Knicks vs. Celtics von Vampyrsoul (Boston Boys 2) ================================================================================ Kapitel 3: Foul Trouble ----------------------- In den nächsten Wochen spielte Roger häufiger mit uns. So auch an diesem Nachmittag Ende September. Neben uns hatten an diesem Tag nur Terrence und Bobby Zeit für ein paar Spiele. Die anderen mussten arbeiten oder lernen. Daher spielten wir zwei gegen zwei. Terrence passte mir gerade den Ball zu, damit ich ihn im Korb versenkte, da schob sich Roger zwischen mich und den Ball und fing ihn ab. Bevor er losrannte, grinste er mich kurz an. Er war noch immer genauso gut drauf wie schon beim ersten Mal und obwohl er mit viel Körpereinsatz spielte, verhielt er sich immer fair und diskutierte auch bei rechtmäßigen Calls des Gegners nie herum. Den anderen war das ebenfalls aufgefallen, weshalb wir ihn gern dabei hatten und uns freuten, wenn er kam. Mit einem Doppelpass zu Bobby beendete er kurz darauf auch die Runde. Zufrieden mit dem wieder recht knappen Spiel, setzten wir uns auf die Bänke. Das Gras war mittlerweile zu kalt geworden. Demnächst würde es auch generell zu kalt werden, um draußen zu spielen. Dafür würden wir uns dann regelmäßig treffen, um die NBA im Fernsehen anzusehen. Während wir saßen und wieder zu Atem kamen, brachen plötzlich die Wolken. Verwundert und fluchend sahen wir uns an, dann schnappten wir uns unsere Sachen und flüchteten zum nächsten Unterstand. „Scheiße!“ „Schade, das war’s wohl für heute“, stellte Roger fest. „Sieht so aus. Scheint nicht, als würde es bald wieder aufhören“, pflichtete ihm mein bester Freund bei. „Toby, kann ich mit zu dir, bis es aufhört? Ich hab auch noch Klamotten bei dir und du wolltest mir noch ’n Film leihen.“ „Ja klar.“ Ich wohnte tatsächlich ein ganzes Stück näher an unserem Stammplatz als Terrence. Bobby warf einen Blick auf seine Uhr. „Kann ich auch mitkommen? Meine Eltern holen mich dann später sicher ab. Aber jetzt fährt die nächste viertel Stunde nichts. Bis dahin hab ich mir den Tod geholt.“ „Klar. Wollen wir uns den Film dann einfach bei mir zusammen ansehen?“ Begeistert stimmten die beiden zu, während Roger sich leise verabschiedete. Schnell rief ich: „Roger, warte mal! Wo wohnst du denn? Magst du vielleicht auch mitkommen? Es sind nur fünf Minuten. Du kannst dir dann erst mal Klamotten von mir leihen.“ Kurz schien er zu überlegen, dann hellte sich seine Miene auf. „Gern, danke. Ich müsste ans andere Ende von Manhattan.“ „Na dann komm. Ich muss nur mein Fahrrad holen.“ Gemeinsam gingen wir zu meinem Fahrrad, dann machten wie uns auf den Weg. Ich schob den Drahtesel neben mir her. Gerade wollte ich einfach nur nach Hause ins Trockene, daher verzichtete ich vorerst aufs Rauchen. Unterwegs wandte ich mich an Roger: „Wie kommt’s, dass du hier vorbei kommst, wenn du am anderen Ende wohnst?“ „Ich arbeite da hinten in ’nem Laden. Regale einräumen und so“, erklärte er bereitwillig und wies in die Richtung. Ich nickte, denn ich wusste, welchen er meinte. „Ah, das mach ich auch. Allerdings bei mir in der Nachbarschaft. Du meintest, du machst das neben dem College? Was genau studierst du denn?“, fragte Bobby. Viel wussten wir tatsächlich noch nicht über den Braunhaarigen. Um so schöner, dass wir jetzt einmal Zeit für solche Dinge fanden. „Ich mach meine Zulassung zum Zahnarzthelfer. Und du?“ Roger legte neugierig den Kopf schief. Irgendwie sah das echt süß aus. „Ich studier Chemie. Ich will meinen Doktor machen und dann in Lehre und Forschung gehen“, erklärte Bobby nicht ohne Stolz. Roger riss überrascht die Augen auf, während Terrence und ich nur müde lächelten. Wir hatten uns schon daran gewöhnt. Bobbys Eltern waren renommierte Ärzte an einer Privatklinik. Ihm und seinem Bruder Anthony, der Jura studierte, waren die hohen Ziele in die Wiege gelegt worden. „Klingt voll cool! Und ihr?“, fragte Roger nun Terrence und mich. „Ich arbeite in der Produktion, bis ich genug Geld fürs College zusammen hab. Dann will ich Human Resources studieren“, antwortete mein bester Freund. Seine Eltern konnten es sich leider nicht leisten, ihn beim Studium zu unterstützen, daher hatte er erst einmal angefangen zu arbeiten. Und das Geld, das meine Eltern für mich gespart und ihm angeboten hatten, weil ich es nicht fürs College brauchte, wollte er nicht annehmen. Nicht einmal leihweise. Als letztes schaute Roger mich neugierig an. „Ich bin zertifizierter Fitness- und Personaltrainer.“ „Das erklärt, warum du gefühlt nicht einmal ins Schwitzen kommst.“ Verschmitzt grinste er mich an. Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich weniger schwitzte als die anderen. „Wie kommt man eigentlich darauf, Zahnarzthelfer zu werden?“ „Damit ich meine sadistische Ader ausleben kann.“ Er lachte über meinen verdutzten Geschichtsausdruck und zwinkerte mir dann zu. „Ich mag einfach mit Menschen arbeiten, aber so soziales Zeug ist nicht meins. Und ich find Medizin sehr spannend, nur das dauert mir zu lang, bis da mal was passiert.“ „Cool, dann wissen wir ja, in welche Praxis wir gehen müssen, wenn du fertig bist“, witzelte Terrence, als wir vor meinem Haus ankamen. „Ich geh schnell das Fahrrad in die Garage stellen“, rief ich ihnen zu und war auch schon verschwunden. Danach kam ich wieder und öffnete ihnen die Tür. Dabei rief ich ins Haus: „Mum? Dad? Ich hab Freunde mit!“ Ich horchte, doch erhielt keine Reaktion. Scheinbar waren sie nicht da. Ich streifte die Schuhe im Flur ab und bat dann: „Kommt rein. Die nassen Schuhe bitte ausziehen. Ich geh eben Handtücher holen, wartet solange hier.“ Bevor ich mich umdrehte, um die Treppe nach oben zu sprinten, sah ich noch, wie Roger nur sehr zögerlich seinen Fuß über die Türschwelle setzte. Sein Blick hing an der regenbogenfarbenen Türmatte. Mir fiel sie schon gar nicht mehr auf und auch meine Freunde hatten lediglich beim ersten Mal verwundert geschaut. Sie passte nicht zum ansonsten recht spießbürgerlichen Äußeren des Hauses. Aber meine Eltern hatten darauf bestanden. Sie wollten ein Zeichen setzen, dass jeder in diesem Haus willkommen war. Ich fand es eine nette Geste, die aber wohl nur die wenigsten verstanden. Meistens rief sie eher Verwunderung hervor. Ich trocknete mich im Bad erst selbst ab und zog etwas Trockenes an, bevor ich mit Jogginghosen, T-Shirts und Handtüchern bewaffnet nach unten ging. Ich reichte jeweils eines davon an jeden. Dankbar nahmen sie es an, trockneten sich ab und zogen sich dann um. Diesmal gingen wir gemeinsam nach oben. Die nassen Sachen steckte ich in den Trockner. Roger stand noch immer vor meiner Zimmertür, als ich aus dem Waschkeller kam, die anderen waren scheinbar schon drin. „Was ist? Du kannst ruhig reingehen. Ich geh nur eben Getränke holen.“ „Ich helf dir“, bot er direkt an und kam mit nach unten, nachdem ich die anderen nach ihren Getränkewünschen gefragt hatte.   Gemeinsam kamen wir mit den Getränken wieder nach oben. Terrence und Bobby hatten bereits die Isomatte und Decken aus dem Schrank geholt und auf dem Boden ausgebreitet. Sie waren so häufig hier, sie hatten kein Problem damit, sich selbst zu bedienen. Ich stellte die Getränke auf den Schreibtisch und nahm dann Roger seine ab. Dabei fiel mir auf, dass sein Blick an einem Regal hängengeblieben war. Scheinbar war es auch Terrence aufgefallen, denn er lachte. „Keine Sorge, das war nur ’n Witz von uns zu Tobys Achtzehnten. Der benutzt die Dinger nicht. Hoffe ich zumindest.“ Jetzt musste ich doch mal genauer schauen, was Roger da betrachtete, aber ich hatte schon eine Befürchtung. Und sie bestätigte sich auch. Sein Blick war genau an dem Regal hängen geblieben, in dem ein rosa und ein babyblauer Plastikpenis standen. Ich wusste bis heute nicht, was sich meine Freunde dabei gedacht hatten, aber irgendwo war es witzig. Daher hatten sie einen besonderen Platz im Regal bekommen. „Stimmt. Die Dinger sind mir zu billig gemacht. Die Guten sind in der Nachttischschublade“, witzelte ich. Es machte mir nichts aus, meine Freunde wussten, dass ich durchaus solche Sachen besaß. „Soll ich eigentlich ein paar Snacks holen zum Film?“ Der Vorschlag stieß auf große Begeisterung. Also machte ich mich noch einmal auf den Weg. Direkt fragte Roger: „Soll ich noch mal helfen?“ „Wenn du magst. Du kannst es dir ansonsten auch schon mal gemütlich machen. Viel ist eh nicht da.“ Ich lächelte ihm aufmunternd zu, denn er hatte deutlich anders geklungen als sonst und wirkte etwas verstört. Irgendwie konnte ich es nachvollziehen, mir war es auch immer unangenehm, das erste Mal bei jemandem zu sein und die Gepflogenheiten nicht zu kennen. Währenddessen hatte sich Terrence zu Bobby gelehnt, hielt ihm die Hand ans Ohr und raunte mit wackelnden Augenbrauen: „Uh, Roger soll es sich schon mal bequem machen.“ Bobby lachte und ich musste ebenfalls schmunzeln. Sie machten gern solche Scherze auf meine Kosten, aber es war okay, immerhin tat ich dasselbe auch bei ihnen, wenn sich eine Gelegenheit bot. Ich warf Terrence die Videokassette zu. „Er macht sich wenigstens nützlich. Könntest du auch mal tun.“   „Sorry. Sie sind manchmal etwas albern“, erklärte ich Roger, als wir in der Küche standen und ich alles zusammensuchte. Er war erschreckend still geworden, seitdem wir das Zimmer verlassen hatten. Ich hoffte, dass er nicht glaubte, die anderen würden sich auf seine Kosten lustig machen. „Mhm“, murmelte er nur. Doch dann sah er mich direkt an, schien mich kurz zu mustern. Dabei zog er die Augenbrauen kraus. Vorsichtig fragte er: „Du bist schwul?“ „Ja“, antwortete ich überrascht über die plötzliche Frage. Dann fiel mir auf, dass es bisher in seiner Gegenwart nie Thema gewesen war. Warum auch? Für meine Freunde war es selbstverständlich, dass ich schwul war. Daher hatte ich auch einfach nicht daran gedacht, dass es Roger vielleicht stören könnte. Möglichst ruhig fuhr ich fort: „Ich hoffe, du hast kein Problem damit. Ansonsten kannst du jederzeit gehen.“ „Was? Äh, nein... Du siehst nur einfach nicht danach aus“, antwortete er sofort. Dennoch klang er verdächtig nervös. Wohl einer von der Sorte die behaupteten, sie hätten kein Problem, bis sie damit konfrontiert wurden. „Keine Sorge, Toby macht sich nicht an uns Heteros ran.“ Terrence stand in der Tür zur Küche und lächelte Roger aufmunternd zu. Dann wandte er sich an mich: „Ich hab ’n Glas umgeworfen. Ist alles heile, aber ich brauch ’n Lappen.“ „Hier. Ich mach nur noch kurz den Käse warm.“ Ich drückte ihm einen Lappen in die Hand. Dann sah ich wieder zu Roger, der noch immer verunsichert wirkte. „Du kannst auch schon mit hoch gehen, dauert nicht lange.“ „Nein, schon gut. Du musst ja nicht allein warten.“ Er versuchte zu lächeln, doch so ganz gelang es ihm nicht. Die Neuigkeit schien ihn etwas aus der Bahn geworfen zu haben. Während ich den Käse in der Mikrowelle erhitzte, schwiegen wir. Auf dem Weg nach oben änderte sich auch nichts daran. Wir verteilten die Sachen und setzten uns. Roger zu Bobby auf die Isomatte, ich mich zu Terrence auf das Bett. Während ich mir eine Zigarette anzündete, sah ich, dass Roger mich mit gerümpfter Nase beobachtete. Da ich hoffte, dass es nur an dem Qualm lag und nicht an mir, öffnete ich kurz das Fenster.   Nach dem Film redeten wir noch miteinander und vergaßen völlig die Zeit. Lediglich Roger war deutlich ruhiger als sonst. Schade, ich hatte ihn nett gefunden. Aber er schien wirklich nicht damit klar zu kommen, dass ich auf Männer stand. Irgendwann steckte meine Mum ihren Kopf durch die angelehnte Tür. „Hi Jungs. Bleibt ihr zum Essen?“ „Sehr gern.“ Terrence strahlte über das ganze Gesicht bei der Einladung. Er liebte das Essen meiner Mum. „Danke, Mrs. Blanchett.“ „Kein Problem. Du weißt doch, dass du jederzeit vorbeikommen kannst. Wie sieht es mit dir aus, Bobby?“ Sie sah ihn an, bis auch er nickte. Dann schien sie Roger zu bemerken, der halb hinter den anderen saß. Sie ging freundlich lächelnd auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Oh. Dich kenn ich noch gar nicht. Ich bin Tobys Mum. Bleibst du auch?“ „Ich bin Roger. Wenn ich darf, gerne.“ Er schüttelte kurz ihre Hand. Etwas verwundert sah ich ihn an. Ich hatte damit gerechnet, dass er nur wartete, bis es nicht mehr unhöflich war zu gehen. Oder glaubte er, dass es das wäre, wenn er die Einladung ausschlug? „Schön. Dann kommt doch gleich runter. Ich kann ein paar helfende Hände gebrauchen.“ Damit verschwand sie dann auch, bevor wir antworten konnten. Bobby und Terrence sprangen direkt auf. Ich gab ihnen ein Zeichen schon vorzugehen und wandte mich an Roger, der ihnen hinterher wollte. Vorsichtig hielt ich ihn am Arm fest. Überrascht wandte er sich zu mir. Ruhig sprach ich ihn an. „Du musst nicht bleiben, wenn es dir unangenehm ist, hier zu sein.“ Seine Augenbrauen kräuselten sich, doch ich konnte den Geschichtsausdruck nicht deuten, genau wie seine Stimme. „Ist es doch gar nicht. Du kannst aber auch sagen, wenn ich gehen soll.“ „Was? Nein. Du bist nur sehr still geworden, seitdem wir hier sind. Ist alles okay?“ Besorgt wollte ich ihm die Hand auf die Schulter legen, doch er wich zurück. „Ja“, antwortete er sofort, dann schien er es sich aber anders zu überlegen und schüttelte den Kopf. „Sorry, du hast recht, vielleicht sollte ich gehen. Ich brauch wohl einen Moment, um mich an den Gedanken zu gewöhnen. Sorry.“ Ich hatte so etwas schon befürchtet, daher nickte ich nur. „Ist okay.“ Gemeinsam gingen wir nach unten und verabschiedeten uns an der Tür. Nachdem er weg war, ging ich in die Küche, um den anderen zu helfen. Da mich meine Mum verwundert an sah, weil ich alleine kam, erklärte ich: „Roger hat gerade gemerkt, dass er doch schon los muss.“ „Oh. Ihr Jungs habt euch aber nicht gestritten, oder?“, bemerkte meine Mutter sofort, dass etwas nicht stimmte. Ich zuckte mit den Schultern. Für mich war das Ganze nichts Neues. Und lieber ging er jetzt als später, wenn man sich zu gut angefreundet hatte. „Er hat wohl ein Problem damit, dass ich schwul bin.“ „Och schade, dabei schien er doch ganz nett. Naja, man kann den Leuten eben doch nur vor den Kopf kucken.“ Noch einmal sah sie mich prüfend an, wollte wohl sichergehen, dass es mich wirklich nicht weiter störte, dann lächelte sie und beschäftigte sich wieder mit dem Essen. Sie wusste, dass ich schon immer ein dickes Fell gehabt hatte und mich auch früher, als ich noch wegen meines Übergewichts geärgert worden war, nicht weiter darum geschert hatte. „Dann sehen wir ihn wohl auch beim Streetball nicht mehr. Dabei ist er echt gut“, bemerkte Terrence noch, dann war auch von der Seite das Gespräch beendet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)