Sommer in Hasetsu von Flokati ================================================================================ Leckerli: Phichits Siegesfeier ------------------------------ Oder: „Wer hat eigentlich Georgi eingeladen?“ „Yuuri! Ich dachte schon ihr kommt gar nicht mehr!“ „Tut mir Leid, Phichit... Ich hatte mich kurz hingelegt und muss eingeschlafen sein.“ „Ja, und bis ich dich mit dem Handy wach geklingelt hatte, war’s dann eben so spät, wie’s jetzt ist.“ „Verstehe... Ja, du hast schon immer geschlafen wie ein Stein, Yuuri! Los, kommt!“ Phichit hat’s geschluckt. Ich kann es nicht fassen, dass Viktors trivialer Erklärungsversuch wirklich funktioniert hat. Aber gut, er hat ja auch den Berichterstattern glaubwürdig machen können, dass dieser Kuss auf dem Eis rein gar nichts mit Liebe, sondern nur mit Lob zu tun hatte. Auf der anderen Seite war das bevor wir miteinander... Oh Gott. Miteinander geschlafen haben...! Ich kann das einfach nicht glauben... Ich bin seit etwas mehr als einer Stunde aus dem Club der ewigen Jungfrauen ausgetreten und das mit niemand anderem als Viktor Nikiforov an der Hand. „Wir machen einen drauf, Trainer-freie Party heute!“, lässt mich Phichit freudestrahlend wissen, als wir zum Tisch gehen. Ich schaue ihn überrumpelt an. Von Trainer-frei stand nichts in seiner Nachricht...! „Muss ich wieder gehen?“, fragt mich Viktor mit ähnlich irritiertem Gesicht. „Ach was, nein! Natürlich nicht!“, antwortet Phichit hastig, als hätte er gerade erst bemerkt, dass Viktor ja mein Trainer ist. Dann schaut er etwas betreten drein. „Und tut mir Leid wegen dem Foto“, fügt er an. „Um jetzt wieder Neue zu machen?“, entgegne ich mit einem warnenden Blick. „Nein, auf keinen Fall!“ verteidigt sich Phichit. „Setzt euch! Yuuri, was wollt ihr trinken?“ „Ich nehm‘ kalten Tee. Du, Viktor?“ „Ich schließ mich dir an.“ „Hä, wir wollen feiern und ihr wollt Tee?“ Phichit schaut uns entgeistert an. „Ich trinke generell nicht, Phichit-kun. Das weißt du“, antworte ich mit hochgezogener Augenbraue. „Und ich werde mir nicht nochmal die Kante geben“, erklärt Viktor. „Wir haben auch nur 'ne Cola“, springen uns Guang-Hong und Leo zur Hilfe. „Und ich Sprite“, sagt Chris und schwenkt sein Glas. „Ist doch alles bestens. Jeder trinkt das, was er möchte.“ Nachdem die Getränke bestellt und wir alle um einen Tisch mit Drehscheibe versammelt sitzen, kämpfen wir uns durch die chinesische Speisekarte. Guang-Hong steht ständig bei jemand anderem um zu übersetzen, aber bei dem ganzen Durcheinander hat einfach jeder nach ein paar Sekunden schon wieder vergessen, was er eigentlich wollte und was es war, sodass das Spiel von vorne losgeht. Immerhin sind bei der Karte Bilder dabei, sodass man nicht ganz verloren ist und ein bisschen zurecht finden kann ich mich dank der Kanji ja auch. Viktor und ich schauen zusammen in eine Karte und nach einer Weile zeigt er mit dem Finger auf eins der Zeichen. „Yuuri, das ist mit Schwein, oder?“ „Hm, ja.“ „Das Rind?“ „Ja...“ „Huhn?“ „Hast du dir die Zeichen vom Japanischen gemerkt?“, frage ich. „Mochiron sa“, erwidert er und ich werde rot. Dass er sich schon so viel gemerkt hat, ist mir gerade irgendwie peinlich. Ich habe es auf Russisch gerade mal zu „Danke“, „Ja“ und „Nein“ gebracht. Und er liest schon die halbe Speisekarte auf Chinesisch, weil er sich das Japanische gemerkt hat und die Zeichen verwandt sind. „Sprichst du schon Japanisch, Viktor?“, fragt Chris interessiert. „Un peu. Es reicht, um nicht zu verhungern“, antwortet Viktor und zwinkert. „Das, was man immer als Erstes lernt. Wie man was zu essen bekommt und wie man flucht. Kannst du auch fluchen?“, grinst Chris zurück. „Hm, ich bin nicht sicher“, sagt er und wendet sich an mich. Er will jetzt nicht allen ernstes Schimpfwörter von mir bestätigt haben?! Wo hat er die überhaupt her?! „Was heißt shinpai?“ Eh, was? Ich antworte: „Sorgen...?“ „Und makeru?“ „Verlieren...?“ „Shippai?“ „Versagen...“ „Fuan?“ „Viktor!“, unterbreche ich ihn mit hochrotem Kopf, während Chris sich schon beherrschen muss, nicht laut loszulachen. „Wo hast du diese Wörter her?!“ „Von dir. Du brabbelst das immer beim Training vor dich hin, vor allem, wenn du stürzt. Ich dachte, du fluchst.“ (^ _ ^) „Hör' auf damit, das ist peinlich!“ Oh Gott, führe ich etwa so viele Selbstgespräche mit mir, wenn wir beim Training sind?! Himmel, ich muss besser aufpassen, was er aufschnappt... „Yuuri, das konnte ich doch nicht wissen...“, beschwert er sich und zieht eine Schnute. „Dann hör' auf...“ „Tut mir Leid. я люблю тебя.“ Hä, was? Chris lehnt sich zu Viktor und flüstert ihm zu: „Also falls du ihm gerade Schweinereien zuraunst, du bist nicht der einzige Russe hier. Wollt‘s nur gesagt haben.“ Viktor schreckt auf, sein Blick findet Georgi, der geduckt zwischen Leo und Phichit sitzt und sehr konzentriert auf seinem Handy herumtippt. Entsetzt dreht Viktor sich zu Chris. „Wer hat denn Georgi eingeladen?!“ „War nicht geplant, Viktor. Er hat im Vorbeigehen mitbekommen, dass wir alle zusammen Feiern gehen wollen und gefragt, ob er mitkann. Hat wohl 'nen Korb von irgendeiner Maria gekriegt, da konnte der kleine Thailänder nicht mehr Nein sagen...“ „Verstehe…“, antwortet Viktor und sein Blick wird ernster. „Ich glaube, ich muss etwas richtig stellen. Georgi!“ „Was?“ Georgis Blick ist zum Fürchten. „Du, ich. Wir haben was zu klären.“ „Das glaube ich auch“, giftet er Viktor an. Viktor steht auf, Georgi ebenfalls. Ich bin gerade ziemlich verwirrt. Was müssen die Beiden denn klären? Hat es etwas mit dieser Russenparty zu tun? Ich sehe ihnen nach, bis sie um die Ecke verschwunden sind. Chris lehnt sich zu mir herüber. „Was denkst du gerade, Yuuri?“ „Viktor war gestern Abend mit Georgi und den anderen Russen feiern...“, beginne ich zögerlich, weil ich noch nicht weiß, wie ich es erklären soll, was mir durch den Kopf geht. Es klingt fürchterlich danach, als hätte Viktor etwas mit diesem Korb zu tun und mir wird direkt bewusst, dass ich von Viktor den ganzen Abend lang nichts gehört habe. Ich war so in meiner Euphorie gefangen, dass ich nicht mehr wirklich etwas mitbekommen habe. Erst heute morgen hatte ich seine Nachrichten bemerkt, unter anderem die von kurz nach Mitternacht, um mir mitzuteilen, dass er wieder auf seinem Zimmer sei. „Dann ist die Sache klar“, schlussfolgert Chris gelassen. „Georgi hat Viktor auf die Russenparty eingeladen?“ „Eh, ja...?“, antworte ich und bin nur noch verwirrter. Kommt dieses Szenario denn öfter vor, dass Chris es sogar erraten kann? Ich hatte mir überhaupt nichts dabei gedacht. Ich wollte, dass Viktor eine Chance bekommt, sich mit seinem Trainer auszusprechen... Und jetzt wird mir schlecht bei dem Gedanken daran, wieso er der Grund für einen Korb von dieser Maria gewesen sein sollte. „Yuuri.“ Chris lächelt mich an. „Keine Sorge. Georgi denkt immer, er hat Vorteile, wenn Viktor dabei ist. Aber du darfst nie vergessen: Alle interessieren sich für Viktor, aber Viktor interessiert sich nicht für alle. Er sucht sich sehr genau aus, wen er an sich ranlässt. Das solltest du vielleicht am Besten wissen?“ Mir schießt unvorbereitet das Blut mit Hochdruck in den Kopf. Oh ja. Und wie ich das weiß...! Chris zwinkert mir zu. „Dein Silber war heute Gold wert. Also freu' dich. Da schau, dein Gatte ist schon zurück.“ Viktor und Georgi kommen wieder zu uns an den Tisch und der Unterschied in Georgis Ausdruck ist gewaltig. Was auch immer Viktor ihm gesagt hat, es hat wohl seinen Job getan. Georgi wirkt sogar fast optimistisch. Viktor setzt sich wieder zwischen Chris und mich und greift unter dem Tisch direkt nach meiner Hand, als hätte er geahnt, dass mich die Situation verunsichert hat. „Sei unbesorgt“, flüstert er mir zu. „勇利が一番好きなんだ.“ Sofort schießt mir das Blut ein weiteres Mal ins Gesicht. Ich bin um ein Vielfaches erleichtert und diesmal hat es auch wirklich niemand außer mir verstanden, aber dass er das einfach so in einem Restaurant zu mir sagt...! Just in diesem Moment wird unser Tee wird gebracht und die ersten Gerichte folgen, die auf der Drehscheibe in der Mitte des Tischs platziert werden. Es kann endlich losgehen. Gut so. Dann ist jeder mit essen beschäftigt und schaut nicht ständig zu uns. Ich hab' nämlich auch ganz schön Hunger mittlerweile...! ---------------------- „Yuuri hat ganz schön zugeschlagen, ob sich das morgen bei der Exhibition rächt?“ „Ah, ich glaube, dein Freund bekommt noch ein paar extra Trainingsstunden heute Abend.“ „...Wie meinst du das, Chris?“ „Du hast sie doch gesehen. Wie sie diese Aubergine mit Bohnenpaste geteilt haben, da hat doch keiner mehr auf sein eigenen Teller geguckt. Dass Yuuri vorher noch gepustet hat, ich hau‘ mich weg.“ „Dann denkst du, der Kuss war echt?!“ „Ich wette. Viktor küsst nicht einfach so irgendjemanden. Aber ob Yuuri weiß, was er damit losgetreten hat?“ „Ah, das heißt jetzt...?“ „Viktor vom Eis zu stehlen, ist eine Sache. Aber Viktor von der ganzen Welt zu stehlen, gleicht einem Hochverrat. In Russland wird man ihm dafür keinen roten Teppich ausrollen.“ „Verstehe...“ „Aber?“ „Naja, es kann sein, dass jeder bei einem Jahrhundertläufer wie Viktor denkt, dass er nur das Beste verdient hat und dass Yuuri diesem Bild kaum gerecht werden kann. Aber wenn Yuuri sein Herz gewonnen hat, dann hat er doch mehr erreicht, als alle anderen zusammen, oder?“ „Dein naiver Idealismus hat etwas Bewundernswertes... So selbstlos sind die Menschen leider nicht. Dein Freund wird den Kampf seines Lebens nicht um irgendeine Goldmedaille führen. Er hat die Welt herausgefordert, um dem Einen würdig zu werden, der ihr König ist.“ „Waahh, Chris, bei dem Gedanken bekomm‘ ich Gänsehaut...!“ „Nicht nur du. Diese Saison wird die Spannendste seit Langem.“ Bonus: Erdbeeren kaufen Es ist der Morgen nach der dritten Nacht in Peking und ich habe schon wieder nicht richtig geschlafen. Abgesehen davon, dass es nicht einfach ist, zu zweit in einem Einzelbett zu schlafen, hat sich auch unser Vorsatz, in Peking mit so wenig Körperkontakt wie möglich auszukommen, endgültig in Luft aufgelöst. Es war, als hätten wir versucht alles nachzuholen, was wir schon so lange hatten tun wollen, aber nicht getan haben. Es befindet sich kein einziges Taschentuch mehr in der Makkachinbox und wir liegen völlig erschöpft vor Liebe in meinem Bett. Immerhin haben wir es auf dem Rückweg vom Restaurant noch in einen chinesischen Konbini geschafft und ich habe die erste Packung Kondome meines Lebens mit dem Vorsatz, sie auch zu benutzen gekauft, während Viktor vor dem Geschäft auf mich gewartet hat. Vor lauter Aufregung habe ich allerdings weder richtig hingeschaut, noch die Beschriftung beachtet und war irgendwie der Meinung, die fröhliche kleine Erdbeere auf der Packung sei nur Tarnung. War sie nicht. Viktor hat sich nicht mehr eingekriegt und ich befürchte, dass mir das noch wochenlang nachhängen wird. Herzlichen Glückwunsch, Yuuri. Zu Silber, Gold und fröhlichen Erdbeeren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)