Sommer in Hasetsu von Flokati ================================================================================ Epilog: Sommer in Hasetsu - Epilog ---------------------------------- Das Lied ist vorbei und Viktor liegt mitten auf der Eisfläche. Er hat geschnauft vor Anstrengung, sich vom Bauch auf den Rücken gerollt, gelacht, aber jetzt ist es still. Sein Arm liegt über seinem Gesicht und von hieraus kann ich nicht erkennen, welcher Ausdruck sich darin befindet. Aber wenn er nicht gleich aufsteht, dann werde ich ihn dazu auffordern müssen, denn er hat keine Jacke an und wird sich den Tod holen, wenn er geschwitzt da liegen bleibt. Andererseits hoffe ich, dass er von alleine aufsteht, denn womöglich bekomme ich keinen Ton aus mir heraus. Ich fühle mich generell nicht in der Lage, etwas sagen zu können. Er wollte die „Schneeflocken tanzen lassen“, wie er es nannte, aber ich selbst habe keine Worte für das, was er auf dem Eis gemacht hat. Es folgte keiner Logik und war spontan, aber trotzdem habe ich das Gefühl gehabt, dass Viktor in ein paar Minuten durch sein ganzes Leben gelaufen ist. Er steht nicht auf. Ich weiß nicht, ob mein Ruf nur halb so laut sein wird, wie ich es mir erhoffe, aber es muss sein: „Viktor!“ „Yuuri“, antwortet er ohne sich zu rühren. „Komm‘ zu mir.“ „Viktor, ich hab‘ die Schlittschuhe zuhause gelassen“, entgegne ich vorwurfsvoll, aber ich bin erleichtert, dass er reagiert und dass ich doch noch eine Stimme habe. „Soll ich dir eben welche holen, Yuuri?“, fragt Yuko. Ich seufze. „Ja, bitte.“ Während ich warte, beobachte ich, wie Viktor sich aufsetzt, dass er nicht mehr weiter auf dem Rücken auf dem blanken Eis liegt. Yuko kommt zurück und gibt mir die geliehen Schlittschuhe. Es ist ungewohnt, andere Schuhe als meine eigenen zu tragen und ich hoffe mal, Viktor hat keine weitere, fixe Idee mehr, die mich einschließt. Dann gleite ich zu ihm und kurz bevor ich ihn erreiche, hält er mir seine Hand entgegen. Ich greife sie, ziehe ihn hoch und er steht auf. Sogleich werde ich von ihm ohne Vorwarnung umarmt. „Viktor, wir sind nicht allein hier...“, flüstere ich eindringlich. „Willst du es geheim halten?“ fragt er schwermütig. „Ich will mich nicht verstecken. Nicht, wenn ich es nicht muss. Bisher hat mir nur das Eis erlaubt, meine Gefühle nach außen zu kehren, aber auf dem Eis war ich immer alleine...“ Er drückt mich fester an sich und ich kann nicht anders, als ihn jetzt auch zu umarmen. „Jetzt bist du bei mir, Yuuri“, spricht er weiter. „Ich weiß, dass wir in der Öffentlichkeit weiterhin Trainer und Schüler bleiben sollten, aber hier, wo dein Zuhause ist, können wir nicht einfach wir selbst sein?“ Meine Augen wandern zu Yuko. Sie hat sich umgedreht, um uns unsere Privatsphäre zu lassen. Wahrscheinlich ahnt sie es schon... Womöglich war der Kuss von Viktor nach meiner Kür nur die letzte Bestätigung, auf die alle hier gewartet haben, weil es schon viel offensichtlicher war, als es uns vorkam. Nishigori hat uns direkt „altes Ehepaar“ genannt. Mari hat den Yukata fürs Tanabata besorgt und die Nase gerümpft, als ich so stur geblieben bin. Die Kumpel meines Vaters haben vermutet, dass Viktor und ich bereits in Okayama miteinander geschlafen haben. Minako-sensei hat in Peking, obwohl sie vor Ort war, nur telefonisch Kontakt zu mir gehalten. Und Mutter... Sie hat Viktor immer als ein Familienmitglied behandelt und mir wird erst jetzt klar, auf welche Art und Weise. Als wäre er – ich schlucke – ihr Schwiegersohn. „I-in Ordnung“, willige ich ein. „Zuhause und hier in der Halle.“ Viktor richtet sich auf. „Wir sagen es ihnen?“ „Ja.“ Meine Stimme klingt sicherer als ich mich bei dem Gedanken fühle, meiner Familie offiziell mitzuteilen, dass Viktor und ich uns lieben. Aber die Erste, die es jetzt erfahren sollte, wäre Yuko und irgendetwas sagt mir, dass das richtig ist. Sie war es, die mir bei Stammi vicino zugesehen hat und die mich im Mai ermutigt hat, mit Viktor ans Meer zu fahren. Zusammen fahren wir zurück zur Bande. „Yuko?“ „Ja!“, ruft sie erschrocken und dreht sich um. Ihr Gesicht ist immer noch leuchtend rot. „Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber... vielleicht ahnst du es auch schon, also...“ Sie schlägt die Hände vor den Mund, traut sich kaum zu blinzeln oder zu atmen. „Viktor und ich... wir, nun...“ Bevor ich den Satz beenden kann, hat Yuko wie damals ihre Hände vor ihr Gesicht gehoben, dann platzt es aus ihr heraus: „Yuuri, endlich, der Wahnsinn!!!“ Sie trommelt auf die Bande und schreit fast: „Wir haben nach deiner Kür so gefeiert, das glaubst du nicht! Aber dann kam das Interview und Viktor hat alles klein geredet, uns ist die Luft weg geblieben! Wir waren uns so sicher!“ Ich bin gerade völlig überrumpelt von ihrem Gefühlsausbruch. Viktor schaut betreten zu mir und wir greifen unsere Hände fester. „Wir saßen alle auf glühenden Kohlen, die ganze Zeit! Wir haben gestern Abend so gehofft, dass ihr was dazu sagt, aber dann hast auch du felsenfest behauptet, es sei nichts! Wir waren so schockiert...!“ Yuko muss erst einmal wieder Luft holen. Sie hat Tränen in die Augen bekommen und scheint plötzlich keine Kraft mehr zu haben, denn ihre Lautstärke ist mit einem Mal verschwunden: „Ich weiß jetzt nicht mehr, was ich sagen soll... Es ist einfach Wahnsinn... Deine erste Liebe, Yuuri, und es ist Viktor... Ich freu' mich so für euch.“ Ich glaube, ich möchte im Erdboden versinken. Scheinbar wissen es wirklich schon alle... War es so offensichtlich, dass wir uns verliebt haben? Dabei haben wir so aufgepasst...! „Woher..?“, setze ich an und hebe scheu meinen Blick, doch Yuko hat sich Viktor zugewandt und ihre Augen funkeln ihn an. „Aber Viktor, wie hat Yuuri es geschafft, dich um den Finger zu wickeln?!“ Hä, wie, was?! „Du bist der Sexiest Man Alive, hast Millionen Fans weltweit und suchst dir unseren Yuuri aus, als er planlos und mit Speckschwarte hier rumgelungert hat!“ Moooooment mal, denke ich entsetzt. So faul war ich nicht! Gut, mit der Speckschwarte hat sie recht, aber die ist seit April wieder einem flachen Bauch gewichen! Viktor legt den Kopf unbeeindruckt auf die Seite: „Wenn ich ehrlich bin, hab' ich nichts gegen Yuuris Hüftspeck, aber wenn er gewinnen will, darf er den nun mal nicht haben.“ Eh, bitte was? „Und planlos war ich auch, sonst hätte ich in Russland bleiben und weitermachen können wie bisher.“ Häää? „Und was nutzen mir Millionen Fans, wenn ich nur einen Prinzen gesucht habe?“ Häääääääääää? „Ich bin eigentlich nur halb so cool, wie ich rüber komme.“ Viktor, was zur...?! Er greift sich an den Hinterkopf, grinst uns mit diesem dümmlichen Grinsen an und hält weiter meine Hand. Nach ein paar Sekunden wird sein Gesicht doch wieder ernster und in seine Stimme mischt sich plötzlich tiefe Melancholie. „Yuuri wollte, dass ich einfach nur ich selbst für ihn bin. Etwas, das noch nie jemand zuvor zu mir verlangt hat und etwas, das ich in den letzten Jahren verlernt hatte“, sagt er. „Aber nicht nur, dass Yuuri mich angehalten hat, wieder ich selbst zu sein, er hat mich genau so angenommen. Mit allen Fehlern, die ich habe.“ Mir steht der Mund offen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Dann wendet er sich an mich: „Es klingt vielleicht dumm, aber als du mich angeschrien hast, ich würde nicht mehr dein Trainer sein wollen, ist mir fast das Herz stehen geblieben...“ Und mir bleibt mein Herz auch gleich stehen! „Ich hatte selbst Angst, dass du mich nicht mehr als Trainer haben wollen würdest... Eben weil manche Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie sollten. Und trotzdem hast du weiter für mich gekä-“ „Viktor, was soll der Blödsinn?!“, unterbreche ich ihn aufgeregt. „Ja, natürlich sind manche Dinge nicht so gelaufen wie sie sollten, aber wen interessiert das jetzt noch?“ Ich mache eine kurze Pause, sehe ihm in die blauen Augen. „Du bist so ein Dussel... Du bist für mich der Beste, weil ich dich liebe“, schließe ich, umarme ihn, halte ihn und es ist mir völlig egal, dass Yuko immer noch bei uns steht und zusieht. Gerade ist nur er wichtig. Nach einer Weile spricht uns Yuko doch noch einmal mit einem verträumten Blick an: „Woher wir es wussten, Yuuri? Wir mussten euch nur zusehen. Eure Blicke, eure Gesten, euer Verhalten... Die Art, wie ihr euch ohne Worte verstanden habt.“ Sie macht eine Pause. „Und auf dem Eis war es am Deutlichsten. Es war, als wäre alles für euch Liebe, solange ihr nur zusammen sein könnt.“ ~EPILOG ENDE~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)