Love and Sorrow von Kitticate ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 - Madara ----------------------------- Kapitel 1 Madara stand hinter dem Tresen und trocknete die frisch gewaschenen Gläser ab, welche zwei Gäste auf ihren Tischen haben stehen lassen, bevor sie die Bar verlassen haben. Es war zwanzig Uhr und der Club, in dem er arbeitete, hatte erst seit einer Stunde geöffnet, daher war es noch ruhig. Die meisten Gäste würden erst in einer Stunde kommen, was aber nicht heißen sollte, dass niemand da war. Vereinzelt saßen einige Gäste an den modernen schwarzen Tischen und unterhielten sich angeregt über verschiedene Themen, während sie ein Getränk nach dem anderen tranken. Aus Erfahrung wusste Madara, dass eben diese Kunden diejenigen sein würden, die den Club mit dem Namen ‚Dusk‘ sturzbetrunken um ein Uhr nachts verlassen würden. Innerlich seufzte er, während er die Gläser wieder unter den Tresen einsortierte. Er machte sich schon jetzt dafür bereit, in wenigen Stunden den Seelsorger für betrunkene Menschen zu spielen. Früher dachte er, es sei nur ein Klischee, dass sich Unglückliche in eine Kneipe begaben, einen Drink nach dem anderen herunter kippten und ihre Leiden dem desinteressierten, aber nach außen hin aufmerksamen Barkeeper anvertrauten. Dass dies in der Realität leider öfter vorkam, wurde ihm bereits in den ersten Tagen hier bewusst. Natürlich hatte ein fünfundzwanzig Jahre junger Mann an einem Freitagabend besseres zu tun, als Getränke einzufüllen und armen Schlucker beim sich Beklagen zuzuhören, doch da er sein Studium irgendwie bezahlen musste und man hier recht gutes Geld bekam, hatte er sich dazu entschlossen, den Job anzunehmen. Unter der Woche arbeitete er nur bis Mitternacht. Da er meistens erst um neun Uhr zu Uni musste - er hatte seine Kurse extra so belegt, dass das möglich war - war das auch selten ein Problem. Nur freitags und samstags blieb er die vollen acht Stunden, wobei er meistens auch Überstunden machte, um mehr Geld zu erhalten, und daher bis zum Ladenschluss um sechs Uhr morgens blieb und die Kasse machte. Das ruinierte seinen Schlafrhythmus zwar komplett, aber dafür verdiente er hier, wie bereits erwähnt, überdurchschnittlich viel, was sich allerdings nach mehr anhörte, als es eigentlich war. Der Grund für die gute Bezahlung war ziemlich schlicht: Es handelte sich um einen Stripclub für homosexuelle Männer, daher musste er damit rechnen, dass er sich von den Kunden ziemlich unpassende Sprüche anhören würde. Glücklicherweise waren die Sicherheitsmaßnahmen hier sehr hoch, sodass sich mindestens ein zivil gekleideter Security-Mann in der Nähe der Bar aufhielt und zur Not einschreiten konnte, sollte ein Kunde den Mitarbeitern gegenüber handgreiflich werden. Glücklicherweise konnte Madara sich gut selber wehren, sodass er noch nie auf die Hilfe des Mannes angewiesen war. Dennoch war er sehr dankbar dafür, dass die Sicherheit seiner Mitarbeiter seinem Boss scheinbar wichtig war. Nach und nach füllte sich das ‚Dusk‘ mit Männern, die auf den Beginn Show um einundzwanzig Uhr warteten. In weniger als einer halben Stunde würde es anfangen und für etwa drei Stunden würde die volle Aufmerksamkeit auf den hübschen Strippern und den leicht bekleideten Servicekräften, die die Getränke direkt an die Tische brachten, ruhen, bis die ersten Gäste sich mit ihren vorab gebuchten Tänzern auf die Privatzimmer zurückzogen und sie für sich tanzen ließen. Sex war zwar nicht inbegriffen - in den Zimmern standen nicht einmal Betten - doch Madara wusste von vielen Tänzern, dass sie mit ihren Kunden gegen eine weitere Bezahlung nach der Arbeit auch mal in ein Love Hotel gingen und sich dort mit ihnen vergnügten. Madara konnte nicht nachvollziehen, wie man für Geld so tief sinken konnte, doch er vertrat auch die Meinung, dass jeder mit seinem eigenen Körper machen konnte, was er wollte. Er selbst hatte auch so einige Angebote für eine bezahlte Nacht erhalten, hatte sie jedoch stets abgelehnt. Dafür hatte er dann doch zu viel Selbstachtung. Er vermied es generell mit Gästen des Hauses wegzugehen, auch wenn er zugegebenermaßen bei zwei oder drei Männern eine kleine Ausnahme gemacht hat. Da war die Versuchung doch zu groß. Während Madara den Tresen abwischte, setzte sich ein großgewachsener junger Mann mit langen schwarzen Haaren auf einen der Barhocker. Er trug noch einen Anzug, was Madara darauf schließen ließ, dass er gerade von der Arbeit kam. Eventuell hatte er ja Überstunden gemacht, weswegen er erst vor Kurzem fertig wurde und in seiner „Arbeitskleidung“ hier auftauchte. Da fiel Madara auf, dass er ihn zum ersten Mal hier sah. Die meisten Kunden kannte er schon, immerhin arbeitete er seit zwei Jahren in diesem Lokal, diesem Mann war er aber noch nie zuvor begegnet. Allerdings sah der Herr vor ihm nicht gerade zufrieden aus, und Madara wusste genau, was das bedeutete: Dieser Mann gehörte zu denen, die einen Shot nach dem anderen in sich hinein kippten und ihm dann ihr Herz ausschütteten. Innerlich seufzte Madara, behielt aber nach außen hin die Fassung und lächelte den Mann leicht an. „Was darf ich dir anbieten?“ Aus Gewohnheit duzte er sein Gegenüber, da er die meisten Kunden, die hier herkamen, kannte und man hier ein freundschaftliches Verhältnis pflegte. Der Mann sah in an und Madara konnte eine leichte Unsicherheit in seinen Gesichtszügen erkennen. Scheinbar war er nicht oft in solchen Lokalen unterwegs. „Einen Tequila bitte. Wobei... vielleicht doch lieber zwei.“ Leicht lächelnd schenkte Madara dem Gast seine gewünschten Getränke ein, welche dieser auch sofort schluckte, ohne vorher, wie die meisten anderen, an dem Salz geleckt zu haben, was dazu führte, dass er unweigerlich das Gesicht verzog. Belustigt beobachtete Madara das Spektakel. Scheinbar war der Herr generell nicht oft in Bars unterwegs. „ Du machst das wohl nicht oft? Ich erkläre dir mal, wie das mit dem Tequila funktioniert: Zuerst nimmst du das Päckchen Salz hier und streust es dir komplett auf den Handrücken. Dann leckst du alles ab, trinkst schnell den Tequila und beißt sofort in diese Zitrone.“ Während er sprach hielt Madara ein kleines Päckchen Salz in der einen und eine halbe Zitrone in der anderen Hand hoch. Schnell griff der Kunde nach der Frucht und biss hinein, nur um erneut das Gesicht zu verziehen, woraufhin sich Madara ein Lachen nicht verkneifen konnte. „Na jetzt bringt das nichts mehr. Komm, versuch es noch einmal“, sagte er und füllte das Glas erneut mit Tequila. Er hatte recht schnell gelernt, wie man die Gäste dazu brachte, mehr zu trinken, bis sie betrunken genug waren, um von sich aus immer wieder nachzubestellen. Dieser Kunde hier ging sofort darauf ein und trank dieses Mal so, wie Madara es ihm erklärt hat, wobei er dabei ziemlich unbeholfen wirkte. „Schmeckt noch immer scheiße, aber erträglicher.“ Erneut lachte Madara auf. Es amüsierte ihn, wie naiv dieser Mann wirkte. „Trinkst du generell nicht, oder nur zum ersten Mal Tequila?“, fragte er, während er das Getränk für einen anderen Kunden zusammenstellte. Er merkte, wann ein Mann mit ihm reden wollte, oder wann er einfach nur schnell sein Getränk haben und zu seinem Platz gehen wollte, daher konnte er es sich erlauben, weiter mit dem langhaarigen Gast zu reden. „Ich trinke hin und wieder auf Veranstaltungen ein Glas Sekt oder Wein, ansonsten mag ich den Geschmack und das Gefühl nach dem Trinken nicht besonders.“ Amüsiert hob Madara eine Braue. „Na dann muss der Grund ja ziemlich belastend sein, wenn du deinen Kummer ertränken möchtest. Was ist los? Ärger im Paradies?“, fragte Madara ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen. Probleme mit dem Partner oder auf der Arbeit waren die häufigsten Gründe, aus denen sich Männer sinnlos betranken und wie ein Wasserfall plapperten. Von seinem Gegenüber bekam er nun einen überraschten Blick. „Woher weißt du das?“ Madara grinste ihn an. „Berufserfahrung. Aber wenn du nicht oft trinkst, würde ich dir eine Mischung mit Cola empfehlen. Der Zucker macht das Ganze erträglicher“, sagte er und schenkte dem Mann ein Glas mit Wodka und Cola ein. Er trank sowieso nichts, daher sparte Madara es sich, ihn nach dem gewünschten Alkohol zu fragen und kippte einfach das rein, was er auch selbst gerne trank. „Danke für den Tipp“, erwiderte sein Kunde trocken und nippte an dem Getränk. „Das ist mein Job.“ Nun sah der Mann ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Falsch, dein Job ist es, mir das Geld aus der Tasche zu ziehen.“ Nun fing Madara erneut an zu lachen. Der Typ war nicht nur hübsch, sondern auch noch einigermaßen klug und schlagfertig. „Wo du recht hast....“ „Hey Hübscher, ich unterbreche deinen Flirt ja nur sehr ungerne, aber ich möchte noch vier Bier und eine Cola, bitte.“ Er wurde von einem wissend grinsenden Mann unterbrochen, der sich auf die Theke lehnte. Schnell reichte er ihm die gewünschten Getränke und kassierte sofort, da dieser mit ihnen an einen Tisch verschwand. „Ach ja, von dir bekomme ich übrigens auch Geld. Insgesamt achthundert Yen, um genau zu sein. Du kannst natürlich noch mehr bestellen.“ Er lächelte den neuen Gast so lieb an, wie möglich, woraufhin dieser verstimmt grunzte. „Das weiß ich, das musst du mir nicht sagen. Ist ja nicht so, als wäre das der erste Barbesuch meines Lebens.“ Er holte das Geld aus seiner Brieftasche und legte es Madara abgezählt auf den Tresen. „Es wird ganz schön voll hier, bist du denn alleine? Und wie hat der Kerl gerade mit dir gesprochen? Darf er das einfach so?“ „Meine Kollegen sollten gleich da sein, vor der Show reicht es eigentlich, wenn nur einer von uns hier ist. Und ich glaube, wenn man bedenkt, wo ich arbeite, kann man schon damit rechnen, so angesprochen zu werden. Aber ich habe mich inzwischen daran gewöhnt.“ Wieder sah sein Gegenüber ihn fragend an. „Wie meinst du das denn? Ist doch eine normale Bar, da musst du dich nicht so blöd von der Seite ansprechen lassen. Und welche Show meinst du denn?“ Er konnte es nicht fassen! Da ist dieser Kerl doch tatsächlich in einen Stripclub für Schwule reingekommen, ohne zu wissen, dass es einer war. Na da würde er ja eine böse Überraschung erleben, vor allem dann, wenn er auch noch ein Hetero war. Das durfte Madara sich nicht entgehen lassen. „Ach, weißt du, lass dich da mal überraschen. Soll ich dir nachschenken?“, fragte er grinsend und deutete mit seinem Blick auf das bereits leere Glas. Wenn der Typ so weitertrank, würde er in einer halben Stunde betrunken auf dem Tresen liegen. Dieser nickte nur und schob Madara das leere Glas zu, welches dieser wieder auffüllte. „Trink langsamer, sonst bist du schneller betrunken, als dir lieb ist.“ Damit nahm er ein großes leeres Tablett in die Hand und machte sich auf, in dem Saal die leeren Gläser aufzusammeln. Als er wenige Minuten später wieder hinter den Tresen trat, war einer seiner Kollegen schon da und band sich die schwarze Schürze um, die sie alle tragen mussten. „Hallo, Sasori. Wo hast du denn Hidan gelassen, hat der nicht auch Schicht?“, fragte Madara ruhig. „Ja, der sollte gleich kommen, er steht im Stau. Hat mich gerade angerufen. Sind unsere Service-Feen schon da?“ So nannten sie die Jungs, die leicht bekleidet während der Show Getränke servierten und die Tische abräumten. „Weiß ich nicht, ich war nicht hinten, aber sie sollten da sein, es sind nur noch fünf Minuten. Wenn sich einer von ihnen wieder verspätet, wird der Chef sauer, und das wollen sie sicher nicht.“ „Willst du mir nicht langsam erzählen, von was für einer Show ihr da redet?“, kam es von der anderen Seite der Theke. Madara drehte sich um und ging wieder zu dem Mann. „Wie ich schon sagte: Lass dich überraschen“, sagte er in einem spöttischen Unterton. „Ich habe inzwischen bemerkt, dass ich in einer Schwulenbar bin. Wenn also das die Überraschung sein sollte, ist sie dir nicht geglückt.“ Nun hob Madara überrascht die Augenbraue. „Du hast also bemerkt, was das für eine Bar ist, und bist dennoch geblieben. Liege ich daher recht in der Annahme, dass du selbst auf Männer stehst? Sonst hättest du nämlich schon längst das Weite gesucht.“ Etwas beschämt sah der Langhaarige auf seine Hände und nickte nur. „Dann wird dir die Show sicherlich gefallen. Möchtest du noch etwas trinken?“ „Cola bitte. Aber ohne Alkohol.“ Da hat wohl jemand bemerkt, dass der Alkohol nicht so langsam wirkt, wie viele glauben. Madara holte ein neues Glas unter dem Tresen hervor und schenkte ihm das gewünschte Getränk ein. Da wurde es auf einmal dunkel und die Musik ertönte noch lauter als zuvor aus der teuren Anlage. Die Scheinwerfer wurden auf die Bühne gerichtet, auf der sich eine lange Metallstange befand, während die guten Service-Feen ausschwirrten, um die Wünsche der zahlenden Kundschaft zu erfüllen. Madara beugte sich zu dem jungen Mann herunter und sah ihn grinsend an. „Sieh hin, gleich kommt die schöne Überraschung.“ „Ich ahne jetzt schon, was kommen wird“, erwiderte der Mann wahrscheinlich missgestimmt, doch durch das gedämmte Licht und dadurch, dass er schreien musste, damit Madara überhaupt ein Wort verstand, ging der Effekt unter. „Keine Angst, die Stripper beißen nicht.“ „Wie lange geht die Show?“, fragte sein Gegenüber. „Bis zwölf, dann kommen die privaten Tänze in den Hinterzimmern.“ Ein junger Mann mit langen blonden Haaren stolzierte auf die Bühne und fing an, sich lasziv an der Stange zu bewegen. Seine Kleidung hatte er noch komplett an, doch Madara wusste, dass es bei ihm nicht besonders lange dauerte, bis er sie komplett ausgezogen hat. Er blickte auf den Kunden, der das Schauspiel mit einer gewissen Faszination verfolgte, und beugte sich erneut zu ihm rüber. „Er ist hübsch, nicht wahr? Sein Name ist Deidara. Wenn du ihn nach der Show ansprichst wird er dich gegen Zahlung auf ein Hotel begleiten. Wobei ich glaube, dass er es bei dir auch umsonst machen würde.“ Der Angesprochene drehte seinen Kopf ruckartig zu ihm und Madara wünschte, dass es ein wenig heller wäre, damit er jede einzelne Regung in dem Gesicht des Anderen erkennen konnte. Ob er jetzt wohl rot wurde? Noch bevor irgendjemand etwas sagen konnte, erklang hinter Madara eine laute und verärgerte Stimme: „Hey, Uchiha! Flirten kannst du später, jetzt wird gearbeitet! Wir brauchen dich hier!“ Hidan ist angekommen. Welch Freude. Er mochte diesen lauten und unverschämten Mann überhaupt nicht, doch er war der feste Freund des Inhabers, daher musste er sich wohl oder übel mit ihm gutstellen. Wobei er auch zugeben musste, dass ihm mehr als oft der Kragen platzte und er nicht anders konnte, als ihm die Meinung zu sagen. Was nicht selten in einer kleinen Schlägerei zwischen ihnen ausartete, weil Hidan keine weiteren Argumente fand und sich nicht anders zu verteidigen wusste, als mit seinen Fäusten. Glücklicherweise hatte Kakuzu, ihr Chef, vollstes Verständnis für Madara und drückte häufig ein Auge zu, aber auch aus dem Grund, dass viele Kunden Madara attraktiv fanden. Kakuzu hatte oft versucht ihn dazu zu überreden, wenigsten als Service-Fee zu arbeiten, wenn er schon nicht tanzen wollte, doch Madara hatte stets abgelehnt. So knapp bei Kasse war er nun auch wieder nicht. „Die Arbeit ruft, ich muss dann los“, sagte er dem Gast, bevor er sich umdrehte und sich daran machte, die Bestellungen der Service-Feen zu bearbeiten. In den nächsten Stunden lief es ab wie am Fließband: anhören, was gewollt ist, einschenken, leere Gläser vom Tablett nehmen, gefüllte Gläser daraufstellen, Tablett der Servicekraft geben, schmutzige Gläser spülen und wieder von vorne anfangen. Madara war ganz und gar mit seiner Arbeit beschäftigt, sodass er alles Weitere ausblendete. Früher, bevor er hier angefangen hatte, dachte er, es wäre der perfekte Job: viel Alkohol und hübsche Männer, denen er beim Tanzen zuschauen konnte. Die Ernüchterung kam schnell, denn die Kunden tranken ziemlich gerne, wenn sie geil waren. Als die Show vorbei war, legte sich der Strom an Bestellungen. Das lag vor allem daran, dass sich einige Kunden auf die Zimmer zurückgezogen haben, welche jeweils eine eigene Minibar hatten. Die Getränke waren in der Pauschale für einen privaten Tanz mit inbegriffen. Es waren insgesamt sieben Zimmer, welche für eine halbe Stunde zur Verfügung standen, immerhin sollten mehrere Gäste an einem Abend in den Genuss ihres Lieblings kommen. Wer länger machen wollte, musste zwei Tänze oder mehr bezahlen. Wenn ein Kunde ging, hatte der Tänzer zehn Minuten Zeit, um sich auszuruhen. In dieser Zeit wurde der Raum gereinigt. Das musste ziemlich anstrengend sein, immerhin mussten sie das bis drei Uhr morgens machen, aber sie bekamen auch gutes Geld dafür, und noch besseres, wenn sie mehr als nur tanzten. Madara bemerkte, wie Hidan seine Schürze wieder auszog. „Willst du schon gehen?“, fragte Madara ihn mit hochgezogener Augenbraue. „Ja, ich bin ja nur bis zwölf eingesprungen. Dein Cousin hatte eigentlich Schicht, aber der hat ja ein Date. Der müsste gleich hier sein.“ Damit verschwand Hidan in dem Gemeinschaftsraum. Madara hatte sich schon gewundert, warum er in dem Schichtplan stand, wo er freitags nie arbeitete. Seit wann ist er so nett, und springt ausgerechnet für Itachi ein, fragte sich Madara. Itachi und dessen jüngerer Bruder Sasuke waren die einzigen aus seiner Familie, mit denen er noch Kontakt hatte, daher war er gewissermaßen froh darüber, dass Itachi mit ihm zusammen arbeitete, so konnte er trotz Uni etwas Zeit mit ihm verbringen. Als er hier angefangen hatte, hatte Itachi schon hier gearbeitet. Das war ein Schock für ihn, denn Itachi war einer der Tänzer, die nackt auf der Bühne tanzten und sich in Partnertänzen von den Kollegen abknutschen ließen. Er hätte es seinem Cousin niemals zugetraut, schließlich war er ein noch größerer Spießer als Madara, und das sollte schon etwas heißen. Mit den Tänzen hatte es schnell ein Ende genommen, denn es war Itachi peinlich, dass Madara ihn nackt sehen konnte, und so wurde auch er zu einem Barkeeper. Er hatte es zwar auch als Service-Fee versucht, doch viele Kunden konnten ihre Finger nicht bei sich behalten, wenn sie Itachi sahen, daher kam es vor, dass die eine oder andere Hand auf seinem Hintern landete, was ihm natürlich nicht gefiel. Madara seufzte bei dem Gedanken, dass sein lieber Cousin es faustdick hinter den Ohren hatte. Das Licht wurde wieder heller und die Musik leiser. Madara machte sich daran, den Tresen zu wischen, als er bemerkte, dass er angestarrt wurde. Der Gast von vorhin war noch immer da und musterte ihn mit einem undefinierbaren Blick. Anscheinend hatte er von seinen Kollegen den einen oder anderen Drink bekommen, denn er sah nicht mehr so frisch aus, wie noch vor drei Stunden, wenn auch nicht komplett betrunken. „Du bist ja immer noch da. Hat dir die Show gefallen?“, fragte er mit einem Grinsen auf den Lippen, während er die Theke weiter wischte. „Um ehrlich zu sein, gab es jemanden, von dem ich meine Augen nicht abwenden konnte, daher habe ich kaum etwas mitbekommen.“ Er verzog keine Miene, während er sprach, und nippte an seinem Getränk. Madara lächelte ihn freundlich an. „Schön, dass du jemanden gefunden hast. Sprich ihn mal an, vielleicht ergibt sich ja etwas.“ Der Fremde winkte jedoch nur ab und widmete sich wieder seinem Getränk. „Ich bin heute nicht auf Sex aus. Generell sind One-Night-Stands nicht wirklich mein Ding. Er war einfach nur schön anzuschauen.“ Überrascht zog Madara seine Augenbrauen hoch. „So etwas erlebe ich auch nicht oft. Aber ich finde es schön, dass du deine Prinzipien hast.“ Es entstand eine längere Pause, in der Madara das restliche Geschirr spülte und ein paar leere Flaschen durch volle ersetzte. Sasori bediente währenddessen die Kunden, die etwas bestellten. „Madara? So heißt du doch, oder? Wie lange musst du heute arbeiten?“, kam es von dem Kunden. Überrascht drehte Madara sich um. „Woher weißt du meinen Namen, wir haben uns doch einander gar nicht vorgestellt, oder?“ „Ich habe gehört, wie deine Kollegen ihn gesagt haben.“ „Ach so, na dann ist ja gut. Ich hatte schon Angst, dass ich unsere Vorstellung vergessen hatte. Ich muss bis drei Uhr arbeiten, aber vielleicht mache ich noch Überstunden, kommt darauf an, wie voll es hier sein wird. Aber ich finde das ein wenig unfair. Du kennst meinen Namen, aber ich deinen nicht. Willst du ihn mir nicht verraten?“ Der Mann lächelte ihn an, und Madara musste zugeben, dass er ein sehr schönes Lächeln hatte. „Ich heiße Hashirama“, erwiderte der Mann lächelnd. „Du scheinst deinen Job nicht sehr gerne zu machen.“ Verwirrt drehte Madara sich zu ihm um. „Wie kommst du denn darauf?“ „Na, du redest die ganze Zeit nur mit mir und bedienst die anderen Gäste eher beiläufig ohne dich wirklich mit ihnen zu unterhalten. Entweder magst du deinen Job nicht besonders und konzentrierst dich auf die nächstbeste Person, die dich ablenkt, oder aber du findest mich interessanter als die andere Kundschaft und widmest mir deswegen deine Zeit, was mir sehr schmeicheln würde.“ Madara sah ihn prüfend an und bemerkte, dass Hashirama leicht lallte. „Du solltest nicht mehr so viel trinken, sonst geht es dir morgen schlecht.“ „Keine Sorge, das hier sollte mein letzer Drink werden. Danach trinke ich nur alkoholfreies, versprochen.“ Madara bediente schnell ein paar Kunden, welche mit ihren Getränken und in stark angetrunkenem Zustand zu ihren Tischen zurücktorkelten. Dann wandte er sich wieder Hashirama zu. „Warum bist du eigentlich hier? Du trinkst nicht gerne, bist aber hergekommen, um dich mehr oder weniger zu betrinken. Und für gewöhnlich schütten mir Menschen immer ihr Herz aus, wenn sie sich die Kante geben wollen.“ „Nun, eigentlich erzähle ich fremden Menschen nicht gerne von meinen Problemen...“, erwiderte Hashirama unsicher. „Ich habe mich heute mit meiner Frau zum Essen verabredet. Wir haben die Scheidungspapiere unterschrieben.“ Das überraschte Madara tatsächlich, denn damit, dass dieser Mann verheiratet war, hatte er nicht gerechnet. Und auch nicht damit, dass er bisexuell war. Aber was sollst, jedem das Seine. „Das tut mir aber leid, du musst sehr traurig deswegen sein.“ „Das muss dir nicht leidtun, ich war schließlich derjenige, der die Scheidung eingereicht hat. Ich konnte einfach nicht mehr so tun, als wäre ich mit einer Frau an meiner Seite glücklich. Ich stehe nun mal auf Männer, daran kann ich nichts ändern, auch wenn ich es versucht habe. Aber ich mag sie als Menschen und habe sie mit meinem Outing sehr verletzt, das ist es, was mir so zusetzt. Aber genug davon. Gib mir mal eine Fanta und erzähl mal, warum du hier eigentlich arbeitest?“ Madara gab ihm das gewünschte Getränk und wischte das benutzte Glas ab. Hashirama schien ein sehr netter und mitfühlender Mensch zu sein, wenn es ihm so stark zusetzte, dass er seine Frau verletzt hat, jedoch schien er nicht besonders glücklich damit zu sein, zu seiner Sexualität stehen zu ‚müssen‘, und Madara fragte sich, warum. Ob Hashiramas Familie ihn deswegen verstoßen würde, so wie seine eigene es getan hatte? „Ich finanziere mein Studium mit diesem Job.“ „Oh, was studierst du denn? Und warum musst du das überhaupt selbst finanzieren, können deine Eltern das nicht machen?“ „Ich studiere Jura und nein, meine Eltern zahlen keinen Cent“, sagte Madara, während er das Glas wieder einsortierte, und hoffte, dass Hashirama verstehen würde, dass er nicht darüber reden wollte. „Ich verstehe. Aber mal was anderes: Wann kann man dich auf der Bühne sehen?“ Hashirama lehnte sich weiter vor und sah Madara grinsend an. Dieser erwiderte das Grinsen leicht. „Gar nicht, mein Lieber, ich bin ausschließlich für die Bar verantwortlich.“ Hashirama war nicht der erste, der ihn das fragte, daher war er schon geübt darin zu antworten, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, auch wenn es ihn früher leicht verunsichert und abgestoßen hat. Hashiramas Miene zeigte kurz seine Enttäuschung bevor er ihn wieder anlächelte. „Ich verstehe“, sagte er erneut. „Du kannst dir aber bei den anderen Tänzern einen Privattanz buchen, wenn du früh genug anrufst. Sollte dir also einer von ihnen gefallen, kannst du das ja ausprobieren, musst nur beim Chef anrufen und fragen. Sex ist aber nicht inbegriffen und innerhalb dieser Wände auch nicht erwünscht, das musst du persönlich mit den Tänzern ausmachen. Am besten so, dass der Chef davon nichts mitbekommt.“ „Was flüsterst du denn schon wieder herum, Madara?“, hörte er eine ihm bekannte Stimme hinter ihm sagen. Er drehte sich um und blickte in Itachis lächelndes Gesicht. „Wenn du den Inhalt unserer Unterhaltung hättest mitbekommen sollen, hätte ich nicht geflüstert“, erwiderte Madara leicht lächelnd. Er mochte es, Itachi in seiner Nähe zu haben, und wusste, dass es diesem genauso ging. Sie haben beide ihre Eltern verloren, wenn auch aus verschiedenen Gründen, und sind vor dem Rest der Familie geflohen, was sie sehr zusammengeschweißt hatte. Sie umarmten sich selten, nur wenn der jeweils Andere Geburtstag hatte, zu besonderen Anlässen oder wenn jemand getröstet werden musste. Sie beide fühlten sich von viel Körperkontakt überfordert und mieden ihn, so gut es ging. Madara wusste, dass Itachi der einzige war, der immer für ihn da sein würde, egal was geschehen sollte, und Madara würde für ihn da sein. Als Sasuke vor drei Jahren an einer Universität in Fukuoka angenommen wurde, und er wieder mit seinem älteren Bruder zusammen sein wollte, hatte Madara ohne zu Zögern ihre WG verlassen und ist in eine kleinere Wohnung gezogen, damit die beiden Brüder die größere für sich behalten konnten, auch wenn er traurig darüber war, dass er Itachi nicht mehr so oft sehen würde. Aber er wusste auch, wie viel ihm Sasuke bedeutete. „Ist das ein Bekannter von dir?“, fragte Itachi leise, als Madara zu ihm gekommen ist. „Nein, einer der Kunden. Er ist neu hier, ich habe ihn auch heute erst kennen gelernt.“ Madara zog den vollen Müllbeutel aus dem Eimer unter der Theke und ersetzte ihn durch einen neuen. „Hast du nicht gesehen, dass der Müll voll ist? Du hättest nicht darauf warten brauchen, dass ich ihn wegbringe“, sagte er leise zu Sasori, welcher an dem Tresen lehnte. Zur Zeit waren alle Kunden an den Tischen und sie hatten eine kleine Verschnaufpause. „Entschuldige bitte, aber während du dich mit dem Herrn dort unterhalten hast, habe ich fast allein die Kunden bedient, da wollte ich mir ein wenig Ruhe gönnen“, kam es ebenso leise von Sasori zurück. Madara gab lediglich ein verstimmtes Murren von sich und ging in den Gemeinschaftsraum, um den Müll von dort aus nach draußen zu bringen. Als er wieder drinnen war, war Hashirama zu seiner Überraschung noch immer da. Er saß auf dem selben Platz, auf dem er den ganzen Abend über gesessen hatte, und Madara wunderte sich, ob er nicht langsam mal auf Toilette gehen müsste, immerhin hatte er so viele Getränke in sich hineingeschüttet, dass sie doch langsam echt drücken mussten. Und warum machte er sich überhaupt Gedanken über die Toilettengänge seiner Kunden? Heute war wirklich nicht sein Tag. Er ging zu dem Mann hin, welcher anfing zu lächeln, als er ihn sah. „Na, fertig mit Müll wegbringen?“, wurde er scherzhaft gefragt. „Immer doch“, erwiderte er lächelnd. In den folgenden Stunden gab sich Madara Mühe, möglichst viele Kunden zu bedienen - immerhin wollte er nicht schon wieder zurechtgewiesen werden -, während er sich mit Hashirama über verschiedene Banalitäten unterhielt. Er war überrascht, wie einfach es ihm fiel, diese Unterhaltung aufrecht zu erhalten, denn er war kein geselliger Mensch. Eher im Gegenteil: Er mochte seine Ruhe und es strengte ihn manchmal an, sich mit den Kunden zu unterhalten und dabei auch noch nett zu sein und nicht sarkastisch zu werden. Aber sich mit Hashirama zu unterhalten war tatsächlich recht angenehm und Madara würde sogar sagen, dass ihm der andere Mann recht sympathisch war, wenn man nur das nahm, was er von ihm in den letzten Stunden gesehen hatte. Aber die meisten Menschen waren nicht so, wie sie auf den ersten Blick schienen. Leider... „Hey, es ist drei, schafft ihr das alleine?“, fragte Madara Sasori leise, woraufhin dieser nickte. „Klar, geh nur, hier ist nicht mehr so viel los.“ Zufrieden wandte sich Madara zu seinem Gast um, welcher sein gefühlt hundertstes Getränk leerte. „Also dann, ich mache jetzt Feierabend. Es war schön, mit dir zu reden“, sagte er standartgemäß, was den anderen allerdings nicht davon nicht davon abbrachte, über beide Ohren zu lächeln. „Schön, mich auch. Ich verschwinde dann auch mal.“ „Ich hoffe, du weißt, dass du besser nicht mit dem Auto fahren solltest, oder?“ „Keine Sorge, ich bin zu Fuß hier. Ich muss noch zum Bahnhof, ich wohne etwas weiter weg von hier.“ Madara löste in der Zwischenzeit die Knoten seiner Schürze, um diese abzulegen. „Schön, gute Fahrt“, murmelte er beiläufig. Er hat die Unterhaltung mit Hashirama zwar genossen, aber jetzt wollte er ihn möglichst schnell loswerden und nach Hause gehen. Er war müde und wollte nur noch schlafen. „An welchen Tagen arbeitest du hier?“ „Jeden Tag, aber nur am Wochenende so lange.“ „Ok, danke. Man sieht sich. Schlaf schön, Madara“, sagte Hashirama, während er aufstand. „Danke, du auch“, erwiderte Madara teilnahmslos. Er war schon in Feierabend-Stimmung und hatte keine große Lust mehr, sich zu unterhalten. Der andere verstand das glücklicherweise und wandte sich lächelnd ab, um durch die Eingangstür zu verschwinden. Madara ging in den Aufenthaltsraum und legte seine Schürze sorgsam zusammengefaltet in das kleine Schließfach. Anschließend verließ er das Gebäude durch den Hintereingang und trat den Heimweg an. Dass die heutige Begegnung mehr mit sich brachte, als ein nettes Gespräch, hatte er zu dem Zeitpunkt nicht kommen sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)