Yearning Looks von Sazzzandora (SeBaek) ================================================================================ Kapitel 2: Reunion ------------------ Nach der Arbeit sah ich zu, so schnell wie möglich aus dem Lokal herauszukommen. Hier bei meinem Nebenjob brauchte ich nichts außer Portemonnaie, Handy und Schlüsselbund und all das war auf meine Jackentaschen verteilt, weshalb ich diese bloß anziehen musste. Dann verließ ich das Lokal eilig, nachdem ich mich überstürzt von meiner Kollegin verabschiedet hatte. Bis zum Bahnhof war es nicht weit, nur knappe sieben Minuten Fußweg. Er lag ein wenig außerhalb des kleinen Ortes in dem ich hier mit meiner Mom lebte. Man lief durch zwei Querstraßen, dann über einen Feldweg neben der Landstraße, um an den Bahnhof zu kommen. Als ich diesen erreicht hatte, lief ich durch die heruntergekommene, grell beleuchtete Unterführung, hoch auf den Bahnsteig. Es war ziemlich kalt, aber durch die Vorfreute auf Sehun machte mir das nichts aus. Ich wollte ihn unbedingt sehen, egal, wie übel mir die Natur gerade mitspielen wollte. Hier lag auch überall Schnee herum und dass ich durch den Schneematsch auf der Treppe vor dem Bahnsteig fast aufs Maul geflogen wäre, störte mich entsprechend auch nicht. Ich war zwar umgeknickt, aber nichts Schlimmes, ich humpelte nicht einmal länger als zehn Schritte. Oben angekommen war der Zug schon fast eingefahren. Der kam hier alle zwei Stunden und fuhr einmal runter in Richtung Küste und einmal in Richtung Hauptstadt. Um irgendwas anderes zu erreichen musste man entweder häufig umsteigen, mehrere Stunden warten oder direkt mit Bus oder Auto fahren. Es ärgerte mich so sehr, dass meine Eltern unbedingt so weit weg vom Schuss hatten wohnen wollen, sodass sie kurz vor der Scheidung hierher gezogen waren. Aber auch ein Haus in der wohltuenden Natur, also mitten in der Pampa, konnte nicht zwingend Ehen retten, aber das hatte mir keiner glauben wollen. Ob sie es meinem Bruder vielleicht geglaubt hätten? Wobei, der war verheiratet, führte das perfekte Leben irgendwo in Japan auf Okinawa und wieso hätte es dann nicht auch bei unseren Eltern klappen sollen? Ich sammelte etwas Schnee auf, von einer Fläche, die nicht überdacht war. Diesen formte ich zu zwei Schneebällen, lief in Richtung des eingefahrenen Zuges. Ich sah Sehun ziemlich direkt, als er ausstieg. Mir blieb ehrlich gesagt einen Moment die Spucke weg. Dass sein Gesicht noch mehr Form annehmen konnte und sein ganzes optisches Erscheinungsbild noch heißer werden konnte, hätte ja niemand ahnen können. Das grenzte an ein Attentat. Aus der Tasche seines Wintermantels zog er sein Handy, fuhr mit einer Hand elegant durch seine gemachten Haare, was ich nach wie vor bestaunte. Unweigerlich musste ich grinsen, als er auf das Display schaute und zu tippen begann. Das Ding blieb gleich schön in seiner Jackentasche, sonst gäbe es Ärger. Und schon holte ich mit einem der Schneebälle aus und lief schnell auf ihn zu. Noch ehe er sich in meine Richtung drehte, warf ich ihm den kalten Schneeball an die Schläfe. Er zuckte stark zusammen, starrte instant wütend in meine Richtung. Wenn ich Sehunie nicht kennen würde, würde er ziemlich einschüchternd wirken, aber so lieb wie er eigentlich war, war mir das egal. Erstmal unterdrückte ich mein Lachen aber, lief auf ihn zu. Er sah mich nun direkt an, lächelte einmal, sah dann zu Boden und leckte dabei über seine Lippen. Seufzend sah er wieder auf und bekam sofort die zweite Ladung Schnee ins Gesicht. Er atmete nur tief durch, nickte langsam. So, als hätte er jetzt schon die Nase voll von mir. Es war so süß, wenn er versuchte, mich zu ignorieren oder so tat als wäre er genervt von mir, weil ich ganz genau wusste, dass das nicht der Fall war. Ich hatte schon viel Schlimmeres und Nervigeres getan und wir waren immer noch Freunde, also konnte ich das gut einschätzen. "Ich hab dich auch vermisst, Baekhyun", erklärte er nüchtern und wischte über seine Augen, "Das hab ich wohl verdient." Über beide Ohren strahlend sprang ich von einem Fuß auf den anderen. Ich war so glücklich, Hunie wiederzusehen! Meine Stimmbänder machten sich vor lauter Attraktion selbstständig und mir entfloh ein undefinierbares, aufgeregtes Quietschen. Er zog eine Augenbraue hoch, wischte sich den Rest Schnee aus dem Gesicht. Mit offenen Armen warf ich mich gegen ihn, umarmte ihn so fest ich konnte. Einen Moment war der Jüngere etwas perplex, erwiderte die Geste dann aber mit ebenso viel Druck. "Huniiiiieeeeee! Oh mein Gott, ich hab dich so vermisst! Mein Baby! Gott~ lass dich mal ansehen, so lange her! Dass ich das noch erleben darf, bevor ich an Altersschwäche sterbe! Boah du siehst SO GUT aus!" Ich drehte sein Gesicht aufwendig in meinen Händen, tastete seine kantige Kieferpartie ab und kniff ihm zig mal hintereinander in die Wangen. Das quittierte der Schwarzhaarige mit einem Schnalzen der Zunge und versuchte murrend meinen Fingern zu entwischen. Er lachte gequält, machte aber nach wie vor keine Anstalten, mich loszulassen. "Baekhyun, lass das!" "Wow, wow, wow!", machte ich unbeirrt weiter, "So sexy sehen vielbeschäftigte Models aus, ja? Heiß, Baby, wirklich, wäre ich kinky, würde ich dich vermutlich Daddy nennen. Du wirst immer hübscher, wie machst du das mit so wenig Zeit?!" Zugegeben, zum Ende hin war ich etwas zynisch geworden, aber dass er immer hübscher wurde, war alles noch ernst gemeint. "Hyung, bitte~", maulte er. Er fing meine Hände ab, drückte sie zusammen und sah mich mit einem gekonnten Schmollmund an. Auflachend küsste ich seine Wange und ließ ihn daraufhin direkt komplett los. Locker und keineswegs ernst gemeint schlug er nach mir. "Ey", machte er, "Gucken ja, aber nicht anfassen. Das musst du dir erst verdienen." Ich machte große Augen, nickte und verzog belustigt den Mund. Schwungvoll schlug ich ihm meine Hand in den Rücken, schob ihn vor zum Ausgang. Er zischte leise. Nebeneinander liefen wir zum Ausgang runter. Dabei hielt ich mich zwischendurch an seiner Schulter fest, um nicht hinzufallen. Er bot mir seinen Arm an und ich hakte mich unter. "Du solltest es dir erstmal verdienen, überhaupt noch mit mir reden zu dürfen! Dass du überhaupt noch Koreanisch kannst! Oder sprichst du die ganze Zeit Chinesisch und es ist mir nicht aufgefallen, weil meins besser geworden ist, auch ohne dich?" "Baekhyun, ich bin doch jetzt da, was willst du noch?!" Theatralisch seufzte ich und winkte ab. "Sorry, entspann dich bitte wieder. Wie lang bleibst du?", fragte ich dann. Er wich meinem Blick aus, als ich ihn neugierig von der Seite musterte. Mein schmales Lächeln erstarb vollkommen, als er mir nicht antwortete. Ich stieß ihm den Ellenbogen in die Taille, weshalb er überrascht keuchte und wie auf Kommando stehen blieb. Prompt ließ ich ihn los und stellte mich ihm in den Weg, sah ihn eindringlich an. "Sehun, ich hab dich was gefragt." Er sah einmal zu Boden, nickte und sah an die Decke. Jetzt war ich gespannt. "Ja, ich weiß... Damit ich pünktlich zurück bin, muss ich den Zug in knapp zwei Stunden nehmen." Ich stieß ihm mit den flachen Händen vor die Brust. Zugegebenermaßen wütend sah ich ihm in die Augen. Das war doch nicht sein Ernst, er konnte nur zwei Stunden bleiben und das sagte er mir erst jetzt?! Zwei Stunden waren nichts! "Zwei Stunden? Wir sehen uns zwei Jahre nicht! Du bist mein bester Freund und wo du dir doch immer noch so viel Zeit nimmst und ich dir so wichtig bin, gibst du mir nur ZWEI STUNDEN?! Seit wann bist du so?!" Als meine Stimme durch die ganze Unterführung schallte, erschrak ich selbst ein wenig. Sehun blieb allerdings ruhig, sah mich entschuldigend an. "Ich wollte es dir am Telefon schon sagen und ich weiß wirklich, dass du sauer bist, aber das ist kein Grund, so auszurasten, hörst du? Du hättest mich ruhig ausreden lassen können. Und weil... weil du dich so gefreut hast und ich mich auch, hab ich mich nicht mehr drauf konzentriert, dass es einfach wirklich nur zwei Stunden sind... Wenn ich von vornherein gesagt hätte, ich hätte den ganzen Tag Zeit, würde ich mich doch dran halten, aber ich sagte, dass ich leider nicht viel Zeit hab, weil dieses Wochenende halt einfach scheiße verplant ist. Ich mach das nicht absichtlich, es tut mir doch auch leid, wie oft noch?" "Hast recht", ich schnaubte und trat einen Schritt zurück, "Ich kann froh sein, dich überhaupt zu sehen." Unbeholfen wehrte ich mich, als er mich plötzlich in seine Arme zog. Er presste mich einfach an sich, wobei seine Arme so auf meinen lagen, dass ich meine nicht bewegen konnte. Ein Seufzen verließ die Kehle des Größeren. "Können wir bitte einfach irgendwo Kaffee trinken gehen? Ich bitte dich, hyung. Ich lad dich ein, ich bezahl den ganzen Abend und ein Taxi für dich heim, damit dich mir niemand klaut, ja?" Erst als ich nickte, ließ er mich los. Ich murmelte eine leise Entschuldigung, die er mit einer lockeren Handbewegung abwinkte. Dann gingen wir weiter, aus der Unterführung zum Bahnhof raus und über die inzwischen nur noch von wenigen Straßenlaternen spärlich erleuchteten Wege. Durch die Kälte lief ich fast automatisch näher neben ihm, als nötig, hakte mich im Endeffekt einfach wieder unter. "Ich geh später zu Fuß, aber danke... In welches Café willst du?", fragte ich ihn. Er hob die Schultern. In dem Mantel sahen sie noch breiter aus, als sie waren. Ich musterte sein Seitenprofil. Sein Gesicht und seine Wangen hatten über die Zeit nochmal etwas härtere Züge angenommen. Vielleicht lag es auch einfach an meiner gestörten Wahrnehmung, aber sein Kiefer wirkte breiter, als vorher. Wenn er normal, also so ernst wie immer schaute, wirkte er so männlich und sexy mit diesem üblichen Hauch von Arroganz, dass ich mich regelrecht angegriffen fühlte. Atemberaubend. Da wurde einem doch der ganze Schritt feucht, wenn man es mal genauer ausdrücken wollte. "Ich kenn mich hier null aus, hyung. Schlag was vor, du wohnst doch hier." "Dann da vorne, siehst du das?" "Euer Kuhdorf hat ein Starbucks?" "Ja." "Und seit wann magst du Starbucks? Du betonst jedes Mal, wie scheiße der Laden ist und die sind dir doch auch sonst viel zu teuer." "Ja." "Okay warte, ich hab's verstanden." "Kluger Junge. Ach Monsieur, sie haben doch so~ viel Geld", raunte ich, "zumal sie mir alles zahlen wollten!" Sehun schnaubte, nickte aber. "Ja~ ich weiß, damit hab ich doch auch kein Problem, mir ist Geld nicht wichtig. Ich hab eher ein Problem damit, dass du so sauer bist und mich lieber für etwas zahlen lässt, das du gar nicht magst, statt dir einen schönen Abend bereiten zu lassen, mit Kaffee, den du gut findest." "Und Gesellschaft, die mich mag." "Oh mein Gott, hyung, übertreib es nicht!" Nun hakte ich mich laut lachend bei ihm unter. Überschwänglich schmiegte ich meinen Kopf gegen seine Schulter und biss ihn. Er beschwerte sich augenblicklich, was ich mit einem Kichern quittierte. Wir gingen noch ein Stück, bogen nicht zu Starbucks ab, sondern ein Stück weiter in ein anderes, gemütliches und recht kleines Café. Der Kaffee hier war der beliebteste in der Stadt und naja- "Baekhyunie, schon wieder da? Kriegst du nicht genug von uns?!" Hier arbeitete ich nebenher. Sehun sah mich fragend an, hob eine Augenbraue. Ich grinste ihn an, zeigte auf einen freien Tisch weit abseits von der Theke, hinter einem Raumteiler, der aus schmalen Holzlamellen bestand. Er nickte knapp, grüßte meine Kollegin hinter der Theke. "Hey! Nee, nicht wirklich. Ich muss Sehunie doch meine liebste Kollegin vorstellen!", ich sah Sehun an, "Ich arbeite hier und die Kleine ist achtzehn und von der coolen Sorte. Komm." Am Handgelenk zog ich ihn mit zum Tisch, den ich ausgesucht hatte. Auf einen der freien Stühle hängten wir unsere Jacken. Unter dem langen schwarzen Mantel trug Sehun einen beigen Pullover mit schwarzen Einsätzen an den Armen und hohem, aber recht lockeren Kragen. Sah gut aus und irgendwas sagte mir, dass das Ding nicht billig war. Hier drin war es stark beheizt und ebenso wie Sehun es tat, krempelte auch ich erst einmal die Ärmel meines Hoodies hoch. Dann folgte der Jüngere mir zurück an die Theke. Sie war direkt, wenn man das Café betrat, rechts, die ganze Wand entlang, wobei ein Drittel der Zeile die Bar ausmachte, die ab neunzehn Uhr geöffnet wurde und um die ich mich am häufigsten kümmerte. Wir gingen aber erstmal an die normale Theke, um Kaffee zu bestellen. Übertrieben asozial knallte ich die Hände auf den Tresen und starrte meine Kollegin an, die daraufhin nur grinste. "Pöbel mich an und JaeJae knallt dir eine, wenn er mich nachher abholt." "Pf. Jae ist viel kleiner als ich." "Ist er gar nicht!", maulte sie. "Geht das überhaupt, Baekhyunie?", fragte Sehun. "Ey, jetzt fall du mir noch in den Rücken!" Er zwickte in meine Wange, lächelte unschuldig, während meine Kollegin lachte. "Ah... So~ Baekhyunie, das ist also dein Sehun? Du hast ja nicht gerade übertrieben. Ich meine ihn letztens sogar mal auf einem Cover gesehen zu haben." "Ja, hübsch, oder?", ich pitschte nun in Sehuns Wange, der den Kopf zur Seite zog, "Die Modeindustrie fährt voll auf ihn ab. Ich versteh das, er ist einfach begehrenswert, meinst du nicht?" "Dein Sehun, ja?", hakte angesprochener nach. Ich lachte auf und nickte enthusiastisch. Spielerisch legte ich meinen Kopf auf seine Schulter. "Hah, natürlich! Ich bitte dich, wessen Hunie sonst? Du warst schon immer mein Liebling. Ich hab dich zuerst auf dem Schulhof gesehen, also gehörst du mir." So ungefähr war es tatsächlich gelaufen. Ich hatte mit Chanyeol gescherzt, einen der neuen Schüler zu "adoptieren". Er meinte ich würde mich nicht trauen, doch dann kam Sehun an uns vorbei, zu spät zum ersten Unterricht, dadurch völlig ängstlich und verloren, zusätzlich noch kleiner als ich, dünn und so zuckersüß, wie ein Tierbaby. Noch vor Chanyeol hatte ich ihn gesehen, war förmlich auf ihn zugerannt und hatte den Arm um ihn geworfen. Direkt hatte ich ihn zu Chanyeol gezogen und Sehun gleichzeitig nach einer kurzen Vorstellung meinerseits verkündet, dass er jetzt mein persönlicher neuer Liebling sei, mein neuer bester Freund und ganz offiziell mein Schützling für die gesamte Schulzeit und darüber hinaus. Weil Chanyeol wusste, dass ich (eigentlich und meistens Fremden gegenüber) relativ schüchtern war, hatte er nicht schlecht gestaunt, als ich das tatsächlich durchgezogen hatte und Sehun aus mir bis heute unerklärlichen Gründen sofort zugestimmt hatte. Und dann hatten wir ihn zum Klassenraum gebracht, ich hatte mich bei seinem Lehrer für seine Verspätung entschuldigt, die Schuld auf mich genommen und dann direkt einen zweiten Anschiss gekriegt, dass ich selbst zu spät dran war. Sehun hatten wir dann in der Pause wiedergesehen und seitdem hatte ich echt einen Narren an ihm gefressen. "Er redet nur in den besten Tönen von dir. Wirklich, so viel Gutes über jemanden hab ich noch nie aus Baekhyuns großer Klappe gehört", lachte meine Kollegin, "Also, was darf 's sein?" Ich sah mir die Kuchenauswahl an, das was noch übrig war zumindest. Der Jüngere bestellte inzwischen seinen Kaffee. Beinahe total vom Kuchen abgelenkt, schnappte ich auf, wie er für mich Kakao mitbestellte. "Habt ihr noch Sahne und Vanillezucker oder -aroma? Und - ich weiß, das schreit nach Starbucks - aber haben sie auch Karamell? Oder Schokolade mit Karamell drin? Irgendwie sowas. Und einen Strohhalm." Mit offenstehendem Mund sah ich Sehun von der Seite an. Er sah fragend zurück. "Hm? Trinkst du deinen Kakao nicht mehr so?" "D-doch... Doch, es ist nur krass, dass du dir so 'nen Bullshit merkst." Er schüttelte schnell den Kopf. "Das ist doch kein Bullshit. Willst du noch Kuchen?" "Ja, Schokosahne. Du auch ein Stück?" Sehun biss auf seine Unterlippe, saugte an ihr. Ich beobachtete fast schon zu genau wie sie feucht und gerötet wieder an ihren Platz rutschte, als er aufhörte drauf zu beißen. "Diät", maulte er, "Bin laut Manager zu fett für die nächsten Aufträge." "Oh~ nein Sehunie, das ist Schwachsinn, deine Form ist beneidenswert. Lass dir doch nicht so eine Scheiße einreden." Ich klopfte locker auf seinen Rücken. Er hob die Schultern. Sehun war alles andere als zu fett, das ging ja mal gar nicht, ihm sowas einzureden. Das hatte ich schon immer an der Branche gehasst. "Dann... ist heute Cheatday! Wir teilen wenigstens." Einen Moment trommelte er mit den Fingern auf der Theke herum. Mit großen Augen sah ich ihn an. "Okay, ein Stück davon. Und bitte noch ein Glas Wasser und ein Glas Cola. Cola?" "Ja, Cola." "Cola. Danke." Ich ging zu unserem Platz zurück, nachdem der Jüngere mich noch einmal drauf hingewiesen hatte, dass er ja zahlen wollte. Mich plagte indes ein kleines schlechtes Gewissen, dass ich ihn so genötigt hatte, überhaupt herzukommen, und dann so angeschissen hatte, dass er nicht lang bleiben konnte. Und das, obwohl ich ja wirklich wusste, dass er viel zu tun hatte. Ich wartete noch einen Moment, bis er zurückkam. Er stellte das Tablett vor mir ab, nahm die Getränke und den Kuchen runter. Ich schob alles zur Seite. Verdutzt sah er mir zu und setzte sich. Ich atmete tief durch, lächelte ihn an und nahm seine Hände in meine. Er zog eine Augenbraue hoch und legte den Kopf schief, sagte aber nichts weiter. "Hunie, sorry, dass ich eben so ausgerastet bin, das war wirklich unfair und ich bin einfach nur sauer, weil ich dich vermisst hab... Ich weiß, ich hab auch nicht immer Zeit gehabt, wenn du-" "Schon okay, ehrlich", fiel er mir ins Wort, "Ich bin dir nicht böse, ich weiß, dass es deutlich häufiger an mir gelegen hat. Du kommst hier kaum weg, das ist okay. Mein Verhalten tut mir wirklich leid und ich wünschte auch, dass es anders gelaufen wäre..." "Ich bin dir nicht wirklich böse, ich hoffe, das weißt du..." "Du konntest mir noch nie wirklich böse sein, hyung", er lächelte, als ich ertappt grinste, "Und jetzt hier, trink." Nachdem er meine Hände einmal gedrückt hatte, ließ er sie los und zog unsere Tassen zurück zu uns. Er trank aber noch vor mir einen Schluck von meinem Kakao und verzog augenblicklich das Gesicht und schüttelte sich. Empört sah ich ihn an. "Ey!" "Bah, wie kannst du das trinken? Das ist viel zu süß!" "Das schmeckt total gut, lass meinen Kakao in Ruhe! Der ist so süß wie ich und bei mir hast du dich auch noch nie beschwert!" Mit Daumen und Zeigefinger kniff er in meine Nase, zog an ihr. Noch bevor ich ihn treffen konnte, zog er die Hand zurück, als ich sie wegschlagen wollte. Abwehrend hob ich die Hände. "Ich mach immer noch Hapkido!" Unbeeindruckt sah Sehun mich an, hatte dabei das Kinn auf eine Hand gestützt und lächelte schief. "Naw~ du bist tatsächlich so süß wie dein Kakao." Breit grinsend sah ich zurück und nickte. Ich lachte auf, als er kaum merklich zwinkerte. Wenn er sowas sagte, könnte ich losheulen und gleichzeitig vor Freude den ganzen Laden zusammenschreien. Und dieses Zwinkern war doch hundertprozentig geübt, so geschmeidig wie das bei ihm aussah. Plötzlich klingelte es einmal. Sehun seufzte bloß, zog sein Handy hervor. Dann schaute er nach der Nachricht, las sie und beantwortete sie. Ich sah ihm zu, wie sein Ausdruck immer schlechter wurde. Man konnte seine Laune sinken sehen. Sofort schüttelte ich mit dem Kopf. Nichts da. Dann holte ich aus, schnappte sein Handy weg. "Baekhyun, hey!" Er versuchte, es mir über den Tisch hinweg wegzunehmen, doch ich hatte es schon fast ausgeschaltet. "Baek, bitte, das war wichtig!" "Wer war das denn?" "Der Fotograf von Montag. Komm schon, hyung." "Und der ist so wichtig?" "Er hat mir den Link für die Bilder geschickt, nichts weiter. Los, gib schon her." "Sicher, dass es nicht Luhan war?", fragte ich und konnte einen leicht eifersüchtigen Unterton nicht verhindern. Sehun stöhnte genervt. "Wie kommst du jetzt da drauf? Nein, es war nicht Luhan! Guck doch nach, wenn du mir nicht glaubst." "Pack es einfach gleich weg", seufzte ich und hielt es ihm hin. "Okay, mach 's aus, dann pack ich es in meine Jacke." Klischeehaft just in diesem Moment klingelte das iPhone des Jüngeren. Ich sah flüchtig auf das Display, warf das iPhone daraufhin vor ihn auf den Tisch, lehnte mich zurück und sah durch den Raum. Luhan. Allerdings... ging Sehun nicht dran, sondern musterte mich besorgt. "Hey... Baekhyun. Ich mag nicht, wenn du schlecht gelaunt bist. Was ist denn jetzt los? Was hab ich gemacht, hm?" "Was denn, lässt du ihn jetzt auch schon warten?" "Ich muss da nicht dran gehen." Ich seufzte. "Mach schon, ist schließlich dein Freund. Hat er was gemacht, dass du ihn vernachlässigst?" "Baek-" "Mann, ehrlich, geh dran! Ist bestimmt wichtig." Er schüttelte bloß verständnislos mit dem Kopf, hob aber ab. Ich verschränkte die Arme auf dem Tisch, bettete meinen Kopf auf ihnen und beobachtete den Größeren. Ja, ich hatte ihm gesagt, er solle abheben. Aber das hieß ja nicht, dass er das wirklich tun sollte. Irgendwie... kränkte es mich. Das war nicht fair von mir, das wusste ich so ganz tief drin, aber es wäre eben genauso unfair gewesen, ihm irgendwas zu verbieten, es ging mich ja nichts an. Gott es war so kompliziert mit meinen Gefühlen, es nervte mich regelrecht selbst. Und dann war ich auch noch zu sehr Arschloch, es zurückzuhalten. Stattdessen hing ich hier genervt auf dem Tisch rum, starrte nun gelangweilt aus dem Fenster. "Ja...?", einen Moment Pause, "Hör- Hey, hör zu, ich hab keine Zeit, ich bin mit Baekhyun unterwegs, ich kann jetzt nicht-", ich sah ihn an, er sah mir in die Augen, "genau, hab ich dir nicht erzählt. Ja~ wenn du Silvester in Seoul bist, ja. Ah-ha...Sorry, das klär ich Mittwoch mit dem, okay? Ja...Ah cool, aber- Okay- Lu- Okay, Luhan, hey! Baekhyun wartet seit zwei Jahren auf mich, ja? Ich hab jetzt keine Zeit dafür." Ich hörte, wie Luhan sich lautstark entschuldigte, irgendwas habe er missverstanden oder vergessen gehabt. "Jaha, hab ich gesagt, schau nochmal in dein Wörterbuch. Nein, alles gut... Ciao und viel Glück", er legte auf und das Handy auf den Tisch, "Schöne Grüße von Luhan." Skeptisch sah ich den Schwarzhaarigen an und richtete mich auf. "Danke... Ähm... Seit wann redet ihr Koreanisch miteinander? Er spricht doch so schlecht, dachte ich." "Seit ich will, dass du wirklich alles verstehst, was ich mit ihm rede. Ich weiß, dass du lieber Japanisch gelernt hast, als Chinesisch." Ich zog die Augenbrauen weiter zusammen. "Mein Chinesisch ist besser als früher. Und seit wann erzählst du ihm nicht mehr alles? Ich weiß noch von Tagen, an denen ihr nicht einmal über irgendwas den Mund halten konntet." Er hob die breiten Schultern. "Schon lang nicht mehr. Hey, hallo, ich dachte wir treffen uns heute. Scheiß auf den Rest." Abwehrend hob ich die Hände und sah ihn überrascht an. "Und das von dir, okay, von mir aus. Handy weg." Geheimnisvoll lächelte der Jüngere mich an und winkte mit dem Gerät. "Willst du nicht erst ein paar Bilder angucken?" "Von Samstag? Sehen die denn so gut aus, dass es sich lohnt?", ich verzog den Mund. Er nickte stolz. Mit einer Gabel nahm er ein Stück vom Kuchen und hielt es mir hin. "Gut genug, dass du nicht mehr böse auf mich sein kannst." "Na ich weiß nicht." "Ich weiß, dass du das willst. Du willst mir nicht böse sein, Baekhyun, das konntest du noch nie und das wolltest du noch nie. Und so wie ich dich kenne, willst du immer heiße Bilder sehen. Na komm schon. Genau das, was du sehen willst. Gestylte Haare, Hemden, Cut-Offs, ripped Jeans, sogar Overalls..." Ich nickte langsam, sah von seinen Augen wieder auf den Kuchen und zurück, als er weitersprach. Sehun mit gestylten Haaren war circa zwölfmal gefährlicher als mit flauschigen, ungestylten Haaren. Seine Figur in zerrissenen Jeans und Hemden war auch eine heiße Nummer. Overalls hatte ich immer etwas argwöhnisch betrachtet, aber dann hatte Sehun sich ein richtig cooles Modell gekauft und so überzeugend getragen, dass ich diesem Ding ähnlich zu Füßen lag, wie seinem Besitzer selbst. "Anzüge...", raunte er. Anzüge waren ein verdammtes Totschlagargument. Sehun im Anzug war nochmal eine ganz andere Liga. Und dass er mich in dieser mitspielen ließ, war vielleicht kein schlechtes Zeichen. Mit geschürzten Lippen sah ich von seinen Augen zum Kuchen und schnappte ihn mit dem Mund weg. Der Kuchen war so gut, dass ich die Augen verdrehte und seufzte. "Alles gestreckt auf sechsundachtzig Bilder." Einen Moment weiteten sich meine Augen, ich atmete wehleidig durch. "Warum weißt du immer, wie du mich rumkriegst? Los, zeig schon her! Lass mich nicht noch mehr warten, was stimmt denn nicht mit dir?!" Er aß selbst noch einen Bissen, suchte dann grinsend den Link zu den Bildern heraus und öffnete die Dateien. Dann lehnte er sich mehr über den Tisch und legte das iPhone zwischen uns. Schon das erste Bild war in einem der besagten Overalls. "Oh~ krass du siehst aus wie so ein sexy Mechaniker vom Militär. Ich steh drauf! Deine Haare sind so gut gemacht", ich fasste in diese hinein, "Gott die sind noch weicher geworden. Wofür?" "Cosmopolitain. Glaub ich. Ich hör gar nicht mehr richtig zu, ich mach gerade nur noch. Agentur, Uni, Agentur, Uni, irgendwann kommt dir das wie Routine vor, weil unnormal viel kleines Zeug oder die ein oder andere Modenschau zu der ich muss bei ist." Je mehr Bilder ich daraufhin durchging, desto begeisterter war ich, aber es gefiel mir nur bedingt, dass alle Welt Sehun genauso anstarren konnte. Dass China so auf Sehun abfuhr. Dass so viele Leute so scharf auf den Jüngeren waren und ihn täglich anstarrten, anhimmelten. Aber die Bilder, die ich bisher gesehen hatte, waren es absolut wert, ihn zu vergöttern. Nicht nur die Bilder. Der ganze Typ, sein natürliches Erscheinungsbild, sein Charakter, egal in welcher Lage, ob schlafend, wach, aufgedreht, genervt oder sogar weinend. Der dunkelgrüne Overall sah so gut aus, wie dasselbe Ding zuvor in Camouflage. Mir stand der Mund förmlich offen, als ich abwechselnd den zufrieden und unglaublich süß lächelnden Sehun in Natur und den Schlafzimmerblick-Sehun auf dem Foto anschaute. Beides war atemberaubend. "Mit denen war er noch voll zufrieden." "Die sind der Wahnsinn. Boah krass, die Bilder sich richtig heiß. Hast du den Overall hier behalten?" Er nickte. "Geil, das Ding ist mega heiß." "Ja, schon, hab ich hinterher geschenkt bekommen. Und den Anzug hier hab ich mir ausgesucht, guck." Ich sah das nächste an, was er mir zeigte. Sehun im teuren grauen Anzug, dunkelbraune, halb zurück gestylte Haare, biss auf seine Unterlippe. Ich lehnte mich über den Tisch, zoomte ins Bild und sah den Jüngeren daraufhin von unten mit offenstehendem Mund an. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah er etwas neugierig zurück. "Was? Schlimm? Hätte ich besser den schwarzen hier behalten?" Er wischte etwas weiter zum nächsten Motiv. Diesmal war der Anzug nicht grau sondern schwarz und sah genauso heiß aus wie das andere Teil. "Nein! Also, auch, ja, aber ich meine du warst nur früher so süß und jetzt- Fuck", ich sah zurück auf das Bild, dann in seine Augen, "wieso hab ich das Bedürfnis, dich Daddy zu nennen, wenn ich das sehe?" "Oh mein Gott, hyung, bloß nicht", empörte er sich und brach in Gelächter aus. Ich lachte auf, zwickte in seine Wange. Er schlug meine Hand weg. "Ja was?", ich setzte mich auf, "Obwohl du so süß bist, würde ich dich schon als Daddy bezeichnen. Nicht offiziell nennen, aber naja~ ich meine, wenn ich die Bilder hier sehe- choke me daddy oh mein Gott!" "Hyung, lass das! Bitte!" "Du stehst also nicht mal ein kleines Bisschen drauf, nicht mal, dass ich dich so nennen würde, auch wenn ich es nicht tu? Ganz ehrlich, ich würde niemanden offiziell so nennen, weil das schon unerotisch ist, aber so denken würde ich schon über dich." "Würdest du nicht." "Ein bisschen vielleicht", ich zwinkerte. Ich stellte meine Füße zwischen seine, schob einen sein Bein hoch. Er schlug unter dem Tisch danach, wobei ich seinen freien Arm mit den Fingern entlang streichelte. Lachend fing er meine Hand ein, drückte sie auf die Tischplatte. Ich erwiderte sein Lachen. "Aw~... Magst du das nicht, Daddy?" "Baekhyun, NEIN!", lachte er. "Oh Baekhun, doch!" "Nein, nein, nein! Ich warne- oh mein Gott, ich warne dich, ich hau sofort ab, wenn du mich nochmal so nennst", drohte er halbherzig. "Na~ gut, kein Daddy, aber sexy bist du trotzdem", raunte ich, "Und choken dürftest du mich auch." "Oh mein Gott", murmelte er und schüttelte, ein Lächeln unterdrückend, den Kopf. Ich leckte über meine Unterlippe, biss sie daraufhin und sah Sehun mit einer angehobenen Augenbraue an. Matt lächelnd sah er zurück. "Hat Luhan dich mal so genannt?", ich wippte mit den Augenbrauen und grinste dreckig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)