmer. Sie wollte lieber nicht riskieren, dass ihr Vater den Schürhaken noch bei ihr fand und ihr damit eins über den Schädel zog. Als sie das Wohnzimmer betrat, sah sie ihren Vater in seinem Lieblingssessel sitzen, mit einer Flasche in der Hand. Sie konnte den Alkohol deutlich riechen und auch wenn sie sich bereits an diesen Geruch gewöhnt hatte, ekelte sie sich dennoch. Seine Augen waren blutunterlaufen und er selbst so weggetreten und betrunken, dass er kaum noch etwas mitbekam. Nigel war ebenfalls im Wohnzimmer und versuchte mit ihm zu reden um ihm das Vergehen seiner großen Schwester zu petzen. Doch Gilbert Cohan war so schwer betrunken, dass er nicht einmal klar sehen konnte und er brachte nichts als ein unverständliches Nuscheln hervor, hob die leere Flasche und schlug sie seinem Sohn gegen die Schläfe. „Du sollst dich verpissen, du Drecksbalg!“ brüllte der Betrunkene wobei er offensichtlich immense Schwierigkeiten hatte, überhaupt die Worte richtig auszusprechen. „Oder ich schlag dir den Schädel ein!“ Schnell stellte Katherine den Schürhake wieder an seinen Platz am Kamin zurück und flüchtete zusammen mit ihrem Bruder aus dem Wohnzimmer. Es war viel zu riskant, sich im selben Raum mit ihrem Vater aufzuhalten, wenn dieser betrunken war. Doch kaum, dass sie wieder im Flur waren, drehte sich Nigel, dessen Stirn leicht blutete, zu ihr um und trat ihr vors Schienbein und spuckte ihr ins Gesicht. „Beim nächsten Mal wird Dad dir den Schädel einschlagen!“ Katherine ignorierte ihn und säuberte sich mit dem Ärmel das Gesicht. Doch als sie wieder die Treppe hochgehen wollte, blieb sie stehen und drehte sich noch mal zu ihrem Bruder um. Sie konnte nicht einfach so in ihr Zimmer gehen, ohne eine klare Warnung auszusprechen: „Und beim nächsten Mal, wenn du Tabby wieder quälst, werde ich dir richtig wehtun.“ Damit ging sie und ließ ihren Bruder alleine zurück. Dieses Mal wagte er es nicht, wieder auf sie loszugehen. Die Abreibung, die er kassiert hatte, war wohl genug gewesen. Am nächsten Morgen wachte Katherine aus einem unruhigen Schlaf auf und ging hinunter in die Küche, um zu frühstücken. Ihre Geschwister saßen bereits am Tisch und wie immer war Nigel dabei, Tabitha zu ärgern, indem er sie an den Zöpfen zog oder ihr gegen die Schienbeine trat. Katherine gesellte sich zu ihnen, wobei auch sie nicht von den Schikanen ihres Bruders verschont blieb, der ein sichtliches Vergnügen daraus zog, Tabitha zum Weinen zu bringen. Sie versuchte zwar, Nigel in die Schranken zu weinen und drohte damit, ihn wieder zu treten, doch da kam auch schon ihr Vater in die Küche. Nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, war er wieder ansprechbar, doch er schien trotzdem in einer ziemlich schlechten Laune zu sein. Abrupt verstummten Katherine und Tabitha, als sie ihn sahen und versuchten seinem Blick auszuweichen um bloß nicht seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Doch leider machte Nigel ihnen einen Strich durch die Rechnung, als er sofort rief „Dad, Kathy hat mich gestern verprügelt und wollte mich mit dem Schürhaken umbringen.“ Diese elende Petze. Katherine hatte das Gefühl, als würde ihr alles Blut aus dem Kopf weichen und ihr Magen verkrampfte sich. Sie wusste, was ihr blühen würde und dass es kein Entrinnen mehr gab. Die goldgelben Augen ihres Vaters, die immer blutunterlaufen waren, fokussierten sie und in ihnen war nichts als unbändiger Hass und Zorn zu sehen. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer entsetzlichen Grimasse und Katherine ahnte, dass ihr noch sehr Schlimmes bevorstand. „Ich wollte ihn nicht umbringen!“, versuchte sie sich zu verteidigen. „Ich habe nur Tabby beschützt und ich…“ Ein Schlag ins Gesicht traf sie mit einer Wucht, die sie vom Stuhl riss. Sie stürzte zu Boden und stöhnte auf, als der dumpfe Schmerz wie ein Echo in ihrem Gesicht nachwirkte und ihr für einen Moment fast das Bewusstsein raubte. Wie betäubt kauerte sie auf dem Boden und presste eine Hand gegen ihre schmerzende Wange. Bevor sie reagieren konnte, wurde sie am Schopf gepackt und hochgezerrt. Eine Hand legte sich um ihren Hals und drückte unbarmherzig zu. Unerbittlich wurde ihr die Kehle zugeschnürt und sie rang verzweifelt nach Atem und versuchte sich zu befreien, doch gegen ihren Vater konnte sie nichts ausrichten. „Du wolltest was?!“ zeterte er und riss sie von den Füßen. „Du wagst es, deinen Bruder zu schlagen und zu bedrohen? Ich glaube du hast wohl vergessen, wo hier dein Platz ist. Na warte, ich werde dir diese Flausen schon austreiben. Ich schlage dich windelweich, du scheiß Dreckbalg!“ Katherine hatte das Gefühl, als würde sie gleich ersticken. Ihre Lungen schrien nach Luft und vor ihren Augen begannen schon Sterne zu tanzen. Tabitha sah sie fassungslos und mit Tränen in den Augen an, tat aber nichts um ihr zu helfen. Und Nigel starrte wie gebannt auf das Geschehen, während er zufrieden grinste. Denn er wusste genau, dass er nichts zu befürchten hatte und dass sie hingegen für ihr Vergehen bezahlen musste. Wie sehr sie ihren Bruder doch dafür hasste, dass er nicht seine Klappe halten konnte. Als sie schon glaubte, aufgrund des Sauerstoffmangels das Bewusstsein zu verlieren, wurde sie endlich wieder losgelassen und rang verzweifelt nach Luft. Doch da wurde sie auch schon am Handgelenk gepackt und aus der Küche gezerrt. Unerbittlich wurde sie in Richtung Kellertür gebracht und kaum, dass diese geöffnet wurde, wurde sie mit einem Tritt nach vorne gestoßen und schaffte es nicht, sich irgendwo festzuhalten, sodass sie die Treppen hinunterstürzte. Ein heftiger Schmerz jagte durch ihren linken Arm und mit einem Schrei wand sich die Zehnjährige auf dem Boden und presste ihre rechte Hand auf die schmerzende Stelle. Ihr war als würde ihr etwas den Arm von innen heraus zerreißen und ungewollt stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie begann zu schreien und presste ihre gesunde Hand auf ihren schmerzenden Arm in der Hoffnung, sich wenigstens ein bisschen Linderung zu verschaffen. Schritte kamen näher und langsam stieg Gilbert Cohan die Treppe hinunter. Katherine, die noch viel zu betäubt von dem Schmerz in ihrem linken Arm war, regte sich nicht und nahm kaum wahr, dass ihr Vater zu ihr kam. Und ehe sie sich versah, stand er auch schon vor ihr und verpasste ihr einen kräftigen Tritt in die Magengrube, der ihr fast das Bewusstsein raubte. „Ihr verdammten Huren seid auch alle gleich. Nicht nur nutzlos seid ihr, anscheinend seid ihr auch zu dumm um zu kapieren, dass ihr euch gefälligst unterzuordnen habt. Nicht einmal lernen könnt ihr! Aber nicht mit mir… ich werde keine Frauen in meinem Haus dulden, die aufmucken und meinen, sie könnten hier die Männer im Haus bedrohen oder versuchen, sie umzubringen! Es ist sowieso schon eine Schande, dass du geboren werden musstest. Aber ich werde nicht zulassen, dass du dem Stammhalter unserer Familie etwas antust, du wertloses Stück Scheiße!“ Damit trat er auf ihren ohnehin schon schmerzenden Arm und ein hässliches Knirschen war zu hören. Katherine glaubte für einen Moment, als würde ihr mit grausamer Gewalt der Arm zerquetscht werden und ein unbeschreiblicher brennender Schmerz durchjagte ihren Körper. Sie schrie auf und spürte, wie Übelkeit und Schwindel sie überkamen. Ihr war, als würde ihr alles Blut aus dem Körper weichen und für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen. Alles um sie herum begann sich zu drehen und ihr Magen begann zu rebellieren. Ein Blick auf ihren schmerzenden Arm genügte, um endgültig das Blut in ihren Adern gefrieren zu lassen. Ihr Unterarm war in der Mitte eingeknickt wie ein Zweig und bot einen abstoßenden Anblick. Entsetzt starrte sie darauf und Panik überkam sie. Was in aller Welt war mit ihrem Arm passiert und wieso war er plötzlich so deformiert? Sie versuchte instinktiv ihren Arm zu bewegen in der Hoffnung, ihn irgendwie wieder zu richten, doch das rächte sich sofort mit einer erneuten Welle unerbittlicher Schmerzen. „Hör auf zu schreien!“ brüllte ihr Vater in einem erneuten Anfall von Wut. „Das hast du dir selber zuzuschreiben. Und wenn du nicht sofort aufhörst, hier einen auf wehleidig zu machen, dann breche ich dir den anderen Arm.“ Katherine biss die Zähne zusammen, doch Tränen rannen ihr kalkweißes Gesicht hinunter und erneut begann ihr Magen zu rebellieren. Sie versuchte, sich zusammenzureißen und bloß nicht zu schreien, doch da überwältigte sie ein starker Würgereiz und sie erbrach sich direkt vor den Füßen ihres Vaters. Dieser fluchte laut und schrie „Du verdammte Sau hast mir auf die Schuhe gekotzt!“ Halb ohnmächtig versuchte Katherine, eine Entschuldigung zu stammeln, doch da wurde sie schon am Nacken gepackt und mit dem Gesicht in ihr eigenes Erbrochenes gedrückt. „Das machst du jetzt sauber oder ich schlag dir die Zähne einzeln aus!“ Doch sie war kaum noch in der Lage, überhaupt noch zu reagieren. Der Schmerz und der Schock hatten sie völlig betäubt und sie nahm alles nur noch durch Watte gefiltert wahr. Die Stimme ihres Vaters dröhnte in ihrem Kopf und der saure und stechende Geruch ihres eigenen Erbrochenen löste erneut einen Würgereiz aus. Und als sie sich erneut erbrach, traf sie kurz darauf ein kräftiger Tritt gegen die Schläfe und raubte ihr endgültig das Bewusstsein. Wie lange Katherine bewusstlos gewesen war, konnte sie nicht sagen. Als sie langsam wieder zu sich kam, war ihr immer noch speiübel und als sie versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, wurde sie von einem starken Schwindelgefühl gepackt und ihre Beine versagten den Dienst. Sie lag fast zwei weitere Stunden auf dem Boden, ohne aufstehen zu können, da immer wieder ihr Kreislauf versagt. Blut floss ihr ins Gesicht und ihr Kopf dröhnte so stark, dass sie nicht einmal einen einzigen klaren Gedanken fassen konnte. Immer noch war ihr schlecht und ihre Sicht wurde von einem blutroten Schleier verdeckt. Irgendwie schaffte sie es schließlich, sich langsam die Stufen hochzukämpfen, blieb dann aber benommen und erschöpft im Flur liegen. Sie hoffte, wenigstens zu ihrer Mutter zu gelangen, damit diese sie zum Arzt bringen konnte. Doch da kam auch schon ihr Bruder Nigel herbei, der wahrscheinlich nur auf der Suche nach seinem Vater war. Als er aber seine ältere Schwester in diesem Zustand sah, ließ er es sich natürlich nicht nehmen, sich gebührend für die Abreibung zu revanchieren, die sie ihm verpasst hatte. Er begann sie zu bespucken und ins Gesicht und gegen ihren gebrochenen Arm zu treten, bis ihre qualvollen Schreie ihre Mutter herbeiriefen. Diese ging schließlich dazwischen, doch nicht um ihrer Tochter zu helfen. Sie sagte lediglich „Hör mit dem Geschrei auf. Dein Vater ist einer sehr schlechten Laune. Und du Nigel, spar dir das für deine andere Schwester auf.“ Nur widerwillig ging Nigel, verpasste Katherine aber noch einen letzten Tritt gegen den Brustkorb, der ihr alle Luft aus den Lungen presste und sie daraufhin in eine bedrohliche Atemnot brachte, bevor er die Treppen hinaufging. Katherine lag vor Schmerz verkrümmt und stöhnend auf dem Boden und wirklich jede Faser in ihrem Körper litt Höllenqualen. Blut lief in ihr Auge und ihr war, als würde sie gleich wieder das Bewusstsein verlieren. Ihre Brust schmerzte so stark, dass sie kaum Luft holen konnte und ihr war, als würde sie bald ersticken, wenn der Schmerz nicht nachließ. Sie schaute hinauf zu ihrer Mutter und versuchte sie um Hilfe anzuflehen, doch ihre Stimme versagte, sodass ihre aufgeplatzten Lippen Worte formten, die unausgesprochen blieben. Und ihre Mutter tat auch nichts um ihr zu helfen. Stattdessen sagte sie nur „Ertrage deine Qualen in Stille. Denn das ist Gottes Strafe dafür, dass du geboren wurdest!“ bevor sie wieder ging. Kurz darauf versank die Welt um Katherine herum wieder in tiefe Dunkelheit und sie kam erst wieder zu sich, als sie bereits im Bett des Krankenhauses lag. Ihr gebrochener Arm war bereits eingegipst, die Platzwunde an ihrem Kopf genäht und sie hatte auch dank der Betäubungsmittel auch keine Schmerzen mehr. Doch froh darüber war sie nicht im Geringsten. Stattdessen begann sie sich zu fragen, warum man sie nicht einfach zum Sterben im Flur hatte liegen lassen. Dann hätten ihre Qualen zumindest endgültig ein Ende gefunden. Im Grunde war sie nun dazu verdammt, mit ihren Schmerzen weiterzuleben und weiterhin diese Bestrafungen zu ertragen, nur weil sie versucht hatte ihre Schwester zu beschützen. Wenn sie wenigstens an ihren Verletzungen gestorben wäre, dann hätte sie dieses ganze Elend wenigstens hinter sich. Schließlich kam der Arzt zu ihr, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Wie sie schließlich erfuhr, hatte sie neben der Platzwunde und dem Armbruch noch eine Gehirnerschütterung und eine gebrochene Rippe. Sie nahm diese Diagnose teilnahmslos entgegen und war auch nicht sonderlich froh oder erschrocken darüber, dass sie die Nacht über im Krankenzimmer verbringen musste, bevor sie wieder nach Hause geschickt wurde. Sie wollte einfach nur einschlafen und nie wieder aufwachen. Was für eine Welt war das bloß, in der sie bestraft wurde, wenn sie sich wehrte und noch schlimmer bestraft wurde, wenn sie jemanden beschützen wollte? Gab es überhaupt etwas, das sie richtig machen konnte? Sollte sie etwa einfach stillsitzen und nichts tun, wenn ihre kleine Schwester wieder gequält wurde? Katherine verspürte den Drang zu weinen, doch selbst dazu fehlte ihr die Energie und sie wusste, dass Tränen auch nichts an ihrer Situation ändern würden. Es würde doch auch niemand um sie weinen, also warum sollte sie ihren eigenen Zustand bejammern? Davon wurden die Dinge auch kein Stück besser. Und wenn es wirklich stimmte und sie wurde von Gott bestraft, dass sie geboren wurde, dann sollte er sie doch hier und jetzt töten, um diesem ganzen Elend ein Ende zu bereiten. Eines stand fest: sie konnte ihrer Schwester nicht mehr helfen. Wenn sie das noch einmal tat, würde sie das entweder mit noch mehr gebrochenen Knochen bezahlen, oder aber ihr Vater würde sie endgültig umbringen. Sie würde eine weitere solch schwere Bestrafung nicht überstehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)