Das Volk aus den Bergen von Futuhiro (Magister Magicae 4) ================================================================================ Kapitel 13: gründlicher Check ----------------------------- jetzt, Kunigami auf Okinawa, Forschungsstation „Na, dann kommen Sie mal rein in die gute Stube“, bat Professor Doktor Hülsenkorn gut gelaunt und wendete in der Tür wieder. Das Knuddelz trabte ihm eilig hinterher, überholte ihn und schnippelte ihm quer vor die Füße, um schneller in den dahinter liegenden Raum zu gelangen als er. „Es könnte sein, daß es hier gleich ungemütlich wird“, rief Vladislav ihm nach. „Wir haben uns auf der Flucht vor ein paar seltsamen Kreaturen hier rein gerettet. Die sind immer noch da draußen. Ich hoffe, die kommen nicht hier runter.“ Der Professor schmunzelte leicht. „Sie haben also schon Bekanntschaft mit dem Volk aus den Bergen gemacht?“ „Wisst ihr etwas über die?“ „Ja. Garstige Zeitgenossen. Aber keine Sorge, unter die Erde kommen die nicht.“ Sie spazierten durch ein Labor voller Reagenzgläser, Zentrifugen, Messgeräte, Verdunstungskolben mit kochenden Flüssigkeiten und jeder Menge anderer medizinisch-technischer Vorrichtungen. An der Wand stand eine riesige Glasvitrine mit Glasflaschen, Präparaten und beschrifteten Proben. In der Ecke summte ein Kühlschrank. Mitten in dem Piepsen, Klirren und Brodeln spazierte noch ein weiterer Mann mit weißem Laborkittel und Klemmmappe herum, der fragend hochschaute. „Darf ich vorstellen? Mein Kollege, Herr Doktor Bürstenbein. ... Herr Kollege Doktor Bürstenbein, wir haben Besuch. Das sind ein Bann-Magier und sein Genius Intimus, die sich auf der Flucht vor dem Volk aus den Bergen in unsere heiligen Hallen gerettet haben. Die beiden sind Russen, wie wir.“ Der Doktor mit dem Turm krauser Haare und der Hornbrille nickte nur verstehend und legte ein fast begeistertes Lächeln auf. „Magier? Wie schön. Willkommen!“ Vladislav verengte ein wenig die Augen. Professor Doktor Hülsenkorn und Doktor Bürstenbein. Diese Namen waren einfach zu skurril. „Und wie dürfen wir Sie nennen?“, wollte Doktor Bürstenbein wissen. „Äh ... sagt einfach Mika zu mir“, schlug Vladislav vor. Das war der Name, den sein Urkundenfälscher Artjom ihm in den falschen Reisepass geschrieben hatte. So würden wenigstens keine blöden Fragen aufkommen, sollte irgendjemand den Reisepass versehentlich mal in die Finger kriegen. „Und mein Schutzgeist hier ist Rhino“, fuhr er fort, in Anlehnung an die Tatsache, daß Waleri eben ein einhörniges Rhinozeros war. Rhino klang nach einem Code-Namen und das war auch gut so, denn alle Genii arbeiteten gegenüber Fremden mit Code-Namen, um sich nicht zu gefährden. „Seid ihr auch Magier?“ „Nein.“ Doktor Bürstenbein schüttelte lächelnd den Kopf. „Wir sind nur ganz gewöhnliche Menschen, die sich der Genmanipulation verschrieben haben.“ „Nun gut, Mika. Dürfte ich Sie bitten, kurz hier Platz zu nehmen?“, mischte sich Professor Doktor Hülsenkorn wieder von der Seite ein und deutete auf eine Liege. „Dann kümmere ich mich gleich um Ihre Vergiftung.“ Mit diesen Worten verschwand er in einem angrenzenden Raum. Sein Kollege Doktor Bürstenbein schloss sich ihm an. Mangels anderer Sitzgelegenheiten pflanzten sich Vladislav und Waleri beide auf die Liege und warteten geduldig. Abgesehen davon gab es hier nämlich nur noch einen Drehstuhl an einem Computer, und dort wollte sich nun gerade keiner der beiden niederlassen, auch wenn die Simulation, die darauf lief, sehr faszinierend aussah. Vladislav ließ die Beine baumeln und den Blick durch das Labor schweifen. „Glaubst du, Victor lebt noch?“, wollte er leise von seinem Schutzgeist wissen. „Da bin ich ganz zuversichtlich. Sollte mich schon arg wundern, wenn der sich einfach umbringen lässt.“ „Oh Mann, da hab ich mich ja in was reingeritten. Ich dachte nicht, daß meine erste Mission gleich so eskalieren würde. Ich dachte, wir hören uns hier ein bisschen um, entscheiden ob es in Japan irgendwelche Viecher gibt, die man auf die blaue oder schwarze Liste setzen sollte, und dann fliegen wir wieder heim.“ „Wenn du dachtest, daß es so einfach wird, warum hast du Victor dann mitgeschleppt?“ „Ich weiß nicht. Vielleicht, weil er schon genug Erfahrung mit sowas hat.“ „Ich bin jahrelang in Japan gewesen. Ich hätte dir genauso gut sagen können, wie hier alles funktioniert“, schmollte Waleri. „Und? Hat es mir was gebracht?“ „Durchaus. Im Gegensatz zu Victor sind wir nicht gefangen worden!“ „Ja, weil du dich geweigert hast, ihm zu helfen, du Held.“ „Er WOLLTE sich doch fangen lassen!“ „Na, dann prahle nicht damit, wie großartig wir sind, nur weil wir noch frei sind“, hielt Vladislav ruhig aber ernst dagegen. Waleri holte tief Luft, um zurück zu schießen, kam aber nicht mehr dazu, weil die zwei Laborkittelträger den Raum wieder betraten. Professor Doktor Hülsenkorn mit dem kahlen Kopf brachte eine steril verpackte Kanüle und ein Röhrchen mit Schraubverschluss. „So. Dann werde ich Ihnen erstmal eine Blutprobe abnehmen, was? ... Werter Kollege Doktor Bürstenbein, wären Sie vielleicht so freundlich, mir zu assistieren?“ „Aber natürlich, Herr Professor Doktor Hülsenkorn. Es wäre mir eine Ehre.“ Die beiden Forscher desinfizierten Vladislavs Ellenbeuge, pieksten ihn fachmännisch mit der Nadel an und zapften ihm ein volles Röhrchen Blut ab. Eine Sache von Sekunden, wie sich das für Profis gehörte. Einer drückte ihm einen Wattebausch auf die Einstichstelle, um die Blutung wieder zu stoppen. „Ganz herausragende Arbeit, Herr Professor Doktor Hülsenkorn!“, lobte der eine. „Vielen herzlichen Dank, Herr Doktor Bürstenbein.“ Waleri verdrehte genervt die Augen. Wenn die zwei sich auch weiterhin so gegenseitig beweihräucherten, kam ihm noch das letzte Essen wieder hoch. Das war ja schlimmer als eine Liebesschmalze. „Wir bestimmen anhand der Blutwerte, wie viel Gift Sie von unserem kleinen Knuddelz abbekommen haben. Wenn das Gegenmittel nämlich überdosiert wird, hat es sehr unschöne Nebenwirkungen, die wir Ihnen gern ersparen wollen“, klärte Professor Doktor Hülsenkorn ihn auf und wedelte dabei vielsagend mit Vladislavs Blutprobe. „Und wenn es zu niedrig dosiert wird ... naja ... Sie verstehen schon.“ Der nickte lediglich einverstanden. „Wie schnell wirkt das Gift denn?“, verlangte Waleri zu wissen. „Ach, so schnell nun auch wieder nicht. Ihr Kollege wird nicht gleich tot umfallen. Wenn die Menge Gift nicht hoch genug war, verläuft das Ganze nicht mal tötlich, sondern nur wie eine deftige Grippe mit Fieber, Magenbeschwerden und Gliederschmerzen.“ „Ich möchte euch auch strengstens geraten haben, daß das nicht tötlich verläuft. Sonst gibt es hier noch mehr Tote, das schwöre ich euch!“ „Keine Sorge“, lächelte der Professor humorvoll. Vladislav und Waleri zogen synchron ihre Füße in die Luft, als der Dackel-Hybrid mit wedelndem Schwanz angetrabt kam, in der Hoffnung, von irgendwem geknuddelt zu werden. Keiner von ihnen wollte wieder mit dem giftigen Rüsseltier in Kontakt kommen. Doktor Bürstenbein mit den wildwuchernden, krausen Haaren und der Hornbrille war schon eine ganze Weile mit einem Mikroskop zugange, forschte an irgendetwas herum und stand nicht für Plaudereien zur Verfügung. Professor Doktor Hülsenkorn hatte sich mit Vladislavs Blutprobe in einen Nebenraum verzogen und betrieb wohl die nötigen Labortests. Insgesamt war es furchtbar langweilig hier. Vladislav hatte sich auf seiner Liege lang ausgestreckt und die Hände im Genick verschränkt. Sein Genius Intimus spazierte ungestört im ganzen Labor herum und sah sich alles an, stets verfolgt von dem Knuddelz, das sich wohl genauso langweilte und auf Beschäftigung hoffte. Leider erfolglos. Waleri ignorierte das Tier, wenn er konnte, beziehungsweise hielt es sich vom Leib, soweit es nötig und der Gesundheit zuträglicher war. Vladislav rutschte etwas an die Wand, um seinem Schutzgeist Platz zu machen, als der irgendwann zurück kam, damit er sich wenigstens noch zu ihm auf die Kante setzen konnte. Sonst hätte er die Liege komplett allein beschlagnahmt, so wie er sich hier inzwischen ausgebreitet hatte. Waleri schaute ihn mit einem auffallend fragenden Blick an, der auch ohne Wort genug sagte. Er spürte schon die ganze Zeit einen stärker werdenden Unwillen, beinahe Argwohn, in seinem Schützling aufkeimen. Der Boss der Motus schüttelte den Kopf. „Später“, raunte er leise zurück. Er wollte nicht, daß dieser Doktor drüben am Mikroskop mithörte. Professor Doktor Hülsenkorn kam zurück, schnappte sich am gekachelten Labortisch eine große Dose mit irgendeinem Pulver, einen Spatel, eine Waage und Kapselrohlinge, um daraus Medikamente zu machen. Er vermischte das Pulver mit irgendeinem anderen Wirkstoff, brannte es über einem Bunsenbrenner zu bröckeligem Granulat, dosierte das Zeug dann in die winzigen Gelantine-Hülsen und steckte die Hälften zu ganzen Kapseln zusammen, die man einfach schlucken konnte. Davon brachte er Vladislav schließlich einen halben Becher voll. „So~“, grüßte er fröhlich. „ya vernulsy. [Da wäre ich wieder.] Ich habe das Gegenmittel auf die Dosis Gift abgestimmt, die Sie sich eingefangen haben. Die hier reichen erstmal eine Weile. Wenn sie alle sind, mach ich neue. Nehmen Sie davon jede Stunde eine.“ „So einfach ist das?“, witzelte Vladislav herum. „Nun, ich könnte Sie auch an die Dialyse anschließen und einer kompletten Blutwäsche unterziehen, wenn Ihnen diese Prozedur lieber ist.“ „Sowas haben Sie hier unten?“ „Sie würden staunen, was wir hier alles für Gerätschaften haben“, schmunzelte der kahlköpfige Professor. „Als Genetiker muss man auf alle möglichen Testverfahren vorbereitet sein, um an seine Ergebnisse zu kommen.“ Vladislav hob den Becher voll Pillen kurz dankend hoch und warf sich die erste davon ein. Dabei schielte er mit einem halben Auge auf die Uhr, wann er die nächste würde nehmen müssen. „Ich würde Sie gern ans EKG und ans EEG anschließen, wenn das für Sie in Ordnung ist. Auch wenn wir Ihnen Gegenmittel verabreichen, müssen wir Ihre Vitalfunktionen unter Beobachtung halten, damit sich das Gift nicht unbemerkt irgendwo festsetzt und sich auf irgendwas auswirkt.“ „Wenn das so ist, dann bin ich natürlich dafür.“ „Können Sie mich auch mal an sowas anstöpseln?“, wollte Waleri wissen. „Klar, warum nicht. Haben Sie etwa gesundheitliche Beschwerden?“ „Nö. Ich bin bloß neugierig. Ich hing noch nie an solchen Dingern.“ Professor Doktor Hülsenkorn nickte väterlich, wie nur Ärzte es konnten. „Meinen Glückwunsch, wenn sich das noch nie erforderlich gemacht hat. Dann scheinen Sie mir eine robuste Gesundheit zu haben. Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht, wenn ich Sie an die Geräte anschließe. Sehr spektakulär ist das nicht.“ „Möglich. Aber wann hat man schonmal ohne Grund so eine Gelegenheit?“ „Also wenn Sie möchten, kann ich Sie gern mal ins MRT schieben. Das ist schon eher eine Erfahrung.“ „Au ja!“, jubelte der Genius sensationslüstern. Seine Augen strahlten voller Vorfreude. Vladislav zog eine Augenbraue hoch. „Sowas haben Sie hier auch?“ „Ja. Und für Sie müssen wir das Ding jetzt sowieso anwerfen. Ihnen blüht das nämlich auch noch, damit wir die Wirkung des Giftes und des Gegengiftes im Auge behalten können.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)