Ein unfaireres Spiel mit dem Schicksal von Strichi ================================================================================ Kapitel 25: Ulveigs wahre Absichten ----------------------------------- Endlich kehrten wir in unser Haus ein und als sich die Tür hinter uns schloss, merkte ich auf einmal wie Ragnar in sich zusammenzusacken schien. Plötzlich und für mich vollkommen unerwartet, schien er einfach schwach zu werden. Langsam löste er seinen Gürtel und stellte seine Waffen an die Wand. Den ledernen Wams ließ er auf einen Stuhl fallen und noch immer sprach er nicht ein Wort. Was war los mit ihm? Irgendetwas war komisch geworden. Doch was genau konnte ich nicht einschätzen. Irgendwie wurde die Stille, welche den Raum erfüllte so drückend, dass ich begann mich unwohl zu fühlen. Darauf bedacht leise zu sein, lehnte ich meinen Bogen an die Wand und ließ den Köcher zu Boden gleiten. Das Kurzschwert packte ich auf den Küchentisch und immer noch war ich unsicher, ob und was ich sagen sollte. Ragnar selbst schien tief in Gedanken versunken zu sein. Seine Schultern waren nach vorne gefallen und Trauer spiegelte sich in seinem Gesicht wieder. Trotz seiner Größe wirkte er in diesen Augenblick sehr schwach. Leise räusperte ich mich und es dauerte einen Moment bis die Augen meines Mannes auf mich gerichtet waren. Seine offensichtliche Schwäche verwirrte mich und wenn ich ehrlich war, machte sie mir sogar etwas Angst. Schließlich kannte ich ihn so nicht. „Was ist los, Ragnar?“, wollte ich leise wissen und kam auf den großen Rothaarigen zu. Meine Hände strichen über seinen Unterarm und meine Hand fand die seine. Sanft drückte ich sie und nur leicht erwiderte er den Händedruck. Als ich schon nicht mehr mit einer Antwort rechnete begann mein Mann leise zu erklären. „Ich fühle mich schuldig… Schuldig meinen Bruder im Stich gelassen zu haben… Schuldig, dass ich diesen Verrat nicht bemerkt habe und… ja“, beendete er etwas abrupt seine Erklärung. Natürlich war es für ihn eine schreckliche Wahrheit mit welcher ich ihn heute konfrontiert hatte. Vermutlich war es das eine, dass man ein Familienmitglied an einen Feind verliert, schließlich war er ein Krieger, ein Soldat. Dieser Beruf barg die Gefahr zu fallen und nie wieder zu zurück zu kommen. Allerdings war Jaris Tod anders. Es war ein Mord. Ein Mord, geplant und ausgeführt von einem Menschen dem man vertraute, den man schätze, vielleicht auch jemanden mit dem man gerne zusammen saß. Natürlich ergab Ragnars plötzliche Trauer, seine Schwäche nun Sinn und irgendwie tat es mir schrecklich leid. Doch so gerne ich es wollte, ich konnte ihm diesen Schmerz und diese Erinnerung einfach nicht nehmen. So gerne ich es auch getan hätte. Natürlich hatte Ragnar gerade nicht seine Schwäche und Trauer gezeigt. Zu wichtig war ihm seine Wirkung und sein Ansehen bei seinen Freunden und auch Fremden. Männer durften hier nicht schwach sein. Wahrscheinlich durfte auch Trauer nicht zu sehr nach außen gezeigt werden. Doch mir hätte bewusst sein sollen, dass da welche war. Wie unempathisch ich mich doch verhalten hatte! Ein schlechtes Gewissen wuchs in mir. Ich wollte schließlich nicht kaltherzig sein. Aber mein Kopf war so häufig am Nachdenken, dass ich vieles vielleicht zu spät bemerkte. Immer noch waren die Augen meines Mannes von Trauer erfüllt und er sah mir nicht in die Augen. Ich zog den großen Krieger zu mir und schlang meine Arme um seinen Körper. Liebevoll drückte ich ihn und wusste, wenn ich ehrlich war nicht was ich sagen sollte. Er durfte und sollte schließlich trauern, dass er mich an seiner Trauer teilhaben ließ zeigte mir eigentlich nur, wie sehr er mit vertraute. Sein so vertrauter Geruch umhüllte mich ich spürte wie er zufrieden und leicht ausatmete. Sanft streichelte ich seinen Rücken und mit mitfühlender Stimme sprach ich: „Es tut mir so leid, was deiner Familie und dir angetan wurde. Ich kann nur erahnen wie sehr du deinen Bruder vermisst. Doch wenn du ihn so sehr liebt wie ich meinen Bruder liebe, wünschte ich, dass ich dir etwas von deinem Schmerz nehmen könnte.“ Ragnars Arme, welche sich während meines Monologes um mich legten drückten mich kräftig an seine Seite. Seine großen Hände strichen über meinen Rücken und strichen mir leicht durch die blonden Haare. „Ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen“, murmelte er und langsam entließ er mich aus seiner Umarmung. Deutlich sah man in seinen grünen Augen den schmerzlichen Ausdruck und ich war mir nicht sicher, ob sie gerade heller aussahen wie noch vor wenigen Augenblicken. Ich verstand ihn und ein liebevolles Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Wie oft hatte ich mir genau diesen Wunsch in Gedanken immer und immer wieder gesagt. „Vielleicht sollte man sich weniger fragen, was wäre wenn… Sondern sich…. So schwer es ist einfach auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Wir rächen deinen Bruder und all die Anderen, die unwissend und unschuldig von Ulveig beseitigt wurden“, meinte ich und merkte wie kämpferisch meine Stimme wurde. Liebevoll strich mir Ragnar eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte mich leicht an. „Natürlich werden wir das, Prinzessin. Er wird dafür bezahlen und auch, dass er dir gedroht und dich angefasst hat. Es kam nur so plötzlich heute…. So von Jari zu hören und nicht darauf vorbereitet zu sein und dann… Diese Worte… Als ich sie las kamen in mir Erinnerungen wieder. Erinnerungen von denen ich nicht einmal wusste, dass sie noch da waren. Und seine Stimme, die Art wie er geschrieben hatte, so hatte er auch gesprochen…. Es war für mich, als würde ich noch einmal auf meinen Bruder treffen. Aber als könnte ich ihm nichts sagen und ich hätte ihm so gerne noch das ein oder andere gesagt, bevor er starb.“ Unsicher biss ich mir auf die Lippen, denn so wie er es beschrieb musste es mehr als schmerzvoll gewesen sein, das Tagebuch zu lesen. Und ich hatte es ihm einfach in die Hand gedrückt… Mir war bewusst, dass es unsinnig war, doch ein schlechtes Gewissen wuchs in mir und ich fragte mich, ob ich mich in Ragnars Situation gefreut hätte oder nicht. Noch einmal etwas Neues von einem geliebten Menschen zu hören war sicherlich schrecklich und doch war es doch auch irgendwie schön? Ich konnte selbst keine passende Antwort darauf finden und so versuchte ich mich wieder zurückzuholen in das Hier und Jetzt. Leicht nickte ich und drückte sanft seine Hand. Ich zog ihn zum Kamin und drückte Ragnar einfach auf den Sessel. „Meine Mutter sagte immer, wenn jemand traurig ist sollte man einen Tee machen. Ich mach dir jetzt einen und dann entspannen wir einfach etwas. In Ordnung?“, wollte ich wissen und ging doch ohne eine Antwort abzuwarten einfach zum Wasserkessel. Wenn ich jetzt nichts tat, dann hätte ich wieder das Gefühl meinem Mann in seiner Trauer im Stich gelassen zu haben. Während das Wasser vor sich hin kochte entfachte ich im Kamin ein Feuer. Ragnar schien währenddessen immer noch tief in Gedanken versunken zu sein und doch ließ ich ihn. Mir war bewusst, dass ich ihn nicht einfach aufmuntern konnte. Es gab einfach Momente und Situationen die man einfach nicht schön sprechen konnte und, wenn ich ehrlich war, wollte ich es auch nicht. Auch Ragnar durfte sich schlecht fühlen, durfte trauern und da ich wusste wie sehr er seinen Bruder geliebt hatte, sollte er auch die Zeit bekommen. Wenn der Tag Wunden aufgerissen hatte, dann brauchte es die Zeit diese Wunden verheilen zu lassen. Ich goss heißes Wasser in eine Tasse und die Kräuter im Inneren begannen ihr Aroma zu entfalten. Nachdem ich ihm das heiße Getränk gereicht hatte zog er mich einfach auf seinen Schoß und drückte meinen Körper an den Seinen. Entspannt lehnte ich mich an meinen Mann und sanft streichelte er mir über den Rücken und betrachtete das Feuer im Kamin. Sein Geruch nebelte mich ein und als Ragnar langsam begann mich zu kraulen konnte ich nicht wiederstehen genüsslich die Augen zu schließen. Es tat einfach unglaublich gut. Er trank den Tee und strich mir immer wieder durch meine Haare. Spielte fast schon mit ihnen. Keiner von uns beiden schien die einvernehmliche Stille durchbrechen zu wollen und ich merkte erst viel zu spät, dass ich eingenickt war. Ragnar setzte sich auf und weckte mich aus meinem Halbschlaf. Erschrocken setzte ich mich auf und leise lachte mein Gatte. „Mein Bein schläft ein… Wenn du so müde bist geh besser zu Bett“, meinte er und ich musste zustimmen, dass er Recht hatte. Leicht nickte ich, während ich mich endlich von ihm erhob und gähnend die Hand vor dem Mund hielt. „Du hast Recht“, murmelte ich und streckte meine Glieder, „Willst du mit ins Bett?“ Ein leichtes Lächeln zierte das Gesicht Ragnars und ein warmer und sanfter Ausdruck erschien in seinen grünen Augen. Er nickte und erhob sich langsam von dem Sessel. Nachdem wir uns beide fertig gemacht hatten und uns zusammen in das Bett gelegt hatten, drückte er mich wieder an seine Seite und streichelte sanft und liebevoll mein Gesicht. „Weißt du…Jari hätte mich wirklich beneidet um dich… Du verkörperst alles, was er von einer Frau wollte. Er wollte immer, dass seine Frau andere…. Na ja andere Gesichtspunkte hat umso seinen eigenen Horizont zu erweitern. Er hat sich immer gewünscht, dass seine Frau exotisch ist und anders als die Frauen hier. Er wäre dir… vielleicht von Anfang an auch ein besserer Ehemann gewesen“, sprach Ragnar mit sanfter Stimme und strich mir weiterhin über die Wange. Ein trauriges Lächeln zierte meine Lippen und nach einem Augenblick sprach ich das, was ich dachte: „Ragnar, dass weißt du gar nicht. Vielleicht wären wir auch gar nicht miteinander ausgekommen und selbst wenn, spielt es doch keine Rolle mehr. Ich liebe dich und nicht deinen Bruder. Aber ich wünschte, ich hätte ihn kennen gelernt. Denn wenn du ihn so sehr vermisst, dann muss er wirklich ein guter Mensch gewesen sein. Aber versuch nicht nur an das Schlechte zu denken, denke auch an das Gute zu erinnern. Ich habe deinem Vater einmal gesagt, dass die Toten uns erst dann verlassen, wenn keiner mehr an sie denkt.“ Ein sanftes und liebevolles Lächeln schlich sich auf Ragnars Gesicht. „Das hast du meinem Vater gesagt? Ihm werden sicher die Tränen gekommen sein…. So wie ich ihn kenne“, murmelte er leise. Wie gut er Raik kannte, doch es wunderte mich nicht. So nah wie sich standen, kannten sie einander einfach ziemlich gut. Wir legten uns ins Bett und sofort nahm mich mein Gatte in den Arm und drückte mich an seine Brust. Liebevoll wanderte seine Hand zu meinem Bauch und sanft strich er über diesen. „Er ist wirklich jetzt schon größer geworden“, meinte er und immer wieder strichen seine großen Hände über meine Körpermitte. Nach einem Moment der Stille fragte ich: „Wärst du traurig, wenn es kein Junge wird?“ So wie diese Gesellschaft war würde es mich nicht wundern, wenn einige Männer bei der Geburt eines Mädchens sehr enttäuscht wären. Umso erleichterte war ich als ich Ragnars tiefe und ruhige Stimme hörte: „Nein, wäre ich nicht. Sie soll dann aber deine Augen bekommen. Sonst muss ich mit ihr ein ernstes Wörtchen reden.“ Natürlich meinte er es nicht ernst, das verstand ich sofort und ein leises Lachen stahl sich aus meinen Lippen. „Hoffentlich hat sie das gehört“, scherzte ich herum und konnte auch nicht widerstehen über meinen verhärteten Bauch zu streicheln. „Wie sieht es mit dir aus?“, wollte Ragnar wissen und ich merkte, dass die Trauer ihn verlassen hatte, denn klarer und glücklicher sprach er mit mir, „Du scheinst sehr überzeugt zu sein, dass wir eine Tochter bekommen, was ist wenn du einen Sohn kriegst? Bist du dann enttäuscht?“ Ein freches Grinsen legte sich auf meine Lippen und den Kopf schüttelnd erwiderte ich: „Nein, solange er meinen Verstand bekommt ist alles gut.“ Ein tiefes Lachen drang aus der Kehle meines Mannes und als ich seine Finger unter meinen Achseln merkte zuckte ich lachend zusammen. Ich vergaß mit Ragnar die Probleme welche uns eigentlich verfolgten und schaffte es mit ihm in meine eigene kleine heile Welt zu flüchten. Dieser Abend gehörte uns und niemand konnte gerade dort hinein. Es dauerte lange bis wir zum Schlafen kamen, denn nachdem ich mich lachend unter ihm gewunden hatte kamen seinen Lippen. Sie überfielen meinen Mund, strichen über meinen Hals. Sein Bart kratze mich und seine Hände ließen mich wahnsinnig werden. Schon am nächsten Tag holte mich die Realität ein. Schließlich hatten Ragnar und ich einen Mord zu planen und mir selbst war durchaus bewusst, wie falsch dies in meinen Ohren klang. Schließlich wollte ich nie eine Attentäterin sein. Gerade als ich mich mit Ragnar darüber unterhielt, dass wir uns in zwei Tagen auf den Weg zu Otwail machen mussten, klopfte es an unserer Haustür und nur mit Mühe schaffte ich es ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken als ich meiner Schwiegermutter ins Gesicht blickte. „Ah gut, dass du da bist! Ich muss mit dir sprechen“, meinte sie und ein erstaunlich strenger Unterton schwang in ihrer Stimme mit. Was war denn ihr Problem? Etwas widerwillig ließ ich Inga eintreten und freudig begrüßte sie ihren Sohn, drückte ihn und wollte ihn auf die Wange küssen. Dies jedoch ließ mein Mann nicht zu. Etwas, was ich durchaus verstehen konnte. „Thalia“, begann Inga mit tadelnder Stimme auf mich einzusprechen und ich fragte mich, was ich wieder angestellt hatte, „Wie kannst du meine Tochter einfach mit auf die Jagd nehmen? Sie ist viel zu jung dafür! Und zudem ist sie ein Mädchen. Es ist ja schon schlimm genug, dass du dieser… dieser „Freizeitbeschäftigung“ nachgehst, aber nicht meine Tochter und so lange ich noch etwas zu sagen habe, verbiete ich dir, dass du sie zu so etwas anstiftest!“ Perplex und vollkommen überrascht sah ich Inga an und sprachlos. Den Blick meines Mannes suchend wusste ich einfach nicht, was ich darauf erwidern sollte. Schließlich konnte ich ihr schlecht sagen, dass wir gar nicht jagen waren sondern begangen einen Plan zu schmieden wie man den Clanführer beseitigte. „Thalia und Lillie waren nur bedingt jagen“, sagte Ragnar und sprang mir zur Seite, „Sie wollten die Umgebung erkunden und hatten zur Vorsicht ihre Waffen mitgenommen. Als wir uns trafen und von Wölfen angegriffen wurden war ich sehr dankbar, dass meine Frau bewandert ist im Umgang mit dem Bogen.“ Er log ohne rot zu werden und wie dankbar ich ihm war konnte ich nicht in Worte fassen. So sollte es sein und so kannte ich es nur von Zuhause. Wie groß die Zuneigung für meinen Mann gerade war konnte ich einfach nicht in Worte fassen, dass meine Schwiegermutter unzufrieden dreinsah machte es für mich nur noch besser. Ja, ich mochte sie wirklich nicht, dennoch gehörte sie einfach zur Familie ob ich es wollte oder nicht. „Ich finde es dennoch nicht gut. Das ganze hätte auch anders ausgehen können und das würde ich noch viel weniger wollen! Also bitte, geh nicht mehr mit meiner Tochter so tief in den Wald. Wer weiß was euch alles hätte passieren können“, meinte sie und verschränkte zornig die Arme vor der Brust. Ich hatte keine Lust auf den Streit und so stimmte ich ihr einfach zu. Wichtig waren gerade andere Dinge und wenn ich ehrlich war, wollte ich einfach nur, dass sie verschwand! Doch leider wurde mein Wunsch nicht erfüllt. Sich zu Ragnar drehend sagte Inga: „Ragnar, ich brauche dich morgen früh. Die Vorbereitungen wegen des Erntedankfestes laufen und du bist kräftig genug mit deinem Vater den Kranz aufzustellen. Ulveig hatte ihn darum gebeten und natürlich habe ich zugestimmt.“ Etwas überrascht sah ich Ragnar an und auch dieser wirkte überrascht. Schließlich wollten wir zu Otwail aufbrechen. „Na gut“, nuschelte mein Mann und als Inga endlich gegangen war sagte mein Mann: „Das Erntefest habe ich ganz vergessen… Reite du wie vereinbart los und ich komme nach. Idril ist schnell und wird dich, wenn du dein Pferd nicht hetzt, einholen können.“ Während ich mich auf einen Küchenstuhl niederließ nickte ich wiederwillig und meinte: „Wenn es sein muss. Ich würde mich wohler fühlen, wenn du mich begleitest… Und was ist das für ein Fest?“ Überrascht sah mich Ragnar an als er begann zu erklären: „Na ja, dass Erntefest eben…. Feiert ihr das etwa nicht? Zum Ende des Sommers wird ein Fest veranstaltet mit großer Tafel und alle bringen Essen dazu mit. Es wird viel getanzt und viel getrunken… Wenn ein Jahr gut war, dann gibt es sogar einen großen Kuchen. Man verabschiedet einfach den Sommer und danach sagt man, hat der Herbst das Zepter in der Hand. Meine Familie stellt häufig den Kranz. Der steht in der Mitte des Marktplatzes und die Tische für das Gelage werden drum herum gestellt. Allerdings sitzen dort nur die Wichtigen und…. sagen wir wohlhabenden Bewohner. Die Anderen feiern es in ihrem eigenen Haus und kommen erst dazu, wenn Musik gespielt wird und das…“ Er beendete seinen Monolog und grinsend beendete ich seinen Satz und sagte: „Du meinst, wenn das Betrinken anfängt.“ Schmunzelnd betrachtete mich Ragnar und schien mir stillschweigend Recht zu geben. Widerwillig verabschiedete ich mich von Ragnar und ging zum Stall. Ich hoffte, dass er schnell mit den Vorbereitungen fertig wurde und mir nachkam. Er hatte mir versprochen, dass er sich beeilte und während ich meine Stute fertig machte bemerkte ich wie Tiu, der Sohn des Stallmeisters, mich beäugte. Ich versuchte ihn zu ignorieren. Wieso musste er eigentlich immer hier herumlungern wenn ich etwas machte? Als ich jedoch aufsaß, schlenderte er zu mir und fragte, wo ich wieder hin wolle. Zornig sah ich ihn an und meine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ich brauche einfach etwas Ruhe und reite deswegen aus“, meinte ich und befestigte meinen Bogen am Sattel meines Tieres. Seine Augen glitten zu der Waffe und genervt beantwortete ich die unausgesprochene Frage. „Nein, ich habe nicht vor jagen zu gehen!“ Dass es ihn eigentlich nichts anging, schluckte ich schweren Herzens runter und schaffte es nur gerade so, nicht die Augen zu verdrehen. „Aber sollten mich wieder Wölfe angreifen, dann will ich vorbereitet sein“, erklärte ich und wusste, dass das vielleicht ein wenig patzig geklungen habe. Tius Augen verengten sich zornig und er schwieg. Ich sah ihm nach als er ging, doch ich fragte nicht wohin er wollte. Schließlich interessierte es mich auch nicht besonders. Ich war dankbar, dass ich endlich alleine bei den Pferden war und länger als gewöhnlich ließ ich mir Zeit mein Pferd fertig zu machen. Ich ließ das Dorf hinter mir und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass etwas anders war als sonst. Was genau hätte ich nicht beschreiben können. Vermutlich war es das wissen, was ich vorhatte, welches mir ein ungutes Gefühl bescherte. Ich ließ Freya nicht schnell laufen, denn ich wollte schließlich, dass Ragnar mich einholte. Vielleicht war es albern, aber ich wollte einfach nicht alleine durch die Gegend laufen und giftige Pilze oder ähnliches sammeln, denn dann würde ich die alleinige Schuld an den Tod eines Menschen tragen und irgendwie wollte ich das nicht. Ich grübelte und fragte mich gerade, wie und wann man Ulveig vergiften könnte und wann es niemanden auffiel… Doch darauf wollte mir keine passende Antwort einfallen. Ich konnte ihn nicht zum Essen in unser Haus einladen. Das würde keinen Sinn machen. Zudem konnte und wollte ich ihn nicht in meinem Haus umbringen. Irgendwie hätte ich dann ein seltsames Gefühl in mir, obwohl ich nicht an Übernatürliches glaubte. Das Haus meiner Schwiegereltern kam auch nicht in Betracht. Sie sollten damit nicht zu tun haben und ich konnte mir vorstellen, dass Ragnar dies ebenso sah wie ich. Vermutlich sollte ich Otwail und Inga fragen was sie meinten. Vielleicht kamen sie auch eine Idee, einen Augenblick der passen würde. Ich lenkte Freyas Schritte um eine Biegung und murmelte ihr abwesend etwas Beruhigendes zu, als sie den Kopf in die Luft warf und ihre Ohren sich anlegten. Doch dann hatte ich einen Geistesblitz. „Das Fest! Vermutlich war er irgendwann zu abgelenkt und einer von unseren Mithelfern könnte das Gift in seinen Becher kippen. Auf einmal wuchs die Vorfreude auf das fest in mir und ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Das Geräusch von Hufen riss mich aus meinen Gedanken und doch schaffte ich es nicht mich umzudrehen, denn etwas anderes erregte meine Aufmerksamkeit. Ein Rascheln aus einem Busch ließen Freya und mich zusammenfahren und erschrocken schrie ich auf als ein Mann aus dem Busch kam und nach den Zügeln meines Tieres griff. Wer war das? Wo kam der her? Ich konnte keine einzigen klaren Gedanken fassen. Unsere Blicke trafen sich und es traf mich wie ein Schlag. Ich erkannte ihn sofort! Es war Tiu. Und plötzlich nahm ich hinter mir das Getrappel von Hufen wahr. Mich im Sattel drehend, sah ich Ulveig auf seinem großen Pferd auf mich zukommen und erschrocken keuchte ich auf. Gerade als ich Freya den Befehl gab schneller zu laufen, riss mich der junge Mann von meiner Stute. Hart fiel ich auf den Boden und mein Kopf schlug schmerzvoll auf den harten Waldboden. Immer noch hörte ich die Schreie der Männer und als ich versuchte mich aufzusetzen drückten mich harte und unnachgiebige Hände auf den Boden. Das andere Pferd kam schnell näher, ich hörte und spürte es im Boden. „Lass mich!“, schrie ich voller Panik und Adrenalin schoss durch meine Venen. Gleichzeitig kam ein kurzes Glücksgefühl in mir auf, denn ich war nicht auf den Bauch gefallen. Gott sei dank! Doch so schnell dieses Gefühl da war so schnell war es auch wieder verschwunden als ich hinaufblickte und mir das Blut in den Adern gefror. Immer noch hielt mich Tiu fest und ich hörte wie jemand, und natürlich konnte es nur Ulveig sein, aus seinem Sattel auf dem Boden sprang. Ich musste hier weg, war mein einzig klarer Gedanke und ich schaffte es nicht mich gegen Tiu zu wehren. War er denn wirklich so kräftig? Oder hatte mich die Kraft beim Sturz verlassen? „Gut, du hast sie abgepasst, aber ich hätte sie jetzt eh eingeholt“, hörte ich die drohende Stimme näherkommen und immer verzweifelter versuchte ich, mich zu verteidigen. Doch es brachte nichts, nur, dass sowohl Ulveig und Tiu begannen zu lachen. Panisch sah ich mich um und bemerkte zwei große Gestalten über mir. Einer griff gewaltsam nach mir und drückte mich wieder hinunter auf den Boden. Eine andere große Gestalt mit einem Wams der sich um seinen Bauch spannte, beuge sich über mich. Sofort erkannte ich ihn. Dieses verhasste und verachtete Gesicht. Ulveig. Als seine Hände sich um meinen Hals legen und kräftig begannen zuzudrücken versuchte ich mit allen mir verbliebenen Kräften mich gegen diese Hand zu wehren, doch die zweite Person erstickte jeden Versuch sofort. Wer mich noch festhielt war mir schleierhaft. Ich war zu schwach um mich gegen zwei Männer zu wehren. Der Sturz steckte mir in den Knochen und zu kräftig waren die Menschen. Ein seltsamer gurgelnder Laut entkam meiner Kehle als er fest zudrückte. Adrenalin wurde durch meinen Körper gepumpt und mit weit aufgerissenen Augen sah ich Ulveig in seine Augen. Unbeeindruckt sahen sie mich an und mir war bewusst, dass ich nicht die erste Person war, der er so etwas antat. Meine Fingernägel kratzen über seinen Handdrücken und röchelnde Laute drangen aus meiner Kehle. Immer verschwommener sah ich Ulveigs Gesicht und ich wusste, dass ich verloren hatte. Dass er sich wirklich selbst die Hände schmutzig machte, hätte ich nie gedacht. Bevor mich die Dunkelheit gänzlich in ihren Bann zog, nahm er die Hand weg und dem Reflex folgend zog ich den ersehnten und vermissten Sauerstoff in meine Lunge. Immer noch raste mein Puls, deutlich hörte ich ihn in meinen Ohren. Stoßweise ging meine Atmung und immer noch spürte ich die Hände des anderen Mannes, doch ich traute mich nicht den Blick von der lauernden Gefahr über mir abzuwenden. „Du kleine Hure… glaubst du ich weiß nicht was du und dein Gatte vorhabt? Ich bin nicht umsonst seit Jahren Clanführer. In jedem Dorf habe ich Menschen die zu mir halten und Spitzel… Du willst mich los werden? Ich sorge dafür, dass alle die diesen Komplott beiwohnen getötet werden und du wirst dabei zu sehen!“ Er schlug mir fest ins Gesicht und erneut verschwamm die Welt vor meinen Augen. Eine Hand schloss sich wie ein Schraubstock um meinen Oberarm und begann mich über den harten und steinigen Waldboden zu zerren. Spitze Steine bohrten sich in meinen Körper und ich schaffte es nicht mich gegen diese Kraft zur Wehr zu setzen. Mein Kopf prallte schmerzvoll gegen einen höheren Stein, doch niemand schien das zu interessieren. Benommen rollte mein Kopf zur Seite und ich spürte, wie das Blut aus meiner Nase lief. Endlich ließen sie mich liegen und ich wusste nicht mehr wo ich war. Ich glaubte es waren Ulveigs Hände, welche nach mir grabschten und mich im Gesicht berührten und durch den Schleier der Benommenheit erkannte ich sein Gesicht nur schemenhaft. „Sie sieht wirklich gut aus Herr. Nur das Blut stört gerade“, hörte ich die Stimme Tius hinter mir sprechen. Wieso tat er das? Wieso half er ihm bei so etwas Schrecklichem? Doch noch bevor weiter darüber nachdenken konnte zuckte ich zusammen als ich erneut Ulveigs Hand an meinem Hals spürte. Erschrocken wollte ich aufschreien, doch mein Schrei blieb in meiner Kehle stecken. „Und sie gehört mir. Reicht schon, wenn sie den ganzen Sommer bei Ragnar sein musste“, hörte ich Ulveigs kalte Stimme und was er danach sagte verstand ich nicht. Ich will leben, dachte ich mir und woher ich meine letzten Kräfte nahm war mir schleierhaft. Doch ich wollte nicht sterben und ich wollte nicht, dass andere wegen mir starben. Ragnar, Lillie und vermutlich auch Otwail und seine Familie. Ich schaffte es meine Hände aus dem Griff des Menschen hinter mir zu entwinden und rammte meine Fingernägel in Ulveigs Hand. Doch es brachte nichts, denn sofort waren die Hände hinter mir wieder da und zerrte sie hinter meinen Körper. Ein Knochen in meiner Schulter knackte, doch ich spürte, dass er nicht gebrochen war. „Pass doch auf“, meckerte Ulveig den anderen an und ließ dabei zum Glück meinen Hals los. Erneut zog ich gierig den Sauerstoff wieder in meine Lunge. Er konnte alles mit mir anstellen was er wollte und ich hatte nicht die geringste Chance irgendwie gerettet zu werden oder mich selbst zu wehren. „Nein!“, röchelte ich entsetzt und strampelte mit den Beinen so sehr ich konnte. Er sollte runter von mir! Weder wollte ich seine Hände auf mir spüren, noch wollte ich seinen Geruch auf mir haben. Ich erwischte ihn nicht, meine Bemühungen waren umsonst. Er presste mir eine Hand auf den Mund und ließ seinen Blick über meinen Oberkörper gleiten und leckte sich mit der Zunge über die Lippen. Ich bekam nur ein leises, unverständliches Brabbeln heraus, so fest drückte er seine Hand auf meinen Mund. „Ich wollte ja eigentlich warten“, sprach Ulveig und starrte mich immer noch an, „Doch ich glaub darauf habe ich zu lange gewartet! Halt sie fest!“ Ich wollte protestieren, ihn anschreien. Das konnte er mir nicht antun! Doch wie er mich diabolisch ansah wusste ich, dass ich sicher nicht die erste Frau war, welche er so anstarrte. Gierig und ohne Mitleid. Meine Augen wurden feucht und ich wusste, dass ich keine Hilfe erwarten konnte. Ich schrie und versuchte die Arme aus dem Klammergriff des Fremden zu bekommen, während mir ungehinderte die Tränen die Wange hinunter liefen. Es hatte keinen Sinn sie zurück zu halten. Er beugte sich zu mir runter. „Ich nehme die Hand von deinem Mund. Wenn du schreist, lade ich Tiu auch noch ein“, wisperte er. Die Angst schnürte mir die Luft zu. Das durfte nicht wahr sein! Meine Augen glitten durch den Wald doch niemand war da! Niemand würde kommen. Ragnar hatte es gesagt, dass heute die meisten begangen das Erntefest vorzubereiten. Doch er wollte sich auf den Weg machen! Er wollte mir nachkommen! Er musste nur bei seiner Mutter fertig werden hatte er gesagt und dann wollte er zu mir, hatte er nicht sogar gelacht und gemeint, dass sein Hengst so schnell sei, dass selbst Freya nur seinen Staub schlucken würde? Wo war er jetzt? Ulveig verlagerte sein Gewicht wieder auf meine Hüften und ich musste ein Wimmern unterdrücken, so sehr schmerzte sein Gewicht auf meinen Knochen. Ich versuchte Tius Blick zu begegnen, doch auch er starrte auf meinen Körper. Aus seiner Hosentasche holte Ulveig und Tuch heraus! Was hatte er damit vor? Die Panik, welche stetig da war erfüllte mich mal weniger Mal mehr intensiv und da ich nicht verstand was er mit diesem schmuddelig aussehenden Tuch wollte überrollte mich gerade eine neue Welle der Panik. Er jagte plötzlich seine Nägel in meine Haut und ich konnte einen leisen Aufschrei nicht unterdrücken. Sofort schob er mir das Tuch in den Mund. Ich verschluckte mich an dem groben Stoff und begann zu husten. Einmal hatte ich Sorge gehabt, dass mein Mann mir ohne meinen Willen zu nah kam, doch dies war nichts zudem was mir gerade wiederfährt! Ragnar hatte aufgehört sobald er meine Tränen sah und das Entsetzen über das was er da tat hatte die Oberhand gewonnen. Doch diese Beiden Männer schien es egal zu sein. Die Tränen welche bereits vergossen waren und die, die mir gerade noch über die Wange liefen waren ihnen egal. Ragnar hatte mir gesagt, dass einige Krieger dies nach einem Kampf getan hatte. Sich Frauen mit Gewalt zu nehmen, doch nie hätte ich vermutet, dass mir so etwas je wiederfahren würde! „Das dieses Weib immer Hosen anhat. Wenn sie erstmal bei mir ist, werde ich ihr das verbieten“, meckerte Ulveig und rückte weg von meinen Beinen. Schmerzvoll stöhnte ich auf und als er runter von meinen Beinen war versuchte ich in voller Verzweiflung nach ihm zu treten. Dieser dreckige Bastard sollte verschwinden, vom Blitz erschlagen werden. Alles wäre mir Recht gewesen. „Halt sie gut fest, wenn ich ihr die Hose ausziehe… wieso dieses Weib ständig Hosen trägt muss ich ja nicht verstehen. Die wird sie später nicht mehr haben“, meckerte der Mann über mir und mit einerunvorstellbaren Kraft hielt er mein Bein einfach feste! Natürlich versuchte ich sie aus seinem Klammergriff zu entwinden doch es brachte nichts! Panisch atmete ich ein und verschluckte mich immer mehr an dem Tuch und deutlich merkte ich den Würgereiz in meinem Magen. Er kam vollkommen unvorbereitet und so albern es vielleicht auch klang, ich versuchte ihn zu unterdrücken. Ich wollte einfach nicht mit Erbrochenen vor ihm liegen. Es würde mir noch mehr das Gefühl geben würdelos zu sein. Mir war durchaus bewusst, dass dieser Gedanke albern war, denn dieser Mann, welcher gerade über mir thronte, hatte mich nie respektvoll oder würdevoll behandelt und das war er vorhatte war das genaue Gegenteil! Trotzdem war es für mich wichtig, mich nicht zu übergeben. Meine Hose wurde mir vom Leib gerissen und ich hörte die Nähte reißen, wahrscheinlich war sie kaputt. Etwas knackte im Unterholz und erneut versuchte ich mich gegen meine Angreifer zu verteidigen. Meine Arme begannen zu zittern unter der Anstrengung, doch einfach aufgeben wollte ich nicht, dass konnte ich einfach nicht. Ich wusste, dass wenn ich jetzt aufgab ich mir selbst nicht mehr in die Augen blicken konnte. „Schau dir die Tränen an Tiu. So sieht sie gleich noch viel jünger aus“, murmelte Ulveig und seine Hände strichen über meine Wange. Angewidert drehte ich meinen Kopf weg. Er sollte mich nicht anfassen. Ich sah weg von dem Mann und starrte in den Himmel. Bitte, lass mich nicht daran zerbrechen, dachte ich mir und schloss verzweifelt meine Augen. Wenn es schon geschehen muss, dann wollte ich es nicht sehen. Plötzlich hörte ich Schritte und ängstlich begann ich zu wimmern. Was, wenn noch mehr Menschen kamen? Was dann? Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass der Boden unter mir zu beben begann. Noch bevor ich darüber nachdenken konnte woher dieses Gefühl kam wurde Ulveig mit einer Kraft von mir herunter gerissen, wie sie nur von einem Bären hätte sein können. Erschrocken keuchte ich auf und starrte zu dem, was sich gerade vor meinen Augen abspielte. Sofort erkannte ich die massige Gestalt, groß, knapp an die zwei Meter stand mein Mann vor mir und vor Schreck hatte Tiu meine Arme losgelassen. Sofort schoss das Blut in meine tauben Finger und ein unangenehmes Kribbeln breitete sich in meinen Händen aus. Ragnar stand dort in seiner Reisekleidung. Das lederne Wams spannte sich über seine Brust und seine Stiefel sahen verdreckt aus und seine kleine Axt ging an seinem Gürtel. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und sein tödlicher Blick galt einzig und allein Ulveig. Er ließ keinen Moment verstreichen in dem Ulveig hätte aufstehen können, doch für mich fühlte es sich an, als dauerte es Stunden bis sich in Ragnar etwas rührte. Sofort schlug er auf ihn ein und mir war sofort bewusst, dass die blendend helle Wut von ihm Besitz ergriffen hatte. „Du willst meine Frau vergewaltigen? Du bist nichts als ein widerlicher Bastard und Mörder!“, schrie er ihm wütend entgegen und traf mit einer Wucht Ulveigs Gesicht, dass es mich wundert, dass dieser Mensch nicht sofort umfiel. Doch so gerne ich das Schauspiel vor mir beobachten wollte, erinnerte ich mich daran, dass hinter mir noch jemand lauerte! Ein Blick über meine Schulter reichte jedoch aus um zu bemerkten, dass auch Tius Augen von dem Schauspiel vor sich gefesselt waren. Schnell rückte ich weg von ihm und als ich versuchte aufzustehen gaben meine Beine nach. Schnell spuckte ich das widerliche Stück Stoff aus und versuchte weiter wegzukommen. Meine Beine gehorchten mir gerade einfach nicht und auf allen Vieren von sich kriechend brachte ich einige Meter zwischen uns. Schreie drangen an meine Ohren und mein Herz setzte einen Moment aus als auch Ragnar tiefe Stimme an meine Ohren drang. Ein schmerzverzerrter Laut drang an meine Ohren und sofort sah ich wieder zu den kämpfenden Männern. Ich hatte ihn noch nie so außer sich gesehen. Ulveig blutete aus der Nase und Ragnar hatte eine Platzwunde am Kopf. Woher er diese hatte, hatte ich nicht mitbekommen. Doch der Blutstrom schien ihn nicht zu interessieren. Ich wusste, dass mein Mann gerade vollkommen in Rage war und allunsere Pläne vergessen hatte. Doch wenn ich ehrlich war, war ich ihm mehr als dankbar dafür. Der zweite Mann brauchte einen Moment um zu realisieren was gerade passierte, bevor er sich auf Ragnar stürzte und ihn von Ulveig weg schubste. Diesen Mut hätte ich Tiu gar nicht zugetraut. Wie versteinert saß ich da und musste mir ansehen, wie mein Mann gerade für mich sein Leben riskierte. Wieso schaffte ich es nicht, mich zu bewegen? Wieso gelang es mir nicht? Es schien als würde eine innere Kraft mich davon abhalten etwas zu tun. Es war ein unfairer Kampf. Zwei gegen einen und ich wusste nicht ob ich nicht besser weglaufen sollte, falls es für meinen Mann schlecht ausging. Doch so schnell wie der Gedanke an Flucht gekommen war, so schnell verschwand er wieder. Nie würde ich ihn alleine lassen! Ragnar schubste den schmächtigeren Mann von sich herunter als würde er nichts wiegen. Er war scheinbar nicht sein Ziel. Natürlich war es Ulveig und als Ragnar aufschrie und mit voller Wucht gegen Tius Seite trat wusste ich, dass Ragnar gerade sämtliche Wut in diesen Kampf zu legen schien. Es ging hier nicht nur um mich. Hier ging es auch um seinen Bruder. Ragnars Bruder den er rächen wollte und wozu er jetzt die Gelegenheit hatte. Doch auch der ältere, bärtige Mann nutzte die Chance und schlug meinem Mann in die Seite. Auch Ulveig schien mit immenser Kraft zugeschlagen zu haben. Ragnar taumelte ein wenig nach hinten und zog in Rage seine Axt. Endlich, dachte ich mir und konnte mir vorstellen, dass er sie bis dahin fast vergessen hatte. Sofort merkte ich, dass sich etwas gewandelt hatte. „Das willst du nicht tun“, sagte Ulveig: „ich bin immer noch dein Anführer.“ Ein verzweifelter Versuch sich selbst noch zu retten. Ich verstand was nun anders war. Ulveig hatte keine Waffe bei sich. Als er mich versucht hatte zu vergewaltigen hatte er kein Messer, keine Axt bei sich getragen. Er schien sich so sicher gefühlt zu haben, dass er nun wusste, dass er kam noch eine Chance zu haben schien. „Weißt du wie egal mir das ist, du Hurensohn“, hörte ich Ragnar sagen und es klang doch nicht nach meinem Mann. Es war die Stimme eines Menschen, welche von Hass nur so erfüllt war. „Du hattest kein Mitleid mit meinem Bruder und keinen Respekt vor meiner Frau. Ich werde es genießen, dir gleich den Kopf zu spalten“, murmelte er mit einer Eiseskälte und eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Ja, Ragnar schien kein Erbarmen zu haben und mit erhobener Axt ging er auf Ulveig los, schien nur noch Augen für ihn zu haben. Doch Ulveig war nicht allein. Ich sah wie Tiu auf Ragnar zu rannte und einem Reflex folgend griff ich nach einem Stein vor mir. Er war fast so groß wie meine Handfläche und gezielt schmiss ich auf den jungen Mann. Wie dankbar ich war, dass ich traf konnte sich keiner vorstellen. Ein Schmerzensschrei drang aus der Kehle des jungen Mannes und entsetzt sah er das Blut auf seiner Hand an. Ragnar stürzte sich gleich wieder auf Ulveig. Was hinter ihm geschah nahm er vermutlich gar nicht wahr, so sehr hatte ihn die Wut im Griff. Eigentlich sehr gefährlich. Ulveig konnte schaffte es zu den Angriff Ragnars abzublocken. Er griff nach den Händen meines Mannes und versuchte die Axt von sich aufzuhalten. Nie hätte ich gedacht, dass dieser alte dicke Mann genug l Kraft hatte um Ragnar so entgegen zu treten. Es glich fast einem Ringkampf. Doch ich sah wie die Arme des Älteren zitterten. Jedoch gewann Ragnar nur langsam die Überhand und drückte Ulveig auf seine Knie. Keiner der Beiden sagte etwas. All ihre Kraft setzten sie nur dazu ein, um den jeweils anderen aufzuhalten. Die Klinge von Ragnars Axt näherte sich Ulveigs Hals und schnitt leicht hinein, als mein Mann plötzlich von einem Stein am Kopf getroffen wurde. Tiu, dieser Feigling bewarf ihn von hinten, als habe er es sich von mir abgeschaut. Vermutlich hatte er das auch. Ulveig nutze seine vielleicht letzte Chance und schubste Ragnar zu Boden. Er kniete sich über ihn und hatte einen spitzen Stein in der Hand. Er wollte Ragnar erschlagen! Panik durchströmte meinen Körper. Der ältere Mann setzte sein ganzes Gewicht ein. Ragnar konnte dem unmöglich lange standhalten, die Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich konnte nicht einfach tatenlos zusehen, wie dieses Schwein meinen Mannumbrachte. Ich löste mich aus meiner Starre und stürmte zu ihnen, wenn ich jetzt nichts tat, dann war alles verloren! Ebenfalls mit einem Stein bewaffnet schlug ich dem älteren Mann auf den Kopf und den Rücken. Er schrie auf. Stolz breitete sich in mir aus. Ulveig keuchte keinen Augenblick später nochmal auf, als wir uns in die Augen sahen. Das Entsetzen war deutlich in seinem Gesicht zu sehen und ich sah wie die Lebensgeister den Mann verließen. Eine warme Flüssigkeit sprenkelte in mein Gesicht und es dauerte eine Sekunde bis ich bemerkte, dass es Blut war. Ich sah an Ulveig hinunter. Seitlich, zwischen Hals und Schulter, steckte Ragnars Axt. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)