Let me be your favourite hello and hardest goodbye von Nuessjen ================================================================================ Kapitel 34: Tag 0 ----------------- Tag 0 Die letzten Tage waren der blanke Horror. Die Chemo habe ich zwar ganz gut vertragen, allerdings wüten die Nebenwirkungen ganz schön, mein Magen rumort, meinen Beinen fehlt jede Kraft und meine Nieren schmerzen bei jedem Toilettengang. Es laugt mich aus. Ich möchte aufgeben. Gerade möchte ich wirklich aufgeben. Heute ist Tag 0, das heißt, mir werden die neuen Stammzellen verabreicht. Eigenes Knochenmark ist schon nicht mehr vorhanden dank der Hochdosis, also bitte ich darum: man möge mir Neues einflößen! Aber sollte es nicht funktionieren, sollte mein Körper die neuen Stammzellen nicht annehmen…dann möchte ich aufgeben. Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht noch eine Chemo durchlaufen, nicht noch einmal all diese Qualen auf mich nehmen. Und Sasuke soll das auch nicht. Vielleicht wird es einfacher für ihn, einmal einen großen Schmerz zu durchleiden, als immer und immer wieder tausend Tode zu sterben, weil etwas mit mir ist und ich im Krankenhaus lande. Also hoffe ich. Ich hoffe, dass die Spende heute klappt, dass mein Retter wirklich mein Retter ist, dass er erfolgreich ist und mir ein neues Leben schenken kann. Und ich hoffe, ihn irgendwann einmal treffen zu dürfen, sollte alles funktionieren. Denn dann möchte ich ihm um den Hals fallen, ihm meine Dankbarkeit zeigen und ihn vor allem in meinem Leben integrieren. Noch ist meine Zeit einfach nicht gekommen. Mama hat Haru, Haru hat Mama. Die beiden schaffen das vorerst ohne mich. Eine Krankenschwester betritt mein Zimmer, in der einen Hand einen Infusionsbeutel NaCl, in der anderen einen mit Alubeschichtung ummantelten Infusionsbeutelmit meinem Namen darauf. Zuerst spült sie meinen Port mit der NaCl-Mischung. Ein komisches Gefühl bildet sich in meinem Bauch…ist das Aufregung? Immerhin weiß ich nicht, was jetzt auf mich zukommt. Werde ich die Transplantation ohne große Komplikationen überstehen, wird mein Körper mit voller Bandbreite darauf reagieren? Wie lange werde ich in Isolation verbringen müssen? Erneut öffnet sich meine Zimmertür und Sasuke betritt dieses. Wieso ist er hier? Gekleidet in Schutzkittel, Handschuhe hat er an und auch einen Mundschutz. „Was machst du hier?“, die Freude in meiner schwachen Stimme möchte ich überhaupt nicht unterdrücken. Ich hab ihn so lange nicht gesehen. „Na, gleich bekommst du doch die Super-Stammzellen transfundiert. Da möchte ich dabei sein und deine Hand halten, wenn auch mit Gummibezug.“, ein Lächeln ziert seine Lippen, das kann ich ganz genau sehen. Seine Augen leuchten, wie an dem Tag, als wir uns vor so vielen Jahren zum ersten Mal gesehen haben. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern wie unser Aufeinandertreffen damals ablief und wie sehr mich seine schwarzen Irden damals schon in ihren Bann gezogen haben. Ganz groß und glänzend waren sie, voll Tatendrang und Freude am Leben. Trotz all dem Schmerz, den er durchleben musste, strahlten sie genau eben jenes aus. Bitte, Mama, lass zu, dass ich noch ganz lange in diese wunderschönen Augen blicken darf! Sanft streiche ich mit meinen Fingern Sasukes bedeckte Wange und spüre selbst durch den Mundschutz seine Wärme, die mir so ungeheuerlich fehlt. Seine Wärme und Nähe bringen mich immer noch aus der Fassung, obwohl ich nach all der Zeit an sie gewohnt sein sollte. Sein Blick liegt schwer auf mir, die Augen blutunterlaufen und rot. Wieder einmal ist er viel lange wach gewesen, überarbeitet und voller Sorge. Also bitte ich Sasuke, seinen Kopf auf meinen Schoß zu legen, die Infusion Infusion sein zu lassen und sich der Ruhe und dem Frieden, den diese Infusion grade mit sich bringt, hinzugeben. Scheinbar hat er diese Ruhe dringend gebraucht, denn sein Kopf wird schnell schwer und seine Atemzüge entspannt und gleichmäßig. Und wieder finden meine Finger ihren Weg zu seinem Körper, streichen sanft durch sein Haar, zwirbeln die kleinen Löckchen, die entstanden sind, weil er sich keine Zeit für den Friseur nimmt, wirbeln seinen Duft auf und verteilen ihn im ganzen Raum. Der beste Duft, den ich je riechen werde. Aber wird das in der Zukunft auch so sein? Wenn ich all das überstehe, kann ich Sasuke die Frau sein, die er so gerne um sich wissen möchte? Selbst, wenn ich die fünf Jahre überstehe und das Risiko, erneut zu erkranken, recht gering ist, werde ich mir dann eine Familie mit ihm aufbauen können? Wie wird es, wenn wir näher zu Itachi und Sui ziehen? Gedanken stürmen meinen Kopf, ziehen mich in ihren Bann, während meine Finger sich in Sasukes Haaren vergraben, die neuen Stammzellen ihren Weg in mich finden und mein zweites Leben beginnt. Ich fühle mich gut. Solange habe ich mich nicht mehr gut gefühlt, aber grade im Moment könnte es mir nicht besser gehen. Also ja, klar, ich könnte krebsfrei sein und als Ärztin tätig sein, aber wer weiß, ob Sasukes und mein Weg sich dann je gekreuzt hätten. „Hey du Schlafmütze…na, wieder unter den Lebenden?“, ich muss auflachen, als Sasuke seine schlaftrunkenen Augen ein paar Stunden später wieder öffnet, mich anblinzelt und verwirrt reinschaut. Ein paar geschnuschelte Fetzen kommen bei mir an, allerdings nichts verbal verwertbares. Die Schwester, welche mir die Infusion an- und abgehängt hat, hatte sich überreden lassen, dass Sasuke noch ein paar Stunden bei mir bleiben darf. Immerhin hat er so schön geschlafen, da wollten wir ihn beide nicht wecken. Und ihrem Blick nach, war sie eine der Schwestern, die Sasuke hinterherschauen, wenn er den Raum verlässt. „Wie geht’s dir?“, der erste Satz, der seinen Mund verlässt. Nicht einmal nach Wasser fragt er mich, obwohl er sichtlich Durst hat. „Gut. Du hast alles verschlafen“, zwinkere ich ihm zu und lache kurz auf. „Es tut so gut, dich lachen zu hören, das glaubst du mir gar nicht!“. „Doch. Genauso gut, wie dich atmen zu hören“. Augenblicklich muss ich lachen. Wenn jemand dieses Gespräch mitbekäme, würde er auch nur denken, das wäre einer schnulzigen Liebeskomödie entflohen. Mittlerweile glaube ich, dass Sasuke und ich eine Art Telepathie entwickelt haben, denn er fängt ebenso an zu lachen, als wüsste er, welcher Gedanke mir gerade durch den Kopf schoss. „Saku…“, Sasukes Stimme wird ruhiger, gleichzeitig aber zittrig und nervös, als müsse er mir gleich Schlimmes berichten. „Wenn die Tests in 100 Tagen in Ordnung sind, du keine chronische GvHR hast und sonst keine immunologischen Komplikationen auftreten, dann fliegen wir weg und heiraten. Ich hab das nicht aus Spaß geschrieben, Saku. Du bist die Frau, mit der ich alt werden möchte, die mein schlechtes Gehör irgendwann ertragen muss und meine Alte-Mann-Fürze“, an dieser Stelle kann ich mir ein Lachen nicht unterdrücken. „ Aber ich möchte dich heiraten, wenn es dir gut geht. Ich nehm dich auch krank und lädiert, aber noch lieber möchte ich, dass du all das in vollen Zügen genießen kannst. Und ich werde dir diese Frage jetzt nicht stellen, denn ich weiß, dass du mich liebst und natürlich ja sagen wirst“. Mein überheblicher Sasuke. Meiner. 100 Tage. Körper, das sollten wir hinbekommen, oder? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)