Die Chroniken der Vier Jahreszeiten von Lady_of_D (Winters Passion) ================================================================================ Kapitel 2: Frühling II ---------------------- Es war eine Mutter Die hatte vier Kinder: Den Frühling den Sommer, Den Herbst und den Winter Der Frühling bringt Blumen, Der Sommer bringt Klee… Der Herbst bringe die Trauben, Der Winter den Schnee - "Papa ist zurück!" Jauchzend kam Malwa ihrer großen Schwester entgegen, breitete die Arme aus und nahm Myoso bei der Hand. Die strahlte ebenfalls übers ganze Gesicht und folgte eilig der Jüngsten. Es waren sieben Tage vor Sommersonnenwende. Die Prinzessin des Sommerreiches wusste, dass ihr Vater vor Anbruch des Sommers von seiner Reise heimkehren würde - aus Menschenerde. Einem Ort, von dem sie bereits neugierig lauschte seit sie ein Wiesenkind gewesen war. Gingko hatte stets von den Menschen erzählt, die ebenfalls auf der Erde weilten, nur nicht sichtbar für die Erben Mutter Erdes, denn ein unsichtbarer Schleier trennte die beiden Arten, die sich doch so nahe schienen. Früher hatte die junge Prinzessin darum gebettelt, ihren Vater begleiten zu dürfen; zu seinen Wanderungen auf Menschenerde - durch die Territorien des Sommerreiches. Die Menschen wussten nicht um die Existenz der Wesen, die seit Jahrtausenden Einfluss auf die Erde besaßen und ihre Machtdemonstration am liebsten auf menschlichem Territorium zur Schau stellten. Die Schattenseite der großen Krieges hatten Menschenerde nicht verschont. Und auch wenn Frieden auf Erden weilte, wurde ein stiller Kampf auf Menschenerde weiter gefochten. Als die liebliche Sommerprinzessin zusammen mit ihrer Schwester den Palast erreichte, funkelten ihre Augen aufgeregt. König Gingko stand zusammen mit seiner Schwester an der Eingangspforte. Ihre Blicke wanderten zu den Töchtern herüber, die ihm gleichzeitig um den Hals fielen. "Nur ruhig, meine Kinder", sagte der sanfte König und schloss seine Kinder in die Arme. "Wo ist Cynos?" Seine Schwester, Pensea, übernahm das Wort: "Ich hatte ihm angeordnet, sich auf die Sommersonnenwende vorzubereiten. Er sollte an der Trauerweide sein." "Ich hole ihn", rief Malwa als Erste und rannte, ohne die Antwort ihrer Tante abzuwarten, den Hügel hinunter. "Lass' mich dich ansehen", Gingko betrachtete seine älteste Tochter, die mit den Jahren nicht nur schöner wurde, sondern auch immer mehr seiner Frau, Königin Lilith, ähnelte. "Bin ich nur eine Wintersonnenwende fort gewesen, und schon ist aus meiner Tochter eine junge Frau geworden." Er lächelte gütig, während Myoso das Gesicht gen Boden richtete. "Allmählich sollten wir über ihre Zukunft sprechen." Die Worte ihrer Tante trafen sie wie Blitze. Bevor ein weiteres Wort gesprochen wurde, kamen Malwa und Cynos herbeigeeilt. Die Begrüßung wurde mit lauten Freudengesängen und heiterem Lachen fortgesetzt, dass sich Pensea bereits zurückzog und weitere Vorkehrungen für die Sommersonnenwende traf. Unsicher folgten die Blicke Myosos ihrer Tante, die mit sicheren Schritten durch die Palasthallen schritt. Pensea war seit Liliths Rückkehr in die Arme Mutter Erdes eine zweite Mutter für Cynos und Malwa. Eine strenge Mutter, die stets die königliche Stellung im Auge behielt. Doch Myoso wollte ihre Tante mit nichts missen. Während der Abwesenheit ihres Vaters war sie immer für die Kinder da gewesen und hatten ihnen die Pflichten des Sommerreiches nähergebracht. "Genug der ausschweifenden Begrüßung", ließ Gingko schließlich von den klammernden Umarmungen seiner Kleinsten, "lasst uns reingehen. Die Sonne wird allmählich schwächer", dabei sah er auf Myoso, welche an den Armen bereits eine leichte Gänsehaut hatte. Die Kinder nickten und folgten ihrem Vater in den Sommerpalast. Warmes, gleißendes Licht erfüllte die Vorhalle. Wärme umhüllte die Sommerkinder, dass die Kälte aus Myosos Körper wich. An den hohen Wänden rankten Efeublätter und spendeten frische Luft. Dazwischen versteckten sich kleine Schröpflinge; Sommergeschöpfe, die wie Glühwürmchen aussahen und blau-weiß leuchteten. Nur in den Sommermonaten trauten sie sich aus ihren Verstecken und schenkten den heißen Nächten kühles, erfrischendes Licht. Aufgeregt sprangen sie umher, als die Königsfamilie an ihnen vorbeilief. Myoso bemerkte, dass eine Efeuranke lose hervorstach und hielt inne. Vorsichtig verband sie es mit einer Gegenüberliegenden, dass es von selbst zusammenwuchs. Das aufgeregte Summen hielt inne, die Schröpflinge verschwanden zurück unter den Efeublättern. "Hast du uns Geschenke mitgebracht?", Malwa spielte mit ihren Fingern und sah dabei ihren Vater mit großen Augen an. Cynos hingegen brachte nur ein eifriges Nicken hervor. "Später", meinte Gingko bloß und setzte sein sanftes Lächeln auf, "es ist höchste Zeit für euch zu ruhen. Wir reden in der Morgendämmerung weiter." Ja, Vater", grummelten die Wiesenkinder und schlurften in ihre Zimmer." "Myoso", Gingko fasste sie am Handgelenk, als diese die Tür zu ihrem Gemach öffnete, "komm' bitte nachher in die kleine Nebenhalle. Es gibt noch ein paar Dinge zu besprechen." "Ja, Vater", hauchte Angesprochene und senkte ihr Haupt, dass er ihr wie früher durchs Haar strich. Schließlich ließ er von ihr ab und gewährte ihr, allein in ihren Gemächern zu verweilen. Die junge Frau lehnte sich an die geschlossene Zimmertür und seufzte. Sie war froh, ihren Vater wohlauf zu sehen, gespannt, was er von seiner Reise zu erzählen hatte und besorgt um die Vorahnung seiner Ankündigung betreffend. Ihre Augen wanderten umher, betrachteten die Gemälde an den Wänden: König Gingko hatte zu ihrem sechzehnten Geburtstag vier Zeichnungen aus Menschenerde mitgebracht. Ein jedes zeigte die Jahreszeit in Form einer weiblichen Gestalt. Myoso liebte die Vorstellung der Menschen von den Jahreszeiten, bewunderte ihre Fähigkeiten mit den Händen zu zeichnen, ohne vergleichbare Kräfte Mutter Erdes zu besitzen. Sie näherte sich den Bildern, die zwischen Tulpen und Pfingstrosen hingen. Efeu schlängelte sich besitzergreifend um die Malereien. Mit den Fingern berührte sie den Winter - das Bild zeigte eine Frau in einem Seidentuch umwickelt; schützend klammerte sie sich an die kahlen Äste, während ihre nackten Füße den schneebedeckten Boden antippten. Die Hände waren zum Gebet gefaltet und berührten die Lippen. Die Sommerprinzessin fragte sich, wieso der Winter vor seiner eigenen Kälte erschauderte. Was in den Menschen vorging, die Bilder wie diese zeichneten. Sie dachte an den echten Winter. Tyledion. Das Leuchten ihrer Sommerknospe brannte tief in ihrer Brust. Während Menschen Herzklopfen verspürten, begannen die Geschöpfe der vier Jahreszeiten im Inneren zu leuchten. Es war ihnen kaum möglich, ihre geheimsten Gefühle zu verbergen. Nur ein hohes Maß an Disziplin erlaubte es Myoso, ihr Leuchten im Zaum zu halten, wenn sie Tyledions in ihrer Nähe spürte. Und sie spürte sofort seine Anwesenheit, sei er noch so unscheinbar. Aber sein kühles Wesen bemerkte die Sommerprinzessin auch in den abgewinkelsten Verstecken. Mit Vorsichtig, als besäße das Gemälde Gefühle, berührte sie die Stelle, an dem die Fußspitze den Schnee berührte. Im Gegensatz zu der zerbrechlichen Winterfrau waren Hiemes' Erben starke und robuste Geschöpfe. Ihre bleiche Haut täuschte nicht darüber hinweg, dass sie kühl und unberechenbar sein konnten. Vor den anderen Reichen hielten sie sich weitestgehend fern. Unnahbar schienen die schwarzhaarigen Wintererben, deren hohen Wangenknochen unverkennbar waren. Ebenso der stolze Gang und der Verzicht auf jeglichen Umgang mit den Geschöpfen des Sommerreiches. Myoso schloss die Augen. Der Hass, welcher tief vergraben in den Reichen des Sommers und des Winters waren, versetzte ihr einen Stich in der Brust. So gern wollte sie etwas dagegen unternehmen, so gern die Vergangenheit aus den Köpfen vertreiben. Doch die derzeitigen Umstände waren schwierig. Die Unruhe, die seit siebzehn Jahren bestand, ließ sich nicht auslöschen. Nachdem bekannt geworden war, dass Asparagos' jüngerer Bruder eine Verbandelung mit einer Frau des Sommerreiches eingegangen war. Dass daraus sogar eine neue Knospe geschaffen wurde...Myoso war selbst kaum aus Mutter Erdes schützenden Armen entstiegen, als die Gerüchte Wahrheit wurden. Gingko, welcher kaum zum neuen König gekrönt worden war, stand damals vor der Aufgabe, den brodelnden Krieg zu verhindern. Die Diplomatie leistete Asparagos' Forderungen Folge und übergab dem Winterreich die Obhut des Jungen. Wie von Sinnen riss die junge Prinzessin die Augen auf, vergewisserte sich, in ihren Gemächern zu sein. Sie tat einen tiefen Atemzug, bevor sie schließlich von dem Bild abließ. Ein letztes Mal fiel ihr Blick auf die verängstigten Augen der jungen Wintersfrau, bevor sie den Wunsch ihres Vaters befolgte und in die kleine Nebenhalle lief. Der König und Pensea saßen auf den Thron ähnlich hergerichteten Holzstämmen einer Jahrtausenden alten Fichte. Goldene Blätter umschmückten die Stuhlbeine, grün schimmernde Knospen zierten die Armlehnen. Als Gingko seine Tochter erblickte, lächelte er. In seiner linken Hand konnte Myoso etwas blau Schimmerndes ausmachen. "Ich habe es auf meiner Reise gefunden. Ich glaube es funktioniert nicht mehr wie es sollte." Er reichte ihr eine kleine gläserne Kugel. "Menschenerde", lächelte Myoso und betrachtete das Geschenk, welches einen kleinen Riss genau zwischen zwei Kontinenten hatte. An einer Stelle war eine Art Knopf angebracht, der jedoch nichts bewirkte, wenn man ihn betätigte. "Sie sieht wunderschön aus", die junge Sommerprinzessin bewunderte das strahlende blau Menschenerdes, die verschiedenen Landschaften, von denen Myoso lediglich aus Erzählungen wusste, dass es viele Reiche gab. Reiche, die einander nicht verstanden, respektieren, noch akzeptierten. Andererseits begeisterte Myoso die Vielzahl ihrer Kulturen und Bräuche. Ihre Lebensweise blieb der jungen Prinzessin jedoch ein Geheimnis. "Wenn ich eines von den Menschen gelernt habe", begann ihr Vater und betrachtete grübelnd die Kugel, "dann, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden dürfen." Myoso wandte ihr Gesicht dem Sommerkönig zu und kniete sich neben ihn. Dann fuhr er fort: "Es gibt ein paar Dinge, die ich gerne mit dir besprechen möchte." Dabei sah er kurz zu seiner Schwester herüber, die ihn stoisch anblickte. "Oder besser gesagt: ich möchte dich um deine Meinung, deinen Rat bitten." "Ich höre dir zu Vater." Zufriedene lächelte Gingko, bevor der ernste Blick zurückkehrte. "In sieben Nächten ist Sommersonnenwende. Die Zeichen für eine friedliche Beisammenkunft stehen günstig. Der junge König Asteros wird sich in Kürze vermählen. Ich möchte diese beiden Ereignisse zusammenführen... Wie es der Brauch ist." Seine Augen sahen durch Myoso hindurch, in eine längst abgelegene Vergangenheit. Die letzte standesgemäße Vermählung eines Königspaares lag in zu weiter Ferne und wurden von den meisten durch die darauffolgenden Ereignisse überschattet. "Das ist eine wundervolle Idee", strahlte ihn seine älteste Tochter an. "Asteros und seine Braut sollen von uns den Segen erhalten, wie es ihnen zusteht. Darum werde ich auch die anderen Reiche zu unserer Feierlichkeit einladen... Das Winterreich eingeschlossen." Pause. Hinter Myoso kam ein leiser Pfiff Seitens Pensea, welche die Augen gen Decke - eine gläserne Decke, welche einen direkten Blick auf den bewölkten Regenhimmel gewährte - wandern ließ. "Ausgeschlossen, dass ein Sturkopf wie Asparagos auch nur einen Fuß in das Sommerreich setzt." "Lasse ich das Winterreich außen vor", begann Gingko und wandte sich seiner Tochter zu, "werden sie es als Beleidigung ansehen. Das Winterreich soll keinen Anlass bekommen, sich der Außenseiterrolle anzunehmen. Außerdem", er legte eine Hand auf Myosos Schulter, "möchte ich in Friedenszeiten keine Unruhe oder gar falsche Zeichen setzen." "Vater", begann die junge Frau und nahm die dargebotene Hand ihres Vaters entgegen, "ich bitte dich. Gib ihnen die Möglichkeit deine Einladung anzunehmen. Nichts nähert die Reiche aneinander als eine Bindung zweier Seelen während einer Sommersonnenwende. Ich bin davon überzeugt, dass die Idee Asteros gefallen wird." Asteros wurde zur letzten Herbstwende zum König seines Reiches gekürt. Kaum älter als Tyledion übergab ihm sein Vater den Stab des Herbstes, und der Stab selbst akzeptierte seinen neuen Gebieter, in dem er selbst seinen neuen Platz an der Hand Asteros' einnahm. "Derselben Meinung bin ich auch", Gingko lächelte, " Ceantho war ein gerechter Herrscher, wir wollen seinem Sohn denselben Respekt erweisen." Myoso nickte, selbst Pensea konnte dem nur zustimmen. Es konnte nicht schaden, die langsam keimende Freundschaft zwischen dem Sommer- und dem Herbstreich weiter auszubauen. Der junge Herbstkönig war belesen und weitaus ruhiger als seine Vorgänger, denen ein starkes Temperament nachgesagt wurde - eine weit verbreitete Eigenschaften der Erben Autunis'. "Ich werde die Einladungen morgen früh sofort aussenden lassen", betonte der Sommerkönig sein Vorhaben. Myoso hingeben erhob sich. "Es gäbe noch eine wichtige Angelegenheit zu besprechen", hob Pensea die linke Hand und bedeutete die Sommerprinzessin sich erneut zu setzen. "Es ist allmählich an der Zeit über deine Vermählung zu sprechen. Lathyrus' Familie sprach deinen Vater bereits darauf an." Myosos Kopf erhob sich schlagartig in Richtung ihres Vaters. Dieser entgegnete: "Es spräche nichts gegen eine Verbindung. Er stammt aus der königlichen Zweigfamilie, ist ein kluger junger Mann, der eines Tages das Regiment seines Vaters übernehmen könnte." Die junge Sommerprinzessin blickte starr zu Boden. Ihre Tante nickte zustimmend: "Die Sommersonnenwende wäre eine passende Gelegenheit, die Verlobung offiziell bekannt zu geben." "Vater", hauchte Myoso und legte die Hand an ihre Brust, "bitte stimm' der Verlobung nicht zu. Ich", sie hielt inne, sammelte ihre unruhigen Gedanken, die in einem Meer von Gefühlen schwammen und drohten unterzugehen. Sie rang mit sich, rang mit der Wahrheit und schüttelte den Moment der Schwäche von sich: "Lathyrus ist ein guter Freund, den ich als diesen schätze und Liebe. Aber", sie schluckte, "meine Gefühle könnten nie zu dem werden, was ihm rechtmäßig zustünde." "Gefühle wandeln sich mit der Zeit", widersprach Pensea, die ihre gut durchdachten Pläne in Bedrohung sah, "und Freundschaft ist ein wunderbarer Grundbaustein für eine ewig bindende Liebe." Aber ihre Nichte schüttelte mit dem Kopf und wandte sich erneut an ihren Vater: "Bitte zwinge mich nicht dazu. Ich bin nicht bereit zu heiraten." "Du bist alt genug-", konterte ihre Tante. "Das genügt", schnitt schließlich König Gingko ihr das Wort ab, "Myoso. Ich werde dich nicht zwingen eine Verbindung mit Lathyrus einzugehen." "Aber Gingko", erwiderte Pensea, doch dieser schüttelte den Kopf, "Myoso ist nicht die zukünftige Königin des Sommerreiches. Ihre Entscheidung zu heiraten kann also noch etwas warten." Hosted by Animexx e.V. 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