Alle seine Namen von Jaelaki (Kakashi und Yamato (Tenzou)) ================================================================================ Kapitel 2: ... aus einem anderen Leben. --------------------------------------- Der Hokage schwieg. »Keine auffälligen Aktivitäten«, berichtete der ANBU und stand in seiner Uniform vor dem Schreibtisch, spürte die Maske wie eine Mauer zwischen sich und dem Hokagen. Er wusste, dass er die Maske nicht abnehmen brauchte, damit der Andere wusste, wie er schaute. Es war als brach die Sicherheit der Anonymität zwischen ihnen weg – trotz Uniform. Als richtete jemand plötzlich die Scheinwerfer auf ihn, obwohl er in der Menschenmasse stand. »Die Überwachung wird, wie Sie anordneten, wie bisher weitergeführt.« Solange man alleine war, trug man nur für sich selbst Verantwortung. Aber wenn er den Hokage anschaute wünschte er sich manchmal, es wäre irrelevant, wer sie waren und wofür sie taten, was sie taten. Dass er seine Vergangenheit hinter sich lassen würde und vergessen könnte, warum er tat, was er tat. Er wusste, dass es dem Anderen ebenso ging – trotz Maske. Er kannte jedes Mienenspiel, jede Geste. Er wusste, wie der andere agierte, ahnte seine Befehle voraus, kannte seine Grenzen und wann es wichtig war, sie zu überschreiten. Das hatte sie zu geradezu perfekten Teamkollegen gemacht. »Gut, du kannst gehen.« Aber damit stieg die Chance jemanden zu verlieren, dessen Verlust man spürte. Er formte gerade die Fingerzeichen, als ihn die Stimme des Hokagen zurückhielt. »Tenzou. Hast du es dir überlegt?« Ihm lag auf der Zunge, dass er ihn nicht so nennen sollte, aber er schluckte es hinunter. »Ich –« Er wünschte, er könnte jemand sein, der nicht geboren worden war, um anderen ein Leben zu ermöglichen. Dass er die Verantwortung abschütteln und nur für sich selbst leben könnte. »Ich kann nicht.« Der Hokage nickte und dann formte der ANBU die Fingerzeichen und verschwand.   Es war leicht zu verschwinden, in den Hintergrund zu treten und andere zu beobachten, wie sie versuchten, im Scheinwerferlicht zu brillieren. Die meisten Menschen waren viel zu sehr mit sich beschäftigt, um die Menschen in den schattigen Ecken zu bemerken. Er fragte sich, wann er das letzte Mal so viel Zeit gehabt hatte. Es mussten Jahre gewesen sein. Niemand, der ihn um Rat fragte, keine Sitzungen, keine geheimen Informationen. Er saß vor dem Fenster des Hokagebüros, ein zerfleddertes Buch vor der Nase, hob kurz die Hand, als Naruto ihn endlich bemerkte und verlangte nach dem, was ihn aus dieser Eintönigkeit befreien würde. »Eine Mission echt jetzt?« Naruto starrte ihn über die Berge an Dokumenten, Akten und Schriftrollen an. Das vermisste Kakashi keinen Augenblick. »Jo. Eine Mission zur Überwachung Orochimarus.« »Wollen Sie wieder zur ANBU?« Kakashi legte den Kopf schief. »Sind Sie dafür nicht schon zu alt?« Kakashi streckte sich gemütlich, klappte das Buch zu, sprang vom Vordach durch das Fenster hinter den Schreibtisch und verpasste dem Helden Konohas, dem Retter der Nationen und dem amtierenden Hokage einen Klaps auf den Hinterkopf. Er war sicher spontan mindestens dreiundzwanzig Regeln des Protokolls zitieren zu können, gegen die er in diesem Moment verstieß. Sein jugendliches Ich wäre empört gewesen. Sein gegenwärtiges genoss es. Naruto blinzelte.   »Nur zu einem«, erwiderte er und Naruto schaute ihn ratlos an, aber überreichte ihm die Schriftrolle mit einem Schulterzucken. »Wenn Sie unbedingt wollen. Normalerweise will sich eh keiner mit Orochimaru herumschlagen müssen.« Kakashi hob halb die Hand zum Abschied ehe er verschwinden wollte, aber Narutos Frage hielt ihn einen Augenblick länger dort. »Warten Sie, Kakashi-sensei, welche Missionen muss ich unbedingt bearbeiten?« Naruto warf einen verzweifelten Blick auf seinen Schreibtisch, wo die Stapel drohten, umzufallen. Kakashi musterte den ehemaligen Tunichtgut Konohas, den Flegel des Dorfes und seinen ehemaligen Schüler und ein schiefes Grinsen zog an seinen Lippen unter der Maske. »Keine davon.« Naruto zog die Augenbrauen zusammen, Kakashi tippte sich gegen die Stirn und formte die Fingerzeichen, um zu verschwinden. Er war sich sicher, Naruto würde es eines Tages auch verstehen.   Er würde es nie verstehen. Der ANBU beobachtete Orochimaru, der gerade seine Einrichtung verließ. Wie das Dorf es zuließ, dass so ein Mensch andere Menschen quälen durfte, um anderen Menschen eine Qual zu erleichtern oder zu vermeiden. Wie qualifizierte man sich dafür, in letztere Kategorie zu fallen statt in erstere? Schicksal? Zufall? »Ablösung!«, rief ihm jemand hinter ihm zu und er wandte sich entgegen seiner Instinkte nicht zu jener Person um, um demjenigen einen Schlag gegen den Hinterkopf zu verpassen, riskierte nur einen Seitenblick auf Kakashi, als der bereits neben ihm stand. Er blätterte ungeniert in einem Icha Icha-Roman und hob kurz die Hand zur Begrüßung. »Das hier übernehmen ANBU. Du kannst nicht einfach herkommen und Ablösung rufen, Sempai.« Natürlich würde ihn das trotzdem nicht davon abhalten, darüber täuschte auch nicht Kakashis gespielt brüskierter Blick hinweg. »Ich bin auf Befehl des Hokagen hier«, behauptete er. Der ANBU verzog den Mund, was Kakashi natürlich nicht sehen konnte. Aber das war nicht nötig. »Oder so ähnlich. Naruto erstickt in Arbeit. Er ist dankbar für jede Hilfe. Also helfe ich.« Der ANBU bezweifelte, dass er völlig uneigennützig half. Kakashi sah immer mehr als nur das, was es zu erledigen galt. Wahrscheinlich war er deswegen auch nie glücklich. Es war schwer glücklich zu sein, wenn man wusste, was man hätte mehr, besser, richtiger tun können. »Also wie sieht’s hier aus?« Der ANBU beobachtete die Einrichtung, die ihn bis in seine Träume verfolgte. Er würde dem nie entkommen können, aber seine Stimme klang ruhig. Vielleicht hatte er sich deswegen unter Kontrolle, weil er seinen Alptraum jeden Tag lebte. Vielleicht gewöhnte sich der Mensch irgendwann daran. »Ruhig. Orochimaru hat gerade die Einrichtung verlassen. Das ANBU-Team, das für ihn verantwortlich ist, wenn er mobil ist, ist schon –« Kakashi klappte das Buch zu, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte. »Gut, dann lass uns etwas essen gehen.« Der ANBU starrte ihn ungläubig an. »Ich meine, geh du etwas zu essen besorgen. Ich halte hier Wache. Wie mir der Hokage aufgetragen hat. Aber beeil dich. Ich habe Hunger.« »Ich kann meinen Posten nicht verlassen, Sempai. Und du kannst nicht die ganze Zeit lesen.« Kakashi seufzte, ließ seinen Blick über die Lichtung gleiten, über diese Ruhe, die so verdammt fragil war. Als ließe man einen Schmetterling im Auge des Sturms fliegen. »Weißt du, warum ich die ANBU verlassen habe?« Jetzt blickte er doch zu seinem Sempai, der ungebrochen die Einrichtung fixierte. Wenn der ANBU ehrlich war, hatte er die Entscheidung seines Sempais nie verstanden. Kakashi war ein Wunderkind gewesen mit Talenten, die ihn in der ANBU zu einem der mächtigsten Menschen geführt hatte. Stattdessen beschloss er eines Tages auszusteigen und wurde Leiter einer Genintruppe. In der ANBU schmunzelte man über so etwas. Aber hatte Kakashi es beschlossen? Oder war es für ihn entschieden worden? Manche behauptete, Kakashi hätte es psychisch nicht ausgehalten und seinen Antrag auf Entlassung unter heftigsten Medikamenten gestellt, andere glaubten zu wissen, der Hokage hätte ihn aufgrund von Vorfällen in Zusammenhang mit dem Uchiha-Massaker aus dem ANBU-Dienst entlassen. »Ganz einfach. Zu wenig Zeit, um zu lesen.« Kakashi lehnte sich an den Baum hinter sich, die Beine leicht gekreuzt und vertiefte sich nun doch schon wieder in seinen Schundroman. »Und ständig das Gefühl, man müsste die Welt retten«, fügte er hinzu ohne aufzusehen. »Ich habe nicht das Gefühl, ich müsste die Welt retten«, murmelte der ANBU unter seiner Maske, aber Kakashi hörte es natürlich trotzdem. »Aber irgendwelche Menschen, deren Namen du niemals kennen wirst.« »Das ist unerheblich.« Der ANBU beobachtete die Einrichtung, blendete seinen Sempai aus, der die Dinge aussprach, die ihm die Stimmen nachts zuflüsterten. Er kannte sie alle, diese Fragen, diese Sachen, die nicht einmal gelogen waren. Aber er wusste auch so viele Antworten darauf. »Diese Menschen sind auch die Töchter und Söhne von jemandem, Freunde oder Eltern und für irgendjemanden würde wohl die Welt zusammenbrechen, würden sie eines Tages nicht mehr nach Hause kommen.« »Du hast Recht.« Er fühlte Kakashis Blick, er brannte durch die Uniform, unter seiner Maske. »Hast du Angst, dass es niemand bemerkt, wenn du eines Tages nicht nach Hause kommst?« Der ANBU schnaubte und tat, was er tun sollte. Er folgte seiner Mission und blendete alles andere aus.   Kakashi hätte gerne alles ausgeblendet. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass er am besten schlief, wenn er das schaffte. Aber sein Schlafmangel sprach für sich. Die Grillen zirpten um sie herum. Die Nacht hüllte sie in ihre Anonymität, malte die Schatten groß und lang, aber Kakashi bemerkte jedes Muskelzucken seines ehemaligen Teamkollegen, wusste, wenn der mied, ihm die Augen zu sehen und auf Durchzug schaltete. Dann spürte er dieses Flimmern, als blies ein Lufthauch gegen seine Haut, obwohl kein Wind wehte, ein Knistern in den Ohren, obwohl es still war. Tenzou musste nichts sagen. Sie wechselten einen Blick und Kakashi nickte. Dann explodierten über ihnen Lichter. Ohne ein Wort fuhren sie auseinander, standen Rücken an Rücken, jeweils ein Kunai in der Hand und starrten in den Himmel. Sein Herz raste, pumpte Sauerstoff in seine Beine und Arme, aber in seinem Kopf kristallisierten sich glasklare Gedanken. Der Nachthimmel war plötzlich erfüllt von bunten Lichtern, als ein vermummter Ninja ein blendendes Jutsu durch die Luft schleuderte. Kakashi wich aus, spürte, wie es an seinem Kopf entlangjagte und nur knapp verfehlte. »Das andere ANBU-Team hat dasselbe Problem«, rief Tenzou und sprach etwas in das Mikrophon des Funkgeräts. Kakashi seufzte. Diese Nacht würde er seinen Schlafmangel wohl auch nicht aufholen. Sie waren umzingelt. Er zählte fünf Personen, unterschiedliche Körpergröße, alle vermummt, schwarz angezogen, keine Stirnbänder, aber offensichtlich eine Ninja-Ausbildung hinter sich. »Was wollt ihr?« Nach so vielen Jahren erwartete er keine zufriedenstellende Antwort mehr auf die Frage. Vielleicht war es Gewohnheit, sie trotzdem zu stellen. Oder der Ersatz einer höflichen Vorstellungsrunde. »Wir müssen etwas erledigen.« Natürlich, dachte Kakashi, er hätte auch einiges zu erledigen. Auf seiner Liste stand vor allem schlafen. Vielleicht wurde er langsam doch alt. Der Ausblick auf einen Tag im Bett reizte ihn mehr als der unmittelbare Kampf. »Wahrscheinlich wisst ihr, dass wir das nicht zulassen können«, erwiderte er gelangweilt, wusste Tenzou hinter sich, wie einen Schatten. »Orochimaru ist ein Mörder«, behauptete einer von ihnen trotzig. Er klang wie ein Kind und vielleicht war er es. Kakashi schmunzelte. »Wir sind alle Mörder.« Eine Schwertklinge raste auf ihn zu, bevor die letzte Silbe verklungen war. Er spürte das Metall an seinem Gesicht vorbeirasen, drehte sich, sprang vor, duckte sich, landete hinter ihm, schlug, zielte auf den Nacken, trat gegen seine Nieren. Aber er blockte. Er mochte ein Kind sein, der Kleinste der Vermummten, aber er war vor allem ein Ninja.   Er war schon lange kein Kind mehr, das danach fragte, was seine Gegner motivierte. Wenn er damit begänne, hätte er schon verloren. Er war ein Ninja, der seine Mission ausführte. Bis zum Tod. Die drei maskierten Männer vor sich, hinter sich wusste er Kakashi, der sich um die beiden anderen kümmerte, hörte, wie Kakashi seine Vertrauten rief, vernahm das Kläffen mit einem schiefen Grinsen, als er einem Regen aus Wurfsternen auswich. Gleichzeitig schossen aus seinen Armen Äste hervor, fixierten die Gliedmaßen zweier Gegner, dann wandte er sich um, Kakashi sprang zurück, sie tauschten ihre Plätze ohne eine verbale Ankündigung. Äste schlangen sich um die Arme und Beine zweier Gegenspieler. Schlangen brachen aus ihren Händen hervor, die Mäuler aufgerissen, Sekret tropfte von ihren Giftzähnen. Er presste die Zeigefinger gegeneinander, eine Wand aus Holz umkleidete ihn und Kakashi. »Wir könnten hier drinbleiben«, schlug der vor und der ANBU verdrehte die Augen, obwohl es sein Sempai in der Dunkelheit unmöglich sehen konnte. Ohne eine Antwort presste der ANBU seine Hände zusammen, Äste stoben aus der Erde. »Erinnert mich ein bisschen an früher«, fuhr sein Sempai fort und es klang fast melancholisch. Das Holz erschütterte unter schweren Schlägen, brach unter der schieren Gewalt. Der ANBU verschmolz mit dem Boden, glitt daraus hervor. Er brauchte nicht zu sehen, was sein Sempai tat. Er hörte es. Das Zwitschern von tausend Vögeln. Er musste lächeln. Es klang wie eine Erinnerung aus einem anderen Leben. Er schmeckte die Vergangenheit auf der Zunge, all ihre gemeinsamen Missionen, die vielen Opfer, das Niemals-Zurücksehen, die schlaflosen Nächte und die ungesagten Beteuerungen, dass sie die Guten waren. Das Lächeln bröckelte. Er jagte die Äste durch die beiden anderen Ninja. Gliedmaßen dehnten sich, drohten sich, um ihn zu schlingen, aber er verschmolz mit dem Boden, ehe ihn etwas berühren konnte. Er spürte ein Prickeln, es war als marschierte ein Ameisenstaat durch seine Adern. Dann breitete sich Taubheit aus, ein Stechen zwischen den Rippen. Er strömte aus der Erde, wo er versuchte, sich hinzustellen. Seine Knie klappten immer wieder zusammen. Er klammerte seine Hände um die Kehle, keuchte, schnappte nach Luft und bemerkte sie im Augenwinkel. Er hasste Schlangen.       [Fortsetzung folgt ...] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)