Alle seine Namen von Jaelaki (Kakashi und Yamato (Tenzou)) ================================================================================ Kapitel 1: ... die niemand kennt. --------------------------------- Vielleicht war es besser allein zu sein. »Keine auffälligen Aktivitäten.« Der ANBU stand vor seinem Schreibtisch, die Maske verdeckte seine Mimik, aber die musste der sechste Hokage auch nicht sehen, um zu wissen, wie der andere dreinschaute. Solange man alleine war, trug man nur für sich selbst Verantwortung. Kakashi lehnte sich im Sessel des Hokagebüros zurück, drehte sich zum Fenster und ließ seinen Blick über das Dorf gleiten. Es wirkte friedvoll. Aber unter dieser Maske brodelte es bereits wieder. »Also für seine Verhältnisse«, fügte der ANBU hinzu und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Kakashi kannte jede Geste, jedes Mienenspiel. Er wusste, wie der andere reagieren würde, ahnte seine Bewegungen voraus, wenn er sie nur andeutete. Das hatte sie zu geradezu perfekten Teamkollegen gemacht. Aber damit stieg die Chance jemanden zu verlieren, dessen Verlust man spürte. Kakashi atmete tief ein. Und aus. Dann wandte er sich wieder zu dem ANBU um. Wahrscheinlich war es eine Qual für ihn, Orochimaru überwachen zu müssen. Vielleicht hätte es alte Narben aufgerissen, aber dafür hätten die Wunden erst einmal verheilen müssen. »Gut, dann setz die Überwachung fort wie gehabt.« Aber es war seine Aufgabe für das Dorf, für das Wohl aller. Hier galt das Leben eines namenlosen Anbus nichts. Nur das, was er damit für das Dorf tun konnte. Vielleicht war es besser allein zu sein. »Sollte sich etwas ändern, erwarte ich natürlich sofortigen Bericht.« Es hieß, Orochimaru experimentierte an Genmaterial. Kakashi verzog keine Miene, aber innerlich kochte es in ihm. Seine Forschungen hatten das Potential Gutes zu tun. Menschen mit autoimmunen Kekkei Genkai könnten geheilt werden. Kinder, die deswegen verstoßen wurden oder kaum eine Überlebenschance hatten. Männer und Frauen, die Qualen litten. Solange er alleine war, konnte er die ganze Situation objektiv betrachten. Das Problem war, wo lag die Grenze zwischen guter Tat und berechnendem Vorgehen? Und wann konnte man die Gefahr, diese zu überschreiten, nicht mehr rechtfertigen? Wie wog man die Qual eines Einzelnen gegen die Qual Vieler auf? »Und Tenzou«, murmelte er, »sei vorsichtig.« Orochimaru hatte seine ganz eigene Definition von Moral. Ein Ergebnis davon hinterließ gerade ein Rauchwölkchen in seinem Büro, nachdem es mit einem Kopfnicken verschwunden war. Vielleicht war es besser allein zu sein.   Vielleicht war es besser allein zu sein. Der ANBU stand vor dem Westeingang des Labors von Orochimaru und wusste, dass sie wussten, dass er wusste, dass sie wussten, dass er hier war. Könnte er Orochimaru aufhalten? Die ehrliche Antwort lautete: Sein Auftrag bestand darin, das Dorf vor einem potenziellen Übergriff zu bewahren, vor einer Attacke rechtzeitig zu warnen und Konoha zu schützen. Sein Auftrag bestand nicht darin, sich selbst zu schützen. Für nichts anderes war er geboren worden. Konohas Wohl. Und das war das Problem. Solange man alleine war, trug man nur für sich selbst Verantwortung. »Alles ruhig«, bestätigte der ANBU am Osteingang per Funk und Yamatos Anspannung ließ für einen Wimpernschlag nach. Manchmal war die Ruhe auch nur die Ruhe vor dem Sturm. Manchmal war Ruhe das letzte, was man hörte, bevor einen eine Chakrawelle zerfetzte. Und manchmal war Ruhe einfach nur Ruhe. Das war das Tückische an ihrer Arbeit. Oft war die Ruhe erfüllt von Warterei und seinen Gedanken, die viel zu laut in der Stille brüllten. Manchmal fragte er sich, wie andere diese Stimmen loswurden. Oder ob man wirklich nur mit ihnen zu leben lernen konnte. Die Stimmen, die ihn fragten, ob es das wert war. Ob das Leben vieler Kinder es wert war, das Leben von wenigen zu zerstören. Ob es keinen anderen Weg gab, das Dorf zu schützen, als einige in seinem Schatten verdorren zu lassen. Und ob er nicht so viel Besseres verdient hatte. Solange er alleine war, konnte er die ganze Situation objektiv betrachten. Es war seine Aufgabe. Er war das Werkzeug. Das Wohl des Dorfes war der Sinn seines Lebens. Es hieß, das sei eine Ehre. Die Bewohner würden es einem danken. Bisher hatte sich noch niemand bei ihm bedankt. Aber das wäre auch anmaßend gewesen. Niemand beachtete einen namenlosen ANBU. Darin bestand ihre Stärke. Sie waren da ohne da zu sein. Sie agierten ohne, dass jemals jemand wüsste, was ohne sie hätte passieren können. Genau dafür war er da. Zu existieren, ohne jemals jemandem aufzufallen.   Ihm fiel der ANBU sofort auf. Kakashi stand im Schatten. Ohne die Robe des Hokagen. Es war ein viel zu auffälliges und unpraktisches Kleidungsstück. Als würde man einem potenziellen Angreifer eine Zielscheibe auf den eigenen Leib malen. Als Ninja war ihm viel wohler dabei, dort zu sein, wo ihn niemand vermutete. In den dunklen Ecken, wo ihn niemand beachtete und dann aufzutauchen, wenn keiner damit rechnete. Das war seine Stärke. »Sie sollten nicht hier sein, Sechster.« Er blätterte eine Seite des Icha Icha um, lehnte gegen einen der Baumstämme und tat so, als müsste er nicht nach den Regeln spielen, erhob seinen Blick träge und ein schiefes Lächeln bildete sich unter seiner Maske. Er spürte den Stoff über seiner Haut spannen und wusste trotzdem, dass der andere genau wusste, dass er wusste, dass er es sah. Er wusste, dass der andere ihn beobachtete und beobachtete, wie er wenige Meter neben ihm unweit Konohas stand, das Gesicht unter der ANBU-Maske begraben. Die eigene Identität aufgegeben und namenlos im Namen Konohas hier. Allein zwischen den Bäumen ausharrend, die in den sternenklaren Nachthimmel ragten. »Tenzou.« Er ignorierte das, was Genannter gesagt hatte. Vielleicht war es deshalb besser allein zu sein, weil die Fragen in seinem Kopf lauter dröhnten, wenn er es nicht war. Weil in diesen späten Abendstunden, wenn das Dorf schon zwischen Wachsein und Schlaf schwebte, wenn er für einige Augenblicke so tat, als ruhte nicht die Verantwortung für das ganze Dorf auf ihm, seine Konzentration von dem Wohl aller auf das Wohl eines einzigen verrutschte. »Sie sollen mich nicht so nennen, Sechster.« Natürlich sollte er das nicht tun, aber wer sollte ihn so nennen, wenn nicht er? »Und du sollst mich nicht so nennen.« Er schlenderte zu ihm, steckte das zerfledderte Heft in die Hosentasche und betrachtete den ANBU vor sich. Der weiße Mantel über der grauen Uniform, die Tiermaske. Die scheinbare Anonymität. Als würde eine Uniform aus einem Menschen ein Nichts machen, ein Teil von Vielen. Er hätte ihn blind und taub erkannt, an dem Muster seiner Bewegungen, wie sich seine Jutsus anfühlten, wie die Erde vibrierte und das Wasser Wellen schlug. Wie die Pflanzen um ihn herum sich zu ihm neigten und er aus einem Kern einen ganzen Wald formte. Er kannte ihn. Das war seine Schwäche. Er blieb vor ihm stehen und der ANBU zuckte mit keinem Muskel, erwiderte nur mit ruhigen Augen seinen Blick, beobachtete seine Bewegung, wie er die Fingerspitzen unter die Maske schob, hob sie an und die Finger des ANBU schnellten hervor, legten sich um seine Arme, als wollte er ihn daran hindern. Sie verharrten so. »Ich bin auf einer Mission«, murmelte der ANBU. »Einer Mission, die mir der Hokage gegeben hat.« Kakashi konnte diesen Hokage nicht leiden. Diesen Mann, der so tat, als wüsste er, wo die Grenze zwischen guter Tat und berechnendem Vorgehen lag, der die Opfer namenloser Ninja mit den Leben namhafter Bewohner aufrechnete. »Ich werde es ihm nicht verraten.« Er hörte förmlich das Augenverdrehen in Tenzous Schnauben und grinste breiter. »Hören Sie auf zu grinsen, Sempai. Das ist unangemessen.« Natürlich sah er es. Natürlich war es das. Alles an dieser Situation war ihren Aufgaben nicht angemessen, ihren Rollen, in die sie gedrängt, gestolpert, gewachsen waren. Manchmal wusste er nicht mehr, was er aus eigenem Willen und was er um des Dorfes Willen tat. »Unangemessen inwiefern?« Außer in diesem Moment. »Als Hokage ist es Ihnen untersagt –« »Und da beginnt das Ganze schon keinen Spaß mehr zu machen.« Er zog unbeeindruckt mit einer Hand das Heftchen aus seiner Hosentasche, rührte die andere aber keinen Zentimeter. Der ANBU erduldete es ohne ein Wimperzucken und rasselte weiter die Vorschriften herunter. »Ohne Begleitschutz –« »Willst du mein Begleitschutz sein?«, flötete Kakashi und jetzt zuckte Tenzou doch. Kakashi beobachtete, wie sein Blick von seinen Augen über den Mundschutz wanderte, ließ aber nicht locker. »Außerhalb des Dorfes herumzulungern, um ausgerechnet Pornos zu lesen.« »Ich bin nicht zum Lesen hier.« Kakashi klappte das Buch wieder zu. »Ich weiß.« Es wäre dumm zu glauben, dass er der einzige hier war, der den anderen auswendig lesen konnte. »Aber es ist auch untersagt, dass –« »Ich weiß.« Er wusste, dass er wusste, dass sie wussten – aber er ließ es geschehen. Sie beide. Wie wog man das Glück eines Einzelnen gegen das Glück Vieler auf? Er berührte mit seinen Fingerspitzen die Haut unter der Maske, das Kinn und zog sie langsam vom Gesicht, ließ sie auf den Waldboden fallen und kümmerte sich keinen Moment darum. Seine Hand legte sich um die Wange, den Blick keine Sekunde von seinem lassend. »Sempai«, seufzte er. Nur dieser Moment, in dem sie mehr wogen als das ganze Dorf. Nur dieser Augenblick, den Orochimaru nicht kontrollierte. Ihre Gesichter näherten sich wie in Zeitlupe, als befürchtete jeder von ihnen, den anderen wie ein Wildtier mit einer zu schnellen Bewegung zu verschrecken. Er atmete seine Wärme ein, konnte die grünlichen Sprenkel in seinen sonst braunen Augen erkennen. So nah ließ er ihn an sich herankommen. Sein Blick rutschte nach unten. Er presste die Lippen aufeinander und er wollte sie berühren. Mit einem Finger strich er vom Kinn über die Unterlippe. Er spürte, wie sein Atem stockte, wie er sich leicht vorlehnte und in seinem Magen ein Sturm tobte. Fühlte, wie die Luft um sie herum sirrte, als stünde er kurz davor sein Jutsu einzusetzen. Dann explodierten über ihnen Lichter. Ohne ein Wort fuhren sie auseinander, standen Rücken an Rücken, jeweils ein Kunai in der Hand und starrten in den Himmel. Sein Herz raste und in seinem Kopf stolperten Gedanken übereinander. Der Nachthimmel war plötzlich erfüllt von bunten Lichtern, vom Dorf her klangen die Trommeln und die Raketen zischen durch die Lüfte. Sie sahen die Funken am Nachthimmel durch die Baumkronen hindurch. »Frohes neues Jahr, Sechster«, murmelte Tenzou und setzte sich gerade wieder die Maske auf. Ihre Nähe war weggewischt und zurückblieben Pflichten und Vorschriften. Kakashi fuhr sich durchs Haar und steckte das Kunai zurück in den Halfter. Er hatte sich schon immer gefragt, warum Menschen so ein Aufsehen um diesen Tag machten. Letztlich war doch jeder Tag ein neuer Tag und am Abend vergangen. Dass ausgerechnet in dieser Nacht das Jahr endete und ein neues begann schien ihm willkürlich. »Mmmh, dir auch.« Er hielt nichts von Vorsätzen oder Plänen. Im Leben eines Ninjas konnte man sich diesen Luxus nicht leisten. Jeden Tag sprang man in die Ungewissheit, ob man am Abend noch alle Glieder behalten hatte, ob man noch Zeit haben würde, um die Vorsätze durchzuziehen. Oder ob man nur noch diesen Tag hatte. Solange er nicht alleine war, befielen ihn in dieser Situation Hoffnungen, wie es sein könnte. Die Lichter am Himmel reflektierten in der Maske des ANBU, malte sie blau und rot und gelb. Er musste die Maske nicht vom Gesicht ziehen, um zu wissen, wie er dreinschaute. Er musste nicht fragen, wie er sich fühlte. Er wusste es. Er war es selbst vor Jahren gewesen. Vielleicht verstrickte er sich hier in Hoffnungen, die ihm das Rückgrat brechen würden. Niemand betrachtete einen ANBU. Sie waren namenlose Gestalten in den Schatten anderer. Aber hier stand er und die Funken zwängten sie blitzlichtartig aus der Dunkelheit und sein Blick klebte an diesem ANBU, dessen Codenamen er alle kannte und der ihn besser kannte als sonst jemand.   Namen waren unbedeutend, das war eine der ersten Lektionen. Niemand kümmerte sich um den Namen eines ANBU. Keinen scherte es, wovon er träumte, wovor er sich fürchtete. Vielleicht war es deswegen besser allein zu sein. »Alles ruhig«, sagte sein Kamerad über das Funkgerät. »Keine auffälligen Aktivitäten.« Weil in diesen frühen Morgenstunden, wenn das Dorf noch zwischen Schlaf und Wachsein schwebte und er endlich nach wochenlanger Mission abgelöst wurde, nichts mehr von ihm übrigblieb. Nur Instinkte und der Drang nach Schlaf. Er spürte seine Glieder kaum, was er fühlte war ein schmerzhaftes Kribbeln in den Augen. Übelkeit und Schwindel. Schlafmangel. Er wankte vor dem Fenster zu seinem Apartment, drückte es auf und stolperte mehr hinein als er sprang. »Du bist spät«, begrüßte ihn die Stimme, bei der die Leere, die in seinem Bauch klebte, einem Knäuel aus Wärme wich. Kakashi klappte sein Buch zu und betrachtete ihn durch halbgeschlossene Lider. »Du solltest gar nicht hier sein«, murmelte der ANBU, zog sich die Maske vom Gesicht und ließ sie mitten im Raum fallen und verdrehte die Augen, als Kakashi sich im Bett vom Rücken auf die Seite drehte und unter seinem Mundschutz grinste. Solange man alleine war, trug man nur für sich selbst Verantwortung. »Bin müde.« Nicht die Müdigkeit, die man mit gesundem Schlaf ausmerzte. Vielleicht war es besser, allein zu sein, als die Zeit mit einer Person zu verbringen, deren Verlust man am Ende spüren würde. »Ich weiß.« Er legte sich neben ihn ins Bett. Ihre Fingerspitzen berührten sich fast, seine Wange lag knapp neben der Nase des anderen. Was, wenn sie alles zurücklassen würden? Wenn sie Uniformen und Roben vergessen würden und die quälende Frage, ob er Orochimaru aufhalten könnte, im Nichts verdampfte? Wären sie frei? »Tenzou«, flüsterte er, »du solltest die ANBU verlassen.« Er atmete tief ein. Atmete die Wärme des anderen Körpers, die Berührung, wenn er sich ein wenig bewegte, die Nähe. »Ja, vielleicht.« Die ehrliche Antwort lautete: Sie wären allein. Ohne Ketten, ohne Halt, freier Fall. Sie würden vielleicht selbst im Schatten verdorren und ihr Gewissen würde ihnen mit hunderten Kinderstimmen entgegenbrüllen, dass sie es hätten verhindern können. Vielleicht wäre es aber auch ruhig. Eine Ruhe, in der er nicht mehr diese Vorwürfe hören müsste und stattdessen seinem Namen aus dem Mund des Anderen lauschen dürfte. Er drehte seinen Kopf zu ihm und betrachtete seine Augen, die Narbe, die sich am linken abzeichnete und die hellen Wimpern. Dann schloss er die eigenen Augen. Selbst dann brannten sie. Der Schwindel kam in Wellen. Seine Glieder zitterten vor Erschöpfung. Er wusste nicht, was er bevorzugte: die Muskelkrämpfe in den Oberschenkeln oder die Kopfschmerzen. Er streckte seine Hand blind aus und nach wenigen Momenten fühlte er die federleichte Berührung des anderen, als tanzten Fingerkuppen über seine Haut. »Es ist unangemessen als Hokage, einen ANBU zum Quittieren zu verleiten«, murmelte er ohne die Augen zu öffnen, lauschte dem Klang des tiefen Auflachens des anderen. »Ja, vielleicht.« Für nichts anderes war er geboren worden. Konohas Wohl. Und das war das Problem. Zum ersten Mal in seinem Leben wäre er allein. Ohne Vorschriften, mit Namen. »Und wer wäre ich ohne die ANBU?« Es gab so wenig, was er kannte außer Missionen und Befehle und Aufträge. Was, wenn er alles verlieren würde? Wenn es besser wäre, in Ketten zu bleiben, aber dafür nicht allein zu sein mit all den Fragen? Kakashi schwieg. [Fortsetzung folgt ...] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)