A oder B? von Tobiz ================================================================================ Kapitel 19: Mars ---------------- Ich hätte es mir nicht verziehen, Lisa als Freundin auf diese egoistische Weise zu verlieren. Wie konnte ich eigentlich auf die Idee kommen, jemanden für ein Referat von einer Beerdigung zu klingeln? Ich wusste, dass für Lisa ihre Großmutter sehr wichtig war. Dennoch war mir auch klar, dass ich alleine nicht weiterkommen würde. „Vielleicht ist meine Mutter wirklich ein Genie“, hoffte ich und stand vom Bett auf. Wie zu erwarten war, fand ich meine Mutter im Pool vor. Sie schaute sofort zu mir auf, als ich in den Garten gelaufen kam. „Wolltest du nicht nur eine Pause machen?“, fragte sie etwas überrascht und lehnte sich an die Poolwand. Sie trug ihre Taucherbrille, welche sie immer wie ein Chamäleon aussehen ließ. Ich ging die Hocke, um mit ihr besser reden zu können. „Kannst du mir bei dem Referat helfen?“, bat ich und wollte sie mit meinen Hundeaugen überreden. Sie machte eine überraschende Geste und blinzelte kurz. „Hast du nicht vorhin gesagt, dass du gut voran kommst?“, hakte sie nach. Ihr entging auch nichts. Ich sagte nichts und schaute mit den Augen beschämt zur Seite. Meine Mutter verstand sofort. „Na gut. Um was geht es?“, ließ sie mich glücklich lächeln. Sie schwamm zur nahegelegenen Treppe und kam aus dem Wasser heraus. „Die Planeten des Sonnensystems“, teilte ich ihr mit. Meine Mutter nahm endlich die Taucherbrille ab und warf sie auf ein Handtuch, welches einige Meter vom Pool entfernt im Gras ausgebreitet war. „Wie kommst du auf die Idee, dass ich dir da helfen könnte?“, lachte meine Mutter kurz und ging an mir vorbei auf das Handtuch zu. Na super. Diese Antwort habe ich nicht erhofft. Warum konnte sie nicht einfach „Aber hey, ich helfe auf jeden Fall“ sagen und mein Schuljahr retten? Stattdessen zerfiel gerade meine Zukunft in tauschen Scherben. „Tut mir leid, aber ich kenne mich damit wirklich nicht aus“, betonte sie nochmal, als sie sich auf dem Handtuch breit machte. Ich fuhr mir durch die Haare. Von ihr hatte ich keine Hilfe zu erwarten. „Schade. Hatte gehofft, du kannst helfen“, nickte ich ihr zu und machte mich auf den Weg ins Haus. „Weiß Lisa nicht viel darüber?“, rief sie mir hinterher. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihr um. Sie lag inzwischen auf dem Handtuch in verteilte die Sonnencreme über ihre Haut. „Ihre Großmutter wurde heute beerdigt“, erklärte ich ihr den Grund, warum ich Lisa nicht fragen konnte. „Oh, das wusste ich nicht“, nuschelte sie vor sich hin. Meine Mutter schaute traurig und bat mich, Lisa ihr Beileid auszurichten. Die nächsten 20 Minuten versuchte ich, das Referat irgendwie weiterzubringen, doch ich scheiterte immer wieder an Begriffen, die ich nicht verstand. Mir fehlte einfach das Verständnis dafür. Ich gab endgültig auf und nahm mir vor, am nächsten Tag zu hoffen, dass mir dir Erkenntnis kommt. Ich räumte meinen Laptop auf den Schreibtisch und sammelte alle Karteikarten wieder ein. Die meisten waren immer noch leer und die wenigen, auf denen etwas draufstand, waren voller Kritzeleien oder durchgestrichenen Wörtern. Die umherliegenden Stifte waren inzwischen alle zerkaut. Ich kaute bei Denkblockaden immer auf ihnen herum. Die restliche Zeit entspannte ich mich, bis es Zeit für die Party war. Ich packte ein wenig Geld ein und verabschiedete mich von meiner Mutter, welche mich ermahnte, es nicht zu übertreiben, wie sie es in ihrer Jugend getan hatte. Ja, spezieller Humor. Mit dem Bus kam ich relativ schnell am Treffpunkt an. Mein Jahrgang hatte eine kleine, aber geräumige Hütte gemietet. Die Musik konnte man schon von weitem hören. Eigentlich war sie überhaupt nicht mein Geschmack und normalerweise war es unmöglich, mich bei so einer Musik zu amüsieren. Zum Glück gab es Alkohol. Ich ging durch den Eingang und fand mich inmitten einer Menschenmenge wieder, die mehr oder weniger rhythmisch zu der Musik tanzte oder wie man das auch nennen mochte. Mein Blick glitt über die Menschen. Die meisten von ihnen kannte ich nicht, weil sie nicht aus meinem Jahrgang waren, und mit den anderen hatte ich zu wenig Kontakt, um mich einfach zu ihnen zu gesellen. Ich suchte einen Durchgang zu einem Tisch, auf dem mehrere Getränke standen. Ich schnappte mir ein Plastikbecher und griff nach der erstbesten Flasche. „Einfach die Hemmschwelle senken, dann wird das schon“, wiederholte ich mehrmals wie ein Mantra in meinem Kopf. „Du kennst zwar die meisten nicht und hast noch keinen deiner Freunde gesehen, aber…“, etwas riss mich aus meinen Gedanken, welche mir vormachen sollten, dass das ein ganz toller Abend wird. Wobei es nicht „etwas“ war, sondern jemand. Weiter hinten im Raum entdeckte ich Luke, welcher mit anderen mir unbekannten Leuten Bierpong spielte. Warum mich das aus den Gedanken riss? Naja…ich stand auf ihn. Seit 3 Wochen um genau zu sein, als wir im Religionsunterricht ein Projekt hatten. Wir sollten aus Gegenständen unsere Interpretation des Paradieses darstellen. Dazu konnten wir alle Gegenstände benutzen, die wir auf dem Schulgelände fanden. Die Gruppen wurden gelost und ich kam mit Luke in eine. Da habe ich mich ein klein wenig in seine nette und süße Art verknallt. Ich wäre gerne zu ihm rübergegangen, doch leider hatten wir über die Gruppenarbeit hinaus nie miteinander gesprochen und außerdem war er mit dem Trinkspiel beschäftigt. Durch den Alkohol ein bisschen benommen - während ich schwärmte trank ich ganz 2 Becher leer – ging ich zu einer Couch rüber, an deren einem Ende gerade keiner war. An dem anderen knutschte ein Paar rum. Vielleicht war es auch gar kein Paar, zumindest knutschen da welche rum. Ich saß erst einen Augenblick, als ich einige laute Rufe von der Seite vernahm. Ich sah genauer hin und sah, dass sich ein Kreis um zwei sich schlagende Typen gebildet wurde. Sie mussten sehr betrunken gewesen sein, denn nur jeder fünfte Schlag ging nicht in die Leere. Zum Glück kannte ich auch die beiden nicht. Von daher konnte es mir egal sein, wie das endet, solange sich niemand ernsthaft verletzte. Dennoch blieb mein Blick stets auf die beiden haften, nur um sicher zu gehen. Irgendwann bekam ich mit, dass der Grund für die Prügelei ein Mädchen ist. Wie typisch. „Sie findet es bestimmt super, als eine Art Siegesprämie betrachtet zu werden“, vermutete ich. Eigentlich war das kein Grund, Gewalt anzuwenden, aber mit einer gesenkten Hemmschwelle wird sowas ja noch begünstigt. Ich stellte meinen Becher auf den Tisch ab und beschloss, für den Rest des Abends nur noch Cola zu trinken. Schließlich hatte ich es meiner Mutter versprochen. Mein Vergnügen auf der Party voller fremder Leute hielt sich sowieso schon sehr in Grenzen und ich überlegte mehrmals, ob ich nicht einfach gehen sollte. Es scheint, als würde mich hier niemand vermissen und mit den komischen Leuten hier wollte ich auch keinen Kontakt knüpfen. Sie wirkten auf mich wie Leute, die von Party zu Party rennen und sich dann den Abend und die Musik schöntrinken. Ich sah auf eine Uhr an der gegenüberliegenden Wand und stellte fest, dass es zwei Stunden vor Mitternacht war. Ich war noch nicht sehr lange da und ich könnte zu Hause den restlichen Tag bestimmt schöner verbringen als hier. Dazu kam, dass ich das Referat am nächsten Tag beenden wollte. Die Prügelei endete übrigens damit, dass beide irgendwann erschöpft waren und sich auf den Boden übergaben, was aber keinen gekümmert hat.   Wenn du auf der Party bleiben willst, lies bei Erde weiter. Wenn du nach Hause gehen willst, lies bei Titan weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)