A oder B? von Tobiz ================================================================================ Kapitel 12: Triton ------------------ Nachdem ich die Spülung betätigte, fummelte ich an meinen Haaren herum, auch wenn das wahrscheinlich meine Frisur noch verschlimmerte. Auch wenn ich nicht den ersten Schritt machen wollte, sollte ich dennoch in Lukes Nähe immer nur das Beste von mir zeigen. Das Geräusch von laufendem Wasser von draußen zeigte, dass Luke noch immer da war, doch noch eine Ewigkeit in der Kabine zu bleiben nachdem man gespült hatte, würde sicher komisch kommen. Deswegen ließ ich meine Frisur auf die Gefahr hin völlig hinüber zu sein in Ruhe und öffnete die Tür. Wie erwartet stand Luke noch an Ort und Stelle und rubbelte sich einen ab. Das T-Shirt natürlich. Welches schmutzig war. Und nass. Sehr nass. Eilig ging ich zu einem Waschbecken, welches rechts neben Luke war, und nahm mir extra viel Seife. Ich wollte nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen, sondern auf den richtigen Moment warten, welcher hoffentlich irgendwann in den nächsten Monaten sein würde. Nur konnten es meine Augen nicht lassen und huschten für einen kurzen Augenblick zu ihm rüber, doch der Anblick, wie er seinen fast überall mit nassen Flecken übersäten Stofffetzen unter den Wasserstrahl hielt und verzweifelt darauf herum rieb, war mir fast zu viel auf einmal. Auch die Bauchmuskeln, welche dabei frei wurden, waren vor meinen Augen nicht sicher. „Also, was hast du da so lange drin gemacht?“, kam es irgendwann beiläufig von links und direkt spürte ich, wie sich mein Blut an einer gewissen Stelle sammelte. Genau. Mein Kopf. Es war ihm aufgefallen. Dabei wollte ich es extra vermeiden, zu lange in der Kabine zu bleiben, um genau der Frage zu entgehen. Ich schaute in den Spiegel und eine Tomate schaute zurück. „Ähm…naja…ich“ „Agh, so wird das nichts.“ Weiter kam ich mit meiner durchgeplanten Erklärung nicht, denn Luke unterbrach mich und als ich zu ihm sah, zog er gerade sein Shirt für den Kopf. Ein gut definierter Körper kam zum Vorschein, welcher sich auch gleich zu mir umdrehte. Danach glitten Lukes Hände zu seiner Hose und machte Anstalten, sie ebenfalls auszuziehen. Sie klemmte, doch nach einigen Versuchen, lag sie irgendwo auf dem Boden. Während er das tat ließ er seinen Blick nicht von mir ab. Erst jetzt stellte ich fest, dass mein Schwarm gerade dabei war, sich vor mir nach und nach seiner Kleidung zu entledigen. Apropos: Lukes Finger umspielten nun verführerisch den Rand seiner Boxershorts und nach mehrmaligem Andeuten, war auch sie… „Toni? Hallo?“ Im Spiegel sah ein perplexes Ich zu mir rüber. Ich musste in dem Moment echt dämlich geschaut haben, während ich am Träumen war. Meine Gedanken wurden verrückt und spielten mir Bilder von meinem Begehren vor. Super. Als ich sie irgendwo in meinen Kopf verbannte, bemerkte ich, dass Luke immer noch von mir eine Antwort erwartete. Dieser war derweil - zu meinem Bedauern - mit seinem angezogenen Shirt beschäftigt. Komisch, dass er so lange daran rumschrubbte und es nicht einfach nach der Party in die Maschine warf. Seine Frage war ja schon etwas unangebracht, dennoch fühlte ich mich ertappt. „Handy-Kram. Kennst du ja“, spielte ich runter und ließ symbolisch meine Hand fallen, um der Aussage Kraft zu verleihen. Da ich vergessen hatte, wie lange ich nun schon meine Hände wusch, holte ich sie aus dem Wasserstrahl raus und sah mich nach einer Möglichkeit zum Trocknen um. Würde Luke nun auch noch mein langes Händewaschen ansprechen wollen, konnte ich jetzt zumindest mit seinem ewigen Schrubben kontern. Ich war bereit. Glücklicherweise war an der gegenüberliegenden Wand ein Handtrockner angebracht, welchen ich auch gleich betätigte. Weil der Trockner relativ laut war, wurde jede Kommunikationsmöglichkeit zwischen uns im Keim erstickt. Ich genoss die Wärme auf meinen Händen trotzdem und stellte mir vor, dass diese Wärme von Lukes zarten Berührungen kam, anstatt vom Trockner. Dies ließ mich glücklich und traurig zugleich werden. Wieder verlor ich mich gedanklich in dem Austausch von Zärtlichkeiten zwischen Luke und mir. Warum musste der Weg dahin nur immer so schwer sein? Seine Anwesenheit brachte mir immer Herzrasen und jedes Mal wünschte ich mir, ihn an meiner Haut zu spüren. Zu wissen, dass ich alles habe, was ich begehrte. Irgendwas berührte mich an meinem Arm und ich sah zur Seite. Es war Luke. „Bist du fertig?“, fragte dieser und hob seine nassen Hände hoch. Ein Blick auf sein Shirt bestätigte mir, dass er mit der Säuberung aufgegeben hatte. „Ich mach das zu Hause sauber“, fügte er noch dran, als er meinen fragenden Blick bemerkte. Ich ging einen Schritt zur Seite und überließ Luke den Handtrockner. Meine Hände waren ganz warm und es fühlte sich an, als wäre jegliches Wasser aus der Haut  verdunstet. Wie lange stand ich schon hier? Luke betätigte die Maschine und ließ seine Hände und dem Lufthauch kreisen. Ich blieb noch einen Moment neben ihm stehen, bis ich merkte, dass das sicher komisch wirkte. Schließlich habe ich alles, was es so auf einer Toilette zu tun gibt, erledigt und die Party war es nicht wert, eine Minute länger bei ihr zu sein. Als ich meine Hand auf den Türgriff legte, drehte ich mich nochmal zu Luke um und wünschte ihm schreiend noch viel Spaß auf der Party. Er reagierte etwas perplex und ging von dem Handtrockner weg, welcher kurz darauf ausging. „Hast du denn Spaß?“, wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ohne Lisa ist es immer doof. Sie kann jede öde Unterrichtsstunde in Bruchteilen in ein Erlebnis verwandeln. Mit ihr ist es immer lustig egal wohin ich gehe.“ „Jetzt wo du es sagst. Ich habe sie noch gar nicht gesehen“, fragte er überrascht. „Stimmt schon. Ist besser, wenn jemand dabei ist, den man gerne hat.“ Ich ließ meine Hand von der Türklinge. Offenbar wurde dies ein längeres Gespräch. „Das klingt, als würdest du sagen wollen, dass du auch alleine hier bist“, hakte ich nach. „Sind deine Freunde nicht hier?“ „Doch irgendwie schon, aber…“, er hakte ab. „Ich mag sie, aber mehr auch nicht.“ Ich wusste nicht genau was ich darauf sagen sollte. Ebenso war mir unklar, was er mir damit mitteilen wollte. Es war, als hätte er etwas auf dem Herzen und nur mir könnte er sich dazu äußern. Das war bestimmt kein Thema, worüber er mit seinen Freunden reden würde. Nach einer Pause des Schweigens kam Luke auf mich zu und griff zur Klinke. „Vergiss, was ich eben gesagt habe“, war das Einzige, was er noch sagte und schon war er weg. Einen Moment verweilte ich noch bei den Toiletten und fragte mich, warum das eben passiert ist. Luke wollte irgendwas sagen, aber ich war zu blöd, um es zu bemerken. Ich hämmerte mir symbolisch gegen die Stirn. Da es nichts weiter brachte, bei den Toiletten zu verweilen und ich immer noch so schnell wie möglich weg wollte, verließ schließlich auch ich den Raum. Ich trank die letzten Reste von meiner Cola und kämpfte mir anschließend einen Weg durch die Menge voller umherspringenden Menschen. Ich beneidete sie nicht. „Sollen sie doch hier rumhängen, bis sie sich gegenseitig alle ankotzen“, dachte ich und lachte gleichzeitig über das ungewollte Wortspiel. Draußen war es leider noch kälter geworden. Ein Grund mehr, schnell heim zu gehen. Da um die Uhrzeit nur noch selten ein Bus fuhr, musste ich eine Weile an der Haltestelle stehen. Sowas war mir immer unangenehm, weil da einem die merkwürdigsten Personen begegnen konnten. Auch betrunkene. Ich hatte aber Glück und musste keine blöde Bekanntschaft machen. Noch während ich an der Haltestelle wartete, spürte ich mein Smartphone vibrieren. Ich erwartete einen „Kontrollanruf“ von meiner Mutter. Diese machte sie immer, wenn ich auf Partys ging. Ein Blick auf das Display ließ mich jedoch überraschen. Es war Lisa. Ich ging schnell ran. „Hallo? Lisa?“ Am anderen Ende der Leitung hörte ich Lisa, welche gerade kräftig am Schluchzen war. „H…Hey“, begann sie. „Weiß du noch, dass heute die B…Beerdigung von meiner O…Oma war?“ Mir wurde augenblicklich kalt. „Klar. Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich wollte dir erst Zeit lassen“, erklärte ich und bekam Angst. Hätte ich mich doch melden sollen? „Ach deswegen bist du vorhin nicht ran gegangen oder wie?“ Lisas indirekter Vorwurf fühlte sich wie Schlag ins Gesicht an. Ich musste den Anruf wegen der lauten Musik überhört haben. Lisa ließ keine Zeit, mich zu erklären, sondern redete weiter. „Kein Ding. Kein Ding. Ich will dich deswegen nicht anmotzen“, erwiderte sie. „Es ist n…nur so, dass ich gerade vor deiner Haustür stehe und dringend etwas Auf…munterung brauche.“ Sofort verstand ich. Anscheinend ist sie von zu Hause weggelaufen, weil sie es nicht mehr aushielt. „Ist gut. Ich bin gleich da. Klingle am besten, dann lässt dich meine Mutter rein“, schlug ich vor. „O…Okay“, war ihre Antwort und legte danach auf. Der Bus wäre wegen der Dunkelheit beinahe an mir vorbeigefahren, doch im letzten Moment hielt er noch an. Er war es wohl nicht gewohnt, dass um die Uhrzeit jemand mit dem Bus fährt, denn ich war der Einzige im Bus. Meinte Gedanken kreisten sich die ganze Zeit um Lisa und ich hätte fast den Busfahrer gefragt, ob er etwas schneller fahren könnte. Gleichzeitig hielt es aber für lächerlich, weil ich so höchsten ein paar Minuten früher da gewesen wäre. Als der Bus meine Haltestelle erreichte, rannte ich direkt los. Lisa hat selbst gesagt, dass es ihr nicht gut ging. Also musste ich jetzt für sie da sein. Ich öffnete die Haustür und fand Lisa mit meiner Mutter auf der Couch sitzend vor. Lisa kam direkt zu mir gerannt und warf sich in eine lange Umarmung. Meine Mutter deutete mir, dass wir am besten in mein Zimmer gehen. Nach der Umarmung peilte Lisa von selbst mein Zimmer an. Offenbar hatte meine Mutter ihr das auch schon gesagt. Einen Moment später saßen wir gemeinsam an der Bettkante. Ich hielt sie die ganze Zeit fest in meinen Armen, während sie sich ausweinte. „Ich vermisse sie so sehr…“, schluchzte sie vor sich hin. Ich klopfte ihr ein paar Mal auf die Schulter. „Das ist auch gut so. Nimm dir die Zeit und trauere um sie“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Wichtig ist nur, dass du nach vorne siehst und nicht die Menschen vergisst, denen du etwas bedeutest.“ Das war alles, was ich ihr sagte. Die nächste halbe Stunde saßen wir einfach so da und sie weinte. Wir brauchten nicht zu reden. Es war gut, dass sie sich einfach ausweinte und nicht mehr. Als ihr schluchzen leiser wurde, blickte ich zu ihr. Sie war gerade dabei, ihre Tränen wegzuwischen. Sie sah schon definitiv besser aus, als vorhin mit meiner Mutter. Ok, weinend sieht keiner gut aus, aber ich fühlte, dass es ihr gut getan hat. „Tut mir leid“, lachte sie kurz auf und blickte auf meine Karteikarten für das Referat. „Wie läuft es so?“, fragte sie und deutete auf die Karten. Ich verstand. Sie will sich ablenken. Es war unnötig, noch Worte darüber zu verlieren. „Du kennst mich“, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. „Ich würde dir ja gerne helfen, aber es ist schon Mitternacht und kippe fast um vor Müdigkeit. Wir machen das gemeinsam, wenn du willst, aber heute nicht mehr“, lachte Lisa. Ich verstand sie natürlich. Wäre Lisa nicht da, wäre wahrscheinlich selbst innerhalb von Sekunden einfach umgekippt. „Abgemacht. Wie geht es dir jetzt?“ „Mir geht es inzwischen wieder gut“, lächelte sie mir zu. Das war das Wichtigste für mich. Natürlich war es ein tolles Gefühl, dass Lisa wieder gut drauf war. „Und wie war die Party so?“, fragte Lisa und legte sich auf mein Bett. „Irgendwas klargemacht?“ Fügte sie grinsend hinten dran. „Es war die Hölle“, gab ich kurz und knapp zu. So unterhielten wir uns noch ein bisschen, bis sich Lisa irgendwann von selbst auf den Weg machte. Sie dankte mir, dass ich sie aufgeheitert habe, obwohl ich den ersten Anruf überhört hatte. Ich gähnte und wollte einfach nur noch ins Bett, jedoch hatte ich auch noch Hunger. Wir hatten noch Brötchen da. Mit Schwung stand ich auf und ging in die Küche. Ich schmierte irgendwas auf das Brötchen. Hauptsache es machte satt. Als ich damit fertig war und gerade davon abbeißen wollte, kam mir meine Mutter ins Sichtfeld. Es war klar, dass dies eines von den unangenehmen Gesprächen werden würde. „Wie geht es Lisa?“, fragte sie dezent, aber ich merkte, worauf sie hinaus wollte. „Es geht ihr wieder gut. Sie wird sicher etwas Zeit brauchen, um das mit ihrer Großmutter zu verarbeiten, aber es wird wieder“, gab ich wahrheitsgemäß zurück. „Also habt ihr nichts gemacht, außer dass du sie getröstet hast?“, war die nächste Frage. Ich hätte ihr in dem Moment gerne gesagt, dass sie die Fragerei lassen kann, weil ich eh auf einen Jungen in meiner Schule stehe, aber das war ein ganz anderes Thema. Ich wusste zwar, dass meine Mutter das gut aufnehmen würde, wenn ich wirklich mit Luke zusammen kommen würde, aber sie musste es ja noch nicht sofort wissen. „Hör auf damit!“, sagte ich ihr nun etwas lauter. „Was denn? Ich interessiere mich doch nur für Aktivitäten meines Sohnes falls du verstehst, was ich meine“, lachte sie zurück. Da war wieder die Mutter, die ich kannte. Die, bei der man merkte, dass sie auch mal jung war und nicht will, dass andere Kinder ihre Fehler wiederholen. „Na los. Spuckt es schon aus“, forderte sie genervt von der schmierigen Fragerei. „Es ist nichts weiter passiert. Ich verspreche es“, beteuerte ich. „Ich glaube dir. Und falls du doch lügst, hoffe ich nur, ihr habt ein Kondom benutzt.“ Ich musste mich zusammenreißen, denn sie erwartete ja regelrecht, dass ich all ihre schlechten Entscheidungen nachmachen würde. „Es ist nichts passiert.“, teilte ich mit. „Ich will aber auch nichts von ihr.“ „Oh...“, war das einzige, was meine Mutter noch dazu sagte. „Na wenn du meinst.“ Dann drehte sie sich auch schon zum Gehen um. Ich konnte es nicht sehen, aber wahrscheinlich musste sie verhindern, dass sie einfach drauf loslacht. Das Gespräch war verwirrend. Weil ich immer noch sehr müde war, aß ich das Brötchen schnell auf. Danach ging ich zurück in mein Zimmer und blendet die Welt aus.   Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)