Die Chroniken der Vier Jahreszeiten von Lady_of_D (Winters Passion) ================================================================================ Kapitel 6: Sommersonnenwende III -------------------------------- "Wie geht es jetzt weiter, Schwester", zupfte der jüngere Bruder an Myosos Rockzipfel, nachdem diese den Ritualkreis verlassen hatte. "Wann beginnt endlich die Sommersonnenwende? Mir ist langweilig. Ich will auch etwas tun, aber keiner lässt mich. Das ist gemein." Er verzog verärgert den Mund. "Nur Geduld, Cynus", sie strich ihm über die Wange, "du weißt doch, dass die Sommersonnenwende um Mitternacht beginnt, kurz nachdem die Sonne hinter unserem Zuhause verschwunden ist." "Ich weiß", seufzte er und blickte zu den Erwachsenen, die sich zu Mehreren in kleine Gruppen aufgeteilt hatten und sicher über Themen redeten, von denen der junge Prinz nichts verstand. Er ließ wie wild seinen Kopf drehen, dass seine schulterlange Mähne durchgeschüttelt wurde und sah sich nach allen Seiten um: Da gab es seinen Vater, der mit der Winterkönigin und ihrem Sohn den Hügel umrundete und in eine Unterhaltung verwickelt war. Wenn er aus dieser Entfernung auch nichts hören konnte, so wusste er, dass ihn die Gespräche nur ermüden würden und dass sie ihn nicht ernst nähmen, wenn er sich zu ihnen gesellte. Zu seiner jüngeren Schwester wollte er auch nicht gehen. Malwa wuselte auf den Wiesen, sprach die letzten Gebete für die Grashalme, dass sie diesen Sommer wieder nicht austrocknen mögen. Diese Aufgabe entsprach einem Wiesenkind, nicht aber dem künftigen Herrscher des Sommerreiches! Aber was sollte er nur tun? Erneut hielt er Myoso an ihren Kleidern fest. Die Älteste verstand sofort und deutete in Richtung der Palastmauern. "Wieso leistet du der königlichen Armee nicht etwas Gesellschaft? Sie bereiten soeben die Ankunft unserer Wächter vor. Über einen fleißigen Prinzen würden sie sich sicher freuen." Seine Schwester hatte recht. Ihm gefiel die Idee, an der Seite der heiligen Wachen zu stehen und sich um die gebührende Ankunft der Monatswächter zu kümmern. "Das mache ich", verkündete er stolz und hopste an Myoso vorbei. Diese sah ihm lächelnd hinterher. Sein kindlicher Eifer war für viele der Wiesenkinder ansteckend, dass sie zu den knieenden Untertanen eilten und sich in Position brachten, obwohl ihnen noch etwas Auszeit vergönnt gewesen wäre. "Ein ambitionierter kleiner Prinz", sprach eine Stimme hinter ihr. "Lathyrus", Myoso drehte sich zu dem Mitglied der Zweigfamilie um. Als einer der ranghöchsten seines Clans war Lathyrus die letzten Instruktionen seines Vaters durchgegangen. Der älteste Sohn des Generals war verantwortlich für sämtliche Abläufe, die für die Verabschiedung des Frühlings von Wichtigkeit waren. Es waren die ersten Minuten seit Anbeginn des Morgengrauens, dass er wieder Luft schnappen konnte. Umso mehr freute es ihn, diesen Augenblick neben seiner Prinzessin verbringen zu dürfen. König Gingkos Tochter konnte einem die hart schuftenden Arbeitstage vergessen lassen. Myosos warmherziger Blick entlockte vielen Bewohnern ihr innerstes Leuchten - besonders dem jungen Sommerling. "Mein kleiner Bruder", sprach sie sanft und blickte dem immer blasser werdenden Punkt hinterher, "er wird bestimmt einmal ein wundervoller König", sie senkte den Blick, "aber hoffentlich nicht ganz so bald. Es gibt noch so vieles, das er vorher tun sollte - mit seinen Freunden spielen, die Sonnenstrahlen genießen. Die Zeit soll ihm nicht entwischen." "Egal wie, für den kleinen Prinzen wird die Zeit eine Ewigkeit andauern." "Ja", lachte sie auf, "er wird noch oft genug deswegen schmollen. Doch dafür liebe ich ihn." "Prinzessin", setzte Lathyrus an. Er verspürte ein Kratzen im Hals und fuhr sich schnell durch sein Haar, bevor ihn weitere Zeichen verraten konnten: "Wenn die Sommersonnenwende vollzogen ist...ich meine, nach der Zeremonie. Wenn es da einen Augenblick gibt, wo wir-" Weiter ließ man ihn nicht sprechen. Ein Mitglied seines Clans kam herbeigeeilt, klopfte ihm harsch auf die Schulter und erbittete seine Aufmerksamkeit. Wenn Lathyrus' Aufgaben nicht so wichtig gewesen wären, hätte er seinen Vetter am liebsten verscheucht. Er wusste nicht, ob sich ihm solch eine passende Gelegenheit bald wieder bieten würde. So entschuldigte er sich bei der Prinzessin für sein plötzliches Abtreten und folgte seinem Verwandten, der bereits vorangeschritten war. Auf halbem Weg kreuzten sich die Wege der jungen Sommerlinge und ihres Königs. Noch während sie liefen senkten sie die Köpfe, begrüßten König Gingko, um dann an Tempo zuzunehmen und den Hügel hinunter zu rennen. "Seit meinem letzten Besuch hat sich kaum etwas verändert", bemerkte König Gingkos winterliche Begleitung. Königin Cycla hatte sich bei ihrem Sohn untergehakt, den Blick in die Weiten des Sommerreiches gerichtet und dem fleißigen Treiben des hiesigen Volkes zugesehen. Kopfschüttelnd blickte sie den Sommerlingen hinterher. "Eure jungen Burschen eifern wie immer ihren Vätern nach, während die weiblichen Blüten zu jungen, ehrfürchtigen Bräuten heranreifen. Ich muss zugeben", dabei wandte sie sich wieder dem Sommerkönig zu, "dass ich eine Ankündigung deinerseits erwartet hatte. Der Zeitpunkt für eine Verlobung könnte nicht passender sein - wenn man dem Gerede glauben kann. Wenn ich mich recht entsinne, wurde zu unserer letzten gemeinsamen Sommersonnenwende deine Vermählung mit Königin Lilith bekannt gegeben. Die Zurückhaltung des Sommerreiches überrascht mich." "Alles zu seiner Zeit", erwiderte König Gingko, "ihr großer Moment wird früh genug kommen. Zudem hätte sich meine Tochter an diesem Tag nie selbst in den Vordergrund gerückt. Dafür freut sie sich zu sehr für den Herbstkönig und seine Frau. Nein, Myoso hätte das nie gewollt." Er blieb stehen, dass er aus dem Augenwinkel seine Älteste beobachten konnte. Sie hatte sich zu dem jungen Brautpaar gestellt. Ihre Wangen glühten bei dem Anblick der königlichen Braut, die sich zu Myoso vorgebeugt hatte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Der Sommerkönig stellte sich vor, wie Myosos Gesicht erst aussehen würde, wenn sie zu ihrer eigenen Vermählung schritte. "Prinzessin Myoso", hauchte Königin Cycla ihren Namen und hielt ihren Sohn an, ebenfalls stehen zu bleiben. Wie ein folgsamer Soldat hielt Tyledion inne. "Die Gerüchte um ihr einzigartiges Wesen scheinen zu stimmen", murmelte sie. Die Königin hatte ein ähnliches Bild vor Augen. Mit ihrem eigenen Sohn, der auf dem winterlichen Palastbalkon stand und seinem Volk zuwinkte. Anders als der Sommerkönig bereiteten ihr derlei Gedanken Unbehagen. Eine Vermählung ihres Sohnes bedeutete, eine baldige Übernahme der Königskrone. Bisher hatte Tyledion kein offenes Interesse an eine der heranreifenden Blüten ihres Reiches bekundet, dass sie einen Herrschaftswechsel noch in weiter Ferne sah. Ähnlich wie ihr Gemahl war der Winterprinz kühl und abweisend gegenüber denjenigen, die sich ihm anzubiedern versuchten. Für Königin Cycla war es beruhigend zu wissen, dass ihr Sohn keine Anwandlungen besaß, die Ernennung zum König zu beschleunigen. Wenn Asteros auch als jüngster Herbstkönig hervorstach, musste nicht jeder seinem Beispiel folgen. Zumal Tyledion den alleinigen Anspruch auf die Krone besaß und nach ihrem empfinden keinerlei Druck ausgesetzt war. "Königin", deutete schließlich König Gingko in Richtung der schmalen Linie, die an die untergehende Sonne erinnern sollte. Natürlich", erwiderte die Winterkönigin. Langsam kehrten sie zurück auf die Hügelspitze. Tyledion zog sich etwas zurück, in dem er von dem Arm seiner Mutter ließ und einige Schritte hinter ihr Abstand bewahrte. Damit gewährte er Königin Cycla einen Augenblick, in dem sie sich geistig zurückziehen konnte und nicht dem ständigen Gefühl erlegen war, belauscht und beurteilt zu werden. Als Gemahlin des Winterkönigs war es ihr nicht gestattet, alleine außerhalb der Palastmauern zu verweilen. Besonders nicht auf fremden Territorien, ohne die Begleitung eines männlichen Wintererben. Seit Jahrtausenden existierte diese ungeschriebene Regel und niemand wagte es, an ihr zu zweifeln. Die streng gehaltenen Sitten erleichterten es zumindest Tyledion, einen klaren Kopf zu bewahren. Seine eigene perfektionierte Selbstbeherrschung wurde an diesem Tag auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Mit Läuten der alljährlichen Sonnenglocken, die in allen vier Reichen zu hören waren, entspannte der Teil in ihm, der jede Bewegung der Abenddämmerung mitverfolgt hatte. Wenn zwölf Schläge entsendet worden, war es an der Zeit, niederzuknien und dem folgenden Geschehen still beizuwohnen. Am höchsten Punkt des Hügels versammelten sich der Reihe nach die höchsten Vertreter von Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die Glockenschläge hatten Ruhe in die gesellige Runde gebracht. Selbst der lebhafte Frühling verfiel in ehrfürchtiges Schweigen. Tyledion kniete sich vor seiner künftigen Gefolgschaft, dicht dahinter sein jüngerer Cousin Winso, der erleichtert ausatmete als der Prinz vor seinem Sichtfeld erschien. Die Anspannung des jungen Mischlings war ungewohnt für Tyledion. Er wusste, dass er ihn im Auge behalten musste, wenn Winso nicht noch mehr Unmut von Seiten der Winterlinge auf sich ziehen wollte. In einem kurzen Moment des Innehaltens sammelte der Winterprinz seine Kräfte und öffnete einen Link zu Winsos Innersten. Mit ruhigen, bestimmten Worten versuchte er den Mischling zu besänftigen. Das Lächeln hinter ihm bestätigte, dass er gehört worden war. Tyledion brauchte seinen Cousin nicht anzusehen, um die Mimik seines Gesichtes deuten zu können. Schon ihr ganzes Leben verbrachten sie in unmittelbarer Nähe zueinander. Daran konnten die langen, verwinkelten Flure des Winterpalastes auch nichts ändern. Ebenso wenig das Gerede aus den innersten Kreisen. Vorsichtig schloss Tyledion den Link, sammelte seine Kräfte ein weiteres Mal, um kleine Eiskristalle auf Winsos Fingern entstehen zu lassen. Wenn seine Gefühle erneut ins Wanken geraten sollten, würde das ewige Eis der Kristalle durch seinen Körper dringen und einem ungewollten Ausbruch entgegen wirken. Und Tyledion war sich sicher, dass seinem Cousin genau dies bevorstand. Als der letzte Glockenschlag verhallt war, begann die Erde zu vibrieren. Nicht nur auf dem Hügel. Das gesamte Reich erzitterte vor dem bevorstehenden Wandel. Aufrecht stehende Grashalme beugten sich den Schwingungen und knieten nieder. Flötenmusik ertönte. Hundert der ältesten Sommerlinge hatten sich erhoben. Sie standen zu zwei Ketten einander gegenüber, die Flöten zeigten auf den Nasenrücken ihres Nachbarn. Völkische Melodien verbreiteten sich auf der Wiese, dass diese zu schwingen begann. Trommelschläge gesellten sich hinzu. Die höchsten Mitglieder der Sommerarmee marschierten im Gleichschritt auf die Flötisten zu. Ihre aus Rinde und Spinnweben gefertigten Trommeln riefen das Ende des Frühlings aus. Jeder Schritt setzte einen Trommelschlag frei, bis sich die Soldaten neben die Sommerlinge stellten. Zusammen ebneten sie einen Weg, an dessen Ende ein grünes Licht das Erscheinen der Wächter verkündete. Die Wächter der Jahreszeiten, auch Monatswächter genannt, waren eine Allianz aus jeweils drei Vertretern der vier Jahreszeiten. Zwölf Auserkorene, die das Gleichgewicht zu wahren hatten, waren - nach den Königinnen und Königen - die höchste Instanz in ihren Reichen. Ihre heiligen Pflichten schützten das Geschenk Mutter Erdes seit die Urväter der Jahreszeiten ihre Kräfte an ihre Erben weitergegeben hatten. Bis zum heutigen Tag war ihre Existenz nicht wegzudenken. Der dritte Wächter des Frühlings führte die Gruppe an. Ihre schwarzen Mäntel erinnerten an die Neutralität, die sie gegenüber der Allianz geschworen hatten. Verdeckt waren die Gesichter unter ihren weiten Kapuzen als sie andächtig zwischen den Sommerlingen schritten. Den Hügel empor steigend fielen die Kapuzen auf ihre Schultern, dass die Gesichter jedes einzelnen im schwachen Licht der Frühlingsmagie in Erscheinung traten. Jenes grüne Licht entsandte ihr Anführer, der einen einfachen Stock als Stab benutzte, um darauf eine Kugel tanzen zu lassen, welche die Farbe seiner Jahreszeit symbolisierte. Dieser Stab wurde von Monat zu Monat weiter gereicht. Er war Sinnbild jener Stäbe, welche die königlichen Nachfahren bei sich trugen - materialisierte Magie, die nur auserwählten Erben zuteil wurde, welche sich der Macht als würdig erwiesen. Geschichten entstanden um diese heiligen Relikte. Man erzählte sich, dass die Urväter ein Stück ihrer Seele in die Wurzeln der Lebensbäume geschlagen hatten, bevor sie ihre Reise zu Mutter Erde angetreten waren - und dass aus diesen Wurzeln die Stäbe der Jahreszeiten geschnitzt wurden. Besaß der Stab der Wächter keine Magie, die ihm von Natur aus verliehen war, deutete ihre Kugel lediglich auf den ihm zugewiesenen Monat hin. So zeigte ihr helles Grün das Ende des Frühlings, für das der dritte Frühlingswächter stand. Diese Aufgabe gebührte niemand geringeren als König Narcissus - Gemahl der Frühlingskönigin (weswegen er in seinem Reich auch als oberster Wächter bezeichnet wurde). Mit seinem langen, braunen Haar, das ihm fast bis zum Boden reichte, der hohen, geradlinigen Statur und den funkelnden grünen Augen, die darauf trainiert worden waren, ernst und gefasst auszusehen, war König Narcissus der Auffallendste in seinen Reihen. Inmitten des Kraters blieb er stehen, drehte sich in Richtung Süden und streckte den Stab in den Mitternachtshimmel. Das grüne Licht erlosch. Daraufhin näherte sich ihm die erste Wächterin des Sommers. Die leuchtende Schönheit besaß ob ihrer blau glänzenden Seelenspiegel dieselbe kühle Unnahbarkeit wie ihre Kameraden. Den Stab in ihre Obhut gebracht sprang eine gelb-goldene Kugel an dessen Spitze, dass sie dem Abbild der Sonne entsprach. Als neue Anführerin drehte sie den Stab um seine eigene Achse, das jeder dem Lichtwechsel zusehen konnte. Ihre Augen begannen durch die Reihen zu wandern, während ihre Lippen den Treueschwur der Monatswächter sprachen: "Treue der Souveränität", sie sah zu den Vertretern des Frühlings, "Treue der Allianz", sie sah zu den Vertretern des Sommer, "Treue unseren Urvätern", sie sah zu den Vertretern des Herbstes, "und Treue unserer aller Mutter", und sie sah zu den Vertretern des Winters. Winso spürte, wie ihn ein unsichtbarer Faden am Halse packte. Ohne der Wächterin vorher begegnet zu sein, wusste er, wer sie war. Verriet der Blütenduft ihre gemeinsame Verbundenheit. Der junge Mischling wagte es nicht zu atmen. Diese Augen, die seine Blicke gekreuzt hatten, zeigten keinen winzigen Funken der Erkenntnis. Sie blieben kühl und nichtssagend - genau wie zu erwarten, wenn er diesen Augenblick denn kommen gesehen hätte. Warum bin ich hier, schrie er in sich hinein und spürte, wie die Wintermagie seines Cousins auf ihn einwirkte. Erst ließ die Kälte seine Hände taub werden, dann wanderte sie den Arm hinauf in Richtung seines Innersten. Es war ein schmerzhaftes Gefühl. Wie sich die Kälte in ihn hinein bohrte, konnte er keinen Gedanken, keine Empfindung mehr zulassen. Er lenkte das Gesicht gen Boden. Was für Außenstehende wie eine Geste der Ehrfurcht aussah, war die einzige Möglichkeit, das Chaos in ihm zu bändigen. Für ihn passierten die nachfolgenden Rituale nur beiläufig, während sich allmählich sein Geist zu entspannen versuchte. Doch erst als er sich sicher sein konnte, nicht von erneutem Chaos überrannt zu werden, wagte er einen Blick nach vorne. Alle zwölf Wächter hatten sich kreisförmig um den Krater versammelt. Die Kapuzen hingen ihnen wieder über den Gesichtern, dass Winso sich ganz auf den Mittelpunkt konzentrieren konnte. Dort hatte sich König Gingko gestellt und mit der Beschwörung seines Sommerstabes begonnen. Gleißendes Licht umfing seine rechte Hand. Der Stab legte sich wohlwollend in deren Innenfläche. Zwei starke Wurzelstränge, die sich umschlungen hielten, bildeten sein Gerüst. Oben auf ragten goldene Blätter, die eine grell leuchtende Dornenkugel umwickelten. Nur die Erben des Sommerreiches waren in der Lage, der Kugel direkt ins Auge zu blicken. Konnte sie einen sonst erblinden lassen, wenn man ihren Anblick zu lange in sich aufsog. Ihr helles, beinahe brennendes Leuchten schien direkt von den Sonnenstrahlen getränkt worden zu sein. Sobald der Sommerkönig die Macht entfaltete, sprühten Funken aus dem innersten Kern der Kugel. Die Dornen begannen Flammen ähnlich auf zu blitzen - es erstrahlte ein Licht, das der späten Mittagsstunde glich. Die Nacht schien wie ausgelöscht als König Gingko seinen Stab schwenkte und viele kleine Funken ausschwärmen ließ. Wie wild gewordenes Gefieder flatterten die Funken über den Köpfen der Bewohner und deren Gäste. Sie breiteten sich auf dem Hügel und den Wiesen aus. Flogen weiter über die Seen und Bäche, entlang des Palastes bis zu den Gipfeln des Reiches. Wie zu einem Sprung ansetzend ließen sie sich gleichzeitig nieder. Eine Explosion von Farben sprang aus dem Boden. Die Wiesen begannen zu wachsen, die Blüten öffneten ihre Blätter. Funkelnde Spiele entfachten auf den Gewässern. Die zarten Keimlinge sprossen aus allen Winkeln. Bäume zeigten sich in ihren schönsten Gewändern, trugen Früchte in den unterschiedlichsten Formen aus. Ein weiterer Knall folgte und, als wenn Pollenstaub durch die Lüfte getragen wurde, entstand eine Nebelwand aus den buntesten Farben, die der Sommer zu bieten hatte. Die weißen Gewänder der Sommerlinge sogen die Farben in sich auf. Ebenso ihre Hände, Arme und Beine. Sogar im Gesicht klebte die pulvrige Masse, als hätten sich die Bewohner auf ein ausgelassenes Spiel eingelassen. Zusammen mit ihrem innersten Leuchten, dass sie heute nach außen zu tragen hatten, wurden sie von der Ankunft des Sommers vollkommen eingenommen. Gelbes Licht sprieß aus jedem noch so kleinen Sprössling. Sogar das Leuchten der Sommerprinzessin war so stark, dass die Zurückhaltung ihrer magischen Kräfte nicht weiter auffiel. Nach und nach erhoben sich die Sommerlinge. Ihre Nachbarn taten es ihnen gleich. Auch an ihnen klebten die bunten Überreste, die lediglich auf den Gesichtern der Winterlinge sofort wieder verschwanden. Nun senkte König Gingko seinen Sommerstab. Die Nacht kehrte zurück, dass lediglich die Flügelschläge der Schröpflinge, die schüchtern aus ihren Verstecken gekrochen kamen, Licht in die Dunkelheit brachten. Als nächstes zogen sich die Wächter zurück und liefen den Weg, den sie gekommen waren, in gleichmäßigen Schritten zurück. Mit einer Verbeugung des Sommerkönigs läutete dieser das Ende der Sommersonnenwende ein, worauf nach alter Tradition der Eröffnungstanz des Königspaares folgte. Doch wenn eine Brautsegnung innerhalb der Feierlichkeiten stattfand, gebührte dieser Auftakt einzig und allein dem frisch vermählten Paar. Es wurde Platz auf dem Hügel geschaffen, dass die vier Reiche einen Kreis um ihn bildeten, der von König Asteros und seiner Gemahlin besetzt wurde. Mit Erklingen der Flötenspiele, die eine liebliche Melodie pfiffen, legte der Herbstkönig seine linke Hand um die Hüfte seiner Braut, die rechte vereinte sich mit der seiner Liebsten. Ihre Bewegungen waren elegant und geschmeidig, wie sie den gesamten Platz in Anspruch nahmen. Erst mit einem Wink seitens des Herbstkönigs wurden die anderen dazu eingeladen, ihrem Beispiel zu folgen. "Mutter", sprach Prinz Tyledion und streifte sich die Handschuhe über, "als Zeichen unseres guten Willens sollten wir die Sommerprinzessin zum ersten Tanz auffordern. Du weißt, wie wir sonst dastünden, wenn wir es nicht versucht hätten." "Du hast recht, mein Sohn", sie sah in die Reihen der Sommerlinge. Es würde nicht lange dauern, dass einer der Zweigfamilie der Aufforderung zuvor käme. "Fordere Prinzessin Myoso zum Tanz auf. Wenn das Königshaus ablehnt, kann man uns wenigstens keine Unhöflichkeit vorwerfen." "Wie du wünschst, Mutter", damit schritt der Winterprinz auf die sommerliche Königsfamilie zu. Neben der Prinzessin machte die Schwester des Königs große Augen als Tyledion direkt vor der ältesten Tochter stehen blieb und eine Verbeugung tat. Dabei sah er zu König Gingko, der allein darüber zu entscheiden hatte, ob die Prinzessin die Aufforderung annehmen durfte oder nicht. Mit einem bedeutsamen Nicken gewährte er dem Winterprinzen einen Tanz, dass Myoso einen Knicks tat und ihre Hand darbot. Ohne einander in die Augen zu sehen - denn so verlangten es die Sitten - führte Tyledion die Sommerprinzessin zur Mitte des Platzes und ließ sie in schwingenden Bewegungen über den Boden schweben. Alle Augen waren auf das ungewöhnliche Tanzpaar gerichtet. Niemand wagte es ein Wort zu sagen, obwohl die Unruhe greifbar war. "Du weißt, warum sie das machen", murmelte Pensea und sah verärgert zur Winterkönigin herüber, die soeben von einem Winterling nach vorne geführt wurde. "Ganz ruhig", entgegnete König Gingko und sah seiner Tochter hinterher, "es ist nur ein Tanz...Aber vielleicht auch der Beginn einer neuen Freundschaft." Bevor seine Schwester weitere Zweifel betreffend der guten Absichten einräumen konnte, ergriff er ihre Hand und tanzte mit ihr über die frisch erblühten Felder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)