Zum Zuschauen verdammt von ougonbeatrice ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Im Leben eines jeden Menschen kam einmal die Zeit, das Elternhaus zu verlassen und eigene Wege zu gehen. Schon bald sollte dieser Tag auch für Tess kommen. Morgen würde sie umziehen, in eine neue Stadt, in ein neues Leben, und ihr Studium beginnen: Archäologie in Straßburg. Davon hatte sie immer geträumt, seit sie im zarten Alter von sieben Jahren das erste Mal die Geschichte des Allosaurus Big Al im Fernsehen gesehen hatte. Von da an hatte sie als Kind im Dreck gewühlt in der Hoffnung eine Speerspitze, Tonscheibe oder vielleicht sogar prähistorischen Knochen zu finden. In den letzten Jahren hatte Tess nicht mehr in der Erde gebuddelt, sondern ihre Nase in Bücher gesteckt. Sich in weiser Voraussicht für eine Schule entschieden, an der sie Latein lernen konnte. Sogar das Graecum hatte sie gemacht, was sie mehr schlecht als recht bestanden hatte. Glücklicherweise fragte niemand mehr nach der Note, sobald man ein Graecum mal hatte. Die Feldforschung machte ihr sowieso mehr Spaß. Nach mehreren Praktika war sie nun mit 25 Jahren bereit den ersten großen Schritt Richtung Traumberuf zu gehen. Ein Studium an der renommierten Universität in Straßburg, für das sie sogar vier Jahre auf der Warteliste in Kauf genommen hatte. Dinosaurier sind antiker Menschheitsgeschichte gewichen und schon bald würde sie ihren Teil zur Forschung betragen. Endlich ihr Leben beginnen; so war jedenfalls der Plan. Doch noch war sie zu Hause und mitten in ihrem Zimmer unterm Dach, umringt von ihren Habseligkeiten. Das meiste hatte sie bereits gepackt und das Gröbste war bereits auf dem Weg in ihre neue Wohnung. Nun galt es sich von ihren liebsten Stücken zu trennen oder die Entscheidung zu treffen, das ein oder andere doch noch in die letzte Tasche zu packen und mitzunehmen. Ihr Blick hing sofort an ihrem Lieblingsplüschtier. Eine kleine Katze mit aufgestickten, verfranzter Latzhosen die sie besaß, seit sie nur ein paar Tage alt war. Eigentlich hatte sie vor gehabt den Umzug zu nutzen, um erwachsener zu werden. Das bedeutete auch sich von der eigenen Kindheit zu distanzieren. Sie sollte es hier lassen zusammen mit den anderen bereits eingestaubten Plüschtieren, die noch vereinzelt auf ihren Regalen gelagert waren und Reststücke ihrer noch nicht allzu fernen Kindheit waren. Plüschtiere hatten kein Platz in einer Studentenwohnung. Noch während sie es dachte ging ihr Griff zur abgegriffenen Katze und sie verstaute sie liebevoll in ihrer Tasche. Naja, ein Erinnerungsstück kann man sich leisten, sagte sie zu sich selbst und wendete sich bereits wieder dem Sammelsurium an Kleinkram um sie herum zu. Das meiste konnte sie mit gutem Gewissen hier lassen. Gebastelte Figuren aus der Schulzeit, die eher von ihrer Mutter als von ihr geliebt und geschätzt wurden. Ein paar Accessoires, die sie von ihren Freunden irgendwann einmal zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, eingerahmte Photos und ... Bücher. Ihre geliebten Bücher. Während sie den Blick auf den wackeligen Stapel ausgewählter Bücher gerichtet hatte, fuhr sie sich über die Haare und atmete geräuschvoll aus. Die Bände vor ihr waren nur ein winzig kleiner Teil ihrer Sammlung, die sie mit Hingabe gehegt und gepflegt hatte. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie unmöglich ihren kompletten zum bersten gefüllten Bücherschrank in ihre 25 Quadratmeter Wohnung mitnehmen konnte. Dennoch erschien der Gedanke sich auch nur von einem ihrer Bücher zu trennen unerträglich. Sie liebte es in fremde Welten einzutauchen und sich von den unwirklichen Gestalten aus dem Reich der Fantasy verzaubern zu lassen. Und so liebte sie auch jedes einzelne ihrer Bücher die es geschafft haben, sie auf eine für sie unvergessliche emotionale Reise zu schicken. Noch immer betrachtete sie den Stapel an bunten Büchern, der sich zwischen ihren Taschen bildete. Wehmütig ging sie in die Hocke und fuhr über den abgegriffenen Einband des obersten Buches, auf dem in großen Lettern der Name "Harry Potter" zu lesen war. Mit Stolz konnte und durfte sagen, dass sie zur Generation Harry Potter gehörte. Auf jedes Buch seit dem ersten Abenteuer des Jungen mit der Blitznarbe hatte sie Jahr um Jahr gewartet und hat mit angesehen, wie mit jeder neuen Veröffentlichung die Euphorie um ihn anwuchs bis es schließlich vor elf Jahren mit einem tränenreichen nicht weniger magischen Finale schließlich ein Ende nahm. Bis heute hatte sie kein Buch gefunden, das an dieses Gefühl heranreichte, das sie verspürte als sie Harry Potter zum ersten Mal gelesen hatte. Wenn sie an diese Zeit zurückdachte wurde ihr plötzlich bewusst, wie alt sie geworden war. Sie hatte längst nichtmehr die kindliche Naivität und trug mehr als eine Sorge ständig mit sich herum. Oft ertappte sie sich dabei wie sie sich wünschte, zurück zu kehren zu jenen unbeschwerten Tagen, an denen ihre einzige Sorge war möglicherweise keinen Brief für Hogwarts zu bekommen. Der Brief war nie gekommen, die Enttäuschung überwunden und neue Sorgen bestimmten nun ihr Leben. Sorgen wir von nun an alleine leben zu müssen, in einer fremden Stadt und der Druck die nächsten Jahre erfolgreich hinter sich zu bringen, denn vom Verlauf dieses Studiums hing buchstäblich ihr Leben ab. In Gedanken hörte sie nicht das Gewitter, das sich über ihr zusammen gebraut hatte. Erst die schweren Tropfen, die auf die Dachfenster zu prasseln begannen holten sie in die Wirklichkeit zurück. Ihre Mutter rief ihr bereits von irgendwo zu, sie solle die Fenster im oberen Stock schließen, damit es nicht hineinregnete. Eilig lief sie von Raum zu Raum und schloss die geöffneten Fenster. Das würde sie sicher nicht vermissen: ihr Zimmer unterm Dach. Im Winter war es viel zu kalt selbst mit Heizung und im Sommer war es schlimmer als in jeder Sauna. Jedes Jahr von Juni bis Oktober riss ihre Mutter die Fenster auf in der Hoffnung einen Durchzug zu erzeugen und damit ein wenig Abkühlung zu verschaffen. Ohne Erfolg. Denn schon ein in dieser Gegend recht häufiges Sommergewitter, wie dieses, das sich zusammen gebraut hatte, zwang sie die Fenster zu schließen, da sich sonst ein See im Haus bilden würde. Soviel zum Thema Fenster auf während einem Gewitter; das kühlte ab. Wie sie es hasste. Nachdem jedes Fenster geschossen war ging sie zurück in ihr Zimmer. Die meisten ihrer Besitztümer hatte sie auf dem Boden unter dem Dachfenster verteilt, da es dort am hellsten war, weshalb nun manche Sachen ein wenig nass waren. Der erste Harry Potter Band hatte es besonders erwischt, weil er ganz oben gelegen hatte. Erneut auf die Dachschräge fluchend hob sie das nasse Buch auf und wusch mit der Hand vorsichtig die Tropfen vom Hardcover. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass das Buch keinen allzu großen Wasserschaden davongetragen hatte, begann sie in dem Buch zu blättern. Unzählige Male hatte sie diese Bücher gelesen und konnte sie nun, wie viele andere ihrer Generation ebenfalls, nahezu auswendig. Nicht ohne Grund lagen sie hier vor ihr im Bereich der 'Engeren Wahl' und hatten gute Chancen nach Straßburg mitgenommen zu werden. Vermutlich die einzigen Bücher ihrer Sammlung. Inzwischen wütete das Gewitter über ihr. "Kapitel eins, der Junge, der überlebte", schmunzelnd überflog sie das erste Kapitel und blätterte weiter bis die ersten Briefe in das Haus der Dursley flogen. Der Hogwartsbrief. Sie hätte ihre Seele eingetauscht wenn sie dafür nur an ihrem elften Geburtstag einen Brief bekommen hätte. Den ganzen Tag hatte sie gewartet. Doch keine Eule ist erschienen. Erschrocken blickte sie auf, als das Licht in ihrem Zimmer zu flackern begann. Seltsam, das haben sie noch nie gemacht. Nicht einmal während eines Gewitters, dachte sie und schlug die nächste Seite auf. Und die nächste. Und die nächste. Währenddessen war das Gewitter nun genau über ihr und schüttete literweise Regen auf die Erde. Ein Blitz nach dem anderen erhellte den Himmel, bis schließlich einer das Haus traf und alle Sicherungen herausspringen lies. Draußen verdeckten die dicken Gewitterwolken jeden Sonnenstrahl, weshalb sie nun völlig im Dunkeln saß. Erschrocken klappte sie das Buch mit dem Finger dazwischen zu, damit sie nicht die Stelle verlor, wo sie gerade aufgehört hatte zu lesen. Sie hörte, wie ihre Mutter erneut etwas rief, aber sie konnte es dank eines weiteren Donnerschlages nicht verstehen. Ohne Sicherung würde das Licht nicht angehen, das war ihr klar. Trotzdem spielte sie leise fluchen an dem Lichtschalter, der wie erwartet keine Reaktion zeigte. Frustriert schlug sie mit der flachen Hand gegen den Schalter und drückte mit der anderen den Band an die Brust. Beinahe Zeitgleich peitschte erneut ein Blitz scheinbar direkt über ihr über den Himmel, dessen Druckwelle das Haus erzittern ließ. Tess hörte den sofort darauffolgenden Donner, bevor der immer größer werdende Druck sie in die Knie zwang und ihr schwarz vor Augen wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)