My Love Is Your Love von May_Be (- Blind Date -) ================================================================================ Kapitel 15: Tanabata – Zwei Sterne am Himmlischen Fluss ------------------------------------------------------- Das Bunka Fashion College gehörte zu den renommierten Designerschulen in ganz Tokyo. Einige berühmte Designer hatten sie absolviert. Da sie sehr beliebt war, gab es strenge Aufnahmeregeln. Man musste einer der besten sein und Talent aufweisen. Und ein bisschen Glück gehörte natürlich auch dazu. Zu den Glücklichen durfte sich auch Maki zählen. Iji sah auf die Uhr und dann zu dem Eingang, aus dem bereits eine Gruppe Studenten strömte. Maki musste ebenfalls gleich Schluss haben. Er hatte sein Vorhaben nicht vergessen. Iji wollte die Wogen zwischen ihnen glätten und sich mit ihr versöhnen. Es war nicht ihr erster Streit und würde wahrscheinlich nicht ihr letzter sein, aber er wollte ein bisschen Normalität in seinem Leben. Genau, in seinem Leben. Er hatte nämlich seit kurzer Zeit kein eigenes mehr, da er sich für seinen Bruder ausgeben musste. Aber wenn er sich an die Treffen mit Hitomi zurückerinnerte, dann konnte er nicht unbedingt behaupten, sich verstellt zu haben. Er hatte nicht wirklich die Rolle seines Bruders übernommen. Er gab zwar vor, Ryoske zu sein, aber die ganze Zeit über war Iji er selbst. Ob das gut oder schlecht war, konnte er noch nicht sagen. Iji stand am Fuß der Treppe und sah endlich Maki, die mit ihren Kommilitonen das Gebäude verließ. Er hatte sich zu ihrer Versöhnung etwas Nettes überlegt. Am Wochenende fand das Tanabata Festival statt, zu dem er mit ihr hingehen wollte. Irgendwie passte die Bedeutung dieses Festes zu ihrer Situation. Na ja, nicht ganz. Ein wenig vielleicht. Manche würde seine Idee sogar als romantisch ansehen. Wenn Iji jetzt so darüber nachdachte, fand er das ganze irgendwie kitschig. Und seit wann gab er sich überhaupt solche Mühe? Als Maki in seine Richtung sah, hatte sich ihr Lächeln verabschiedet und ein seltsamer Ausdruck trat in ihre Augen. Sie blieb stehen und wandte sich an den Typen neben ihr, der ebenso angehalten hatte. Sie sprach mit ihm, als hätte sie Iji gerade eben nicht gesehen und legte lachend ihre Hand auf den Oberkörper des jungen Mannes vor ihr, als hätte er etwas Witziges gesagt. Sie ignorierte Iji vollkommen. Dann gab sie dem Kerl einen Kuss auf die Wange, verabschiedete sich von ihm und kam die Treppe runter, an Iji vorbei. Iji kannte ihre Spielchen und er ließ sich ungern darauf ein, aber sie forderte ihn geradezu heraus. Er folgte ihr und packte sie am Arm, damit sie endlich anhielt. „Wer ist der Clown?“, fragte Iji ruhig. Maki entzog ihm ihren Arm und funkelte ihn an. „Was kümmert es dich?“ „Als meine Freundin solltest du nicht so vertraut mit anderen Kerlen sein.“ Maki schnaubte verächtlich und verschränkte demonstrativ ihre Arme vor der Brust. „Deine was? Freundin? Willst du mich verarschen?“ Iji sah sie mit einem undefinierbaren Blick an. Er verstand ihre Verwirrung, also versuchte er es ihr zu erklären. „Ja, meine Freundin. Wir haben es zwar nie offiziell ausgesprochen, aber...“ „Sag mal, wie blöd bist du eigentlich?“, unterbrach sie ihn scharf, „ich darf also nicht vertraut mit anderen Männern sein, dabei gehst du hinter meinem Rücken mit irgendeiner Schlampe aus!“ Ihre Worte trafen ihn hart, wie ein Schlag in die Magengrube. Damit hatte er nun gar nicht gerechnet. „Jetzt guckst du dumm aus der Wäsche, was! Hättest wohl nicht gedacht, dass ich es herausfinde.“ Iji versuchte seine Gedanken zu ordnen. „Es ist nicht so, wie du denkst...“ „Oh bitte, erspare mir das! Es ist immer so, wie man denkt, du verlogenes Arschloch!“, zischte sie, „wer ist dieses Flittchen, hm? Besorgt sie es dir gut, ja?“ „Rede nicht so von ihr!“, erwiderte Iji etwas ungehalten, als er seine Stimme wiedergefunden hatte. Makis Gerede machte ihn wütend. Nicht nur, was sie über Hitomi sagte, sondern dass sie ihm Untreue vorwarf. „Ha! Ich rede, wie ich will, verstanden? Und wenn ich diese Schlampe als Schlampe, Hure oder Flittchen bezeichnen möchte, werde ich es tun!“ Iji presste die Lippen aufeinander und fragte sich, wer ihr das wohl erzählt hatte. Wahrscheinlich musste es einer von den Leuten sein, die neulich mit ihnen feiern waren. „Du verstehst das falsch. Zwischen ihr und mir läuft nichts. Sie ist nur eine Bekannte.“ Maki verzog sich missbilligend den Mund. Als ob, schien sie damit sagen zu wollen. „Eine Bekannte, mit der du feiern gehst. Eine Bekannte, von der ich nichts weiß. Wen willst du hier verarschen?“ Iji fuhr sich verzweifelt durchs Haar. Es brachte nichts mit ihr zu diskutieren. Sie wollte ihm einfach nicht zuhören. „Ich verarsche dich nicht, Maki. Aber wenn du mir nicht glaubst, ist es besser, wenn wir uns trennen.“ Makis Augen weiteten sich, ihr Gesicht schien vor Wut zu glühen. „Du willst mit mir Schluss machen??“ Sie fuchtelte wild mit ihren Händen herum und stieß ihm dann gegen die Brust. „DU? Nein, du Arsch, ICH mach mit DIR Schluss!!“ Sie war zu schwach, um ihm wehzutun. Iji sah sie ungerührt an, ließ sich schubsen und beschimpfen. Vielleicht hatte er es in irgendeiner Weise ja doch verdient. „Okay.“ Das Wort glitt problemlos über seine Lippen. Es war ein kleines, an sich harmloses Wort. Aber es konnte alles zum Einsturz bringen. Maki hob ihre Hand, um ihn zu schlagen, aber diesmal ergriff er ihr Handgelenk und hielt sie davon ab. „Du bist ein noch dämlicher Affe, Iji, wenn du glaubst, dass dieses Miststück ernsthaft was von dir will! Sie hat sich auch an deinen Freund rangemacht, wusstest du das? Sou heißt der oder so ähnlich. Sie verarscht dich, so wie du mich. Na ja, ihr habt euch verdient.“ Ihre bissigen Worte gingen ihm nicht nahe, schließlich kannte er die Wahrheit. Und jetzt war er sich ganz sicher, dass jemand, der mit ihnen unterwegs war, geplaudert hatte. Denn woher sonst sollte sie das mit Sou wissen? Natürlich hatte Hitomi sich nicht an ihn rangemacht, das hätte er gesehen, weil er sie die ganze Zeit im Blick hatte. Sie hatte nur mit Sou getanzt. „Lass es gut sein, Maki“, meinte er mild und ließ sie los. Maki ließ noch einige Beleidigungen fallen und stampfte trotz allem in einem stolzen Gang davon. Iji sah ihr hinterher, selbst als sie bereits um die Ecke gebogen und verschwunden war. Er verspürte eine unbegreifliche Erleichterung in seiner Brust. Diese Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, er war nur blind gewesen, um es sofort zu erkennen. Er gab nicht unbedingt ihr die Schuld, ihn traf sie genauso. Bis jetzt hatte er sich nie gefragt, wie man eine Beziehung richtig führen musste, damit es überhaupt funktionierte. Er hatte sich mit Frauen eingelassen, die ihm gefielen, ohne sich viel Gedanken darüber zu machen, und als es dann vorbei war, war es vorbei und er lernte eine neue kennen. Er trauerte seinen Verflossenen nicht einmal hinterher. War das normal? Ganz sicher nicht, das sah er langsam ein. Er war für eine Beziehung einfach nicht geschaffen, so viel stand jedenfalls fest. So wie sein Vater, der seine Mutter betrogen und verlassen hatte. Schon allein aus diesem Grund hätte er Maki niemals hintergangen. Iji hatte noch heute deutlich das Bild von seiner weinenden Mutter vor Augen. Das wollte er niemandem antun. „Ryoske?“ Hitomis Stimme drang wie durch einen dichten Nebel in sein Bewusstsein. Iji wandte sich zu ihr um und sah sie fröhlich auf sich zu laufen. „Was machst du denn hier?“, fragte sie ihn aufgeregt und sah ihn neugierig an. „Und du?“, erwiderte Iji und blieb ihr eine Antwort schuldig. „Ich habe mich an diesem College beworben! Ich hatte gerade ein Bewerbungsgespräch“, erzählte sie und zeigte ihm lachend das Victory-Zeichen, „drück mir die Daumen!“ Iji musste ihre Nachricht erst einmal verdauen. „Ach... Hier? Wirklich?“, sagte er dümmlich und wünschte ihr dann natürlich viel Erfolg. Er hoffte nur, Maki wusste nicht, wie Hitomi aussah. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, dass sie etwas machen würde, aber sie sollte Hitomi nicht mit ihren falschen Anschuldigungen belästigen. „Ich werde ab jetzt auch eine Abendschule besuchen. Ich muss vieles neu lernen. Das wird zwar anstrengend, aber ich werde es schon irgendwie schaffen!“, sagte sie motiviert und streckte die Faust in die Luft. Iji musste über ihre Geste lachen. „Und warum warst du hier?“, fragte sie ihn, „du willst dich doch nicht etwa auch bewerben?“ Iji schüttelte den Kopf. „Nein. So kreativ bin ich nicht“, er machte eine kurze Pause, „ich wollte jemanden treffen. Aber haben uns wohl verpasst.“ „Ach so. Gut, dass ich dich getroffen habe. Ich wollte dich nämlich eh nach dem Bewerbungsgespräch anrufen. Ich hatte dir noch nichts davon erzählt, weil ich sonst noch nervöser wäre. Außerdem wollte ich dich noch was fragen.“ Hitomi sah nun etwas verlegen drein. „Ich habe dich doch mal gefragt, ob du nicht Lust hast mal zu uns zum Essen zu kommen. Du hast noch nicht gesagt, wann du kannst, aber... na ja, meine Mama hat diesen Samstag vorgeschlagen. Und danach wollten wir alle gemeinsam auf das Tanabata Festival. Würdest du mitkommen?“ Sie hob ihren Blick und sah ihn erwartungsvoll an. „Ich wollte dich damit nicht überfallen. Wenn du schon was vor hast...“ „Ich habe nichts vor“, unterbrach er sie, sonst würde sie wahrscheinlich nicht aufhören zu reden, „ich komme gern.“ Er hatte nichts vor, jetzt nicht mehr, also konnte er ruhig mit ihr zu dem Festival gehen. Und das Essen mit ihren Eltern konnte er auch gleich hinter sich bringen. „Wie kann ich meinem Zwerg was abschlagen“, fügte er grinsend hinzu und spähte zu ihr hinab. Hitomi lachte nur darüber und erzählte ihm dann, welches Essen ihre Mutter für Samstag vorbereiten wollte...   ~*~   Das Festival war schon im vollen Gange als Iji mit Hitomi und ihren Eltern ankam. Auf den Straßen wurde traditionelle Musik gespielt und Tänze aufgeführt. Frauen in Kimonos bewegten sich anmutig zu den sanften Klängen. Das Mittagsessen mit Hitomis Eltern hatte sich als nicht so schlimm erwiesen wie erwartet. Iji hatte befürchtet, dass ihre Mutter durch ihr eigenes Misstrauen Iji gegenüber, die Stimmung runterziehen würde und er fühlte sich zunächst etwas unbehaglich. Jedoch war dieses Gefühl schnell verflogen, denn Hitomis Vater hatte das Ruder in der Hand und ihre Mutter passte sich diesem an. Im Laufe des Essens schien die Anspannung auch von ihren Schultern zu fallen und sie lachte sogar. Langsam bekam Iji ein Gefühl für diese Familie. Auch wenn Hitomi nicht ihre leibliche Tochter war, verspürte er, dass sie mehr Liebe bekam als einige andere. Sie konnte sich wirklich glücklich schätzen. Iji konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal mit seinen Eltern und seinem Bruder an einem Tisch gesessen hatte, wann sie aufgehört hatten eine richtige Familie zu sein. Nach dem Essen gegen Abend machten sie sich dann auf den Weg zum Tanabata Festival. Nachdem sie sich ein wenig umgeschaut hatten, trennten sich ihre Wege. Hitomis Eltern trafen sich noch mit Freunden und ließen die jungen Leute allein. Iji und Hitomi machten Halt an einem Bambus, an dem viele bunte kleine Zettel mit den Wünschen der Festivalbesucher hingen. Von weitem sahen sie aus wie farbenfrohe Blütenblätter. Daneben stand eine kugelförmige Festtagsdekoration, gefüllt mit leeren Zetteln. An diesem Tag war es Tradition, seine Wünsche aufzuschreiben und an den Bambus zu hängen, die der Legende nach als Gebet an die Sterne gesandt wurden. „Wollen wir unsere Wünsche aufschreiben?“, fragte sie Iji und holte bereits 2 bunte Zettel heraus. Den blauen reichte sie Iji, den gelben behielt sie für sich. „Ich habe nichts zum Schreiben.“ „Warte“, sagte Hitomi und holte zwei kleine Kugelschreiber aus ihrer Tasche. „Ich habe an alles gedacht“, fügte sie grinsend hinzu und hockte sich dann hin, um ihren Wunsch aufzuschreiben. Iji beobachtete sie dabei, konnte aber keinen Blick auf ihren Zettel erhaschen. Dann starrte er auf seinen leeren Zettel, den er in den Händen hielt. Was sollte er sich wünschen? Während er überlegte, war Hitomi bereits fertig und hängte ihren Zettel an den Bambus. „Bist du soweit?“ „Ich weiß nicht, was ich aufschreiben soll“, meinte Iji phantasielos und kratzte sich mit dem Stift am Kopf. Hitomi verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken und richtete ihren Blick in den klaren, wolkenlosen Himmel. Die Sonnenstrahlen fielen warm auf ihre Haut. „Hm“, gab sie nachdenklich von sich, „gibt es denn nichts, was du dir wünschst? Für dich oder deine Familie?“ Iji ließ seinen Blick nachdenklich auf Hitomi ruhen. Es gab da doch einiges, was er sich wünschte. Er wünschte sich, dass sein Bruder endlich den Mut aufbrachte, um dem Mädchen, das er liebte, gegenüberzutreten. Er wünschte sich, dass seine Mutter auch ohne Vater ein glückliches und erfülltes Leben führte. Er wünschte sich, dass dieses Mädchen vor ihm, niemals ihre Lebensfreude verlor. Und was wünschte er für sich selbst? - Er dachte eine gefühlte Ewigkeit lang nach, doch ihm fiel nichts Gescheites ein. „Ich hab's... denke ich“, meinte Iji schließlich und Hitomi lächelte. Iji schrieb das, was er eben gedacht hatte, so kurz wie möglich auf das kleine Blatt Papier, sodass jeder dieser drei Wünsche darauf passte. Ryoske > Mut Mutter > Glück Hitomi > Lebensfreude Für sich selbst fiel ihm kein Wunsch ein. Der hätte eh nicht mehr auf den Zettel gepasst. „Oh, schau mal!“, sagte Hitomi, als er dabei war, seinen Zettel an den Bambus zu befestigen, „die führen wieder einen Tanz auf!“ Sie lief schon mal in die Richtung und auch Iji wollte ihr gerade folgen, hielt dann aber inne, als der Wind die einzelnen Zettel tanzen ließ. Er hatte Hitomis gelben Zettel vor Augen, wie er sich leicht hin und her drehte. Er erhaschte einen kurzen Blick darauf. War das nicht sein Name, oder besser gesagt Ryoskes, der darauf stand? Da stand noch mehr, aber es war unmöglich alles zu lesen, wenn er sich hin und her bewegte. Iji widerstand dem Verlangen, sich ihren Zettel zu greifen und durchzulesen. Er riss seinen Blick von dem gelben Papierstück und ließ den Baum der Wünsche hinter sich. Die Stunden flogen unbemerkt an Hitomi vorbei, als es bereits dämmerte und sie sich auf einer Wiese niedergelassen hatten, um auf das Feuerwerk zu warten. Sie freute sich riesig darauf. Das letzte Mal, dass sie ein Feuerwerk gesehen hatte, war an Neujahr, als sie noch zur Grundschule ging. „Vielleicht sehen wir heute, wie sich Orihime und Hikoboshi treffen“, sagte Hitomi verträumt und richtete ihren Blick gen Himmel. Hitomi hatte schon immer einen Hang zu solchen Geschichten. Das Tanabata Festival wurde zu Ehren der beiden Liebenden veranstaltet. Laut der Legende hatte der Himmelsgott eine Tochter namens Orihime. Sie war eine sehr fleißige Weberin und verbrachte ihre Tage damit, ihrem himmlischen Vater neue Kleider zu nähen. Da es ihre einzige Aufgabe war, hatte sie keine Zeit dafür, an ihr eigenes Leben zu denken. Da wollte ihr Vater für ihre Mühe danken und ihre Einsamkeit durch eine Heirat beenden, sodass er sie mit dem Rinderhirten Hikoboshi verheiratete. Doch der Himmelsgott hatte nicht erwartet, dass die beiden sich so sehr ineinander verlieben, dass sie ihre Arbeit vernachlässigen würden. Die Rinder wurden krank und starben und der Himmelsgott bekam keine neuen Kleider mehr. Darüber wurde er so zornig, dass er die beiden voneinander trennte und sie jeweils an das andere Ende des himmlischen Flusses, heutzutage Milchstraße genannt, verbannte. Da der Kummer der Liebenden sie ebenfalls an der Arbeit hinderte, durften sie sich einmal im Jahr an Tanabata treffen. „Sie hatten sich so sehr geliebt und durften nicht zusammen sein, weil sie alles andere um sich herum vergaßen. Ist das gerecht?“ Iji hatte sich auf die Wiese hingelegt, die Arme unter seinem Kopf verschränkt und lauschte ihrer angenehmen Stimme. „Götter sind nun mal nicht gerecht“, hörte er sich sagen und senkte etwas den Blick. Warum sonst konnte sein Bruder nicht mit dem Mädchen, das er liebte, zusammen sein? Hitomi saß im Schneidersitz neben ihm und sah nachdenklich drein. „Jeder sollte mit dem Menschen zusammen sein, den er liebt.“ Iji sah das genauso. Weswegen er sich eindeutig fehl am Platz fühlte. Ryoske gehörte hierher und nicht er. Er sollte mit seinem Bruder reden, damit er sich endlich zusammenriss und Hitomi die Wahrheit sagte. Iji konnte sich nicht ständig mit ihr treffen. Das war nicht richtig. Auch wenn er nicht unbedingt an die Existenz romantischer Liebe glaubte, glaubte er doch daran, dass Ryoske aufrichtig in Hitomi verliebt war. Vielleicht konnte aber auch nicht jeder solch eine Liebe empfinden. Er für seinen Teil hatte solche Gefühle noch nie empfunden. Sein Blick wanderte zu dem Mädchen neben ihm. Heute hatte sie ausnahmsweise kein Kleid an, sondern Shorts und ein T-Shirt. Ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden und er betrachtete ihren schlanken Nacken. Letztendlich war Iji froh darüber, mit Hitomi hierhergekommen zu sein und nicht mit Maki. Sie hätte diesen Zauber, den dieses Fest ausstrahlte, wahrscheinlich nicht einmal begriffen. Iji setzte sich etwas auf und streckte seine Hand nach ihr aus. Er hatte einen Marienkäfer auf ihrer Schulter entdeckt, den er nun entfernte. Hitomi spürte die Berührung und drehte sich fragend zu ihm um. „Ein Käfer“, meinte Iji und zeigte ihr den Marienkäfer, der auf seinem Finger saß. Fasziniert betrachtete Hitomi das kleine Ding, während Ijis Blick die ganze Zeit auf ihrem Gesicht ruhte. „Was ist?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn, als sie erkannte, wie er sie beobachtete „habe ich etwas im Gesicht?“ Sie wischte sich instinktiv den Mund ab. Sie hatten vorhin Dorayaki, Pfannkuchen mit süßer roter Bohnenpaste, gegessen. Was war das nur? – fragte sich Iji währenddessen, ohne auf ihre Frage einzugehen. Warum schlug sein Herz nur so verdammt schnell? Und warum war er trotz allem so glücklich, hier zu sein? Hier, mit ihr. Hitomi legte ihren Kopf schief, da er sie immer noch schweigend ansah. Sie winkte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. Vielleicht war er in Trance? Oder er hatte Fieber? Sie legte ihre Hand auf seine Stirn. Iji zuckte zusammen, da er mit ihrer Berührung nicht gerechnet hatte, und ergriff ihre Hand, die sie an seine Stirn gelegt hatte. Wenn sie ihn berührte, machte sie alles nur noch schlimmer und wühlte ihn noch mehr auf. „Hito…“, murmelte er und beugte sich etwas mehr zu ihr vor. Hitomi blinzelte, als er ein Stückchen näherkam. Ihr Herz überschlug sich und sie schluckte. In den letzten Tagen hatte sie sich viele Gedanken gemacht. Über ihn. Über sie beide. Sie war sich nicht mehr sicher, ob das, was sie fühlte, nur freundschaftlicher Natur war. Zuerst war sie stark davon überzeugt, aber seit Hachi und Aya ihre Gedanken in diese Richtung gelenkt hatten, ließ sie das Gefühl nicht los, dass es vielleicht mehr war als das. Die Vorfreude ihn zu sehen war groß, sie war vor ihren Treffen immer so aufgeregt. Sie stand stundenlang vor ihrem Kleiderschrank und wollte perfekt aussehen. Für ihn. Und dann gab es da noch diese Momente, solche wie jetzt, die ihr Herz zum Rasen brachten. Am Anfang war das nicht so gewesen, aber jetzt... Im Hintergrund ertönte das Feuerwerk und beide zuckten erschrocken zusammen, als wären sie aus ihrer Starre erwacht. Iji ließ ihre Hand los und nahm wieder Abstand ein, während Hitomi sich eine lose Strähne hinters Ohr strich und hinauf zum Himmel sah. Die Raketen zerrsprangen wunderschön in unterschiedlichen Lichtern und fielen in einem bunten Regen hinab. Fasziniert betrachtete sie das Schauspiel und ihr Herz füllte sich mit Glück. Genauso fühlte es sich an, wenn sie ihn traf, wenn sie sich berührten, ja, sogar wenn sie nur an ihn dachte. Es fühlte sich an wie das pure Glück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)