Crazy like a skull von RaoulVegas (Das Paradies hat einen Haken) ================================================================================ Drunken words... ---------------- 1 Die fatale und erst recht ungewollte Begegnung mit Kukui nach dieser langen Zeit, und die umso erniedrigende Niederlage gegen diesen Bengel Sun, machen Bromley mehr als fertig. Als er mit seinen Rüpeln weit genug vom Ziergarten entfernt ist, schickt er die beiden daher auch weg und verschwindet, ohne ihnen zu sagen, was er macht und wohin er fährt. Bryan und Aaron fügen sich nach einer kurzen Diskussion seinem Wunsch, sind sich jedoch nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee ist, ihn jetzt in diesem Zustand vollkommen allein zu lassen, weshalb sie sich nur widerwillig und mit einem flauen Gefühl im Magen auf den Weg zurück nach Po’u machen. Doch immerhin ist Bromley ja kein kleines Kind mehr und wird schon irgendwie wissen, was er tut – hoffen sie zumindest... In der Lottervilla angekommen, werden sie auch sogleich von Fran in Empfang genommen. „Wo treibt ihr zwei euch denn den ganzen Tag rum und wo zur Hölle ist Bromley?“, fragt sie die beiden Rüpel gerade heraus und stemmt dabei drohend die Hände in die Hüften. „Yo, Sis, ganz ruhig! Wa‘ war’n mit’m Boss auf Ula-Ula und ham den verschärften Garten da unsicher gemacht.“, erwidert ihr Aaron kleinlaut. Fragend hebt Fran eine Augenbraue und mustert die beiden noch ernster. „Und weiter?“, hakt sie nach, da sie den Rabauken ansehen kann, dass das noch längst nicht alles ist. „Tja, da wa‘ dieser Kukui und dieser dämliche Bengel Sun...“, setzt Bryan an. Frans Augen weiter sich bei den beiden Namen merklich und sie versteift sich etwas in ihrer Haltung. Ein Anflug von Sorge huscht durch ihre Gedanken, den sie aber noch nicht offen zeigt. Dennoch weiß sie nur zu gut, was so ein Treffen mit Bromley’s Ex-Freund bedeuten könnte. Zudem ist dieser Sun ein echt verdammt unangenehmer Gegner, wie sie aus eigener Erfahrung weiß. Vehement verdrängt sie die Erinnerung an ihren Kampf mit dem jungen Anwärter und besinnt sich wieder auf die Tatsache, dass der überaus labile Weißhaarige mit seinem ehemaligen Geliebten zusammengetroffen ist. „Kukui? – Verdammt!“, entkommt es ihr mit leichtem Zähneknirschen, auch wenn sie den Professor nur aus dem Fernsehen und dergleichen kennt, was wahrscheinlich auch besser für ihn ist. Sie gibt ein schweres Seufzen von sich und atmet dann tief durch. „Ok, kann man nicht mehr ändern. Wie war’s?“, fragt sie schließlich, obwohl sie glaubt die Antwort schon zu kennen, kann sie sie den beiden doch praktisch vom Gesicht ablesen. Aaron und Bryan tauschen einen flüchtigen Blick miteinander aus, der der jungen Frau zudem ungewollt schon beinahe alles sagt, was sie befürchtet. „Kukui hat sich ‘n Spaß draus gemacht, den Boss vor all den Leuten zu ärgern und dann – dann gab’s ‘n Kampf zwischen dem Boss und diesem Sun...“, berichtet Aaron betroffen. „Yo, is‘ gar nich‘ gut gelaufen. Der Bengel hat den Boss richtig derb vorgeführt...“, ergänzt Bryan. „Oh, nicht doch! – Er hat sich doch hoffentlich nicht wieder selbst verletzt, oder?“, will die Pinkhaarige nun wissen. Erneut tauschen die beiden Rüpel einen vielsagenden Blick aus. „Doch. – Wa‘ echt schlimm...“, gesteht Aaron traurig und lässt die Schultern hängen. „Und dieser selten dämliche Prof wa‘ auch noch der Meinung, sich da einmischen zu woll’n! Doch das hab‘ ich nich‘ zugelassen!“, entkommt es Bryan und er ballt wütend die Fäuste, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Die junge Frau kann ihm deutlich ansehen, wie sehr ihm der Brünette gegen den Strich geht und sie will sich daher gar nicht so sehr vorstellen, wie das Ganze ausgeartet sein könnte. Obwohl sie schon ein bisschen stolz darüber ist, dass Bryan seinen Anführer scheinbar so vehement verteidigt hat, wo die zwei doch einen so aufreibenden Start miteinander hatten. Der Blauhaarige hat sich im letzten Jahr aber sehr gemausert und ist nun ein genauso loyales und anhängliches Mitglied geworden, wie der Rest von Skull, auch wenn er weiterhin daran festhält, nichts mit Jungs am Hut haben zu wollen. Aber da ist er ja auch nicht der Einzige, dennoch eine Minderheit. „Okay, schon gut! Es gab also Stress mit den beiden. Aber, wo ist Bromley jetzt?“ „Wissen wa‘ nich‘...“, meint Aaron knapp. Fran legt wieder die Stirn in Falten. „Was soll das heißen, ihr wisst es nicht?“ „Tja, der Boss wa‘ ganz schön fertig danach und brauchte ‘ne Auszeit. – Hat uns weggeschickt und is‘ allein losgezogen. – Sorry, Sis...“, gesteht Bryan das Ganze schließlich und lässt nun auch die Schultern hängen. Von seiner Wut ist nichts mehr geblieben und er wirkt wie Aaron nur noch betroffen und erschöpft. Die Gift-Trainerin gibt ein weiteres Seufzen von sich und reibt sich die Schläfen, als hätte sie ganz plötzlich heftige Kopfschmerzen bekommen. Einerseits würde sie den beiden gern den Marsch blasen, wegen ihrer Unfähigkeit; andererseits kann sie es wiederum nicht, da keiner der Rüpel auch nur ansatzweise in der Lage wäre, Bromley von irgendetwas abzuhalten, das er sich einmal in den Kopf gesetzt hat – dafür ist er einfach zu stark und zu stur und die Rüpel zu unterwürfig ihm gegenüber. „Schon gut. Ihr könnt ja nichts dafür. Hoffen wir also, dass Bromley den Weg wieder nach Hause findet und nichts anstellt, das ihm noch mehr den Schädel verbiegt. – Und, wenn er bis morgen früh nicht wieder da ist, sollten wir nach ihm suchen, verstanden?“ Die zwei Rüpel nicken eifrig, doch froh wirken sie deswegen keinesfalls; höchstens darüber, dass Fran sie nicht runtermacht. 2 Die Stunden vergehen, ohne ein Zeichen von dem Weißhaarigen. Der Nachmittag wird zum Abend und schließlich zur düsteren und Regen verhangenen Nacht, wie sie so typisch für Po’u ist. Betroffene Stille liegt überaus seltsam über der gesamten Villa, hat sich die Nachricht über die Ereignisse des Tages doch sehr schnell unter den Teenagern rumgesprochen. Vor dem Zubettgehen schärft Fran allen noch einmal ein, sich für den Morgen bereitzuhalten, um nach dem verschwundenen Käfer-Trainer zu suchen. Dann begibt sie sich ebenfalls zur Ruhe, auch wenn sie diese noch lange nicht findet. Ungewollt kreisen ihre Gedanken immer wieder zu dem Weißhaarigen und bittere Sorge scheint sie von innen heraus zerfressen zu wollen. So wirklich versteht sie das Ganze aber nicht. Dieser Idiot macht ständig Mist und veranlasst sie so, sich ungewollt Sorgen um ihn zu machen, wie um ein kleines Kind. Sie will das nicht, schließlich steht er im Rang der Truppe über ihr, was bedeuten müsste, dass er weiß, was er tut. Und, selbst wenn sein Kopf ihn oft genug im Stich lässt, ist er dennoch sehr gut in der Lage auf sich selbst aufzupassen und will auch gar nicht von ihr bemuttert werden. Da hat sie mit den Rüpeln sowieso schon genug zu tun. Aber etwas tief in ihr sieht das anders und möchte für ihn da sein. Ihm helfen, doch nicht wie eine Mutter oder Kollegin. Nein, viel mehr. Das kotzt sie erst recht an. Bromley ist so ein dämlicher Idiot und brutaler Flegel, da will sie sich gar nicht vorstellen, wie es sein könnte, mit ihm so etwas wie eine Beziehung zu führen, auch wenn er sich den Rüpeln und Pokémon gegenüber oftmals sehr liebevoll verhält und ihn beide Seiten daher praktisch ununterbrochen anbeten. Trotzdem kann Fran nicht abstreiten, dass er auch für sie etwas an sich hat, dass sie schon irgendwie interessant findet. Grummelnd dreht sie sich von einer Seite zur anderen und zieht sich die Decke über den Kopf. Sie sollte wirklich nicht über dergleichen nachdenken. Es ist hoffnungslos und wird es auch immer sein, also Schluss damit! Allerdings ist es nicht so einfach los zu lassen und daher wälzt sie sich noch eine ganze Weile im Bett herum, ehe sie schließlich von der Erschöpfung übermannt wird. 3 Es ist weit nach Mitternacht, als Fran ungewollt aus dem Schlaf gerissen wird, weil sie Lärm auf dem Flur vernimmt. Zuerst versucht sie ihn zu ignorieren, doch er wird immer lauter und nähert sich zudem stetig ihrem Zimmer. „Diese verdammten Rüpel...“, grummelt sie halblaut mit belegter Stimme und setzt sich schwerfällig im Bett auf. Gähnend reibt sie sich die Augen und schaltet die Lampe auf ihrem Nachttisch ein. Ehe sie jedoch wach genug ist, um aufzustehen, endet der Lärm plötzlich. Schlaftrunken blickt sie zur Tür und versucht zu lauschen, doch alles ist wieder ruhig. Die Gift-Trainerin gibt ein verstimmtes Brummen von sich und will sich schon wieder hinlegen, da wird ihre Tür auf einmal so dermaßen ruckartig geöffnet, dass sie polternd gegen die Wand knallt. Schlagartig ist die Pinkhaarige hellwach und zum Angriff bereit. Geistesgegenwärtig greift sie dabei auch noch nach ihrer Decke, da sie nur Unterwäsche trägt und sich dem ungebetenen Gast nicht gleich halbnackt präsentieren will. Schon einen Moment später entspannt sie sich aber wieder etwas und frische Wut kommt in ihr hoch. Bei dem ungebetenen Gast handelt es sich um Bromley, der sturzbetrunken in ihrer Tür steht und sie angrinst, als wäre sein Verhalten gerade völlig normal. „Franny!“, flötet er lautstark, lehnt sich etwas unkoordiniert gegen die Türzarge und nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche. „Sag mal, hast du sie noch alle? Sei gefälligst leise, oder willst du etwa das ganze, verdammte Haus aufwecken?“, empört sie sich und steht auf. Sie vergisst dabei sogar den Gedanken an ihre Decke, die sie einfach auf dem Bett zurücklässt. Der Weißhaarige grinst nur dümmlich und legt sich kindisch einen Finger vor die Lippen. „Pst, schon klar.“, verkündet er nicht gerade leiser und nimmt noch einen Schluck aus der mittlerweile leeren Flasche. Inzwischen ist Fran bei ihm angekommen und zieht ihn erst einmal ins Zimmer hinein, damit der nicht die anderen alle weckt und die Nacht damit endgültig zum Tag macht. „Was machst du denn hier?“, fragt sie ihn dabei. „Hab‘ dir ‘n Bier mitgebracht.“, meint er grinsend und hält ihr die leere Flasche entgegen. Die Tatsache, dass sie nur in Unterwäsche vor ihm steht, scheint vollkommen an ihm vorbei zu gehen, zumindest macht er darüber keinen blöden Kommentar oder starrt sie offensichtlich auf diese Weise an. Wäre er nüchtern, würde sie sich aber die tollsten Sachen anhören müssen, wie scharf sie doch aussieht und dergleichen. Die Pinkhaarige seufzt tief. Als wäre es unter normalen Umständen nicht schon manchmal schwer genug mit ihm zu reden, so ist es noch schlimmer, wenn er betrunken ist. Auch, wenn sie verstehen kann, dass er sich nach so einem Tag in den Alkohol flüchtet, um ein bisschen zu vergessen. Dennoch hat sie wenig Geduld dafür, erst recht mitten in der Nacht. „Du weißt doch, dass ich kein Bier mag.“, gibt sie daher verstimmt zurück und schließt die Tür. Er blickt sie einen Moment mit großen Augen verwundert an. Dann kommt ihm die Erkenntnis und er schmeißt die Flasche mit voller Wucht auf den Boden. Dank des Teppichs wird der Aufprall in seinem Lärm abgedämpft, dennoch zerspringt das Glas in tausend Stücke. „Scheiße ja, hast recht!“, empört er sich über seine eigene Taktlosigkeit. Erschrocken zuckt die junge Frau beim Bersten der Flasche zusammen und fragt sich, ob es wirklich eine gute Idee war, ihn in ihr Zimmer zu holen, anstatt ihn auf dem Flur stehen zu lassen. Bromley ist nüchtern schon unberechenbar, da man nie weiß, wann sich sein Gehirn verabschiedet und er sich von der fremden Macht in seinem Schädel lenken lässt – doch betrunken ist es noch weit schlimmer und er sogar noch reizbarer, wenn man ihm dumm kommt. Zum Glück wirkt er im Moment nicht so, als wäre ihm nach Streit zumute, dennoch sollte sie lieber vorsichtig sein mit dem, was sie sagt. Etwas wehmütig betrachtet sie die Scherben und ist nur froh, dass die Flasche schon leer war. Trotzdem breitet sich der malzig-schwere Geruch von Bier augenblicklich in ihrem Zimmer aus und bereitet ihr Übelkeit. Zielstrebig läuft sie daher an ihm vorbei und öffnet das Fenster über ihrem Bett. Als sie sich allerdings umdreht, sitzt Bromley am Fußende ihres Bettes und lässt sich schwerfällig ins Laken sinken. Geistlos starrt er zur Decke empor und grinst vor sich hin, als würden ununterbrochen Witze in seinem Kopf abgespielt werden. „Was machst du denn da?“, fragt sie unschlüssig und setzt sich neben ihn, bemüht die Decke über ihren Körper zu ziehen, damit er nicht doch noch auf dumme Gedanken kommt. Das Bett ist jedoch eigentlich nur für eine Person gedacht, weshalb es etwas beengt ist und sie nicht mehr an ihm vorbeikommt, ohne über ihn drüber steigen zu müssen. Doch darüber macht sie sich jetzt erst einmal keine Gedanken. Sie wird ihn schon noch früh genug wieder rauswerfen. Aber zuerst würde sie schon gern wissen, was alles vorgefallen ist. Bromley beantwortet ihre Frage jedoch nicht, sondern lächelt sie nur wieder an. „Hey, Franny!“, summt er vor sich hin, als hätte er sie jetzt erst gesehen. Die Angesprochene massiert sich nur wieder die Schläfen. Das wird eine lange Nacht... „Hey, Bromley. Warum erzählst du mir nicht, was heute passiert ist? Aaron und Bryan haben mir gesagt, du hast Kukui getroffen und diesen Sun.“, setzt sie an, in der Hoffnung, etwas aus ihm herauszubekommen. Der Weißhaarige grinst allerdings nur wieder und plappert dann irgendwelchen Stuss zusammen, der keinerlei Beziehung zu der Frage hat, die Fran ihm gestellt hat. Er redet einfach nur, ganz ohne etwas zu sagen. Innerlich könnte sich die Gift-Trainerin eine Ohrfeige nach der anderen verpassen, dass sie ihn überhaupt gefragt hat. Sie hätte ihn gleich rauswerfen oder noch besser, in sein Zimmer bringen sollen. Aber nein! Und jetzt hat sie den Salat. Er hört gar nicht mehr auf zu reden. So kommt sie also nicht weiter. Vermutlich muss sie warten, bis er wieder etwas nüchterner geworden ist, wenn sie wirklich wissen will, was alles vorgefallen ist und wo er sich rum getrieben hat. Zumindest kann sie sich gut vorstellen, wie er sich selbst verletzt hat, da die Wunde auf seiner Stirn deutlich sichtbar ist und ihm das getrocknete Blut im halben Gesicht klebt. Außerdem hat das eine Glas seiner verqueren Sonnenbrille einen Sprung. Sein anhaltender Redefluss gibt ihr allerdings die Möglichkeit ihren eigenen Kampf mit Sun Revue passieren zu lassen. 4 Einen Monat zuvor... Sanft steigt die Sonne über dem Hügel des Gedenkens auf und verspricht einen friedlichen Tag. Noch etwas müde durchquert Sun die Ruhestätte. Heute ist ein großer Tag und er versucht sich mental auf den Kampf vorzubereiten, der vor ihm liegt. In ein paar Stunden wird er an den Ruinen des Lebens sein und dort kann er dann gegen die Inselkönigin antreten, um den letzten Z-Kristall von Akala zu bekommen, und dann endlich zur nächsten Insel weiterreisen zu können. Die Aufregung macht sich so allmählich in seinem Magen breit. Die Herrscherin wird Gesteins-Pokémon einsetzen, wie er bereits in Erfahrung bringen konnte, also eine echt harte Nuss. Von daher versucht er sich fieberhaft eine möglichst geeignete Taktik zurechtzulegen, um gegen sie bestehen zu können. Die Friedlichkeit dieses Ortes hier, ist dabei eine große Hilfe und so denkt er darüber nach, noch etwas länger hier zu verweilen, bis ihm etwas Passendes eingefallen ist. Allerdings hat er sich dabei ganz sicher nicht das vorgestellt, was ihn nun aus seinen Gedanken reißt. Am Ende des Friedhofs, wo er in den Akala Küstenstreifen übergeht, an dem Bromley und Kukui vor etlichen Jahren von den Rattfratz und dem Rattikarl angegriffen wurden, ertönt lauter Motorenlärm. Er wirkt dermaßen unpassend an diesem Ort, dass dafür eigentlich nur eine Ursache in Frage kommt: Team Skull! Sun ist diesen Rüpeln schon ein paar Mal auf seiner Wanderschaft unfreiwillig in die Arme gelaufen und jedes Mal war es wirklich lästig. Ein wenig wünscht er sich, sich jetzt einfach umzudrehen und das Ganze ungesehen an sich vorüber gehen lassen zu können. Doch das kann er nicht. Was wäre er denn auch für ein Trainer, wenn er es einfach so zulässt, dass solch ein Getöse an so einem friedfertigen Ort verursacht wird? Genau, ein ganz schlechter und damit auch nicht viel besser, als diese idiotischen Halbstarken! Doch, warum müssen sie eigentlich immer dann auftauchen, wenn er Wichtigeres zu tun hat? Fast so, als würden sie es riechen können. Vielleicht beobachten sie ihn auch seit ihrem ersten Zusammentreffen damals auf Mele-Mele und warten nur auf einen günstigen Moment, um ihm dazwischen zu funken? Leicht schüttelt sich der Junge bei diesem Gedanken. Doch das ist ganz unmöglich, dafür haben die Rüpel weder die nötige Intelligenz noch das Durchhaltevermögen. Er gibt ein schweres Seufzen von sich und bahnt sich dann seinen Weg zwischen den Gräbern und Hecken hindurch, um herauszufinden, was diese Hohlschädel nun wieder planen. Es dauert nicht lange, da ist der Lärm ihrer aufgemotzten Motorräder so laut, dass er wohl selbst die Toten hier aufwecken könnte, was eine ziemlich makabere Vorstellung auf einen Friedhof ist, weshalb er sie schnell wieder verdrängt. Abrupt endet der Lärm dann jedoch ganz plötzlich. Überrascht geht Sun erst einmal hinter einer Hecke in Deckung und beobachtet die Szene. Die beiden Rüpel haben bis eben noch ihre Kreise um ein wehrloses Pokémon gedreht, dessen sie sich wohl bemächtigt haben. Nun jedoch beginnen sie einen Streit mit zwei anderen Leuten, die das Flegmon scheinbar aus seiner misslichen Lage befreien wollen. Vielleicht kommt Sun so ja doch noch um ein Zusammentreffen mit diesen Rabauken herum? Aber erstmal weitersehen. Bei den zwei anderen Leuten handelt es sich um einen weiß gekleideten, blonden Mann und eine weiß gekleidete, junge Frau, die ihm jedoch beide völlig unbekannt sind. In diesem Aufzug wirken sie aber irgendwie wichtig, fast wie Wissenschaftler. Ein bisschen erinnern sie Sun an Professor Kukui, aber nur ein ganz kleines bisschen. Vorsicht schiebt sich der Schwarzhaarige näher heran, um verstehen zu können, was sie sagen. „Team Skull! Ihr gebt jetzt auf der Stelle das gestohlene Pokémon zurück, na los!“, fordert die junge Frau nachdrücklich von den beiden selbstgefälligen Teenagern. Die Blauhaarigen sehen aber verständlicher Weise nicht ein, warum sie dem nachkommen sollen. Außerdem ist es zu komisch, das Æther-Personal an der Nase herumzuführen – wissen diese doch noch nicht einmal, dass ihre hochgeschätzte Präsidentin mit ihnen unter einer Decke steckt. Das macht es gleich doppelt so lustig, diese beiden Vogelscheuchen zu ärgern. Ganz besonders diesen hochtrabenden Fabian, der sich ja für den Allergrößten hält, aber doch nichts weiter ist, als ein angeberischer Möchtegern. „Jetz‘ komm uns doch hier nich‘ mit so was, Puppe!“, entgegnet ihr Cameron anrüchig und drängt das verstörte Pokémon hinter sich, sodass es nicht mehr an den blauen Suzukas vorbeikommt. „Wa‘ verhökern die Pokémon ja nich‘ zum Spaß, Alter! Schließlich müss’n wa‘ auch von was leben, kapiert? Aber wie du willst. Wenn ihr’s unbedingt zurückham wollt, dann aber nur mit ‘nem Kampf!“, kontert sein Kollege Flo lässig und tritt drohend vor. Fabian verzieht angewidert das Gesicht und wendet sich kurzerhand an seine Untergebene. „Ärmel hochgekrempelt und ran an den Feind! Das würde jetzt unsere wehrte Präsidentin sagen.“, teilt er der jungen Frau neben sich mit, um sie praktisch in den Kampf zu drängen, damit er sich nicht die Finger an diesen Verrückten schmutzig machen muss. Er versteht sowieso nicht, wie man nur so ein Leben führen kann. Den ganzen Tag nichts Besseres zu tun hat, als anderen die Arbeit zu erschweren und dann auch noch rotzfrech werden. Unweigerlich fällt ihm da dieser Streuner Bromley ein, den Samantha vor über einem Jahr angeschleppt hatte und der sich ihm gegenüber so aufgespielt hat. Ein wirklich furchtbarer Zeitgenosse. Fabian ist nur heilfroh, dass er wieder weg ist, obwohl er schwören könnte, ihn das ein oder andere Mal auf Æther herumschleichen gesehen zu haben. Das sollte er vielleicht einmal nachprüfen, wenn sie diese Trottel hier wieder losgeworden sind? Auf die Worte des Blonden hin, wendet sich seine Untergebene nun etwas erzürnt an ihn. „Sie haben leicht reden, Herr Regionalleiter! Schließlich mache ich immer die ganze Arbeit...“, pikiert sie sich, da er ihr ständig nur Befehle gibt, die oftmals weit über ihre Zuständigkeit hinausgehen. Der Angesprochene rümpft verstimmt die Nase. „Aber ich bin nun mal die letzte Bastion der Æther-Foundation! Und als solche kann ich mich wohl schlecht in den erstbesten Kampf stürzen, oder?“, gibt er ihr angesäuert zu verstehen. Schließlich kann Fabian es ja nicht auf sich sitzen lassen, dass sie seine Autorität vor diesen zwei Halbstarken infrage stellt. Wo kommen wir denn da hin? Team Skull besteht ohnehin schon nur aus respektlosen Idioten, dass muss man nun wirklich nicht auch noch unterstützen, indem man sich auf genauso eine Ebene herablässt. Das wird noch ein Nachspiel für sie haben, wenn das hier vorbei ist, so viel steht fest! Die beiden Rüpel finden das Ganze verständlicher Weise ziemlich witzig, sind aber dennoch bereit, diese Æther-Heinis mal so richtig aufzumischen. Die Diskussion spitzt sich immer weiter zu, sodass Sun sich schließlich mehr oder weniger gezwungen sieht, einzugreifen, bevor diese Rabauken doch die Lust am Ganzen verlieren und mit dem armen Flegmon abhauen, weil sich die anderen beiden nicht einig werden können. Entschlossen nähert er sich daher der Truppe und wird auch sogleich von Fabian erblickt, noch ehe er überhaupt ein Wort sagen kann. „Hey, du da! Du kommst gerade recht. Ich überlasse dir die Ehre, die Schergen von Team Skull zu verjagen!“, teilt er dem Schwarzhaarigen locker mit, als sei er einer seiner Leute. Seine Untergebene runzelt nur fragend die Stirn, kann sie sich doch nicht so wirklich vorstellen, wie ein kleiner Junge gegen diese Rüpel bestehen soll. Andererseits ist sie schon irgendwie froh, dass sie diese Aufgabe nun nicht mehr übernehmen muss. Die beiden Blauhaarigen sehen sich belustigt an. Erst im Nachhinein wird ihnen aufgehen, mit wem sie es hier zu tun gehabt haben, da sie ja nicht die ersten Rüpel sind, die sich Sun gegenüberstellen. Doch die Peinlichkeit, von einem kleinen Jungen auf Inselwanderschaft vorgeführt zu werden, hat die bisher besiegten Mitglieder der Chaotentruppe immer davon abgehalten, es an die große Glocke zu hängen. Nur völlig betrunken haben sie sich ihren Kollegen anvertraut, die zumeist genauso betrunken waren, wodurch das Geheimnis also praktisch nicht ans Licht gekommen ist. Zu Fran oder Bromley ist das Ganze bisher aber glücklicherweise auch noch nicht durchgedrungen, sonst hätten die Rüpel mit Sicherheit ganz schön Ärger bekommen. Allerdings hatte auch ihr ungewolltes Mitglied Gladio vor kurzem das Vergnügen gegen Sun verlieren zu dürfen, was den ohnehin schon sehr aufgewühlten Blonden nur noch mehr verärgert hat. Die Rüpel haben ihn dafür auch noch ausgelacht, ganz einfach, um sich selbst besser zu fühlen. Auch Bromley und Fran fanden es eher amüsant, Gladios Ausführungen dahingehend zu lauschen, weshalb sich der Junge erst einmal wieder etwas von ihnen abgeseilt hat, bis hoffentlich Gras über die Sache gewachsen ist... So steht Cameron Sun nun völlig unbescholten gegenüber und sieht sich natürlich haushoch als Gewinner. „Na? Biste bereit für diesen Fight, du Zwerg?! Ich wurd‘ ja schon bereit gebor’n!“, höhnt der temperamentvolle Teenager keck und wird auch sogleich von Flo angefeuert. Dummerweise ist der Kampf schneller vorbei, als die zwei Halbstarken gucken können und ganz ohne, dass Sun oder sein Pokémon sich auch nur anstrengen mussten. Fassungslos starrt Cameron auf sein besiegtes Rattikarl hinab, das ihn schmerzlich und um Vergebung bittend ansieht, ehe es sich schließlich seiner Ohnmacht hingibt. „Yo, yo, Kleiner! Mit dir is‘ nich‘ zu spaßen, wa‘? – Ich glaub‘, ich spinn‘, Mann!“, entkommt es ihm getroffen, während er seine Ratte zurück in ihren Ball ruft. Auch sein Mitstreiter begreift langsam, was hier schief läuft und, dass es besser wäre, das Weite zu suchen. „Das olle Pokémon brauchen wa‘ eh nich‘! Nehmt’s und gebt gefälligst Ruhe! Weg hier, Bro!“, verkündet er schlicht und schiebt das Flegmon grob von den Motorrädern weg. Keine Minute später durchschneidet das grölende Brummen wieder die friedliche Stille des Gedenkhügels, kurz darauf sind sie auch schon außer Sichtweite. „Fuck Mann! Fran wird uns den Arsch aufreißen...“, kommt es nun kleinlaut von dem sonst so selbstsicheren Cameron. Mit seinem Verhalten und seiner ganzen Art übertrifft er den anfänglichen Bryan noch bei weitem. Mit dem kleinen Unterschied, dass Bromley ihm seine tiefsitzende Homophobie noch nicht austreiben konnte. Wenn sich ihm der Weißhaarige in dieser Hinsicht auch nur ansatzweise genähert hat, hat der Blauhaarige auf der Stelle die Flucht ergriffen, da er beim besten Willen nicht so angegangen werden will, wie es Bryan damals in der Küche passiert ist. Doch im Gegensatz zu seinem Kollegen früher, sieht Cameron nur zu, nicht selbst belästigt zu werden und äußerst sich nicht abgeneigt über die Vorlieben der anderen Skull-Mitglieder. Jetzt jedoch kommt er sich wie ein kleines Kind vor, das sich bewusst wird, dass es von seiner Mutter jeden Moment übers Knie gelegt werden könnte. Der Gedanke an sich hat für ihn durchaus etwas Reizvolles, ist Fran in seinen Augen eine echte Granate, doch den Spaß wird sie ihm wohl kaum gönnen. Schon gar nicht nach so einer Niederlage. Und, wenn man vom Teufel spricht, erreichen die beiden gerade den Eingang des Friedhofs, an dem ihre stellvertretende Führerin schon ungeduldig auf sie wartet. Lässig lehnt sie an ihrer eigenen violett-weißen Suzuka und wartet mit verschränkten Armen darauf, dass die zwei zu ihr kommen. Verstimmt legt sie die Stirn in Falten. „Was hat denn da so lange gedauert? Und wo ist das verdammte Flegmon, das ihr klauen solltet?“, entkommt es ihr säuerlich, kaum, dass die zwei zum Stehen gekommen sind. Reumütig tauschen die beiden Jungs einen flüchtigen Blick aus. „Sorry, Sis. – Wa‘ ham’s nich‘...“, gesteht Flo schließlich. „Was soll das heißen? Sagt jetzt nicht, dass euch dieses lahme Vieh davongelaufen ist.“ „Nee, aber da war’n so’n paar Typen von der Æther, die Stress gemacht ham. Dieser schmierige Fabian...“, erwidert Cameron aufgebracht und ballt knurrend die Fäuste. Verstimmt verzieht Fran das Gesicht. „Wirklich? Fabian? Und von diesem gestriegelten Lackaffen habt ihr euch das Pokémon wieder abnehmen lassen?“, fragt sie ungläubig. „Nee, von dem nich‘. Aber da wa‘ auch so’n Bengel und der hat uns total plattgemacht.“, erläutert Flo. „Echt jetzt? Das kann doch nicht euer Ernst sein! Ihr lasst euch von einem dahergelaufenen Bengel fertigmachen, wie ein paar jämmerliche Anfänger?“. Langsam ist Frans Geduld am Ende und sie hebt merklich die Stimme an, was die zwei unweigerlich zusammenzucken lässt. „Das wa‘ kein gewöhnlicher Bengel! Das wa‘ der Zwerg, der auch Gladio plattgemacht hat! Der is‘ voll die Härte, sag ich dir!“, setzt Cameron zu einem letzten Versuch an, seine angeschlagene Ehre zu verteidigen.“ Plötzlich vergeht der Gift-Trainerin die Wut auf die beiden Rüpel. Leichtes Entsetzen kommt in ihr auf. „Was? – Nun gut. Dann habe ich euch ja vielleicht Unrecht getan und ihr könnt gar nichts dafür. Dennoch entschuldigt das nicht eure Unfähigkeit! Immerhin ist der Bengel noch ein dummes Kind, zudem auf Inselwanderschaft und sollte euch somit unterlegen sein! Also strengt euch beim nächsten Mal gefälligst mehr an, verstanden? Wie sieht das denn auch aus, wenn sich Team Skull von so einer Rotznase fertigmachen lässt?!“, zornig mustert sie die beiden. Die Jungs machen sich auf ihren Bikes ganz klein und nicken dann überschwänglich. „Schön. Dann fahrt zurück nach Po’u und trainiert mal ein bisschen! Wird euch sicher gut tun. Ich werde mir diesen Sun mal vornehmen! Und kein Wort zu Bromley, bis ich wieder da bin!“, legt sie streng fest und deutet den beiden dann an zu verschwinden. Nur allzu bereitwillig düsen die Rüpel davon, während sich Fran wieder auf ihr Motorrad schwingt und den Friedhof Richtung Küste entlangfährt. Da das Ganze ja eben erst passiert ist und es von dort keinen anderen Ausweg gibt, dürfte es ja nicht allzu schwer sein, den Bengel einzuholen. Und sie soll damit auch recht behalten. Auf dem Friedhof kommen ihr sogar noch Fabian und seine Untergebene entgegen, inklusive dem Flegmon. Angesäuert mustert sie die beiden, die sie jedoch keines Blickes würdigen, obwohl sie ihnen absichtlich fast über die Füße fährt. Nach dieser unschönen Begegnung erreicht sie kurz darauf den Küstenstreifen und erblickt dabei auch sogleich mal den Schwarzhaarigen, der sich genervt herumdreht, als er den Lärm ihrer Maschine hört. Für einen Moment ist Sun der festen Überzeugung, die beiden Rüpel haben nur geblufft und kommen nun wieder, um ihn so richtig aufzumischen. Er glaubt zwar nicht, dass ihnen das gelingen wird, dennoch ist der Gedanke unschön. Immerhin könnten sie ja auch auf einen Pokémon-Kampf verzichten und ihn einfach so zusammenschlagen. Er würde es ihnen in jedem Fall zutrauen und dann hätte er keine Chance mehr gegen sie. Umso überraschter ist er daher, als er statt der beiden Jungs, auf einmal eine junge Frau entdeckt, die allerdings ganz unzweifelhaft ebenfalls zu Team Skull gehört. Diese Chaoten haben ihn wohl bei ihr verpfiffen und nun will sie eine Revanche dafür. Der Gedanke gefällt ihm nicht, doch tun kann er dagegen wohl nichts. Ihr Anblick unterscheidet sie ziemlich von den Rüpeln, mit denen Sun bisher zu tun hatte, weshalb er vermutet, dass sie höher gestellt ist und somit durchaus ein ernst zunehmender Gegner sein könnte. Zum Glück war der letzte Kampf ja ein Kinderspiel, weshalb seine zwei Begleiter das wohl ganz gut hinbekommen dürften. Die Pinkhaarige stellt ihr Bike ab und kommt lässig, aber mit äußerst strenger Miene auf ihn zu. „Du bist also der, von dem Gladio und die Rüpel erzählt haben. Hm. – Für mich siehst du wie ein ganz gewöhnlicher Junge aus. – Ich bin Fran. Ich halte Team Skull zusammen. Ich bin dort so was wie die große Schwester für alle. Wie du weißt, sind die alle nicht unbedingt die Hellsten. Aber gerade das ist es, was sie so liebenswert macht. Verstehst du, was ich meine? Und du hast es gewagt meine süßen Geschwister zu ärgern, also muss ich dem ein Ende setzen!“ Etwas verunsichert mustert Sun sein Gegenüber. Diese Fran wirkt bei weitem nicht so dümmlich und schwach, wie die Rüpel, die ihm ständig auf die Pelle rücken. Sie könnte also durchaus eine ernst zunehmende Gegnerin für ihn werden. Doch seine Bedenken lässt er sich nicht ansehen. Man sollte seinem Gegner nie etwas geben, dass ihm klar macht, man könnte schwach sein, selbst wenn das der Fall sein könnte. Immer Überlegenheit und Stärke symbolisieren! Das ist zwar weit leichter gesagt, als getan, aber eine Tatsache, die einen weit bringt. Fran fackelt da auch gar nicht lange und schickt ihr erstes Pokémon in den Ring, bevor Sun ihr überhaupt antworten kann. Auf dem Gras manifestiert sich auch sogleich ein Golbat. Die große Fledermaus schlägt ein paar Mal mit den Flügeln und erhebt sich damit in die Luft. Mit weit aufgerissenem Maul und gebleckten Zähnen schwebt es über dem Kampffeld und fixiert den Schwarzhaarigen mit seinen kleinen, aber durchdringenden Augen. „Na gut. Wenn Team Skull immer noch nicht genug hat, also ein Kampf.“, seufzt der Junge schon fast und schickt sein Mauzi auf das Feld. Der kleine, sandfarbene Kater aus Kanto blickt sich neugierig um, schreckt jedoch unwillkürlich zusammen, als das andere Pokémon ein wütendes Fauchen von sich gibt. Etwas verunsichert blickt sich Mauzi nach Sun um, der es aufmunternd betrachtet. Dann wendet sich der Vierbeiner wieder zu seinem Gegner um und rümpft verstimmt die Nase. Fran sieht dem Kampf siegessicher entgegen und setzt zu ihrem ersten Befehl an. Allerdings macht ihr Sun da schon einen Strich durch die Rechnung, den sein Pokémon auch gleich fortsetzt. „Schnell, Mogelhieb!“ Bevor die Gift-Trainerin ihren Angriff aussprechen kann, gleitet schon ein wild entschlossenes Funkeln über Mauzis Augen hinweg. Der Kater stürmt blitzschnell vor, springt in die Luft und schlägt Golbat seine Pfoten ins Gesicht. Getroffen schwankt die Fledermaus einen Moment in der Luft, fängt sich dann aber schnell wieder und führt ungerührt ihren Gegenangriff aus. „Du hast mich mit deiner Attacke vielleicht kalt erwischt, aber mein Golbat wird nicht vor dir Zurückschrecken, Kleiner. Das ist nämlich seine spezielle Fähigkeit.“, höhnt die Pinkhaarige verstimmt. Sun hat so etwas schon befürchtet, doch immerhin ist ihm der Erstschlag gelungen und das genügt ihm schon mal. Nun allerdings führt Golbat seinen Angriff aus. Es starrt Mauzi durchdringend an und dann lösen sich seltsame Lichtpunkte aus seinem Augen, die wild um den Kater herumzufliegen beginnen. „Mist...“, schimpft der Junge in sich hinein, als er mit ansehen muss, wie sein Pokémon durch den Konfustrahl verwirrt wird. Taumelnd dreht sich der Vierbeiner im Kreis und weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. So kann Sun unmöglich eine Z-Attacke einsetzen. Das Risiko, dass sich sein Pokémon dabei selbst verletzt oder der Angriff völlig fehlgeleitet wird, ist einfach zu groß. Also muss es halt so irgendwie gehen. „Ok, Mauzi! Setz Kratzer ein!“ Der Kater schwankt noch immer, dennoch fährt er die Krallen aus und läuft los. Das Ganze wirkt jedoch nicht sonderlich sicher, sodass es Fran leicht gelingt, mit ihrem Angriff zu kontern. „Windschnitt!“, befiehlt sie der großen Fledermaus, die daraufhin heftig mit den Flügeln zu schlagen beginnt. Die heftige Böe, die dabei entsteht, reißt den kleinen Vierbeiner augenblicklich von den Füßen. Getroffen mauzt das Pokémon auf, dennoch gelingt es ihm wieder aufzustehen. „Versuch es gleich noch einmal!“, ermutigt Sun es. Bemüht lässt der Kater ein weiteres Mal seine Krallen ausfahren und diesmal gelingt ihm ein Treffer. Es lässt Golbat aber eher kalt und so wird Mauzi von einem erneuten Windschnitt zu Boden geworfen. Diesmal gelingt es dem Vierbeiner deutlich schwerlicher wieder aufzustehen, was Fran ein überlegenes Lächeln entlockt. Ein bisschen beginnt sie sich zu fragen, wie dieser Bengel es wohl geschafft haben mag, die ganzen Rüpel zu besiegen und erst recht Gladio, der doch einiges mehr drauf hat. Aber egal, wichtig ist nur, dass sie ihm jetzt eine ordentliche Lektion erteilt, die er so schnell nicht wieder vergessen wird und dann kann sich Team Skull endlich etwas freier bewegen. „Das machst du sehr gut, Mauzi! Benutz nun Biss!“, fordert Sun und hofft, dass sein Pokémon bald von der Verwirrung loskommt, ehe es sich wohlmöglich noch selbst verletzt. Als hätte der Kater seine Gedanken gelesen, bleckt er in diesem Moment angriffslustig die Zähne. Doch entgegen seiner Hoffnung, verbeißt sich der Kater damit in seiner eigenen Pfote und heult kläglich auf. „Nein!“, entkommt es dem jungen Trainer erschrocken. Fran gibt ein herablassendes Lachen von sich und wiegt sich noch etwas mehr in Sicherheit. „Du bist schwach, Junge! Sieh es ein, du hast keine Chance gegen mich!“, tönt sie keck. „Das werden wir ja sehen!“, harscht der Schwarzhaarige zurück. Noch etwas neben sich, wirft Mauzi ihm einen Blick zu. „Versuch es noch einmal, mein Junge!“ Der Kater gibt ein verstehendes Mauzen von sich und tritt einen Schritt vor. Als es seinen Blick auf Golbat ausrichtet, schwirrt ihm jedoch erneut der Kopf und es verbeißt sich nun in seine andere Pfote. Das schmerzliche Heulen des Katers erfüllt ein weiteres Mal die friedliche Stille des Küstenstreifens und versetzt Sun in leichte Panik, weiß er doch nicht, was diese Fran noch so alles auf der Hinterhand hat. „Das Ganze wird mir jetzt doch etwas zu langweilig. Ist ja wirklich mitleiderregend, dein Kätzchen. Los, Golbat, erledige es mit Windschnitt!“ Die große Fledermaus gibt ein zustimmendes Fauchen von sich und schlägt wieder heftig mit den Flügeln. Der Vierbeiner wird abermals zu Boden geschleudert, doch diesmal gelingt es ihm nicht mehr, wieder aufzustehen. „Mauzi, nein!“, erschrocken nimmt Sun sein bewusstloses Pokémon an sich und wirft Fran einen finsteren Blick zu. Diese streicht ihrem Golbat lobend über den Kopf und lacht in sich hinein. „Du solltest aufgeben, Kleiner. Damit würdest du dir immerhin die Schande ersparen zu verlieren und deine Begleiter vor weiteren Schmerzen bewahren.“ „Das kannst du vergessen! Ich werde euch das Handwerk legen, egal wie oft ihr euch mir noch in den Weg stellt! Das Gute siegt schließlich immer über das Böse!“, gibt der Schwarzhaarige trotzig zurück. Ein wenig verzieht die Gift-Trainerin das Gesicht. „Dein Mut in allen Ehren, Junge. Doch, wer sagt denn, dass wir hier unbedingt die Bösen sind? Vielleicht interpretierst du unser Handeln einfach nur falsch und siehst nicht das große Ganze, das hinter alledem steckt.“ Irritiert legt Sun die Stirn in Falten. Es ist doch wohl völlig offensichtlich, dass Team Skull hier die Bösen sind, was gibt es da also falsch zu verstehen? Sie blufft ganz sicher nur, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Anders kann es gar nicht sein. „Selbstverständlich seid ihr die Bösen! Warum sonst solltet ihr wehrlose Pokémon stehlen und verkaufen?“, hält er dagegen. Fran zuckt nur mit den Schultern. Natürlich weiß sie ganz genau, warum sie das machen. Es dient hauptsächlich der Ablenkung, damit keiner mitbekommt, dass Samantha in Wirklichkeit das wahre Böse ist, erst recht, weil sie Skull schon lange nicht mehr finanziell unterstützt, wie am Anfang. Sie sich daher mühevoll alles selbst irgendwie organisieren müssen, was ohne Geld doch recht schwer ist. Für Fran daher vollkommen unverständlich, warum sich das Team dennoch so den Arsch für diese billige Kuh aufreißt. Aber Bromley sieht das scheinbar nicht, da sie ihn ja um ihren Finger gewickelt hat und die Rüpel folgen ihrem Boss mindestens genauso blind. Fran lässt sich davon nicht so einfach täuschen, aber ihr sind in vielerlei Hinsicht nun mal die Hände gebunden. „Wir stehlen die Pokémon ja nicht aus Langeweile, Kleiner. Schließlich müssen wir auch von etwas leben. Von daher brauchen wir nun einmal Geld. Aber das tut hier überhaupt nichts zur Sache. Du kannst deine Meinung über uns haben, das ist mir vollkommen egal. Mich interessiert nur, ob du aufgibst oder nicht.“ „Ich werde niemals aufgeben!“, beharrt der kleine Junge stur und wirft ihr einen zutiefst finsteren Blick zu. Fran zuckt nur mit den Schultern. „Wie du meinst. Aber heul mir nachher nicht die Ohren voll, wenn du verloren hast.“ „Keine Sorge, den Gefallen tue ich dir ganz sicher nicht!“, gibt er schmollend zurück und wirft seinen zweiten Pokéball. Miezunder erscheint auf dem Feld und blickt sich fauchend um. Bei seinem Anblick verzieht Fran unbewusst das Gesicht, lässt sich sonst aber nichts anmerken. „Los, Golbat! Konfustrahl!“ So leicht macht es Sun ihr diesmal aber nicht, weiß er doch jetzt, was für eine Taktik sie verfolgt. „Miezunder, sieh zu Boden und benutz dann Feuerzahn!“, befiehlt er seinem Pokémon daher. Gehorsam senkt der Feuerkater den Kopf und starrt zu Boden, während er die Zähne bleckt, um die sich hitzige Flammen ausbreiten. Als Golbat seine Attacke einsetzt, rennt der Vierbeiner los, hält den Kopf weiterhin unten und schafft es so, den verwirrenden Lichtpunkten zu entgehen. Dann springt er kraftvoll in die Luft und verbeißt sich in einem der empfindlichen Flügel der großen Fledermaus. Die Flammen greifen auf ihren Körper über wie ein Steppenbrand und so geht sie schwer getroffen zu Boden und kann nicht mehr weiterkämpfen. „Pff, das war nur Glück, Freundchen, also freu dich nicht zu früh!“, entgegnet ihm Fran angesäuert und ruft Golbat zurück. In Sun breitet sich ein Funken Erleichterung aus, sind sie jetzt doch wieder gleichauf. „Daran wirst du dir die Zähne ausbeißen!“, gibt Fran ihm nun zu verstehen und lässt ihr letztes Pokémon in den Ring. Vor Suns Augen schlüpft ein Molunk aus dem Ball und blickt sich keck um. Die anfängliche Freude des Schwarzhaarigen vergeht nun, da es sich bei dieser kleinen, schwarzen Echse um den Typ Gift und Feuer handelt. So ist der junge Trainer also wortwörtlich dazu gezwungen Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Doch im Gegensatz zu Team Skull ist er sehr wohl in der Lage Z-Attacken einzusetzen, was hoffentlich die entscheidende Wendung in diesem Kampf bringen wird. Allerdings hat er nicht mit Frans erstem Angriff gerechnet, was das Ganze vielleicht zum Scheitern verurteilt. „Molunk, benutz Giftwolke!“ „Miezunder, ausweichen und Kratzer!“, hält der Schwarzhaarige dagegen. Die kleine Echse bäumt sich auf und speit eine dichte, lilafarbene Wolke aus, die sich rasant auf dem ganzen Feld ausbreitet. Fauchend setzt Miezunder zur Flucht an, um seine eigene Attacke einzusetzen, doch das Giftgas ist so allumfassend, dass der Kater nicht ausweichen kann. Es frisst sich in seinen Körper hinein und vergiftet ihn. In diesem Moment wird Sun klar, dass er seinem Pokémon nicht helfen kann. Er war so auf die Vorbereitungen für den Kampf mit der Inselkönigin fixiert und dann von den Rüpeln abgelenkt worden, dass er völlig vergessen hat, im Dorf neue Items zu kaufen. So hat er nun rein gar nichts, um die Vergiftung zu heilen oder sein Pokémon aufzupäppeln. Demzufolge muss er diesen ungewollten Kampf nun umso schneller beenden, da Miezunder mit jeder verstreichenden Minute immer mehr von dem Gift geschwächt wird und irgendwann wahrscheinlich gar nicht mehr die Kraft aufbringen kann, eine Z-Attacke einzusetzen. Der Schwarzhaarige wechselt einen schnellen Blick mit seinem angeschlagenen Begleiter und dieser versteht sofort, was zu tun ist. Beide konzentrieren sich und Sun beginnt mit der Z-Pose. „Oh nein, so leicht mache ich es dir ganz sicher nicht! Molunk, Funkenflug, schnell!“, versucht Fran die beiden aus dem Konzept zu bringen. Die kleine Echse bäumt sich erneut auf, ihr Schwanz schlägt Funken und als sie das Maul aufreißt, scheißt daraus eine große Feuerblase hervor. Auf ein Zeichen hin, weicht Miezunder der Attacke im letzten Moment aus. Zwar macht Feuer dem Kater ja nicht sonderlich viel aus, aber die Konzentration könnte doch erheblich darunter leiden, wenn er sich erst davon erholen muss, und das Gift kommt ja auch noch hinzu. Allerdings hat Sun den Beiklang von Frans Angriff übersehen. Als die Feuerblase heftig auf dem Boden aufschlägt, zerplatzt sie wie ein prall gefüllter Wasserballon und verspritzt nach allen Seiten flüssige Funken, die dem Gegner immer Schaden zufügen, da sie keinem festen Typen unterliegen, wie der Hauptanteil des Angriffs. So kommt es also, dass der Vierbeiner der Attacke ausweichen kann, doch er wird von den umherfliegenden Funken getroffen und erleidet dadurch einen leichten Schaden, der jedoch etwas größer wird, weil sich auch das Gift zu Wort meldet. Irgendwie allerdings gelingt es den beiden ihre Konzentration nicht zu verlieren und die Z-Attacke weiterhin fehlerfrei aufzuladen. Frans anfängliche Hoffnung, Sun damit zu verwirren, scheitert somit und sie muss daher mehr oder weniger hilflos mit ansehen, wie ihr Gegner diese gewaltige Macht in sich aufnimmt. In ihrer Verzweiflung befiehlt sie Molunk einen weiteren Angriff, doch es ist bereits zu spät. Miezunder erstrahlt in Z-Kraft und stürmt in einem unglaublichen Tempo mit seinem Hyper-Sprintangriff auf die kleine Echse zu. Die Pinkhaarige kann gar nicht hinsehen und wendet daher das Gesicht ab. Stattdessen muss sie aber den Schmerzensschrei ihres Pokémon hören und das widerliche Geräusch, mit dem die schwarze Echse bewusstlos auf dem Boden zu ihren Füßen aufschlägt. Nach diesem unschönen Laut traut sie sich gar nicht die Augen zu öffnen, hofft irgendwie noch, dass es doch noch nicht vorbei ist und Molunk noch weiterkämpfen kann. Erst, als sie Suns Jubel hört, wird ihr schmerzlich klar, dass auch sie ihm unterlegen ist und Team Skull somit scheinbar einfach keine Chance gegen ihn hat. Unwillentlich öffnet Fran nun doch die Augen und betrachtet wehmütig ihr besiegtes Pokémon, das reglos vor ihr auf dem Rücken liegt. Langsam beugt sie sich hinab und ruft es in den Ball zurück. „Tut mir so leid, Süße. Aber du hast dich wacker geschlagen...“, teilt sie der Echse sanft mit, ehe sie sich wieder erhebt und Sun einen wütenden Blick zuwirft. „Ha, du bist ganz schön stark. Aber, wenn du uns weiter im Weg stehst, mache ich nächstes Mal Ernst.“, harscht sie den Jungen grob an, um sich nicht anmerken zu lassen, wie tief enttäuscht sie von dieser Niederlage ist. Wie machtlos sie ihm letztendlich doch gegenüberstand. Besiegt von einem kleinen Jungen auf Inselwanderschaft, einfach unfassbar! Aber nun wirklich kein Wunder mit diesen miesen Z-Attacken. Der Schwarzhaarige sieht sie etwas verwundert an, lächelt dann jedoch. „Das war ein guter Kampf. Ich danke dir!“, teilt er der Gift-Trainerin ehrlich mit. „Du weißt nicht, was du da sagst, Junge. Also sei lieber still und denk an meine Worte! Ich mache keinen Spaß, verstanden?“, macht sie ihm noch einmal deutlich. Fran wartet jedoch auf keine weitere Antwort, sondern wendet sich ab, geht zu ihrem Motorrad und fährt davon... 5 Die Erinnerung an diesen äußerst unschönen Kampf beschert ihr jetzt noch Kopfschmerzen, kann sie doch noch immer nicht begreifen, wie ein so kleiner Bengel solche Kraft und Bindung zu seinen Pokémon aufbauen kann und das schon während seiner Inselwanderschaft. Damals, als die Welt für sie noch in Ordnung war und ihr kleiner Bruder noch lebte, hat sie auch ihre Wanderschaft begonnen. Schnell hat sie allerdings gemerkt, dass sie es nicht übers Herz bringen kann, ihre Familie und ganz besonders ihren kleinen Bruder, solange allein zu lassen, weshalb sie sie nach kurzer Zeit wieder abgebrochen und stattdessen mit ihrem Bruder trainiert und gelernt hat, damit er einen guten Start für seine Wanderschaft bekommt. Ja, sie wollte sogar mit ihm zusammen nach einmal von vorn beginnen, damit sie gemeinsam losziehen können. Doch es kam ja leider ganz anders und sie hat nie wieder den Versuch unternommen, eine Inselwanderschaft zu bestreiten. Niemand hat mir gesagt, dass das Leben so laufen wird Mein Job ist ein Witz, ich bin getrennt, Mein Liebesleben ist zum Scheitern verurteilt Jetzt, wo die Bilder ihrer Niederlage gegen Sun wieder in ihr hochkommen, kann sie noch besser verstehen, was Bromley dazu bewegt hat, sich zu betrinken oder sich selbst zu verletzen. Sie wünscht sich jetzt sogar selbst etwas Alkohol, um ihren Kopf freizubekommen, aber in ihrem Zimmer gibt es davon nichts, was auch ganz gut ist. Doch es wäre mit Sicherheit sowieso ein großer Fehler sich zu betrinken. Früher oder später wird man eh wieder nüchtern und erinnert sich im schlimmsten Fall erneut an alles. Und wer weiß schon, was dann passieren würde, wenn sie sich so gehen lässt und der Weißhaarige noch bei ihr ist. Sie will es sich nicht vorstellen. Also verdrängt sie den Gedanken an Sun und wendet sich wieder Bromley zu, der noch immer neben ihr im Bett liegt und vor sich hinplappert. Es ist, als würdest ich immer im zweiten Gang stecken bleiben, Wenn es nicht mein Tag, meine Woche, Mein Monat oder mein Jahr ist, Aber… Langsam wendet sich Fran seinen Worten wieder zu und stellt überrascht fest, dass sie inzwischen an Sinn gewonnen haben. Irgendwann, während sie ihrer eigenen Erinnerung nach hing, muss er angefangen haben, über seinen Kampf mit Sun zu reden. Überrascht lauscht sie seinen erstaunlich ausführlichen und klaren Schilderungen, wie es der Bengel geschafft hat, ihn so mühelos zu schlagen. Als er damit durch ist, schwenkt er plötzlich um und erzählt vom Anfang des Ganzen, als er Kukui im Ziergarten begegnet ist. Du wirst für mich da sein, Wenn es zu regnen beginnt „Kannste dir den Scheiß vorstellen? Nach all der langen Zeit steht der Typ plötzlich einfach so da und grinst so selbstgefällig vor sich hin, dass man ihm nur in die Fresse schlagen will...“, kommt es mit belegter Stimme von dem Käfer-Trainer. Betroffen blickt Fran ihn an. Bromley hat ihr gegenüber noch nie über seine Gefühle oder seine Beziehung zu Kukui geredet. Alles, was sie weiß, haben ihr im Laufe der Zeit verschiedene Rüpel erzählt. Das allein hat ihr schon genügt, nicht selbst nachzufragen, da sie ihn nicht aufregen wollte. Solche Gespräche endeten förmlich alle damit, dass er sich selbst verletzt hat, um irgendwie zu vergessen und das will sie nun wirklich nicht riskieren. Zumal sie die Wunde auf seiner Stirn ja jetzt noch sehr gut sehen kann. Du wirst für mich da sein, Wie du schon früher da warst Ungewollt zieht sie einige Parallelen zwischen Kukui und ihrem verstorbenen Bruder. Zwar gleichen sie sich kein bisschen, doch sowohl Bromley, als auch sie wurden unfreiwillig von ihnen verlassen und leiden auch noch nach so langer Zeit darunter. Der Weißhaarige wird sicher noch weit mehr zu leiden haben, da er seinem Ex-Freund immerhin praktisch täglich über den Weg laufen könnte und somit ständig daran erinnert wird. Fran hat nur ein Foto, das sie an ihrem Bruder erinnert. Seufzend sitzt die Pinkhaarige neben ihm. „Das kann ich mir nur zu gut vorstellen. Ginge mir sicher nicht viel anders...“, pflichtet sie ihm daher bei. Du wirst für mich da sein, Denn ich bin auch für dich da Plötzlich schwenkt er wieder um und erzählt ihr von seiner Inselwanderschaft, wie sie kurz vor ihrem Ziel standen und Kukui dann krank geworden ist. „Ich hatt‘ solche Angst um ihn, checkstes? Wusst‘ weder ein noch aus. Kam mir so verloren vor, weil ich ihm nich‘ helfen konnt‘. Hat mir echt das Herz gebrochen, ihn so zu seh’n und allein weitergeh’n zu müssen...“ Er blickt sie an und auf einmal laufen ihm dicke Tränen die Wangen hinab. Ich bleibe bis zehn im Bett und mein Job begann um acht Mein Frühstück habe ich verbrannt, soweit läuft alles gut Nahezu erschrocken betrachtet Fran das Ganze, hat sie ihn doch noch nie so gesehen. In ihr entbrennt ein wahrhafter Hass auf diesen Professor, dem sie noch nie gegenüberstand. Doch vielleicht sollte sie ihm mal einen Besuch abstatten und ihm in Bromley’s Namen eine scheuern? Vielleicht findet sie ja irgendwann Zeit dafür? Jetzt jedoch bricht es ihr beinahe selbst das Herz, den sonst so temperamentvollen Mann weinen zu sehen, wie ein kleines Kind. Laut schnieft er vor sich hin, als wäre er wieder der verletzte Junge auf dem Mount Lanakila, der um seinen Freund bangen muss. Meine Mutter warnte mich vor Tagen wie diesen, Aber sie erzählte mir nicht, Dass mich die Welt schon in die Knie gezwungen hat Das alles erinnert sie noch weit mehr an ihren kleinen Bruder, der so sinnlos sterben musste. Ihr kommen selbst die Tränen, doch sie unterdrückt das Schniefen, da sie sich diese Blöße nicht vor Bromley geben will, betrunken oder nicht, auf seine dämlichen Kommentare kann sie in jedem Fall verzichten. Stumm rinnen die heißen Perlen daher ihre Wangen hinab. „Ich weiß genau, wie du dich gefühlt hast...“, gibt sie kurz angebunden zurück, damit er nicht das beginnende Zittern in ihrer Stimme mitbekommt. Du wirst für mich da sein, Wenn es zu regnen beginnt Ein weiteres Mal wechselt er aus heiterem Himmel das Thema und erzählt jetzt irgendetwas von seiner Mutter, doch Fran kann ihm nicht mehr zuhören. Sie ist viel zu aufgewühlt, von der Erinnerung an ihren Bruder. Sie will nur noch allein sein und weinen, hat aber nicht mehr die Kraft, den Käfer-Trainer vor die Tür zu setzen. Also legt sie sich einfach neben ihn, dreht ihm den Rücken zu und schluchzt stumm in ihr Kissen hinein. Du wirst für mich da sein, Wie du schon früher da warst Dabei bekommt sie gar nicht mit, wie Bromley irgendwann nichts mehr erzählt und nur noch die Zimmerdecke betrachtet, als würde er alles noch einmal Revue passieren lassen wollen, dass er ihr gerade gesagt hat. Vielleicht, um herauszufinden, ob etwas dabei war, das er nicht hätte sagen sollen? Vielleicht aber auch, um zu sehen, was er ihr noch nicht erzählt hat und was es wert wäre noch Erwähnung zu finden? Du wirst für mich da sein, Denn ich bin auch für dich da Im Endeffekt ist es Fran vollkommen gleich, sie will kein einziges Wort mehr mit ihm reden oder gar von ihm hören. Will nur noch allein sein. Sie könnte sich selbst erneut dafür ohrfeigen, ihn überhaupt in ihr Zimmer gelassen zu haben, nur damit er ihr jetzt solchen Kummer bereitet. Als würde es seinen eigenen Schmerz damit vertreiben. Der Verzweiflung nahe umklammert sie ihr Kissen fester und sucht nach einer Möglichkeit ihn vor die Tür zu setzen. Soll er doch auf dem verdammten Flur übernachten oder jemand anderen belästigen, Hauptsache sie ist ihn los. Niemand wird mich je verstehen können Niemand wird mich je richtig sehen können! Der ganze Kummer macht sie jedoch schrecklich müde, sodass ihr einfach nichts einfallen will. Schwerfällig schließt sie ihre feuchten Augen und versucht zu schlafen. Aber dafür geht es ihr jetzt einfach zu schlecht. Sie kann die Gedanken schlichtweg nicht mehr vertreiben. Erneut beginnt sie heftig zu schluchzen und es kümmert sie auch schon gar nicht mehr, ob er sie hören kann oder nicht. Es ist, als wärst du die Einzige, Die versteht, was es heißt ich zu sein Jemand, mit dem ich den Tag überstehen kann Nur unterbewusst bekommt sie mit, wie er sich herumdreht. Plötzlich schmiegt er sich jedoch eng an sie und nimmt sie dann auch noch fest in die Arme. Erschrocken zuckt Fran zusammen, wird sie sich dabei doch nur allzu klar, dass sie ja nur Unterwäsche trägt. Seine warmen, großen Hände umschließen erstaunlich sanft ihren flachen Bauch und er drückt sein Gesicht in ihre langen Haare hinein, die sie zum Schlafen immer offen trägt. Tief saugt er ihren süßen Duft ein und gibt ein wohliges Seufzen von sich. Schlagartig ist Frans Traurigkeit verflogen und weicht einer etwas ängstlichen Wut. Warum zum Teufel kommt er ihr jetzt so nahe? Mit dem ich den Rest durchstehen kann Jemand, mit dem ich immer lachen kann! Ungelenk versucht ihm die Pinkhaarige ihren Ellenbogen in den Magen zu rammen, um ihn auf Abstand zu halten, doch sie verfehlt ihn. Stattdessen zieht er sie noch enger in seine Umarmung. „Franny...“, haucht er ihr in einer kaum deutbaren Stimmlage zu. Ein eiskalter Schauer gleitet ihren Rücken hinab und lässt sie leicht erzittern. „Lass mich auf der Stelle los, du dämlicher Idiot!“, fährt sie ihn grob an, doch durch ihre erst kürzlich vergossenen Tränen, hört es sich eher verzweifelt und hilflos an. „Ich lieb‘ dich, Franny!“, kommt es dann von dem Weißhaarigen und es klingt kein bisschen mehr betrunken, auch nicht müde oder weinerlich. Nein, es klingt völlig ernst und ehrlich. Es ist, als würde ich immer im zweiten Gang stecken bleiben, Wenn es nicht mein Tag, meine Woche, Mein Monat oder mein Jahr ist Überrascht weiten sich die Augen der Gift-Trainerin. Hat er das wirklich gerade gesagt? Sie ist hin und her gerissen. Einerseits findet sie seine Worte in diesem Moment mehr als unpassend und will sich so was auch gar nicht vorstellen. Andererseits könnte sie sich jetzt nichts Schöneres vorstellen, nichts Tröstenderes. Und eigentlich hat sie tief in ihrem Inneren darauf gewartet, dass er einmal so etwas Nettes zu ihr sagt. „Was – was hast du gesagt?“, fragt sie daher nach, um sich Klarheit zu verschaffen, hält sie das Ganze doch nur für betrunkenen Schwachsinn. Du wirst für mich da sein, Wenn es zu regnen beginnt „Ich lieb‘ dich, Fran! Voll und ganz!“, haucht ihr Bromley entgegen und es klingt erneut so ehrlich und ernst, dass für sie eigentlich gar kein Zweifel mehr bestehen kann. Nur kann sie ihm einfach nichts erwidern, nicht in diesem Moment. Dennoch fühlt sie sich ganz plötzlich unglaublich zu ihm hingezogen und ist sehr froh, dass er noch hier ist und sie in den Armen hält. „Danke, Bromley...“, erwidert sie daher sanft. Sie schmiegt sie etwas mehr gegen ihn und schließt langsam wieder die Augen. Kurz darauf sind sie beide eingeschlafen. Du wirst für mich da sein, Wie du schon früher da warst 6 Der nächste Morgen legt sich schwer und regnerisch über Po’u und unterscheidet sich damit praktisch nicht von all den anderen Tagen zuvor. Einen Unterschied gibt es allerdings jedoch schon: Fran ist nicht allein in ihrem Bett! Als sie schwerfällig die Augen öffnet, merkt sie wie verkrampft ihr ganzer Körper doch ist und das außer ihr noch jemand in dem schmalen Bett liegt. Zuerst denkt sie geistesabwesend an einen der Rüpel, die sich gern mal in ihr oder Bromley’s Bett kuscheln, wenn sie einen Alptraum hatten oder einfach jemanden zum Reden brauchen. Doch für gewöhnlich passiert das bei ihr nur sehr selten und auch nur dann, wenn Bromley nicht da ist oder in seinem großen Bett doch tatsächlich mal kein Platz mehr sein sollte. Allerdings kommt es ihr jetzt irgendwie nicht so vor. Ungelenk gelingt es ihr, sich in den starken Armen, die sie halten, herumzudrehen. Du wirst für mich da sein, Denn ich bin auch für dich da Mit einem Schreck stellt sie fest, dass es sich bei der Person neben ihr um Bromley höchstpersönlich handelt. Schlagartig fällt ihr wieder alles ein. Wie er betrunken des nachts in ihr Zimmer kam und sie geredet haben und all das andere. Der großgewachsene Mann hält sie noch immer liebevoll in den Armen und drückt sie an seine Brust, als wären sie ein frisch verliebtes Pärchen. Moment mal! Liebe?! Auf einmal fällt ihr wieder ein, was der Käfer-Trainer zu ihr gesagt hat und ihr Herz setzt ein paar Schläge aus, nur um dann mit doppeltem Tempo los zu rennen. Ruckartig versucht sie sich aus seiner Umklammerung zu befreien, doch es will ihr nicht gelingen. Er hält sie so vehement fest, als würde er fürchten, sie sonst fallen zu lassen. Etwas ungehalten schlägt sie ihm mit der Faust auf die Brust. „Bromley, lass mich los, verdammt!“ Du wirst für mich da sein! Daraufhin kommt ein wenig Bewegung in den Weißhaarigen. „Noch fünf Minuten...“, nuschelt er verschlafen und macht keine Anstalten von ihr abzulassen. „Mit Sicherheit nicht! Wach endlich auf!“, kommt es nun ungehalten von ihr. Unwillig öffnet er nun doch die Augen und sieht sie an, jedoch ohne etwas zu sehen. „Was is‘?“, fragt er mit belegter Stimme. „Lass mich los!“ Bromley gähnt herzhaft und löst den Griff um sie, mehr aus Reflex, als bewusst. Etwas ruppig entfernt sich Fran von ihm, setzt sich auf und zieht die Decke hoch, damit er sie nicht doch noch in Unterwäsche sieht. „Und nun raus aus meinem Zimmer!“, fährt sie ihn dann an. Es dauert einen ganzen Moment, ehe er merkt, was hier falsch ist. Als er sie schließlich anschaut, kommt ihm auf einmal die Erkenntnis. „Franny?“, fragt er überfordert mit heftig pochenden Kopfschmerzen und setzt sich dann schwerfällig hin. „Ja, um Himmels willen und jetzt raus hier!“ Verwirrt blickt er sie an. Plötzlich nimmt sein Gesicht einen betroffenen Ausdruck an. „Is‘ alles in Ordnung? Ich mein‘, ich hab‘ dir doch nich‘ irgendwie weh getan, oder?“, fragt er sie sichtlich mitgenommen. Sein Anblick bringt sie dazu, wieder etwas ruhiger zu werden, sie weiß selbst nicht so genau, warum. Doch der großgewachsene Mann neben ihr scheint sich wirklich ernsthaft Sorgen zu machen, etwas Falsches getan zu haben, ohne sich daran erinnern zu können. „Nein, es ist alles in Ordnung. Mir geht es gut und du hast nichts gemacht. Erinnerst du dich an deinen Kampf gegen Sun gestern?“ Eine ganze Weile scheint der Angesprochene darüber nachzudenken, dann nickt er niedergeschlagen. „Danach hast du dich betrunken und bist dann nachts in mein Zimmer gestolpert. Ich habe dich hier schlafen lassen und wir haben etwas darüber geredet, weiter nichts.“, berichtet sie möglichst neutral. Er mustert sie eingehend. „Das is‘ alles, ehrlich? – Na gut. Ich wollt‘ dich nich‘ belästigen, wenn’s vielleicht so rüber gekomm‘ is‘. – Aber danke, dass ich hier penn‘ durfte und du mir zugehört hast.“, gibt er demütig zurück. Das Ganze scheint ihn immer noch etwas mitzunehmen, geht es Fran durch den Kopf, andernfalls würde er nicht so mit ihr reden. „Ach, schon gut. Der Bengel ist doch auch echt eine Plage, also halb so wild.“, sie bringt ein Lächeln zu Stande. Nachdenklich sitzt der Ältere neben ihr und sie lässt ihn noch etwas gewähren. Irgendwann wirft er dann einen Blick auf den Wecker, der auf ihrem Nachttisch steht. Ungläubig nimmt er das kleine Gerät in die Hand und starrt es an, als hätte er es zuvor noch nie gesehen. Dann entgleiten ihm alle Gesichtszüge. „Oh fuck! Is‘ es wirklich schon so spät?“ „Ja, sieht so aus...“, entgegnet sie ihm mit hochgezogener Augenbraue, versteht sie doch seine plötzliche Aufregung nicht. „Scheiße! Muss mich beeilen! Samantha bringt mich um, wenn ich zu spät komm‘!“, bringt er hervor, wirft ihr dann den Wecker zu und springt hektisch aus dem Bett, als wären die Nachwirkungen der letzten Nacht plötzlich nicht mehr da. Weder die Trauer, die Wut, noch die Kopfschmerzen. „Wart‘ nich‘ auf mich!“, ruft er ihr von der Tür noch zu und schon ist er verschwunden. „Nein, mache ich ganz sicher nicht...“, flüstert Fran mehr zu sich selbst. Dann umklammert sie wütend den Wecker und wirft ihn mit voller Wucht gegen die Wand neben der Tür. Gerade noch hatte sie sich über seine Liebesbekundung gefreut – irgendwie unterbewusst zumindest – und jetzt redet er schon wieder von dieser dämlichen Kuh, als wäre nichts gewesen. Als hätte es diese schönen Worte von ihm gar nicht gegeben, sie doch nur ein Produkt seiner Trunksucht gewesen. Und wohlmöglich waren sie nur ein Ausdruck seiner Verzweiflung in seinem betrunkenen Zustand und sowieso nicht so ernst gemeint, wie sie in ihren Ohren geklungen haben... „Blödes Arschloch!“, flüstert sie und kämpft gegen neuerliche Tränen an. Empfindet sie vielleicht wirklich so viel für ihn und will es einfach nur nicht wahrhaben, da sie keine Zukunft mit ihm sieht, solange Samantha da ist? Die Möglichkeit will sie nach dieser Nacht gar nicht mehr ausschließen, dennoch wünscht sie sich, sie könnte es, damit es nicht so wehtut, ihn zu ihr gehen zu lassen. „Irgendwann zahle ich dir das heim, da blondes Miststück!“, knurrt sie in sich hinein. Kurz darauf steht sie auf, zieht sich etwas an und scheucht dann die Rüpel aus den Betten. Vielleicht gelingt es ihr, sich etwas zu beruhigen, wenn sie die Jungs und Mädels mal wieder ordentlich rumkommandieren kann? Zumindest wird es sie eine Zeit lang auf andere Gedanken bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)