Das Zwielicht von Pfeffersosse (Speedwichteln 2018 - Flying-squirrel) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich schaue in den Spiegel und sehe Dich. Du bist so strahlend im Gegensatz zu mir. Du lachst oder trauerst mit mir, wenn ich wieder einmal meine schlechte Seite zeige. Schreist mich an, wenn ich Es wieder getan habe und doch liebe ich dich. Und ich weiß, dass du das Gleiche für mich empfindest. Ich kann einfach nicht aufhören dich anzusehen, denn ich weiß, Du bist das reine, unbefleckte Ich, das schon länger aus meinem Körper gewichen zu sein scheint. Langsam strecke ich die Hand nach vorne und berühre das kühle Glas, das sich wie immer fest gegen meine Finger drückt. Doch auch wenn eine Scheibe zwischen uns ist, so berühre ich Dich, wenn auch nur flüchtig, aber ich weiß, dass du dort stehen bleibst. Willst du mich wie jedes Mal wieder auffangen, da ich wieder das Unaussprechliche getan habe? Das Schreckliche, das in meinem Körper aber solche Wellen der Lust hervorruft, dass ich nur angeekelt auflachen könnte. Ich drehe langsam den Wasserhahn auf und beobachte, wie das kühle Nass das Porzellan zum Glänzen bringt. Meine Finger finden wie automatisiert den Weg unter den Strahl und ich fahre mir über mein lächelndes Gesicht. Doch warum berühre ich Dich? Wieso sehe ich meine Finger über Deine Haut gleiten, wenn ich doch mich berühre? Du siehst so sanft und unschuldig aus, aber ich weiss aus sicherer Quelle, dass du eklige Sachen anstellst. Oder bin Ich es etwa? Ich bin durcheinander und blicke erstarrt auf das Gesicht im Spiegel. Kleine Wasserperlen rinnen langsam über die Wange, als würde die Haut weinen. Dies konnte aber nicht der Fall sein. Langsam senkt sich mein Blick, weil ein roter Schimmer meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Ich schaue an mir herunter und sehe, dass sich diese Flecken über meinen Körper verteilen. Ja, ich hatte das Unaussprechliche wohl wirklich wieder getan. Mein Kopf dreht sich fast automatisch und ich sehe Etwas, das mein Innerstes wieder in Wallung bringt. Langsam, einen Fuß vor den anderen setzend, bewege ich meinen Körper. Aber, Moment, wieso drehst Du mir denn jetzt den Rücken zu? Habe ich dich wieder verschreckt, oh, du meine unschuldige Seele? Ich atme tief ein und merke, wie verrückt ich doch sein muss, um das auf dem Bett anziehend zu finden. Nur noch wenige Schritte bin ich davon entfernt und ich sehe jetzt schon dieselbe rote Farbe, die auch an mir klebt. Mein Blick senkt sich, als ich an ihrer Seite angekommen bin. Wieso schaut sie mich denn nur mit so leeren Augen an? War sie etwa auch einer dieser Engel gewesen, die von ihrem eigenen Dämon in meine Arme geführt wurde? Du willst mich aufhalten, doch deine Schreie sind nur zusammenhangslose Wörter, die für mich im Moment keinen Sinn ergeben. Ich ignoriere Dich und weiß, dass du völlig aufgelöst versuchst, mich von dem Folgenden abzuhalten. Es soll getan werden und dieser Schrei übertönt Deine Wörter und Dein Flehen. Mein Körper fühlt sich plötzlich anders an und er bewegt sich fast von selbst. Meine Mundwinkel zucken, verziehen sich zu einem verzerrten Grinsen und meine Augen glänzen vor Ekstase. Ja, ich werde etwas Unsägliches tun. Wir beide wissen genau, wenn sich die Augen, der Mund und die Hände des Mädchens bewegen könnten, so würden sie sich wehren. So wie sich mein Körper dagegen sträubte, als Es das erste Mal nach Aufmerksamkeit schrie. Mein ganzer Körper kommt dem kalten Fleisch immer näher und meine Lippen suchen die ihre. Es stöhnt wollüstig auf und alles war um mich herum vergessen. Deine Schreie werden von Deinem Schluchzen abgelöst, doch es zählt nur noch der Moment der Ekstase und des Vergnügens. Ein Stöhnen verlässt meine bebenden Lippen, als ich erneut komme.   Als die Erregung fast gänzlich aus meinem Körper gewichen ist, gehe ich summend in die Dusche und wasche mit dem kalten Wasser meine schwarze Seele weg. Zumindest für diesen Moment. Ich spüre, wie sich meine Züge lockern und ein Blick in den Spiegel zeigt mir, dass mein Gesicht wieder schüchterner und gelassener wirkt. Das Blut, das an meinem Körper klebte, floss mit dem anderen Teil meiner Seele in den Abfluss. Auch wenn ich weiß, dass es nur für den Moment ist, denn Es schlummert wieder in mir. Nachdem ich den kalten Körper notdürftig verschwinden ließ, stehe ich vor dem Spiegel und sehe Dich wieder. Du schaust nachdenklich und unsicher auf mich und ich fühle mich plötzlich so nackt, obwohl ich vollständig angezogen bin. Ich kehre Dir den Rücken zu und atme einige Male fest ein und aus, um meine Fassung wiederzufinden, bevor ich die Tür öffne und aus dem Haus gehe. „Guten Morgen, Frau Kessmar. Wie geht es ihrem Mann? Hat er seine Operation gut überstanden?“, frage ich freundlich lächelnd meine Nachbarin und bleibe einen Moment stehen, um auf ihre Antwort zu warten. Einen Teil von mir interessiert es wenig, was mit ihrem Mann ist, doch Du wärst noch enttäuschter von mir, wenn ich es nicht tun würde. Denn Es ist noch immer in mir und äfft mich nach. Ich kann Es in meinem Schatten spüren, denn ein Schauer läuft über meinen Rücken und ich weiß, dass Es schon wieder da ist. „Klopf Klopf“, sagt Es und lacht, als hätte Es den tollsten Witz aller Zeiten zum Besten gegeben. Doch seine Sprache ändert sich wieder und sie schwebt wie undurchdringbare Watte um meinen Körper. Sie wird lauter, dann wieder leiser, doch ich weiß, dass Es immer nahe ist. „Mehr. Gib mir mehr! ich will so viel mehr, du hast noch nicht genug getan, um mich zu füttern. Futter … Füttere mich, mein Erzeuger, oh mein Selbst.“ Es lacht laut und neckend, bis es sich wie ein Grollen anhört. „Gib mir alles. Gib mir meinen zugestandenen Teil!“ Die Nachbarin redet immer noch auf mich ein und erzählt sicherlich von ihren Wehwehchen, die sie schon seit Jahren hat und um diese Zeit immer ganz schlimm werden. Ich sehe, wie sie ihre Lippen bewegt, aber ich verstehe kein Wort von dem, was gesprochen wird. Mein Atem geht plötzlich nur noch stoßweise und ich fühle, wie Es mich schneller als sonst wieder im Griff hat. Mein Blickfeld wird immer dunkler und ich habe das Gefühl, als würde sich sein Schatten über mich ergießen. Mein Körper fühlt sich wieder fremd an und ich höre seine Stimme, wie ein fröhlicher Singsang in meinem Kopf: „Schau nach links, mein Erzeuger.“ Widerwillig tue ich wie geheißen und ich drehe meinen Kopf nach links. Die Nachbarin sieht mich entschuldigend an und winkt mir zu, als sie sich wieder ihrer Vorgartenpflege widmet. Ich kann es nur aus den Augenwinkeln heraus erkennen, weil sich mein Blick fest auf das Objekt der Begierde fixiert. Meine Augen blicken starr darauf und ich höre seinen Befehl: „Ich will es, bring es mir!“ Ich spüre, wie mein Widerstand immer kleiner wird und meine Gute-Laune-Maske langsam zu verrutschen droht. Mein Innerstes ist hin- und hergerissen, zwischen erhitzter Erregung und kalter Furcht, die sich gleichzeitig in mir abspielen. Du versuchst mit allen Mitteln die Schatten um mich herum zu lichten und davor zu schützen. Doch es mag Dich nicht, deshalb spüre ich deinen traurigen Blick auf mir ruhen. Du blendest mich fast und Es überkommt mich und ich fange wieder an Dich zu verachten. Du sollst verschwinden, denn Dich braucht hier niemand! „Nein, ich werde heute nicht so einfach gehen“, flüsterst Du mir zu. „Ich werde dich ihm nicht einfach so überlassen. Bitte, bleib du selbst. Kämpfe dagegen an. Bitte! Bitte …“ Ein genervtes Schnalzen ist zu hören und meine Ohren klingeln vom Schrei, der an Dich gerichtet ist: „Geh weg, du verdammtes Ding! Geh! Verschwinde! Verrecke doch einfach.“ Wie immer stehe ich zwischen den Fronten und weiß weder vor noch zurück. Wenn ich glaube, euch beide im Einklang zu halten, wird daraus eine lauthalse Schimpftirade, die mit fast unaussprechlichen Verwünschungen einhergeht. Doch Es blickt mich wieder so verrückt an: „Komm, bring es mir!“ Langsam setzt sich mein Körper in Bewegung, weil ich mich dem Ganzen nicht mehr gewachsen fühle. Fast automatisch gehe ich nach links, erst einen Schritt, dann einen zweiten. Ich starre einfach nur auf das Ziel und beachte meine Umgebung nicht. Nach einem weiteren Schritt bleibe ich stehen und höre euch beide weiterhin streiten, doch ein fremdes, hupendes Geräusch hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ich blicke auf es, wie es schnell auf mich zukommt. Es drängt mich und schreit: „Bring es mir!“ Wobei Du mich förmlich anflehst: „Schnell, du musst weg hier. Dein Leben ist dir doch wichtiger als das, was links ist, oder? Bitte, mach schnell.“ Doch ihr beiden lähmt mich, zerrt an mir wie an einem Spielzeug und ich sehe nur, wie die Lärmquelle immer näher kommt. Mein einziger Ausweg wären diese drei Schritte, die ich gerade gegangen bin, doch kein Muskel bewegt sich in mir. Dann hat mich die Geräuschquelle erwischt und ich sehe und spüre, wie es mich mitreißt. Du wolltest mich noch auf die rettende Seite zerren, doch Es zieht zu sehr an mir, als dass Du hättest gewinnen können. Ein Ächzen verlässt meinen Körper und rote Tränen ergießen sich über den Boden. Schreie werden laut, noch bevor die Wucht des Aufpralles mich wieder zu Boden schlägt. Keiner von euch beiden konnte oder wollte mich retten. Du siehst mich mit tränenüberströmten Gesicht an und Es schnalzt nur genervt mit der Zunge, bevor Es Dir die Hand um die Kehle legt und mich anschaut. „Du hättest auf mich hören und sofort nach links gehen sollen, du Narr.“ Gurgelnd presst Du deine Worte hervor: „Es ist doch alles nur deine Schuld, du Dämon.“ Es lacht sarkastisch auf und zieht eine Fratze, bevor es sagt: „Ich soll ein Dämon sein? Und was bist du dann? Ein Schutzengel, pah, dass ich nicht lache. Wenn der immer auf mich gehört hätte, dann wäre es anders ausgegangen.“ Meine Augen blicken auf den Schatten, der langsam zu einer Form wird und mich abfällig ansieht. Es beißt in Deinen Nacken und mit einem Schlag kann ich Dich nicht mehr hören. Nur noch Es bleibt übrig und Es sagt im fortwährenden Singsang: „Ich werde dich mir nun holen.“ Meine Augen nehmen nur noch verschwommen wahr, was vor mir passiert. Es schaut mich abwartend an und verschränkt die Arme. Es wird laut um mich herum, doch ich verstehe kein Wort. Das Grinsen, das in seinem Gesicht ist, wird immer größer und der Singsang immer lauter. Mit einem Keuchen schließe ich meine Augen und lasse mich fallen. Eine Schwere erfüllt meinen Körper und die Schmerzen verschwinden mit einem Schlag. Ich weiß, dass ich dies nicht überleben werde, doch habe ich keine Kraft mehr zum Kämpfen. Du bist nicht mehr an meiner Seite und Es wiederholt sich noch immer. Die Worte werden immer leiser, bis sie schreiend in mein Ohr gebrüllt werden und ich abrupt meine Augen öffne.   Der Schrei wird immer lauter, bis er in schallendes Gelächter umschlägt. Wahnsinn erfasst den verletzten Körper und die entsetzten Blicke der Leute lassen das Innerste aufwallen. Das Blut fließt noch immer aus ihm, doch es stört ihn nicht. Im Gegenteil, langsam steht er auf und sagt: „Let the show begin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)