Freunde mit gewissen Vorzügen von Maginisha ================================================================================ Kapitel 16: ------------ Ohne lange zu überlegen, ließ er das Katana vorschnellen und verwandelte den Treppenpfeiler in eine Kaskade aus Holzsplittern. Schuldig lachte, sprang, gerade als die Klinge das Holz erreicht hatte, und landete auf der Brüstung der Empore. Er balancierte ein paar Schritte und drehte sich dann zu Abyssinian herum. „Gleich so feindselig? Ich hab dir doch gar nichts getan.“ Er antwortete nicht, setzte dem Mann nach und hieb erneut mit dem Katana nach ihm. Von unten konnte er das Aufeinandertreffen von metallenen Klingen hören. Ein schneller Blick bestätigte ihm, dass Siberian und Farfarello ebenfalls kämpften. Er sah zu Schuldig und wirbelte herum. Noch bevor er die Treppe erreicht hatte, stand der mit einem Mal vor ihm. „Nicht so schnell, Kätzchen.“ Ein Tritt warf ihn zurück auf die ächzende Empore. Mit einer Bewegung war Abyssinian wieder auf den Beinen. Ein zweiter Tritt traf ihn aus dem Nichts und warf ihn erneut zurück. Dieser Schuldig war wirklich schnell. Er blinzelte und war überrascht, den Mann schon wieder auf der Brüstung sitzend vorzufinden, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. „Tztztz, du bist aber ein unartiges Kätzchen. Ich habe doch, glaube ich, klar gemacht, dass du hier bleiben sollst. Lass die beiden das da unten mal alleine regeln.“ Aus dem Altarraum war ein Schmerzensschrei zu hören. Siberian hatte anscheinend einen Treffer kassiert. Es folgte ein Stakkato aus hellen Lauten, als die Waffen der beiden Kämpfenden immer wieder aufeinander trafen. Schuldig lauschte und lächelte. „Ah, hörst du, sie spielen zusammen. Ist das nicht schön?“   „Das hier ist kein Spiel“, knurrte Abyssinian und kam auf die Füße. Er hielt das Katana vor sich und suchte nach Schwachstellen. Aber der Mann ihm gegenüber machte sich nicht mal die Mühe, aufzustehen, geschweige denn eine Waffe zu ziehen. Arroganter Bastard. „Ihr habt diese Menschen getötet. Wir werden das nicht länger erlauben. Stirb!“ Das letzte Wort hatte er geschrien und sich mit einem weit ausgeführten Schlag auf Schuldig geworfen. Er riss die Augen auf, als sich die Klinge seines Schwerts in die leere Brüstung bohrte und feststeckte. Ein harter Schlag traf sein Handgelenk und prellte ihm den Griff aus der Hand. Ein Tritt in die Körpermitte schleuderte ihn rückwärts. Er überschlug sich und kam fauchend auf die Füße. Schuldig hatte die Augenbrauen zusammengezogen. „Wenn du endlich mal aufhören könntest, mich anzugreifen? Du hast doch sowieso keine Chance. Warum also wehrst du dich so?“ Abyssinian starrte den anderen nur finster an. Was zum Teufel sollte das hier werden? Schuldig wollte nicht mit ihm kämpfen, aber was dann? Was wollten die beiden? Das Gesicht seines Gegenübers hellte sich auf. „Ah, jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Weißt du, unser lieber Farfarello ist ein bisschen...speziell. Die anderen Kinder wollen nicht mit ihm spielen. Behaupten, er wäre unheimlich und ein wenig...irre. Deswegen habe ich beschlossen, dass er eine Beschäftigung braucht. Ein Hobby, wenn du so willst. Ich hatte an ein Haustier gedacht, was meinst du?“ Er antwortete nicht. Schuldig war, während er gesprochen hatte, auf der Brüstung entlang gewandelt und hatte sich so von dem Katana entfernt. Abyssinian spannte sich, sprang, riss das Schwert aus dem Holz und sprintete in Richtung Treppe. Er erreicht die oberste Stufe, als ihn ein erneuter Tritt in den Rücken traf und er die restlichen Stufen in einem unkontrollierten Fall hinunterstürzte. Er landete hart mit dem Gesicht zuerst auf dem Steinboden. Seine Beine verfingen sich ineinander und seine Kniescheibe machte unangenehme Bekanntschaft mit der Metallkante, die die untere Stufe begrenzte. Es knirschte. Er verbiss sich den Schmerz, drehte sich auf den Rücken und sah, wie Schuldig langsam nach ihm die Treppe hinab stieg. Er schüttelte den Kopf. „Nun wird es aber wirklich langsam lästig. Ich wollte ja eigentlich nett bleiben, aber so langsam verliere ich die Geduld, Kätzchen.“ „Hör auf mich...wie auch immer zu nennen.“ Schuldig lachte. „Wie? Kätzchen? Aber wenn ich recht informiert bin, habt ihr doch alle Katzen als Codenamen. Weißt du, ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Du bist, mhm... Abyssinian? Das da hinten ist Siberian. Und dann hätten wir noch Bombay und Balinese, eh? Ein niedliches Körbchen voller Rassekatzen. Fällt gar nicht so leicht, sich zu entscheiden.“ Abyssinian rappelte sich auf. Er hielt das Katana vor sich und suchte festen Stand. Schuldig schnaubte und ging einfach an ihm vorbei zu einem der Seitengänge. Als er zuschlagen wollte, war der andere schon in Richtung Altarraum unterwegs. Schuldig drehte sich um und zwinkerte ihm über die Schulter hinweg zu. „Na los, Kätzchen. Fang mich, wenn du kannst.“       Siberian keuchte auf, als er den Mann vor dem Altar erkannte. Sie waren sich im Park begegnet, an dem Tag, als Ouka starb. Er suchte den anderen nach einer Waffe ab. Ein Dolch, rechte Hand. Mit einem grimmigen Lächeln ließ er die Klingen seiner Bugnuks aufschnappen. Das einzelne Auge seines Gegenübers glühte auf. Er lächelte. „Glaubst du an Gott?“, fragte er, die Stimme leise, ein heiseres Flüstern. „Nein“, knurrte Siberian. „Aber ich glaube an die Hölle und genau dort werde ich dich jetzt hinschicken.“ Er holte mit der rechten Hand aus und zielte auf den Kopf. Dieses Narbengesicht würde keine Unschuldigen mehr meucheln. Sein Gegner wich zurück, die scharfen Klingen verfehlten ihn haarscharf und durchschnitten nur leere Luft. Er setzte nach, doch der Schlag ging wieder ins Leere. Der dritte wurde vom Dolch abgefangen. Der vierte verfehlte erneut. Der fünfte ebenfalls. „Bleib stehen, verdammt!“ Farfarello lachte nur und duckte sich unter dem nächsten Schlag hinweg, ließ sich fallen, rutschte unter ihn und trat mit beiden Beinen nach oben. Siberian wurde in die Luft geschleudert, drehte sich und landete hart mit dem Rücken auf den Stufen zum Altar. Er keuchte, als die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde. Die Steinkanten bohrten sich schmerzhaft in seinen Rücken. Er konnte nicht atmen, riss panisch die Augen auf. Sofort war sein Gegner über ihm, den Dolch zum Stoß erhoben. Er riss die Krallen hoch und Metall traf auf Metall. Wieder und wieder stieß der andere zu, während Siberian auf dem Rücken lag, unfähig selbst anzugreifen.   Plötzlich ließ Farfarello von ihm ab. Er trat einige Schritte zurück und ließ ihn aufstehen. Den Kopf leicht schräg gelegt, stand er da, hob die Hand mit den kurzen Handschuhen und winkte Siberian, ihn anzugreifen. Siberian schnaubte. 'Zu viele Actionfilme gesehen oder was? Was glaubt der eigentlich, wer er ist? Neo aus Matrix? Ha!' Mit einem Schrei warf er sich nach vorne, die Krallen verschwammen zu einem Wirbel aus glänzendem Stahl. Aber Farfarello parierte jeden Ausfall, jeden Streich, jede Finte mit seinem Dolch. Kreischend fraß sich das Metall ineinander, die beiden Kämpfer einander Auge in Auge gegenüber. „Du bist schnell“, lobte Farfarello. „Aber nicht schnell genug.“ Er duckte sich und rammte Siberian die Faust in die Magengrube. Sein Ellenbogen bohrte sich hart zwischen seine Schulterblätter und ließ ihn zu Boden stürzen. Er trat zu, um die empfindliche Seite zu treffen, aber dieses Mal ging sein Tritt fehl. Siberian packte Farfarellos Arm, setzte den Fuß an seinen Bauch, zog ihn nach vorne. Er nutze den Schwung der Bewegung, um seinen Gegner in die Reihen der Kirchenbänke zu schleudern. Mit einem gewaltigen Krachen landete der Körper auf dem maroden Holz und zermalmte zwei der Bänke unter sich.   Siberian sprang auf die Füße und sah sich um. Im hinteren Teil der Kirche war Abyssinian dabei, sich mit diesem rothaarigen Lügenmaul zu prügeln. Anscheinend kamen er und das Narbengesicht immer im Doppelpack. Er wollte seinem Teamkollegen gerade zu Hilfe eilen, als sich Farfarello wieder erhob. In seinem linken Oberarm steckte ein handlanges Stück Holz. Er schien die Verletzung nicht zu bemerken und stürzte sich mit einem Schrei wieder auf Siberian. Die Angriffe kamen so schnell, dass dem nichts anderes übrig blieb, als diese zu parieren. Schritt für Schritt wurde er dabei rückwärts gedrängt, die Stufen hinauf, bis er den steinernen Altar in seinem Rücken fühlte. Er spannte die Muskeln, um einen Ausfall zu wagen, da fegte ihn ein Tritt plötzlich von den Füßen. Er schlug mit dem Kopf auf die Steine und bevor er sich aufrappeln konnte, legte sich kalter Stahl an seine Kehle. Das bernsteinfarbige Auge, das über ihm schwebte, schien amüsiert zu funkeln. „Game over, Kätzchen.“       Abyssinian hieb mit dem Schwert auf Schuldig ein, der sprang rückwärts und das Katana pulverisierte eine weitere Kirchenbank. Schuldig schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge. „Also wirklich, du bist ja ein unartiges Kätzchen. Hat dir denn keiner beigebracht, dass du nicht an die Möbel gehen darfst?“ „Halt! Die! KLAPPE!“ Der nächste Schlag war weder präzise, noch exakt ausgeführt. Es war die reine Wut, die ihn vorwärtstrieb. Schuldig nutzte die Gelegenheit, trat an ihm vorbei und gab ihm einen Stoß, der ihn vollkommen aus dem Gleichgewicht brachte und lang hinstürzen ließ. Das Katana sprang aus seiner Hand und schlitterte über den Boden, bis es vor Schuldigs Füße zu liegen kam. Der hob es auf und betrachtete es nachdenklich. „Ich glaube, ich behalte das hier. Als Andenken.“ Bevor Abyssinian reagieren konnte, hatte er das Schwert geschultert und ging pfeifend nach vorne zum Altar, wo sich Farfarello gerade über den am Boden liegenden Siberian beugte. Die Klinge seines Dolches war auf dessen Kehle gerichtet.   „Hey, Farfarello. Lass uns zusammenpacken. Wir haben, was wir brauchen.“ Der Angesprochene nickte, holte mit der Faust aus und schlug Siberian mitten ins Gesicht. Der sackte benommen zusammen und bewegte sich nicht mehr. Mit einem wütenden Aufschrei stemmte sich Abyssinian in die Höhe und stürmte auf die beiden Gegner zu. Er stoppte abrupt, als Schuldig blitzschnell nach Siberian griff, ihn vor sich hielt, das Katana an dessen Hals. „Das würde ich bleiben lassen, Kätzchen.“ Schuldigs Stimme, die eben noch meist in heiterem Ton mit ihm geplaudert hatte, war plötzlich leise und bedrohlich. Abyssinian wich einen Schritt zurück, die Augen starr auf die Klinge gerichtet. „So ist es brav. Wir wollen doch nicht, dass dem kleinen Siberian jetzt schon etwas zu stößt. Wir haben doch noch so große Pläne mit ihm.“   Farfarello produzierte von irgendwo her eine Rolle schwarzes Klebeband. Er fesselte dem Bewusstlosen zunächst die Hände so auf den Rücken, dass er die Bugnuks nicht mehr benutzen konnte, ohne sich selbst zu zerfleischen. Schließlich klebte er ihm mit einem Grinsen den Mund zu. Er übernahm den Gefangenen und richtete jetzt seinen Dolch auf dessen Hals. Die Klinge so tief ins Fleisch gedrückt, dass sie schon fast die Haut ritzte, lächelte er Abyssinian zufrieden an.   „Siehst du, er mag sein neues Haustier. Ich habe dir ja gleich gesagt, dass das eine gute Idee ist.“ Schuldig war wieder zu seinem Plauderton zurückgekehrt. Er spielte ein wenig mit dem Katana herum und richtete es schließlich auf Abyssinian. „Wie ich schon sagte, die Wahl ist uns wirklich schwer gefallen. Den kleinen Bombay...oh naja. Mit dem habe ich schon gespielt. Ich glaube auch, er hätte nicht die Kondition, mit Farfarello mitzuhalten. Da muss man schon etwas kräftiger sein. Du warst uns definitiv zu kratzbürtig. Es macht keinen Spaß mit jemandem zu spielen, dessen einziger Gedanke ist, wie er einen umbringen kann. Crawford wäre vielleicht begeistert, aber der ist mehr so der Hundetyp. Gehorsam und so, du verstehst schon. Tja, blieben nur noch unsere robuste, sibirische Waldkatze und der schöne Balinese mit dem weichen Fell und den langen Beinen. Ich hätte ja letzteren gewählt, aber...“   Schuldig brach mitten im Satz ab und sah ihn an. Abyssinian hatte plötzlich das Gefühl, dass sich etwas wie eine spitze Nadel in seinen Kopf bohrte. Er schnappte nach Luft und versuchte die Gedanken zu unterdrücken, die plötzlich durch seinen Kopf schossen. Gedanken an sein Zusammensein mit Yoji, seine Stimme, sein Lachen, sein von Lust gezeichnetes Gesicht, wie er sich unter ihm wand. Es war wie ein Zwang, an all das zu denken. Er begann zu zittern.   Das Gefühl war ebenso schnell wieder vorbei, wie es gekommen war. Schuldig ihm gegenüber hatte einen sehr eigenartigen Gesichtsausdruck. Die hellblauen Augen fixierten ihn, es war keinerlei Regung in seinem Gesicht zu erkennen, bis Schuldigs Mund schließlich zu zucken begann. Er gluckste, er prustete und schließlich begann er lauthals zu lachen. Der Mann wollte sich schier ausschütten vor Heiterkeit und hörte überhaupt nicht wieder damit auf. Selbst Farfarello sah seinen Teamkameraden ein wenig verwirrt an, nahm jedoch nicht eine Sekunde die Klinge vom Hals seines Opfers. Siberian begann sich langsam wieder zu regen.   „Oh, das ist gut, das ist toll“, japste Schuldig inzwischen. Er wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ich wusste ja, dass die Sache mit Weiß amüsant werden würde, aber so sehr?“ Er lehnte sich gegen Farfarellos Schulter und beugte sich mit einem verschwörerischen Gesicht zu ihm herüber. Dabei ließ er Abyssinian keinen Moment aus den Augen. „Hey, Farfarello. Soll ich dir mal ein Geheimnis verraten? Ja? Dann pass auf.“ Er hielt sie die Hand vor den Mund, als würde er etwas verbergen wollen, sprach jedoch genauso laut weiter wie zu vor. „Unser lieber Abyssinan hier steigt nämlich mit Balinese ins Bett. Hättest du das gedacht? Die beiden Kater turnen umeinander, als gäbe es kein Morgen. Also wirklich, so was Unerzogenes aber auch.“ Abyssinan presste die Kiefer zusammen. Sein Blick irrte zu Siberian und er sah, dass der inzwischen wieder wach geworden war und ihn aus großen Augen anstarrte. Das durfte doch nicht wahr sein. Woher wusste Schuldig davon?   „Ah, die Frage aller Fragen!“, rief Schuldig laut und breitete die Arme aus wie ein Zirkusdirektor in der Manege. „Ich dachte ja, ihr wärt inzwischen dahinter gekommen, aber sei´s drum. Dann will ich euch mal unsere Codenamen verraten.“ Er trat zu Farfarello und klopfte ihm auf den Rücken. „Das ist Berseker. Warum er so heißt, muss ich dir sicherlich nicht erklären. Ebensowenig wie Crawfords Codenamen, der Oracle ist. Er hat dir ja bereits eröffnet, dass er die Zukunft voraussehen kann. Was uns schlussendlich zu mir bringt. Mein Codename ist Mastermind. Kannst du dir vorstellen, warum?“ Abyssinian reagierte nicht. Momentan fiel ihm Denken im Allgemeinen und das Ausdenken einer geeigneten Gegenstrategie im Besonderen recht schwer. „Nun“, fuhr Schuldig fort, „man nennt mich so, weil ich hören kann, was Leute denken. Gedankenlesen, verstehst du? Das ist manchmal etwas lästig, aber in deinem Fall höchst amüsant. Oder woher meinst du, dass ich dein kleines, dreckiges Geheimnis weiß? Von deinem Lover etwa? Unterstellst du ihm, er hätte damit rumgeprahlt, dass er sich von dir durchnehmen lässt? Glaubst du das?“   Er wusste nicht, was er glauben sollte. Möglich wäre es, dass der andere sich verplappert hätte, aber bei Schwarz? Unwahrscheinlich. Wie sollte das auch passiert sein? Vielleicht stimmte es tatsächlich, was dieser widerwärtig grinsende Gaijin da von sich gab. Vielleicht konnte er tatsächlich Gedanken lesen. „Ich kann und ich tue“, bestätigte Schuldig und legte den Finger an die Nasenspitze. „Also pass auf, ein neues Spiel. Eins, bei dem du mitmachen darfst. Interessiert?“ Abyssinian knurrte: „Ich mache bei deinen Spielchen nicht mit.“ „Gut, dann stirbt er jetzt gleich“, fauchte Schuldig und hieb mit dem Katana nach Siberians Kehle. Erst im letzten Moment fing er den Streich ab und die Klinge kam zitternd nur wenige Millimeter vor der tödlichen Berührung zum Stillstand. Abyssinian holte tief Luft, während Siberian nur die Augen aufriss und nicht wagte, gegen die Fesseln zu kämpfen. „Ich habe also deine Aufmerksamkeit?“, fragte Schuldig lauernd. „Schön, dann hör zu. Hier ist der Deal. Nicht wir werden auswählen, wen wir mitnehmen, sondern du. Entweder den lieben Siberian oder Balinese. Wen überlässt du uns zum Spielen?“ Abyssinian fühlte ein kalte Taubheit in sich aufsteigen. Er konnte sich vorstellen, was er mit spielen meinte. Sie würden denjenigen töten, sobald sie die Gelegenheit dazu hatten.   Schuldig schüttelte missbilligend den Kopf. „Töten? Wer redet denn von töten? Ich sagte spielen. Wenn wir euch töten wollten, hätten wir das schon längst getan. Aber weißt du, Farfarello hier hat eine gewisse Neigung, Leute zu verletzen. Mit einem eigenen Haustier könnte er in Ruhe zu Hause seinem Hobby nachgehen und wir würden nicht immer so viel Wind in der Öffentlichkeit machen. Außerdem haltet ihr von Weiß sicherlich mehr aus als diese dumme Kassiererin, die mich doch glatt aufgefordert hat, zu bezahlen.“   Er lehnte sich zu Siberian und strich ihm sanft, fast zärtlich durch die Haare. „Ich denke, der kleine Siberian wäre dafür gut geeignet. Farfarello meint, er kämpft wie ein Besessener. Er wird bestimmt eine ganze Weile mit den Schmerzen und der Folter leben können, bevor er zerbricht. Wer weiß, vielleicht haben wir bei Schwarz dann ja sogar noch Verwendung für ihn. Eine komplett durchgedrehte Tötungsmaschine, die Freund und Feind nicht auseinanderhalten kann, ist bestimmt irre praktisch.“ Schuldig richtete sich auf und zielte wieder mit dem Katana auf Abyssinian. „Oder du überlässt uns deinen Bettkater. Ein nobler, persönlicher Verzicht, würde ich annehmen. Es sah aus, als hättet ihr Spaß miteinander.“ Er grinste anzüglich. „Natürlich müssten wir ihn noch einfangen, aber das sollte eigentlich kein Problem darstellen. Unser jüngstes Mitglied, Nagi Naoe, auch Prodigy genannt, ist ein Ass, wenn es um Computer geht. Er hat euch in Nullkommanichts aufgespürt. Außerdem weiß ich, dass Balinese ein paar Straßen weiter im Auto sitzt und raucht. Eine fürchterliche Angewohnheit findest du nicht? Ich könnte ihm das ja ausreden, wenn du magst. Ich kann Gedanken nämlich nicht nur lesen, ich kann sie auch beeinflussen. Allerdings weiß ich nicht, ob noch viel von ihm übrig sein wird, wenn ich mit ihm fertig bin. Ich habe da so eine kleine, feine Idee, was ich mit ihm anfange, wenn Farfarello seinen Spaß gehabt hat.“   Schuldigs Augen wurden schmal, seine Stimme leiser, gefährlicher. „Was hältst du davon, wenn ich ihm ein paar Frauen besorge. Momentan mag er sich ja mit dir vergnügen, aber soweit ich weiß, ist er dem weiblichen Geschlecht sehr zugetan. Er würde alles tun, um eine schöne Frau zu beschützen. Was wohl passiert, wenn er derjenige ist, der Hand an sie legt? Ich stelle mir das sehr spaßig vor. Unten kopuliert er und oben schneidet er ihr die Kehle durch. Oder nein, halt, ich hab´s. Er erdrosselt sie gleich mit bloßen Händen. Das ist so schön dramatisch und passt besser zu seiner Art zu kämpfen. Wenn ich das ein paar Mal mit ihm durchziehe, habe ich ein perfektes, nervliches Wrack vor mir, meinst du nicht auch? Also, was sagst du? Wen sollen wir mitnehmen?“   In Abyssinians Augen loderte der Hass auf. „Das wagt ihr nicht. Das kannst du gar nicht.“ Schuldig starrte ebenso zurück. „Willst du es darauf ankommen lassen? Du hast ja keine Ahnung, wozu ich alles fähig bin. Ich tue Dinge, weil ich es kann. Einfach so.“ Er schnippte mit den Fingern. „Wer will mich aufhalten? Du etwa?“ Er lachte und lehnte sich auf das Katana. „Also, was ist jetzt? Ich warte auf deine Entscheidung. Siberian oder Balinese? Wen gibst du zum Abschuss frei?“   Er schloss die Augen. Das konnte nicht wahr sein. Warum? Wie? Wie hatte er in die Lage kommen können? Auf die gestellte Frage konnte es nur eine Antwort geben. „Wenn ihr jemanden mitnehmen müsst, dann nehmt mich“, sagte er tonlos. Schuldig runzelte die Stirn. „Ich glaube, du hast nicht richtig zugehört. Diese Option steht nicht zur Auswahl. Siberian oder Balinese? Entscheide dich. Jetzt! Oder ich töte sie beide.“   Die Welt schien sich um ihn zu drehen. Wie konnte er so etwas entscheiden? Er...sie würden...sie würden denjenigen bestimmt retten können. Irgendwie. Aber bis dahin war er in der Gewalt dieser...Kreaturen. Er wagte es nicht länger, sie Menschen zu nennen. Bilder begannen sich vor seinem inneren Auge zu formen. Siberian in völliger Loslösung von menschlichem Denken, nur noch darauf aus, seine Gegner mit seinen Krallen zu zerfetzen. Balinese zusammen gekauerte neben einer erwürgten Leiche. Er...er hatte keine andere Möglichkeit. Er wusste, wen er wählen würde.   „Ich bin kein sehr geduldiger Mensch.“ Schuldigs warnende Stimme drang in seine Gedanken vor, lähmte ihn, statt ihn anzutreiben. Er erhob den Kopf wieder und sah seine Gegner an. Sein Blick richtete sich auf Siberian, der ihn aus großen, glänzenden Augen ansah. Er atmete heftig gegen das Klebeband an, das seinen Mund verschloss. Als er Abyssinians Blick sah, wurden seine Augen noch größer. Er schüttelte den Kopf, schrie lautlos, erstarrte, als Farfarello die Klinge gegen seinen Hals drückte.   Abyssinian richtete sich auf, sein Blick kalt, das Gesicht ausdruckslos, die Stimme flach ohne Emotionen. „Nehmt Siberian mit.“     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)