My Love Is Your Love von May_Be (- Blind Date -) ================================================================================ Kapitel 22: Liebeskummer lass nach ---------------------------------- „Was ist denn in letzter Zeit mit Iji los?“, fragte Sou Ryoske und wies mit einer kurzen Kopfbewegung in Richtung der Bar, an der Iji wie ein Häufchen Elend saß. Ryoske legte die Stirn in Falten und unterdrückte einen tiefen Seufzer. So verhielt sich sein Bruder bereits seit Tagen. Seit er das letzte Mal mit Hitomi gesprochen und sie ihn abgewiesen hatte. Und das war schon eine Weile her. „Das solltest du ihn lieber selbst fragen“, erwiderte Ryoske und trank einen Schluck von seiner Coke. Nachdem er sich letztens die Kante gegeben hatte, wollte er Alkohol nie wieder anrühren. Soweit Ryoske wusste, hatte Iji ihren beiden Freunden, Sou und Tsutomu, noch nichts von der Sache mit Hitomi erzählt, und er selbst wollte nicht vorweggreifen. „So kenne ich ihn gar nicht. Ich traue mich nicht mal in seine Nähe.“ Sou versuchte seine Besorgnis mit einem Witz herunterzuspielen, doch Ryoske kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er sich aufrichtig Sorgen machte. „Vielleicht würde ihm ein Gespräch gut tun“, sagte Ryoske nachdenklich. Er hatte es seinerseits versucht, war jedoch nicht zu seinem Bruder durchgedrungen. Sein Freund schien dies als Aufforderung zu verstehen. „Dann versuche ich mal mein Glück“, sagte er motiviert und klopfte Ryoske leicht auf die Schulter, ehe er sich von ihm abwandte und die Bar ansteuerte. Ryoske hoffte aufrichtig, dass Sou mehr Erfolg haben würde als er selbst.   ~*~   Sou setzte sich zu seinem Freund an die Bar und stellte seine leere Bierflasche auf dem Tresen ab. „Ich dachte, wir machen heute einen drauf“, sagte er leicht vorwurfsvoll und bestellte sich noch ein Bier. Er blickte zu Iji, der sich schwermütig aufrichtete, als würde es seine ganze Kraft erfordern, doch im nächsten Augenblick ließ er schon wieder die Schultern hängen. Wortlos griff Iji nach Sous leerer Flasche und kratze an dem Etikett. Sou sah dem trostlosen Schauspiel eine Weile schweigend zu und nahm Iji dann die Falsche aus der Hand. „Verdammt, Iji! Seit wann lässt du dich so gehen?“ Ohne aufzublicken zuckte Iji gleichgültig mit den Schultern. „Kann ich die Flasche wiederhaben?“ Sou seufzte. „Geht es um eine Frau?“, fragte er unverblümt, ohne auf Ijis Bitte einzugehen. Man merkte deutlich, wie sein Kumpel sich versteifte. Die Lippen aufeinander gepresst, starrte Iji konzentriert auf den Tresen, als würde er dort nach einer passenden Antwort suchen. Sou verzog sich die Lippen, da die Antwort so offensichtlich war. Natürlich ging es um eine Frau. Was sonst konnte einen Mann so deprimieren? „Erzähl, was passiert ist“, forderte Sou ihn auf, doch Iji schüttelte stur den Kopf. „Vielleicht habe ich einen tollen Ratschlag für dich“, versuchte Sou seinen Freund zu ködern und kassierte von Iji im Gegenzug einen skeptischen Blick. „Ich glaube, selbst DU wärst mit deinem Latein am Ende, würde ich dir diese verdammt lange und komplizierte Geschichte erzählen.“ Sou schnaubte, als wäre sein Stolz verletzt. Wenn es um Liebesangelegenheiten ging, konnte man sich auf ihn verlassen. „Das lass mich schön selbst entscheiden.“ „Ich werde dir nur den Abend verderben.“ Sou schnalzte mit der Zunge. „Als wäre der Abend bis jetzt ein Highlight!“, erwiderte er und klopfte Iji aufmunternd auf die Schulter. „Also. Rede. Damit ich den Abend retten kann.“ Am Ende des Abends wusste Sou nicht mehr genau, wie er Iji dazu gebracht hatte, aber sein Freund hatte tatsächlich geredet. Es war wirklich eine verdammt lange und komplizierte Geschichte, die seine ganze Aufmerksamkeit erforderte. Aber sie hatten Zeit und Sou hatte schließlich seine Hilfe angeboten. Nachdem Iji seinen Monolog beendet hatte, stieß Sou einen lauten Pfiff aus. „Nur noch einmal zum Verständnis: Ihr habt die Rollen getauscht, weil Ryoske weiche Knie bekommen hat, dem Mädchen gegenüberzutreten, in das er sich verliebt hat... dann hast du dich in dasselbe Mädchen verliebt und sie sich in dich, doch als sie dir ihre Gefühle gesteht, weist du sie ab, überlegst es dir später anders und nun hat sie dich abgewiesen, weil sie sich mit deiner Ex angefreundet hat?“ Iji fuhr sich etwas unbeholfen durchs Haar. Von dem gelassenen, selbstsicheren Typen, der nicht an die Liebe glaubte, fehlte jede Spur. „So wie du das sagst, hört es sich wie eine kitschige Seifenoper an“, sagte Iji mit einem schiefen Lächeln, „aber ja. So in etwa ist das abgelaufen.“ Sou nahm das nickend zur Kenntnis. „Ich glaube, dass muss ich erst mal verdauen“, sagte er kopfschüttelnd und bestellte ihnen ein paar Kurze. Nachdem der Barkeeper die kleinen Gläser mit Wodka serviert hatte, reichte Sou Iji einen und bediente sich dann selbst. „Nun, ich finde, ein Toast wäre angebracht.“ „Und worauf willst du anstoßen?“ Sou grinste. „Auf dich und Hitomi.“ Ijis entgeisterter Blick brachte Sou nicht aus dem Konzept. „Ja, was hast du denn gedacht? Dass du jetzt ein bisschen rumheulen kannst, ich dich bemitleide und wir uns ins Koma saufen werden? Nichts da! So wie es sich für mich anhört, gehört ihr beiden zusammen. Ihr habt es nur noch nicht verstanden.“ Iji starrte in sein volles Glas, als würde er über Sous Worte nachdenken. „Was soll ich denn noch tun? Ich hab ihr schon gesagt, was ich fühle...“ „Dann sag es noch einmal.“ Iji hob skeptisch eine Braue. „Was würde das denn bringen? Sie weiß doch, was ich für sie empfinde. Sie will einfach nichts mehr von mir.“ „Ach wirklich? Bist du dir da ganz sicher? Ich mir nämlich nicht. Weißt du noch, als ihr das erste Mal bei mir wart? Und ich eure Zweisamkeit auf dem Balkon gestört habe? Es war zwar nur ein kleiner Augenblick, aber ich könnte schwören, da hatte es bereits geknistert. Und diese heimlichen Blicke, die sie dir zugeworfen hat! Ja, das ist mir nicht entgangen.“ „Ich will ihr nicht hinterherlaufen und sie mit meinen Gefühlen bedrängen...“ Sou seufzte resigniert. „Hast du mir nicht zugehört? Ich denke nicht, dass sie nichts mehr von dir will. So einfach geht das nicht. Vielleicht wäre alles ganz anders gelaufen, hätte sie deine Ex nicht kennengelernt und sich mit ihr angefreundet.“ „Hm, vielleicht. Aber es bringt doch nichts, sich jetzt noch Gedanken darüber zu machen.“ Nun war Sou doch ein wenig mit seinem Latein am Ende. Die Lage war komplizierter, als er es sich vorgestellt hatte. „Und doch solltest du's noch einmal versuchen.“ Sou trank seinen Kurzen, ohne sich das Gesicht zu verziehen, und griff sofort nach dem nächsten. „Ich fahr nach Hause“, sagte Iji unvermittelt. Er hatte den Kurzen abgestellt, ohne ihn zu trinken, und glitt vom Hocker. „Danke, Mann. Wir sehen uns.“ Sou nahm das nickend zur Kenntnis und prostete seinem Freund zum Abschied zu. Er wusste, es hatte keinen Sinn, ihn aufzuhalten und ihm noch mehr Ratschläge zu geben. Der Sturkopf würde eh nur bei seiner Meinung bleiben.   ~*~   Die frische Luft tat Iji richtig gut. Gierig sog er sie in seine Lungen ein und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Das Gespräch mit Sou hatte ihn zwar der Lösung für sein Problem nicht näher gebracht, doch die Schwere in seinem Herzen fühlte sich nicht mehr ganz so erdrückend an wie vorher. Iji war immer noch ratlos, wie er über seinen Liebeskummer hinwegkommen sollte. Besonders weil er sich noch nie in dieser Situation befunden hatte. „Hey, Mann. Hast du eine Zigarette für mich?“ Der Typ, den Iji angesprochen hatte, sah auf. „Klar.“ Er sah um einiges jünger aus als Iji selbst, doch seine Stimme klang tiefer als erwartet. Bereits nach dem ersten tiefen Zug spürte er sofort die Wirkung des Nikotins sowie das schlechte Gewissen. Es war kein leichter Weg gewesen aufzuhören und nur ein kleiner schwacher Moment warf seinen eisernen Vorsatz über den Haufen. „Verdammt“, fluchte er vor sich hin und warf die halb aufgerauchte Zigarette auf den Boden, die er sofort mit seinem Fuß zertrat. „Ich dachte, du hättest aufgehört.“ Iji blickte in ein bekanntes Gesicht, das ihn aufmerksam musterte. „Maki...“ Die junge Frau kam näher und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war ein komisches Gefühl, ihr nach so langer Zeit wiederzubegegnen. Sie hatten sich seit der Trennung nicht mehr gesehen. „Muss dir ja echt scheiße gehen, wenn du sogar wieder anfängst zu rauchen.“ Ihr boshafter Unterton reizte ihn stärker, als er es zugeben wollte. Ob es an seiner schlechten Stimmung lag? „Und das freut dich, was?“ Iji steckte die Hände in die Hosentaschen und sah sie herausfordernd an. Wenn sie Streit wollte, würde sie ihn bekommen. Wegen ihr wollte Hitomi seine Gefühle nicht erwidern. Hitomi konnte doch nicht tatsächlich denken, dass dieser oberflächliche Mensch wirklich ihre Freundin war! Maki zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Traurig macht es mich auf jeden Fall nicht.“ Iji schnaubte. „Hätte mich auch gewundert.“ Eine Weile standen sie schweigend da. Ob sie gerade nach den richtigen Worten suchte, um ihn fertig zu machen? „Ist deine kleine Freundin auch hier?“ „Warum sollte sie?“ „Weiß nicht... Schließlich ist sie doch deine Freundin. Oder nicht?“ Iji presste die Lippen aufeinander, um nicht irgendetwas Unüberlegtes zu sagen. Anscheinend hatte Maki noch nichts von diesen tollen Neuigkeiten gehört oder sie tat nur so. Hitomi musste es ihr doch erzählt haben. „Ach komm, stell dich nicht dumm.“ Da Maki ihn weiterhin fragend ansah, platze es unwillkürlich aus ihm heraus. „Hitomi und ich sind nicht zusammen. Ich hoffe, du bist zufrieden. Sie will nicht mit mir zusammen sein, weil sie sich Vorwürfe macht. Sie denkt, sie wäre Schuld an unserer Trennung, aber das ist Schwachsinn. Du und ich, wir wussten beide, dass das mit uns nur vorübergehend ist. Wir haben uns ständig gestritten, du warst eifersüchtig und hast mir immer 'ne Szene gemacht... Es war klar, dass wir uns irgendwann trennen. Das mit Hito... das hatte ich auch nicht geplant...“ Iji machte eine Pause, als er begriff, dass er zu viel gesagt hatte. „Ach, warum erzähle ich dir das überhaupt? Du denkst doch eh nur, was du willst.“ So viel hatte er gar nicht sagen wollen, aber die Worte kamen unaufhaltsam wie ein Wasserfall aus seinem Mund. Er hatte mit sofortigem Konter gerechnet, mit Beschimpfungen und einem Wutanfall. Doch das einzige, was Maki tat war, ihn mit einem mitfühlenden Blick anzusehen. Als hätte sie seine Gedanken erraten, änderte sich schlagartig ihr Gesichtsausdruck und wurde wieder zu einer eiskalten Maske. „Und noch etwas“, fügte Iji dann doch noch hinzu, „Hitomi hält dich wirklich für eine Freundin. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was sie in dir sieht, aber es muss etwas Gutes sein, das mir entgangen ist.“ Iji wandte sich zum Gehen. Er wollte das nur loswerden, er wollte nicht mit ihr darüber diskutieren. Letzten Endes war ihm auch egal, was sie dachte. Hauptsache, die ließ Hitomi in Ruhe. Nach wenigen Schritten rief sie jedoch seinen Namen. Iji hätte weitergehen können, doch er blieb stehen und wartete, bis sie ihn einholte. „Was ist?“, fragte er gezwungen, als sie vor ihm stand. „Wann hast du das letzte Mal mit Hitomi gesprochen?“ Iji runzelte verständnislos die Stirn. „Ist schon eine Weile her. Warum fragst du mich das?“ Maki schien mit der Antwort zu hadern. So kannte er sie ja gar nicht. „Na ja, sie war schon länger nicht mehr in der Uni. Um genau zu sein, seit...“ Maki machte eine längere Pause. „...seit ich das mit euch herausgefunden und sie zur Rede gestellt habe.“ Ihre Worte hinterließen einen bitteren Nachgeschmack. Iji wurde etwas unbehaglich zumute. „Vielleicht ist sie erkältet.“ Maki pflichtete ihm bei. „Ja, daran habe ich auch anfangs gedacht. Aber sie geht nicht ans Handy.“ Sie hob ihren Blick und sah ihn besorgt an. Ihre Sorge fühlte sich aufrichtig an und brachte Iji einen Augenblick aus dem Konzept, doch er ließ es nicht an sich heran. „Vermutlich will sie einfach nicht mit dir reden“, konterte Iji. Anders konnte er sich das auch nicht erklären, obwohl sich eine seltsame Unruhe in ihm breit machte. Er wollte sofort Hitomi anrufen und sich nach ihr erkundigen. „Vermutlich hast du recht“, sagte Maki bitter und strich sich eine Strähne hinter das Ohr, „dennoch mache ich mir Sorgen. Ob du es mir glaubst oder nicht.“ Iji fiel darauf nichts ein. „Es geht ihr sicher gut“, meinte er nur, ohne selbst davon überzeugt zu sein. Maki nickte nur leicht. Damit endete ihre Unterhaltung und Iji ging ohne einen Abschiedsgruß davon, während er in seiner Hosentasche das Handy fest umklammerte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)