A oder B? von Tobiz ================================================================================ Kapitel 11: Titan ----------------- Ich trank die letzten Reste von meiner Cola und kämpfte mir anschließend einen Weg durch die Menge voller umherspringender Menschen. Ich beneidete sie nicht. „Sollen sie doch hier rumhängen, bis sie sich gegenseitig alle ankotzen“, dachte ich und lachte gleichzeitig über das ungewollte Wortspiel. „Oh, du willst schon gehen?“, fragte auf einmal ein Mädchen von der Seite. Überraschendeweise kannte ich sie, denn sie kam aus meinem Jahrgang. Leider war ihr betrunkener Zustand schon von Weitem zu erkennen, weshalb ich mir keine Mühe machte, ein ernstes Gespräch mit ihr zu führen. Sie würde sich nicht mal an den Abend erinnern. „Ja, ich gehe. Viel Spaß noch“, gab ich zurück in der Hoffnung, sie zufriedenzustellen. Offenbar klappte dies nicht, denn machte einen Schmollmund und legte ihren Arm um meine Schulter. „Aber die Party fängt doch gerade erst richtig an!“, schrie sie und fing wieder an, wie die anderen zu tanzen. Ich hatte die Nase voll und wollte mich nicht mit diesem Kinderkram herumschlagen. „Okay, aber kannst du mir einen Gefallen tun?“, sprach ich zu ihr und schaute sie ganz ernst an. Das Mädchen tat es mir gleich und wurde augenblicklich ruhiger. Sie sah aus, als würde sie gleich einen Masterplan für das Erobern der Welt erklärt bekommen und schien ihre ganze Konzentration auf meine Worte zu richten. „Ich habe auf der Toilette 10 Euro vergessen. Kannst du sie mir bitte bringen? Vielleicht bekommst du 5 davon als Finderlohn“, fügte ich grinsend hinzu und das Mädchen fing auch an zu grinsen. Kurz darauf war sie in der Menge verschwunden und ich konnte mich endlich aus dem Staub machen. „Wahrscheinlich wird sie vergessen haben, warum sie zu den Toiletten gegangen ist, wenn sie dort ankommt“, versuchte ich mir einzureden, denn ich hatte ein kleines, schlechtes Gewissen. Nachdem ich durch die Tür nach draußen gelangen war, musste ich leider feststellen, dass es ziemlich frisch geworden war und ich hatte keine wärmende Kleidung an. War ja schließlich Sommer und für die wenigen Momente lohnte es sich nicht eine Jacke oder einen dicken Pullover mitzunehmen. Ein Grund mehr, schnell heim zu gehen. Vor dem Gebäude hatten einige Leute ein Lagerfeuer entzündet und unterhielten sich. Ein Glück bemerkten sie mich nicht und konnten mich nicht mit nervigen Fragen aufhalten, warum ich schon so früh ginge. Da um die Uhrzeit nur noch selten ein Bus fuhr, musste ich eine Weile an der Haltestelle stehen. Sowas war mir immer unangenehm, weil da einem die merkwürdigsten Personen begegnen konnten. Auch betrunkene. Aber da es glücklicherweise noch relativ früh war und die meisten Menschen noch auf den Partys waren, habe ich keine blöde Bekanntschaft gemacht. Bis auf mir und zwei weiteren Leuten, war der Bus vollkommen leer. Einer von ihnen - ein Mann - trug einen Anzug und hatte einen Aktenkoffer bei sich. Bestimmt ein Anwalt oder so, der noch bis spät bei der Arbeit saß. Muss wichtig gewesen sein. Er kramte sein Smartphone raus und hielt sich daraufhin an die Stirn, als ob er es nicht glauben könnte, wie lange er bei der Arbeit gewesen ist. Der anderen von ihnen war eine Frau. Ich konnte sie aber nicht sehen, weil auf einem der hinteren Sitzen Platz genommen hat. Nach der ersten Haltestelle der Buslinie spürte ich mein Smartphone vibrieren. Ich erwartete einen „Kontrollanruf“ von meiner Mutter. Diese machte sie immer, wenn ich auf Partys ging. Ein Blick auf das Display ließ mich jedoch überraschen. Es war Lisa. Ich ging schnell ran. „Hallo? Lisa?“ Am anderen Ende der Leitung hörte ich Lisa, welche gerade kräftig am Schluchzen war. „H…Hey“, begann sie. „Hast du Spaß auf der Party?“ Mir wurde augenblicklich kalt. „Klar. Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich wollte dir erst Zeit lassen“, erklärte ich und bekam Angst. Hätte ich mich doch melden sollen? „Kein Ding. Kein Ding“, erwiderte sie. „Ich würde dich jetzt gerne nur sehen. Ist das okay? Bei dir?“  „Ist gut. Ich bin auf dem Weg. Klingle am besten der Tür, dann lässt dich meine Mutter rein“, schlug ich vor. „O…Okay“, war ihre Antwort und legte danach auf. Als der Bus meine Haltestelle erreichte, ging ich schnell zu meinem Haus. Lisa schien, es nicht wirklich gut zu gehen. Also musste ich jetzt für sie da sein. Ich öffnete die Haustür und fand Lisa mit meiner Mutter auf der Couch sitzend vor. Lisa kam direkt zu mir gerannt und warf sich in eine lange Umarmung. Meine Mutter deutete mir, dass wir am besten in mein Zimmer gehen. Nach der Umarmung peilte Lisa von selbst mein Zimmer an. Offenbar hatte meine Mutter ihr das auch schon gesagt. Einen Moment später saßen wir gemeinsam an der Bettkante. Ich hielt sie die ganze Zeit fest in meinen Armen, während sie sich ausweinte. „Ich vermisse sie so sehr…“, schluchzte sie vor sich hin. Ich klopfte ihr ein paar Mal auf die Schulter. „Das ist auch gut so. Nimm dir die Zeit und trauere um sie“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Wichtig ist nur, dass du nach vorne siehst und nicht die Menschen vergisst, denen du etwas bedeutest.“ Das war alles, was ich ihr sagte. Die nächste halbe Stunde saßen wir einfach so da und sie weinte. Wir brauchten nicht zu reden. Es war gut, dass sie sich einfach ausweinte und nicht mehr. Als ihr schluchzen leiser wurde, blickte ich zu ihr. Sie war gerade dabei, ihre Tränen wegzuwischen. Sie sah schon definitiv besser aus, als vorhin mit meiner Mutter. Ok, weinend sieht keiner gut aus, aber ich fühlte, dass es ihr gut getan hat. „Tut mir leid“, lachte sie kurz auf und blickte auf meine Karteikarten für das Referat. „Wie läuft es so?“, fragte sie und deutete auf die Karten. Ich verstand. Sie will sich ablenken. Es war unnötig, noch Worte darüber zu verlieren. „Du kennst mich“, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. „Na los. Ich helfe dir. Es ist doch erst 23 Uhr“, lachte Lisa. Ihr Angebot konnte ich nicht ablehnen. Mit Lisa als Hilfe war das Referat gar kein Problem mehr. Sie nannte, welche Daten zu den Planeten wichtig sind. Sogar „Exzentrizität“ konnte sie mir ganz einfach erklären.  Die Besonderheiten zu den Planeten fasste sie mir kompakt zusammen und verwies dabei hin und wieder auf die Daten. Zum Beispiel, dass ein Tag auf der Venus länger als ein Venus-Jahr ist und dass sie der heißeste Planet des Sonnensystems ist, obwohl ein anderer Planet noch näher an der Sonne ist. Zum Schluss übte ich das Präsentieren und Lisa prüfte, ob ich das Thema auch definitiv verstanden habe.  „Ich denke, du hast es“, bestätigte Lisa und räumte alle Karteikarten auf einen Stapel. „Danke. Ohne dich hätte ich das niemals geschafft“, sagte ich glücklich und legte meine Hand auf ihre Schulter. „Wie geht es dir?“ „Mir geht es inzwischen wieder gut“, lächelte sie mir zu. Das war das Wichtigste für mich. Natürlich war es ein tolles Gefühl, mit dem Referat, was mein Schuljahr retten kann, endlich fertig zu sein, dass Lisa wieder gut drauf war, freute mich aber ein klein wenig mehr. „Und wie war die Party so?“, fragte Lisa und legte sich auf mein Bett. „Irgendwas klargemacht?“ Fügte sie grinsend hinten dran. „Es war die Hölle“, gab ich kurz und knapp zu, was Lisa irgendwie zu freuen schien. „Naja, was nicht ist, kann ja noch werden“, sprach sie und schon spürte ich ihre Lippen sich auf meine drücken. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war auch total überfordert und wusste nicht, wie ich handeln sollte. Hatte Lisa etwa Gefühle für mich? Und wenn ja, seit wann?   Wenn du den Kuss erwidern willst, lies bei Phobos weiter. Wenn du den Kuss abbrechen willst, lies bei Merkur weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)