Trouble in China von Eris_the-discord ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Was hat es eigentlich mit diesen roten Umschlägen auf sich?“ Sein Nebenmann zuckte desinteressiert mit den Schultern, während ein flüchtiger Blick die kleine Truhe traf, die auf einem länglichen Tisch, direkt am Eingang des Festsaals thronte. Eine von Rays hinreißenden Cousinen, ließ gerade ein weiteres knallrotes Couvert durch den Schlitz darin verschwinden. Maxs Blick heftete sich auf ihre schlanke Taille. Er liebte Wespentaillen. Ray hätte ihm ruhig einmal sagen können, dass es in seiner Verwandtschaft nur so von heißen Fegern wimmelte, dann hätte er ihn viel häufiger in China besucht. Da holte ihn Tysons Stimme wieder ins Diesseits zurück. „Bestimmt für Grußkarten.“, vermutete der teilnahmslos. Während Max nicht den Blick von der exotischen Schönheit am Eingang abwenden konnte, hatte sein Kumpel mal wieder nur Augen fürs Buffet. Bereits bei ihrer Ankunft leckte Tyson sich über die Lippen, als ihm der Duft von gebratenem Rind, Fisch und Nudeln in die Nase stieg. Glücklicherweise war noch einiges übrig und das obwohl ihre Gruppe, mit reichlicher Verspätung bei der Hochzeitslocation eintraf. Eigentlich hätte Max es ahnen müssen. Mit Tyson zu Verreisen hieß zwangsläufig dass es verrückt zuging, denn bei aller Freundschaft, dieser Kerl war der größte Chaot den die Welt je zutage befördert hatte! Nichtsdestotrotz griff sein bester Kumpel neben ihm nun gutgelaunt zu einer Sauciere, um sich eine großzügige Ladung ihres Inhalts über sein Rindfleischfilet zu gießen. Dagegen horchte Max bei dessen Antwort auf. „Hattest du eine Karte?“, wollte er von Tyson wissen. „Jepp.“ „Wie jetzt?! Warum sagst du mir das nicht?“ „Bleib locker. Ich habe im Namen von uns allen unterschrieben.“ „Puh! Schwein gehabt…“, Max griff gutgelaunt nach einer der Kellen am Buffet. Außer ihnen stand kaum noch jemand beim Essen an, nur ein Onkel von Ray, der kein Wort von ihrem japanischen Kauderwelsch verstand. Der kleine alte Herr wollte zunächst in seiner Muttersprache ein Gespräch mit Max beginnen, bis der ihm mit Händen und Füßen erklärte, dass er aus den USA stammte und kein chinesisch konnte. Von da an grüßte das ulkige Großväterchen ihn nur noch mit „Howdy Cowboy!“, wann immer sie sich über den Weg liefen. Klischees existierten eben überall… „Wie sieht die Karte ungefähr aus?“, fragte Max inzwischen. Nicht das das Thema vor Ray aufkam und er in ein Fettnäpfchen trat. Sein Blick schweifte über das nächste Gericht. Gleichzeitig versuchte er auszumachen, was in dieser merkwürdig riechenden Paste vor ihm schwamm. Um ehrlich zu sein war Max kein Freund der chinesischen Küche, auch wenn Ray seit Jahren versuchte seine Meinung darüber zu ändern. Witziger weise gingen alle davon aus, dass der einen hervorragenden kulinarischen Geschmack haben musste, nur weil er Chinese war. Die traurige Wahrheit war aber, dass sie während ihrer Bladerzeit nicht abgenommen hätten, wäre Ray tatsächlich ein guter Koch. Er hielt sich zwar für einen, aber was er da manchmal fabrizierte, glich einer Vergewaltigung aller Zutaten. Wenn es schon asiatisch sein musste, blieb Max dann doch lieber bei der guten alten Nudelsuppe. Da gluckste Tyson neben ihm schon begeistert los. „Die Karte ist echt witzig! Auf der Vorderseite ist ein Marineschiff abgebildet. Und darüber der Spruch – Von wegen Ehehafen. Nicht wenn deine Frau ein Kriegsschiff ist! Und wenn du die Karte aufklappst, geht das Schiff mit einer weißen Flagge unter.“ Tyson prustete allein bei dem Gedanken los. Seine restlichen Begleiter dagegen nicht. Max hätte schwören können, Kai vor ihnen entnervt mit den Augen rollen zu sehen. Ihm selbst fiel nichts Geistreicheres außer einem langgezogenem „Ääääähm…“ ein. Vor seinem geistigen Auge, sah er schon die Braut mit bebenden Nüstern und bauschendem Rock auf sich zurasen, wie eine kleine wütende Dampflokomotive. Gleich darauf tat sich aber ein weitaus größeres Fettnäpfchen auf. „In den Umschlag kommt Geld.“, erklärte Kai knapp. Wie auf Kommando schnellten ihre Köpfe zum Dritten im Bunde, der sich wenige Schritte von ihnen entfernt, schon etwas vom Hauptgericht auf den Teller tat. „Was?!“, kam es unisono. Kai machte sich nicht einmal die Mühe zu ihnen zu schauen, stattdessen sprach er in seiner üblichen Überheblichkeit: „Der Umschlag nennt sich Hong Bao und ist für Geldgeschenke gedacht.“ Und schon schnatternden beide gleichzeitig los. „Wieso sagst du das erst jetzt?!“ „Und meine tolle Karte?“ „Vergiss die Karte! Ray hat nie gesagt das er ein Geldgeschenk will!“ „Weil es hierzulande selbstverständlich ist, das Brautpaar ein wenig mit den Kosten für die Feier zu unterstützen. Deshalb die Umschläge. Der Inhalt orientiert sich für gewöhnlich an den durchschnittlichen Ausgaben pro Person. Hängt natürlich davon ab, wie nah man dem Brautpaar steht oder ob man zur Familie gehört.“, sprach Kai. „Na toll. Umsonst nach einem Geschenk gesucht…“ „Das darfst du ihm trotzdem noch geben, Max. Dort drüben auf dem Tisch stehen doch auch ein paar Päckchen.“, verdrehte Kai wieder die Augen. Wieso musste er das ständig machen? Man kam sich dann immer wie ein Neandertaler vor. Allerdings ließen seine Worte Max auch beruhigt ausatmen. Bis diese kleine blöde Randbemerkung folgte: „So lange es keine Messer oder Uhren sind.“ „Es sind Uhren!“, jaulte Max verzweifelt auf. Und endlich schaute Kai ihn einmal an. Mit erhobener Braue. „Oh.“ „Ist das alles was du zu sagen hast?“ „Oh, dumm gelaufen?“, fügte er gelangweilt hinzu. „Na danke auch! Warum darf man dem Brautpaar keine Uhren schenken?“ „Weil es in der chinesischen Kultur in diesem Fall für den Tod steht.“ „Hättest du mir das nicht sagen können, bevor ich in den nächsten Fossil Shop gerannt bin?“ „Und das mit dem Hongi Dongi Umschlang auch!“, fügte Tyson ebenso vorwurfsvoll hinzu. „Ich habe ewig nach einer witzigen Karte gesucht! Alle anderen waren so süßlich, dass ich allein vom Durchlesen einen Zuckerschock bekommen habe!“ „Ein Zuckerschock würde einiges erklären…“, murmelte Kai vor sich her. „Was war das?“ „Nichts.“ Mit den Jahren schien ihr ehemaliger Teamleader den ständigen Debatten überdrüssig geworden zu sein. Anscheinend überkam ihn mit zunehmenden Alter die Erkenntnis, dass man gegen Tysons Wahnsinn nicht ankam. Zumindest gab Kai schneller nach als früher und ging angehenden Streitereien entschieden aus dem weg. Jedenfalls versuchte er es… „Hey, ich habe dir eine Frage gestellt!“, stupste Tyson ihm fordernd in den Rücken. Das würde er so lange machen, bis er wieder Mal seinen Willen bekam. „Wieso verheimlichst du uns sowas? Das ist nicht gerade Fairplay, wenn du uns so auflaufen lässt!“ „Lass mich einfach in Ruhe...“ „Was hatten wir abgemacht? Keine Trauermiene auf Rays Hochzeit!“ „Dann nerv mich nicht!“ „Erst wenn ich eine Erklärung bekomme! Warum hast du nichts gesagt?“ Anstelle zu antworten, tat Kai erst einmal einen ausgiebigen Atemzug. Das schien inzwischen seine bewährte Lösung zu sein, um dem Impuls zu widerstehen, seinen Adoptivkindern den Hals umzudrehen. Tyson witzelte manchmal, dass er diese Methode bestimmt aus einem Heft für werdende Mütter hatte. „Wie alt seid ihr nochmal?“, fragte Kai inzwischen. Und schon ging die Diskussion wieder los… „Sechsundzwanzig.“, kam es gleichzeitig. „Da habt ihr eure Antwort! Ihr seid alt genug um euch selbst um so etwas zu kümmern.“ „Wie hätten wir das wissen sollen?“, kam es von Tyson. Es ließ Kai aber nur schnauben. „Es gibt da so eine Erfindung die nennt sich Internet.“ „Jetzt lass doch mal den Sarkasmus..“ „Dann lass du diesen schmollenden Unterton, Max! Der Einzige der hier einen Grund hat zu schmollen bin ich! Ich bin immer derjenige der sich informiert - Ihr beiden dagegen nie!“ „So ist das doch gar nicht.“ „Und ob! Ihr verlasst euch ständig auf mich.“ „Weil du unser Alphatier bist! High Five darauf!“ Anstatt einzuschlagen blickte Kai finster auf Maxs entgegengestreckte Hand. Es verging ein peinlich zäher Moment, bis er sie wieder sinken ließ. „Uncool Bro…“, schnalzte Max tadelnd mit der Zunge. Es gab für ihn nichts Schlimmeres als einen Bruder, bei einem High Five im Stich zu lassen. Doch alles was Kai dazu zu sagen hatte war: „Wann habe ich eigentlich eine Kindertagesstätte für Chaoten mit Peter Pan Syndrom eröffnet?“ „Autsch! Und da soll ich nicht schmollen?!“ „Seit Beginn der Reise treibt ihr mich in den Wahnsinn. Ich habe während dem Flug gehofft, dass der Flieger in einen Berg kracht!“ Nun rollte Tyson ausnahmsweise mit den Augen. Er piekte sich am Buffet ein weiteres Fleischstück heraus. Offenbar als Beilage für sein anderes Fleischstück. Manche Leute behaupteten Asiaten würden viel Gemüse essen. Seit Max Tyson kannte, hielt er diese Leute für naive Idioten. „Ach komm, so schlimm sind wir auch nicht…“, spielte der Kais Worte herunter. „Nein, ihr seid noch viel schlimmer! Du hast vor deinem Abflug deinen Pass verlegt, weshalb wir fast unseren Flieger verpasst hätten. Nicht einmal dein Koffer war gepackt!“ „Das nennt sich verschlafen…“ „Das nennt sich dämlich! Sowas erledigt man den Tag davor. Und Max hatte im Handgepäck zwei Gläser Mayonnaise und wollte sie nicht wegwerfen, was zu einer riesen Debatte beim Abtasten geführt hat.“ „Warum sollte ich die auch wegwerfen?!“, empörte der sich nun auch. „Flüssigkeiten sind im Handgepäck nicht erlaubt! Verdammt Max, das weiß man doch!“ „Mayonnaise ist cremig! Nicht flüssig. Punkt.“ „Das sah das Flughafenpersonal aber anders…“ „Ich werfe doch keine ungeöffneten Gläser intakter Mayonnaise fort!“ „Wieso hattest du die dann überhaupt dabei?“ „Mayonnaise schmeckt überall anders! Was ist, wenn sie in China irgend so eine eklige Zutat dazu mischen, wie Datteln, Pfifferlinge oder panierte Heuschrecken!“ „So ein Blödsinn! Und wieso musste es ins Handgepäck?!“ „Äh, hallo? Das nennt sich kleiner Snack für Zwischendurch! Ich will doch nicht darauf warten, bis ich meinen Koffer zurück habe, um mir meine Dampfnudeln mit Mayo zu gönnen!“ „Mayonnaise mit Pfifferlingen ist ekelhaft, aber mit Dampfnudeln geht Ordnung? Du bist krank…“ „Das schmeckt saugeil!“, schnaubte Max fassungslos. Er war ja nicht streitsüchtig, aber manche Dinge waren eben auch ihm heilig. Niemand stellte sich zwischen ihm und seiner Mayonnaise, nicht einmal der perfekte Kai Hiwatari. Jedem seine eigene Religion. Der schnalzte inzwischen. „Na, wie auch immer. Ihr beide habt mich die letzten Tage einige Nerven gekostet. Und dann verlauft ihr Chaoten euch auch noch nach der Landung am Flughafen.“ „Wir wollten nur einen Kaffee holen.“, kam es im Chor. „Auf der Damentoilette?!“ „Die Leute standen dort alle Schlange.“, erklärte Tyson. „Weil sie aufs Klo mussten! Ist euch nicht aufgefallen, dass dort nur Frauen standen?!“ Okay, vielleicht waren sie wirklich ein wenig anstrengend… Max sah Kais düsteren Blick und pfiff unschuldig vor sich her, während er so tat, als würde er den Blattspinat am Büffet hochinteressant finden. Im Gegensatz zu Tyson besaß er doch etwas mehr Schamgefühl und konnte derlei Dinge, nicht immer mit einem lässigen Spruch abtun. Und der Vorfall in der Damentoilette war ihm definitiv noch peinlich. Offenbar nahm man die Geschlechtertrennung auf dem Örtlichen, in China verdammt ernst, denn sie wurden kurz darauf mit Handschellen abgeführt, ganz zu Schweigen davon, dass Max jetzt noch die Ohren klingelten, wenn er an das spitze Gekreische der Frauen dort drinnen dachte. Da brummte Kai auch schon vor sich her: „Wegen so etwas bescheuertem ist wohl noch niemand vom Flughafenpersonal aufgegriffen worden.“ „Ja. Das war schon ein Abenteuer.“, gluckste Tyson. Es war wirklich beneidenswert wie schamlos er solche Vorfälle immer wegsteckte. Nachdem die Security sie in der Damentoilette aufgabelte, saß Tyson nur lässig im Verhörraum und machte lauthals Witze darüber, dass die Drogen glücklicherweise in Maxs Hintern versteckt seien. Ihm hatte es förmlich den Schließmuskel zugezogen, als der Mann am Schreibtisch ihn argwöhnisch beäugte und ein Satz Einweghandschuhe überzog. Womöglich hatte Kai doch allen Grund um angesäuert zu sein, immerhin musste er die letzten Stunden einiges mitmachen. „Ja. Echt witzig!“, fauchte er inzwischen. „Vor allem die Durchsage am Airport, ich möge mich bei der Security einfinden, um eure Identität zu bezeugen. Die haben mich bei meiner Ankunft wie einen Schwerverbrecher gefilzt!“ „Stimmt, jetzt wo du es sagst? Hätte nicht gedacht das du wirklich auftauchst.“, meinte Tyson erstaunt. Wieder ein Augenrollen von Kai. Er musste wirklich mal damit aufhören, sonst würden ihm eines Tages die Augäpfel in dieser Position stecken bleiben. Vielleicht wäre es auch hilfreich, wenn sie ihm nicht ständig die Vorlage dafür bieten würden. „Ich hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt euch dort zu lassen!“, knurrte Kai bissig über seine Schulter hinweg, während er sich etwas Reis auf den Teller tat. „Das war das peinlichste Erlebnis meines Lebens.“ Das erklärte wohl auch, weshalb er mit Sonnenbrille und Mütze bei der Security auftauchte. „Okay, okay! Schon verstanden.“, tat Tyson eine achtlose Bewegung mit einem Spieß, an dem ein weiteres Stück Fleisch baumelte. Das wanderte anschließend als Fleischbeilage, für die vorherige Fleischbeilage, auf seinen Teller. Tyson hatte ja schon angekündigt er würde heute Abend eine Kuh verdrücken, doch Max nahm an, das sei nur metaphorisch gemeint. Auf seinem Teller war kein einziges Stück Gemüse. Nicht einmal eine winzige Cocktailtomate. Ungeachtet dessen verkündete Tyson: „Wir haben deine Nerven ganz schön überstrapaziert. Eines Tages wirst du aber darauf zurückschauen und herzhaft darüber lachen können.“ Kai drehte sich mit ungläubigem Blick zu ihnen um, öffnete den Mund zur Widerrede, bis er Tysons Teller erblickte. „Etwa so wie du? Wenn dein Arzt dir irgendwann zum dreifachen Bypass rät? Wie viel Fleisch willst du dir eigentlich noch aufladen?!“ Das schien ihm bisher noch gar nicht aufgefallen zu sein. Es kam nicht oft vor, dass man Kai erstaunt sah, doch bei dem Fleischberg auf Tysons Teller, machte selbst er große Augen. „Ich bin noch in der Wachstumsphase.“, erklärte der nun voller Inbrunst. Max und Kai tauschten vielsagende Blicke aus. Dazwischen Tyson mit seinem gigantischen Fleischturm. „Willst du in die Höhe wachsen? Denn wenn dir in die Seite reicht, dann…“, begann Max. „Klappe, Brutus! Fall mir hier nicht in den Rücken!“ Tysons Religion war offensichtlich Fleisch, denn was das betraf, ließ er mit sich genauso wenig reden, wie Max mit seiner Mayonnaise. Keine Diskussion. Keine Kompromisse. Stattdessen sprach er: „Machen wir doch jetzt endlich das Beste aus diesem Abend. Also hör auf zu schmollen Kai. Und vielleicht sollten wir uns nach dem Essen noch überlegen, wie wir meine Karte zurückbekommen.“ Selbstverständlich hätten sie das auch sofort machen können, doch Tysons Gehirn war im Fleischmodus, sodass er gerade nur daran denken konnte, seinen Teller bis zur Sauce leer zu lecken. Erst danach war er wieder handlungsfähig. Mit einem riesigen Heißhunger in den Augen, schielte er noch auf einige Fleischbällchen, die an einer anderen Ecke des Buffets, in einem Topf vor sich her dampften. „Könnte etwas peinlich werden, wenn Ray unsere Karte aufschlägt und keine Scheinchen darin vorfindet.“, kam es geistesabwesend. „Also fischen wir sie nachher lieber nochmal aus der Box und tun etwas Cash hinein.“ „Du meinst diese Karte?!“, fauchte Kai gereizt und zog besagtes Stück aus seiner Sakkotasche hervor. Auf der Vorderseite prangte tatsächlich das Marineschiff, mit den abschussbereiten Kanonen. „Ah, da ist sie ja schon.“, bemerkte Tyson halbherzig. „Wann hast du die denn geklaut?“ „Gleich nachdem du sie in die Box geworfen hast. Glaubst du wirklich ich lasse dich, in unserem Namen, eine Karte aussuchen? Niemals! Und danke übrigens für diese Aktion. Rays Verwandtschaft hat mich angestarrt, als wolle ich ihn beklauen.“ „Hast du gut gemacht. Klär noch das mit dem Geld, dann sind wir fein raus.“ „Oh, selbstverständlich der Herr! Sonst noch etwas was ich machen soll? Vielleicht noch ein Präsentkorb mit Wein und Mailänder Salami dazu?“ „Klingt cool. Kriegst du das noch hin?“ „Nein, verdammt! Ich will damit sagen, dass ich nicht dein Sklave bin!“ „Ich sehe dich eigentlich mehr als meinen persönlichen Assistent. Du regelst schließlich alle meine wichtigen Geschäfte. Da kommt man sich echt wichtig vor.“ „Das ist jetzt nicht dein ernst, oder?“ „Du machst ja auch meine Steuererklärung. Antwort genug?“ Kais Braue zuckte. Genau wie sein linkes Auge. Es war wohl der Moment, indem ihm die Sicherung durchbrannte. Max wartete auf ein alarmierendes Nasenbluten, doch es blieb glücklicherweise aus. Wenn Tyson aber so weitermachte, würde er der Grund sein, weshalb Kai mit siebenundzwanzig Jahren einen Hirnschlag bekam. Der schielte aber nur zu den Fleischbällchen und rief begeistert aus: „Ist das nicht toll wenn sich alle Probleme von alleine regeln? Ich finde jeder Mensch braucht einen Kai!“ Und schon schien die Welt in Ordnung… Mit fliegenden Schritten eilte Tyson zurück zu ihrem Tisch, während er beim Vorbeigehen noch einmal seine Gabel in eines der Fleischbällchen rammte und es auch auf seinen Teller tat. Das war dann wohl die Kirsche auf dem Fleischhäubchen. Die Bewegung kam so rasch, dass man ihn schon genauer beobachten musste, um es noch mitzubekommen. Das hatte schon etwas von einem Ninja. Als Max zu Kai schielte, massierte der sich gerade mit geschlossenen Augen über die Nasenwurzel und tat einige tiefe Atemzüge. Armer Kerl. Tyson hatte ihn in den letzten Jahren wirklich mürbe bekommen. Der bedauernswerte Anblick ließ ihn mehrmals schnalzen. „Weißt du, Kai? Ich will jetzt nicht in der Wunde bohren, aber du hast deinen Biss verloren.“ „Mach du diesen Wahnsinn vierzehn Jahre mit…“ „Ja. Das hat schon was von einem alten Ehepaar was ihr beiden da treibt. Aber hey, hinter jedem Wahnsinnigen steckt eine starke Frau, die den Wahnsinn aufräumen muss.“ Als Antwort haute Kai ihm die Karte um die Ohren. * „Ich Amerikaner.“, gestikulierte Max, während die exotische Schönheit vor ihm, sich genauso angetrunken über den Tisch beugte und entzückt kicherte. Sie knabberte auf dem Strohhalm ihres Drinks herum und das sehr langsam. Ihre Lippen waren das reinste Kunstwerk. Knallrot und verführerisch prangten sie in ihrem Gesicht. Max musste ständig darauf schauen. Durch die aufgedrehte Bassanlage war er glücklicherweise gezwungen, näher heranzukommen und da sie nur die Hälfte begriff, was er da auf Englisch von sich gab, war eine intellektuelle Konversation zweitrangig. Theoretisch könnte er ihr erzählen, dass man mit Gabeln gefahrlos in einer Steckdose stochern durfte, sie würde wohl nur bezaubernd lächeln und nicken. Max hätte gerne ihre Handynummer. Eigentlich sogar noch mehr, doch es lag nicht in seiner Absicht, Rays Familienehre heute Abend zu besudeln, vor allem nicht auf dessen Hochzeitsfeier. Doch gegen etwas Fummeln im Garderobeschrank, mit einigen heftigen Küssen, ließ sich bestimmt nichts einwenden. Das schien Ray jedoch anders zu sehen… Denn kurz darauf legte sich dessen Arm auf seine Schulter und durch seinen verklärten Blick, erkannte Max die spöttisch erhobene Augenbraue des Bräutigams neben sich. „Wir haben also meine Cousine kennengelernt?“ „Jepp.“, ein Hicksen kam aus seinem Mund. „Reizende Frau.“ „Ja, das ist sie. Und du hast genug getrunken, Kumpel.“, mit einem nachsichtigen Lächeln schob Ray das Glas auf die andere Seite der Tischplatte, während Max im Gedanken nachzählte, wie viel Wahrheitsgehalt hinter dessen Worten steckte. Vor einer Stunde hatte sich die Truppe allmählich zerstreut. Zuvor saßen sie aber alle noch beisammen mit dem Brautpaar am Tisch, während sie über alte Zeiten witzelten und der Alkohol nur so in Strömen floss. Das ging bis in die frühen Morgenstunden. Eventuell war ihm dabei das eine oder andere Glas entgangen. Irgendwann wusste er gar nicht mehr, was er da überhaupt noch trank. Auf einmal tauschte Ray ein paar chinesische Sätze mit seiner Cousine aus, die daraufhin aufsprang, ihre karmesinrote Clutch packte und von dannen stöckelte. „Hee!“, machte Max empört, während er sehnsüchtig der Wespentaille nachschaute. „Was hast du zu ihr gesagt?“ „Das du Trump gewählt hast…“ „Stimmt doch gar nicht!“ „Ich weiß. Finger weg von meiner Verwandtschaft!“ Zum zweiten Mal an diesem Abend bekam er eine gescheuert. Dieses Mal traf es seinen Hinterkopf. Er rieb sich grummelnd über die Stelle, während Ray einen Barhocker näher heranrückte und neben ihm Platz nahm. Seine Krawatte saß lockerer als am Anfang der Feier und den Augenringen nach zu urteilen, war es ein langer Tag für ihn gewesen. Die Location begann sich allmählich zu leeren. Wahrscheinlich würde das Brautpaar bald das eheliche Badabingbang einläuten. Oder einfach nur in voller Montur schnarchend auf dem Bett einpennen… „Tut mir Leid das wir vorhin von unserem Tisch aufstehen mussten, aber die ersten Gäste sind gegangen. Da müssen wir ihnen natürlich Auf Wiedersehen sagen.“ „Das kannst du wiedergutmachen wenn du mir ihre Nummer besorgst.“, forderte Max und zielte ungeniert mit dem Zeigefinger auf die begehrte Cousine. Bis ihm auffiel, dass es gar nicht die exotische Schönheit war, sondern Mariahs Großmutter, die nur zufälligerweise ein Kleid in derselben Farbe trug und mit ihrer Gehhilfe zum Ausgang humpelte. Ray blickte mit erhobener Braue auf Maxs vermeintliche Herzdame und sprach: „Wenn ihr bei eurem ersten Date auf feste Nahrung verzichtet, könnte daraus sogar was werden.“ „Die Cousine! Der Engel mit der Wespentaille, Ray!“ „Und wie stellst du dir das vor? Eine Fernbeziehung?“ „Mit den Vielfliegermeilen klappt das schon. Liebe kennt keine Grenzen!“ „Klar. Vor allem wenn das einzige chinesische Wort das du kennst Toilette ist.“ „Na, immerhin! Will ihr ja nicht in die Wohnung pinkeln…“ „Und wann immer ihr ein Date habt fliegst du dann nach China?“ „Vielleicht macht die Technologie in den nächsten Jahren einen Sprung und das Teleportieren wird erfunden. Oder ich fange ein Pokémon das das kann. Darüber mache ich mir aber Gedanken wenn es soweit ist.“ Maxs Finger tippelten sich langsam auf der Tischplatte voran, um ungeschickt nach dem Glas zu grabschen, doch sobald er es erreichte, stellte Ray es gezielt ein Stück weiter weg. „Tyson und Kai haben sich verabschiedet. Sobald du nachhause willst, gib einfach Bescheid. Mein Onkel fährt dich dann zum Hotel.“ „Ich weiß. Die beiden haben mich gefragt ob ich wirklich nicht mitkommen möchte.“ „Und du wolltest nicht, weil…?“ „Wegen der schönen Cousine die du mit deiner üblen Nachrede vergrault hast.“ „Falls es dich tröstet, sie ernährt sich streng vegan. Eine Ehe mit ihr bedeutet also Mayonnaise ohne Eier für dich.“ „Oh mein Gott! Wie bekloppt ist die denn?!“, Max riss die Augen panisch auf und legte seine Hand dankbar auf Rays Schulter. „Du bist ein wahrer Freund! Hast was gut bei mir…“ Dann grapschte er nach dem Glas, doch irgendwie entschwand es wieder seinen Fingern. „Nicht nur das habe ich gut bei dir.“, kommentierte Ray trocken. „Jedenfalls wollte ich noch einmal Danke sagen, dass ihr extra für meine Hochzeit angereist seid. Ohne euch wäre es nicht so toll geworden.“ „Ach, kein Ding. Das hätten wir uns niemals entgehen lassen. Unser Blutsbruder kommt unter die Haube. Und deine Mao sieht aus wie aus einem Brautmodekatalog entsprungen. Hast einen super Fang gemacht…“ „Danke. Ihr seid tolle Freunde.“, ihm wurde anerkennend auf den Rücken geklopft. Das Ergebnis war ein weiteres Hicksen und dass Max ein wenig auf seinem Stuhl ins Straucheln geriet. Ray stützte ihn am Tisch ab und nach einem lauten Gähnen, sprach Max: „Gott sei Dank hast du die Karte nicht gelesen. Sonst würdest du anders über uns denken.“ „Welche Karte?“ „Vergiss es. Frag Kai…“, er dachte nochmal nach. „Obwohl, frag ihn nicht. Er war am Anfang der Feier nicht so gut auf uns zu sprechen.“ „Klingt nach einer Vorgeschichte.“ „Du hast ja keine Ahnung!“, Max griff sich stöhnend an die Stirn. „Da denkt man mit den besten Kumpels zu verreisen wird witzig, stattdessen landet man mitten in einem Rosenkrieg. Manchmal habe ich das Gefühl, die beiden sind länger verheiratet, als du und Mao. Wenn die jemals schwul werden, singe ich Halleluja!“ Es ließ Ray lauthals lachen. „Unser altes Ehepaar ist also wieder auf Kriegsfuß?“ „Na was glaubst du warum ich dieses Glas brauche?! Ich muss aber noch herausfinden, wer von den beiden in dieser skurrilen Beziehung die Hosen anhat. Und warum das Glas immer verschwindet… Wo ist es denn jetzt wieder hin?“ Max schaute sich verwundert um, während Ray ein unschuldiges Pfeifen von sich gab, bis er ihn mit seiner Frage ablenkte: „Ich dachte Tyson hätte Kai endlich mürbe bekommen?“ „Hat er auch. Er ist schon gnädiger gestimmt. Manchmal bricht aber doch noch der Sturkopf bei ihm durch. Vorhin am Buffet gab es wieder eine riesen Diskussion. Hat uns vorgehalten das wir die ganze Verantwortung immer auf ihn abschieben.“ „Nimm mir das nicht übel, aber meiner Erfahrung nach…“ „Wenn du weiterredest, zeige ich dir gleich, wie eine Hochzeitsfeier in den USA endet! Die Sauerei willst du nicht wegwischen, Bro!“, drohte Max ihm mit erhobenem Zeigefinger. Auch wenn sein Zeigefinger nicht genau wusste, auf welchen der beiden Bräutigame er gerade deuten sollte. Es wäre wirklich hilfreich, wenn Ray endlich mal seine Konturen etwas schärfen könnte. Der rollte inzwischen schmunzelnd mit den Augen. Er und Kai könnten Zwillinge sein was das betraf. „Also ihr drückt die Verantwortung nicht auf Kai ab?“ Max war viel zu betrunken um den Sarkasmus herauszuhören. „Logisch tun wir das! Aber Kai soll sich mal endlich mit seiner Rolle abfinden. Ich bin der nette Sunnyboy. Tyson der wahnsinnige Wissenschaftler der seinen Handlanger braucht. Irgendwer muss doch die Drecksarbeit machen. Und Kenny konnte ja nicht mitfliegen…“ Er hörte ein amüsiertes Glucksen von Ray. „Hat etwas von der Widerspenstigen Zähmung.“ „Und wie! Petruchio könnte sich von Tyson noch einigen Irrsinn abschauen. Der hätte seine hochnäsige Katherina zum Frühstück vernascht. Bin wegen diesem Chaot am Flughafen aufgegriffen worden, weil ich ihm in die Damentoilette gefolgt bin.“ „Ja, Kai hatte so etwas erwähnt...“ „Tyson meinte er wisse den Weg. Immer dort anstehen, wo viele Leute sind, hat er gemeint. Da gibt es was zu kaufen, hat er gemeint. Ich wusste ich hätte nicht auf ihn hören sollen. Die Mädels haben uns schon beim Anstehen schräg angeglotzt.“ „Du weißt aber schon, dass du nicht immer tun musst, was dieser Spinner dir vorschlägt?“ „Ich weiß, ich weiß…“, seufzte Max bedauernd. Sein Kopf fühlte sich furchtbar schwer an, also legte er ihn einen Moment auf der Tischplatte ab. So langsam überkam ihn wirklich die Müdigkeit. „Tyson verkauft seine Einfälle aber immer so gut. Ich bin ja froh dass er kein Staubsaugerverkäufer ist, sonst hätte ich zehn davon.“ Einmal mehr bemerkte Max das Glas in seinem Sichtfeld und begab sich mit seinen Fingern wieder auf Wanderung. Doch sobald er es erreichte, verschwand es auf magische Weise an ein anderes Ende des Tisches. Sehr dubios… „Der Junge bringt Kais Blutdruck sowas von zum Kochen. Wenn ich ihm einen Topf mit Wasser auf den Kopf stelle, könnte ich mir vielleicht ein Frühstücksei machen.“, Max schaute sich erneut nach dem verschwundenen Glas um. Echt seltsam. Da fiel ihm etwas ein. „Weißt du an wen die beiden mich erinnern? An meine Eltern! Die kriegen sich an Thanksgiving auch ständig in der Wolle, sobald es um den Truthahn geht. Nur das bei uns daheim eindeutig meine Mutter die Hosen anhat.“ „Ja. Die beiden gäben genauso ein lustiges Pärchen ab. Und dabei dachte ich immer du brennst eines Tages mit Tyson durch.“ Beide glucksten bei dem Gedanken. Bis Max den Witz begriff… „Moment mal, was?!“ Es verging noch eine weitere Dreiviertelstunde bis Max sich auf den Weg ins Hotel begab. In dieser Zeit verlangte er nach einer ausführlichen Erläuterung, weshalb seine Männerfreundschaft mit Tyson, gleich wieder auf die homosexuelle Schiene geschoben wurde. Das ging so lange, bis Ray geschockt einfiel, dass er ja noch eine Braut hatte, um die es sich zu kümmern galt. Gleichzeitig bat er Max darum, den Rest der Truppe daran zu erinnern, dass sie alle am nächsten Tag noch zum Essen in einem Restaurant eingeladen waren. Zu diesem Anlass hatte sie sich etwas Besonderes für den Bräutigam einfallen lassen. Kenny lag seit mehreren Tagen, wegen einer heftigen Magen-Darm-Grippe flach und es sollte eine Möglichkeit werden, ihn wenigstens im kleinen Kreis einzubeziehen, indem sie dessen Laptop im Restaurant aufstellten und ihn über Skype dazu schalteten. Da Ray recht geknickt war, weil er nicht kommen konnte, wollte der Chef die Mühe auf sich nehmen und trotz seiner derzeitig sehr engen Beziehung zur Kloschüssel, bei diesem Moment dabei sein. Kai merkte zwar höflich an, dass das eine seltendämliche Idee war, doch er wurde vom Rest der Truppe überstimmt, weil Kenny meinte, er könne sein Essen eventuell für eine Stunde bei sich behalten. Kai betonte daraufhin erneut sehr höflich, dass eventuell keine hundertprozentige Sicherheit garantierte, doch Tyson konterte damit, dass der Chef einfach einen Eimer parat haben sollte. Daraufhin meinte Kai, er bekomme Kopfschmerzen… Ray kritzelte inzwischen auf eine unbenutzte Serviette noch schnell die Adresse des Restaurants, dann pfiff er seinen Onkel herbei, um ihn zu bitten, seinen ziemlich angeheiterten Kumpel ins Hotel zu fahren. Wie das Schicksal so spielte, handelte es sich dabei natürlich um den kleinen Kautz vom Buffet, der ihn prompt mit einem freudigen „Howdy Cowboy!“ begrüßte. Er schien sich ziemlich witzig zu finden und als sie in seinen quietschgelben Wagen stiegen, fiel Max auf, dass Rays Onkel scheinbar Taxifahrer war. Oder vielleicht auch Kurier. Zumindest roch es im Inneren, der für ihn unbekannten chinesischen Automarke, nach gebratenem Essen, was wohl an den alten Pappschachteln lag, die auf dem Rücksitz vor sich her moderten. Rays Onkel schien auch ein redseliger Geselle zu sein. Sehr, sehr, sehr redselig… Der Mann schnatterte ohne Punkt und Komma, dabei hatte Max angenommen, ihm zuvor klargemacht zu haben, dass er kein einziges chinesisches Wort sprach. Obwohl das nicht ganz stimmte. Immerhin wusste er nach der Sache am Flughafen was Toilette bedeutete. Während der Autofahrt begriff Max, dass der kleine Herr neben ihm, Namen von Schauspielern herunterleierte. Offenbar zählte er alle auf die er aus einem Western kannte. Das fand er doch ganz ulkig, einfach weil der Onkel mit dem schütteren Haar darauf sehr stolz zu sein schien. Und da Max betrunken war - und Namen keinerlei Übersetzung bedurften - stimmte er irgendwann einmal mit ein. Von Clint Eastwood, Bud Spencer bis Jon Travolta kam alles in ihrem Spiel vor. Sobald ihnen ein weiterer Namen einfiel, schallte ein „Oooooh!“ und „Aaaaaah!“ durch den Wagen, gefolgt von ihrem Gackern und einigen anerkennenden Schulterklopfern. Sie verstanden sich, obwohl sie sich überhaupt nicht verstanden. Immerhin… Als Max endlich beim Hotel herausgelassen wurde, schien Rays Onkel ihn noch zu fragen, ob er es alleine in sein Zimmer schaffte. Oder er wollte mit hochkommen, was etwas verstörend wäre. Maxs Antwort war nur ein „Howdy Cowboy!“, was beide wieder Grölen ließ. Es gab viel Händeschütteln durch das heruntergelassene Autofenster. Max erklärte Rays Onkel dass er ihn morgen anrufen würde, um mit ihm einmal ein Bier zu trinken. Dumm nur, dass er sich von seinem neuen besten Kumpel, nicht die Handynummer notiert hatte… „Is good!“ „Yeah! Is really good!“, lallte Max nur betrunken zurück. Sie gaben sich ein mörderisches High Five. Wer brauchte schon Kai dazu, Max hatte nun einen neuen Bro! Dann drehte er sich zum Eingang, in der festen Überzeugung, dass so auch seine Beziehung mit Rays Cousine geklappt hätte, bis ihm wieder einfiel, dass sie Veganerin war und er sie deshalb nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Auf seinem Weg zur Eingangshalle, verkündete er inbrünstig, dass in seine Mayonnaise Eier gehörten, obwohl niemand da war der ihn hörte. Zumindest glaubte er das, denn an der Drehtür standen zwei Männer von der Security, die schmunzelnd den Kopf über sein Verhalten schüttelten. Die erste Hürde war, überhaupt erst hinauf zum Eingang zu gelangen, denn es führten mehrere Stufen hoch. Max kam der Weg ziemlich lang vor. Es könnte daran gelegen haben, dass er bei jedem Schritt vorwärts, drei weitere zurück machte und sich letztendlich immer wieder orientierungslos auf dem Gehweg fand. Irgendwann erbarmte sich einer der Männer am Eingang und half ihm die Stufen hinauf, nur um genervt zu stöhnen, als Max in der Drehtür ständig im Kreis weiterlief. Wann immer er die schwarzgekleideten Herren der Security wiedersah, trällerte er dann ein fröhliches „Howdy Cowboys!“. Gleich darauf prustete er los, weil er gar nicht aus Texas stammte. Solche Witze verstanden eben nur Amerikaner. Einem der Security Männer wurde es dann wohl zu bunt mit ihm, denn etwas später fand sich Max im Fahrstuhl, ohne überhaupt eine Ahnung zu haben, wie er hinein gelangte. Dort drinnen machte er sich erst einmal einen Spaß, drückte alle Knöpfe und klapperte so alle Stockwerke ab. Es gab sechzehn, inklusive des Parkhauses. Wann immer sich die Schiebetür dann öffnete, grölte Max ein „BAAMM!“ hinaus. Im Parkhaus schallte das „BAAMM!“ herrlich nach, daher bekam dieses Stockwerk besonders viel Zuwendung von ihm. Einige Etagen darüber überraschte er aber ein knutschendes Paar. Ulkiger weise kreischte ausgerechnet der Mann los, was aber auch daran liegen konnte, dass seine Partnerin ihm vor Schreck auf die Zunge biss. Da sah Max endlich ein, dass er ins Bett gehörte und drückte eilig wieder auf den Fahrstuhlknopf. Irgendwie gelang ihm dann auch noch die Herakles Aufgabe, seine Zimmerkarte aus der Hosentasche zu zaubern. Verwundert stellte er dabei fest, dass es eine weitere in seiner Hand gab. Wäre Max nicht so betrunken gewesen, hätte er sich daran erinnert, dass ihm Tyson seine eigene in die Hand gedrückt hatte, in der festen Überzeugung, sie sei bei ihm besser aufgehoben. Wann immer er das tat, kam sich Max wie seine blöde Handtasche vor. Im Skiurlaub verbummelte Tyson ständig seine zweite Zimmerkarte, weshalb er beim Ausschecken eine Strafgebühr zahlen musste. Als Max endlich sein Stockwerk fand, taumelte er den Gang hinunter und schob seine Karte durch jedes Schloss, dass es wagte seinen Weg zu kreuzen. Irgendwann machte es leise Klick und er trat in das geöffnete Zimmer ein. Das Hotel in dem sie übernachteten, war sehr modern und komfortabel. Kai hatte es ausgesucht. Mit ihm zu Verreisen war ohnehin wie ein Sechser im Lotto. Da er durch seinen Beruf öfters im Ausland unterwegs war, bekam dieser Glückspilz bei vielen Hotelketten verdammt gute Prozente und auch so manches Upgrade. Tyson und Max hatten nicht schlecht gestaunt, als jedes ihrer Zimmer über ein Kingsize Bett und einem eigenen Balkon, samt Jacuzzi verfügte. Sie waren sogar erste Klasse hier her geflogen. Ein Grund mehr warum Max nicht verstand, weshalb Kai die Reise mit ihnen, einfach nicht genießen konnte. Gut, vielleicht lag es daran, dass sie beim Sport schauen im Flieger herumgebrüllt hatten, während er zwischen ihnen saß und sich zähneknirschend die Ohren zuhielt. Doch wem kochte nicht das Blut über, wenn der Trainer den falschen Spieler ins Feld tauschte? Und wo Max gerade an Kai dachte… Es war schön zu sehen, dass er sich offenbar mit Tyson versöhnt hatte. Denn als Max ins Zimmer trat, blinzelte er dumpf auf die beiden Silhouetten, welche vor dem weiten Panoramafenster standen und sich eng umschlungen küssten. Da er dieses Mal vorgewarnt war, sah er davon ab ein „BAAMM!“ zu schreien, immerhin sollte keiner seiner Freunde die Zunge verlieren. Stattdessen schielte Max auf den dargebotenen Anblick, kniff die Augen fest zusammen, um auch wirklich sicherzugehen, dass er richtig sah. Doch die helle Beleuchtung der nächtlichen Stadt vor dem Fenster, ließ keinen Zweifel aus. Er starrte lange auf die beiden Männer, die nichts von seiner Anwesenheit mitbekamen. Musste ja ziemlich heiß hergehen dort drüben. Dann blinzelte Max auf seine Karte. Schließlich klatschte er sich gegen die Stirn, als ihm einfiel, dass er im falschen Zimmer gelandet war. Prompt taumelte er wieder leise Richtung Tür, darauf bedacht so wenig wie möglich Krach zu machen – immerhin wollte Max ja niemanden zu so später Stunde noch stören, Privatsphäre war auch unter Freunden wichtig – und lief kommentarlos aus dem Raum. Fünf Minuten später öffnete er noch einmal die Tür, um seine Hose, samt Tysons Zimmerkarte darin, hinein zu werfen. Dieser Chaot sollte endlich Mal lernen, dass Max nicht seine Handtasche war! ENDE Kapitel 1 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)