Sex, Guns & Rock 'n' Roll von UrrSharrador („Herzlich willkommen beim Schicksalslos!“) ================================================================================ Kapitel 12: „Wieso?“ -------------------- „Halten Sie es wirklich für eine gute Idee, eine Waffe auf uns zu richten?“, fragt der Vorsitzende ungerührt. „Natürlich. Ich befolge meine Chips. Ich habe die Frau entführt, die mir bei der Ziehung am nächsten stand. Und jetzt verhandle ich mit ihren Arbeitgebern.“ Der Jungspund an dem Tisch hat tatsächlich den Nerv, leise aufzulachen. Ungerührt fahre ich fort: „Und wenn als Nächstes die Guter-Junge-Masche kommt: Ja, das Ding ist geladen, und ja, ich habe schon einmal eines benutzt, um jemanden zu töten. Ich hoffe, das beantwortet dann auch gleich die Fragen, ob ich weiß was ich tue, und ob ich es ernst meine. Olga, gehen Sie hinter den Tisch. Die beiden Kraftprotze auch. Ihr braucht hier nicht Schild zu spielen.“ Die aufgetakelte Spielleiterin und die Sicherheitsmänner umrunden folgsam den Konferenztisch und erschließen mir damit eine freie Schusslinie zu jedem der sieben Sitzenden. „Also schön, was wollen Sie?“, fragt einer der Männer. Er klingt auch nicht ängstlich, sondern eher ungehalten. Aber so was habe ich schon kennen gelernt: Menschen mit zu viel Geld meinen oft, sie müssten vor nichts Angst haben. Wahrscheinlich, weil sie jede nicht allzu unmittelbare Gefahr einfach aufkaufen oder per Auftragsmörder beseitigen könnten. Dabei kann sie ein Sturz von einer Brücke genauso töten wie so etwas Winziges wie eine Pistolenkugel. „Ich habe überlegt, jemanden umzubringen, wie es mir mein anderer Chip vorschreibt“, lüge ich und gebe mich so lässig, wie man es von Sasuke Uchiha gewohnt sein kann. „Nur weiß ich aus Erfahrung, dass es eine Heidenarbeit ist, so etwas geheim zu halten, und dass die Polizei richtig lästig sein kann, wenn es um so was Großes wie Mord geht. Ich habe Besseres zu tun, als mich ewig lang mit denen herumzuschlagen und nebenbei Zauberer zu spielen, um eine Leiche verschwinden zu lassen. Noch dazu werde ich wohl keinen Heller mehr von euch dafür sehen, wenn ich nach der nächsten Ziehung noch wochenlang Stress deswegen habe. Ich würde es also bevorzugen, nur den Entführungs-Chip zu erledigen. Allerdings fürchte ich, dass ihr Kerle mir eine saftige Strafe aufbrummt, wenn ich den Töten-Chip nicht nehme und der dann gezogen wird. Darum will ich mich … absichern.“ „Inwiefern?“, fragt der jüngere Typ. Geschäftsmann, eindeutig. Das erkenne ich an seinem Tonfall. „Ich will Lösegeld für Olga. Und wenn euch die zu wenig wert ist, auch gleich für jeden anderen hier. Mein Chip verbietet mir nicht, wie ein ganz normaler Entführer Lösegeld zu verlangen. Und es sollte besser so viel sein, dass ich im Falle einer unglücklichen Ziehung immer noch ein Plus mache.“ Ich setze ein fieses Grinsen auf, was mir nicht schwer fällt. „Ein schlauer Zug, nicht?“ „Ein gewagter Zug“, korrigiert mich der Vorsitzende. „Wir haben hier allerdings kein Bargeld, wie Sie sich vielleicht denken können.“ „Dann überweist Sie mir was.“ Ich deute auf einen der Laptops, die auf dem Tisch stehen. „Das sollte doch wohl kein Problem sein. Sonst habt ihr das Problem, nicht ich.“ Sie beratschlagen sich mit Blicken. Selbst jetzt sind sie noch geizig. Ich hoffe, dass meine Scharade nicht allzu bald auffliegt, schließlich habe ich noch ein paar Fragen an sie. Aber ich finde, dass ich die Rolle des Kleingeists, der es nur auf Geld abgesehen hat, überzeugend spiele. Mit solchen Leuten können diese Typen besser umgehen als mit radikalen Spielverweigerern, denke ich. Es wird in ihrem Interesse sein, meine Geschichte zu glauben. Schließlich gibt der Glatzkopf dem Jungspund ein Zeichen, und der hantiert auf dem Notebook herum. „Schließen Sie es an den Beamer an“, verlange ich. „Ich will sehen, was er tut.“ Momentan ist dort ein Standbild aus irgendeinem Beweisvideo zu sehen, aber außer verwaschenen Farben und einem verwackelten Rücken kann ich nichts erkennen. „Und schneller“, sage ich. „Sobald nämlich die Tür hinter mir aufgeht, schieße ich, und ich fürchte, um Olga zu erwischen, muss ich euch erst alle durchlöchern.“ Ich werfe immer wieder rasche Blicke auf die Leinwand, um zu sehen, was das Geschäftsmännchen tut. Ansonsten versuche ich den Konferenztisch im Fokus zu behalten. Jeden, der sich über Gebühr bewegt, lasse ich in den Lauf meiner Bleischleuder sehen. Selbst Unterweltbosse benutzen gewöhnliche Online-Überweisungstools, wie es aussieht. Ich habe die Benutzeroberfläche schon einmal gesehen. Der Kerl loggt sich mit einem elendslangen PIN-Code ein und sieht mich dann fragend an, als er die Kontonummer für die Überweisung angeben soll. Ich nenne ihm gleich diejenige, die das Gremium mir zugewiesen hat. Mit einem grimmigen Lächeln sehe ich zu, wie er den Überweisungsauftrag abschickt. Im Grunde ist es mir sogar egal, ob sie den später wieder stornieren oder ob sein eigenes Konto vielleicht gar nicht gedeckt ist oder sonst was – und ich hoffe, sie glauben, dass ich einfach nicht so weit denke. „Gut“, sage ich und mime den Erleichterten, der eben eine Menge Geld gescheffelt hat. „Dann kommt Olga jetzt wieder mit mir. Ich nehme sie zur nächsten Ziehung mit, aber ich behalte sie darüber hinaus, ja? Also gebt am besten im Casino Anweisung, dass ich bewaffnet hinein darf, wenn ihr eure Mitarbeiterin nicht verlieren wollt.“ „Sie lehnen sich ziemlich weit aus dem Fenster“, stellt die Frau in der Runde fest. „Eben darum will ich nicht, dass ihr mich während der nächsten Ziehung abknallt. Alles, was danach kommt, werde ich auch schaukeln. Ich habe richtig viel Selbstvertrauen, wisst ihr?“ Ich bedeute Olga, näher zu kommen, ehe ich wieder sage: „Warte. Stopp.“ Das Gremium spannt sich kollektiv an, und ich tue es ihm gleich. Das eben war nur die Aufwärmphase. Das freundliche Guten-Tag-Sagen. Zeit für das Gespräch und dann den Abschied. „Da ist etwas, was ich schon immer wissen wollte“, sage ich. „Wieso zieht ihr Leute das eigentlich ab? Wo liegt für euch der Gewinn in der ganzen Sache? Ihr verpulvert Unmengen an Geld für Leute, die Hinweise darauf sammeln, dass ihr ungesetzliche Dinge von ihnen verlangt. Wieso?“ Ein versonnenes Lächeln huscht über das Gesicht des Glatzkopfes. Er stößt sich vom Tisch ab und rollt auf seinem Drehsessel ein wenig davon weg. Ich lasse ihn gewähren. Wenn er seine Erklärung so einleitet, ist er sicher wahnsinnig stolz auf das, was er mir gleich erzählen wird. „Es ist ein Jammer, dass wir das so selten einem Außenstehenden gegenüber erwähnen können“, bestätigt er meine Vermutung. „Das Gremium profitiert tatsächlich vom Schicksalslos. Zum einen geht es natürlich um den Nervenkitzel. Und finden Sie nicht auch, dass die Macht, die wir über die Teilnehmer ausüben, etwas … Berauschendes hat?“ „Kann ich mir gut vorstellen“, sage ich diplomatisch. „Ich fühle mich gerade auch ziemlich mächtig, und das tut gut.“ „Wir geben Aufgaben vor – nein, Hinweise auf die Aufgaben. Und wir sehen, welche Mühe sich die Teilnehmer geben, sie für uns zu erfüllen. Wir sehen das Herzblut, das in die Beweisvideos fließt, wir sehen, wie sehr sie uns zufriedenzustellen versuchen. Manchmal ist es so offensichtlich, dass wir hier laut darüber lachen müssen.“ „Du hättest mal das Video sehen sollen, das wir uns angeschaut haben, kurz bevor du hereingeplatzt bist“, erklärt der Jungspund leger. „Es gibt keine bessere Unterhaltung, als diese Beweismittel anzusehen und zu wissen, dass sie echt sind und voller Angst und Hoffnung aufgenommen.“ Der Glatzkopf leckt sich auf eine ekelerregende Art über die wulstigen Lippen. „Aber ich schätze, das versteht nur jemand, dem ähnliche Ausschweifungen vergönnt sind wie uns.“ „Ich gebe mein Bestes. Das ist nicht der ganze Grund, oder?“ „Durchaus nicht.“ Ich meine, eine Spur seines Speichels nun auf seinen breit lächelnden Lippen glänzen zu sehen, aber das wegen dem gedimmten Licht muss das meine Einbildung sein. „Wir lassen die Chips und Karten natürlich nicht einfach so herstellen. Jede davon dient einem gewissen Zweck – oder könnte ihm dienen, wenn sie das Glück hat, gezogen zu werden.“ „Ein bisschen weniger kryptisch, bitte – und wenn wir schon dabei sind, ohne viel Gerede. Ich habe heute noch was vor.“ Der Vorsitzende lacht. „Wie Sie wünschen. Sie haben hier die Waffe in der Hand. Darf ich bitten?“ Er nickt dem jungen Mann zu, der immer noch seinen Laptop in Betrieb hat. Der zuckte mit den Achseln und man sieht ihn in einem Cloud-Speicher-Ordner wühlen. Sicher irgendeine Gremium-interne Cloud, andernfalls wäre das ziemlich leichtsinnig. Der Mann folgt einem Link zu einer Online-Zeitschrift. „Hier. Einer unserer neuesten Glückstreffer.“ „Die Kurzfassung. Ich bin nicht hier, um Zeitung zu lesen.“ Der Jüngling verzieht das Gesicht. „Ein Punk-Lokal am Stadtrand. Ein Sammelpunkt für Drogendealer und Rechtsradikale. Es hat vor einiger Zeit unser Interesse geweckt. Einige unserer Unternehmungen überschneiden sich mit den Geschäften, die in dieser Bar abgewickelt werden. Sponsoren aus Drogenschmugglerringen wollten diese Bar geschlossen sehen. Und dann gibt es noch andere, großzügige Sponsoren, deren Ideale es entweder beinhalten, Rechtsextremismus so gut es geht zu bekämpfen, oder die sich im Gegenteil erhoffen, die rechte Szene durch einige Verhaftungen aufstacheln und, wie sie es ausdrücken, aus ihrer momentanen Trägheit wecken zu können. Auch sie wollten, dass die Bar geschlossen wird. Also haben wir sie geschlossen. Wir haben unsere Spieler sozusagen undercover eingeschleust, um Beweise zu sammeln. Handfeste Beweise, die wir gerade so weit bearbeitet haben, damit die Spieler selbst unkenntlich bleiben.“ „Ihr habt die Spieler eingeschleust? Direkt in dieses Lokal?“ Ich erinnere mich, dass Ino etwas von einem Club am Stadtrand erwähnt hat. War das vielleicht sogar derselbe? „Natürlich nicht offensichtlich. Wo bliebe da der Spaß? Außerdem wäre es nicht gut, wenn unsere wahren Absichten durchsickern, meinst du nicht? Aber sagen wir es so, wenn jemand etwas gegen Rechtsextremismus tun will und wir etliche Chips herstellen, mit denen die Spieler den rechten Flügel als Kellner oder DJs infiltrieren sollen, dann finden unsere Spieler diese Clubs für uns. Und bringen auch gleich die Beweise mit. Das Geld, das es als Belohnung gibt, deckt sich ungefähr mit den Gewinnen, die wir uns von der Schließung des Etablissements erwarten. Zusätzlich besteht die fünfzigprozentige Chance, dass die Spieler dafür gar nichts bekommen. Bei der Auslosung des Gewinnerchips gehen wir tatsächlich grundehrlich vor.“ Der Typ grinst breit. „Und zu guter Letzt darf man natürlich auch den Unterhaltungsfaktor nicht außer Acht lassen.“ „So läuft es bei den meisten unserer Aufgaben ab“, erklärt der Vorsitzende. „Wir wollen, dass eine bestimmte Aktion getan wird, und hoffen, dass die Spieler sie in unserem Sinne umsetzen. Die meisten Chips sind natürlich, sozusagen, Blindgänger. Aber das macht ein Los doch erst spannend, nicht?“ Der Junge grinst. „Wenn eine Partei der Opposition Wählerstimmen braucht, schüren wir ein wenig Furcht und lassen die Spieler in Geisterkostümen auf die Öffentlichkeit los, damit sie auf ihre nächsten Wahlplakate schreiben können: Stoppt die Geisterüberfälle. Wenn ein einfacher Hausbesitzer am Stadtrand die Pläne eines Wohnbaukonzerns stört, werfen wir Erschrecke-deinen-Nachbarn-Chips in denen Pot und hoffen, dass er zumindest davon hört und am liebsten fortziehen möchte. Wenn wir konkreter sein müssen, haben wir die Regel-Karten. Du siehst, es ist ein wunderbares Spiel.“ „Ein Spiel mit dem Feuer, während wir selbst feuerfeste Kleidung tragen“, versucht einer der anderen Kerle den Philosophen raushängen zu lassen. „Eine …“, fast hätte ich Freundin gesagt, „Spielerin aus meiner Runde hatte die Töte-Karte und sollte sich an einen Rockstar heranmachen.“ „Du meinst diesen El Riviera?“ Der Jungspund grinste, als hätte er schon lange vor jemandem mit diesem genialen Schachzug prahlen wollen. „Ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Ziehung! Du musst wissen, er war ein Schicksalslos-Spieler wie du, den wir bedauerlicherweise loswerden mussten. Natürlich hätten wir ihn auch bei anderen Gelegenheiten töten können. Die Kollegen seiner Runde zum Beispiel hätten eines Tages eine Karte erhalten, wonach wir ihr Opfer bestimmen. Oder sie müssten generell einen aus ihrer Spielrunde als Opfer wählen. Am saubersten ist die Sache jedoch, wenn sie so gut wie möglich verschleiert wird.“ „Riviera war so ziemlich der einzige Rockstar, der diese Woche hier gastiert hat und irgendwie populär genug war“, sage ich. „Darum ist es uns gelungen, ihn auszuschalten“, bestätigt der Vorsitzende zufrieden. Falsch, denke ich. Ich habe ihn ausgeschaltet. „Dieser Mann war mit seinem Konto arg im Minus“, erklärt ein anderer Anzugträger. „Natürlich musste er bestraft werden – und am besten nicht direkt von uns.“ „Verstehe“, sage ich. „Er hat euch immer noch brav gedient, ja? Er hat nur immer wieder den falschen Chip abgearbeitet, aber eure Pläne hat er trotzdem gefördert.“ Schließlich hat seine Beweise-Box einen beachtlichen Inhalt gehabt. „Und das, ohne dass wir ihn bezahlen mussten“, gluckst der Vorsitzende vergnügt. Ich habe ja schon eine Menge kranker Schweine gesehen, aber diese Leute hier … Nun, sie sind in etwa so, wie Sakura sie mir immer beschrieben hat. „Letztens haben meine Mitspieler auch einen ihrer Freund umgebracht“, sage ich, weil sie es sicher sowieso schon bei ihrem Screening gesehen haben. „Shikamaru Nara. War das auch ein Blindgänger, oder ein Volltreffer?“ „Denkt dieser Bursche, dass wir uns noch an alles erinnern, was bei den letzten Runden geschehen ist?“, fragt die Frau sofort naserümpfend, ehe sonst einer der Anwesenden auch nur den Mund aufmachen kann. Sie lässt es klingen, als könnte sie mich nicht direkt ansprechen. Ich lasse den Lauf der Waffe in ihre Richtung schauen, bis sie mich ansieht und dann den Blick senkt. „Ich denke mal, dass er euch auf der Spur war. Bringt ihr solche Leute auch mit euren Chips um die Ecke?“, frage ich. „Aber natürlich“, gibt der Vorsitzende freimütig zu. Ich werfe einen Blick zu Olga. Sie schaut immer noch äußerst unglücklich drein, aber es sieht so aus, als wolle sie mit den ihr am nächsten Sitzenden Kontakt aufnehmen, denn sie bewegt sich mit kaum wahrnehmbaren Schritten näher an die Stühlen heran. Auch die Security-Männer stehen nun weiter auseinander als zuvor, als hätten sie eine Art Zangenbewegung im Sinn. Ich muss mich beeilen. Aber ich bin sowieso fertig. „Dann noch eine letzte Frage“, entscheide ich mich für eine spontane Lüge zum Abschluss. „Wenn ich erst genug Kohle habe, kann ich dann dem Gremium beitreten und auch selbst mal die Regeln bestimmen, statt sie befolgen zu müssen?“ Der Vorsitzende lässt eine Augenbraue hochwandern, der Jüngling grinst, aber irgendein anderer sagt sofort empört: „Das ist eine exklusive Runde!“ Ich verkneife mir das „Auch, wenn ein Platz frei wird?“ und eröffne stattdessen sofort das Feuer.   Die angespannte Atmosphäre in dem Raum zerspringt in tausend Scherben, zerschmettert von meinen Kugeln, den erschrockenen Rufen des Gremiums und dem flackernden Mündungsfeuer meiner MP. Ich ziele zunächst auf die Securitys. Den einen erwische ich kalt und mähe ihn regelrecht um. Der andere duckt sich unter die Tafelrunde der reichen Säcke und eilt gebückt um den Tisch herum, sodass ich ihn kaum erwischen kann. Mein Kugelhagel folgt seinem Rücken, der wie eine Römische Galeere durch die Dunkelheit pflügt … Wobei, für mich ist es wohl eher die Flosse eines Haifischs, wenn wir schon bei Meerestieren sind. Der Sprühregen aus tödlichen Projektilen trifft die Tischplatte, reißt Holzspäne heraus und lässt Gläser zerspringen. Ein Fettklops von Gremium-Mitglied sitzt in der Schussbahn. Er zuckt zusammen wie ein Sandsack, als ich quasi als Kollateralschaden drei blutige Löcher in seinen Wanst schieße. Die anderen sind entweder aufgesprungen – die dämlichen – oder haben sich zu Boden geworfen – die geistesgegenwärtigeren. Der Sicherheitsmann hat das Ende des Tisches erreicht. Eine Pistole hat er schon mal nicht, sonst hätte er längst aus der Deckung heraus gefeuert. Stattdessen schleudert er mir einen Gummiknüppel entgegen. Und er zielt so gut, dass ich tatsächlich ausweichen muss. Diese eine Sekunde, die ich abgelenkt bin, nützt er eiskalt aus. Er wuchtet seinen massigen Körper mit unerwarteter Behändigkeit auf die Tischplatte, stößt sich ab und springt mich an wie ein Raubtier. Ich reiße den Lauf wieder in seine Richtung, betätige den Abzug und lasse die Automatik den Rest erledigen. Die Kugeln fordern tödlichen Tribut. Ich treffe ihn mehrmals kritisch, aber er prallt dennoch gegen mich und reißt mich zu Boden. Es fühlt sich an, als wäre ein ganzer Müllcontainer auf mich gefallen. Stöhnend wälze ich mich unter dem Mann hervor, der keine Regung mehr zeigt. Ich taste nach meiner Waffe, die gerade außerhalb meiner Reichweite liegt. Die Gremium-Mitglieder rennen zur Tür, versuchen, rechts und links von mir vorbeizukommen. Mit zusammengebissenen Zähnen setze ich all meine Kräfte frei und stoße den Sicherheitsmann von mir. Ich habe erst einen von denen erwischt … Ich werde sie nicht entkommen lassen! Es hängt viel zu viel davon ab! Diese Kerle haben meine Freunde in ein krankes Spiel voller Selbstmordfantasien, Drogen und gefährlicher Sexspielchen getrieben. Ich werde sicherstellen, dass das ein für alle Mal ein Ende hat! Ich bekomme fast den Lauf der MP zu fassen – doch der junge Typ aus dem Gremium ist schneller. Er schnappt sich das Ding, richtet mein eigenes Gewehr auf mich, noch ehe ich mich ganz aufgerichtet habe. Sein überhebliches Grinsen kann er sich wohl nicht verkneifen. Und genau das ist es, was ihn den Kragen kostet. Kerle wie er können es natürlich nicht lassen, zu jeder Gelegenheit ihre Überlegenheit zu demonstrieren. So bedroht er mich einfach nur mit der MP, drückt aber nicht ab. Dumm, wenn man nur eine Armeslänge davon entfernt ist, seine Überlegenheit wieder einzubüßen. Ich schmettere ihm die Faust ins Gesicht. Eine paar Schüsse lösen sich und ich fühle einen brennenden Schmerz in der Schulter, aber ich achte kaum darauf. Ich entwinde seinen ungeübten Fingern die Waffe, schlage ihn mit dem Lauf endgültig zu Boden und schieße erst auf ihn, dann auf die anderen Gremium-Mitglieder. Die ersten erreichen jetzt erst die Tür – sie haben sich in ihrer Panik wohl gegenseitig behindert. Diese Kerle sind es nicht gewohnt, selbst ins Kreuzfeuer zu kommen. Gangsterbosse mit weißen Westen, die sich plötzlich selbst mal die Hände schmutzig machen müssten, um zu überleben. Meine Kugeln strecken einen oder zwei von hinten nieder. Die anderen greifen nach der Klinke – und rennen prompt gegen die Tür, als diese von außen aufgestoßen wird. In dem Gerangel fällt noch jemand meinen Kugeln zum Opfer und krümmt sich. Drei weitere Sicherheitsmänner, diesmal schwerer bewaffnete, stürmen in den Raum. Den einen erwische ich mitsamt den Gremium-Mitgliedern, einen zweiten nur knapp später, da er es nicht wagt, an seinen Arbeitgebern vorbeizuschießen. Der dritte schließlich trifft mich. Ich brülle auf, als seine Pistolenkugeln meine Linke und meinen Unterarm zerfetzen. Meine Waffe sackt hinunter, als ich sie plötzlich nur mehr mit einer Hand halten kann. Ich werfe mich zur Seite, ehe der Kerl erneut abdrücken kann. Es ist ein Glücksspiel bis zum Schluss. Der Sicherheitsmann stolpert über eine am Boden liegende Leiche. Ich beiße die Zähne zusammen, bringe die Waffe einhändig wieder auf Kurs. Meine linke Hand ist nur mehr ein zerrissenes Wrack. Mein Ziel ist derart schlecht, dass ich den Typen nur am Oberschenkel treffe. Er geht in die Knie. Ich sehe, wie das letzte Gremium-Mitglied – ausgerechnet der Glatzkopf mit der Goldbrille! – es durch die Tür schafft. Mit einem wütenden Knurren stürme ich los. Der Sicherheitsmann vor mir schießt sein verbleibendes Magazin auf mich, und er ist gut ausgebildet. Ich fühle eine Kugel durch meine Kniescheibe schlagen, eine weitere dringt ohne Widerstand in meinen Bauchraum ein. Mein Bein knickt unter mir ein. Ich werde von meinem eigenen Schwung auf den Boden geschleudert und überschlage mich. Im nächsten Moment ist der Sicherheitsmann genau vor mir, er beugt sich über mich, bringt die Pistole beidhändig in Position, um es zu beenden – ich schmettere ihm den Lauf meiner Waffe gegen die Schläfe. Er taumelt rückwärts, stolpert erneut über irgendetwas und stürzt ebenfalls. Dann setzt der Schmerz in meinem Bauch ein. Ich habe noch nie so geschrien wie in diesem Moment. Bilder blitzen vor meinem inneren Auge auf, Bilder von früher, Bilder aus der Zeit, als ich mich noch nicht in einer Gangster-Vereinigung zu behaupten versucht habe. Und Sakuras Gesicht. Das sehe ich sogar am öftesten. Oh nein, nicht mit mir! Einen Sasuke Uchiha kriegt man nicht klein, nur weil man ihm in den Bauch schießt! Das ist kein unmittelbar lebensnotwendiges Organ, sage ich mir, ich kann es noch schaffen, und überhaupt würde ich selbst als halbe Leiche nicht aufgeben! Ich robbe mich durch den Spalt, den die Tür noch offen steht, strecke mich … Der Schmerz in meinem Bauchraum ist so grausam, dass ich meine, gleich das Bewusstsein verlieren zu müssen. Da läuft der Kerl, rennt durch den Flur auf die Spezialtür zu, dass seine Fettreifen schwabbeln … Ich ziehe die MP über den Boden, bis sie auf ihn zeigt. Meine linke Hand hat mittlerweile kein Gefühl mehr, aber die Richtung stimmt nun … Ich überlege mir, das ich sicher nicht mehr viele Kugeln habe, und drücke ab. Der Rückstoß ist minimal, aber mein Schmerzensschrei ist so laut, dass er das Echo der Schüsse zu übertönten scheint. Der Gremium-Vorsitzende stolpert mitten im Schritt, als eine meiner Kugeln sein Bein erwischt. Ich schreie weiter und verballere mein ganzes Magazin auf den Fleischberg vor der Sicherheitstür. Dann engleitet mir die Waffe aus der kraftlosen Hand. Ich wälze mich auf den Rücken. In meinem Mund ist mittlerweile so viel Blut, dass ich darin zu ertrinken glaube. Mein Lachen kommt als nasses Blubbern über meine Lippen. Ich habe es geschafft. Sasuke Uchiha hat eine letzte Wahnsinnstat begangen – die größte in seinem Leben, und zum ersten Mal ist sie nicht von seinen eigenen Instinkten geleitet gewesen, sondern von der ehrlichen Absicht, jemand anderen aus der Scheiße zu ziehen. Die Flecken der Ohnmacht, die vor meinen Augen tanzen, erschweren den Blick auf die Gestalt, die sich vor mir aufbaut. Der Sicherheitsmann, dem ich eins über den Schädel gezogen habe. Ein Klicken verrät mir, dass eben ein neues Magazin in seiner Waffe eingerastet ist. Ich habe schon relativ früh festgestellt, dass es auch oder gerade in der Unterwelt relativ einfach ist, jemanden auf radikalste Art und Weise aus dem Weg zu räumen. Das Problem ist, dass sich das meistens zu einem reinen Himmelfahrtskommando entwickelt. Wie auch in diesem Fall. Das war es dann also. Ich hoffe in diesem Moment nur, dass Sakura mich versteht. Ich lache, würgend und hustend, und breite einladend die Arme aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)