A oder B? von Tobiz ================================================================================ Kapitel 20: Jupiter ------------------- „Nein“, sagte ich entschlossen und sah Luke ernst an. Dieser bemerkte wohl gerade, was Sache war und ging sofort einen Schritt zurück. „Tut mir leid“, stammelte er sofort. So erschrocken wie er guckte, konnte ich ihm gar nicht böse sein. „Ist schon okay. Zu einem anderem Zeitpunkt ja?“, schlug ich vor. Luke nickte sofort. Luke war zum Glück verständnisvoll und schlug vor, dass ich jetzt den Raum verlasse und er erst in 10 Minuten, damit kein Verdacht aufkommt. Das würde sich schnell in der Schule rumsprechen und ich wollte nicht das Thema anderer sein. Ich lächelte ihm noch zum Abschied zu und verließ die Toiletten. Draußen war es leider noch kälter geworden. Ein Grund mehr, schnell heim zu gehen. Da um die Uhrzeit nur noch selten ein Bus fuhr, musste ich eine Weile an der Haltestelle stehen. Sowas war mir immer unangenehm, weil da einem die merkwürdigsten Personen begegnen konnten. Auch betrunkene. Ich hatte aber Glück und musste keine blöde Bekanntschaft machen. Noch während ich an der Haltestelle wartete, spürte ich mein Smartphone vibrieren. Ich erwartete einen „Kontrollanruf“ von meiner Mutter. Diese machte sie immer, wenn ich auf Partys ging. Ein Blick auf das Display ließ mich jedoch überraschen. Es war Lisa. Ich ging schnell ran. „Hallo? Lisa?“ Am anderen Ende der Leitung hörte ich Lisa, welche gerade kräftig am Schluchzen war. „H…Hey“, begann sie. „Weiß du noch, dass heute die B…Beerdigung von meiner O…Oma war?“ Mir wurde augenblicklich kalt. „Klar. Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich wollte dir erst Zeit lassen“, erklärte ich und bekam Angst. Hätte ich mich doch melden sollen? „Ach deswegen bist du vorhin nicht ran gegangen oder wie?“ Lisas indirekter Vorwurf fühlte sich wie Schlag ins Gesicht an. Ich musste den Anruf wegen der lauten Musik überhört haben. Lisa ließ keine Zeit, mich zu erklären, sondern redete weiter. „Kein Ding. Kein Ding. Ich will dich deswegen nicht anmotzen“, erwiderte sie. „Es ist n…nur so, dass ich gerade vor deiner Haustür stehe und dringend etwas Auf…munterung brauche.“ Sofort verstand ich. Anscheinend ist sie von zu Hause weggelaufen, weil sie es nicht mehr aushielt. „Ist gut. Ich bin gleich da. Klingle am besten, dann lässt dich meine Mutter rein“, schlug ich vor. „O…Okay“, war ihre Antwort und legte danach auf. Der Bus wäre wegen der Dunkelheit beinahe an mir vorbeigefahren, doch im letzten Moment hielt er noch an. Er war es wohl nicht gewohnt, dass um die Uhrzeit jemand mit dem Bus fährt, denn ich war der Einzige im Bus. Meinte Gedanken kreisten sich die ganze Zeit um Lisa und ich hätte fast den Busfahrer gefragt, ob er etwas schneller fahren könnte. Gleichzeitig hielt es aber für lächerlich, weil ich so höchsten ein paar Minuten früher da gewesen wäre. Als der Bus meine Haltestelle erreichte, rannte ich direkt los. Lisa hat selbst gesagt, dass es ihr nicht gut ging. Also musste ich jetzt für sie da sein. Ich öffnete die Haustür und fand Lisa mit meiner Mutter auf der Couch sitzend vor. Lisa kam direkt zu mir gerannt und warf sich in eine lange Umarmung. Meine Mutter deutete mir, dass wir am besten in mein Zimmer gehen. Nach der Umarmung peilte Lisa von selbst mein Zimmer an. Offenbar hatte meine Mutter ihr das auch schon gesagt. Einen Moment später saßen wir gemeinsam an der Bettkante. Ich hielt sie die ganze Zeit fest in meinen Armen, während sie sich ausweinte. „Ich vermisse sie so sehr…“, schluchzte sie vor sich hin. Ich klopfte ihr ein paar Mal auf die Schulter. „Das ist auch gut so. Nimm dir die Zeit und trauere um sie“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Wichtig ist nur, dass du nach vorne siehst und nicht die Menschen vergisst, denen du etwas bedeutest.“ Das war alles, was ich ihr sagte. Die nächste halbe Stunde saßen wir einfach so da und sie weinte. Wir brauchten nicht zu reden. Es war gut, dass sie sich einfach ausweinte und nicht mehr. Als ihr schluchzen leiser wurde, blickte ich zu ihr. Sie war gerade dabei, ihre Tränen wegzuwischen. Sie sah schon definitiv besser aus, als vorhin mit meiner Mutter. Ok, weinend sieht keiner gut aus, aber ich fühlte, dass es ihr gut getan hat. „Tut mir leid“, lachte sie kurz auf und blickte auf meine Karteikarten für das Referat. „Wie läuft es so?“, fragte sie und deutete auf die Karten. Ich verstand. Sie will sich ablenken. Es war unnötig, noch Worte darüber zu verlieren. „Du kennst mich“, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. „Ich würde dir ja gerne helfen, aber es ist schon Mitternacht und kippe fast um vor Müdigkeit. Wir machen das gemeinsam, wenn du willst, aber heute nicht mehr“, lachte Lisa. Ich verstand sie natürlich. Wäre Lisa nicht da, wäre wahrscheinlich selbst innerhalb von Sekunden einfach umgekippt. „Abgemacht. Wie geht es dir jetzt?“ „Mir geht es inzwischen wieder gut“, lächelte sie mir zu. Das war das Wichtigste für mich. Natürlich war es ein tolles Gefühl, dass Lisa wieder gut drauf war. „Und wie war die Party so?“, fragte Lisa und legte sich auf mein Bett. „Irgendwas klargemacht?“ Fügte sie grinsend hinten dran. „Es war die Hölle“, gab ich kurz und knapp zu. Ich wollte ihr in der Situation nicht von Luke erzählen. Das wäre mir unpassend vorgekommen. So unterhielten wir uns noch ein bisschen, bis sich Lisa irgendwann von selbst auf den Weg machte. Sie dankte mir, dass ich sie aufgeheitert habe, obwohl ich den ersten Anruf überhört hatte. Ich gähnte und wollte einfach nur noch ins Bett, jedoch hatte ich auch noch Hunger. Wir hatten noch Brötchen da. Mit Schwung stand ich auf und ging in die Küche. Ich schmierte irgendwas auf das Brötchen. Hauptsache es machte satt. Als ich damit fertig war und gerade davon abbeißen wollte, kam mir meine Mutter ins Sichtfeld. Es war klar, dass dies eines von den unangenehmen Gesprächen werden würde. „Wie geht es Lisa?“, fragte sie dezent, aber ich merkte, worauf sie hinaus wollte. „Es geht ihr wieder gut. Sie wird sicher etwas Zeit brauchen, um das mit ihrer Großmutter zu verarbeiten, aber es wird wieder“, gab ich wahrheitsgemäß zurück. „Also habt ihr nichts gemacht, außer dass du sie getröstet hast?“, war die nächste Frage. Ich hätte ihr in dem Moment gerne gesagt, dass sie die Fragerei lassen kann, weil ich eh auf einen Jungen in meiner Schule stehe, aber das war ein ganz anderes Thema. Ich wusste zwar, dass meine Mutter das gut aufnehmen würde, wenn ich wirklich mit Luke zusammen kommen würde, aber sie musste es ja noch nicht sofort wissen. „Hör auf damit!“, sagte ich ihr nun etwas lauter. „Was denn? Ich interessiere mich doch nur für Aktivitäten meines Sohnes falls du verstehst, was ich meine“, lachte sie zurück. Da war wieder die Mutter, die ich kannte. Die, bei der man merkte, dass sie auch mal jung war und nicht will, dass andere Kinder ihre Fehler wiederholen. „Na los. Spuckt es schon aus“, forderte sie genervt von der schmierigen Fragerei. „Es ist nichts weiter passiert. Ich verspreche es“, beteuerte ich. „Ich glaube dir. Und falls du doch lügst, hoffe ich nur, ihr habt ein Kondom benutzt.“ Ich musste mich zusammenreißen, denn sie erwartete ja regelrecht, dass ich all ihre schlechten Entscheidungen nachmachen würde. „Es ist nichts passiert.“, teilte ich mit. „Ich will aber auch nichts von ihr.“ „Oh...“, war das einzige, was meine Mutter noch dazu sagte. „Na wenn du meinst.“ Dann drehte sie sich auch schon zum Gehen um. Ich konnte es nicht sehen, aber wahrscheinlich musste sie verhindern, dass sie einfach drauf loslacht. Das Gespräch war verwirrend. Weil ich immer noch sehr müde war, aß ich das Brötchen schnell auf. Danach ging ich zurück in mein Zimmer und blendet die Welt aus.   Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)