Zerstört vom fallenden Regen von AliceNoWonder ================================================================================ Kapitel 1: One Shot ------------------- Für den heutigen Tag hat sie sich besonders frisch gemacht. Sie stand Stunden vor dem Spiegel, nur um das perfekte Outfit rauszusuchen, für einen – hoffentlich – perfekten Tag. Ein warmer Sommerwind weht ihr um die nackten Beine. Nervös zupft sie an dem Saum ihres Rocks und probiert diesen noch etwas nach unten zu ziehen. Sie ist es nicht gewöhnt so kurze Kleidung zu tragen und erst Recht keinen Rock, doch für den besonderen Tag wollte sie sich besonders anziehen. Ungeduldig und mit zittrigen Fingern holt sie ihr Handy aus der Tasche und schaut auf die Uhr: 13:57 Uhr. Noch drei Minuten und ihre Verabredung soll bei ihr sein, sofern sie pünktlich ist. Gleichzeitig überprüft sie, ob Lea ihr eine Nachricht geschickt hat. Lea … Wenn Michelle nur an ihren Namen denkt wird ihr ganz warm ums Herz. Sie hat ihre Verabredung auf einer Dating Seite kennengelernt. Stunden lang, Tage lang haben beide miteinander geschrieben, haben sich ihre Interessen und Meinungen erzählt. Mit jedem Tag, der verging sind Michelles Gefühl gegenüber Lea stärker geworden. Irgendwann haben beide beschlossen, dass sie sich kennenlernen wollen, treffen in der Realität. Und genau dieses Treffen löst in Michelle ein riesen große Nervosität aus. Wie wird Lea wohl reagieren, wenn sie Michelle in Wirklichkeit trifft? Vor allem, wie wird Lea reagieren, wenn sie ihr Geschlecht rausfindet? Michelle ist sich nicht sicher, ob ihre Verabredung weiß, dass sie ein Mädchen ist. Auf ihrem Profilbild hat sie ihre braunen kurzen Haare unter einer Capy versteckt und trägt weite Kleidung. Ihr Oberteil versteckt ihre, sowieso schon relativ, kleinen Brüste und die Hose wird mit einem Gürtel enger geschnallt. Dass sie sich auf der Seite als „Michi“ ausgibt, macht die ganze Sache nicht besser. Aber Lea hat niemals nachgefragt und so hat Michelle es dabei belassen mehr über das Mädchen rauszufinden. Sie hat mit ihrer Verabredung abgesprochen, dass sie sich am Fuße der Pferdestatur treffen und dass Michelle eine kleine „Überraschung“ für sie hat. Sie hatte Lea vorgewarnt, dass diese sie nicht wieder erkennen wird und dass Michelle auf sie zukommen wird. Ob Lea wohl damit rechnet eine junge Frau in weiblicher enger Kleidung vor sich zu sehen? Tatsächlich möchte Michelle diesen Tag zu etwas unvergesslichem machen, weshalb sie sich für einen karierten Rock entschieden hat und eine weiße schlichte Bluse, die ihre Brüste zur Geltung bringt, jedenfalls so viel, wie vorhanden ist. Nervös nimmt sie wieder ihr Handy zur Hand und schaut auf die Uhrzeit: 14:01 Uhr. Scheinbar hat sich Lea ein bisschen verspätet. Dies soll Michelle aber nicht davon abhalten zu warten. Immer wieder dreht sie sich zu den Personen um, begutachtet jede Frau genau, in der Hoffnung Lea dort zu sehen. Sie hält ihr Handy mit ihrem Profilbild in der Hand, um es als Hilfestellung zu nehmen. Jedes Mal, wenn sie das Bild sieht, spürt Michelle, wie die Röte in ihrem Gesicht hochkommt. Ihr wird warm ums Herz. Lea hat ein wunderschönes Bild von sich drin. Zwar sieht man dort nur ihr Gesicht, wie dieses die Menschen anlächelt, doch scheint ihr Lächeln immer wieder die Sonne aufsteigen zu bringen. Ihre blonden Haare fallen ihr locker von den Schultern und ihre blauen Augen leuchten wir Sterne. Nachdem Lea ihr erzählt hat, dass sie leichte Sommersprossen hat, sieht sie diese auf jedem ihrer Bilder und findet sie wunderschön. Jedes Mal, wenn Michelle ihr Gesicht sieht, hat sie das Gefühl einen Engel vor sich zu haben. Michelle schaut sich immer weiter um, doch kann sie Lea nicht entdecken. Zwar laufen einige Blondhaarige Frauen in ihrer Nähe von einer Seite zur anderen, doch sieht keine von ihnen so wunderschön aus, wie Lea. Michelle spürt die Enttäuschung in ihr hochkommen, doch … nein, sie darf nicht daran glauben, dass Lea sie versetzt hat. Mittlerweile ist Lea eine viertel Stunde zu spät und Michelle spürt, wie die Besorgnis in ihr hochsteigt. Ist vielleicht etwas auf dem Weg hier hin passiert? Sollte sie Lea anschreiben und fragen, ob alles mit ihr in Ordnung ist? Vielleicht hatte sie einen Unfall. Sie hat ihr geschrieben, dass sie eine halbe Stunde ungefähr mit dem Auto fährt. Da kann alles Mögliche passiert sein, doch gleichzeitig möchte Michelle sich ihr nicht aufdrängen. Sie möchte nicht, dass Lea sie als „lästig“ empfindet, weil sie sich eine Viertelstunde verspätet und gleich nachgefragt wird. Also wartet Michelle weiter, wie ein braves Hündchen auf ihr Frauchen. Immer wieder schaut sie sich alle Frauen in ihrer Umgebung an und schaut auf die Uhrzeit: 14:35 Uhr. Mittlerweile fragt sich Michelle wie lange sie noch warten soll. Vielleicht sollte sie doch nachfragen, ob es Lea gut geht, doch trotzdem hält sie irgendwas davon ab. Der Gedanke, dass Lea sie dann nicht mehr mag, macht sie fertig. Weiterhin still und geduldig wartend lehnt sie sich an die Pferdestatur und beobachtet weiter ihre Umgebung. Die Sonne scheint die ganze Zeit sanft vom Himmel. Es ist ein warmer Tag, jedoch auch nicht zu warm, damit es unangenehm ist. Michelle findet, dass es ein schlimmeres Wetter gibt, als bei diesem zu warten. Es könnte auch Regnen oder eine Hitzewelle umgehen, bei der man nur im Schatten sein möchte. Die Minuten verstreichen weiter, zähflüssig, wie Kaugummi. Mittlerweile ist eine Stunde vergangen und Michelle spürt die Traurigkeit in ihr hochkommen. Sie schaut auf ihr Handy, ob sie eine Nachricht hat, doch Fehlanzeige. Vielleicht sollte sie Lea doch schreiben. Vielleicht hat sie es nur vergessen oder aber … was wenn Lea sie abserviert hat? Der Gedanke daran scheint ihr Herz zu zerreißen. Michelle spürt die Tränen ihren Weg nach oben bahnen. Was wenn Lea sie gar nicht treffen möchte und alles nur ein Spiel war? Oder wenn Lea nicht so wunderschön ist, wie auf dem Profilbild? Was ist, wenn hinter diesem so wunderbaren Profil nur ein 50 jähriger Mann steckt und sie sich verpasst haben. Wenn das der Fall ist soll es ganz gut sein, dass sie sich nicht treffen, aber was ist, wenn Lea wirklich das süße Mädchen auf den Bildern ist? So viele Gedanken kreisen ihr durch den Kopf. So viele Möglichkeiten, die dieses Treffen, als eine schlechte Idee hinterlassen. All ihre negativen Gedanken hinterlassen einen bitteren Beigeschmack und alle Gedanken werden nur von einen einzigen überragen: „Lea hat mich abserviert.“ Darauf folgen Gedanken, wie: „Sie will mich nicht kennenlernen. Sie hat nur mit mir gespielt.“ Und trotz dieser ganzen negativen Gefühle existiert ein witziger Funken Hoffnung in ihrem Inneren, dass Lea doch noch auftauchen wird. Die Sonne zieht weiter und die Stunden vergehen. Mittlerweile hat Michelle sich am Fuße der Statur niedergelassen. Ihr ist es egal, dass der Boden dreckig ist oder dass jemand ihr unter dem Rock gucken könnte, wenn er es will. Sie fühlt sich elendig. Mittlerweile sind drei Stunden vergangen und noch immer hat sie Lea nicht entdeckt. Michelle ist sie sicher, dass ihre Verabredung nichts mehr mit ihr zu tun haben möchte, weshalb sie Lea auch nicht mehr schreiben möchte. Sie hält ihr Handy in der Hand und hat den Kopf auf ihre Knie gelegt. Leise weint sie, probiert dass niemand sie hört. Es fühlt sich an, als würde ihr Herz zerreißen. Michelle hat gedacht, dass sie Lea etwas bedeutet, doch scheinbar hat sie sich darin getäuscht. In diesem Moment wünscht sie sich, dass sie Lea niemals hätte kennengelernt. Der Schmerz, der sie in diesem Moment plagt, ist nicht auszuhalten. Auch wenn die Sonne scheint, spürt sie nichts von ihren warmen Strahlen. In Michelle ist es eiskalt. Die Tränen, welche auf ihrem Körper prasseln fühlen sich, wie Regen an. Sie hat das Gefühl, dass nur über ihr eine riesige schwarze Wolke lauert, welche ihre nassen Tropfen auf sie nieder prasseln lässt. Es fühlt sich so an, als würde der herunterfallende Regen sie zerstören. Ihren Körper in kleine Teile zerschlagen und mit sich ziehen, wie Sand im stürmischen Wasser. Ganz schwach, aus weiter Entfernung hört sie eine sanfte Stimme. Sie ist lieblich, wie der Gesang eines Engels und dieser holt sie aus ihrer dunklen Wolke. Ganz langsam, als wäre Michelle ein Schlafender, der gerade aufwacht, hebt sie ihren Kopf. Sie ist sich wohl bewusst, dass ihre Augen rot unterlaufen sein müssen, doch ist es ihr in diesem Moment egal. Ihr Herz scheint einen Sprung zu machen und Leben scheint wieder in dem Mädchen zu kommen, als sie sieht, wer vor ihr steht. Ihre Augen weiten sich und fassungslos bringt sie nur ein Wort über die Lippen: „Le…a?“ Verwundert legt das angesprochene Mädchen den Kopf schief. „Woher kennst du meinen Namen?“ Doch hält sie Michelle erstmal die Hand hin. „Komm ich helfe dir auf.“ Sie Lächelt. Sofort spürt Michelle die Wärme in ihr hochsteigen und ihre Wangen röten sich. „Das Lächeln eines Engels“, schießt ihr durch den Kopf. Automatisch, als wäre sie eine Maschine, hebt sie ihre Hand und greift nach der von Lea. Ihre Haut ist weich, wie die von einem Baby. Ein wunderschönes Gefühl, das Michelle nie wieder verlieren möchte. „Ich bin es. Michi. Wir waren für heute verabredet!“, ruft sie stürmisch. Doch erst jetzt fällt ihr, dass etwas anders ist. Direkt neben Lea hat sich ein junger Mann gestellt, als wollte er sie beschützen. Bevor Michelle nachfragen kann, wer das ist, hat Lea schon vor Überraschung weit die Augen aufgerissen. „Du bist Michi? Nein! Das kann nicht sein. Das muss ein Scherz sein!“, ruft sie fassungslos. Schnell und mit zittrigen Fingern dreht Michelle ihr Handy in ihrer Hand um und tippt ihr Passwort ein. „Warte, ich zeige es dir.“ Mit ein paar weiteren Tipps und etlichen fehl geöffneten Apps, wegen der Nervosität, hat es Michelle endlich geschafft die Dating App zu öffnen, wo sie sich kennengelernt haben. „Schaue. Das bin ich.“ Sie hält Lea ihr Handy mit dem geöffneten Profil von sich hin. Mit geweiteten Augen nimmt diese das Handy entgegen. Sie ist offensichtlich überfordert, als ihr Blick von Michelle zu ihrem männlichen Begleiter geht. „Aber … du bist ein Mädchen?“ Energisch nickt Michelle. „Ja. Du hast nie nach meinem Geschlecht gefragt.“ „Aber …“, noch immer probiert Lea die jetzige Situation zu verstehen. „Wenn du mir Bilder geschickt hast, sahst du dort immer, wie ein Junge aus.“ Nervös kratzt sich die Braunhaarige an der Wange. „Ja, ich fühle mich in Frauenkleidung nicht besonders wohl, aber für dich wollte ich es Mal probieren.“ Eine Weile starrt Lea Michelle einfach nur ein, bis sie schließlich meinte: „Oooh. Das meinst du also damit, dass ich dich nicht wiedererkennen werde.“ Sie gibt Michelle ihr Handy wieder zurück und meint dann nur mit einen entschuldigen Lächeln: „Tut mir Leid. Aber ich stehe nicht auf Frauen.“ Plötzlich wird alles wieder eiskalt in Michelles Nähe. Ihr Gesicht wird kalk weiß, als sie unglaubwürdig „was?“, sagt. Lea scheint von Michelles Gefühlen nichts zu spüren. Lächelnd hakt sie sich bei ihrer männlichen Begleitung unter. „Tut mir Leid. Während ich gewartet habe, hat Michi mich angesprochen. Ich dachte dass du das wärst, aber da muss ich mich getäuscht haben. Jedenfalls haben wir uns unterhalten und ich habe gemerkt, dass er wirklich ein sehr netter Mann ist. Er ist liebenswürdig und tut alles für mich. Ich konnte doch nicht wissen dass du ein Mädchen bist. Jedenfalls …“ Sie schaut gen den Himmel, als müsste sie kurz überlegen. Dann lächelt sie Michelle freundlich an. Das gleiches Lächeln, welches ihr Herz vorher immer mit Wärme überflutet hat, doch nun bleibt alles kalt. „Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.“ Mit diesen Worten dreht sich Lea mit ihrer männlichen Begleitung um und lässt Michelle mit der Sturmwolke zurück. Wieder fühlt es sich für sie an, als würde der Regen sie zerstören, doch diesen Mal weiß Michelle, das dieses Gefühl nicht aufhören wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)