Like Stardust von Maya (College!AU) ================================================================================ Kapitel 1: Supernova -------------------- Hallo ^^ Dieses Mal möchte ich mir ein unnötig langes Vorwort zu meiner Situation usw. sparen und deswegen nur ein paar Worte zur Geschichte. Wie "Wolf Trials" wurde die FF eigentlich als One Shot geschrieben, aber aufgrund der Länge, habe ich zwei Cuts gesetzt und werde das Ganze hier in drei Teilen hochladen. Like Stardust Kapitel 01 – Supernova Teil: 1/3 Warning: College!AU, Boys Love (?) Rating: P12 Personen: Jeongguk, Namjoon, Taehyung, Seokjin, Yoongi und Hoseok (BTS), Jimin (BTS, mentioned), Yugyeom (GOT7, cameo), Seongja & Ahri (OC, cameo), Youngjun (HIGH4, cameo), Yein (Lovelyz, cameo) Pairings: Jeongguk x Taehyung (?) Disclaimer: Keiner der hier erwähnten Musiker gehört mir und ich verdiene kein Geld hiermit Viel Spaß beim Lesen! Maya Jeongguk wusste, dass er eigentlich zu alt zum Schmollen war. Dennoch saß er im Schneidersitz auf seinem Bett, die Arme verschränkt wie ein bockiges Kleinkind und beobachtete verdrießlich, wie Yugyeom die letzten Bücher und Ordner in seinem Rucksack verstaute und sich zum Aufbruch bereit machte. Das Ganze war einfach nicht fair. „Jetzt guck nicht so“, sagte Yugyeom und schmunzelte, „Ich bin doch nicht aus der Welt. Und nach den zwei Semestern bin ich wieder hier!“ „Ja“, grummelte er, „Und während du dich in Paris mit einem Haufen französischer Mädchen vergnügst, sitze ich hier fest und bekomme für ein Jahr einen neuen Zimmergenossen.“ „Jeong-“ „Ein. Jahr. Yugyeom.“ Als Jeongguk im letzten Jahr zusammen mit Yugyeom sein Studium begonnen hatte, waren sie im Wohnheim demselben Zimmer zugeteilt worden und Jeongguk hatte angenommen, dass dies bis zu ihrem Abschluss so bleiben würde. Doch sein bester Freund hatte andere Pläne. Schon in ein paar Tagen würde er im Flugzeug nach Europa sitzen, um ein Jahr lang an einer Universität in Frankreich zu studieren. Viele Kunst-Studenten hatten sich für das Programm beworben gehabt und Jeongguk freute sich für Yugyeom, dass er angenommen worden war – das tat er wirklich –, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er ihn für ein Jahr hier allein zurücklassen würde. Seit sie vor fünf Jahren Freunde geworden waren, waren sie nie so lang voneinander getrennt gewesen. Nicht, dass sie ständig zusammen hockten und nichts alleine machten, aber Jeongguk hatte sich an Yugyeoms Anwesenheit in seinem Leben gewöhnt. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die er in seiner Privatsphäre und seinem Zimmer dulden konnte. Yugyeom lachte und zog den Reißverschluss des Rucksacks zu und stellte ihn an der Tür ab. „Vielleicht tut dir ein neuer Zimmergenosse ja ganz gut?“, schlug er vor und Jeongguk zog grimmig die Augenbrauen tiefer, „Du könntest ein paar Freunde mehr in deinem Leben gut gebrauchen – von mir und Namjoon-hyung abgesehen siehst du doch niemanden in deiner Freizeit. Vielleicht lernst du durch einen neuen Zimmergenossen mal andere Leute kennen?“ Jeongguk rollte mit den Augen. „Es ist ja nicht so, als ob ich niemanden kennen würde“, warf er ein und sah sich damit im Recht. Nur weil er nicht jedes Wochenende feiern ging und sich bis zur Besinnungslosigkeit besoff, hieß das nicht, dass er unsozial war. Er hatte lediglich Besseres zu tun. Studieren zum Beispiel. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen und zog einen Flunsch. Auf seiner Seite des Raums sah es gewohnt chaotisch aus; Bücher und Blöcke lagen auf dem Nachttisch und neben dem Bett auf dem Boden, Etuis und Dosen mit Stiften und Pinseln waren überall zerstreut, Leinwände lehnten zwischen Wand und Schrank und auf dem Schreibtisch thronte inmitten von Skizzen seine unvollendete Tonarbeit, die er im Rahmen eines Skulptur-Workshops gefertigt hatte – unter dem feuchten, fleckigen Tuch konnte man nur vage die Umrisse ausmachen. Und die andere Seite des Raums war... leer. Das Bett war abgezogen, eine Reisetasche auf der nackten Matratze, die Bilder waren von der Wand genommen und weit und breit keine Spur von Yugyeoms eigenen Kunstwerken. In dem sonst so herrlich abstrusen Durcheinander aus Uni-Kram, Klamotten, Snack-Tüten und Zeichenmaterial klaffte ein großes Loch und die kahle Stelle war Jeongguk ein Dorn im Auge. Yugyeom nahm seine gepackte Reisetasche und ließ sie neben dem Rucksack vor der Tür fallen, ehe er sich noch einmal zu seinem besten Freund umdrehte. „Ich sag noch eben den anderen 'Tschüss' und dann muss ich los“, sagte er und wartete auf eine Reaktion, doch Jeongguk starrte nur weiter bockig vor sich hin. Seufzend ging Yugyeom auf ihn zu und schloss ihn – trotz der erstickten Proteste – in seine Arme. Eine weitere Sache, die nur eine Hand voll Menschen durfte. „Ich werd dich vermissen, Jeonggukie.“ Die melodische Stimme seines besten Freundes war sanft und seine Umarmung dauerte länger als gewöhnlich. Jeongguk erlaubte sich, für einen Moment die Augen zu schließen und diesen Moment still und heimlich zu genießen. Es würde immerhin ein Jahr dauern, bevor es das nächste Mal dazu kommen würde. „Ich melde mich, sobald ich sicher in Paris gelandet bin, okay?“ Jeongguk murmelte etwas Unverständliches, was Yugyeom als Zustimmung interpretierte und nachdem er ihn ein letztes Mal an sich gedrückt hatte, wandte er sich ab und Richtung Zimmertür. Als er sich nach seiner Tasche bückte, hielt Jeongguk ihn noch ein Mal zurück. „Wehe, wir sehen uns nächstes Wochenende nicht über Skype.“ Das war, was einem 'Ich werde dich auch vermissen' am nächsten kam und Yugyeom lächelte breit, als er sich seinen Rucksack schulterte. „Ich verspreche es!“ Dann beugte er sich erneut vor, griff die Schlaufen seiner Reisetasche und verließ das Zimmer. Jeongguk blieb allein zurück. - „Findest du nicht, dass du etwas zu pessimistisch an die Sache herangehst?“ Namjoon sah während dieser Frage nicht von seinem Buch auf und blätterte um. Sie saßen im Gemeinschaftsraum im ersten Stock – der Etage, auf der Jeongguk sein Zimmer hatte – und jetzt am Abend, wo die meisten Kurse beendet waren, gingen die Studenten des Wohnheims ein und aus, trafen sich mit Freunden und brachten sich gegenseitig auf den neuesten Stand, was Klatsch und Tratsch betraf, planten die nächste Party oder besprachen tatsächlich Hausarbeiten. Namjoon hatte es sich in einem der Sessel, etwas abseits des Trubels in einer der Zimmerecken, gemütlich gemacht und versuchte seinen Cousin davon zu überzeugen, dass die Situation nicht so schlimm war wie dieser es sich einredete. Jeongguk schnaubte. Er ließ seinen Bleistift etwas heftiger über das Papier kratzen als nötig und fügte seiner Skizze einige scharfe Linien hinzu. Der Trubel des Gemeinschaftsraums sorgte nicht unbedingt dafür, dass sich seine Anspannung milderte, doch mochte er auch nicht allein in dem halbleeren Zimmer sitzen und auf das verwaiste Bett seines besten Freundes starren. „Ich bin nicht pessimistisch, Hyung“, widersprach er und warf ihm über den Rand seines Blocks einen erbosten Blick zu, „Warum will mich eigentlich keiner verstehen? Yugyeom war der perfekte Zimmergenosse! Wer weiß, wen sie mir jetzt ins Zimmer stecken?“ Für Jeongguk war Yugyeom ein echter Glücksgriff gewesen. Nicht nur, dass sie schon vor der Uni eng miteinander befreundet gewesen waren, nein, sie studierten auch beide Kunst, hatten aber fast ausschließlich unterschiedliche Kurszeiten. Das hieß, dass sie auch oft genug Zeit für sich allein im Zimmer hatten, während der andere in einem Seminar oder einer Vorlesung saß. Und wenn sie beide doch zusammen im Zimmer waren, konnten sie über ihr gemeinsames Studienfach reden, sich für Kunst begeistern oder einfach schweigend an ihren Projekten arbeiten, ohne dass Zwang zur Konversation bestand. Einfach der perfekte Zimmergenosse. Namjoon seufzte und ließ endlich das Buch in seinen Schoß sinken. Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen und er verzog den Mund auf diese ganz bestimmte Weise, wie er es immer Tat, wenn er scharf nachdachte. Jeongguk kannte den Blick. Erfahrungsgemäß setzte der Ältere ihn in zwei Situationen auf: 1. Wenn er über eine psychologische oder philosophische Fragestellung ins Grübeln geriet oder 2. Wenn er an den rationalen kognitiven Fähigkeiten seiner Freunde zweifelte (was erschreckend häufig vorkam) „Wer immer es ist“, begann er schließlich, „gib ihm eine Chance. Yoongi-hyung und ich sind auch sehr verschieden und als Zimmergenossen trotzdem kompatibel.“ Der jüngere Student konnte nicht verhindern, dass sein Mundwinkel verräterisch zuckte, als er versuchte, sich das Grinsen zu verkneifen. Yoongi war ein Mysterium. Es war schwer zu begreifen, wie ein Mann mit so viel Entschlossenheit und Leidenschaft so kühl und desinteressiert wirken – und so viel schlafen – konnte. Man sah dem Älteren selten an, was in ihm vorging und er zog es häufig vor, zu schweigen. Doch wenn er den Mund aufmachte, dann entweder um etwas überraschend Tiefgründiges zu sagen oder aber um einen sarkastischen Kommentar von sich zu geben und jemandem das Maul zu stopfen. Das machte ihn bei anderen nicht sonderlich beliebt, aber das schien Yoongi nicht zu stören. Und seine Freunde auch nicht. „Wenn du nicht immer so brummelig wärst, dann-“ „Nicht du auch noch“, unterbrach er seinen Cousin und widmete sich wieder seiner Zeichnung, um ihn nicht ansehen zu müssen. Jeongguk wusste, dass er nicht unbeliebt war auf dem Campus und das ein oder andere Mädchen schwärmte sogar für ihn. Er war vielleicht etwas zurückhaltend und nicht der Gesprächigste, aber er zeigte sich umgänglich und überspielte seine Unsicherheiten mit einem entwaffnenden Lächeln. Doch hielt er andere Menschen auf Abstand und schätzte seine Privatsphäre. Und sobald jemand in diese Privatsphäre eindrang oder ihm anders unerwünscht zu nahe kam, wurde er mürrisch und abweisend. „Weißt du, du solltest nicht immer alle Menschen so weg schubsen, Jeongguk“, fuhr Namjoon fort und richtete dann seinen Blick auf die Seiten seines Buches, „Eines Tages muss ich deiner Abneigung gegenüber enger zwischenmenschlicher Beziehungen wirklich mal auf den Grund gehen...“ „Hyung!“, empörte sich Jeongguk und schlug den Skizzenblock zu, „Du hast versprochen, uns nie wieder zu analysieren! Untersteh dich!“ Namjoon hatte den Anstand, verlegen drein zu blicken. Mehr als einmal hatte er seinen Cousin, Seokjin, Yoongi und Hoseok in der Vergangenheit ohne ihr Wissen psychologischen Tests unterzogen (er nannte dies „Feldforschung“) – nur um ihnen anschließend zu bescheinigen, dass sie völlig durchgeknallt waren. Wahrscheinlich passten sie deswegen so gut zusammen. „Keine Sorge, ich halte mein Versprechen.“ „Das will ich hoffen. Für dich.“ Der Ältere schloss sachte – beinahe liebevoll – das Buch und erlaubte sich ein leises Lachen. „Ich zieh mich zurück, ich habe morgen schon früh eine Vorlesung. Geh auch bald schlafen – du bist ein widerlicher kleiner Kobold, wenn du nicht ausgeschlafen bist.“ „Manchmal hasse ich dich.“ „Ich dich auch. Deswegen trete ich dir auch in deinen pittoresken Allerwertesten, solltest du deinen neuen Zimmergenossen wie Scheiße behandeln.“ „Geh schlafen, Hyung, du redest schon wieder wirres Zeug.“ Namjoon schenkte ihm noch ein breites Lächeln, sodass seine Grübchen hervortraten und verließ dann den Gemeinschaftsraum, um in den zweiten Stock zu gehen, wo er mit Yoongi sein Zimmer hatte. Jeongguk fand, dass er allen Grund zum Pessimismus hatte: Schon morgen sollte sein neuer Zimmergenosse einziehen, ein Fremder, der sich in seiner Sicherheitszone breit machen würde. Die friedvolle Stille seines Rückzugsorts wäre vorbei. Ihm blieb nur zu hoffen, dass der Neuzugang zu den Zeiten Kurse hatte, zu denen er im Zimmer war und sie sich nicht gegenseitig in die Quere kämen. Als er ein zusammengeknülltes Blatt Papier an den Kopf bekam und der Geräuschpegel im Raum weiter anstieg, entschied Jeongguk, dass es Zeit wurde, sich zurückzuziehen. Er klappte seinen Skizzenblock zu, packte sein Etui und verließ den Gemeinschaftsraum, um in sein Zimmer zu gehen. Er hatte eigentlich vor, sich schlafen zu legen, doch als er seinen Blick auf die leergeräumte Zimmerhälfte fallen ließ, erfasste ihn eine Schwermut, die es ihm unmöglich machte, Ruhe zu finden. Also entschloss er sich dazu, seine Schlaflosigkeit kreativ zu nutzen und noch ein wenig zu arbeiten. Er setzte sich die Kopfhörer seines MP3-Players auf, startete seine Playlist 'Get Shit Done' und ging zum Schreibtisch. Mit einem schweren Seufzen, das er über die Musik nicht hören, aber tief in seiner Brust spüren konnte, entfernte er das feuchte Tuch von seiner Tonarbeit und starrte diese an. Zuerst hatte er aus der Masse eine Art Büste machen wollen, dieses Vorhaben hatte er jedoch schnell wieder verworfen und entschlossen, etwas Abstraktes zu machen. Als auch das nicht recht gelingen wollte, hatte er einfach ohne Plan los geknetet und seinen Frust an dem Ton ausgelassen, bis nur noch ein nicht identifizierbarer Klumpen übrig geblieben war, der in etwa so viel Kunst in sich hatte wie ein Kleinkind Geduld. Jeongguk wusste nicht wieso, aber das Modellieren war nicht seine Stärke. Wenn er einen Stift oder Pinsel in der Hand hielt, malte sich das Bild wie von selbst, Striche, Formen und Farben flossen auf das Papier oder die Leinwand und fertigten ein Kunstwerk, dass seinen perfektionistischen Ansprüchen zwar nicht genügte, aber doch sein Ego befriedigte und ihn in seinem Talent bestätigte. Doch wann immer sie Modelle aus Ton oder Skulpturen aus Stein oder Holz anfertigen sollten, schienen seine dummen Hände nicht mehr zu wissen, wie man vernünftig funktionierte. Er hatte sich erhofft, dass der Workshop ihm helfen würde, das Pflicht-Seminar im Modellieren mit einer anständigen Note zu bestehen, aber bislang hatte es ihm mehr Probleme als Nutzen gebracht. Entschlossen – oder verzweifelt – legte er seine Finger auf den kühlen und leicht feuchten Ton und begann zu arbeiten. Es war ein befriedigendes Gefühl, die nachgebende Masse in seinen Händen zu spüren und er könnte tatsächlich Spaß an dieser Kunstform haben, wenn das Ergebnis nur genauso befriedigend wäre... - Jeongguk war ein Gewohnheitstier, was für einen künstlerischen Freigeist vielleicht ungewohnt war, aber er brauchte seine Routine, um etwas Ruhe und Ordnung in seinem Kopf zu schaffen. Sein morgendliches Ritual begann mit dem Klingeln des Weckers, auf das eine halbe Stunde folgte, in der er im Bett liegen blieb und Musik hörte, um wach zu werden. Danach reckte und streckte er sich, ging auf Toilette und duschte, bevor er anschließend einen halben Liter Kaffee inhalierte, um auch die restlichen Lebensgeister in ihm zu wecken. Er brauchte diese Routine, um sich von einem Zombie auf Autopilot in ein menschliches Wesen mit adäquaten kognitiven Fähigkeiten zu verwandeln. Das war besser für ihn und gesünder für seine Mitmenschen. Es war daher ein schlechtes Omen, als er am nächsten Morgen wach wurde und feststellte, dass sein Wecker im Laufe der Nacht den Geist aufgegeben und ihm den Dienst versagt hatte. Fluchend fiel er aus dem Bett, die Beine im Laken verheddert und mit den Händen nach seiner Kleidung angelnd. Während er versuchte, sich das Laken von den Beinen zu strampeln, war er schon auf halbem Wege ins Bad, um die schnellste Dusche seines bisherigen Studentenlebens zu nehmen. Er hatte nur noch zwanzig Minuten bis zum Beginn seines morgendlichen Seminars über Perspektiven und brauchte vorher unbedingt noch seinen Kaffee! Jeongguk wäre am liebsten schreiend gegen die Wand gerannt, als er in der Küche des Wohnheims ankam und eine leere Kaffeekanne vorfand... In Rekordzeit sprintete er über das weitläufige Uni-Gelände, vorbei an der Bibliothek, verschiedenen Lesungssälen, Wiesen und Bänken und dem imposanten Innenhof, eher er endlich das Gebäude mit dem Schild 'Fine Arts' erreichte. Außer Atem zog er sich an einem der Automaten im Gang einen Kaffee, bevor er zum Seminar sauste. Es war ein billiges Gesöff und ein schmählicher Ersatz für den selbst gebrühten Wachmacher der Studenten, aber ohne seine Dosis Koffein gäbe es noch vor dem Mittagessen Tote – und so ein unliebsames Ärgernis machte sich gar nicht gut im Lebenslauf. Als er sich wenig später endlich neben Seongja auf einen Stuhl im Seminarraum fallen ließ, war er gerade noch pünktlich. „Guter Start in den Tag, Charlie Brown?“, fragte seine Kommilitonin mit einem Schmunzeln und strich sich eine Haarsträhne aus den Augen. „Ugh.“ „Ah, so gut, ja?“ „Ugh. … Ist 'ugh' ein Gefühl? Denn so fühl ich mich gerade...“ Seongja lachte. Die ältere Studentin hatte so gut wie jeden Kurs mit ihm zusammen und erinnerte ihn mit ihren langen geflochtenen Haaren an eine reale Version von Rapunzel. „Na dann kipp besser noch etwas Kaffee in deinen Astralkörper, bevor du deinem neuen Zimmergenossen nachher begegnest.“ „Ugh...“ Daran mochte er gerade überhaupt nicht denken. „Deine sprachliche Gewandtheit haut mich aus den Socken.“ Zwei Seminare und drei Kaffeebecher später, war Jeongguk schon zurechnungsfähiger und beinahe davon überzeugt, dem neuen Mitbewohner mit der Reife und Vernunft eines erwachsenen Individuums gegenüber treten zu können. Aber auch nur beinahe und er war definitiv nicht darauf vorbereitet, was ihn erwartete, als er kurz vor dem Mittagessen in sein Zimmer zurückkehrte, um seine Tasche wegzubringen. Das Chaos, das ihn begrüßte, stellte seines noch in den Schatten – und das sollte was heißen. Das Zimmer sah aus, als wären ein Bücherregal und ein Kleiderschrank explodiert und hätten ihren gesamten Inhalt auf 18m² erbrochen. Und inmitten dieser Anarchie von Büchern und Klamotten stand ein junger Mann mit flammend rotem Haar. „Was-?“, begann Jeongguk, doch noch ehe er seinen Satz beenden konnte, drehte sich der Fremde zu ihm um und unterbrach ihn. „Oh!“ Sein Gegenüber machte große Augen und sein Mund bildete beinahe einen perfekten Kreis, bevor er sich zu einem strahlenden Lächeln verzog. „Hi, du musst Jeongguk sein! Eiskonfekt?“ „Wa-?“ „Eiskonfekt. Willst du welches?“ Jeongguk blinzelte irritiert und entdeckte erst dann die Tüte mit Konfekt in der Hand des anderen, die er ihm anbot. Er brauchte einige Sekunden, ehe er schließlich den Kopf schüttelte. „Eh, nein, danke“, lehnte er ab und sah dann wieder auf ins Gesicht des anderen, der den Kopf leicht schief legte und mit den Achseln zuckte. „Wie du meinst.“ Damit wandte sich der junge Mann – zweifelsohne sein neuer Zimmergenosse – wieder von ihm ab und fuhr mit seiner Tätigkeit fort. Er beugte sich über seine Reisetasche, griff einen Pullover und warf ihn achtlos aufs Bett. Weitere Kleidungsstücke flogen gleich hinterher. Eine recht unkonventionelle Art, auszupacken. Jeongguk konnte nur hoffen, dass die Klamotten auch bald ihren Weg in den Schrank finden würden. Als eine Toilettentasche an ihm vorbei segelte, entschied er einzugreifen. „Okay, stopp, stopp, stopp!“ Energisch warf er seinen Rucksack auf sein eigenes Bett und versuchte den anderen daran zu hindern, noch mehr Chaos anzurichten. Der hob den Kopf und sah ihn aus großen Rehaugen fragend an. Und Jeongguk blieb die Schimpftirade im Halse stecken. Just in dem Moment fiel ein Sonnenstrahl durchs Fenster und ließ das Kastanienbraun der Augen funkeln und erleuchtete auf faszinierende Weise das rote Haar, das dem anderen in die Stirn fiel. Es war... magisch und er verspürte den plötzlichen Wunsch, den Augenblick mit seiner Kamera festzuhalten. Das Zusammenspiel des Lichts und der Farbe war atemberaubend und er spürte ein Kribbeln in seinen Fingerspitzen, doch seine Füße bewegten sich nicht vom Fleck. Ihm fiel erst auf, dass er den Unbekannten anstarrte, als dieser vor seinem Gesicht mit den Fingern schnipste, um ihn aus seinem tranceähnlichen Zustand in die Realität zurückzuholen. „Alles klar bei dir?“ „Eh, ja, sorry“, stammelte Jeongguk und wandte rasch seinen Blick ab, „Ich war nur in Gedanken.“ „Du bist ja ne komische Type.“ Es barg einige Ironie, dass diese Bemerkung von einem Mann kam, der seine Haare rot gefärbt hatte und ein T-Shirt mit Joker-Aufdruck trug... Der andere schenkte ihm ein eigentümlich boxähnliches Grinsen, warf das Konfekt aufs Bett und machte sich dann daran, seine Klamotten ohne ersichtliches System aufzulesen und in den Kleiderschrank zu räumen. Dabei vermied er geschickt, auf das Durcheinander zu seinen Füßen zu treten. „Ich bin übrigens Taehyung. Du bist Kunst-Student, ja? Die Bilder und Skizzen sind von dir?“ „Ja, das sind meine Sachen“, bestätigte Jeongguk das Offensichtliche. „Wirklich beeindruckend – du bist talentiert!“ Jeongguk spürte seine Mundwinkel zucken. Unschlüssig rang er mit den Händen und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen, bevor er sich auf die Bettkante setzte. „Was studierst du?“, fragte er schließlich, um von sich abzulenken. Außerdem war es natürlich interessant zu erfahren, auf was er sich in Zukunft einlassen musste. Vielleicht war dieser Taehyung ein Saxophon-Spieler oder Stepptänzer oder verrückter Biologie-Student, der irgendwelche ekligen Krabbelviecher in Petrischalen züchtete – ihm schauderte bei dem Gedanken. „Astronomie!“ Taehyung strahlte über das ganze Gesicht und hielt einen dicken Wälzer mit dem Titel „Atlas des Universums“ hoch. Jeongguk hob verdutzt die Augenbrauen. Aufgrund der ungewöhnlichen Erscheinung des anderen, hätte er mit einem kreativen Studienfach – vielleicht sogar Kunst – gerechnet. Aber nicht mit so etwas Trockenem wie Physik. Er selbst hatte nie viel für Naturwissenschaften übrig gehabt, obwohl er in Biologie und Chemie nicht allzu schlecht gewesen war. Die Kunst war sein Leben, in all ihren Facetten; das Bringen von Farben auf Leinwand, das Skizzieren mit Bleistift oder Kohle, das Festhalten von besonderen Momenten auf Fotopapier, ja, auch das Singen und Tanzen als künstlerischer Ausdruck von Emotionen mit dem ganzen Körper... Kunst bereicherte das Leben ungemein und es gab ihm so viel Schönes, was bislang nichts anderes auf der Welt geschafft hatte. „Wusstest du, dass ein Tag auf der Venus länger dauert als ein Venus-Jahr?“ Der Kunst-Student wurde aus seinen Gedanken gerissen und blinzelte perplex, als er Taehyungs Frage verarbeitete. „Eh, wie bitte?“ Der Rothaarige hielt in der Tätigkeit, seine Bücher im Regal aufzureihen, inne und drehte sich zu ihm um. Sein Blick hatte Ähnlichkeiten mit Namjoons, wenn dieser einen philosophischen Exkurs startete. „Na ja, die Venus hat eine Rotationsperiode von 243 Erdtagen“, begann Taehyung zu erklären, „Ihre Umlaufzeit hingegen beträgt nur 224,7 Erdtage. Also ist ein Venus-Tag länger als ein Venus-Jahr – verrückt, oder?“ Der junge Mann gab ein ulkiges Kichern von sich und widmete sich dann wieder den Büchern. Konfus saß Jeongguk da und glotzte den anderen mit offenem Mund an. Er hatte absolut keine Ahnung, was er darauf erwidern sollte. Nach einigen Sekunden Stille entschied er sich für ein gedehntes „Okay“ und erhob sich vom Bett. Es wurde definitiv Zeit für sein Mittagessen. Als er das Zimmer verlassen wollte und sich verabschiedete, summte Taehyung irgendein Lied vor sich hin und schien ihn nicht gehört zu haben. Jeongguk zögerte einen Moment, schüttelte dann aber den Kopf und setzte seinen Weg fort. - Als Jeongguk die Doppel-Schwingtür zur Mensa aufstieß, wurde er von dem Lärm der bereits anwesenden Studenten begrüßt. Die lauten Gespräche und das Klappern von Besteck dröhnte in seinen Ohren und das grelle Deckenlicht schmerzte im ersten Moment in seinen Augen, doch nach kurzer Zeit gewöhnte er sich daran. Wie jeden Mittag. Und wie jeden Mittag fragte er sich, warum noch niemand die beiden flackernden Röhren direkt über der Essensausgabe ausgewechselt hatte. Natürlich hätte Jeongguk auch in der Wohnheimküche essen können, doch war er – wie viele andere Studenten – zu faul, um jeden Mittag zu kochen. Und das Angebot der Mensa war überraschend breit gefächert und die Qualität des Essens erfreulicherweise ausgezeichnet. Also nahm man die überfüllten Räumlichkeiten mit dem damit verbundenen Krach in Kauf. Die gemeinsamen Mittagessen mit Namjoon und seinen Freunden waren zum alltäglichen Ritual geworden und Jeongguk musste zugeben, dass er diese Treffen trotz aller Widrigkeiten zu schätzen wusste. Nachdem er bedient worden war, manövrierte er sich mit seinem Tablett an den anderen Studenten vorbei und steuerte den Tisch seines Cousins an. Als er sich der Gruppe näherte, bekam er nur noch einen Teil des Gesprächs mit, das gerade geführt wurde. „Ich dachte, du vertraust mir?“, entrüstete sich sein Cousin. „Ich vertraue dir – aber nicht deinen Kochkünsten“, entgegen Seokjin ruhig, bevor er sich etwas Kimchi in den Mund schob. Seine plumpen Lippen glänzten leicht von der Fischsoße. „Ich kann kochen!“ „Das letzte Mal, als ich dich in meine Küche gelassen habe, hat es gebrannt.“ Der Älteste in der Gruppe warf Namjoon einen vorwurfsvollen Blick von der Seite zu, wie es sonst nur Mütter konnten und Hoseok, der ihm gegenüber saß, lachte herzhaft. „Das war einmal!“, verteidigte sich der Psychologie-Student. „Ja, und dabei bleibt es“, entgegnete Seokjin und schlug Hoseok auf die Finger, als dieser sich ein Stück Tofu stibitzen wollte, „Ich möchte, dass meine Küche am Ende des Semesters noch steht – von der Wohnung ganz zu schweigen. Tag, Jeongguk.“ Mit einem freundlichen Lächeln grüßte er den Neuankömmling und zog sein Tablett etwas weiter zu sich, um auf dem Tisch Platz zu schaffen. „Tag, Hyung“, erwiderte Jeongguk den Gruß und setzte sich neben ihn, „Was ist los? Hatte Namjoon-hyung etwa einen weiteren Anschlag auf deine Mikrowelle geplant?“ Yein und Ahri – die beiden einzigen Frauen am Tisch – versteckten ihr Kichern damenhaft hinter einer erhobenen Hand und Jeongguk warf nur einen kurzen Blick auf sie, ehe er sich seine Essstäbchen schnappte. „Das war einmal!“, wiederholte sein Cousin, „Ein einziges, verdammtes Mal! Und es war nicht meine Schuld, dass das blöde Ding Feuer gefangen hat!“ Sein Wangen röteten sich vor Ärger und Jeongguk musste sich zusammenreißen, um nicht zu lachen. Namjoon war eine absolute Katastrophe in der Küche und nicht selten trug er aus diesem endlosen Kampf 'Mann gegen Herd' Blessuren davon, die von seinem unermüdlichen Wagemut zeugten. Seokjin ließ ihn mittlerweile nicht mal mehr unbeaufsichtigt ein Messer halten. „Weißt du, soweit ich weiß, neigen Mikrowellen nicht zu spontaner Selbstentzündung“, stichelte Ahri. Sie war eine Kommilitonin von Namjoon und Jeongguk konnte sich nicht daran erinnern, sie schon jemals ohne ihr geliebtes Basecap gesehen zu haben. „Okay, okay“, meldete sich Hoseok zu Wort und kam damit weiteren Protesten zuvor, „Genug von Namjoons Küchen-Desastern. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du einen neuen Zimmergenossen hast, Jeonggukie.“ „Ich wusste schon immer, dass du ne Meise hast.“ „Hyung, sei nicht immer so gemein!“, jammerte das Opfer dieses verbalen Seitenhiebes und warf seine Servierte nach Yoongi, der während seines Kommentars nicht einmal aufgesehen hatte. Blöd nur, dass das Papiertuch auf halbem Weg verreckte und sein Ziel nie erreichte. Yoongi aß unbeeindruckt weiter. Jeongguk sah von seiner Schale auf, um etwas zu sagen und blickte direkt in Yeins Gesicht. Sie war eine Bekannte von Hoseok aus dem Tanzstudio und wenn er sich recht erinnerte, dann war sie in 'Modern Dance' eingeschrieben. Er hatte bislang nur wenig Worte mit ihr gewechselt, doch saß sie in letzter Zeit öfter bei ihnen am Tisch – immer in der Hoffnung, dass er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Auch jetzt lächelte sie schüchtern und wandte ihren Blick ab, spielte mit ihrem Haar, in der Erwartung, dass Jeongguk mit ihr sprechen würde. Stattdessen sah der Kunst-Student nach rechts, neben Yein, und beantwortete Hoseoks Frage. „Ja, ich habe einen neuen Zimmergenossen. Er packt gerade aus.“ Er versuchte Yeins enttäuschtes Gesicht zu ignorieren und fischte etwas Hühnchen aus seinem Essen. „Und?“, hakte Hoseok nach, „Wie ist er?“ „Hm“, meinte er, ließ das Hühnchen wieder sinken und rührte mit seinen Stäbchen planlos in seinem Dakdoritang. Wie war Taehyung denn? Chaotisch? Sonderbar? Wirklich miteinander geredet hatten sie ja noch nicht. „Er hat mir Eiskonfekt angeboten und irgendwas von der Rotation der Venus erzählt.“ Er zuckte mit den Achseln und glaubte das Thema damit erledigt. „Ah, ein Astronomie-Student“, sagte Seokjin und schob seine leere Schale ein Stück zur Seite, um seine Arme auf den Tisch zu stützen, „Klingt interessant!“ 'Interessant' war nicht unbedingt das Wort, das er benutzen würde, aber er entschloss sich zu nicken und nicht weiter darauf einzugehen. Doch Namjoon senkte leicht den Kopf und warf ihm über Seokjin hinweg einen prüfenden Seitenblick zu. Wie immer schien er seinen jüngeren Cousin zu durchschauen. „Jeongguk, denk dran, was ich dir gesagt hab“, rief er ihm in Erinnerung und Jeongguk verdrehte die Augen. „Ich weiß, ich weiß: Du trittst mir in den Hintern, wenn ich nicht versuche, mit ihm klarzukommen. Schon kapiert“, leierte er genervt herunter und schob sich endlich ein Stück Hühnchen in den Mund. „Ich bin sicher, dass Jeongguk sein Möglichstes tun wird, um mit seinem neuen Mitbewohner zurecht zu kommen, Namjoon“, mischte sich Seokjin ein und schenkte dem Jüngeren ein vielsagendes Lächeln, davon überzeugt, dass der Kunst-Student so vernünftig wäre, keinen unnötigen Streit zu provozieren. Jeongguk spürte ein nagendes Gefühl in der Magengegend und nicht zum ersten Mal verfluchte er Seokjins mütterliche Art, die ihm schon ein schlechtes Gewissen bescherte, bevor er etwas ausgefressen hatte. „Und zur Not gibt’s immer noch Alkohol“, warf Yoongi trocken ein und erntete ein Lachen von Hoseok und Namjoon und ein brüskiertes „Yoongi!“ von Seokjin. Ahri und Yein lächelten etwas verhalten. Sie waren nie ganz mit ihm warm geworden und wussten nicht einzuschätzen, ob er seinen Kommentar ernst meinte oder nicht. Jeongguk schmunzelte. „Mag ja sein, Hyung, aber ich hatte nicht vor, das kommende Jahr im Alkoholdelirium zu verbringen.“ „Apropos 'Alkohol'!“, warf Hoseok da ein und lehnte sich mahnend weiter vor, um Namjoon und Yoongi aus zusammengekniffenen Augen anzusehen, „Wer von euch Pfeifen kam eigentlich auf die glorreiche Idee, dass ich es allein zurück ins Wohnheim schaffe?“ „...Du?“, gab Namjoon zur Antwort und zog elegant eine Augenbraue in die Höhe. „Und wer war bitte der Meinung, dass das eine gute Idee sei?“ Namjoon legte den Kopf schief. „Bist doch heil nach Hause gekommen.“ „Und habe auf dem Weg ungefähr fünfzig Autos mit Penissen bemalt.“ „Aber du bist heil nach Haus gekommen.“ „Penisse, Namjoon!“ Jeongguk entschloss, sich an dieser Stelle aus dem Gespräch auszuklinken. Mit den Party-Anekdoten der älteren Studenten konnte er nicht viel anfangen. Die regelmäßig stattfindenden Saufgelage waren zwar immer Anlass für reichlich Gesprächsstoff, aber da er nicht daran teilnahm, hatte er auch nichts beizutragen. Er wusste nur so viel, dass „Party“ hier auf dem Campus gleichbedeutend war mit schlechter Musik, billigem Fusel und peinlichen Aktionen – und nichts davon war für ihn von Interesse. Er widmete sich also wieder seinem Essen und hörte nur mit einem Ohr zu, während er seinen eigenen Gedanken nachhing. Einmal wagte er noch einen kurzen Blick auf Yein, doch die hatte sich ebenfalls aus dem Gespräch verabschiedet und spielte stattdessen an ihrem Handy. Das ganze Mittagessen über wechselten sie kein einziges Wort. Kapitel 2: Odyssee ------------------ Hallo ^^ Tut mir schrecklich leid, dass das Update so lange hat auf sich warten lassen! Ich war so lange hier nicht mehr online und habe es ehrlich gesagt vergessen ^^°° Ich lade das letzte Kapitel dann zu Silvester hier hoch - versprochen ! Like Stardust Kapitel 02 – Odyssee Teil: 2/3 Warning: College!AU, Boys Love (?) Rating: P16 Personen: Jeongguk, Namjoon, Taehyung, Seokjin, Yoongi und Hoseok (BTS), Jimin (BTS, mentioned), Yugyeom (GOT7, cameo), Seongja & Ahri (OC, cameo), Youngjun (HIGH4, cameo), Yein (Lovelyz, cameo) Pairings: Jeongguk x Taehyung (?) Disclaimer: Keiner der hier erwähnten Musiker gehört mir und ich verdiene kein Geld hiermit Viel Spaß beim Lesen! Maya Als Jeongguk am nächsten Morgen wach wurde, stellte er schneller als üblich den Wecker im Handy aus, bevor er in die Dunkelheit spähte, um zu sehen, ob Taehyung noch schlief. Da nach einigen Sekunden noch immer Stille herrschte – von den Atemzügen des anderen abgesehen –, ging er davon aus, dass dies der Fall war und griff nach seinem MP3-Player. Es war gerade sechs Uhr morgens und er hatte keine Ahnung wie sein neuer Mitbewohner darauf reagierte, so früh geweckt zu werden. Also hielt er es für klüger, seiner morgendlichen Routine nachzugehen und abzuwarten. Taehyung hatte ihm zwar gesagt, dass er ebenfalls um acht eine Vorlesung hatte, aber er ging davon aus, dass der Mann mit den roten Haaren selbst dafür sorgen würde, pünktlich aufzustehen. Sie hatten am Vortag nicht mehr viel miteinander gesprochen. Nachdem Jeongguk vom Mittagessen zurück ins Zimmer gekommen war, war Taehyung nicht mehr da gewesen und auch am Nachmittag, nach seinem Workshop, hatte er den Astronomie-Studenten nicht gesehen. Taehyung war erst nach zehn aus seinem letzten Seminar des Tages zurück ins Wohnheim gekommen und ihr kurzer Plausch hatte mehr oder weniger zwischen Tür und Angel stattgefunden. Während der ältere Student sich ohne jedes Schamgefühl aus seiner Kleidung gepellt hatte, war er zwischen Zimmer und Bad hin und hergelaufen, um sich zum Schlafen fertig zu machen und Jeongguk hatte alle Mühe gehabt, überall hinzusehen, nur nicht auf den entblößten Körper seines Mitbewohners. Noch die Musik in den Ohren, wandte Jeongguk seinen Kopf erneut zur Seite. Er konnte im Dunkeln nur vage das rote Haar des anderen erkennen, der Rest des jungen Mannes war unter der Bettdecke verborgen, die sich unter seinen Atemzügen sachte hob und senkte. Zum jetzigen Zeitpunkt wurde Jeongguk noch nicht schlau aus seinem neuen Zimmergenossen. Er war definitiv etwas sonderbar und weniger diskret als Yugyeom, aber dennoch erschien er nett und nicht wie jemand, der Streit suchte. Vielleicht würden sie ja tatsächlich miteinander auskommen. Pünktlich um halb sieben stand Jeongguk auf, streckte seine müden Glieder und ging mit seinen Anziehsachen ins angrenzende Badezimmer. Unter der Dusche dankte er erneut der Universität dafür, dass sie keine großen Gemeinschaftswaschräume hatten. So konnte er sich ohne Gaffer in Ruhe frisch machen und das Wasser genießen, welches seinen Körper hinabrann und seine Müdigkeit den Abfluss hinunter spülte. Als Jeongguk nach dem Anziehen und Haaretrocknen wieder ins Zimmer kam, hatte Taehyung sich noch immer nicht gerührt. Er zögerte einen Moment, bevor er ans Bett des anderen trat und ihn mit dem Knie anstieß, sodass Taehyungs Körper vor und zurück wippte. Ein verschlafenes Grummeln war die einzige Reaktion, also stieß er ihn ein zweites Mal an und erntete dieses Mal ein: „Wassnlos?“ „Es ist gleich sieben“, informierte ihn Jeongguk, „Du musst langsam aufstehen.“ „Ugh... Kann der Morgen nicht erst mittags sein?“, nuschelte der Rothaarige ins Kissen, während er sich auf den Bauch rollte und seine Beine ausstreckte. „Dann wäre der Mittag aber kein Mittag mehr.“ „...Bitte verwirre mich nicht mit Logik.“ Jeongguk schmunzelte und gab ihm einen letzten Stoß – einfach aus Bosheit –, ehe er sich abwandte und zur Tür ging. Als er nach der Türklinke griff, warf er noch einen Blick zurück über die Schulter und beobachtete, wie Taehyung sich aufsetzte und über die Augen rieb. Mit dem Wissen, dass sein Zimmergenosse wach und im Begriff war aufzustehen, verließ er den Raum und ging in die Küche, um seinen Kaffee zu trinken und sich zu vergewissern, dass sein Snack an seinem Platz im Schrank lag. Da sich die Studenten die Schränke in der Küche teilten, geriet schon mal was durcheinander, aber jeder wusste, dass sie ihre Finger von Jeongguks Sachen zu lassen hatten, wenn sie einer unangenehmen Begegnung aus dem Weg gehen wollten. Der Kunst-Student war sehr eigen, was das anging. Vierzig Minuten und zwei Tassen Kaffee später machte Jeongguk sich auf den Weg zu seiner Vorlesung, ohne Taehyung vorher noch einmal gesehen zu haben. Während des Vortrags seines Dozenten in Kunstgeschichte, schweiften seine Gedanken jedoch immer wieder ab zu seinem neuen Mitbewohner. Ihm ging dieser Augenblick des gestrigen Tages nicht aus dem Kopf; wie das Sonnenlicht mit Taehyungs roten Strähnen gespielt und seine Augen zum leuchten gebracht hatte... Es war die perfekte Vorlage für seinen Kurs gewesen und er ärgerte sich etwas, dass er nicht die Chance ergriffen und ein Foto gemacht hatte – andererseits wäre das mehr als seltsam gewesen und hätte Taehyung wahrscheinlich verstört. Ob er ihn einfach mal fragen sollte? Oder war das vielleicht unangemessen? Yugyeom und er hatten sich öfter gegenseitig bei Projekten geholfen, in denen sie zum Beispiel für anatomische Studien posiert hatten, aber er und Taehyung kannten sich noch gar nicht wirklich und ihn darum zu bitten, für ein Foto Modell zu stehen war schon... irgendwie... intim? Als er nach der Vorlesung zu seinem Seminar über Kompositionen ging, nutzte er die Gelegenheit und fragte Seongja um Rat. Die betrachtete nachdenklich ihre Leinwand, während sie etwas mehr Weiß in ihr Grün auf der Palette mischte. Das lange Haar fiel ihr wie gewöhnlich in einem geflochtenen Zopf über den Rücken. Davon abgesehen, dass sie so gut wie jeden Kurs zusammen hatten, war Seongja die einzige weibliche Person, mit der Jeongguk sich des Öfteren tatsächlich unterhielt und es war sogar eine Weile das Gerücht umgegangen, dass die beiden ein Paar waren. Was absurd war, kam Seongja ihm doch eher wie eine Schwester vor als wie ein potentielles romantisches Interesse. Während er auf Seongjas Antwort wartete, ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Räumlichkeiten der Universität, hatte das Atelier keine Deckenlampen, sondern große Oberlichtfenster, die Jeongguk besonders an sonnigen Tagen wie heute als sehr angenehm empfand. In der Mitte des Ateliers stand ein länglicher Tisch mit allerlei Utensilien wie Pinseln, Farbtöpfen und -tuben, Spachteln, Rollen, Tüchern und mehr und mit den Rücken zum Tisch standen die Studenten an ihren Leinwänden. Alle versuchten sie ein Bild zu schaffen, das das Zusammenspiel von Licht und Farbe perfekt zur Geltung brachte. Viele nutzten dafür die Sonne, so sah man verschiedene Sonnenauf- und untergänge oder wie Sonnenlicht in ein Zimmer fiel oder, wie in Seongjas Fall, durch die Blätter einer Baumkrone hindurch. Doch es gab auch einige, die andere Lichtquellen benutzten, wie das grelle Licht elektronischer Geräte oder den warmen Schein von entzündeten Kerzen. Jeongguk hatte sich für eine altmodische Laterne entschieden, inmitten eines blühenden Gartens. Als er das Motiv gewählt hatte, hatte er es für eine gute Idee gehalten – laut seines Dozenten war es das auch –, aber jetzt hätte er lieber etwas gemalt, das etwas kräftiger in den Farben war... und mehr Rot aufwies... „Hmmm“, holte ihn da Seongja aus seinen Gedanken, „Weißt du, vielleicht sehen auch nur wir etwas Besonderes darin, ein Foto von jemandem zu machen. So als Kunst-Studenten. … Für Taeyang ist es wahrscheinlich keine große Sache.“ „Taehyung“, korrigierte er seine Kommilitonin und ließ den Pinsel sinken, „Sein Name ist Taehyung. Aber findest du nicht, dass das eine seltsame Bitte ist, wenn man sich noch keine 24 Stunden lang kennt?“ Seongja antwortete nicht sofort, während sie die Augen zusammenkniff und konzentriert einige Pinselstriche setzte. Jeongguk fand, dass das irgendwie niedlich aussah, wie die Ältere in dem beklecksten Hemd dastand und mit dem Gesicht so nah an der Leinwand, dass sie sie beinahe mit der Nase berührte. Als Seongja schließlich mit ihrem Werk zufrieden war, trat sie wieder einen Schritt zurück, schürzte die Lippen und nickte dann, ehe sie sich wieder Jeongguk zuwandte. „Ja, schon“, stimmte sie zu, „Aber du musst ihn ja nicht sofort fragen. Warte halt, bis ihr euch etwas besser kennt, bis zur Abgabe des Projekts ist ja noch genug Zeit.“ Jeongguk ließ sich den Gedanken durch den Kopf gehen. Seongja hatte recht, es war noch einige Wochen hin, bis er seine Arbeiten beim Dozenten einreichen musste. Er würde abwarten, wie sich die Beziehung zu seinem neuen Zimmergenossen bis dahin entwickelte und vielleicht konnte er ihn tatsächlich einfach fragen. Für Taehyung war es wahrscheinlich wirklich keine große Sache und schüchtern zu sein schien er auch nicht gerade. Also nickte er zustimmend, doch Seongja war schon wieder in ihre Arbeit vertieft und Jeongguk tat es ihr gleich. Nach dem Seminar über Kompositionen folgte noch eine langatmige Vorlesung, bevor er in den Feierabend entlassen wurde. Für heute war er fertig mit seinen Kursen, doch die beiden Vorlesungen schlauchten ihn jedes Mal aufs neue – er war praktisch veranlagt und langes Zuhören und Stillsitzen zermürbte ihn. Alles, was er jetzt wollte, war, ins Wohnheim zurückzukehren, sich seinen Snack aus dem Schrank zu schnappen und in sein Zimmer zurückzuziehen, um bei Musik auszuspannen, bevor er sich wieder seiner lästigen Tonarbeit widmete. Sie musste in der kommenden Woche fertig sein und bislang war ihm noch nichts gelungen, das ihn auch nur ansatzweise zufriedenstellte. Er lag noch viel Arbeit vor ihm. Also betrat er wenige Minuten später die Wohnheimküche, ging zum Schrank und – griff ins Leere. Verdattert blinzelte er einige Male, bevor er mit der Hand einige Tüten mit Snacks beiseite schob, um nach seinen Teigtaschen zu suchen. Heute Morgen waren sie doch noch da gewesen? „Youngjun, hast du meine Teigtaschen gesehen?“, fragte er den älteren Studenten, der in dem Moment in die Küche kam. „Deine Teigtaschen?“, erwiderte dieser verwirrt und trat neben ihn, „Da wo sie immer sind.“ „Eben nicht!“, gab Jeongguk mürrisch von sich und ließ die Schranktür etwas lauter zufallen als nötig. Er ignorierte Youngjun, der den Mund öffnete, um noch etwas zu sagen und machte sich mit zügigen Schritten auf den Weg in sein Zimmer. Seine Laune war im Keller. Und nachdem er die Tür aufgerissen und einen Blick auf seinen neuen Mitbewohner geworfen hatte, wurde es nicht besser. Der Rothaarige lag in seinem Bett, offensichtlich am schlafen, und auf dem Nachttisch thronte die leere Verpackung seiner 'Teigtaschen nach Pizza-Art'. Sein Blick verfinsterte sich. „Taehyung!“, entfuhr es ihm zwischen zusammengebissenen Zähnen, als er zum Bett ging und dem Schlafenden sein Knie in den Rücken stieß. Irritiert schlug der Astronomie-Student die Augen auf und blinzelte zu ihm hoch. Er schien von Jeongguks düsterem Gesichtsausdruck unbeeindruckt und gähnte herzhaft. „Taehyung, die Teigtaschen gehörten mir!“ „Ich kauf dir neue“, nuschelte Taehyung und drehte sich wieder zur Seite, um weiterzuschlafen. Dieses Mal gab Jeongguk ihm einen Tritt. „Da hab ich aber jetzt nichts von!“, warf er in einem mühsam kontrollierten Tonfall ein und spürte die kleine Ader in seiner Schläfe puckern. Er wusste, dass es ihm nichts brachte, jetzt deswegen zu explodieren, aber dieser rationale Gedanke schmälerte seinen Ärger kein bisschen und der Tritt war eine kleine Genugtuung gewesen. Dem Astronomie-Studenten schien nun zu dämmern, dass er keinen Schlaf finden würde, ehe die Sache nicht geklärt war und setzte sich schwerfällig auf. Er gähnte noch einmal und rieb sich über die Augen, bevor er – nun seinerseits verärgert – zu Jeongguk aufsah. „Hey, tut mir leid, ja?“, sagte Taehyung mit noch vom Schlaf kratziger Stimme und klang kein bisschen entschuldigend, „Ich hab nicht gewusst, dass es deine Teigtaschen waren und dass du gleich einen Anfall bekommst, wenn ich sie esse. Ich kauf dir nachher neue, okay?“ „Es geht hier ums Prinzip“, machte Jeongguk klar und fixierte seinen Mitbewohner mit stechendem Blick, „Kauf dir deine eigenen Sachen und lass die Finger von meinen!“ „Ist ja gut“, grummelte Taehyung missmutig, „Außerdem bin ich älter als du, also wenn wir schon bei Prinzipien sind: Nenn mich in Zukunft 'Hyung'.“ Und mit einem giftigen Blick seinerseits, beendete er das Gespräch, drehte sich um und im nächsten Moment war der rote Haarschopf unter der Bettdecke verschwunden und das Thema gegessen. Jeongguk stand wie vom Donner gerührt da. Er spürte seine Augenbraue zucken und er verließ schnell das Zimmer, bevor er etwas tat, was er später bereute. Ohne ein weiteres Wort rauschte er an dem verdatterten Youngjun vorbei aus dem Wohnheim und stiefelte grimmig über den Campus, um zum Einkaufscenter zu gehen. Jeongguk gestand sich ein, dass er vielleicht ein klein wenig überreagierte, aber er hasste es wie die Pest, wenn man ohne Erlaubnis seine Sachen anfasste. Er musste wissen, dass alles an seinem Platz war. Wenn er morgens wach wurde, musste der MP3-Player auf dem Nachttisch liegen, wenn er zum duschen ging, mussten sein Shampoo und die Tücher an ihrem Platz sein, wenn er ins Wohnheim zurückkam, mussten seine Snacks und sein Geschirr dort im Schrank sein, wo er sie zuletzt hin geräumt hatte. Seine Hälfte vom Zimmer mochte chaotisch aussehen, doch auch hier hatte alles seinen Platz und er wusste, wo er seinen liebsten Bleistift, die aktuellsten Skizzen, seine Notizen und was er sonst noch so brauchte fand. Es war ein geordnetes Chaos und sein Körper geriet in Stress, wenn etwas nicht dort lag, wo es sein sollte. Und es verärgerte ihn ungemein, dass Taehyung sein Eigentum nicht als solches ansah und sich einfach bedient hatte. Verdrossen schob er sich eine der neuen Teigtaschen in den Mund und kickte einen Stein vom Fußweg. Er konnte nur hoffen, dass die Message bei Taehyung angekommen war und er in Zukunft die Finger von seinen Sachen lassen würde. - Er schlug die Augen auf. Überrascht blinzelte er in die Dunkelheit und fragte sich, was ihn geweckt hatte. Er lauschte für einen Moment, doch als er nichts hörte, schüttelte er den Kopf, fuhr sich schnaufend mit der Hand über das Gesicht und drehte sich dann zur Wand, um weiterzuschlafen. Als er sich die Decke zurück über die Schulter ziehen und die Augen schließen wollte, hörte er schließlich ein verdächtiges Klappern und hielt in der Bewegung inne. Jeongguk zog ratlos die Stirn kraus und stützte sich auf den Ellbogen. Er ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen und bemerkte dabei, dass das Bett auf der gegenüberliegenden Seite leer war. Erneut war ein Geräusch zu hören und der Student realisierte, dass es aus der Küche kam. Genervt, aber auch einen Funken neugierig, schlug er die Bettdecke zur Seite und stand auf. Kaum hatte er die Zimmertür geöffnet, gelangte ihm der Geruch von frischem Gebäck in die Nase. Verwundert fuhr er sich mit einer Hand durch das vom Schlafen zerzauste Haar und tapste im Dunkeln die paar Meter durch den Flur, bis er die Küche erreichte. Dort erwartete ihn eine Überraschung: Auf der Arbeitsfläche standen Päckchen mit Mehl und Zucker, eine angebrochene Packung Eier, eine Tüte Milch, ein aufgeschraubtes Glas Nutella, mehrere Phiolen Aroma und allerlei weitere Zutaten, die man zum Backen benötigte. Die gesamte Platte war mit Mehl bestreut, nur unterbrochen durch Spritzer von Teig und einem beinahe kreisrunden Fleck. Die einzigen Lichtquellen im Raum waren die Lampe über dem Herd und die Beleuchtung des Ofens, die den Arbeitsbereich in einen warmen, orangefarbenen Kegel erhellten. Eine allzu bekannte Gestalt stand an der Spüle, die roten Haare und die sonnengebräunte Haut am glühen, wo sie von dem Licht berührt wurden. „Hyung“, machte er sich bemerkbar und der junge Mann zuckte erschrocken zusammen, ehe er sich zu ihm umdrehte. Sofort erschien ein strahlendes Lächeln auf Taehyungs Gesicht. „Ah!“, meinte er, griff rasch nach einem Tuch und trocknete sich die Hände ab, die er sich gerade gewaschen hatte, „Du kommst gerade recht! Möchtest du einen Schoko-Cookie, Kookie?“ Der Astronomie-Student kicherte amüsiert über sein Wortspiel und ließ das Tuch auf die Abtropffläche neben der Spüle fallen. Dann ging er zum Tisch hinüber und Jeongguk folgte ihm mit dem Blick. Auf dem Küchentisch standen eine Keksdose – zur Hälfte gefüllt – und ein Blech, auf dem die letzte Fuhre Kekse noch an der Luft abkühlte. Taehyung nahm die Dose und hielt sie ihm auffordernd entgegen, noch immer lächelnd und Jeongguk fiel es schwer, ihm aufgrund der nächtlichen Ruhestörung böse zu sein. Langsam kam Jeongguk näher und nahm sich einen Keks. „Eh, danke.“ Taehyung hob abwinkend die Schultern und stellte die Dose zurück auf den Tisch, bevor er die wenigen Schritte zum Ofen nahm und sich vorbeugte, um zu sehen, ob die Kekse braun wurden. „Warum“, begann Jeongguk, noch immer den Keks in der Hand und seinen Blick nicht von dem Astronomie-Studenten abwendend, „Warum backst du mitten in der Nacht Kekse? Es ist drei Uhr morgens, Hyung.“ Taehyung ging vor dem Ofen in die Hocke, die nackten Beine und das Gesicht in oranges Licht getaucht. Er trug nur eine Boxershorts und ein zu groß anmutendes Pyjama-Oberteil und so wie er dort vor dem Ofen kauerte, erweckte er bei Jeongguk den Eindruck eines kleinen Jungen, der ungeduldig auf den Kuchen wartete, den seine Mutter für ein nachmittägliches Kaffee-Kränzchen zubereitet hatte. Die dunklen Augen glänzten und ein glückliches Lächeln zierte sein Gesicht. So als wäre er vollkommen mit sich und der Welt zufrieden. „Mir war gerade danach“, antwortete der Ältere simpel. „Okay“, gab Jeongguk gedehnt von sich und ließ die Hand mit dem Keks sinken, „Wenn dir das nächste Mal mitten in der Nacht danach ist, die Küche in ein Schlachtfeld zu verwandeln, dann tu dies bitte leise. … Hyung.“ Damit wandte er sich ab und ging in ihr Zimmer zurück. Als er sich wieder ins Bett legte, stellte er fest, dass er noch immer den Keks in seiner Hand hielt und biss nach kurzem Zögern hinein. Der Geschmack von Bittermandel und Schokolade ergoss sich auf seine Zunge und er schloss für einen Moment genießend die Augen. Doch bevor er in Gedanken versinken konnte, schüttelte er rasch den Kopf, legte den Keks neben den MP3-Player auf den Nachttisch und schnaubte verärgert. Entschlossen kniff er die Augen zu und mummelte sich zurück unter die Decke. Er sollte schlafen und keine Kekse essen. In drei Stunden würde sein Wecker klingeln und bis dahin wollte er noch etwas Schlaf tanken. So war zumindest der Plan. Der Schreck fuhr ihm so plötzlich in die Glieder, dass er beinahe mit einem Satz aus dem Bett sprang. Alarmiert riss er die Augen auf und brauchte einen Moment, bis er erkannte, was eigentlich los war. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und das Blut rauschte ihm in den Ohren, doch ihm dämmerte schließlich, dass die Stereoanlage aus heiterem Himmel angesprungen war und Musik in morgen-unfreundlicher Lautstärke durch das Zimmer plärrte. Er beeilte sich aufzustehen und legte sich beinahe auf die Fresse, bei dem Versuch, so schnell wie möglich aus dem Bett und zur Anlage zu kommen, um den Lärm abzustellen. Erleichtert atmete Jeongguk auf, als wieder Ruhe einkehrte. Sein Puls raste und beruhigte sich nur langsam. Und das am frühen Morgen... Taehyung schien weit weniger beeindruckt von der ganzen Sache, denn der reckte und streckte sich gemütlich und fragte ihn nur nuschelnd, warum er die Musik ausgestellt hätte. „Hast du etwa den Timer gestellt?“, fragte er fassungslos und sah auf die Uhr. Es war gleich sechs. „Also die Marsmännchen warns nicht“, entgegnete der Rotschopf, ehe er sich aufsetzte und ihn verschlafen und mit abstehenden Haaren anblinzelte. „Bitte sag mir nicht, dass du dich immer so wecken lässt.“ „... Ist das ein Problem?“ Jeongguk musste sich zusammenreißen, um sich nicht mit der Hand vors Gesicht zu schlagen. Oder einem gewissen Jemand. „Ein Prob- Hyung! Es ist nicht mal sechs Uhr morgens! Ich habe beinahe einen Herzinfarkt gekriegt! Schon mal was von einem Wecker gehört?“ Taehyung machte eine abwertende Geste mit der Hand und schwang die Beine aus dem Bett. Er gähnte und kratzte sich unbekümmert am Kopf und Jeongguk spürte eine fiese Migräne anrollen. „Ich habe einen festen Schlaf und brauche morgens einen Muntermacher.“ „Dafür gibt es so ein schwarzes, koffeinhaltiges Getränk, dass sich 'Kaffee' nennt.“ Der Astronomie-Student lachte und stand auf. „Glaub mir: Ich bin auf Koffein nur schwer zu ertragen!“ „... Nur auf Koffein?“ „Yah!“ Taehyung schnipste ihm den Finger gegen die Stirn, dass es knallte. „Hyung!“ Sein Mitbewohner streckte ihm bester Laune die Zunge raus und drehte eine Pirouette, um anschließend ins Bad zu hüpfen. Die Tür knallte zu und Jeongguk hörte den Klodeckel gegen die Fliesen scheppern. Er spürte seine Augenbraue zucken und das schmerzhafte Pochen in der Schläfe und beschloss, dass er heute schon vor der morgendlichen Dusche einen Kaffee brauchte. Einen starken Kaffee. Am besten intravenös. - Das Zusammenleben mit Taehyung erwies sich als... minimal strapaziös. Nach dem ruppigen Weckmanöver hatten die beiden Zimmergenossen einen Kompromiss geschlossen, der dazu führte, dass Jeongguk an den zwei Tagen, an denen Taehyung früher zur Vorlesung musste, ebenfalls früher aufstand, um den Älteren zu wecken. Das war nicht weiter schlimm. Das, was Jeongguk an den Rand des Wahnsinns trieb, waren die dummen Marotten des anderen. Nicht nur, dass Taehyung ihm den bescheuerten Spitznamen 'Kookie' verpasst hatte, nein, er hatte auch absolut kein Gefühl für Diskretion und wuselte ständig um ihn herum, während er versuchte zu arbeiten. Taehyung sah ihm beim Malen über die Schulter, stellte dämliche Fragen oder textete ihn mit unnützem Wissen und astronomischen Fakten zu. Nein, er hatte nicht gewusst, dass Katzen beim Gebären schnurren. Nein, er hatte nicht gewusst, dass die Wahrscheinlichkeit größer war, durch eine Waschmaschine oder Kokosnuss zu sterben als durch einen Hai. Und er hatte es bislang gut durchs Leben geschafft, ohne diese Dinge zu wissen, danke. Wenn er Jeongguk nicht gerade nervte, dann tat er es indirekt, indem er sich lautstark mit seinem besten Freund Jimin unterhielt. Entweder am Telefon oder die beiden saßen mit Taekout auf Taehyungs Bett, sodass das Zimmer nach wenigen Minuten nach Bratenfett und kalten Nudeln stank. Die Liste ging beinahe endlos weiter. So ließ der Ältere zwar jetzt seine Finger von den Snacks der anderen Studenten, kam aber zu den unmöglichsten Zeiten auf die Idee, zu kochen oder zu backen. Wer aß bitteschön um halb zwei in der Nacht Spaghetti? Taehyung ließ gebrauchtes Geschirr im Zimmer stehen, verlegte Jeongguks Sachen, benutzte sein Shampoo, borgte sich von ihm Oberteile, hörte Musik während der Hausarbeiten und sang dabei laut mit, sprang plötzlich in Gedanken versunken auf und lief eine Runde durchs Zimmer, bevor er sich wieder setzte als wäre nichts gewesen, führte Selbstgespräche... „Er treibt mich in den Wahnsinn!“, rief er frustriert und ließ sich auf das Bett seines Cousins fallen, wo er mit dem Gesicht nach unten liegen blieb. Namjoon saß an seinem Schreibtisch und warf ihm einen amüsierten Seitenblick zu, ehe er gelassen weiterschrieb. Es war nicht das erste – und bestimmt nicht das letzte – Mal, dass Jeongguk in seinem und Yoongis Zimmer auftauchte und sich über seinen Mitbewohner beschwerte. Taehyung und er teilten sich nun seit fast zwei Wochen ein Zimmer und bislang war es Namjoon und den anderen erspart geblieben, mit dem Astronomie-Studenten näher Bekanntschaft zu schließen. Wenn Jeongguk sich mit ihnen zum Mittagessen in der Mensa traf, schlief Taehyung meistens. Der Ältere hatte an vier Tagen die Woche spätabends Kurse und durch seine Angewohnheit, mitten in der Nacht aufzustehen, um spontanen Hirngespinsten nachzugehen und fragwürdigen Gelüsten zu frönen, holte er den verpassten Schlaf tagsüber nach. Doch hatte Jeongguk mittlerweile herausgefunden, dass zumindest Hoseok und Namjoon Taehyung und Jimin flüchtig von diversen Partys kannten. Scheinbar waren die beiden Freunde gern gesehene Gäste und waren in der Vergangenheit bereits das ein oder andere Mal mit Namjoon und Co zusammengetroffen. Er kannte jedoch keine Details. „Schon Mord in Betracht gezogen?“ „Klingt illegal.“ „Yoongi, das ist nicht sehr hilfreich.“ Yoongi zuckte mit den Achseln, Namjoon rollte mit den Augen und Jeongguk schnaubte amüsiert. Der Kunst-Student hielt sich gerne bei den beiden Älteren im Zimmer auf. Er stand seinem Cousin sehr nahe und Yoongi hatte, entgegen seiner harten Schale, einen weichen Kern und war immer für ihn da. Darüber hinaus hatte er im Laufe der letzten Wochen ein gewisses Interesse dafür entwickelt, die beiden Zimmergenossen etwas genauer zu beobachten. Etwas in der Art und Weise, wie die beiden miteinander umgingen, unterschied sich von ihrem Verhalten ihren anderen Freunden gegenüber. Ihm war zum Beispiel aufgefallen, dass Namjoon Yoongi, wenn sie unter sich waren, nur selten mit 'Hyung' ansprach und einmal war Yoongi sogar ein 'Joonie' herausgerutscht. Davon abgesehen, schien sein Cousin immer ein wenig zu bedacht darauf, wie Yoongi sich fühlte, was er sagte und wie er sich verhielt und Yoongi war Namjoon gegenüber weniger griesgrämig und schenkte ihm sein aufrichtigstes Lächeln. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein, aber die beiden schienen sich näher zu stehen, als sie nach Außen hin zeigen wollten. Wer wusste schon, wie Namjoon und Yoongi miteinander umgingen, wenn sie alleine waren? Jeongguk hatte nie darüber nachgedacht, ob jemand von seinen Freunden vielleicht schwul sein könnte, auch wenn er sich daran erinnerte, dass Yoongi einmal gesagt hatte, dass ihm das Geschlecht nicht wichtig sei. Und wenn er Namjoon und Yoongi so betrachtete, dann stellte er fest, dass es ihn nicht störte, sollten die beiden wirklich Gefühle füreinander hegen, die über Freundschaft hinaus gingen. „Was hat er denn diesmal gemacht?“, fragte der Psychologie-Student und stützte sein Kinn auf die Handfläche. Er schien einen gelassenen Eindruck machen zu wollen, doch seine Augen funkelten und sein Mundwinkel kräuselte sich leicht, offenbarten, dass sich der Ältere gut unterhalten fühlte. Jeongguk konnte es ihm nicht wirklich übel nehmen. „Die Frage ist eher, was er nicht macht“, erwiderte er grimmig und zog die Augenbrauen tiefer, um seinem Gemütszustand mehr Ausdruck zu verleihen, „Ich meine, er ist Naturwissenschaftler, da sollte er eigentlich wissen, dass Klopapier kein natürlich nachwachsender Rohstoff ist.“ Yoongi gluckste unterdrückt und Namjoons Lippen verzogen sich zu einem belustigten Lächeln. „Mehr nicht?“, hakte Namjoon nach und Jeongguk setzte sich auf, ließ die Schultern erschlagen nach unten sacken und sah mit einem tiefen Seufzen hilfesuchend himmelwärts. „'Mehr nicht'?“, wiederholte er, „Er ist einfach unmöglich!“ Seine Hände flogen erregt in die Höh und Namjoons Heiterkeit stieg proportional zu Jeongguks Ärger. „Seit er im Zimmer ist, kann ich nicht mehr in Ruhe arbeiten. Dass ich meine Tonarbeit noch rechtzeitig in den Brennofen bekommen habe, grenzt an ein Wunder! Ständig wuselt er um mich herum, sieht mir beim Malen über die Schulter und löchert mich mit Fragen oder textet mich mit Dingen zu, die mich überhaupt nicht interessieren! Er- Warum lachst du?“ Namjoon hatte es aufgegeben, die Fassung zu bewahren und lachte nun ausgelassen. Seine Grübchen traten hervor und für einen Moment fielen seinem Cousin die Augen zu, bevor er sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel wischte und ihn ansah. „Entschuldige“, gluckste er und stand vom Schreibtisch auf, um sich neben Yoongi auf die Matratze fallen zu lassen, „Es ist einfach urkomisch, wie du dich aufregst. Warum bringt er dich denn so auf die Palme? Ich meine, ich weiß ja, dass du ein alter Stinkstiefel sein kannst, aber ich habe noch nie erlebt, dass du dich so dermaßen über jemanden aufregst. Also?“ Diesmal sah Jeongguk drein, als würde er an Namjoons kognitiven Fähigkeiten zweifeln. „Was heißt hier 'also'?“, stellte er die Gegenfrage, „Hast du mir in den letzten zwei Wochen nicht zugehört?“ Namjoon nahm sich einen Moment Zeit, um über seine Worte nachzudenken und musterte den Kunst-Studenten dabei aufmerksam. Jeongguk wusste jetzt schon, dass ihm die Antwort des Älteren nicht gefallen würde. „Weißt du“, fing er schließlich an und klang überraschend ruhig, wenn man seinen vorangegangenen Lachanfall bedachte, „Ärger entsteht dadurch, dass wir uns persönlich angegriffen fühlen – und je näher man dem anderen steht, desto heftiger die Gefühlsregung.“ „Ich stehe Taehyung überhaupt nicht nah!“, protestierte Jeongguk, doch Namjoon hob nur die Hand und sprach ruhig weiter. „Taehyungs Verhalten mag nicht ganz korrekt sein-“ „Er ist rücksichtslos!“ „-aber du reagierst meiner Meinung nach etwas zu heftig. Er mag ein wenig gedankenlos sein, aber bestimmt steckt da keine böse Absicht hinter. Ich bin sicher, dass er einsichtig sein wird, wenn du im angemessenen Ton mit ihm darüber redest.“ Jeongguk verschränkte bockig die Arme vor der Brust. Warum war er denn jetzt hier der Dumme? Taehyung war derjenige, der keine Rücksicht auf ihn nahm und ihm mit seinem Verhalten den letzten Nerv raubte! Namjoon saß ihm gegenüber und betrachtete ihn mit dem wohlwollenden Blick eines älteren Bruders und das Lächeln, welches seinen Mund umspielte, wirkte sanft, aber bestimmt. Yoongi fand sein Buch plötzlich sehr interessant und hielt sich aus dem Gespräch raus. Auch wenn er sonst dazu neigte, nicht viel darauf zu geben, was andere von ihm und seinen Kommentaren hielten, so mischte er sich doch nie in die Diskussionen zwischen den beiden Cousins ein. Doch gerade jetzt hätte Jeongguk sich gewünscht, dass der Ältere ihm etwas zur Seite stand und vielleicht mit einem flotten Spruch die Situation wieder auflockerte. „Statt dich auf eure Unterschiede zu konzentrieren und dich daran aufzuziehen, solltest du lieber nach Gemeinsamkeiten suchen“, führte Namjoon weiter aus und lehnte sich zurück, „Taehyung ist nicht Yugyeom und damit wirst du klarkommen müssen. Also spring über deinen Schatten und komm ihm auf halbem Wege entgegen.“ Grummelnd stand Jeongguk vom Bett seines Cousins auf und stakste Richtung Tür. „Hör auf mich zu therapieren“, meckerte er, doch fehlte seinem Kommentar der nötige Biss, um wirklich ernst genommen zu werden. Namjoon lächelte. „Kleiner Menschenhasser.“ - Als Jeongguk nur wenige Tage später über den Campus schlenderte, dachte er noch immer über Namjoons Worte nach. Die Hände in die Taschen seines Hoodies vergraben, überquerte er den Hof vor dem Hauptgebäude, ignorierte die anderen Studenten, die in kleinen Grüppchen zusammenstanden und tratschten oder mit einem Buch auf einer der Bänke saßen, und hing seinen Gedanken nach. An seiner Situation hatte sich nichts geändert; Taehyung stellte weiterhin seine Selbstbeherrschung auf die Probe und öfter als ihm lieb war, saß er mit schlechter Laune und Kopfschmerzen in seinen Kursen. Und er schwor bei Gott: Wenn Seongja noch einen einzigen Charlie Brown Witz vom Stapel ließ, ging er die Wände hoch! Er hatte mit einem Mal vollstes Verständnis für Morde im Affekt... Selbst Yugyeom war ihm keine große Hilfe. Bei ihrer letzten Unterhaltung über Skype, hatte der andere zuerst noch versucht, Mitleid zu heucheln, doch schließlich hatte er sich über die Situation genauso amüsiert wie Namjoon. Verräterisches Pack. Ihm würde wohl tatsächlich nichts anderes übrig bleiben, als mit seinem chaotischen Zimmergenossen zu reden, wenn er das kommende Jahr ohne juristisch fragwürdige Zwischenfälle überstehen wollte. Blieb nur zu überlegen, wie er das anstellen sollte. Vielleicht war das etwas zu stereotypisch machomäßig, aber über Gefühle reden war nicht gerade seine Königsdisziplin und er würde lieber Sand kauen als das zu tun. Er war da eher der passiv-aggressive Typ, doch seine Kommentare prallten an Taehyung ab wie ein Flummi. Gutgelaunt lachte der Astronomie-Student nur über „seinen Kookie“ und ließ sich nicht weiter stören. Als er die Bibliothek passierte und in einiger Entfernung das Wohnheim in Sicht kam, zwickte er sich genervt in die Nasenwurzel und atmete tief durch. Er hasste es, sich einzugestehen, dass Namjoon mit seiner Analyse der Situation recht hatte. Er regte sich zu sehr auf. Und vielleicht zeigte sich Taehyung nach einem klärenden Gespräch wirklich einsichtig? Vielleicht kämen sie sogar gut miteinander zurecht? Der Ältere war gesellig, optimistisch und begeisterungsfähig – das waren an für sich positive Eigenschaften, die den Astronomie-Studenten nicht gravierend von Hoseok unterschieden und mit diesem kam Jeongguk schließlich auch klar. Allerdings hatte er Hoseok auch nicht ständig um sich und gepaart mit Taehyungs sonderbaren Eigenheiten konnte dies auf Dauer ziemlich anstrengend sein. Zu anstrengend für jemanden wie Jeongguk, der seine regelmäßigen Pausen von... na ja... Menschen brauchte, um sich seine geistige Gesundheit zu bewahren. Ja, er konnte sozial sein, ja, er konnte charmant sein – aber doch keine 24 Stunden am Tag... Yugyeom hatte dies von Anfang an verstanden und ihm seine Auszeiten gegeben. Doch Taehyung war anders. Wenn sie ihr Zusammenleben weniger stressig – vor allem für Jeongguk – gestalten wollten, mussten sie beide in Zukunft Kompromisse eingehen. Da führte kein Weg dran vorbei. Wow, was für eine Erkenntnis. Namjoon wäre ja so stolz auf ihn. Sich bei dem Gedanken ein Lächeln verkneifend, betrat Jeongguk schließlich kurz darauf das Wohnheim und erklomm die Stufen zum ersten Stock. Ja, er würde in den sauren Apfel beißen, die Arschbacken zusammenkneifen und sich dem Problem wie ein Erwachsener stellen. Mit etwas mehr Elan als zuvor, machte er noch einen Abstecher in die Küche, um sich ein Wasser zu holen, und ging dann Richtung Zimmer. Bei seiner Tür angekommen, verharrte er in seiner Tätigkeit, die Flasche aufzuschrauben, und starrte irritiert auf die Türklinke. … Warum hing da eine Boxershorts am Griff? Er ließ seinen Blick weiter nach oben wandern und entdeckte ein Post-It, auf den sein Mitbewohner schwungvoll ein „Sorry Kookie :)“ gekritzelt hatte. Fassungslos fiel ihm die Kinnlade runter. Das konnte doch nicht sein Ernst sein!? Sein Kopf fühlte sich für einen Moment völlig leer an, bevor er ihn schließlich schüttelte und einige Male blinzelte, um sich aus seiner Starre zu befreien. Was zum-? Im Bruchteil einer Sekunde stand er stocksteif in Habachtstellung, als er ein Stöhnen aus dem Zimmer vernahm. Oh Gott. Er spürte das Blut in seine Wangen steigen, als ihm klar wurde, was genau sich da wenige Schritte entfernt von ihm tat. Die Laute, die die beiden Stimmen von sich gaben, das charakteristische Geräusch der nachgebenden Matratze und des Lattenrostes... Jeongguk floh regelrecht aus dem Wohnheim, zurück nach draußen auf den Campus. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen und zu begreifen, was das für ein seltsames Gefühl war, das sich in ihm regte. Seine Brust war wie zugeschnürt und er hatte ein pulsierendes Pochen in den Ohren, ein Kribbeln in der Magengegend, Hitzewallungen – Himmelherrgott, er war doch kein kleines Kind mehr! Es war nicht so, als wäre er völlig von dem Gedanken schockiert, dass sein Mitbewohner gerade Sex hatte, doch irgendetwas an der Situation war einfach... falsch. Erst nach einigen zügigen Schritten an der frischen Luft, klärten sich seine Gedanken und seine Körperfunktionen normalisierten sich wieder. Zurück blieb nur die Frage: Was nun? Ratlos und noch immer etwas aufgewühlt lief er über die Wiese des Vorplatzes. Okay, Taehyung hatte also gerade ein unangekündigtes Stelldichein mit einem anderen Studenten und hatte ihn aus ihrem Zimmer ausgesperrt. Er hatte absolut keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Yugyeom hatte nie Mädchen mit aufs Zimmer genommen und Jeongguk wusste nur, dass er sich ärgerte. Wieder einmal. Wie konnte Taehyung immer nur so rücksichtslos sein? Er wusste doch ganz genau, dass der Kunst-Student um diese Zeit von der Vorlesung kam! Konnte er seine Libido nicht etwas in Zaum halten? „Hey Jeongguk!“, rief da plötzlich jemand gutgelaunt und als der Kunst-Student sich umsah, erblickte er Hoseok, der ihm fröhlich zuwinkte. Bei ihm angekommen, lachte er. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte der Ältere und schwang einen Arm um seine Schultern. Jeongguk brummte nur und Hoseok knuffte ihn während des Laufens in die Seite, sodass sie etwas ins Schwanken gerieten. Wie eigentlich immer war der Journalismus-Student in ausgelassener Stimmung, nicht einmal langweilige Vorlesungen oder Abgabetermine für Hausarbeiten konnten sein sonniges Gemüt trüben. Manchmal beneidete Jeongguk ihn um diese Unbeschwertheit. „Also?“, hakte Hoseok nach, „Was ist los?“ „Taehyung ist los.“ „So wie du das sagst, könnte man meinen, er wäre irgendwo entlaufen.“ „Vielleicht sollte ich herumtelefonieren und fragen, ob ihn jemand vermisst?“, schlug Jeongguk halbherzig vor und brachte den älteren Studenten zum lachen. Der bugsierte ihn weiter über den Campus, vorbei an dem Gebäude, welches das Große Auditorium und die Aula beherbergte und in Richtung der Sporteinrichtungen der Universität. Hier in diesem Teil des Geländes befanden sich das Schwimmbad, das Leichtathletikstadion und auch die Tanzstudios und Übungsräume für die Tänzer und Turner der verschiedenen Disziplinen. „Ach, komm“, säuselte Hoseok und steuerte das 'Performing Arts Center' an, „Warum hasst du ihn so?“ „Ich hasse ihn nicht, Hyung.“ Und das entsprach sogar der Wahrheit. Jeongguk hasste Taehyung nicht, soweit würde er nicht gehen. Er war nur einfach furchtbar anstrengend und Jeongguk war eindeutig nicht sozial kompetent genug, um über Taehyungs verrückten Anwandlungen hinwegzusehen. „Na dann besteht ja noch Hoffnung“, grinste der Journalismus-Student und wuschelte ihm durch die Haare. Dann ließ er von dem Jüngeren ab und suchte in seinen Taschen nach Kleingeld, um sich einen Snack aus dem Automaten zu ziehen. Erst jetzt fiel Jeongguk auf, dass Hoseok Sportkleidung trug. „Gehst du wieder zum Tanzen?“, fragte er deshalb, während er sich versuchte, die Haare zu richten und das Thema zu wechseln. Hoseok beugte sich vor, um die Tüte Chips aus dem Fach zu nehmen und nickte enthusiastisch. Der junge Mann studierte vielleicht Journalismus, aber er war auch ein leidenschaftlicher Tänzer und belegte in seiner freien Zeit immer wieder Kurse. Die vielen Stunden, die Hoseok in das Tanzen investierte, ließen Jeongguk daran zweifeln, ob dieser das richtige Studienfach gewählt hatte. „Musst du nicht in ein paar Tagen eine Hausarbeit abgeben? Ich dachte, du würdest in deinem Zimmer sitzen und schreiben“, bemerkte er und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Hoseok zuckte gelassen mit den Achseln und schob sich einen Chip in den Mund. „Wenn ich heute Abend einen Arbeitsanfall kriege, fang ich vielleicht an. … Oder ich setze mich in die Ecke und warte, bis der Anfall vorbei ist.“ Zum zweiten Mal heute, fiel Jeongguk die Kinnlade runter. „Moment! Du hast nicht einmal angefangen?“ „Mach dir um mich mal keine Sorgen!“, lachte sein Gegenüber und strahlte dabei über das ganze Gesicht, „Ich werde wie immer rechtzeitig fertig. Kümmere du dich mal lieber um dein eigenes Problem!“ „Ugh.“ „Weißt du, Namjoon hat recht,-“ „Hat er das nicht immer?“, warf Jeongguk düster dazwischen, doch Hoseok fuhr unbeirrt fort. „-du solltest wirklich mal mit Taehyung reden. Jimin meint, er mag dich.“ Sie waren unter dem Torbogen am Ende des Weges stehen geblieben und Jeongguk konnte nur mit Mühe verhindern, dass ihm die Kinnlade runter fiel. Okay, was war das hier heute? War er im falschen Film? Lief etwas, von dem er nichts wusste? Das war einer dieser Tage, an denen Hintergrundmusik eine echte Bereicherung seines Lebens wäre. Was sollte das heißen, Taehyung mochte ihn? Und wann hatte Jimin das gesagt? „Moment“, ordnete Jeongguk seine Gedanken und versuchte einen anständigen Satz zu formulieren, „Ich dachte, du kennst die beiden nur flüchtig von Partys? Wann soll Jimin denn dann das gesagt haben, Hyung?“ Hoseok sah kurz erstaunt drein und gab dann ein „Oh!“ von sich, als wäre ihm etwas Wichtiges entfallen. „Hab ich das vergessen zu erwähnen?“, fragte er mit einem verschämten Lächeln und angelte nach einem weiteren Chip, „Ich kenne Jimin vom Tanzen, er ist wie Yein in 'Modern Dance' eingeschrieben, belegt aber auch Hip Hop Kurse. Wir haben nie wirklich viel miteinander geredet – wie man halt so mit seinen Kommilitonen redet –, aber seit Taehyung dein Zimmergenosse ist, sind wir ein paar Mal ins Gespräch gekommen und erst neulich meinte er, dass Taehyung dich mögen würde.“ Der Journalismus-Student unterstrich die Aussage mit einem Achselzucken und schob sich dann den Chip in den Mund. Und Jeongguk versuchte, die neuen Informationen zu verdauen. „Aha.“ Hoseok grinste breit. „Ja, 'aha'! Also zieh den Gürtel stramm, reck das Kinn und lass die Haare wehen – das Wohnheim ist in dieser Richtung!“ Der Ältere lachte fröhlich und gab ihm einen brüderlichen Stoß gegen die Schulter. Doch Jeongguk schürzte die Lippen und rührte sich nicht. „Das ist, ehrlich gesagt, gerade unpassend.“ Hoseok blinzelte irritiert. „Wie, 'unpassend'?“ Jeongguk räusperte sich. „Nun, Taehyung-hyung ist gerade anderweitig beschäftigt“, er warf ihm einen vielsagenden Blick zu, „Wenn du verstehst.“ Der Kunst-Student hatte mit einigen Reaktionen gerechnet, doch nicht mit dem schallenden Lachen des anderen. Während Hoseok sich nicht mehr einzukriegen schien, zog Jeongguk verstimmt die Augenbrauen tiefer. Schön, dass ihn das so erheiterte... Der Journalist – Schrägstrich: Tänzer – hielt sich den Bauch vor Lachen und verlor beinahe seine Chips-Tüte, als er kurz die Balance verlor. „Oh, shit, sorry!“, brachte er schließlich hervor und Jeongguk verschränkte abwartend die Arme, „Ich hätte dich vielleicht vorwarnen sollen.“ „Vorwarnen?“ Ihm schwante Übles. „Nun ja, weißt du, da gibt es... Gerüchte. Na ja, nicht wirklich 'Gerüchte', also, weißt du-“ „Könntest du vielleicht zum Punkt kommen? … Hyung“, fuhr Jeongguk gereizt dazwischen und verlangte eine klare Aussage des Älteren. Wovor hätte Hoseok ihn warnen sollen? Der Journalismus-Student seufzte. „Sagen wir so. Taehyung und Jimin sind viel auf Party und, na ja, da kommt es nun mal schon vor, dass da der ein oder andere mal... abgeschleppt wird. Um ehrlich zu sein, ist Taehyung bekannt dafür, dass er... viel rumkommt.“ Dieses Mal fiel Jeongguk die Kinnlade wirklich runter. Was? Bei dem entsetzten Gesichtsausdruck des Jüngeren, versuchte Hoseok das Gesagte etwas zu beschönigen. „Aber das sind natürlich nur Gerüchte!“, wandte er rasch ein und knüllte die leere Chipstüte in den Händen zusammen, „Ich selbst habe nur einmal erlebt, wie er mit jemandem zusammen die Party verlassen hat und erzählen können die Leute viel. Taehyung ist nun mal sehr... aufgeschlossen und nicht gerade kontaktscheu. Herumknutschen tut er fast immer auf Party, aber Sex? Wer weiß, ob die Typen ihn wirklich im Bett hatten.“ Jeongguk fühlte sich leicht schwindelig. Na toll. Promiskuität nannte man das; wäre Taehyung eine Frau, würde man ihn eine Schlampe nennen! Was hatte er nur verbrochen, um so einen Zimmergenossen zu verdienen? Was? Er stöhnte und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Hoseok schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Ach, komm. Ich bin sicher, es ist nicht so schlimm, wie man sich erzählt und das heute ist nur eine Ausnahme.“ Als Jeongguk gerade etwas erwidern wollte, trat jemand anderes in sein Blickfeld und lenkte ihn für einen Moment ab; Yein kam gerade aus dem Gebäude, die Haare zu einem Dutt hochgesteckt, in einen weinroten Leotard und schwarze Stulpen gekleidet, ihre Bloch Eclipse Tanzschuhe in der einen und eine Flasche Wasser in der anderen Hand – und sah genau in seine Richtung. Nach einem kurzen Zögern lächelte sie und hob schüchtern die Hand zum Gruß. Nicht bei der Sache, erwiderte Jeongguk den Gruß und widmete sich dann wieder Hoseok, der schelmisch mit den Augenbrauen wackelte. „Wo wir schon beim Thema sind: Was läuft da eigentlich zwischen dir und Yein, huh?“ Jeongguk bekam Kopfschmerzen. Dieser ganze Tag war einfach nur total beschissen und er wollte sich ins Bett legen, die Decke über den Kopf ziehen und der Welt den Stinkefinger zeigen. Langsam den Kopf schüttelnd, schloss er die Augen und seufzte, ehe er sich ohne ein weiteres Wort abwandte und Hoseok wie einen begossenen Pudel stehen ließ. Er war eindeutig nicht in der Verfassung, angemessen auf diese Frage zu antworten. Also ließ er es ganz bleiben. Kapitel 3: Reunion ------------------ Hallo ^^ Ja, es hat länger gedauert als versprochen. That's life. Aber hier ist endlich das letzte Kapitel! Like Stardust Kapitel 03 – Reunion Teil: 3/3 Warning: College!AU, Boys Love (?) Rating: P16 Personen: Jeongguk, Namjoon, Taehyung, Seokjin, Yoongi und Hoseok (BTS), Jimin (BTS, mentioned), Yugyeom (GOT7, cameo), Seongja & Ahri (OC, cameo), Youngjun (HIGH4, cameo), Yein (Lovelyz, cameo) Pairings: Jeongguk x Taehyung (?) Disclaimer: Keiner der hier erwähnten Musiker gehört mir und ich verdiene kein Geld hiermit Viel Spaß beim Lesen! Maya „Du kannst schlafen, mit wem du willst, aber nicht in diesem Zimmer!“, machte Jeongguk klar und ließ sich von Taehyungs Sticheleien nicht beeindrucken, „Das ist hier ab heute eine Sex-freie Zone!“ Er unterstrich die Aussage mit einer energischen Handbewegung. Als Jeongguk nach dem Abendessen in ihr gemeinsames Zimmer zurückgekehrt war und dem Rothaarigen gesagt hatte, dass sie dringend miteinander sprechen mussten, war er noch davon überzeugt gewesen, ruhig seinen Standpunkt darlegen zu können. Doch wurde er kurz darauf eines Besseren belehrt und erneut kämpfte er mit diesem lästigen Pochen in seiner Schläfe. Er hatte noch nie zuvor Probleme mit Migräne gehabt, doch seit er sich mit Taehyung das Zimmer teilte, fühlte er sich ständig so, als wolle ihm jemand den Schädel spalten. Man sollte dem jungen Mann ein Etikett auf die Stirn tackern, mit dem Warnhinweis, dass es bei längerer Ausgesetztheit zu gesundheitlichen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Reizbarkeit und Schlafstörungen kommen konnte. Er wusste nicht, was es war, aber irgendetwas an Taehyung reizte ihn, dass es ihm schwer fiel, seine Fassung zu bewahren. Während er anderen gegenüber meist gelassen bleiben und eine emotionale Distanz schaffen konnte, gelang es Taehyung mit seiner bloßen Anwesenheit, ihn aus der Reserve zu locken und all seine hässlichen Seiten zum Vorschein zu bringen... „Oh, Kookie, das war einmal“, gurrte Taehyung und spielte den Vorfall weiter herunter. Er saß auf seinem Bett und sah aus großen, unschuldigen Augen zu ihm auf. Jeongguk war nicht gerade ein Sherlock Holmes, wenn es darum ging, andere Leute zu durchschauen, doch selbst ihm entging das amüsierte Funkeln nicht. „Es kommt nicht wieder vor, großes Ehrenwort!“ Der Kunst-Student rollte mit den Augen. „Das hast du auch zu den unangemeldeten Besuchen von Jimin gesagt. Und zu dem Geschirr im Zimmer, meinen Klamotten, die du dir ständig leihst, dem Taekout im Kühlschrank-“ „Das hab ich doch weggeworfen?“ „Nein, hast du nicht. Und mittlerweile ist es grün und pelzig – Essen sollte nicht grün und pelzig sein.“ Taehyung schenkte ihm sein boxähnliches Grinsen. „Ich werf es morgen Früh weg, versprochen.“ „Ernsthaft, Hyung, ich glaub es lebt. Immer wenn ich die Tür aufmache, starrt es mich an.“ Der Rothaarige brach in schallendes Gelächter aus und warf sich rücklings auf die Matratze. In dem Moment wurde Jeongguk klar, dass er diese Diskussion verloren hatte. Mit einem tiefen Seufzen, setzte er sich auf die Bettkante und sah dem Älteren dabei zu, wie er sich lachend den Bauch hielt und mit den Beinen strampelte. „Mensch, Kookie!“, japste Taehyung und rollte sich kichernd und glucksend auf die Seite, um den Jüngeren anzusehen, „Das ist irgendein verdorbenes Lebensmittel und nicht das Ding aus dem Sumpf!“ „Sieht aber so aus“, knurrte er. „Okay, okay, ich werf es weg.“ Und tatsächlich stand der Rothaarige mit einem breiten Grinsen auf und verschwand aus dem Zimmer. Jeongguk hörte, wie er auf seinem Weg in die Küche gutgelaunt andere Studenten grüßte und einige Worte mit ihnen wechselte. Vom ersten Tag an, hatte Taehyung sich mit den anderen Bewohnern ihrer Etage auf Anhieb verstanden. Er war dieser Typ Mensch, der einfach aus dem Nichts auftauchte und sich sofort mit allen anfreundete, scherzte und lachte und bei allen beliebt machte. Selbst Jeongguk fiel es schwer – auch jetzt, genervt und mit Kopfschmerzen –, ihm wirklich böse zu sein. - In den darauffolgenden Tagen gab Taehyung sich erstaunlicherweise große Mühe, Jeongguk nicht unnötig zu verärgern. Er räumte sein Geschirr in die Spülmaschine, setzte zum Musikhören die Kopfhörer auf und wenn er sich mit Jimin unterhalten wollte, dann traf er sich mit ihm außerhalb des Zimmers, sodass Jeongguk ungestört arbeiten konnte. Natürlich konnte Taehyung sich nicht von jetzt auf gleich komplett ändern und so kam es auch weiterhin vor, dass der Rothaarige ihn zutextete, wann immer er konnte, sich seine Oberteile lieh, nachts kochte und backte und geistesabwesend durchs Zimmer lief. Aber jetzt, da Taehyung versuchte Ordnung zu halten und seinen Mitbewohner nicht unnötig zu stören, brachten ihn diese Dinge weit weniger auf die Palme als zuvor und er erwischte sich dabei, wie er begann die Gesellschaft des anderen von mal zu mal mehr zu genießen. Jeongguk konnte es sich nicht erklären. Doch Taehyungs Erzählungen vom Universum, seine unnützen Fakten und sein ulkiges Lachen waren zu einer Art kontinuierlichem Hintergrundgeräusch geworden, wenn er in ihrem Zimmer an der Leinwand stand oder auf seinem Bett saß und wahllos in seinem Skizzenbuch kritzelte. Taehyung lachte über spontane Aktionen wie das eine Mal, als er ein Straßenschild geklaut hatte oder philosophierte darüber, wofür man eigentlich den kleinen Zeh brauchte, da der doch ziemlich sinnlos sei. Er war außerdem der festen Überzeugung, dass es Leben im All gab – und nach einem dreißigminütigen Vortrag über das Alter des Universums, die Anzahl ihrer Galaxien und Sterne und potentiellen Planeten in einer möglichen habitablen Zone, war Jeongguk der Auffassung, dass es seinem Wohlergehen abträglich wäre, einer anderen Meinung zu sein. Auch hatte Jeongguk sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Taehyung im Bett lag, wenn er aus seinen Vormittags-Lesungen kam und mitten in der Nacht aufstand. Aber nur, weil er sich daran gewöhnt hatte, hieß das nicht, dass er weniger genervt davon war, wenn er von dem Älteren geweckt wurde. Es war eine Mittwochnacht, als Taehyung ihn jedoch nicht unabsichtlich durch sein Aufstehen weckte, sondern ihn an der Schulter packte und wach rüttelte. Verwirrt schlug Jeongguk die Augen auf und das erste was er sah, war das strahlende Lächeln des Älteren, der ganz aufgeregt schien. „Kookie!“, rief er, „Kookie, steh auf und zieh dich an!“ Irritiert warf der Kunst-Student einen Blick auf seine Uhr und blinzelte einige Male, um seine Sicht zu klären. Nachdem die verschwommenen Umrisse endlich Schärfe angenommen hatten, riss er die Augen auf. „Hyung! Es ist kurz nach drei!“ Frustriert drehte er sich zur Wand und zog sich die Decke über den Kopf, entschlossen, seinen Mitbewohner zu ignorieren und weiterzuschlafen. Doch Taehyung ließ sich davon nicht beeindrucken. Er gluckste fröhlich, zog an Jeongguks Decke und versuchte seinen brummigen Zimmergenossen zum Aufstehen zu bewegen. Der Kunst-Student jedoch hatte andere Pläne und klammerte sich an den Stoff, um ihn dort zu behalten, wo er hingehörte. Verdammt, er brauchte seinen Schlaf! Bockig rollte er sich ein und brachte den anderen damit nur noch mehr zum lachen. „Steh auf! Ich muss dir was zeigen!“ „Kann das nicht bis morgen warten?“ „Nein!“ Und mit einem Ruck, landete Jeongguk auf dem Boden zu seinen Füßen. „Hyung!“, begann der Jüngere, doch wieder einmal kam er nicht dazu, seinem Unmut Luft zu machen. Als er nach oben sah und Taehyungs euphorisches Gesicht sah, bekam er keinen Ton raus. Selbst im Halbdunkel ihres Zimmers, schienen die Augen des anderen zu glühen, seine Wangen waren gerötet und sein Atem ging schneller als gewöhnlich. Jetzt, wo er ihn genauer betrachtete, konnte er sehen, dass Taehyung wohl gerade von draußen kam und er spürte die frische Nachtluft, die den Astronomie-Studenten umgab und auf ihn niederfiel wie sanfter Sommerregen. Sein Atem stockte, als Taehyung ihm mit seinen langen Fingern durch die Haare fuhr und sagte: „Zieh dich an, ich verspreche, es wird dir gefallen.“ Seine Stimme war ruhiger als zuvor, doch die Aufregung ließ sie vibrieren und jagte Jeongguk einen Schauer über den Rücken. Und so zog er sich an und ließ sich von Taehyung an der Hand aus dem Wohnheim und über den Campus führen. Er erkannte schnell, wohin die Reise gehen sollte – das Gebäude, welches das naturwissenschaftliche Institut der Universität beherbergte, lag direkt vor ihnen und Taehyung hielt gerade darauf zu. Jeongguk wusste, dass die obere Etage den Physik-Fachkräften und -Studenten zur Verfügung standen, während im Erdgeschoss die Biologen ihre Kursräume und eine kleine Grünanlage hatten. Genau diese durchquerten die beiden und als Jeongguk den hellen Schein sah, der die Pflanzen zum leuchten brachte, sah er gen Himmel und erkannte, dass Vollmond war. Hier, mitten in der Großstadt, konnte man die Sterne nicht sehen, aber es war eine wolkenlose Nacht und der Mond zeigte sich in seiner ganzen Pracht. Als Taehyung seine Finger mit seinen verhakte, riss er sich von dem Anblick los. „Nicht träumen, Kookie“, schmunzelte der Ältere und rieb ihre Nasen aneinander. Jeongguk war so verdutzt, dass er an Ort und Stelle verharrte. Doch blieb ihm keine Zeit, seine Gedanken zu ordnen und versuchen zu begreifen, was hier gerade vorging, denn Taehyung drehte sich schwungvoll um seine eigene Achse und zog ihn weiter. „Komm!“, forderte er ihn auf, „Rauf aufs Dach!“ „Aufs Dach?“, stieß Jeongguk hervor, als er dem Rothaarigen hinterher stolperte, „Was wollen wir denn auf dem Dach?“ Doch Taehyung antwortete ihm nur mit einem geheimnisvollen Zwinkern und heiterem Gelächter. Er ließ Jeongguks Hand nicht für eine Sekunde los, während er durch die Gänge des Gebäudes trabte, die Stufen empor hüpfte und schließlich die Tür zum Dach aufstieß. Jeongguk war noch nie auf dem Dach des naturwissenschaftlichen Komplexes gewesen, doch unterschied es sich nicht im Wesentlichen von den anderen Dächern der Universitätsgebäude. Der einzige Unterschied war, dass hier drei beeindruckende Teleskope standen – alle leicht verschieden in Größe und Bauweise. Das größte von ihnen war mit einer Plane bedeckt, ebenso wie das Teleskop daneben, doch das dritte stand offen da und war scheinbar von jemandem in Position gebracht worden. Der Astronomie-Student versicherte sich nur kurz, dass alles so war, wie er es zurückgelassen hatte und schob Jeongguk dann vor das Instrument. „Hier“, forderte er ihn auf, „Sieh durch!“ Der Ältere strahlte ihn erwartungsvoll an und erneut machte er auf ihn den Eindruck eines kleinen Jungen, begeisterungsfähig und erpicht darauf, andere an seiner Freude teilhaben zu lassen. Jeongguk lächelte belustigt und schüttelte leicht den Kopf über seinen Mitbewohner, ehe er sich vorbeugte und endlich einen Blick durch das Teleskop warf. Und dann stand die Erde mit einem Mal still. Hatte Jeongguk bei seinem letzten Blick in den Himmel keine Sterne und nur den Mond gesehen, so war das Bild, was sich ihm jetzt bot, eine wahre Explosion von Lichtern. Ihm fehlten die Worte, um die Schönheit vor seinen Augen zu beschreiben, doch es sah aus, als hätte eine Blume ihre Blüten geöffnet und ein Dutzend Sterne in einem leuchtenden Nebel aus ihrem Innern entlassen. Er spürte sein Herz in der Brust schneller schlagen und zugleich stockte ihm der Atem, sein Kopf fühlte sich leicht und leer an. Es war, als hätte jemand die Welt aus den Angeln gehoben und er schwebe umgeben von funkelnden Lichtern im Nichts… „Wunderschön, nicht wahr?“, hauchte Taehyung neben ihm hielt ihn bei sich auf der Erde. Als Jeongguk sich schweren Herzens vom Teleskop abwandte, sah er in die leuchtenden Augen seines Mitbewohners und glaubte, in ihnen noch die Spieglung der Sterne zu sehen. Der Ältere lächelte ihn an und Jeongguk erwiderte es. Dies schien dem anderen Antwort genug und Jeongguk sah erneut durchs Teleskop. Er war schlicht überwältigt von dem Anblick. … Und wenn er hundert Jahre an seiner Leinwand stünde; niemals wäre er in der Lage, dieses magische Schauspiel in ein Bild zu bannen, welches auch nur ansatzweise so atemberaubend schön wäre. „Wusstest du, dass wir zu 97 Prozent aus Sternenstaub bestehen?“, fragte Taehyung da und veranlasste den Kunst-Studenten, ihm einen Seitenblick zuzuwerfen, doch Taehyung sah verträumt in den Himmel und redete weiter. „Klingt romantischer als es eigentlich ist, da das nicht nur uns betrifft, sondern alles auf der Welt – aber es ist eine schöne Vorstellung. … Es könnte erklären warum- Hast du dich schon mal gefragt, warum du manchmal Menschen triffst, von denen du glaubst, dass du sie schon ein Leben lang kennst? Menschen, zu denen du dich unwillkürlich hingezogen fühlst? … Was, wenn der Sternenstaub, aus dem ihr besteht, vom selben Stern stammt und sich gegenseitig anzieht? Durch eine Supernova getrennt, Millionen Lichtjahre durchs All geschleudert und auf der Erde wieder vereint...“ Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen und das Mondlicht tänzelte über sein Gesicht. Und Jeongguk stand einfach nur da und starrte ihn an. War das derselbe Mensch, der Girl Group Songs singend durchs Zimmer hüpfte und dabei mit ihm über die Relevanz von Dosenhirn nach dem Eintreten einer Zombie-Apokalypse diskutieren wollte? Derselbe Mensch, der einen Kopfstand machte, wenn er nicht weiter wusste, um die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten? Ein Straßenschild mitgehen ließ und es in den Vorgarten stellte, weil man ja nie wusste, ob man es nicht mal brauchen würde? Bücher über den Yeti und das Monster von Loch Ness las und anschließend der Meinung war, dass sie mit einem guten PR-Manager besser beraten wären? Jeongguk konnte nicht glauben, dass genau dieser Mensch hier neben ihm auf dem Dach der Universität stand und ihm eine wissenschaftliche Grundlage für die Existenz von Seelenverwandten lieferte, die tatsächlich einleuchtend klang. Die meiste Zeit vermittelte Taehyung den Eindruck eines verrückten Wissenschaftlers, doch in diesem Moment erkannte Jeongguk, dass auch in ihm ein Künstler steckte. Ein Künstler, der die Schönheit der Natur mit anderen Augen sah als er. Jeongguk betrachtete das Licht der Sonne, das durch die Zweige der Bäume schien und Muster aus Schatten auf dem Boden hinterließ und Taehyung betrachtete die Sterne, die in bunten Nebeln im All funkelten und ihre eigenen Bilder auf einer unendlich weiten schwarzen Leinwand malten. Im Endeffekt betrachteten sie beide dasselbe, sie suchten nur nicht am selben Ort. - Nach ihrer Sternenbeobachtung auf dem Dach des naturwissenschaftlichen Instituts, nahm das Verhältnis zwischen Jeongguk und Taehyung eine weitere Wendung. Hatte Jeongguk die Anwesenheit seines neuen Mitbewohners zuvor lediglich akzeptiert und sich an seine Eigenheiten gewöhnt, unterhielten sich die beiden nun wann immer möglich und der Kunst-Student leistete ihm sogar einmal nachts in der Küche Gesellschaft, als der Ältere mal wieder spontane Lust auf selbstgebackene Pizza bekommen hatte. Jeongguk wusste nun, dass Taehyung genau wie Yoongi aus Daegu kam, dass er zwei jüngere Geschwister – Eonjin und Jeonggyu – und einen Hund namens Soonshim hatte, dass sein Lieblingsgericht Japchae war, dass er drei Jahre lang Saxophon gespielt hat und dass er Jimin bereits seit der High School kannte und sie seitdem beste Freunde waren. Doch von diesem Small Talk abgesehen, wusste Jeongguk noch mehr. Sie hatten einige Stunden damit zugebracht, über Kunst und die Wunder des Universums zu sprechen und so erfuhr er auch von Taehyungs Begeisterung für Trabanten und Exoplaneten und seinem Traum, einmal eine Erde 2.0 zu entdecken. Oder natürlich außerirdisches Leben. Er hatte eine ausgesprochen lebhafte Fantasie und erzählte Jeongguk in den schillerndsten Farben, wie Leben auf anderen Planeten oder ihren Monden aussehen könnte. Und er zeigte dem Kunst-Studenten einen Bildband über Astro-Photographie und zusammen begeisterten sie sich für die unzähligen Sternenhaufen und Nebel und staunten über ihre fantastischen Farben und Formen. Taehyung hatte im Rahmen seines Studiums sogar schon selbst einige Bilder mit dem Teleskop der Uni gemacht – doch so schön diese Aufnahmen auch waren, so reichten sie nicht an das atemberaubende Erlebnis heran, sie mit eigenen Augen zu betrachten. Der Astronomie-Student erzählte ihm von den verschiedenen Okularen und Filtern und Jeongguk vertiefte sich mit ihm in ein Gespräch über Photographie und holte seine Kamera heraus, um einige Testbilder zu machen und Taehyung an Beispielen zu zeigen, wovon er sprach. Rückblickend konnte Jeongguk kaum glauben, dass er sich anfangs so gegen Taehyung gesträubt hatte. Ja, Taehyungs unbekümmerte Art war anstrengend und er machte häufig den Eindruck, als würde er nichts wirklich ernst nehmen, aber dafür war er fast immer fröhlich und guter Dinge und schaffte es, Jeongguk von seiner Arbeit abzulenken und dafür zu sorgen, dass er auch mal Pause machte und sich etwas Spaß gönnte. Es hatte ihm widerstrebt, als Taehyung ihn das erste Mal von seiner Skulptur weggezerrt und zum Mario Kart spielen genötigt hatte, doch erwies sich das im Nachhinein als ausgezeichnete Idee; Jeongguk hatte so herzhaft gelacht, wie schon lange nicht mehr. Taehyung war ein grauenhafter Fahrer und spielte, weil es ihm Spaß machte und nicht, um zu gewinnen. Wenn er als Sechster ins Ziel kam, hatte er nur Mitleid mit seinen armen Schildkröten, weil die so traurig waren, aber sonst machte er sich nicht viel Gedanken – er lenkte mit ganzem Körpereinsatz, rempelte Jeongguk an, hielt ihm die Augen zu und gluckste und kicherte wie ein kleines Kind. Es war erfrischend und Jeongguk lernte diese Momente zu lieben. Manchmal leisteten ihnen auch Jimin und Hoseok dabei Gesellschaft, doch Jeongguk genoss die Zweisamkeit und die Gespräche mit Taehyung (davon abgesehen, dass diese drei Glücksbärchis mit der Zeit ziemlich anstrengend wurden). Es war nach einem weiteren lockeren Austausch über verschiedene Objektive, als Jeongguk sich endlich getraut hatte, Taehyung zu fragen, ob dieser ihm bei seinem Projekt helfen könne. Der Astronomie-Student hatte kurz in seiner Tätigkeit inne gehalten und langsam geblinzelt, während er über die Frage nachgedacht hatte. Jeongguk hatte mit seiner Kamera in der Hand dagesessen, das Herz bis zum Hals schlagend, ein Kribbeln im Nacken, und hatte kaum gewagt zu atmen. In Gedanken hatte er sich bereits für die Absage gerüstet, doch die kam nicht. Stattdessen hatte sich Taehyung zu ihm umgedreht, ihn angelächelt und einfach „Klar!“ gesagt. So kam es, dass sie nun – einige Tage später – gemeinsam im Atelier über Jeongguks Kamera gebeugt standen und sich die Fotos ansahen, die der Kunst-Student in den letzten paar Stunden geschossen hatte. Wenn Jeongguk ehrlich war, dann glaubte er, dass er schon lange keine so guten Bilder mehr gemacht hatte. Sie hatten am Nachmittag angefangen, als die Sonne genau über dem Oberlicht des Ateliers gestanden hatte, waren dann weiter über den nun im Mai blühend-grünen Campus gewandert und hatten sogar die Erlaubnis erhalten, kurz ins Schwimmbad zu gehen, welches mit einer flachen Glaskuppel und einer großzügigen Fensterfront ausgestattet war. Das Sonnenlicht hatte alles in einem klaren Blau erstrahlen lassen und Taehyungs roter Haarschopf hatte regelrecht geleuchtet – Jeongguk hatte fast vergessen zu atmen, als er die Kamera ans Auge gehalten und immer wieder abgedrückt hatte. Der Astronomie-Student hatte sich als wunderbares Model erwiesen, welches kaum Anweisungen benötigte und ihm Motive lieferte, die eine Natürlichkeit ausstrahlten, die selbst Jeongguk staunen ließ. Er hatte anfangs nicht geglaubt, dass Taehyung die nötige Geduld oder Ernsthaftigkeit an den Tag legen würde, doch er hatte sich geirrt und von einigen „Spaßfotos“ abgesehen, wirkten die Bilder auf seiner Kamera wie von einem professionellen Fotoshoot – auf einigen sah sein Mitbewohner so lasziv aus, dass er direkt beschlossen hatte, diese nicht für sein Projekt zu wählen. Er hatte das Gefühl, dass diese Fotos nicht für die breite Öffentlichkeit (oder einen Dozenten!) bestimmt waren... Jetzt, gegen Abend, waren sie noch einmal zum 'Fine Arts' Gebäude zurückgekehrt und hatten noch einige Bilder zum Abschluss in dem gedimmten Licht der untergehenden Sonne gemacht. Eine Großaufnahme von Taehyung im Profil fand Jeongguk besonders gelungen. Die Sonne war direkt hinter ihm, zwischen einigen Bäumen, und ließ es beinahe so aussehen, als würde ihn ein flammender Heiligenschein umgeben – das sollte definitiv mit in seine Mappe. Taehyung stand neben ihm, während Jeongguk an der Kamera die Bilder durchging und staunte nicht schlecht. Und Jeongguks Brust schwoll mit jedem weiteren Kompliment des Älteren mehr an vor Stolz. Nachdem Taehyung sich schließlich verabschiedete, um zu einem Seminar zu gehen, machte sich auch Jeongguk auf den Rückweg. Er wollte noch vor dem Schlafengehen die Bilder auf seinen Computer ziehen, sich alle in Großformat ansehen und schon einmal eine grobe Auswahl treffen. Er überquerte gerade den großen Vorplatz vorm Hauptgebäude, als er endlich die Augen von der Kamera löste und sie in seiner Tasche verstaute und dabei mit jemandem zusammenstieß. „Oh!“, entkam es ihm, noch bevor er aufsah, „Verzeihung.“ Ihm rutschte das Herz in die Hose, als er den Blick hob und die Person erkannte, die er angerempelt hatte. Mit vom Tanzen leicht zerzaustem Haar, stand Yein vor ihm. Sie trug Turnschuhe, eine schwarze Yoga Pants und ein bauchfreies Shirt, welches ihr über eine Schulter rutschte – da sie unter dem Outfit noch immer ihren Leotard anhatte, blieb jedoch alles züchtig bedeckt. Als sich ihre Blicke trafen, strich sich die Tänzerin verlegen über ihr Haar und klemmte es hinter ihr Ohr. „Nein, nein“, sagte sie und lächelte entschuldigend, „Mir tut es leid, ich hab nicht aufgepasst.“ Unschlüssig standen sich die beiden gegenüber, keiner wusste wirklich, was er sagen sollte und so zupften sie unruhig an ihren Klamotten und ließen ihre Augen über den Campus schweifen. Jeongguk hatte sich vor dem Tag gefürchtet, an dem er Yein alleine über den Weg laufen würde. Es war nicht unbedingt so, dass er nicht mit Mädchen sprechen konnte, doch Yein hatte offensichtlich Interesse an ihm – so blind war nicht mal er – und damit war er schlichtweg überfordert. Yein war bildschön, freundlich, eine talentierte Tänzerin – aber er empfand nun mal nichts für sie und er hatte noch nie zuvor jemandem offen einen Korb geben müssen. Also tat er, was er am besten konnte: Dem Problem aus dem Weg gehen und es weitestgehend ignorieren, bis es sich von allein in Wohlgefallen auflöste. „Also“, holte ihn da Yeins Stimme aus seinen Gedanken, „Was machst du noch so spät hier auf dem Campus, Oppa?“ „Fotos“, antwortete er und deutete auf seine Kameratasche, „Für ein Projekt. … Eh... und du?“ Yein lächelte schüchtern und strich sich erneut die Haare aus dem Gesicht. „Morgen fallen einige Stunden bei mir aus, also habe ich heute Abend etwas länger gemacht. Dann erlaube ich mir morgen mal ein wenig... Freizeit.“ Sie sah zu ihm auf und Jeongguk hatte das ungute Gefühl, dass dies nun der Moment war, an dem jemand für gewöhnlich die Gelegenheit beim Schopfe packen und das Mädchen für morgen zum Mittagessen einladen würde. „Oh, verstehe.“ Schweigen. Yein verlagerte unruhig ihr Gewicht von einem aufs andere Bein und spielte mit dem Riemen ihrer Sporttasche. Jeongguk wäre am liebsten einfach weitergelaufen, doch so unhöflich war er nun auch nicht, dass er die Jüngere einfach stehen ließ. „Was – Was hast du morgen vor?“, fragte sie schließlich und Jeongguk befeuchtete sich nervös die trockenen Lippen. Er spürte, wie sich die Muskeln im Nacken und in den Schultern verspannten und er ließ seine Schuhspitze über den Boden schaben. „Ich meine“, führte Yein weiter aus und zuckte unkoordiniert mit den Schultern, „Wenn du – Wenn du nichts dagegen hast – Also – Wir könnten doch morgen zusammen was unternehmen? Es gibt da ein neues Café im Einkaufscenter.“ Jeongguk musste Yein in Gedanken dazu gratulieren, dass sie den Mut aufgebracht hatte, ihn tatsächlich zu fragen. „Weißt du“, wich er aus, „Eigentlich habe ich morgen zu tun. Für das Projekt... Uni-Kram halt... Also...“ Während er vor sich hin stammelte, sah er Yeins Gesicht in sich zusammenfallen. Ihr Lächeln erstarb, die Schultern sackten nach unten und ihre Finger krallten sich in den Taschenriemen. Sie sah kurz zur Seite, blinzelte einige Male und schien tief durchzuatmen, bevor sie sich wieder ihm zuwandte und ein schiefes Lächeln zustande brachte. „Verstehe“, sagte sie und Jeongguk knabberte auf seiner Unterlippe, ehe er ein „Tut mir leid“ hervorwürgte. Sein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet und er spürte eine seltsame Enge in der Brust. Er wandte den Blick ab, ließ ihn über den Boden schweifen, und zupfte sich am Ohrläppchen. Seine Fingerspitzen waren feucht. „Ist schon okay, Oppa. Ich habe auch ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass sich jemand wie du für mich interessiert“, erwiderte die Tänzerin und Jeongguk hätte ihr am liebsten gesagt, dass sie sich nicht so klein machen sollte und dass sie ein tolles Mädchen, eine wunderbare Frau, sei – doch seine Kehle war wie zugeschnürt. „Na ja“, lachte sie leise, doch für den Kunst-Studenten klang es wie ein verstecktes Schniefen, „Ich musste es versuchen...“ „Yein...“ „Gibt – Gibt es eine andere?“ Jeongguk packte seine Tasche etwas fester als nötig, spürte das Material der Kamera durch den Stoff unter seinen Fingern und etwas in ihm schlug einen Salto – vielleicht sein Herz, vielleicht aber auch sein Magen... Oh Gott, hoffentlich musste er sich jetzt nicht übergeben... Seine Kopfhaut prickelte und auch ohne Spiegel wusste er, dass seine Ohren in der Dämmerung nahezu glühen mussten. „Wa-? N-nein! Nein, es... gibt keine andere.“ Er schluckte und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Wenn er Yein schon absagen musste, dann hatte sie mehr als sein dümmliches Gestotter verdient. „Yein, es gibt keine andere“, wiederholte er und sah ihr ins Gesicht, „Wirklich.“ Yein sah ihn für eine Weile schweigend an, suchte in seinen Augen nach der Wahrheit und Jeongguk versuchte, sie so aufrichtig anzusehen wie er konnte. Die Augen der Tänzerin wirkten groß und dunkel und in dem Licht einer nahen Laterne glänzten sie übermäßig stark. Würde sie weinen? Jeongguk hoffte inständig, dass Yein nicht in Tränen ausbrechen würde. Aber schließlich lächelte sie und legte zaghaft ihre Hand auf seinen Oberarm. „Wer immer es ist, kann sich glücklich schätzen, Oppa.“ Sie drückte kurz seinen Bizeps und ging dann ohne ein weiteres Wort davon. Jeongguk war zu perplex, um noch etwas zu erwidern und als er sich schließlich wieder rühren konnte und sich in die Richtung drehte, in die Yein gegangen war, war sie bereits nicht mehr zu sehen. Aufgewühlt fuhr er sich durch das dunkle Haar und atmete einige Male tief durch, um die Enge in seiner Brust zu vertreiben und sein Herz zu beruhigen. Seine Finger kribbelten und sein Magen rebellierte und er hatte das dringende Bedürfnis, sich ins Bett zu legen und diesen Augenblick aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Er hatte gerade einem der beliebtesten Mädchen der Universität eine Abfuhr verpasst und konnte beinahe die stechenden Blicke ihrer Verehrer in seinem Nacken spüren – obwohl das natürlich Unsinn war. Dennoch fühlte er ein nagendes Gefühl der Schuld. Er umklammerte seine Kameratasche und setzte sich langsam wieder in Bewegung. Es gab keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Schließlich hatte er Yein nicht angelogen, es gab keine andere... - Die erste Juniwoche neigte sich bereits dem Ende zu, als Jeongguk krank wurde. Jeongguk wurde nie krank. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal krank gewesen war; er bekam nicht mal einen Schnupfen. Man konnte also mit Fug und Recht behaupten, dass es ihn regelrecht überrumpelte, als er nachts wach wurde und sich fühlte, als ob jemand einen Sack Zement über ihn ausgeschüttet hatte. Er bekam kaum Luft, seine Nase saß zu und als er durch den Mund versuchte einzuatmen, schnürte ihm der Druck auf der Brust beinahe die komplette Sauerstoffzufuhr ab. Ein jämmerliches Pfeifen war die Folge. Er setzte sich auf, um einen Schluck zu trinken und bereute seine Aktion sofort, als er plötzlich husten musste und es sich so anfühlte, als würde sein Gehirn dabei gegen die Schädeldecke schlagen. Doch schließlich schaffte er es, etwas Wasser zu trinken und der Schmerz in seiner Kehle wurde ein wenig gelindert. Er warf einen Blick zu Taehyungs Bett und erkannte, dass der Ältere noch immer schlief und so versuchte er, leise zu sein. Er schlug die Bettdecke zurück und stand auf, schlich hinüber zur Tür und verließ das Zimmer. Anschließend durchsuchte er den Medizinschrank in der Wohnheimküche nach Kopfschmerztabletten, schluckte zwei Pillen und kehrte ins Bett zurück, in der Hoffnung, dass der Spuk am nächsten Tag wieder vorbei sein würde. Doch diese Hoffnung fand ihr jähes Ende, als er am Morgen in ihrem kleinen Bad stand und der Toilette sein Innerstes ausschüttete. Jeongguk fühlte sich grauenhaft. Er zitterte am ganzen Körper und er spürte den Schweiß zwischen seinen Schulterblättern die Wirbelsäule hinunterlaufen. Nachdem er seinen Mageninhalt in die Keramikschüssel entleert hatte, fühlte sich sein Magen etwas besser an, doch für einen Augenblick war er nicht in der Lage, die Kraft aufzubringen, um aufzustehen. Er schreckte zusammen, als es an der Badezimmertür klopfte. „Kookie?“, hörte er Taehyungs Stimme durch das Holz, Besorgnis schwang in ihr mit, „Kookie, ist alles okay? Es klingt, als ob du kotzen würdest.“ „Die Toilette und ich teilen gerade einen privaten Moment, Hyung, störe uns nicht“, versuchte der Kunst-Student zu scherzen, doch im nächsten Moment machte sein Magen einen schwindelerregenden Hüpfer und er würgte. „Scheint als sei eure Beziehung nicht die beste“, versuchte Taehyung das Gespräch aufrecht zu erhalten, doch er klang nicht belustigt. Jeongguk fehlte die Kraft, zu antworten und übergab sich stattdessen erneut. Danach hörte er nichts mehr von Taehyung und er war froh darüber, dass er wieder für sich allein war. Er hatte kein Zeitgefühl, doch als er sich irgendwann mit zitternden Händen am Waschbecken hochzog, kam es ihm vor, als wären Stunden vergangen. Und nach einem Blick in den Spiegel, stellte er fest, dass er so aussah wie er sich fühlte; wie auf die Straße gerotzt. Er verzog angewidert das Gesicht und betätigte die Klospülung, bevor er den Wasserhahn aufdrehte und versuchte, sich etwas herzurichten. Das kalte Wasser im Gesicht fühlte sich himmlisch an und er seufzte erleichtert auf, wiederholte den Vorgang einige Male, ehe er den Hahn zudrehte und die Hände abtrocknete. Als er das Bad verließ, kühlte das Wasser in seinem Gesicht angenehm seine Haut und er fühlte sich schon um einiges besser. Zurück im Zimmer, sah er sich um, doch Taehyung war nicht zu sehen. Etwas wie Enttäuschung machte sich in ihm breit, was Jeongguk wunderte, da es keinen Grund gab, enttäuscht zu sein. Er rang das seltsame Gefühl nieder und schlurfte erschöpft zu seinem Bett, um sich wieder hinzulegen. Kaum, dass sein Kopf das Kissen berührte, sank sein gesamter Körper mit einem Seufzen tiefer in die Matratze und er schloss die Augen. Seine Augenlider erschienen ihm mit einem Mal zu schwer, um sie offen zu halten. Er stöhnte und zog die Stirn kraus, als nur Sekunden später die Tür aufflog und Taehyung ins Zimmer kam. Ohne Umschweife kam er auf Jeongguks Bett zu und beugte sich über ihn. „Kookie“, raunte er und legte ihm sachte eine Hand auf die Schulter, „Geht's dir besser? Kann ich irgendwas tun?“ Taehyungs Gegenwart war sonderbar wohltuend und die Wärme, die von seiner Hand aus durch den Stoff drang, schien das Rumoren in seiner Magengegend zu mildern. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Toilette und ich zu verschieden sind. Wir gehen jetzt getrennte Wege.“ Der Kunst-Student schaffte es zu lächeln, als Taehyung tatsächlich lachte. Wenn Taehyung lachte, schien alles irgendwie besser, leichter, beschwingter – der Astronomie-Student sollte sich nicht sorgen müssen. Jeongguk öffnete seine Augen einen Spalt breit und warf einen Blick auf Taehyungs Gesicht, betrachtete die Lachfalten in den Augenwinkeln und die gekräuselte Nase und seufzte, als ihm die Augen wieder zufielen. Er war einfach zu müde. „Ernsthaft jetzt“, meinte der Ältere dann, „Kann ich was machen? Dir was bringen?“ „Wolltest du dich nicht mit Jimin-hyung treffen?“, wandte Jeongguk ein und kuschelte sich tiefer unter die Decke. Doch Taehyungs Hand blieb auf seinem Oberarm liegen. „Stoffel“, erwiderte der Rothaarige liebevoll und schaukelte seinen Mitbewohner leicht, „Du bist krank und brauchst jemanden, der sich um dich kümmert. Das ist wichtiger. Jimin hat dafür Verständnis.“ Taehyung wollte wegen ihm – für ihn – seine Verabredung mit Jimin, seinem besten Freund und Bruder um Geiste, absagen? Etwas flatterte in seiner Brust und sein Magen machte einen Hüpfer, der dieses Mal nichts mit seiner Übelkeit zu tun hatte. Ja, er und Taehyung waren sich in den letzten Wochen näher gekommen und er konnte den ausgeflippten Astronomie-Studenten jetzt ehrlich als seinen Freund bezeichnen, doch Jimin und Taehyung waren beinahe unzertrennlich und dass Taehyung es als wichtiger erachtete, für Jeongguk da zu sein und ihn zu pflegen, als zu seinem Treffen mit Jimin zu gehen, berührte ihn. Es war ein anderes Gefühl als Seokjins mütterliche Fürsorge, Namjoons brüderliche Anteilnahme oder Yugyeoms freundschaftliches Mitempfinden. Taehyung war neben Yugyeom und Seongja sein erster richtiger Freund, den er nicht durch Namjoon kennen gelernt hatte und nun tatsächlich seine Gesellschaft der eines anderen vorzog. Noch dazu jemandem, der Taehyung selbst unglaublich wichtig war. Das bedeutete ihm mehr, als er in Worte fassen konnte und er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. „Schlaf ein bisschen“, lächelte der Rothaarige und richtete sich auf, um nach seinem Handy zu greifen, „Ich ruf Jimin an und sag ihm, dass ich nicht kommen kann.“ Taehyung verließ den Raum, um zu telefonieren und Jeongguk blieb einen Moment allein. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen und schwelgte kurz in Erinnerungen. Nur zu gut erinnerte er sich an den Tag, an dem er und Yugyeom gemeinsam das Zimmer bezogen hatten – und ebenso gut erinnerte er sich an den Tag vor fast zwei Monaten, als Yugyeom ausgezogen war. Wie leer das Zimmer ohne ihn gewesen war. Jetzt hingen Bilder von Sternen, Galaxien und Planeten an der Wand, ein Modell des Mondes stand auf dem Nachttisch, Bücher über Astronomie reihten sich im Regal ein und ein Modell des Sonnensystems baumelte über dem Bett mit der Star Wars-Bettwäsche. Es sah so ganz anders aus, als vorher mit Yugyeom. Und dennoch nicht auf unangenehme Weise... „So, da bin ich wieder!“, rief Taehyung gut gelaunt und ließ seinen Hintern genau auf R2-D2 fallen, „Ich soll dir von Jiminnie gute Besserung wünschen. Je nach dem, wie es dir morgen geht, will er zum Mario Kart spielen vorbeikommen.“ Der ältere Student lachte heiter über seinen besten Freund. „Er hat die Hoffnung, dass du krank vielleicht mal zu schlagen bist!“ Jeongguk stimmte in das Lachen ein, musste aber husten und griff zu seinem Wasser. Jeongguk wusste, dass Widerstand zwecklos war und ergab sich Taehyungs Fürsorge. Der kochte tatsächlich Suppe und sorgte dafür, dass der Jüngere stündlich ein Glas Wasser trank und alle drei Stunden etwas Suppe und Brot zu sich nahm. Jeongguk glaubte, dass er noch nie in seinem Leben sooft zur Toilette gemusst hatte. Aber das Fluten seines Körpers mit Flüssigkeit schien zu wirken, denn er fühlte sich weniger schwindelig, die Kopfschmerzen ließen nach und sein Magen beruhigte sich. Der Astronomie-Student hatte sich neben ihn ins Bett gekuschelt und zusammen sahen sie über Laptop den ganzen Tag Animes oder unterhielten sich über Alles und Nichts, wenn Jeongguk nicht gerade schlief – und ihm fielen öfter die Augen zu, als ihm lieb war. Doch trotz der Besserung seiner Symptome, war er nichtsdestotrotz erschöpft und Taehyungs Nähe und die Wärme lullten ihn immer wieder ein und ließen ihn in den Schlaf gleiten. Doch wann immer er aufwachte, war Taehyung an seiner Seite. Als er mitten in der Nacht erneut die Augen aufschlug, sah er direkt in das schlafende Gesicht des Älteren. Taehyung hatte sich nicht die Mühe gemacht, die paar Schritte zu seinem eigenen Bett zu gehen, um dort zu schlafen, sondern war bei Jeongguk liegen geblieben und hatte es sich neben ihm gemütlich gemacht. Es entlockte ihm ein Lächeln, als Taehyung im Schlaf mit der Nase wackelte. Trotz aller Albernheit, fand er noch immer, dass sein Mitbewohner unverschämt gut aussah. Als er ihn unter dem Mond hatte stehen sehen, war er sprachlos gewesen, genau wie an dem Tag, als er hier eingezogen war. Mittlerweile wusste er, dass es nicht einfach an seinem roten Haar lag und wie das Licht mit den Strähnen spielte, sondern an den ausdrucksstarken Augen. Vom ersten Moment an hatten sie ihn fasziniert und jedes Mal, wenn sie vor Belustigung funkelten, wollte Jeongguk nach seiner Kamera greifen und ein Foto machen, den Anblick für die Ewigkeit festhalten. Seine Augen sprachen Bände, jede Gefühlsregung war in ihnen sichtbar – und dennoch überraschte er ihn immer wieder. So wie mit seiner Geschichte über den Sternenstaub. Da blinzelte Taehyung verschlafen und drehte sich auf den Rücken, um herzhaft zu gähnen. Jeongguk blieb still liegen und beobachtete, wie der andere sich über die Augen rieb und sich streckte und schließlich wieder zur Seite rollte – wo er verharrte und ihn perplex ansah. „Oh“, sagte er und seine Augen waren beinahe komisch rund, „Tut mir leid, hab ich dich geweckt?“ „Nein, ich war schon wach“, antwortete Jeongguk mit gedämpfter Stimme und imitierte damit Taehyungs eigene Lautstärke, obgleich kein Grund bestand, zu flüstern. Da bogen sich Taehyungs Lippen zu einem breiten Lächeln und er schien mit einem Mal aufgeregt. „Klasse, dann kann ichs dir noch heute zeigen!“ Bevor Jeongguk auch nur über eine Frage nachdenken konnte, rollte Taehyung sich auf den Bauch und streckte sich, um mit seiner Hand hinter das Kopfende zu greifen. Der Kunst-Student hörte ein Geräusch, als ob ein Stecker in die Steckdose gesteckt wurde und im nächsten Moment leuchtete plötzlich die Zimmerdecke. „Was-?“ Seine Gesichtszüge entgleisten, Mund und Augen fielen ihm auf und er starrte in ein Meer aus Lichtern. Es dauerte einige Sekunden, bis er begriff, dass es sich dabei um Lichterketten handelte – irgendwie hatte Taehyung, während er selbst tief und fest geschlafen hatte, sie über sein Bett gespannt, sodass sie ein künstliches Sternenzelt über ihm bildeten. Vergeblich rang der Jüngere nach Worten. Sich wie ein kleines Kind freuend, kuschelte sich Taehyung wieder neben ihn und sah mit einem Grinsen hinauf an die funkelnde Decke. Er schien von seinem Werk begeistert und von Jeongguks Reaktion mehr als zufrieden und seine Hände fanden die des Jüngeren, um sie zu umklammern. „Nicht so schön wie echte Sterne, aber hier in der Stadt kann man sie ohne Teleskop ohnehin nicht richtig sehen, also ist das eine schöne Indoor-Alternative. … Und man kann dabei gemütlich im Bett liegen!“ Taehyungs Augen glänzten, als sich ihre Blicke fanden und ihre Knie spielerisch aneinanderstießen. Jeongguks Haut prickelte und erneut spürte er diese Wärme in seiner Brust, als der Ältere ihre Finger miteinander verhakte. Er befeuchtete seine trockenen Lippen und lächelte, imitierte des anderen Ausdrucks von kindlicher Freude. Der Kunst-Student hatte gelernt, dass Taehyung seine Freundschaft und Zuneigung auf ganz besondere Weise zeigte, meist indem er andere einfach an den Dingen teilhaben ließ, die ihn selbst glücklich machten. Wie ein Gespräch über all die Sterne im Universum. Selbstgebackene Kekse mitten in der Nacht. Wie Lichterketten über dem Bett. „Es ist wunderschön“, flüsterte Jeongguk, „Danke.“ Die beiden Männer tauschten noch einen letzten Blick und sahen dann schweigend wieder hinauf zur Decke. Jeongguk betrachtete die warmen Lichter über ihm und dachte an Taehyungs Geschichte über den Sternenstaub. Vielleicht war wirklich irgendwo, weit weit entfernt, das Leuchten eines Sterns erloschen und hatte im Augenblick seines Todes ein Meer aus Lichtern hinaus ins All auf die Reise geschickt, in der Hoffnung, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, wieder zusammen zu finden und erneut zu erstrahlen. … Taehyung hatte recht, es war eine romantische Vorstellung; 'Durch eine Supernova getrennt, Millionen Lichtjahre durchs All geschleudert und auf der Erde wieder vereint...' War das möglich? Da sprang der rothaarige Mann auf einmal aus dem Bett und riss ihn unsanft aus seinen Gedanken. „Ich mach mir was zu Essen“, beantwortete er Jeongguks unausgesprochene Frage, „Soll ich dir noch etwas Hühnersuppe bringen?“ „Noch ein Löffel und mir wächst ein Federkleid.“ „Ach, Kookie!“, gluckste der Ältere amüsiert, bevor er sich selbst abwürgte und plötzlich so aussah, als würde ihm etwas Wichtiges einfallen, „Apropos 'Cookie': Ich hab ein tolles neues Rezept für Wookie-Kekse!“ Damit drehte er sich um und verließ mit federnden Schritten das Zimmer, um die Küche aufzusuchen. Jeongguk blinzelte ein paar Mal irritiert. Doch dann schüttelte er den Kopf, schnaufte und sah wieder an die Decke. So merkwürdig Taehyung auch sein mochte, er würde nichts an ihm ändern wollen. Und so schlief er unter dem improvisierten Sternenzelt, zu dem Geruch von frischen Keksen und dem Lächeln von Taehyung vor seinem geistigen Auge friedlich wieder ein. Wissend, dass Taehyung wieder an seiner Seite sein würde, wenn er das nächste Mal wach wurde. Vielleicht... Vielleicht waren sie wirklich wie Sternenstaub. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)